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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Abänderung der Rückkaufsbestimmungen der neuern Konzessionen.

(Vom 20. September 1897.)

Tit.

In einer Eingabe an den Bundesrat, vom 21. Mai 1897, führt der Regierungsrat des Kantons Bern folgendes aus: ,,Anläßlich seiner Beratung des Gesuches der Burgdorf-ThunBahn betreffend Genehmigung der Statuten und des Finanzausweises und Bewilligung eines Staatsbeitrages an den Bau dieser Linie sei er darauf aufmerksam gemacht worden, daß Art. 26, litt, c, des Konzessionsaktes dieser Bahngesellschaft mit dem entsprechenden Artikel der Normalkonzession (Art. 27, litt, c) nicht übereinstimme.

Jener Artikel laute wie folgt: ,,c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern" etc. etc.

-- wie Normalkonzession bis -- ,,den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages; -- unter Abzug des Erneuerungs- und Reservefonds.u Art. 27, litt, c, der Normalkonzession sage aber ausdrücklich : ,,-- immerhin in der Meinung, daß die Entschädigungssumme in keinem Falle weniger als die nachgewiesenen erstmaligen Anlagekosten der bestehenden Einrichtungen, jedoch unter Abzug des Betrages des Erneuerungs- und Reservefonds, betragen darf."

Dieser Passus fehle jedoch nicht nur in der Konzession der Burgdorf-Thun-Bahn, sondern auch m e r k w ü r d i g e r w e i s e so ziemlich in allen seit 1887 erteilten Eisenbahnkonzessionen.

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Infolge dieser A u s l a s s u n g mache sich das Rückkaufsrecht des Bundes in derart drückender Weise geltend, daß nicht allein den dadurch betroffenen Eisenbahnunternehmungen, sondern namentlich auch dem bernischen Fiskus schwerer Schaden erwachsen würde.

Wie dem Bundesrate bestens bekannt, sei der Kanton Bern gemäß Volksbeschluß vom 28. Februar 1897 in hohem Maße an dem Bau verschiedener für seinen Handel, seine Industrie, seine Volkswirtschaft überhaupt wichtiger Eisenbahnlinien beteiligt und habe auch schon in früheren Jahren auf Grundlage ähnlicher Beschlüsse an solche Unternehmungen Staatsbeiträge bewilligt. Er habe dies im guten Glauben gethan, daß der Rückkauf dieser Linien durch den Bund seiner Zeit gemäß der Normalkonzession erfolgen werde.

In Anbetracht der nun zu Tage getretenen L ü c k e n h a f t i g k e i t der neuern Konzessionen sehe sich die Regierung veranlaßt, beim Bundesrate zu Händen der h. Bundesversammlung das höfliche Ansuchen zu stellen, d i e s e l b e m ö c h t e in der n ä c h s t e n s s t a t t f i n d e n d e n o r d e n t l i c h e n Session litt, c der Rückkaufsbestimmungen in den hiernach bezeichneten K o n z e s s i o n e n g e m ä ß A r t . 2 7 , l i t t , c, d e r N o r m a l konzession ergänzen und letztere Fassung grundsätzlich in den künftigen Konzessionen anwenden.

Es seien vorläufig folgende : Solothurn-Münster, Spiez-ErlenbachBern-Neuenburg, Spiez-Frutigen, Bern-Wattenwyl-Thun, Bern-Worb, Sumiswald-Huttwil, Burgdorf-Thun-Bahn, Frutigen-Brig (Lötschbergbahn), Tramelan-Saignelégier- Goumois- Bahn, lnterlaken -BrienzLangenthal-Önsingen, Delsberg-Önsingen, Bern-Muri-Worb, HuttwilWolhusen, Lauterbrunnen-Visp. Vevey-Bulle-Thun, Saignelégier, Glovelier."

Bevor wir auf die materielle Seite des Gesuches eintreten, erscheint es geboten, einige falsche Voraussetzungen und Annahmen, von denen die Eingabe der Berner Regierung ausgeht, richtig zu stellen.

Wenn dieselbe zunächst von ,, F e h l e n des fraglichen Passus in der Konzession Burgdorf-Thun" und ,, m e r k w ü r d i g e r w e i s e so ziemlich in allen seit 1887 erteilten Eisenbahnkonzessionen" ferner von einer ,,Auslassung" oder ,,zu Tage getretenen Lückenhaftigkeit der neuern Konzessionen" spricht, so muß daraus geschlossen werden, es nehme die Regierung von Bern eine unabsichtliche, aus Versehen oder
Irrtum untergelaufene Auslassung an.

Diese Annahme ist aber eine irrige. Die Klausel, welche als Rückkaufsentschädigung mindestens die Anlagekosten garantierte, wurde mit Absicht zuerst in der Konzession für die Birsigthalbahn vom

273 23. Dezember 1886 (E. A. S. IX, 171), sodann in den meisten im Jahr 1887 erteilten Konzessionen gestrichen und vom Jahr 1888 an in keine Konzession mehr aufgenommen, mit Ausnahme der abgeänderten Konzession für die Schmalspurbahn Yverdon-Ste. Croix, bei welcher ganz besondere Verhältnisse vorlagen (s. Botschaft vom 10. Dezember 1890, Bundesbl. 1890, V, 258 ff.). Die Streichung erfolgte zu dem Zwecke, den Bund als Ruckkäufer wenigstens für die Zukunft nicht mehr in die ihm durch die frühern Konzessionen geschaffene äußerst ungünstige Stellung zu versetzen, welche darin besteht, daß er einerseits für die gut rentierenden Bahnen den Ertragswert, d. h. mehr als die Anlagekosten, anderseits für die schlecht oder gar nicht rentierenden nicht wieder den Ertragswert, sondern mindestens das Anlagekapital bezahlen muß, wodurch ein angemessener Ausgleich zwischen den guten und schlechten Linien von vornherein ausgeschlossen ist. Oft genug war diese Rückkaufsbestimmung von den Anhängern der Verstaatlichung als für den Bund ruinös beklagt und der Schluß gezogen worden, es sei infolge derselben der konzessionsgemäße Rückkauf für den Bund mit zu großen Opfern verbunden und daher überhaupt nicht durchführbar, es müsse vielmehr die Erwerbung der Bahnen auf einem ändern Wege angestrebt werden. Die in dieser Beziehung gemachten zahlreichen Vorschläge (freihändiger Ankauf, Penetration, Expropriation) gingen jeweilen in dem Postulat einig, daß der E r t r a g der einzig richtige und gerechte Maßstab für Bemessung des wirklichen Wertes der Bahnen sei und nur ein auf dieser Grundlage berechneter Rückkaufspreis für den Bund als annehmbar angesehen werden könne.

