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21.047 Botschaft zum Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien vom 18. Juni 2021

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Bundesgesetzes über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2012 M 12.3253 Angemessene Rendite für den Umbau des Energiesystems (N 15.6.12, Gasche; S 13.12.12) 2018 M 18.3000 Investitionsanreize für den langfristigen Erhalt der Schweizer Stromproduktionsanlagen (S 5.3.18, UREK-S; N 11.9.18) 2019 M 19.3004 Langfristige Stromversorgungssicherheit. Sicherstellung und Klärung der Verantwortlichkeiten (S 18.6.19, UREK-S; N 9.12.19) 2019 M 19.3742 Finanzielle Überbrückung für den Abbau der Wartelisten bei erneuerbaren Energien (S 10.9.19, Müller Damian; N 17.12.20) 2019 M 19.3755 Volkswirtschaftlich effiziente Integration erneuerbarer Energien in die Stromnetze (N 27.9.19, Guhl; S 3.6.20) Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

18. Juni 2021

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Guy Parmelin Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Übersicht Mit der Energiestrategie 2050 will die Schweiz ihr Energiesystem nachhaltig und klimafreundlich gestalten und gleichzeitig die hohe Versorgungssicherheit gewährleisten. Die Umsetzung der Energiestrategie erfolgt etappenweise. Zur Erreichung des Klimaziels des Bundesrates für 2050 ist eine rasche Elektrifizierung im Verkehrs- sowie im Wärmesektor nötig. Daher sind ein verstärkter und rechtzeitiger Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien unumgänglich, und spezifische Massnahmen zur Stärkung der Stromversorgungssicherheit sind notwendig. Dies bedingt entsprechende Änderungen im Energiegesetz und im Stromversorgungsgesetz, die im vorliegenden «Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien» zusammen vorgenommen werden sollen.

Ausgangslage Die Bundesverfassung verpflichtet den Bund, sich für eine ausreichende, breit gefächerte, sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung einzusetzen. Mit der von der Schweizer Stimmbevölkerung bestätigten Neuausrichtung der Energiepolitik im Rahmen der Energiestrategie 2050 trägt der Bund dazu bei, die Schweiz nachhaltig und klimafreundlich mit Energie zu versorgen. Durch das neue Ziel des Bundesrates, wonach in der Schweiz ab dem Jahr 2050 nicht mehr Treibhausgase ausgestossen werden, als natürliche und technische Speicher aufnehmen können («Netto-Null-Ziel»), muss die Energiestrategie 2050 weiterentwickelt werden.

Insbesondere müssen im Verkehrs- und im Wärmebereich fossile Energieträger zu einem grossen Teil durch umweltverträglich erzeugten Strom ersetzt werden. Dies bedingt einen verstärkten und rechtzeitigen Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Um während des ganzen Transformationsprozesses und darüber hinaus eine hohe Versorgungssicherheit der Schweiz gewährleisten zu können, müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen jetzt weiterentwickelt und spezifisch für die Wintermonate die notwendigen Massnahmen vorgesehen werden. Weil Strom vermehrt dezentral erzeugt wird, muss der rechtliche Rahmen nicht nur den Ausbau der Stromerzeugungskapazität vorsehen, sondern auch zu deren Integration ins Gesamtsystem beitragen. So kann der Übergang von einem zentralen zu einem stärker dezentral organisierten Stromsystem effizient und sicher gelingen.

Inhalt der Vorlage Zur Stärkung der
Stromversorgungssicherheit spezifisch im Winter will der Bundesrat im Stromversorgungsgesetz (StromVG) zwei neue sich ergänzende Massnahmen einführen. Erstens soll der Ausbau von im Winter sicher abrufbarer, klimaneutraler Erzeugungskapazität im Umfang von 2 TWh finanziell unterstützt werden. Damit will der Bundesrat die bisherige Selbstversorgungsfähigkeit der Schweiz von aktuell im Mittel rund 22 Tagen längerfristig beibehalten. Er setzt dafür ein spezifisches Zubauziel für das Jahr 2040. Die Finanzierung des Ausbaus erfolgt über einen im StromVG zur Vorbeugung gegen mögliche Versorgungssicherheitsdefizite bereits heute vorgesehenen, von den Stromkonsumentinnen und -konsumenten zu entrichtenden Zuschlag. Der Ausbau setzt prioritär bei der grossen Speicherwasserkraft an. Zweitens

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soll eine strategische Energiereserve eingerichtet werden, welche die Verfügbarkeit von Energie Ende Winter zusätzlich zu den Mechanismen im Strommarkt absichert.

Der Bundesrat schlägt ferner die vollständige Öffnung des Strommarktes vor. Damit wird für sämtliche Endverbraucherinnen und Endverbraucher wie auch für Produzenten und Stromlieferanten die gleiche Ausgangslage geschaffen. Die vollständige Marktöffnung sorgt für eine bessere Integration der erneuerbaren Energien. So werden für die erneuerbaren Energien neue Geschäftsmodelle (beispielsweise Energiegemeinschaften) ermöglicht, welche im Monopol nicht erlaubt sind beziehungsweise für die es bisher kaum Innovationsanreize gibt. Es wird weiterhin eine Grundversorgung gewährleistet, welche kleine Endverbraucherinnen und Endverbraucher angemessen vor Preismissbrauch schützt. In der Grundversorgung soll als Standard ein Elektrizitätsprodukt angeboten werden, das ausschliesslich aus inländischer erneuerbarer Energie besteht.

Der Bundesrat schlägt weiter vor, die Fördermassnahmen für den Ausbau der erneuerbaren Energien bis 2035 zu verlängern. Die bestehenden Förderinstrumente werden näher an den Markt gebracht. Das Einspeisevergütungssystem läuft wie geplant aus und wird durch Investitionsbeiträge ersetzt. Das sorgt für administrative Entlastung und ermöglicht mit den gleichen Mitteln mehr Zubau. Für grössere Photovoltaikanlagen soll die Vergabe dieser Beiträge neu mittels Auktionen möglich sein. Für grosse Wasserkraftanlagen werden mehr Mittel zur Verfügung gestellt. Die Finanzierung erfolgt weiterhin über den Netzzuschlag. Dieser wird nicht erhöht, jedoch länger erhoben.

Das Energiegesetz (EnG) soll zudem neu verbindliche Zielwerte für den Ausbau der Wasserkraft und anderer erneuerbarer Energien sowie zur Reduktion des Energieund Elektrizitätsverbrauchs pro Kopf für 2035 und 2050 enthalten. Dies mit dem Ziel, die Energiepolitik verbindlicher auf die Versorgungssicherheit und die Klimapolitik auszurichten sowie die Planungssicherheit von Investoren zu stärken.

Schliesslich beantragt der Bundesrat weitere Verbesserungen der gesetzlichen Grundlagen von geringerer Tragweite. So soll zur Verbesserung der Effizienz im Bereich der Nutzung und des Ausbaus der Stromnetze neben der Einführung eines Rahmens für die Nutzung der Flexibilität, die mit der
Steuerbarkeit des Bezugs, der Speicherung oder der Einspeisung von Elektrizität verbunden ist, eine Verbesserung der Transparenz in Bezug auf die Netzkosten erfolgen. Auch werden Anpassungen zur Verbesserung des Tarifierungssystems vorgenommen. Zudem sollen der Austausch von Daten und der Zugang dazu effizienter organisiert werden. Darum schlägt der Bundesrat einen regulatorischen Rahmen für den Austausch und den Schutz von Daten und eine nationale Energiedateninfrastruktur mit einem Datahub vor. Schliesslich werden für das Messwesen die Verantwortlichkeiten und die gesetzlichen Wahlfreiheiten geklärt.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht 1

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Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.2 Betroffene Erlasse 1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates 1.4 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

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2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

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Grundzüge der Vorlage 3.1 Die beantragte Neuregelung im StromVG und EnG 3.1.1 Übersicht und Zusammenhang wichtiger Massnahmen 3.1.2 Ziele für Energie- und Elektrizitätsverbrauch sowie zum Ausbau der Elektrizität aus erneuerbaren Energien (EnG) 3.1.3 Stärkung der Versorgungssicherheit in den Wintermonaten (StromVG) 3.1.3.1 Versorgungssicherheit 3.1.3.2 Erhalt der Selbstversorgungsfähigkeit 3.1.3.3 Energiereserve als Ergänzung zum Markt 3.1.4 Vollständige Strommarktöffnung (StromVG) 3.1.5 Förderregime bis 2035 (EnG) 3.1.5.1 Förderung bis 2035 und Finanzierung 3.1.5.2 Förderinstrumente 3.1.5.3 Photovoltaikanlagen 3.1.5.4 Grosswasserkraft 3.1.5.5 Windenergie 3.1.5.6 Geothermie 3.1.5.7 Kleinwasserkraft 3.1.5.8 Biomasse 3.1.6 Verbesserung der Energieeffizienz (EnG) 3.1.7 Nutzung von Flexibilitäten im Verteilnetz (StromVG) 3.1.8 Datahub im Stromsektor (StromVG) 3.1.9 Wahlfreiheiten und Organisation im Messwesen (StromVG) 3.1.10 Anpassungen bei der Netztarifierung (StromVG) 3.1.11 Sunshine-Regulierung (StromVG) 3.1.12 Regulatorische Sandbox (StromVG) 3.1.13 Weitere Massnahmen im Zusammenhang mit der Versorgungssicherheit und dem sicheren Betrieb der Stromnetze (StromVG) 3.1.14 Optimierungen im StromVG 3.1.15 Optimierungen im EnG 3.2 Geprüfte Alternativen

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3.3 3.4

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen Umsetzungsfragen

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Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 4.1 Energiegesetz (EnG) 4.2 Bundesgesetz über die Stromversorgung (StromVG)

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Rechtsvergleich, insbesondere mit dem EU-Recht

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Auswirkungen 6.1 Personelle Auswirkungen auf den Bund 6.2 Finanzielle Auswirkungen auf den Bund 6.3 Auswirkungen auf den Netzzuschlagsfonds und weitere Auswirkungen 6.4 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete 6.5 Auswirkungen auf Endverbraucherinnen und Endverbraucher (im Speziellen Haushalte und Grossverbraucher) 6.6 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 6.6.1 Abschätzung der Auswirkungen im Zusammenhang mit der Erreichung eines Netto-Null-Ziels 6.6.2 Abschätzungen zu den wirtschaftlich bedeutsamsten Massnahmen 6.6.3 Auswirkungen auf die Beschäftigung und Verteilungseffekte 6.6.4 Auswirkungen auf die Branchen 6.7 Auswirkungen auf die Gesellschaft und Umwelt

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Rechtliche Aspekte 7.1 Verfassungsmässigkeit 7.1.1 Rechtsgrundlagen 7.1.2 Vereinbarkeit mit Grundrechten 7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 7.3 Erlassform 7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 7.5 Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes 7.6 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 7.7 Datenschutz

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Abkürzungsverzeichnis Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien (Änderung des Energiegesetzes und des Stromversorgungsgesetzes) (Entwurf)

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Mit der von der Schweizer Stimmbevölkerung bestätigten Neuausrichtung der Energiepolitik im Rahmen der Energiestrategie 2050 ist die Schweiz auf dem Weg, ihr Energiesystem nachhaltiger und klimafreundlicher zu gestalten. Die Energieeffizienz soll erhöht und die erneuerbaren Energien sollen ausgebaut werden. Gleichzeitig sind die CO2-Emissionen, die durch die Verbrennung von Energieträgern zwecks Erzeugung von Antriebsenergie oder Wärme entstehen (energiebedingte CO2-Emissionen), zu senken: Ab dem Jahr 2050 soll die Schweiz nicht mehr Treibhausgase ausstossen, als natürliche und technische Speicher aufnehmen können (Netto-Null-Ziel des Bundesrates). Aufgrund des hohen Anteils der energiebedingten CO2-Emissionen am gesamten Treibhausgasausstoss der Schweiz hat dieser Beschluss direkte Auswirkungen auf die Energiepolitik des Bundes. Er impliziert eine rasche Elektrifizierung im Verkehrs- sowie im Wärmesektor. Vor diesem Hintergrund ist ein verstärkter und rechtzeitiger Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien unumgänglich.

Um während des ganzen Transformationsprozesses eine hohe Versorgungssicherheit der Schweiz gewährleisten zu können, müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen jetzt weiterentwickelt werden. Hauptziel des Bundesgesetzes über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien (welches die Revisionen des Stromversorgungsgesetzes vom 23. März 20071 [StromVG] und des Energiegesetzes vom 30. September 20162 [EnG] zusammenführt) ist somit ­ unter Berücksichtigung der Implikationen aus den langfristigen Klimazielen ­, die Voraussetzungen für eine langfristige Stärkung der Versorgungssicherheit zu schaffen.

Hauptziel: langfristige Stärkung der Stromversorgungssicherheit mit einheimischer, erneuerbarer Energie Im Strombereich werden in den kommenden Jahren in Folge des beschlossenen Ausstiegs aus der Kernenergie bedeutende Stromerzeugungskapazitäten vom Netz gehen.