Der Bundesrat mußte es daher als seine Pflicht betrachten, dafür zu sorgen, daß dieser Grundsatz auch in den Konzessionen zum Ausdruck gelangte, und als naheliegendstes und einfachstes Mittel .zur Erreichung dieses Zweckes erschien die Weglassung des Satzes, welche als Mindestbetrag der Rückkaufsentschädigung die Anlagekosten garantierte. Der Vorwurf, daß dies nur unter der Hand, ohne daß die Interessenten darum gewußt hätten, oder gar, wie einzelne Preßorgane in gehässiger Weise darzuthun suchten, in illoyaler Weise, heimlich, durch Täuschung nicht bloß der Nächstbeteiligten, sondern sogar der eidgenössischen Räte geschehen sei, erweist sich ohne weiteres
als hinfällig, wenn man folgende Thatsachen in Erwägung zieht. Die ersten Konzessionen, welche den fraglichen Passus nicht mehr enthielten, betrafen Specialbahnen, bei welchen man überhaupt den Rückkaufsbestimmungen wenig oder keinen praktischen Wert beimaß, weshalb von einer Erörterung der Frage in den bezüglichen Botschaften Umgang genommen wurde und man sich mit dem mündlichen Hinweis auf die getroffene Änderung im Schöße der Kommissionen begnügte. In der Folge ßundesblatt. 49. Jahrg. Bd. IV.

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wurde vom Bundesrate wiederholt Veranlassung genommen, nicht bloß in den Konzessionskonferenzen, sondern auch in Botschaften auf die von dem früher üblichen Wortlaut abweichenden Rückkaufsbestimmungen ausdrücklich hinzuweisen, z. B. in der Botschaft betreffend die ursprüngliche Konzession für Yverdon-Ste. Croix vom 18. Juni 1888 (Bundesbl. 1888, III, 574). Den Gegenstand eingehender Erörterung bildete die Frage'der Weglassung der Garantie des Anlagekapitals als Mindestrückkaufspreises bei den konferenziellen Verhandlungen über die Konzessionsbedingungen für die Linie Thalweil-Zug der Nordostbahn im Jahr 1889. Sie wurde dann auch in der Botschaft vom 10. Dezember 1889 (Bundesbl. 1889, IV, 1135 f.) zur Sprache gebracht, und zwar nicht bloß nebenbei, sondern in grundsätzlicher Weise. Wir führen daraus folgende Stellen an : ,,Vor allem verlangte die Vertretung der Nordostbahn Aufnahme, in litt, c des Art. 26, der Bestimmung der Normalkonzession, daß die Entschädigungssumme in keinem Falle weniger als die nachgewiesenen erstmaligen Anlagekosten der bestehenden Einrichtungen betragen dürfe. Es müsse auf diese Bestimmung von Seiten der Konzessionsbewerberin um so mehr Gewicht gelegt werden, als bei Festsetzung von 1903 als erstem Rückkaufstermin und Anmeldung des Rückkaufs durch den Bund im Jahre 1900, alsdann auf keinen Fall schon 10 Betriebsjahre vorliegen werden, nach welchen im Sinne von litt, c der durchschnittliche Reinertrag zu berechnen wäre, während doch gerade bei dieser Linie, welche in den ersten Jahren weniger rentieren werde und welcher erst nach und nach, abgesehen von der Verkehrsteilung mit der Linie ZürichZug-Luzern, n e u e r Verkehr zuzuleiten getrachtet werden müsse, eine Grundlage von 10 Jahren doppelt wünschbar wäre Wir beantragen, auf das erste Begehren der Nordostbahn nicht einzutreten und, i n F e s t h a l t u n g d e s b e i E r t e i l u n g d e r neuern K o n z e s s i o n e n e i n g e n o m m e n e n Standpunktes, diese für den B u n d als R ü c k k ä u fer ebenso ungünstigen a 1s u n b i l l i g e n B e d i n g u n g n i c h t aus der B u n d e s g e n e h migung der alten Konzession für Thalweil-Sihlbrücke herüberzunehmen, sondern ein für allemal beiseite zu lassen.

Will man indessen den Einwand, daß die Bahn im Nachteil wäre, wenn beim Rückkauf im Jahr 1903 für die
Berechnung des maßgebenden Reinertrages nicht volle 10 Jahre zu Grunde gelegt werden könnten, ein Einwand, welchem eine gewisse Berechtigung nicht abzusprechen ist, Rechnung tragen, so hätte dies u. E. nicht sowohl durch Festsetzung des Betrages der Anlagekosten als Minimum

275 der Entschädigung, als vielmehr so zu geschehen, daß der erste Rückkaufstermin auf den Zeitpunkt festgesetzt wird, wo die Linie tt 10 Jahre im Betrieb sein werde Über die Begehren und Einwendungen der Nordostbahn waltete dann nicht bloß in den Kommissionen, sondern auch in den eidgenössischen Räten selbst einläßliche Diskussion, welche damit schloß, daß den Anträgen des Bundesrates in Bezug auf die Fassung der Rückkaufsbestimmungen und speciell betreffend Weglassung der von der Nordostbahn postulierten Klausel beigestimmt wurde, immerhin unter Einschaltung einer Bestimmung, nach welcher der Rückkauf frühestens auf den Zeitpunkt erfolgen dürfe, in welchem die Linie 10 Jahre im Betrieb sein werde. Auch bei spätem Anlässen wurde von Konzessionsbewerbern das Begehren nach Aufnahme der fraglichen Bestimmung gestellt, aber unter Hinweis auf die konstante neuere Praxis abgelehnt.

Es mag ferner erwähnt werden, daß jeweilen die vorläufigen Konzessionsentwürfe, in welchen die Klausel nicht mehr enthalten war, den beteiligten Kantonsregierungen und Potenten einige Zeit vor der Konzessionskonferenz mitgeteilt wurden, denselben also stets Gelegenheit geboten war, die vorgeschlagenen Bedingungen einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. Dies gilt insbesondere auch für die in der Eingabe der Berner Regierung aufgezählten Konzessionen.

Unter diesen Umständen ist uns nicht erfindlich, wie der Berner Regierung die konstante Praxis in Bezug auf die Gestaltung der Rückkaufsbestimmungen unbekannt bleiben konnte. Wenn es trotzdem der Fall war, und wenn insbesondere bei Erlaß des Subventionsdekretes vom 28. Januar 1897 davon ausgegangen wurde, es werden beim Rückkaufe die von Kanton oder Gemeinden etc. geleisteten Subventionen unter allen Umständen soviel als unverkürzt zurückerstattet werden und daher gewissermaßen nur Vorschüsse sein, indem der Bund mindestens das Anlagekapital als Rückkaufsentschädigung zu bezahlen habe, so mag die Erkenntnis dieses Irrtums allerdings eine unangenehme Überraschung gewesen sein.

Allein es ginge nicht an, für diese unrichtige Voraussetzung den Bund oder seine Organe verantwortlich machen zu wollen, während doch der gegenüber dem frühern veränderte und durch eine fast zehnjährige Praxis sanktionierte Wortlaut der Rückkaufsbestim mungeu der neuern Konzessionen auch ihr bekannt sein
konnte und thatsächlich allgemein bekannt war.

Die Eingabe der Berner Regierung beruft sich sodann wiederholt auf die .,,Normalkonzession1* und scheint von der Annahme auszugehen, es handle sich dabei um ein unveränderliches Schema

276 ein für allemal festgesetzter normaler Konzessionsbedingungen, auf deren unverkürzte Zubilligung die Bewerber ein Recht hätten, von denen im einzelnen Falle abzugehen der Bund nicht befugt wäre.

Dies ist aber durchaus nicht der Fall; ein solches Verhältnis würde schon mit dem Wesen der ,, Konzession" als eines einseitigen staatlichen Hoheitsaktes im Widerspruch stehen. In der That ist denn auch weder durch die Verfassung noch durch die positive Gesetzgebung diesfalls eine Schranke gezogen. Das Eisenbahngesetz beschränkt sich darauf, ganz allgemein einige Punkte zu bezeichnen, welche in den Konzessionen zu regeln seien, ohne genauer zu präcisieren, in welcher Weise dies zu geschehen habe (zu vergi.

Art. 5, 6, 8, 13, 27). Dem Bund steht es daher frei, die Erteilung von Eisenbahnkonzessionen an die ihm zweckmäßig erscheinenden Bedingungen zu knüpfen, wogegen auf der ändern Seite auch den Bewerbern unbenommen ist, die Konzessionen anzunehmen oder nicht.

Nach Inkrafttreten des Eisenbahngesetzes vom 23. Dezember 1872, welches die direkte Ausübung des Eisenbahnhoheitsrechtes zu Händen des Bundes vindizierte, setzte allerdings der Bundesrat in einer Botschaft vom 10. Juli 1873 die Grundsätze auseinander, nach welchen seiner Auffassung nach die Bedingungen der neu zu erteilenden Konzessionen formell und materiell zu gestalten wären, indem er den Entwurf einer sogenannten Normalkonzession aufstellte, immerhin nicht in der Meinung, über die Normalkonzession an und für sich eine Erörterung und Schlußfassung durch die Bundesversammlung provozieren zu wollen, sondern in der Voraussetzung, daß die erste der von ihr zu behandelnden Konzessionen wohl die natürlichste Veranlassung bieten werde, das Urteil der Bundesversammlung darüber zu fallen. So geschah es auch. Die eidgenössischen Räte traten der Ansicht des Bundesrates insofern bei, als sie in der Konzession für Thun-Konolflngen vom 17. September 1873 (E. A. S. I, 137 ff.) in den meisten, aber nicht in allen Punkten acceptiert wurde. Wenn nun auch bei Feststellung der Bedingungen dieser Konzession die Auffassung obwaltete, daß dieselben für künftig zu erteilende Konzessionen im allgemeinen als Typ zu dienen haben, so wurde dagegen weder in dem citierten Bundesbeschluß vom 17. September 1873 noch sonst bestimmt, daß dieses Formular für alle Zukunft und
für alle Fälle u n v e r ä n d e r l i c h bleiben und die Bundesversammlung daran gebunden sein sollte. Ein solcher Beschluß wäre, wie schon oben erwähnt, mit dem Begriff der Konzession unvereinbar und hätte auch gar nicht strikte durchgeführt werden können, weil das Formular nur auf Normalbahnen berechnet war und daher nicht auf alle Fälle paßte, indem z. B. für die Specialbahnen aller Art notwendigerweise, wenigstens zum Teil,

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andere Vorschriften aufgestellt werden mußten. Thatsache ist, daß der fragliche Bundesbeschluß in der Praxis keineswegs im angedeuteten Sinne ausgelegt wurde. Die darin aufgestellten Bedingungen erwiesen sich allerdings im allgemeinen als durchaus zweckmäßig und, soweit dies der Fall war, lag in der Folge und liegt heute noch kein Grund vor, von denselben abzugehen, um so weniger, als es aus praktischen Gründen wünschenswert erscheinen mußte, in formeller und materieller Beziehung möglichste Übereinstimmung der Konzessionen herzustellen. Als unabänderlich aber;wurden die Bestimmungen nie angesehen, vielmehr traf die Bundesversammlung, sofern sich dieselben infolge der Fortschritte der Technik oder der veränderten Verhältnisse oder der neuern Gesetzgebung als unzweckmäßig, überholt oder antiquiert, als lückenhaft oder ungeeignet erzeigten, unbedenklich die passend scheinenden Änderungen, Streichungen und Ergänzungen, ohne daß je die Frage nach der Zulässigkeit solcher Änderungen gegenüber der als sogenannte ,,Normalkonzession"1 betrachteten Konzession Thun-Konolfingen vom 17. September 1873 auch nur aufgeworfen worden wäre. Es ist dies eben ein ganz selbstverständliches Hoheitsrecht des Staates, sofern keine verfassungs- oder gesetzlichen Beschränkungen bestehen.