Diese sollen durch neue Erzeugungseinheiten ersetzt werden. Wenn die Energiepolitik konsequent auf das Netto-Null-Ziel ausgerichtet werden soll, müssen die Ausbauziele für die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien erhöht und die Energie- und Stromverbrauchsziele angepasst werden. Die Ziele sind zudem verbindlicher zu verankern als bisher. Hinsichtlich der Stärkung der Versorgungssicherheit besteht bei diesem
Umbau des Energiesystems in dreierlei Hinsicht ein Handlungsbedarf: Erstens muss, besonders in Bezug auf die Stromversorgung in den Wintermonaten, sichergestellt werden, dass die Schweiz über eine Produktionskapazität verfügt, die auch weiterhin eine hinreichende Menge an abrufbarer Energie sicherstellt und die Nachfrage zuverlässig abdecken kann («Qualität»). Die Vernehmlassungen zu den Revisionen von StromVG und EnG haben hierzu deutliche Rückmeldungen ergeben.

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SR 734.7 SR 730.0

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Auch wenn die Schweizer Stromversorgungssicherheit stark von der Integration in den europäischen Strommarkt profitiert, geht es mittel- und langfristig darum, inländische (Speicher-)Kapazitäten hinreichend auszubauen. Auf der Verbrauchsseite sollen weitere Potenziale der Energieeffizienz (Verbrauchsreduktion) erschlossen werden, welche ebenfalls zur Versorgungssicherheit beitragen. Hinsichtlich der Versorgungssituation Ende Winter besteht zudem der Bedarf, die effektive Produktionsfähigkeit bei normalerweise tiefen Füllständen der Speicherseen besser abzusichern.

Zweitens ist es erforderlich, dass die erneuerbaren Energien entlang der definierten Ziele effektiv ausgebaut werden. Dieser Ausbau leistet einen bedeutenden Basisbeitrag zur Versorgungssicherheit («Quantität»). Alleine auf Marktmechanismen basierend wird der Ausbau nicht genügend voranschreiten. Der Bundesrat hat bereits früher darauf hingewiesen, dass deshalb längerfristig weitere Massnahmen notwendig sein werden3. Auf den damaligen Vorschlag des Bundesrates für ein Lenkungssystem (Verfassungsartikel über ein Klima- und Energielenkungssystem) sind National- und Ständerat nicht eingetreten.

Das Bundesamt für Energie (BFE) beobachtet jährlich, wie sich die aktuelle Entwicklung im Hinblick auf die aktuellen Richtwerte des EnG präsentiert. Dieses Monitoring zeigt, dass zur Erreichung der längerfristigen Richtwerte bis 2035 deutliche Anstrengungen notwendig sind. Durch das Auslaufen der Förderung 2023 (insbesondere für die Windkraft und die Geothermie) beziehungsweise 2030 (insbesondere für die Grosswasserkraft und die Photovoltaik) besteht unmittelbar die Gefahr, dass der Zubau zurückgeht oder gar einbricht und damit die Versorgungssicherheit geschwächt wird. Um den potenziellen Investoren genügend Planungssicherheit für ihre Entscheide zu gewährleisten und damit den Ausbau zu forcieren und um den ambitionierten Klimazielen gerecht zu werden, enthält die vorliegende Gesetzesrevision die notwendigen Anpassungen am Förderregime.

Drittens wird künftig vermehrt dezentral Elektrizität erzeugt und auch in den unteren Ebenen der Stromnetze (Verteilnetze) eingespeist. Um diese Herausforderung in der Transformation des Versorgungssystems zu meistern, ist aus ökonomischer Sicht und unter dem Aspekt der Versorgungssicherheit eine bessere Flexibilisierung
von Netz, Produktion und Verbrauch wichtig. Zudem wird die Anzahl der ins Stromsystem involvierten Akteure zunehmen, und diese werden darin häufiger und stärker interagieren. Damit dies sicher und gut funktioniert, braucht es ebenfalls geeignete gesetzliche Rahmenbedingungen.

Mit dieser Vorlage geht der Bundesrat diese Herausforderungen an. Sie sorgt für die notwendigen Rahmenbedingungen und Instrumente für eine Stärkung der Versorgungssicherheit und damit die Gewährleistung einer langfristig sicheren Stromversorgung der Schweiz aus erneuerbaren Energien.

Ziel: Stärkung der Innovation und Verbesserung der Effizienz Der geschilderte Umbau des Energiesystems soll möglichst effizient erfolgen. Der Stärkung der Innovation kommt dabei eine massgebliche Rolle zu. Die aktuelle Teil-

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marktöffnung im Strommarkt steht verschiedenen Innovationen im Wege, da innovative Geschäftsmodelle teilweise verhindert werden. So ist es beispielsweise wichtig, die gesetzlichen Rahmenbedingungen so anzupassen, dass Möglichkeiten für den Verkauf und Austausch lokal erzeugter Elektrizität («Quartierstrom») geschaffen werden. Dies erlaubt eine bessere Wertschöpfung direkt bei der dezentralen Produktion und verringert damit den Förderbedarf. Der gesetzliche Rahmen des Strommarktes muss zudem besser auf eine effiziente Einbindung der erneuerbaren Energien in den Markt ausgerichtet werden. Vor dem Hintergrund der Energiestrategie 2050 besteht im Bereich der vollständigen Strommarktöffnung ein direkter Handlungsbedarf: Anders als noch vor knapp zwei Jahrzehnten zu Zeiten des Energiemarktgesetzes ist heute ein geöffneter Markt ein effektives und wichtiges Mittel für die Integration der dezentral erneuerbaren Energien in das Stromsystem.

Bei der Ausgestaltung der Fördermodelle für die einzelnen Technologien müssen die Anreize so gesetzt werden, dass der Strom möglichst bedarfsgerecht eingespeist wird.

Schliesslich besteht ein relevanter Handlungsbedarf hinsichtlich der Verbesserung des Zugangs zu Daten und Informationen, da darauf Innovationen und neue Geschäftsmodelle für Energieeffizienz und erneuerbare Stromproduktion aufbauen. Dadurch wird nicht nur die lokale Produktion angereizt, sondern der erneuerbare Strom wird durch flexible Nutzung besser im Strommarkt integriert. Die Strompreise werden marktnäher und flexibler ausgestaltet, und die nachhaltige Energieversorgung wird gestärkt.

Der mit der Energiestrategie vorgesehene Umbau des Stromsystems bedeutet einen effektiven Ausbau der Erzeugung erneuerbarer Energie und bedingt gleichzeitig die Bereitstellung der notwendigen Netzinfrastruktur. Stromnetze bilden die relevante Infrastruktur zur Übertragung und Verteilung der Elektrizität. Je mehr Elektrizität dezentral in die Verteilnetze eingespeist wird, desto weniger reicht die blosse Instandhaltung der Infrastruktur und desto mehr ist diese Infrastruktur zu optimieren, zu erweitern und auszubauen. Die Netze verbleiben zwingend auch mit einer vollständigen Öffnung des Strommarktes im regulierten Bereich, da sie ein natürliches Monopol darstellen. Bei der Netzregulierung sind gesetzliche Anpassungen
insbesondere notwendig, um langfristig eine effiziente Integration der erneuerbaren Energien ins Netz zu gewährleisten und eine gerechtere Tragung der Netzkosten zu erreichen.

Weil der Umbau des Energiesystems mit dem Netto-Null-Klimaziel eine verstärkte Elektrifizierung bedeutet, sind auch weitere Verbesserungen bei der Energie- und Stromeffizienz nötig und somit Teil dieser Vorlage.

Ziel: Verbesserung der Kundenzentrierung Ein weiteres wichtiges Ziel dieser Vorlage ist es schliesslich, Kundinnen und Kunden stärker ins Zentrum zu rücken. In einem künftig vermehrt dezentralen Energiesystem spielen die einzelnen Akteure (Endverbraucherinnen und -verbraucher, Prosumer [Stromproduzenten, die gleichzeitig auch Stromkonsumenten sind], Dienstleister usw.) eine wichtigere und aktivere Rolle als heute. Dafür brauchen auch kleine Endverbraucherinnen und -verbraucher Zugang zum Strommarkt und damit zu Informationen sowie mehr Transparenz über Produkte und Kosten. In der heutigen Teilmarktöffnung können sie sich jedoch kaum aktiv im Markt einbringen und Dienstleistungen

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beanspruchen oder anbieten. In Bezug auf die Elektrizitätslieferung sind heute 99 Prozent der Endverbraucherinnen und -verbraucher gebundene Kundinnen und Kunden des lokalen Verteilnetzbetreibers. Letztere beschaffen selbst mehr als zwei Drittel der in der Schweiz in der Grundversorgung verbrauchten Elektrizität auf dem freien Markt. Den kleinen Endverbraucherinnen und -verbrauchern ist der Marktzugang dagegen verwehrt. Sie sind als Kundinnen und Kunden nicht nur in der Wahl des Lieferanten eingeschränkt, sondern oft auch in der Auswahl der Stromqualität. Diese Vorlage umfasst Elemente, welche diese Defizite behebt, und die Informationslage der Akteure als Kunden stärkt sowie die Transparenz in den verbleibenden Monopolbereichen der Stromwirtschaft (insbesondere Stromnetz) verbessert.

Implikationen aufgrund der Beendigung der Verhandlungen über ein institutionelles Abkommen mit der EU Der Abschluss des Stromabkommens, das die EU und die Schweiz angestrebt hatten, ist nach der Beendigung der Verhandlungen für ein institutionelles Abkommen bis auf weiteres nicht mehr absehbar. Für den Bundesrat behält der vorliegende Gesetzesentwurf uneingeschränkt seine Aktualität und Gültigkeit. Dies, einerseits, weil die Vorlage nie als Umsetzungsvorlage für ein Stromabkommen gedacht war. Und andererseits, weil sie entlang der oben genannten Ziele, insbesondere in Bezug auf die langfristige Stärkung der Stromversorgungssicherheit, eine Reihe von auf die Schweizer Situation zugeschnittene Massnahmen enthält.

Ohne Stromabkommen wird es noch wichtiger, Massnahmen zur Stärkung der Stromversorgungssicherheit rasch zu implementieren. Aus Sicht des Bundesrates sind diese Massnahmen in dieser Vorlage hinreichend generisch angelegt, so dass sie bei Bedarf auf einfache Weise erweitert werden könnten.

Mit Blick auf kurz- bis mittelfristigen Implikationen des Verhandlungsabbruchs ist das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) daran, in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Elektrizitätskommission (ElCom) und unter Einbezug der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid eine Analyse der kurz- bis mittelfristigen Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit und die Netzstabilität vorzunehmen. Das UVEK wird dem Bundesrat bis im Herbst 2021 Bericht erstatten. Gleichzeitig wird das UVEK den
Bundesrat über allfällige, von ElCom und Swissgrid geplante kurzfristige Massnahmen zur Sicherstellung der kurz- und mittelfristigen Versorgungssicherheit und Netzstabilität informieren. Neben Massnahmen im Bereich der Netze sind grundsätzlich auch Massnahmen in den Bereichen der Energie- bzw. Stromeffizienz sowie der Stromerzeugung denkbar.

Sollte es die Lage erfordern, wird der Bundesrat, auf Antrag der ElCom, mögliche weitere Massnahmen gestützt auf den Artikel 9 des aktuellen StromVG prüfen und nötigenfalls initiieren. Er wird dabei die Auswirkungen und das Zusammenspiel mit den im Mantelerlass enthaltenen Massnahmen zur langfristigen Stärkung der Versorgungssicherheit berücksichtigen. Falls die Abklärungen zeigen, dass zusätzlicher Handlungsbedarf auf Gesetzesstufe besteht, wird das UVEK dem Bundesrat die Verabschiedung einer Zusatzbotschaft beantragen.

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Betroffene Erlasse

Die zur Erreichung der oben genannten Ziele notwendigen gesetzlichen Anpassungen müssen im StromVG und im EnG erfolgen. Das StromVG bezweckt, die Voraussetzungen für eine sichere Stromversorgung sowie für einen wettbewerbsorientierten Strommarkt zu schaffen. Die gesetzlichen Massnahmen im Bereich der Versorgungssicherheit im engeren Sinne («Qualität») werden also in erster Linie ins StromVG aufgenommen. Gleiches gilt für die Massnahmen zur Stärkung der Effizienz und Kundenzentrierung des Strommarktes.

Das EnG hat einen breiteren Anwendungsbereich. Es soll zu einer ausreichenden, breit gefächerten, sicheren, wirtschaftlichen und umweltverträglichen Energieversorgung beitragen. Es enthält unter anderem die Ausbau- und Verbrauchsrichtwerte sowohl für den Gesamtenergie- als auch für den Strombereich. Diese spielen (als Element der «Quantität») ebenfalls eine wichtige Rolle zur Gewährleistung der zukünftigen Stromversorgungssicherheit. Die gesetzlichen Massnahmen zur Erreichung dieser Richtwerte beziehungsweise Ziele sollen deshalb Eingang ins EnG finden.

Die Anpassung beider Gesetze ist notwendig, da sie insbesondere für den Bereich der Stromversorgungssicherheit jeweils wesentliche Elemente enthalten. Zur Sicherstellung der Kohärenz der Rechtsetzung unterbreitet der Bundesrat dem Parlament die Gesetzesänderungen in beiden Gesetzen in einem einzigen Mantelerlass.