Wir verweisen hier auf die zahlreichen für Specialbahnen aller Art aufgestellten besondern Konzessionsbestimmungen, ferner auf die Änderung betreffend die mittlere Fahrgeschwindigkeit der Personenzüge, die niedrigere Bemessung des zu einer Taxherabsetzung verpflichtenden Reinertrages, die Streichung der besonderu Konzessionsbestimmung," welche die Gesellschaften zur Vorlage grundsätzlicher Änderungen der Tarife an die Bundesversammlung verpflichtete, die Einführung der Verpflichtung zur Äuffnung von Erneuerungsund Reservefonds, sowie zur Errichtung von Kranken- und Unterstützungskassen etc. in allen neuern Konzessionen, welche Änderungen ganz unbeanstandet blieben, obwohl sie zum Teil ebenfalls eine Erschwerung gegenüber den frühern Konzessionen bedeuten.

Unter den gleichen Gesichtspunkt fällt aber die Streichung der Klausel, welche als Mindestentschädigung beim Rückkauf die nachgewiesenen erstmaligen Anlagekosten stipulierte.

Danach ist auf jeden Fall der Standpunkt der Berner Regierung unhaltbar, wenn sie die Nichtübereinstimmung in
jenem Punkte der neuern Konzessionen mit der sogenannten Normalkonzession als unberechtigte Änderung und die Wiederherstellung des früher üblichen Wortlautes gewissermaßen als einen wohlbegrüudeten Anspruch, ein förmliches Recht der Konzessionäre, welche die Konzessionen in der neuern Form acceptierten, hinzustellen sucht.

Sieht man sich nach einer weitern materiellen Begründung ihres Begehrens um, so findet man, wie aus dem eingangs wieder-

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gegebenen Inhalt der Eingabe zu entnehmen ist, lediglich die zwei Sätze, daß infolge der ,,Auslassung" ,,das Rückkaufsrecht des Bundes in derart drückender Weise sich geltend mache, daß nicht allein den dadurch betroffenen Eisenbahnunternehmungen, sondern namentlich auch dem bernischen Fiskus schwerer Schaden erwachsen würde". Denn der Kanton Bern sei gemäß Volksbeschluß vom 28. Februar 1897 in hohem Maße an dem Bau verschiedener tür seinen Handel, seine Industrie, seine Volkswirtschaft überhaupt wichtigen Eisenbahnlinien beteiligt und habe auch schon in frühern Jahren auf Grundlage ähnlicher Beschlüsse an solche Unternehmungen Staatsbeiträge bewilligt, alles in dem guten Glauben, daß der Rückkauf dieser Linien durch den Bund seiner Zeit gemäß der Normalkonzession erfolgen werde.

An Hand dieser sehr summarischen Begründung kann immerhin zweierlei konstatiert werden: Einmal, daß sowohl die frühere Leistung als die neuere Zusicherung von Subventionen von Seiten des Kantons Bern in der bestimmten Voraussetzung erfolgte, daß der Bund beim Rückkauf mindestens die Anlagekosten zu bezahlen habe, somit der Kanton selbst im schlimmsten Falle auf unverkürzte oder soviel als unverkürzte Erstattung seiner Subventionen zählen könne. Die Schädigung des bernischen Fiskus, welche die Regierung befürchtet, würde also darin bestehen, daß einmal beim Rückkauf die von ihm geleisteten Subventionen nicht auf den Bund abgewälzt werden können. Sodann geht aus der Begründung ferner hervor, daß die Regierung bei den Projekten, welche sie aufzählt, eine Rendite unter 4 °/o voraussieht. Denn wenn der durchschnittliche Reinertrag 4 % beträgt, so erreicht -- da in der ersten Rückkaufsperiode, welche bis zum 1. Mai 1930 läuft, der 25fache Wert des Reinertrages zu bezahlen ist -- die nach dem Reinertrag berechnete Rückkaufsentschädigung gerade die Höhe des Anlagekapitals. Damit ist einerseits der Zweck, welchen die Berner Regierung mit ihrem Begehren verfolgt, wie anderseits die Tragweite der Gutheißung desselben klargestellt. Die Bedeutung für den Bund ist um so größer, als, wie unten noch ausgeführt werden soll, aus Gründen der Billigkeit die Wiedereinführung der fraglichen Klausel in die Rückkaufsbestimmungen der Konzessionen nicht nur den genannten Linien auf Berner Gebiet, sondern mindestens auch allen ändern, die analoge
Verhältnisse aufweisen, zu gute kommen muß.

Zwar ist weder von einer ändern Kantonsregierung noch von Konzessionären die gleiche Prätension erhoben worden, so daß angenommen werden darf, man habe sich in ändern Kantonen mit dem in den neuern Konzessionen vom Buud in besserer Wahrung seiner Interessen eingenommenen Standpunkte abgefunden.

279 Als Thatsache ist wenigstens zu konstatieren, daß weder das Privatkapital vor der Ausführung zahlreicher neuen Bahnunternehmungen zurückschreckte, noch Gemeindewesen und Kantone von der Subventionierung solcher sich abhalten ließen, obwohl in den betreffenden Konzessionen die Vergütung mindestens des Anlagekapitals beim Rückkauf nicht mehr garantiert war. Es scheint, daß das Vertrauen auf die wahrscheinliche Rentabilität nicht überall so gering war wie bei der Regierung von Bern, und andere Kantone in der durch ihre Subsidien ermöglichten Erstellung von neuen Schienenwegen und den dadurch indirekt erzielten verkehrspolitischeo und volkswirtschaftlichen Vorteilen eine genügende Remuneration oder Kompensation für die gebrachten Opfer erblickten, auch wenn sie nicht auf spätere Rückvergütung durch den Bund zählen dürfen.

Die inneru Grllnde, welche für Streichung der Garantie des Anlagekapitals bestimmend waren, sind schon oben kurz angegeben und sollen hier nicht wiederholt werden. Nur ist zu betonen, daß sie seither an Gewicht nicht eingebüßt haben, im Gegenteil heute, wo der Erwerb zunächst allerdings bloß der Hauptbahnen in Frage steht, noch mehr sich aufdrängen. Man muß sich klar sein, daß mit der Wiederaufnahme der Klausel nach dem Wunsche der Berner Regierung der Bund eine Last auf sich nimmt, die in der Folge viel drückender -- um nicht zu sagen verhängnisvoll -- fühlbar werden könnte, als die zahlreichen Nebenbahninteressenten zur Zeit glauben zu machen geneigt sind. Es wäre unseres Erachtens falsch, die Frage, ob der Bund einst die Nebenbahnen, von denen viele keine oder nur eine sehr geringe Rendite abwerfen, zum vollen Anlagewert übernehmen muß, als eine nebensächliche zu behandeln.

Die Zinsenlast, welche von daher dem Bunde auffallen würde und die er dann aus den Ertragsüberschüssen der Hauptbahnen decken müßte, darf auf keinen Fall so niedrig veranschlagt werden, daß es anginge, sie einfach außer Betracht zu lassen. Es ist aber zum mindesten nicht sicher, daß solche Überschüsse sich wirklich ergeben und daß sie ausreichen werden, um neben der Verzinsung und Amortisation des Dotationskapitals der Hauptbahnen selbst und der Speisung einer allfälligen Reserve, sowie neben den notwendigen Aufwendungen für Verbesserung und Ausbau des Hauptbahnnetzes und für Durchführung der in Aussicht
genommenen und alsdann von allen Seiten verlangten Verkehrsverbesserungen auch noch für die Verzinsung des auf die Erwerbung zum vollen Anlagewert unrentabler Nebenbahnen ausgelegten Kapitals aufzukommen. Nur zu leicht köonte der Fall eintreten, daß eine solche Belastung nicht allein das finanzielle Ergebnis, sondern geradezu die Leistungsfähigkeit und Entwicklung der Hauptbahnen selbst ernstlich gefährden würde. Denn es darf hier auch nicht außer acht gelassen werden,

280 daß, wenn der Bund b e s t e h e n d e Nebenbahnen unter den angeführten Bedingungen, d. h. zum volleu Anlagewert, erwirbt, auch andere Gegenden, welche der Bahnverbindungen noch entbehren, für sich, und mit Recht, gleiche Opfer seitens des Bundes verlangen werden. Der Eund würde so in die Lage versetzt, neben den Hauptbahnen und deren rationellem Ausbau auch noch die bestehenden und den Bau unier analogen Verhältnissen postulierter n e u e r Nebenbahnen zu seinen Lasten übernehmen zu müssen.

Daß dies notwendig zu schlimmen finanziellen Konsequenzen fuhren müßte, unter allen Umständen aber eine gedeihliche Entwicklung des Betriebes und Verkehrs der Hauptbahnen von vornherein unterbinden müßte, bedarf kaum einer weitern Begründung. So weit geht auch kein anderer Staat in der Fürsorge für die Bahnen lokalen Interesses. Vielmehr gilt überall der Grundsatz, daß zur Aufbringung der Mittel für solche Unternehmungen die nächsten Interessenten, denen vor allem, wenn nicht einzig, der Nutzen daraus zufließen wird, d. h. die beteiligten Gemeinden und Privaten, voranzugehen haben, daß ihnen dann die weitere Gemeinschaft (Provinzen -- Kantone) und endlich der Staat mit Zuschüssen zu Hülfe kommt. Dieses in der Natur der Sache begründete, in ändern Staaten durchgeführte Verfahren trifft auch für unsere Verhältnisse zu und ist übrigens,, soweit es das Zusammenwirken von Privaten, Gemeinden und Kantonen zur Finanzierung von Nebenbahnen angeht, als das richtige anerkannt und praktiziert. Es darf davon auch nicht abgegangen werden in Bezug auf die Beteiligung des Bundes bei solchen Unternehmungen, wenn anders nicht letzterer dabei große finanzielle Gefahr laufen soll.

Zur Zerstreuung dieser Bedenken ist allerdings darauf hingewiesen worden, der Bund habe ja keineswegs die V e r p f l i c h t u n g , und übernehme sie auch mit Wiedereinführung der Klausel nicht, die Bahnen zu erwerben. Es stehe ihm vollkommen frei, vom Rückkaufsrechte Gebrauch zu machen oder nicht, und er sei daher in der Lage, sich vor Nachteil infolge jener Bestimmung dadurch zu sichern, daß er vom Rückkauf unrentabler Nebenbahnen einfach Umgang nehme. So wenig an sich, theoretisch, die Richtigkeit dieses Arguments zu bestreiten ist, so vermögen wir dasselbe doch praktisch nicht als durchschlagend anzuerkennen. Wir bezweifeln, daß es der Bund
und seine Behörden einst so ganz in der Hand haben werden, die Nebenbahnen zu erwerben oder nicht,, und nur die guten zurückzukaufen, die notleidenden dagegen den Gesellschaften zu belassen. Es muß vielmehr auch der Fall ins Auge gefaßt werden, und er erscheint bei der gerade gegenwärtig den Nebenbahnen außerordentlich günstigen Stimmung in parlamentarischen Kreisen nicht bloß, sondern in breitern Schichten de»

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Volkes als recht wahrscheinlich, daß, wenn der Bund einmal die Hauptbahnen im Besitz hat, aus den beteiligten Gegenden und Kreisen für Übernahme auch der Nebenbahnen eine Bewegung und ein Druck sich geltend machen könnten, die gegenüber fiskalischen Bedenken der um das Gedeihen der Hauptbahnen besorgten Behörden die Oberhand gewännen, und der Bund so, mehr oder weniger gezwungen, zum Rückkauf dieser Unternehmungen schreiten müßte. Tritt aber dieser Fall ein, dann halten wir es kaum für angängig, daß zwischen guten und schlechten Linien ein Unterschied gemacht und die Verstaatlichungsaktion auf jene beschränkt werden könnte. Es ergiebt sich daraus der Schluß, daß der Bund, indem er die Garantie der Vergütung mindestens der Anlagekosten wieder einführt, eine sichere Position aufgiebt, während er auf die wirksame Anwendung des empfohlenen Palliativmittels nicht mit Bestimmtheit rechnen kann.