1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 29. Januar 20204 zur Legislaturplanung 2019­ 2023 und im Bundesbeschluss vom 21. September 20205 über die Legislaturplanung 2019­2023 angekündigt. Die Vorlage ist Teil der Umsetzung und Weiterentwicklung der Energiestrategie 2050, da sie den angestrebten längerfristigen Ausbau der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien unterstützt und die Energieeffizienz stärkt. Die vorgesehenen Massnahmen stärken eine kosteneffiziente Umsetzung der Ziele der Energiestrategie. Die angepassten Zielwerte sind auf das Ziel des Bundesrates ausgerichtet, wonach die Schweiz bis 2050 nicht mehr Treibhausgase ausstossen soll, als natürliche und technische Speicher aufnehmen können (Netto-Null-Ziel). Die Stärkung der sicheren Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Energien sowie die Energie- und Stromeffizienz tragen der dafür nötigen Elektrifizierung und Dekarbonisierung Rechnung. Auf diese Weise unterstützt die Vorlage die Umsetzung der Klimastrategie 2050 und der Strategie Nachhaltige Entwicklung6.

4 5 6

BBl 2020 1777, hier 1861 und 1862 sowie 1898.

BBl 2020 1907, hier 8391.

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Im Weiteren entsprechen die Massnahmen den Zielen der Infrastrukturstrategie des Bundes7. Mit dieser soll die Leistungsfähigkeit der nationalen Infrastrukturen sichergestellt werden, wozu die Massnahmen zur Stärkung der Versorgungssicherheit beitragen. Die von der Infrastrukturstrategie ebenfalls angestrebte Optimierung der Rahmenbedingungen und Steigerung der Wirtschaftlichkeit erfolgen insoweit, als der zweite Marktöffnungsschritt und die Wahlfreiheiten im Messwesen grundlegende Anreize für Investitionen in neue Technologien schaffen. Bestehende Ineffizienzen werden durch die Marktdynamik reduziert. Zudem finden relevante Verbesserungen in der Netzregulierung statt: Eine bessere Nutzung der Flexibilität, die mit der Steuerbarkeit des Bezugs, der Speicherung oder der Einspeisung von Elektrizität verbunden ist, und die weiter vorgesehenen Tarifierungsmassnahmen führen zu einer effizienteren Netznutzung und einem langfristig optimierten Netzausbau. Dies ist auch im Sinne der bundesrätlichen Strategie Stromnetze8.

Die vollständige Marktöffnung und die Verbesserungen bei der Netzregulierung waren auch insofern Teil der Wachstumspolitik 2016­20199 des Bundesrates, als sie zu einer verbesserten Effizienz der Stromversorgung führen. Da es sich um Infrastrukturen handelt, die beträchtliche Auswirkungen auf andere Branchen haben, verbessert eine Stärkung der Stromversorgungssicherheit auch die Widerstandsfähigkeit der Volkswirtschaft als Ganzes.

Ferner stehen die beim zweiten Marktöffnungsschritt zu erwartenden Innovationen sowie der vorgesehene Datahub im Stromsektor im Einklang mit der Strategie Digitale Schweiz. Sie tragen zum Ziel bei, wonach die Energieversorgung der Zukunft innovative Technologien nutzt.

1.4

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Der Bundesrat beantragt mit der vorliegenden Botschaft die Abschreibung der folgenden parlamentarischen Vorstösse: 2012 M 12.3253 Angemessene Rendite für den Umbau des Energiesystems (N 15.6.12, Gasche; S 13.12.12) 2018 M 18.3000 Investitionsanreize für den langfristigen Erhalt der Schweizer Stromproduktionsanlagen (S 5.3.18, UREK-S; N 11.9.18) 2019 M 19.3004 Langfristige Stromversorgungssicherheit. Sicherstellung und Klärung der Verantwortlichkeiten (S 18.6.19, UREK-S; N 9.12.19) 2019 M 19.3742 Finanzielle Überbrückung für den Abbau der Wartelisten bei erneuerbaren Energien (S 10.9.19, Müller Damian; N 17.12.20) 2019 M 19.3755 Volkswirtschaftlich effiziente Integration erneuerbarer Energien in die Stromnetze (N 27.9.19, Guhl; S 3.6.20)

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Die vom Parlament überwiesene Motion von Nationalrat Urs Gasche verlangt in ihrem ersten Punkt, dass zur Festlegung der Stromtarife für die Grundversorgung die Marktpreise und nicht mehr die Gestehungskosten oder langfristige Bezugsverträge heranzuziehen sind. Im Rahmen der vollen Marktöffnung kommt der Bundesrat diesem Anliegen nach. Die ElCom prüft demnach auf der Basis von Vergleichspreisen von Angeboten im freien Markt und weiteren Kriterien, ob die Tarife in der Grundversorgung angemessen sind.

Die beiden von der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates (UREK-S) eingereichten Motionen beauftragen den Bundesrat, dem Parlament Gesetzesänderungen vorzulegen, mit welchen langfristig Anreize zu Investitionen in Stromerzeugungsanlagen erhalten beziehungsweise geschaffen werden. Begründet wird diese Forderung mit dem Erhalt der Stromversorgungssicherheit. Vor dem gleichen Hintergrund hat das Parlament mit Verabschiedung des geltenden EnG den Bundesrat beauftragt, ihm einen Erlassentwurf für die Einführung eines «marktnahen Modells» für die Grosswasserkraft zu unterbreiten (Art. 30 Abs. 5 EnG). Die bestehenden Investitionsanreize, welche sich bereits aus den Marktsignalen und Subventionen gemäss geltendem Recht ergeben, werden mit der Verlängerung und Verstärkung der Fördermassnahmen des EnG sowie den neuen Investitionsbeiträgen für Speicherprojekte im StromVG ergänzt. Damit hat der Bundesrat das Anliegen umgesetzt. Bezüglich der zweiten Forderung der Motion 19.3004, der gesetzlichen Klärung der Rollen und Verantwortlichkeiten im Bereich der Stromversorgungssicherheit, führte das BFE im Sommer 2019 mit den betroffenen Kreisen einen runden Tisch durch. Die Teilnehmenden betonten dabei, dass in erster Linie die Investitionen in Produktionsanlagen unterstützt werden müssen, und stellten im Bereich der Rollen und Verantwortlichkeiten keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf fest.

Mit der von Ständerat Damian Müller eingereichten Motion hat das Parlament den Bundesrat beauftragt, die Möglichkeit einer vorübergehenden Verschuldung des Netzzuschlagsfonds zu prüfen. Der Bundesrat hat die verlangte Prüfung vorgenommen und kommt zum Schluss, dass das Verschuldungsverbot des Netzzuschlagsfonds beizubehalten ist. Die bis zum Inkrafttreten dieser Vorlage kumulierten Reserven werden zusammen
mit den jährlichen Einnahmen die erwarteten Ausgaben aus den Verpflichtungen bis zum Auslaufen des Fördersystems aller Voraussicht nach decken können. In dieser Planung ist der Abbau der Wartelisten bereits vorgesehen. Es ist somit aus heutiger Sicht unwahrscheinlich, dass die Reserven des Fonds vollständig aufgebraucht werden. Nur bei unerwarteten Entwicklungen der Rahmenbedingungen (z.B. bei einem Strompreiszerfall mit anschliessend entsprechend höheren Einspeisevergütungen) könnte der Fall eintreten, dass die Reserven sowie die laufenden Einnahmen aus dem Netzzuschlag nicht ausreichen, um alle geplanten Ausgaben zu decken. Soweit ein Liquiditätsengpass nicht durch andere Massnahmen abgewendet werden kann, müsste der Bund den Fonds im Ausmass der entstehenden Unterdeckung bevorschussen. Dieser Vorschuss müsste so rasch als möglich durch entsprechende Minderausgaben bei neuen Investitionsbeiträgen wieder kompensiert werden.

Die vom damaligen Nationalrat Bernhard Guhl eingereichte Motion beauftragt den Bundesrat, dem Parlament die notwendigen gesetzlichen Änderungen zu unterbreiten, welche im Sinn eines volkswirtschaftlich effizienten Ausbaus des Stromnetzes das Einspeisemanagement von Erzeugungsanlagen ermöglichen. Der Bundesrat erfüllt 12 / 146

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das Anliegen mit der in der vorliegenden Revision vorgeschlagenen Flexibilitätsregulierung im StromVG.

Zu erwähnen sind im Weiteren die Motionen «Revision des StromVG. Etablierung einer strategischen Reserve» (17.3970) und «Strommarkt 2.0. Strommarktliberalisierung, zweiter Schritt» (17.3971), welche der Nationalrat am 8. März 2018 angenommen, der Ständerat aber noch nicht behandelt hat.

Das Parlament befasst sich im von der Vorlage betroffenen Bereich zurzeit auch mit parlamentarischen Initiativen. So beschloss die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates (UREK-N) am 28. August 2017, der von Nationalrat Albert Rösti eingereichten parlamentarischen Initiative «Sicherung der Selbstversorgung mit Strom aus Wasserkraft zur Überbrückung der aktuellen Preisbaisse» (16.448) Folge zu geben. Die UREK-S stimmte diesem Beschluss am 13. August 2018 zu. Zudem hat der Nationalrat am 7. September 2020 dem Beschluss der UREK-N zugestimmt, die parlamentarische Initiative «Unterstützung für Photovoltaikanlagen ohne Eigenverbrauch» (20.401) auszuarbeiten. Weiter vorangeschritten ist die von Nationalrat Bastien Girod eingereichte parlamentarische Initiative «Erneuerbare Energien einheitlich fördern. Einmalvergütung auch für Biogas, Kleinwasserkraft, Wind und Geothermie» (19.443). Die UREK-N hat am 26. Oktober 2020 beschlossen, der Initiative Folge zu geben; die UREK-S hat diesem Beschluss am 14. Januar 2021 zugestimmt. Die UREK-N hat in der Folge einen Gesetzesentwurf vorbereitet und diesen am 19. April 2021 verabschiedet ­ im Wissen darum, dass der Bundesrat demnächst die vorliegende Botschaft verabschieden werde, welche unter anderem den gleichen Regelungsgegenstand wie die parlamentarische Initiative umfasst. Der Bundesrat hat dem Nationalrat am 1. Juni 2021 beantragt, nicht auf den Erlassentwurf der UREK-N einzutreten.10

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

Der Bundesrat hatte vom 17. Oktober 2018 bis am 31. Januar 2019 eine Vernehmlassung zu einer Revision des StromVG durchgeführt. Die Vorlage sah ­ neben Verbesserungen im Bereich der Stromnetze (vgl. etwa Flexibilitätsregulierung, Tarifierung, Messwesen, Datahub) ­ insbesondere auch die vollständige Marktöffnung vor. Sie hatte namentlich auch die langfristige Gewährleistung der Stromversorgungssicherheit zum Ziel.11 Zu diesem Zweck enthielt der Vorentwurf ­ zusätzlich zu den bestehenden Mechanismen ­ die Einrichtung einer Speicherreserve. Auch durch die Dynamik in einem geöffneten Strommarkt ist eine Stärkung der erneuerbaren Energien und damit auch der Versorgungssicherheit zu erwarten. Sowohl Speicherreserve als

10 11

BBl 2021 1316 www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2018 > UVEK; vgl. dazu v. a. Ziff. 1.2 des erläuternden Berichts zur Vernehmlassungsvorlage.

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auch Marktöffnung wurden von einer Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer begrüsst.12 In der Vernehmlassung zum StromVG verlangte eine Mehrheit allerdings weitergehende Massnahmen, um die Versorgungssicherheit zu stärken. Konkret genannt wurde in einer Vielzahl von Stellungnahmen die Schaffung von mehr Investitionsanreizen beispielsweise im Sinne von Investitionsbeiträgen. Um diesem Anliegen gerecht zu werden, führte der Bundesrat vom 3. April bis am 12. Juli 2020 eine Vernehmlassung über eine Revision des EnG durch. Die Vorlage sah vor, das bereits bestehende Förderinstrumentarium im EnG länger anzuwenden und punktuell weiterzuentwickeln. Die Vernehmlassung hat bestätigt, dass die Weiterführung der Unterstützung der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien breite Unterstützung geniesst.13 Der Bundesrat nahm am 11. November 2020 Kenntnis von den Ergebnissen der Vernehmlassung zur Revision des EnG. Wie verschiedentlich in der Vernehmlassung gefordert, beschloss er, dem Parlament die Änderungen der beiden Gesetze in Form eines einzigen Erlasses (Mantelerlass) vorzulegen. Die beiden Revisionen sind sachlich eng verknüpft, und die verschiedenen Revisionsbereiche sollen aus Sicht des Bundesrates aufgrund der Interdependenzen vom Parlament gemeinsam beraten werden. Dies stellt eine kohärente Gesetzgebung sicher.