Auch darauf möchten wir nicht abstellen, daß mit der Wiederherstellung der alten Rückkaufsbestimmung nicht gesagt sei, daß der Bund unter allen Umständen auf Grund des v o l l e n Anlagekapitals zurückkaufen müsse, vielmehr mit den Neben bahnunternehmungen, bei welchen Kantone und Gemeinden einen wesentlichen Einfluß haben, eine Verständigung über einen beiderseits annehmbaren Rückkaufspreis auf keine Schwierigkeiten stoßen werde.

Gerade das Vorgehen der Berner Regierung in der vorliegenden Angelegenheit spricht nicht dafür, daß die bei Nebenbahnen beteiligten Kreise in der Wahrung ihrer finanziellen Interessen gegenüber dem Bund nachgiebiger oder weniger zäh sich zeigen werden, als es bei den Hauptbahnen seitens der in- und ausländischen Aktionäre je und je der Fall war. Und wenn die Nebenbahniateressenten, um die Konsequenzen der Gutheißung ihres Begehrens nach Wiedereinführung der Klausel für den Bund weniger drückend und bedenklich erscheinen zu lassen, auf i h r Entgegenkommen bei einem allfälligen Rückkauf sich berufen und den Bund auf den Weg der Verständigung verweisen, so darf der Bund seinerseits mindestens mit gleichem Recht diesen Standpunkt auch für sich geltend machen, indem er an dem ihm günstigeren status quo festhält und die Milderung allenfalls daraus sich ergebender Härten oder Unbilligkeiten auf dem Wege gütlicher Verständigung in Aussicht stellt.

Aus allen diesen Gründen gelangten wir zu
der bestimmten Ansicht, daß der Bund, wenn er seine Interessen als Rückkäufer nicht in unverantwortlicher Weise preisgeben will, die ihn so schwer belastende Klausel betreffend Garantie der Anlagekosten als Mindestrückkuufspreis, welche andere Staaten den Privatgesellschaften zu gewähren sich wohl hüteten (zu vergi, z. B. preußisches Eisenbahngesetz vom 3. November 1838, § 42), nicht einfach tale quale, wie die Berner Regierung es verlangt, in die ohne dieselbe erteilten

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Konzessionen wieder einführen darf, sondern daß er grundsätzlich auf dem Standpunkt beharren muß, daß, wie im gewöhnlichen Verkehr beim Verkauf resp. Kauf eiues industriellen Unternehmens, so auch beim Ruckkauf der Eisenbahnen einzig der Ertragswert für die Preisbestimmung maßgebend sein soll.

In diesem Grundsatz liegt auch an sich weder eine Härte noch eine Unbilligkeit gegenüber den Bahngesellschaften. Der Bund zieht aus der auf solcher Grundlage vollzogenen Rückkaufsoperation keinen ungerechtfertigten Vorteil, ,,noch erleiden die Gesellschaften einen Schaden : Der Bund bezahlt mit dem kapitalisierten Reinertrag genau das, was die Bahnen im Durchschnitt von 10 Jahren ihren Eigentümern abtrugen. Für diese tritt einfach an die Stelle des Ertrages des Bahnunternehmens der Zins des Ruckkaufspreises, wobei überdies in Betracht fällt, daß für die erste Rückkaufsperiode (bis 1930) die Kapitalisierung des Reinertrages zu 4 °/o, also zu einem Zinsfuß, der über dem zur Zeit landesüblichen (3Va °/o) steht, zu erfolgen hat. Wenn der Reinertrag einer Bahn 4 °/o oder darüber beträgt, so fällt die Garantie des Anlagekapitals überhaupt nicht mehr in Betracht, da der 25fache Wert eines 4 °/o Reinertrages gleich dem Anlagekapital sich stellt. Ist der Reinertrag gleich 0, d. h. decken die Betriebseinnahmen gerade die Ausgaben, oder reichen sie dazu nicht einmal aus, so würde allerdings der Bund die betreffende Bahn ohne Kapitalleistung seinerseits erwerben können. Allein er übernimmt damit eben kein ,,gutes Geschäft", keine rentable Anlage, sondern eine Unternehmung, die nur ihre Betriebskosten oder nicht einmal diese herausschlägt und die überdies mit der Verpflichtung zum konzessionsgemäßen Betrieb belastet ist. Diese Last ist um so drückender, je geringer die Rendite ist, und wird sich für den Bund noch schwerer fühlbar machen als für die Gesellschaften, da er als Staat den Betrieb auf einem den Verkehrsbedürfnissen genügenden Fuße einrichten, also zumeist größere Aufwendungen daifür wird machen müssen, als es seitens der Gesellschaften, welche, wo immer möglich, zu sparen suchen, geschah. Der Verkehr, nicht der Bund wird also den Vorteil aus dem Besitzwechsel haben. In der Übernahme der Betriebspflicht liegt aber die Gegenleistung des Bundes für den unentgeltlichen oder billigen Erwerb des betreffenden
Bahnunternehmens, und sie ist auch eine den von Aktionären, Gemeinden und Kantonen gebrachten Opfern und geleisteten Subventionen entsprechende, unter der Voraussetzung allerdings, daß es den genannten Interessenten vor allem um die Erhaltung und Fortführung des Betriebes und nicht um die Deckung des eingeworfenen Kapitals zu thun ist.

Bloß unter einem Gesichtspunkte, der indessen in der Berner Eingabe nicht einmal angedeutet ist, läßt sich allenfalls die Leistung

283 des Bundes, wenn er in a l l e n Fällen bloß nach dem durchschnittlichen Reinertrag der vorangegangenen 10 Jahre zurückläuft, als eine wenigstens vom Standpunkt der Billigkeit aus nicht voll entsprechende bemängeln, und dieser Gesichtspunkt ist der, daß nach diesem Rückkaufsmodus bei Bahnunternehmungen, welche anfangs mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben und wenig oder keine Rendite abwerfen, auch deren Zukunftschancen gänzlich unberücksichtigt bleiben, während für letztere eine gewisse Kompensation dann geboten sei, wenn der Bund wenigstens die Anlagekosten zu bezahlen habe. Dieser Vorwurf trifft selbstverständlich jede Rüekkaufsbestimmung, welche nicht ausdrücklich die In betrachtnah me auch des in der Zukunft entgangenen Gewinnes bei der Preisberechnung vorschreibt.