3

Grundzüge der Vorlage

3.1

Die beantragte Neuregelung im StromVG und EnG

3.1.1

Übersicht und Zusammenhang wichtiger Massnahmen

Mit dem Ziel, die Energiepolitik konsistenter und verbindlicher auf die Versorgungssicherheit und die Klimapolitik und den dafür notwendigen rascheren Umbau des Energiesystems auszurichten sowie gleichzeitig die Planungssicherheit von Investoren zu stärken, werden die bereits heute im EnG verankerten Richtwerte bis 2035 zu verbindlichen Zielen erklärt: Es handelt sich dabei um die Richtwerte für den Ausbau der Wasserkraft und anderer erneuerbarer Energien sowie um die Richtwerte zur Reduktion des Energie- und Elektrizitätsverbrauchs pro Kopf. Neu werden zudem bis 2050 zu erreichende Ausbauziele sowie Energie- und Elektrizitätsverbrauchsziele im EnG aufgenommen. Die Zielwerte werden aus den neuen Energieperspektiven des Bundes übernommen, welche unter Berücksichtigung des Netto-Null-Ziels kompatible Entwicklungspfade des Schweizer Energiesystems darstellen.

In Bezug auf die Stärkung der Stromversorgungssicherheit spezifisch im Winter werden im StromVG zwei neue Massnahmen eingeführt.

12 13

Vgl. dazu den Bericht über die Vernehmlassungsergebnisse unter www.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2018 > UVEK.

Vgl. dazu den Bericht über die Vernehmlassungsergebnisse unter www.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > UVEK.

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Erstens wird ein Instrument für den Ausbau von sicher abrufbarer, ans Schweizer Netz angeschlossener und CO2-freier Elektrizität im Winter implementiert. Diese Kapazitäten zielen darauf ab, die bisherige Selbstversorgungsfähigkeit der Schweiz (aktuell im Mittel ca. 22 Tage) im Zusammenspiel mit einer strategischen Energiereserve (vergleiche zweitens) längerfristig zu erhalten. Ein entsprechendes Ausbauziel von 2 TWh bis ins Jahr 2040 wird im StromVG verankert. Diese Massnahme ermöglicht es, die für den Strommarkt verfügbare Menge an Elektrizität auszubauen («Qualität»).

Angesichts dieses Ziels und des Netto-Null-Ziels des Bundesrates und der langen Prozesse für Planung, Bewilligung und Bau von entsprechenden Kraftwerken setzt der Ausbau prioritär bei der grossen Speicherwasserkraft an: Projekte, die den im StromVG festgelegten Kriterien zur Eignung und zum Beitrag an das Winterstromziel genügen, erhalten auf Gesuch hin eine finanzielle Unterstützung in Form eines Investitionsbeitrags. Welche Projekte für einen Investitionsbeitrag überhaupt in Frage kommen, soll in einer Vorauswahl unter Einbezug der interessierten Kreise (Betreiber, Umweltverbände) und der Kantone möglichst im Konsens ermittelt werden. Sollte sich bis 2030 abzeichnen, dass das Ausbauziel von 2 TWh bis 2040 mit der Grosswasserkraft nicht erreicht werden kann, werden technologieoffene Ausschreibungen für zusätzliche, den genannten Kriterien genügende Kapazitäten durchgeführt, die einen kürzeren Vorlauf haben als Projekte im Bereich der Wasserkraft. Das Instrument wird über den Zuschlag auf das Übertragungsnetz finanziert, der in Artikel 9 Absatz 4 StromVG zur Vorbeugung gegen mögliche Versorgungssicherheitsdefizite bereits vorgesehen ist. Der Bundesrat legt diesen «Winterzuschlag» bedarfsgerecht auf maximal 0,2 Rp./kWh fest.

Zweitens wird eine strategische Energiereserve eingerichtet, welche die Verfügbarkeit von Energie Ende Winter zusätzlich zu den Mechanismen im Strommarkt absichert.

Normalerweise ist die Versorgung der Schweiz mit Energie durch die Bewirtschaftung der Kraftwerkskapazitäten am Markt sowie im Austausch mit den benachbarten Strommärkten sicher und wirtschaftlich optimiert. In ausserordentlichen, von den Marktakteuren nicht vorhersehbaren Situationen könnte es aber vorkommen, dass die Versorgungssicherheit gefährdet
wäre. Dann bietet die Energiereserve eine effektive Absicherung: Sie hält dann noch Energie bereit, wenn die Marktmechanismen versagen würden («eiserne Reserve») und kann zur Schweizer Selbstversorgungsfähigkeit beitragen. Für die Beschaffung der Reserve führt die Swissgrid ein wettbewerbliches Ausschreibungsverfahren durch. Wer einen Zuschlag erhält, verpflichtet sich, während einer festgelegten Dauer eine bestimmte Mindestenergiemenge im Speicher vorzuhalten beziehungsweise auf deren Bezug zu verzichten.

Als wichtige Massnahme für die Ermöglichung von Innovation und die Stärkung der Effizienz des Gesamtsystems wird der Strommarkt vollständig geöffnet (StromVG).

Diese Massnahme unterstützt die Energiestrategie 2050, indem sie in Bereichen, die mit der Energielieferung verwandt sind, Produktinnovationen fördert und neue Geschäftsmodelle ermöglicht. So beispielsweise der direkte Verkauf von lokal produzierter Elektrizität über Plattformen («Quartierstrom») oder die Ermöglichung innovativer Angebote im Zusammenhang mit der Elektromobilität sowie der Gebäudeautomation. Mit der vollständigen Öffnung erhalten alle Endverbraucherinnen und Endverbraucher das Recht auf eine freie Wahl ihres Lieferanten. Kleine Endverbraucherinnen und Endverbraucher mit einem Jahresverbrauch von weniger als 100 MWh 15 / 146

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können sich wahlweise auch für die Grundversorgung entscheiden. Vor dem Hintergrund der Energiestrategie 2050 hat die vollständige Strommarktöffnung einen deutlich weitergehenden Fokus und Zweck als noch 2002 zu Zeiten des Elektrizitätsmarktgesetzes. Dank einer vollständigen Öffnung erhalten kleine, dezentrale Produzenten einen einfachen Marktzugang und lassen sich erneuerbare Energien direkt in das System integrieren. Davon profitiert wiederum der Ausbau dieser Energiequellen. Darüber hinaus eröffnet sie den Raum für Innovationen und Modelle, die der Energieeffizienz dienen, womit ebenfalls die Energiestrategie 2050 unterstützt wird. In der Grundversorgung bieten die lokalen Verteilnetzbetreiber als Standard ein Elektrizitätsprodukt an, das aus ausschliesslich inländischer erneuerbarer Energie besteht. Damit erhalten die erneuerbaren Energien einen prominenten Absatzkanal im Markt. Die vollständige Öffnung ist weiter Grundvoraussetzung für einen funktionierenden, effizienten Strommarkt. Durch die bessere zeitliche Verknüpfung von Angebot und Nachfrage unterstützt sie die Versorgungssicherheit. Das Wahlrecht und die Gewährleistung einer regulierten Grundversorgung stellen eine Stärkung der Kundenzentrierung der Endverbraucherinnen und Endverbraucher dar.

Damit der Ausbau der erneuerbaren Energien entlang der definierten Ziele gelingt und seinen Basisbeitrag zur Versorgungssicherheit leisten kann, wird im EnG das Fördersystem bis 2035 erweitert. Dadurch wird eine zeitliche Kongruenz mit dem Zieljahr 2035 und dem Förderende erreicht sowie Planungssicherheit für die Projektanten geschaffen. Insbesondere bei Planungszeiten von mehr als zehn Jahren wie bei Wasserkraft- und Windenergieanlagen sind Investoren auf langfristig stabile und planbare Bedingungen angewiesen.

Das Fördersystem wird zudem weiterentwickelt, um die Effizienz des Systems zu verbessern (EnG). Die bestehenden Instrumente werden näher an den Markt gebracht: Das Einspeisevergütungssystem läuft wie im geltenden EnG vorgesehen aus und wird durch Investitionsbeiträge ersetzt. Das sorgt für administrative Entlastung und ermöglicht mit den gleichen Mitteln mehr Zubau. Der Bundesrat strebt an, insbesondere den Ausbau der Photovoltaik zu beschleunigen. Für grössere Photovoltaikanlagen soll die Vergabe der Beiträge neu mittels Auktionen möglich
sein. Für grosse Wasserkraftanlagen werden mehr Mittel zur Verfügung gestellt. Die Finanzierung erfolgt weiterhin über den Netzzuschlag. Dieser wird nicht erhöht (d. h. er verbleibt bei 2,3 Rp./kWh), er wird jedoch entsprechend länger erhoben. Die Mittel des Netzzuschlagsfonds sind zur Erreichung der Ausbauziele 2035 knapp bemessen. Allerdings geht der Bundesrat davon aus, dass die neuen Ausbauziele erreicht werden können. Sollte dies nicht der Fall sein, hat der Bundesrat im Rahmen des im EnG verankerten Monitorings die Möglichkeit, zusätzliche Massnahmen zu beantragen.

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Die nachfolgende Abbildung bietet einen groben Überblick über die heutigen und die geplanten Förderinstrumente:

Abbildung 1: Übersicht Förderinstrumente im EnG: heute und zukünftig.

Weitere Verbesserungen der Energieeffizienz und insbesondere der Stromeffizienz sind auch vor dem Hintergrund der zunehmenden Elektrifizierung wichtig. Neu soll deshalb eine Grundlage für schweizweite Programme zur Förderung von StandardStromeffizienzmassnahmen geschaffen werden.

Die Nutzung der Flexibilität von Erzeugern, Speicherbetreibern oder Endverbrauchern spielt eine immer wichtigere Rolle. Die Vorteile dieser Nutzung sind vielseitig, sie zeigen sich im Bereich der Netze (als Mittel gegen Engpässe und zur Integration dezentraler Erzeugungseinheiten), im Strommarkt, aber auch direkt bei den Inhaberinnen und Inhabern der Flexibilität (beispielsweise zur Optimierung des Eigenverbrauchs). Um trotz konkurrierender Zugriffsbedürfnisse einen effizienten Einsatz der Flexibilität zu ermöglichen, wird eine geeignete Flexibilitätsregulierung im StromVG gesetzlich verankert. Sie ermöglicht eine effizientere Integration dezentraler Erzeugungsanlagen ins System und bedeutet auch eine Stärkung der Kundenzentrierung.

Ein effizient organisierter Austausch von und der Zugang zu digitalen Daten und Informationen spielt eine entscheidende Rolle für einen funktionstüchtigen Wettbewerb und neue innovative Geschäftsmodelle im Strommarkt. Hierzu sind zwei Massnahmen vorgesehen. Erstens wird im StromVG der regulatorische Rahmen für den Austausch und den Schutz von Daten definiert. Zur Unterstützung der verschiedenen Massnahmen wird eine nationale Energiedateninfrastruktur mit einem Datahub ge-

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schaffen, welche die Digitalisierung und die Transformation des Stromsektors forciert. Der Datahub stellt den leistungsfähigen Datenaustausch sicher und ermöglicht einen einheitlichen Datenzugang unter Gewährleistung der Datensicherheit und des Datenschutzes. Zweitens erfolgt im StromVG für das Messwesen eine Klärung der Verantwortlichkeiten und der gesetzlichen Wahlfreiheiten. Grosse Endverbraucher sowie alle Elektrizitätserzeuger und Speicherbetreiber können ihren Anbieter frei wählen. Darüber hinaus kommt das Wahlrecht ­ unabhängig vom jährlichen Elektrizitätsverbrauch ­ auch allen Eigenverbraucherinnen und -verbrauchern und bestimmten Endverbrauchergruppen zu, die im Zusammenhang mit verbrauchsseitiger Flexibilität oder Energiesparmassnahmen Zugriff auf ihre Messdienstleistungen benötigen.

Beide Massnahmen sind eine wichtige Voraussetzung für die Ermöglichung von Innovationen bei gleichzeitiger Stärkung der Effizienz und der Kundenzentrierung.

Im Bereich der Netznutzungstarifierung wird eine Flexibilitätsregulierung eingeführt und durch eine flexiblere Netztarifierung die Effizienz des Tarifierungssystems im StromVG verbessert. Konkret sollen Verteilnetzbetreiber ihre Tarifsysteme besser auf mit der Energiestrategie 2050 zusammenhängende Belastungsmuster ausrichten und in umfassenderer Weise als bisher dynamische Netztarife festlegen können. Insgesamt sollen den Endverbraucherinnen und Endverbrauchern die von ihnen tatsächlich verursachten Netzkosten besser sichtbar gemacht werden. Diese können ihre Netznutzung längerfristig anpassen (z. B. durch den Einsatz von Flexibilität oder anderen intelligenten Lösungen). Dadurch werden der Netzausbau reduziert, die Dimensionierung der Netzinfrastruktur optimiert und die Kostenfolge auf die Gesamtheit der Endverbraucherinnen und Endverbraucher insgesamt begrenzt.

Zur Stärkung der Transparenz bei den Verteilnetzen wird die ElCom neu gesetzlich dazu verpflichtet, vergleichende Darstellungen zu veröffentlichen (StromVG). Durch diese so genannte «Sunshine-Regulierung» werden die Kundeninformation verbessert und gewisse Effizienzanreize gesetzt.