Wir sind weit entfernt, die Ansicht zu vertreten, daß bei gut, d. h.

über 4 °/o rentierenden Bahnen die Zukunftschance mit in Rechnung gebracht werden sollte, indem wir dafür halten, daß die Aktionäre in den den landesüblichen Zins übersteigenden Dividenden, welche sie vor dem Rückkauf bezogen, nicht nur ein reichliches Entgelt für das etwa übernommene Risiko der Anlage gefunden hatten, sondern auch mit der nach diesem Ertrag bemessenen Rückkaufsentschädigung, welche sich höher stellt als das für die Erstellung der Bahn aufgewendete Kapital, voll entschädigt seien, ohne daß der Bund auch noch die möglichen, aber nicht sichern Zukunftschancen mit Geld aufzuwägen brauche.

Dagegen ist anderseits nicht zu verkennen, daß die Verhältnisse etwas anders liegen bei Unternehmungen, welche zur Zeit des Rückkaufs noch eine geringe oder keine Rendite aufweisen, aber in spätem Betriebsjahren bessere Erträgnisse mit mehr oder weniger Sicherheit erwarten lassen. Bei solchen Bahnen würde es für die Interessenten empfindlicher sein und eher als eine Unbilligkeit sich darstellen, wenn der Bund, bevor das Unternehmen die ersten ungünstigen Betriebsjahre hinter sich hat und Zeit fand, den Verkehr an sich zu ziehen und zu entwickeln, von seinem Rückkaufsrechte Gebrauch machen und dabei die Aussicht auf bessere Ergebnisse späterer Jahre ganz außer Betracht lassen wollte. Davor, daß der Bund nicht schon nach den ersten Betriebsjahren den Rückkauf geltend machen kann, sind zwar die Gesellschaften schon dadurch geschützt, daß der erste Rückkaufatermin
hinausgerückt ist, in den neuen Konzessionen bis 1915, so daß den Bahnen auf alle Fälle eine längere Periode zu ihrer normalen Entwicklung garantiert ist. Allein diese Frist von 15--20 Jahren, wie sie durch die Konzessionen garantiert ist, wird von den Interessenten als unzureichend und vielmehr eine solche von wenigstens 30 Jahren als erforderlich bezeichnet, um den Bahnen eine normale Entwicklung des Verkehrs und eine gewisse Konsolidierung zu ermöglichen. Bis

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zu diesem Zeitpunkte wenigstens sollte daher, so wird weiter postuliert, den Bahnen wie früher als Mindestrückkaufspreis das Anlagekapital garantiert werden, während nach diesem Zeitpunkt, in welchem die Unternehmungen als auf einen normalen Stand gelangt betrachtet werden könnten, dann die Berechnung der Rückkaufsentschädigung ohne allzu fühlbare Härte für die Gesellschaften nach dem R e i n e r t r a g erfolgen würde.

Wie schon angedeutet, kann unseres Erachtens diesem Gesichtspunkte nicht jede Berechtigung abgesprochen werden, namentlich soweit es Bahnen betrifft, welche dem allgemeinen Verkehr zu dienen bestimmt sind und nur mit Opfern der beteiligten Privaten, Gemeinden und Kantone ins Leben gerufen werden können. Wir gestatten uns daher, Ihnen vorzuschlagen, aus Billigkeitsgründen wenigstens in einem gewissen Maße, soweit es ohne Preisgabe zu bedeutender Interessen des Bundes geschehen kann, entgegenzukommen und dem geäußerten Wunsche Rechnung zu tragen.

Die beste Wegleitung, wie dieses zu geschehen habe, finden wir in dem Vorgange bei der Erneuerung der Konzession ThalweilZug im Jahre 1890. Würde man bloß den ersten Rückkaufstermin um 15 Jahre, d. h. von 1915, wie er in den neuern Konzessionen üblich geworden ist, auf 1930 hinausschieben, so wäre denjenigen Bahnen neuerdings nicht gedient, deren Finanzierung auf Schwierigkeiten stößt, und welche vielleicht noch eine Reihe von Jahren nicht in Betrieb gesetzt werden können. Dabei kann man allerdings dem Einwände, daß eine bloß zehnjährige Frist für die Entwicklung der Verkehrsverhältnisse gewisser Linien zu kurz sei, nicht viel entgegenhalten, und wir sind geneigt, diese Frist noch angemessen zu erstrecken.

Wir gelangen deshalb dazu, Ihnen zu beantragen, die Erleichterung, wenn Sie eine solche mit uns aus Gründen der Billigkeit für angezeigt erachten, in der Weise eintreten zu lassen und dem Begehren der Berner Regierung derart Rechnung zu tragen, daß für Bahnunternehmungen, bei welchen die alte Klausel betreffend die Anlagekosten weggelassen ist, grundsätzlich ausgesprochen werde, der Rückkauf auf Grundlage der Konzessionsbestimmungen könne frühestens 30 Jahre nach der Betriebseröffnung der Bahn erfolgen.

Damit sollte allen berechtigten Begehren Rechnung getragen sein. Die Situation für den Bund wäre die, daß, wenn sich für ihn das
Bedürfnis herausstellen sollte, eine solche Bahn schon vor Ablauf von 30 Jahren zu erwerben, er das nicht beanspruchen kann auf Grund des Reinerträgnisses, sondern daß er mit der Bahn in Unterhandlung über freihändigen Ankauf zu treten hat.

285

Es entsteht noch die Frage, ob die Wiedereinführung der Klausel im angegebenen Sinne auf diejenigen Konzessionen, beziehungsweise Linien, für welche von der Berner Regierung ein förmliches Gesuch gestellt wurde, zu beschränken sei oder allen Bahnen, deren Konzession sie nicht enthält, zu gut kommen soll; ob ein Unterschied zu machen sei zwischen Hauptbahnen und Nebenbahnen, zwischen Bahnen, die für Bedienung des allgemeinen Verkehrs bestimmt sind, und solchen, welche mehr oder weniger nur spekulativen Zwecken dienen, wie Berg- und Touristenbahnen, oder ob die Begünstigung nur solchen Bahnen zuzuwenden sei, an welchen Kantone, Gemeinden oder öffentliche Korporationen sich finanziell beteiligen.

Was die letztgenannte Beschränkung betrifft, ergiebt sich von vornherein die Schwierigkeit, daß oft eine ganz unerhebliche Beteiligung von Kantonen, Gemeinden oder Korporationen eine grundsätzlich andere Behandlung im Falle des Rückkaufes bedingen würde. Wir erwähnen als Beispiele eine Aktienbeteiligung der Stadt Zürich von Fr. 1000 bei Zürich-Örlikon, eine Gemeindebeteiligung von Fr. 10,000 beim Tramway von Chaux-de-Fonds, eine solche von Fr. 11,000 beim Tramway von Freiburg, einen Betriebszuschuß von Fr. 15,000 für die ersten sechs Betriebsjahre an die Zentrale Zürichbergbahn. Wenn eine solche Beschränkung eingeführt werden wollte, müßte unseres Erachtens mindestens eine Minimalsumme oder ein Prozentsatz des Anlagekapitals für die Beteiligung normiert werden. Wir glauben aber von einer solchen Beschränkung um so eher Umgang nehmen zu sollen, da die Zahl der Bahnen, in deren Konzessionen die Klausel weggelassen worden ist und welche zudem keine Beteiligung von Kantonen, Gemeinden und Korporationen aufzuweisen haben, eine sehr geringe ist. Gemäß den von uns eingezogenen Erkundigungen wären von den bereits im Bau oder Betrieb befindlichen Linien nur auszuschließen : die Thunerseebahn, die Berner Oberlandbahnen und die Schynige Plattebahn, die Wengernalpbahn, die Brienz-Rothorn-Bahn, Lauterbrunnen-Mürren, die Beatenbergbahn, die Gornergratbahn, die Stanserhornbahn, Stansstad-Stans, Stansstad-Engelberg, Sissach-Gelterkinden, Ragaz-Warten stein, Altstätten-Berneck und die Compagnie générale des Tramways suisses. Abgesehen davon, daß die Mehrzahl dieser Linien als Specialbahnen kaum so bald verstaatlicht werden
dürften, wäre es stoßend, für eine verhältnismäßig kleine Zahl von Bahnen eine ausnahmsweise Belastung fortbestehen zu lassen, während anderseits die Klausel eingefügt würde für die Nordostbahnlinien ThalweilZug, Altstetten-Zug und Feuerthalen-Schaffhausen, für BurgdorfThun, Bern-Neuenburg u. s. w.

286 Eine Unterscheidung zwischen Hauptbahnen und Nebenbahnen würde der Schwierigkeit rufen, eine präcise Definition für die Ausscheidung zu finden. Wir verweisen diesfalls auf die Ausführungen unserer Botschaft zum Nebenbahnengesetz vom 5. März 1897 und führen nur an, daß es z. B. nicht leicht wäre, die direkte Linie BernNeuenburg zu klassifizieren. Falls man aber nur die fünf Hauptbahnen, deren Verstaatlichung für einmal in Aussicht genommen ist, ausschließen wollte, würde man thatsächlich nur die Nordostbahn für die oben genannten Linien treffen und eventuell die Vereinigten Schweizerbahnen für eine Rickenbahn, so daß diese Beschränkung den Charakter einer odiösen Ausnahmebestimmung erhielte.

Wir sind daher der Ansicht, daß es mit der Billigkeit und mit dem Grundsatz der Gleichhaltung aller nicht vereinbar wäre, wenn man irgend eine Ausscheidung vornehmen und den einen Bahnen das Zugeständnis machen, den ändern dagegen vorenthalten wollte. Es muß unseres Erachtens davon ausgegangen werden, daß, was dem einen recht, dem ändern billig ist.

An dieser Auffassung kann der Umstand nichts ändern, daß das Zugeständnis nicht bloß beim spätem eventuellen Rückkauf von Nebenbahnen, sondern auch schon der Hauptbahnen für den Bund sich nachteilig fühlbar macht, indem dann auch für die Linieu Thalweil-Zug, Altstetten-Zug und Feuerthalen-Schaffhausen der Nordostbahn eine höhere als die nach dem Reinertrag berechnete Entschädigung bezahlt werden muß.

In der Voraussetzung, daß die angeregte Ergänzung bei allen Konzessionen einzutreten habe, in welche die Garantie der Anlagekosteu als Mindestrückkaufspreis nicht mehr aufgenommen wurde, nehmen wir von einer Aufzählung der in Betracht fallenden Linien Umgang.

Genehmigen Sie, Tit., auch bei diesem Anlaß die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 20. September

1897.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

287

(Entwurf.)

Bnndesbeschluß betreffend

Ergänzung der Rückkaufsbestimmungen Konzessionen.

der neuern

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe des Regierungsrates des Kantons Bern, vom 21. Mai 1897; 2. einer Botschaft des Bundesrates, vom 20. September 1897, beschließt: 1. Die sämtlichen seit dem Jahre 1886 erteilten Eisenbahn konzessionen, deren Rückkaufsbestimmungen die Klausel nicht mehr enthalten, daß die Entschädigungssumme für den Ruckkauf in keinem Falle weniger als die nachgewiesenen erstmaligen Anlagekosten der bestehenden Einrichtungen betragen dürfe, werden iu der Weise ergänzt, daß der Rückkauf auf Grundlage dev Konzession frühestens auf den Zeitpunkt erfolgen kann, mit welchem die Bahn 30 Jahre im Betriebe sein wird.

2. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Abänderung der Rückkaufsbestimmungen der neuern Konzessionen. (Vom 20. September 1897.)

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1897

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38

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22.09.1897

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271-287

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