3.1.2

Ziele für Energie- und Elektrizitätsverbrauch sowie zum Ausbau der Elektrizität aus erneuerbaren Energien (EnG)

Der Bundesrat hat am 28. August 2019 beschlossen, für die Schweiz bis 2050 eine ausgeglichene Treibhausgasbilanz anzustreben (Netto-Null-Ziel). Dieses Ziel bildet die Basis für die langfristige Klimastrategie des Bundes, mit welcher die Schweiz einer Aufforderung des Übereinkommens von Paris nachkommt. Dieses fordert alle Vertragsparteien auf, solche Strategien mit Zeithorizont 2050 zu erarbeiten und diese bis Ende 2020 dem UNO-Klimasekretariat zu übermitteln. Unter anderem als Grundlage für diese Klimastrategie wurden neue Energieperspektiven (sog. EP 2050+) erstellt. Die Energieperspektiven des BFE bilden seit den 70er-Jahren eine wichtige quantitative Grundlage der Energie- und heute auch der Klimapolitik. Im Jahre 2007 wurden die Energieperspektiven letztmals vollständig aktualisiert, 2012 wurden sie für die Energiestrategie 2050 aktualisiert und erweitert. Die neuen Energieperspektiven analysieren im Netto-Null-Szenario eine Entwicklung des Energiesystems, welche mit dem langfristigen Klimaziel, die Treibhausgasemissionen bis ins Jahr 2050 18 / 146

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auf Netto-Null abzusenken, kompatibel ist und gleichzeitig eine sichere Energieversorgung gewährleistet14.

Durch die Festschreibung verbindlicher Verbrauchs- und Ausbauziele im EnG setzt der Bund frühzeitig ein klares Signal betreffend den Umfang der notwendigen Anpassungen im Schweizer Energiesystem. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der Planungssicherheit von Investorinnen und Investoren.

Angepasst an die Netto-Null-Basisvariante der neuen Energieperspektiven und mit einem Ausbau der erneuerbaren Elektrizitätsproduktion gemäss Strategievarianten «Ausgeglichene Jahresbilanz 2050» resultiert für den Ausbau der Elektrizität aus neuen erneuerbaren Energien ein Zielwert für das Jahr 2035 von 17 TWh (bisher: 11,4 TWh). Die Photovoltaik trägt mit 14 TWh den grössten Teil bei. Als Ziel für den Ausbau der Elektrizität aus erneuerbaren Energien im Jahr 2050 werden 39 TWh (bisher: 24,2 TWh) gesetzlich festgeschrieben. Die Richtwerte zum Ausbau der Elektrizitätsproduktion aus Wasserkraft bleiben unverändert, werden jedoch als verbindliche Ziele übernommen (d. h. 37,4 TWh im Jahr 2035). Neu wird ebenfalls ein Zielwert von 38,6 TWh (gemäss der Botschaft des Bundesrates zum ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie 205015) für das Jahr 2050 im Gesetz verankert.

Zudem werden neu auch verbindliche Verbrauchsziele für die Jahre 2035 und 2050 ins Gesetz aufgenommen. Gemäss den neuen Energieperspektiven drängt sich eine Anpassung der gegenwärtigen Richtwerte 2035 nicht auf, sie werden jedoch für verbindlich erklärt. Für das Jahr 2050 werden die entsprechenden Zielwerte aus dem erwähnten Szenario der Energieperspektiven eingesetzt. Die Zielwerte für den durchschnittlichen Energieverbrauch pro Kopf bleiben unverändert bei ­43 Prozent gegenüber dem Jahr 2000 bis 2035 und nahezu unverändert bei ­53 Prozent bis 2050. Der Zielwert für den durchschnittlichen Elektrizitätsverbrauch pro Kopf bleibt bis 2035 unverändert bei ­13 Prozent gegenüber 2000. Aufgrund der für das Netto-Null-Ziel erforderlichen verstärkten Elektrifizierung wird der Elektrizitätsverbrauch pro Kopf nach 2035 jedoch ansteigen. Der Zielwert für 2050 ist somit entsprechend anzupassen und beträgt neu ­5 Prozent gegenüber 2000 statt wie bisher ­18 Prozent.

Wie oben erwähnt, bezweckt die Festschreibung verbindlicher Verbrauchs- und Ausbauziele,
allen beteiligten Akteuren frühzeitig aufzuzeigen, in welchem Umfang Anpassungen im Schweizer Energiesystem notwendig sind. Der Bundesrat überprüft regelmässig, insbesondere mit der fünfjährlichen Berichterstattung im Rahmen des Monitorings der Energiestrategie 2050, die Fortschritte hinsichtlich der Erreichung der Ziele. Dabei berücksichtigt er grundsätzlich auch neue Entwicklungen in Bezug auf Rahmendaten (Daten zu Wirtschaft, Verkehr, Bevölkerungsentwicklung etc.) und politische Entscheide im Klimabereich (z. B. Massnahmen im Ausland) oder im Energiebereich. Weiter berücksichtigt er dabei wichtige technologische Entwicklungen und Fortschritte oder Verschiebungen von Marktbedingungen. Im Zusammenhang mit diesen Analysen wird der Bundesrat bei Bedarf auch eine Überprüfung der Ziele vornehmen.

14 15

www.energieperspektiven.ch BBl 2013 7561

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3.1.3

Stärkung der Versorgungssicherheit in den Wintermonaten (StromVG)

3.1.3.1

Versorgungssicherheit

Die bisher vom Bund durchgeführten Modellierungen der Erzeugungs- und Systemkapazität deuten für die Schweiz grundsätzlich auf eine stabile Versorgungssituation bis 2035 hin. Allerdings ist hierzu der Stromaustausch mit den Nachbarländern und das gute Funktionieren des Strommarktes entscheidend. Die Analysen zeigen, dass insbesondere dank flexibler Schweizer Wasserkraftkapazitäten auf viele europäische Entwicklungen ­ zum Beispiel auf eine mögliche Knappheit auf der europäischen Exportseite ­ wirkungsvoll reagiert werden kann. Vor dem Hintergrund der längerfristigen Zunahme des Stromverbrauchs aufgrund der Dekarbonisierung ist es wichtig, geeignete Kapazitäten zur Stärkung der Versorgungssicherheit im Winter weiter auszubauen und sicherzustellen, dass bis 2040 im Strommarkt eine hinreichende Menge an sicher abrufbarer Elektrizität vorhanden ist («Qualität»).

Die Energieversorgung ist in der Schweiz Sache der Energiewirtschaft (Art. 6 Abs. 2 EnG). Dem Staat, das heisst Bund und Kantonen, kommt eine subsidiäre Rolle zu, indem er Rahmenbedingungen setzt, die der Branche eine optimale Aufgabenerfüllung erlauben. Zusätzlich kommt dem Staat eine gewisse Verantwortung zu, einer Gefährdung der Versorgung vorzubeugen. So kann der Bundesrat Massnahmen gegen eine mittel- oder langfristige erhebliche Gefährdung der Stromversorgung ergreifen (Art. 9 StromVG), und im Rahmen der wirtschaftlichen Landesversorgung sind zeitlich begrenzte Massnahmen zur Behebung einer unmittelbar drohenden oder bereits bestehenden schweren Strommangellage möglich. Das EnG bekräftigt, dass der Staat gegen eine sich abzeichnende unzureichende Sicherung der Energieversorgung rechtzeitig die Voraussetzungen für die Bereitstellung der nötigen Kapazitäten schaffen muss.

Eine sichere Stromversorgung beruht auf einem komplexen System mit vielen Beteiligten. Eine integrale Gesamtverantwortung für die Versorgungssicherheit gibt es nicht. Es besteht eine historisch gewachsene Rollenteilung zwischen Branche und Staat. Daran wird mit dieser Vorlage nichts geändert, namentlich bleibt es also bei der primären Verantwortung der Branche für die Energie- und Stromversorgung. Die vorgeschlagenen Massnahmen reihen sich in das beschriebene Konzept ein. So werden einerseits Rahmenbedingungen verbessert, zum Beispiel für einen verstärkten Zubau erneuerbarer
Energien mit dem Förderinstrumentarium nach dem EnG und für mehr Innovation und Effizienz des Gesamtsystems durch die vollständige Strommarktöffnung. An der Schnittstelle zwischen Rahmenbedingungen und staatlichen Massnahmen bewegen sich die spezifischen Vorkehren zur Stärkung der Versorgungssicherheit im Winter (Zubau von 2 TWh und Energiereserve). Hier initiiert und unterstützt der Staat eine Entwicklung, die als solche aber wiederum durch die Branche auszuführen ist und welche die Bewirtschaftung der Speicherseen durch die Kraftwerksbetreiber nur durch eine Notmassnahme flankiert.

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3.1.3.2

Erhalt der Selbstversorgungsfähigkeit

Der Bundesrat schlägt zur Stärkung der Versorgungssicherheit vor, entsprechende Kapazitäten so aufzubauen, dass die heutige Selbstversorgungsfähigkeit von im Mittel rund 22 Tagen im Zusammenspiel mit der Energiereserve für den Fall von europäischen Knappheitssituationen auch längerfristig erreicht werden kann. Der Bundesrat legt hierfür ein spezifisches Zubauziel für 2040 fest. Der effektiv notwendige Ausbau der Speicherproduktion in den Wintermonaten leitet sich aus der gewünschten Selbstversorgungsfähigkeit ab, indem Erzeugung und Verbrauch Ende des Winters, wenn die Schweiz stärker auf Importe angewiesen ist, für die gewünschte Dauer gegenübergestellt werden. Aus der Vorgabe einer Selbstversorgungsfähigkeit von 22 Tagen resultiert so ein Ausbauziel der Speicherproduktion im Umfang von 2 TWh Winterstrom bis ins Jahr 2040.

Historisch gesehen war die Selbstversorgungsfähigkeit von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich. Sie hängt stark von den jeweiligen Witterungsbedingungen und der Kraftwerksbewirtschaftung ab. Die Kraftwerksbewirtschaftung wiederum hängt ­ aufgrund der wichtigen Rolle der Wasserkraft ­ von der Zuflusssituation sowie vom inund ausländischen Preisgefüge ab. In den vergangenen rund 15 Jahren lag das Minimum der Selbstversorgungsfähigkeit bei ca. 8 Tagen (im Winter 2012/13), das Maximum bei über 40 Tagen. Zu beachten ist, dass dies eine theoretische Grösse ist, die im Nachhinein rechnerisch bestimmt wird unter der hypothetischen Annahme, dass keine Importe möglich gewesen wären.

Wie hoch die Selbstversorgungsfähigkeit tatsächlich ist, hängt von den Bedingungen im jeweiligen Winter ab und insbesondere auch davon, wie die Speicherseen bewirtschaftet werden. Die Speicherseen (inkl. der zusätzlichen Produktion von 2 TWh) werden markt- bzw. bedarfsgetrieben eingesetzt und im Laufe des Winters geleert.

Alleine durch die Bewirtschaftung im Markt gibt es keine Garantie, dass jederzeit eine Selbstversorgungsfähigkeit von 22 Tagen verfügbar ist so wie dies auch in der Vergangenheit nicht der Fall war. Der vorgeschlagene Ausbau der Produktion um 2 TWh im Winter in Verbindung mit der vorgeschlagenen Energiereserve sollen einen Beitrag leisten, die Selbstversorgungsfähigkeit auf rund 22 Tage im Durschnitt zu erhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach dem Abschalten der letzten Kernkraftwerke
im Jahr 2035 (unter Annahme einer Laufdauer von 50 Jahren) die marktbedingte Selbstversorgungsfähigkeit temporär etwas zurückgehen dürfte. Falls erforderlich kann dieser Rückgang frühzeitig mit einer höheren Vorhaltung in der Energiereserve kompensiert werden.

Angesichts von Ausrichtung und Tragweite eines solchen Zubaus an Winterstrom ist es angezeigt, dass das Parlament dessen Eckwerte beschliesst. Deshalb wird ein entsprechendes Zubauziel im StromVG festgeschrieben. Aufgrund der bezweckten Versorgungsaufgabe und des Netto-Null-Ziels des Bundesrates müssen die in Frage kommenden Erzeugungskapazitäten die folgenden drei Kriterien erfüllen: Sie müssen sicher abrufbar, ans Schweizer Stromnetz angeschlossen und klimaneutral sein. Sie sollen finanziell unterstützt werden.

Die Grosswasserkraft, insbesondere die grosse Speicherwasserkraft, sticht angesichts dieser Kriterien besonders hervor. Im Vergleich zu anderen Produktionstechnologien,

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insbesondere im Vergleich mit der Windkraft oder der Solarenergie, ist die Speicherwasserkraft in hohem Masse steuerbar und damit sicher abrufbar. Wind- und Solarkapazitäten würden zudem selbst bei der direkten Anbindung an Batteriespeicher nur in äusserst geringem Umfang zu einer effektiven Saisonumlagerung beitragen. Die Speicherwasserkraft garantiert weiter ­ anders als zum Beispiel Gasspeicher ­ eine Speicherung im Inland und somit eine geringere Auslandsabhängigkeit. Schliesslich ist sie effektiv CO2-frei. Mit einem Fokus auf die Speicherwasserkraft für die Erreichung des 2-TWh-Ziels ergibt sich keine «stille» Anpassung der Ausbauziele zur Elektrizitätsproduktion aus Wasserkraft gemäss EnG (vgl. Ziff. 3.1.2. Die verlangten Kapazitäten zur saisonalen Umlagerung und Produktion im Winter («Qualität») können die Jahreserzeugung («Quantität») erhöhen ­ eine allfällige Steigerung der Jahresmengen würde den EnG-Zielen angerechnet. Die effektive Verfügbarkeit der nötigen Speichermengen am Ende des Winters wird durch die Bewirtschaftung der Speicherseen im Zusammenspiel mit der strategischen Energiereserve bewerkstelligt.

Es gilt, den Ausbau der Wasserkraft prioritär und frühzeitig anzugehen, da diese Technologie bis zur Realisierung besonders lange Prozesse (Planung, Bewilligung und Bau) durchläuft. Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) hat deshalb die Arbeiten für den Ausbau der Wasserkraft gemeinsam mit den Kantonen, der Wasserwirtschaft und Umweltverbänden bereits angestossen («Runder Tisch Wasserkraft»). Diese laufenden Arbeiten bezwecken die Identifizierung möglicher Projekte, die aus Sicht der Effektivität zum Beitrag der Winterproduktion, der Realisierbarkeit sowie unter Standort- und Umweltgesichtspunkten besonders geeignet und akzeptiert sind. Gegenwärtig ist ein Potenzial von etwas mehr als 2 TWh an zusätzlicher Winterproduktion aus Projekten der Grosswasserkraft bekannt. An der Bewilligungsordnung für diese Projekte ändert sich nichts.

Es braucht also die nötigen (kantonalen) Konzessionen und Bewilligungsverfahren.

In diesen wird auch der bestehende Zielkonflikt zwischen Schutz und Nutzung behandelt werden. Von Bedeutung wird dabei auch sein, dass sich Erweiterungen in Anlagen mit noch laufenden Konzessionen integrieren lassen. Dazu bestehen
Instrumente, wie vorzeitige Konzessionserneuerungen oder zwischen Konzedent und Konzessionär ausgehandelte Restwertvereinbarungen.

Laut dem heutigen Artikel 9 StromVG kann der Bundesrat selbstständig Vorkehren für die Versorgungssicherheit treffen. Das schliesst natürlich nicht aus, dass der Gesetzgeber seinerseits solche Massnahmen beschliesst. Das neue Instrument stellt gewissermassen einen konkreten Anwendungsfall von Massnahmen dar, wie sie auch Artikel 9 vorsieht, und vor allem wird der dort für die Finanzierung solcher Fälle vorgesehene Zuschlag auf die Übertragungskosten des Übertragungsnetzes aktiviert. Die Speicherprojekte sollen mittels Investitionsbeiträgen unterstützt werden. Diese sollen in der Regel höchstens 40 Prozent (in Ausnahmefällen maximal 60 %) der anrechenbaren Investitionskosten ausmachen. Dabei wird auch zu prüfen sein, ob die Kosten und damit die Förderung in Bezug auf die zugebaute Speicherenergiemenge noch verhältnismässig sind. Die Finanzierung des Instruments erfolgt über den in Artikel 9 Absatz 4 StromVG zur Vorbeugung gegen mögliche Versorgungssicherheitsdefizite bereits angelegten Zuschlag auf das Übertragungsnetz. Dieser «Winterzuschlag» soll im Umfang von maximal 0,2 Rp./kWh erhoben werden. Rückerstattungen analog zu Artikel 39­43 EnG an energieintensive Unternehmen soll es keine geben, da diese

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direkt und in erheblichem Masse von der Stärkung der Versorgungssicherheit profitieren. Nebst diesem neuen StromVG-Instrument, das einen letztlich einmaligen, wenn auch auf lange Sicht angelegten Ausbau anstösst, bleiben Artikel 9 und die Möglichkeiten, die er dem Bundesrat gibt, bestehen. Ein direkt darauf gestütztes Handeln des Bundesrates kann auch in Zukunft nötig sein. Die Investitionsbeiträge nach dem StromVG sind zudem ­ auf ein viel spezifischeres Ziel ausgerichtet ­ parallel zu jenen nach dem EnG zu sehen.

Die unterstützten Projekte müssen Kriterien zur Eignung und zum Beitrag an das Winterstromziel genügen. Aufgrund der eng begrenzten Anzahl an Speicherprojekten, des kleinen Anbieterkreises (fehlender Wettbewerb) und der grossen Kostenunterschiede einzelner Projekte kommen wettbewerbliche Ausschreibungen bei der Vergabe der Unterstützungsbeiträge nicht in Frage. Solche Auktionen würden zu keinem effizienten Ergebnis und damit zu überhöhten Preisen führen. Eine Unterstützung mittels Investitionsbeiträgen, welche im Einzelfall durch das BFE anhand von in Gesetz und Verordnung vorgegebenen Kriterien festgelegt werden, ist deshalb effizienter. So kann beim Entscheid über die Unterstützung die spezifische Wirtschaftlichkeitsrechnung eines Projekts geprüft werden. Ausschreibungen berücksichtigen zudem nicht die Dimension der gesellschaftlichen Akzeptanz und der Umweltaspekte. Welche Projekte für einen Investitionsbeitrag überhaupt in Frage kommen, dazu soll es eine Vorauswahl geben. Am erwähnten «Runden Tisch Wasserkraft» sollen sie möglichst im Konsens ermittelt werden. Das UVEK offizialisiert diese Vorauswahl, indem es eine Liste dieser Projekte erstellt, was den Betreibern die nötige Planungssicherheit gibt.

Sollte sich im Rahmen des regelmässigen Monitorings der Energiestrategie und anderer Analysen spätestens 2030 abzeichnen, dass das Ausbauziel von 2 TWh bis 2040 mit der Grosswasserkraft nicht erreicht werden kann oder sich schon früher Probleme abzeichnen, soll es technologieoffene Ausschreibungen für zusätzliche Kapazitäten geben, die einen kürzeren Vorlauf haben als die Wasserkraft. Diese Kapazitäten müssen ebenfalls den drei eingangs erwähnten Kriterien genügen. Hier könnten auch Gaskombikraftwerke zum Zuge kommen, solange das Kriterium der Klimaneutralität (übergeordnetes
Netto-Null-Ziel) effektiv erfüllt wird. Es wird deshalb präzisiert, dass dies entweder durch Carbon Capture and Storage, CO2-Kompensation oder negative Emissionstechnologien (NET) in der Schweiz oder im Ausland erfolgt oder durch den Einsatz von erneuerbaren Gasen (Biogas, erneuerbarer Wasserstoff und erneuerbares Methan). Die Vorgaben des CO2-Gesetzes vom 23. Dezember 201116 betreffend Kompensation und Emissionshandel müssen eingehalten werden. Somit gilt, dass die möglichen fossil-thermischen Kapazitäten dem Emissionshandel unterstellt sind. Sie erhalten keine Emissionsrechte kostenlos zugeteilt, das heisst, sie müssen sie entweder auf dem Primärmarkt ersteigern oder auf dem Sekundärmarkt kaufen. Zudem müssen sie mindestens die externen Klimakosten bezahlen (Art. 17 Abs. 2 CO2-Gesetz). Um als «sicher abrufbar» zu gelten, muss zudem eine gewisse Speicherfähigkeit des Gases in der Schweiz nachgewiesen werden.

16

SR 641.71

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3.1.3.3

Energiereserve als Ergänzung zum Markt

Der Ausgleich von Angebot und Nachfrage erfolgt grundsätzlich über die Mechanismen des Strommarktes (insbesondere europäischer und Schweizer Grosshandelsmarkt). Ein funktionierender Strommarkt ist dadurch ein wichtiges Element für die Gewährleistung der Stromversorgungssicherheit. Marktakteure können normalerweise mit einer grossen Bandbreite von Unsicherheiten umgehen (beispielsweise Schwankungen im Wasserzufluss zur Stromproduktion oder unerwartete Reduktion der Nachfrage bei der Industrie etc.). Im Markt werden entsprechende Produkte eingesetzt, um Risiken finanziell sowie auch physisch abzusichern.

In ausserordentlichen Situationen könnte es vorkommen, dass der Umfang des effektiven Risikos die Voraussicht und die Fähigkeiten der Marktakteure, darauf zu reagieren, übersteigt ­ dies beispielsweise aufgrund lange andauernder extremer Wetterlagen oder aufgrund eines ungeplanten Unterbruchs wichtiger (Netz-)Infrastrukturen.

Am anfälligsten für solche Situationen ist das Schweizer Stromsystem am Ende des Winters, da die Speicherseen dann in der Regel weitgehend entleert und die Reservemargen am geringsten sind. Normalerweise stellt dies aus Sicht der Versorgungssicherheit zwar kein Problem dar, da im Frühjahr die einsetzende Schneeschmelze die Verfügbarkeit der Wasserkraft zurückbringt.

Zur Absicherung der Energieverfügbarkeit in ausserordentlichen, nicht vorhersehbaren Situationen soll dennoch eine strategische Energiereserve eingerichtet werden: Sie kommt erst dann zum Einsatz, wenn die Marktmechanismen versagen («eiserne Reserve»). Die Energiereserve dient konkret dazu, Energie ausserhalb des Marktes für ausserordentliche und für Marktakteure nicht absehbare kritische Knappheitssituationen vorzuhalten. Sie soll als festes Element für die Versorgungssicherheit die bestehenden Instrumente ergänzen. Das grundsätzliche Rollenmodell und die bisherigen Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten für die Sicherstellung der Versorgungssicherheit bleiben bestehen.

Durch die Sicherstellung der Fähigkeit, effektiv Energie (kWh) in einem vorhandenen Kraftwerk zu produzieren oder bei einer bestehenden, flexiblen Verbrauchereinrichtung einzusparen, stellt die Reserve keinen Mechanismus zum Zubau neuer Kapazitäten dar. Vielmehr ergänzt sie die Massnahmen zum Ausbau der Erzeugungskapazität (insbesondere die
vorangehend beschriebene Massnahme zum forcierten Ausbau der Winterstromkapazitäten). Sie sorgt dafür, dass die zur Sicherstellung der Selbstversorgungsfähigkeit nötigen Speicherstände auch bei unvorhergesehenen Ereignissen am Ende des Winters verfügbar sind, indem diese Energie Anfang Winter vom Markt genommen und nur in Notfällen eingesetzt wird.

Die Verfügbarkeit von Kraftwerksleistung wird in der Schweiz wesentlich durch die Bewirtschaftung der Speicherseen beeinflusst. Die Reserve soll daher in Form einer aktiven Speicherreserve im Sinne einer Versicherung ausgestaltet werden. Die Kraftwerksleistung wird nicht aus dem Markt genommen, sodass der Eingriff gering bleibt.

Durch die Aufteilung der in der Reserve vorgehaltenen Energie auf mehrere Anbieter sollte die Energie auch ohne separate Vorhaltung der Leistung im Bedarfsfall ins Netz eingespeist werden können (da im Extremfall weitgehend nur noch die in der Reserve gehaltene Energie verfügbar ist und daher die Produktionsleistung für die Reserve zur Verfügung steht). Alternativ zur Deckung der Last aus einem Kraftwerk kann in 24 / 146

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Knappheitssituationen die Last selber reduziert werden. Flexible Verbraucher, die in der Lage sind, ihren Strombezug über längere Zeit einzustellen, sollen deshalb ebenfalls an der Reserve teilnehmen dürfen. Die Reserve ist somit grundsätzlich technologieoffen ausgelegt: Alle potenziellen Anbieter von am Schweizer Stromnetz angeschlossenen Speicherkraftwerken, Speichern oder abschaltbaren Lasten sollen an der Reserve teilnehmen können, sofern sie dafür technisch geeignet sind.

Die Reserve soll über ein wettbewerbliches Ausschreibungsverfahren durch die Swissgrid kontrahiert werden. Der Betreiber eines Speichers oder einer flexiblen Last verpflichtet sich bei Zuschlag, während einer festgelegten Zeitdauer eine bestimmte Mindestenergiemenge im Speicher vorzuhalten bzw. zur Abschaltung bereitzuhalten.

Dafür erhält er eine Vergütung. Separat vergütet wird ein allfälliger Abruf der Energie. Sollte sich abzeichnen, dass der Swissgrid im Ausschreibeverfahren zu wenig Energie angeboten wird, könnte der Bundesrat eine Pflicht für nach Artikel 9bis StromVG unterstützte Kapazitäten vorsehen, wonach Betreiber dieser Kapazitäten der Swissgrid Energie zwingend anzubieten haben («Andienpflicht»).

Um die Marktmechanismen ­ die so umfassend wie möglich die Versorgungssicherheit sicherstellen sollen ­ möglichst nicht zu stören, muss bei der Ausgestaltung der Reserve darauf geachtet werden, dass sie klar vom Markt getrennt bleibt. Die Reserve soll grundsätzlich erst an dem Punkt zum Einsatz kommen, an dem der Markt nicht mehr in der Lage ist, Angebot und Nachfrage auszugleichen. Bis es so weit ist, können kurzfristig auch sehr hohe Marktpreise resultieren, weil der Nachfrageüberhang gross ist, ohne dass der Abruf der Reserve notwendig und sinnvoll wäre. Erst wenn sich eine ausserordentliche Knappheitssituation abzeichnet, wird die Energie für einen Abruf durch die ElCom grundsätzlich freigegeben, jedoch noch nicht abgerufen. Um Knappheitssituationen effektiv zu erkennen, führt die Swissgrid ein Monitoring durch, welches einerseits die Netzsituation und andererseits die Verfügbarkeit von Energie im In- und Ausland abdeckt. Um eine Wechselwirkung mit den Strommärkten auszuschliessen, soll der effektive Abruf, der durch die Swissgrid erfolgt, möglichst erst nach Handelsschluss (d. h. wenn die Möglichkeiten des
Ausgleichs durch die Märkte erschöpft sind) stattfinden. Dazu melden die Bilanzgruppen unausgeglichene Mengen, die sie nicht am Markt beschaffen konnten. Die aus der Reserve abgerufene Energie geht dabei nicht direkt an die Marktakteure, sondern an den Systemführer Swissgrid über und wird eingesetzt, um die fehlenden Energiemengen der betroffenen Bilanzgruppen auszugleichen. Die Energie kommt damit nicht auf den Strommarkt.

Über eine entsprechende Bepreisung wird sichergestellt, dass eine Beschaffung am Markt attraktiver ist als der Rückgriff auf die Reserve. Am Ende der kontrahierten Reserveperiode (im Sommer, wenn die Verfügbarkeit von Energie aufgrund des Schmelzwassers kein Problem mehr darstellt) kann die bis dann von den Speicherbetreibern zurückgehaltene Energie frei im Strommarkt eingesetzt werden. Die Reserve wird damit aufgelöst.

Für die Dimensionierung der Reserve gilt es, Anfang Winter jeweils eine Risikoabschätzung zu machen, wie viel Energie dem Markt entzogen werden soll, die unabhängig von der Bewirtschaftung der Speicherseen in jedem Fall zur Verfügung steht.

Dabei können neben technischen Aspekten wie dem ausländischen Kraftwerkspark und den verfügbaren Grenzkapazitäten auch politische Aspekte berücksichtigt werden. Der Bundesrat legt die Grundsätze zur Dimensionierung sowie die Kriterien für 25 / 146

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die Bestimmung der konkreten Vorhaltemenge in der Reserve fest. Zudem definiert der Bundesrat die übrigen Parameter der Dimensionierung. Die ElCom bestimmt anschliessend ­ aufgrund der bundesrätlichen Vorgaben und in Absprache mit der Swissgrid ­ die genaue Vorhaltemenge sowie den Vorhaltezeitraum, unter anderem indem sie sich auf eine umfassende Versorgungssicherheitsanalyse stützt. Die ElCom ist hierzu besonders geeignet, da sie in ihrer Rolle als unabhängige Überwacherin der Versorgungssicherheit die kurz- und mittelfristigen Risiken für das Schweizer Stromsystem kennt. Die ElCom definiert anschliessend in Absprache mit der Swissgrid die Eckpunkte der Ausschreibemodalitäten (insbesondere Entschädigung und allfällige Pönalen). Der Einbezug der Swissgrid hierzu ist wichtig, da diese über umfangreiche Kenntnisse über das Gesamtsystem (Netz, Erzeugung, Last) verfügt und sich angelehnt an den Bereich der Systemdienstleistungen auf relevante Erfahrungen (z. B. betreffend die Produktegestaltung) abstützen kann. Im Anschluss definiert die Swissgrid die spezifischen Produkte und führt jährlich die Ausschreibung der Reserve durch.

Zur Sicherstellung der Transparenz des Systems und zur Kontrolle der effektiven Verfügbarkeit der Reserve sind gewisse Informationspflichten der an der Reserve teilnehmenden Betreiber vorzuschreiben.

Ähnlich wie die Systemdienstleistungen dient eine Energiereserve letztlich der Aufrechterhaltung der Systemstabilität. Die Reserve ist mithin eine Art Systemdienstleistung der Swissgrid und zählt daher zu ihren anrechenbaren Kosten, womit sie über das Netznutzungsentgelt des Übertragungsnetzes finanziert wird.

Eine Evaluation der Regelungen der Energiereserve erfolgt durch das BFE, beispielsweise im Kontext des regelmässig zu erstellenden Berichts nach Artikel 27 Absatz 3 der Stromversorgungsverordnung vom 14. März 200817 (StromVV).

In nachfolgender Abbildung werden die wichtigsten Prozessschritte, die Hauptverantwortlichen sowie die Zeitpunkte der Schritte schematisch dargestellt.

Abbildung 2: Die wichtigsten Prozessschritte, die Hauptverantwortlichen (SG = Swissgrid) sowie die Zeitpunkte der Schritte für die Energiereserve. Hauptverantwortliche sind in fetter Schrift 17

SR 734.71

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dargestellt, weitere direkt Involvierte in normaler Schrift. Zur Farbgebung: grau = einmaliger und vorbereitender Schritt; grün = Schritte finden im Normalfall jährlich statt; gelb = Schritt findet nur statt, wenn sich eine kritische Versorgungssituation abzeichnet, diese aber noch nicht eingetreten ist; rot = Schritt zum Abruf der Reserveenergie, falls sich eine effektive Knappheitssituation ergibt.

3.1.4

Vollständige Strommarktöffnung (StromVG)

Bisher ist der Strommarkt in der Schweiz nur für Grossverbraucher mit einem Jahresverbrauch von mindestens 100 MWh geöffnet. Mit der vollständigen Marktöffnung wird für sämtliche Endverbraucherinnen und Endverbraucher wie auch für Produzenten und Stromlieferanten eine gleiche Ausgangslage geschaffen. Kleine Endverbraucherinnen und Endverbraucher (Haushalte, kleine Unternehmen) werden somit auch von den Vorteilen der freien Wahl profitieren können.

Innovationen und Integration der erneuerbaren Energien Die vollständige Marktöffnung sorgt für eine bessere Integration der erneuerbaren Energien. So werden für die erneuerbaren Energien neue Geschäftsmodelle ermöglicht, welche im Monopol nicht erlaubt sind beziehungsweise für die es bisher kaum Innovationsanreize gibt. Eine solche Ausrichtung auf die Kundinnen und Kunden (Kundenzentrierung) stützt die Energiestrategie 2050. So werden beispielsweise Energiegemeinschaften möglich, bei welchen lokal produzierte erneuerbare Elektrizität über Plattformen («Quartierstrom») direkt verkauft werden kann. Dieses Modell kann kombiniert werden mit Beteiligungen an Produktionsanlagen, sodass beispielsweise auch Mieter ihren eigenen Strom in der Region erzeugen und selber verbrauchen können. Mit der Ermöglichung neuer innovativer Angebote, sei es im Zusammenhang mit der Elektromobilität, dem Eigenverbrauch vor Ort oder der Gebäudeautomation, können sich auch grössere Projekte verbreiten.

Aufhebung von Marktverzerrungen Die Marktöffnung ist mit den Kernzielen des Strommarktes (Versorgungssicherheit, Effizienz und Integration erneuerbarer Energien) eng verknüpft. Es werden dadurch Marktverzerrungen aufgehoben, Asymmetrien ausgeglichen und die Kosteneffizienz verbessert. Unterschiedliche Angebote für die Elektrizität können im freien Markt effizienter genutzt werden, die Preise werden marktnäher und flexibler ausgestaltet.

Dadurch sind positive Auswirkungen auf die Entwicklung von verbrauchsseitiger Flexibilität zu erwarten, das Potenzial von Demand-Side-Management wird besser ausgeschöpft. Im Rahmen einer solchen vollständigen Strommarktöffnung sind zudem neue Geschäftsmodelle und Produktinnovationen zu erwarten, welche die Integration der erneuerbaren Energien verbessern und somit die Energiestrategie 2050 stärken.

Die Ausschöpfung all dieser Potenziale verbessert
somit auch die Versorgungssicherheit.

Grundversorgung Es wird weiterhin eine Grundversorgung gewährleistet, welche kleine Endverbraucherinnen und Endverbraucher angemessen vor Preismissbrauch schützt. Für die

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Grundversorgung sind die lokalen Verteilnetzbetreiber zuständig. In der Grundversorgung bieten sie als Standard ein Elektrizitätsprodukt an, das ausschliesslich aus inländischer erneuerbarer Energie besteht. Es dürfen auch andere Produkte in der Grundversorgung angeboten werden. Sofern sich die Endverbraucherinnen und Endverbraucher nicht für ein anderes Produkt entscheiden, werden sie mit dem Standardprodukt versorgt. Die lokalen Verteilnetzbetreiber können den Auftrag zur Grundversorgung auf eigene Verantwortung auch auf Dritte übertragen, namentlich auf grössere Grundversorger.

Die bisherige Gestehungskostenregulierung ist nicht kompatibel mit einer vollständigen Marktöffnung. Für sämtliche Endverbraucherinnen und Endverbraucher wie auch Produzenten wird eine gleiche Ausgangslage geschaffen, womit der Preis in einem Wettbewerbsmarkt zum Referenzmassstab wird. Die Angemessenheit der Grundversorgungstarife beurteilt sich somit an den Marktpreisen im Schweizer Haushalts- und Gewerbekundenbereich (Vergleichsmarktpreise). Dieser Mechanismus entspricht dem Vorschlag, wie ihn der Bundesrat im Rahmen der Vernehmlassung zum Bundesbeschluss zur Marktöffnung gemacht hat.18 Ein geeigneter Vergleichsmarkt umfasst in erster Linie Angebote im freien Markt. In die Vergleichsmarktbetrachtung können auch die Grundversorgungsangebote einbezogen werden. Die Grundversorger und die im freien Markt tätigen Lieferanten werden verpflichtet, der ElCom mengengewichtete Durchschnittspreise zu melden. Auch ausländische Marktpreise können als Vergleichsmassstab herangezogen werden. Diese könnten zumindest in der Anfangsphase von Bedeutung sein, wenn es im Inland noch nicht genügend repräsentative Marktindizien für die relevanten Preise gibt. Da sich die Grundversorger für die entsprechenden Tarifjahre absichern, können auch die Terminmarktpreise auf dem Grosshandelsmarkt Aufschluss geben, welche zum Zeitpunkt der veröffentlichten Energietarife gehandelt wurden. Bei der Vergleichsmarktbetrachtung ist die ökologische Qualität und Herkunft der gelieferten Elektrizität zu beachten ­ massgebend sind die Marktpreise der Herkunftsnachweise (vgl. Art. 9 EnG). Weiter ist bei der Angemessenheitsprüfung zu berücksichtigen, dass die Grundversorgungstarife für ein Jahr fest sind und der Grundversorger folglich das Mengen- und Preisrisiko
trägt. Bei der Ex-post-Prüfung der Angemessenheit der Tarife hat die ElCom deshalb mit gewissen Toleranzen zu arbeiten. Die Preisregulierung in der Grundversorgung dient dem Schutz der dort verbleibenden Endverbraucherinnen und Endverbraucher, die somit sichergehen können, dass ihnen faire Preise angeboten werden. Die Notwendigkeit, die Tarife und Produktvorgaben in der Grundversorgung weiterhin auf ihre Angemessenheit hin zu prüfen, soll nach zehn Jahren evaluiert werden.

Ersatzversorgung Fällt ein Lieferant aus oder bezeichnet eine Endverbraucherin oder ein Endverbraucher nach Auslaufen ihres oder seines Elektrizitätsliefervertrags nicht rechtzeitig einen neuen Lieferanten, kommt es zur Ersatzversorgung durch den Grundversorger.

Dieser untersteht dabei keiner Tarifregulierung. Die ElCom hat aber die Möglichkeit, bei missbräuchlichen Bedingungen einzugreifen.

18

www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2014 > UVEK; Vgl. erläuternder Bericht vom 8. Oktober 2014 zur Vernehmlassungsvorlage zum Bundesbeschluss über die zweite Etappe der Strommarktöffnung.

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Wechselprozesse Das Gesetz räumt dem Bundesrat die Kompetenz zur Regelung der Wechselprozesse ein. Bei der Grundversorgung sollen Ein- und Austritte in der Regel jeweils auf Ende Jahr möglich sein. Unterjährige Wechsel würden die Tarife tendenziell erhöhen (mögliche Zusatzkosten aus kurzfristiger Beschaffung). Die Zulässigkeit, im freien Markt den Lieferanten zu wechseln, richtet sich grundsätzlich nach den vertraglichen Kündigungsmöglichkeiten. Damit eine Rückkehr in die Grundversorgung möglich bleibt, sollen Kleinverbraucherinnen und -verbraucher ihre Verträge aber mindestens auf Ende Jahr kündigen dürfen. Damit die Verteilnetzbetreiber die vollständige Marktöffnung nicht durch Transaktionskosten behindern können, dürfen sie die ihnen anfallenden Wechselkosten, seien es Netz- oder Energiekosten, der betreffenden Endverbraucherin oder dem betreffenden Endverbraucher nicht individuell anlasten.

Transparenz und Kundeninformation Der Bundesrat ist befugt, Stromanbieter ­ dazu zählen sowohl die Grundversorger als auch die Lieferanten im freien Markt ­ zur Bekanntgabe gewisser Angaben über den angebotenen Strom (Produktdeklaration) zu verpflichten. Dazu können auch Angaben in der Rechnungsstellung zum durchschnittlichen Elektrizitätsverbrauch von vergleichbaren Endverbraucherinnen und Endverbrauchern gehören.

Bisher erfolgt die Hinterlegung der Herkunftsnachweise (HKN) für die Stromkennzeichnung auf Jahresbasis. Das heisst, dass zum Beispiel der Verbrauch im Winterquartal mit HKN aus dem Sommer gedeckt werden kann. Um die Übereinstimmungsperiode von Produktion und Verbrauch in der Stromkennzeichnung zeitlich anzugleichen und somit realitätsnäher und im Sinne einer verbesserten Transparenz abzubilden, wäre anstelle einer jährlichen auch eine quartalsweise Hinterlegung von HKN denkbar. Dadurch müsste der Verbrauch mit den produzierten HKN quartalsweise übereinstimmen. Zur Umsetzung könnte das UVEK in seiner Verordnung vom 1. November 201719 über den Herkunftsnachweis und die Stromkennzeichnung eine entsprechende Anpassung vornehmen. Die Stromkennzeichnung würde aber weiterhin nur einmal jährlich mittels HKN vorgenommen.

Massnahmen im Zusammenhang mit den erneuerbaren Energien Auch in der vollständigen Strommarktöffnung wird die Abnahme- und Vergütungspflicht für Elektrizität aus erneuerbaren Energien
(Art. 15 EnG) beim lokalen Netzbetreiber verbleiben, der die Grundversorgung zu gewährleisten hat. Da die Energietarife in der Grundversorgung grundsätzlich zu marktorientierten Preisen anzubieten sind, soll sich die Vergütung der Elektrizität (Graustrom) neu nach dem Marktpreis zum Zeitpunkt der Einspeisung richten. Wie heute kann der ökologische Mehrwert (Herkunftsnachweis) zusätzlich vermarktet oder vom Netzbetreiber gegen eine Vergütung freiwillig abgenommen werden. Die Marktorientierung der Vergütung unterstützt die Integration der dezentralen Erzeugungsanlagen in das Gesamtsystem. Negative Auswirkungen auf die Rentabilität von Photovoltaikanlagen werden durch den Bestandsschutz aufgefangen (vgl. 3.1.5.3).

19

SR 730.010.1

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Die vollständige Strommarktöffnung wirkt sich auch auf Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch (ZEV) aus. Diese werden durch die Marktöffnung für die Teilnehmer neu zu einem «normalen» Stromlieferanten, während sie im geltenden Recht als sinngemässe Grundversorger handelten. Die Regulierung von ZEV wird entsprechend angepasst.

Begleitmassnahmen Sozialpartnerschaft Im Sinne einer Begleitmassnahme wird der Bundesrat die Auswirkungen der Marktöffnung beobachten. Für den Fall, dass er dabei negative Folgen in Bezug auf die Arbeitsbedingungen im Stromsektor feststellt, kann er entsprechende Massnahmen in die Wege leiten. So könnte er beispielsweise Massnahmen im Bereich der Umschulung sowie der Aus- und Weiterbildung treffen. Daneben kann er beispielsweise die tripartite Kommission des Bundes über eine allfällige Verschlechterung der Arbeitsmarktsituation informieren. Die Kommission könnte in der Folge eigenständig entsprechende Abklärungen oder Massnahmen treffen. Davon abgesehen können die Sozialpartner prüfen, ob die Voraussetzungen für Verhandlungen eines Gesamtarbeitsvertrags erfüllt sind und gegebenenfalls den Abschluss eines solchen anstreben, um damit potenziellen Arbeitsmarktrisiken im Elektrizitätssektor vorzubeugen, was der Bundesrat begrüssen würde.

Evaluation Die Entwicklung unter der vollständigen Marktöffnung wird vom BFE regelmässig in einem Bericht nach Artikel 27 Absatz 3 StromVV evaluiert.

Anwendungsbeispiel Strommarktöffnung: Strom vom Dorfschulhaus Eine Schule auf dem Land lässt auf ihrem Dach eine grosse Photovoltaikanlage bauen und möchte den produzierten Strom, den sie vor allem über Mittag nicht selber verbraucht, verkaufen. Nach geltendem Recht gibt es hier kaum Optionen.

Mit der Strommarktöffnung kann ein Ökostromanbieter den Strom übernehmen und diesen mit Angaben zu den Stromanbietern (Herkunft, Technologie und beispielsweise auch mit Bildern der Anlage) auf eine Plattform stellen. Dort können auch örtlich weit entfernte Endverbraucherinnen und Endverbraucher mit wenigen Klicks einen Vertrag für die Lieferung von erneuerbarem Strom abschliessen.

3.1.5

Förderregime bis 2035 (EnG)

3.1.5.1

Förderung bis 2035 und Finanzierung

Für Windenergie-, Biogas- und neue Kleinwasserkraftanlagen ist gemäss geltendem Recht nach dem Auslaufen des Einspeisevergütungssystems Ende 2022 keine Förderung mehr vorgesehen. Dies gilt auch für Anlagen zur Stromerzeugung mittels Geothermie. Für die anderen Technologien, insbesondere die Photovoltaik und die Grosswasserkraft, läuft die Unterstützung mittels Investitionsbeiträgen Ende 2030

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aus. Es besteht daher die Gefahr, dass der Ausbau mit dem Auslaufen der Förderung zu stark zurückgeht.

Damit der Ausbau der erneuerbaren Energien entlang der definierten Ziele (vgl.

Ziff. 3.1.2) effektiv stattfindet und seinen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten kann, soll das Fördersystem bis 2035 verlängert werden. Dies schafft die notwendige Planungssicherheit für die Projektanten. Sie sind auf langfristig stabile und planbare Bedingungen angewiesen, da die Projektierungszeit einschliesslich Baubewilligungsverfahren von Wasserkraft- und Windenergieanlagen mehr als zehn Jahre dauern kann. Durch die Verlängerung des Förderregimes bis ins Jahr 2035 wird zudem eine zeitliche Kongruenz der Unterstützungsbedingungen und des Ausbauziels für 2035 erreicht.

Der Bundesrat strebt an, insbesondere den Ausbau der Photovoltaik zu beschleunigen.

Ausgehend vom Zubau von 332 MW im Jahr 2019 soll dieser mittelfristig auf 600 bis 700 MW pro Jahr steigen. So könnte bis 2035 die jährliche Elektrizitätsproduktion aus Photovoltaik auf rund 14 TWh zunehmen und damit den weitaus grössten Beitrag zum Ausbau der erneuerbaren Energien ausmachen. Trotzdem sind die Beiträge der übrigen Technologien (Biomasse, Geothermie, Windenergie, Wasserkraft) zur Erreichung der Ziele und zur Versorgungssicherheit ebenfalls wichtig. In der Ausgestaltung der Förderinstrumente geht der Bundesrat möglichst auf die Spezifika der einzelnen Technologien ein, damit ihr Beitrag zum Ausbauziel möglichst effizient erbracht werden kann (Fördereffizienz). Ziffer 3.1.5.2 enthält die entsprechenden grundsätzlichen Ausführungen.

Trotz der Erhöhung des Ausbauziels für neue erneuerbare Energien auf 17 TWh für das Jahr 2035 soll der Kostendeckel von 2,3 Rp./kWh nicht angehoben werden. Zwar sind dadurch die Mittel knapp bemessen, und zur Erreichung der Ausbauziele 2035 fehlen unter heutigen Bedingungen jährlich rund 200 Millionen Franken (dies entspricht rund 0,3 Rp./kWh Netzzuschlag). Allerdings geht der Bundesrat davon aus, dass die neuen Ausbauziele dank innovativer Geschäftsmodelle und privater Initiativen, die mit der Strommarktöffnung erwartet werden, dank des technologischen Fortschritts bei der Photovoltaik sowie dank verschärfter energetischer Gebäudevorschriften der Kantone voraussichtlich trotzdem erreicht werden können. Eine wichtige
Voraussetzung ist weiter, dass die europäischen CO2-Preise steigen, was auch zu höheren Strompreisen in der EU und in der Schweiz führen würde. Findet die Innovation in geringerem Masse statt oder steigen die CO2-Preise (und mit ihnen die Strompreise) nicht wie erwartetet, so werden die 2035-Ziele mit einem Netzzuschlag von 2,3 Rp./kWh voraussichtlich um rund 2,5 TWh verfehlt.

Der Stand der Entwicklung gegenüber den EnG-Zielen wird im Rahmen des Monitorings der Energiestrategie 2050 verfolgt. Zeichnet sich ab, dass die Ziele nicht erreicht werden können, wird der Bundesrat zusätzliche Massnahmen und Mittel beantragen, wie dies bereits im geltenden Recht (Art. 55 EnG) vorgesehen ist. Insbesondere wird der Bundesrat eine Auslegeordnung über die Vor- und Nachteile eines Übergangs zu einem System mit einer Lenkungsabgabe auf dem Strompreis («Stromlenkungssystem») unterbreiten. An der Befristung des Förderregimes bis 2035 soll derweil festgehalten werden.

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Um eine Konsistenz mit der Klimastrategie zu gewährleisten, erachtet der Bundesrat eine Ausrichtung der Ausbau- und Verbrauchsziele an den aktuellen Werten der Energieperspektiven als realistisch und sinnvoll. Mit der Strategievariante «Ausgeglichene Jahresbilanz 2050» wird zudem dem Ziel der langfristigen Versorgungssicherheit besonders Rechnung getragen. Noch höhere Zielwerte (wie in der Vernehmlassung gefordert) würden zwar zu einem rascheren Zubau führen, andererseits aber in den kommenden Jahren mehr Mittel und damit eine Erhöhung des Netzzuschlags erfordern. So würde beispielsweise ein um 30 Prozent höheres Ausbauziel von rund 22 TWh/Jahr im Jahr 2035 (+5 TWh/Jahr) einen Photovoltaik-Zubau in der Höhe von 19 TWh/Jahr bedingen (zum Vergleich: Die durchschnittliche Jahresproduktion der schweizerischen Kernkraftwerke im Jahr 2019 betrug 24,4 TWh). In einem solchen Szenario müsste der Netzzuschlag auf 3,0 Rp./kWh erhöht werden.

3.1.5.2

Förderinstrumente

Ablösung des Einspeisevergütungssystems durch Investitionsbeiträge Das Parlament hat 2016 das Auslaufen der Einspeisevergütung (KEV) per Ende 2022 sowie die Deckelung der Förderkosten beschlossen; das Volk hat dies 2017 in der Referendumsabstimmung bestätigt. Mittlerweile sind viele Projektanten von Wasserkraft- und Biomasseanlagen auf die neuen Investitionsbeiträge umgestiegen. Wo der Investitionsbeitrag hoch genug war (insbesondere bei Erweiterungen von Kleinwasserkraftwerken, für welche bis zu 60 Prozent der Investitionskosten gezahlt werden), fanden sich genügend Interessenten, die bereit waren, mit dem neuen Förderinstrument neue Projekte in Angriff zu nehmen. So konnte das BFE seit dem Inkrafttreten des totalrevidierten EnG am 1. Januar 2018 Förderzusagen im Umfang von ca.

215 Millionen Franken an rund 50 Projekte erteilen. Ein Investitionsbeitrag erlaubt es, den kapitalintensiven Abschnitt des Baus einer Stromproduktionsanlage gezielt finanziell zu unterstützen. Insbesondere Wasser- und Windenergieanlagen benötigen in der Bauphase hohe Investitionen und können ideal von Investitionsbeiträgen profitieren. Danach ist der Projektant im Gegensatz zur ehemaligen kostendeckenden Einspeisevergütung den Marktkräften ausgesetzt und optimiert den Anlagebetrieb und die Stromproduktion nach den Preisen am Energiemarkt, sodass beispielsweise in den Zeiten mehr Elektrizität produziert wird, in denen die Strompreise hoch sind und umgekehrt. Ein weiterer Vorteil der Investitionsbeiträge ist, dass der Bund nicht mehr über langjährige Vergütungsdauern finanziell an die Projekte gebunden ist und deshalb mehr neue Projekte unterstützen kann.

Auch das System der Einmalvergütungen (EIV) für Photovoltaikanlagen hat sich in den letzten Jahren bewährt. Seit 2014 steht die EIV für Anlagen mit einer Leistung von weniger als 30 kW zur Verfügung und seit 2018 auch für grössere Anlagen bis 50 MW. Die Ausdehnung der EIV auf grosse Anlagen hat dazu geführt, dass der Zubau der Photovoltaik 2020 voraussichtlich so hoch ist wie nie zuvor. Im europäischen Vergleich lag die Schweiz 2019 bei der gesamthaft installierten PhotovoltaikLeistung pro Kopf auf Platz 7.

Der Bundesrat erachtet die Förderung mit Investitionsbeiträgen (inkl. Einmalvergütungen), welche eine hohe Integration des erneuerbaren Stroms in den Energiemarkt 32 / 146

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ermöglichen, als effizient. An den etablierten Investitionsbeiträgen soll somit festgehalten werden. Dies ergibt auch vor dem Hintergrund internationaler Erfahrungen Sinn, die zeigen, dass konstante Rahmenbedingungen bei der Förderung der erneuerbaren Energien die wichtigste Voraussetzung für eine stetige Entwicklung des Zubaus sind. Aufgrund der genannten Vorteile und positiven Erfahrungen soll die Förderung für Windenergie-, Biogas- und neue Kleinwasserkraftanlagen sowie Anlagen zur Stromerzeugung aus Geothermie bis 2035 mit Investitionsbeiträgen erfolgen.

Infrastrukturanlagen der öffentlichen Hand (Kehrichtverbrennungsanlagen, Abwasserreinigungsanlagen), welche ihren Betrieb mit verursachergerechten Entsorgungsgebühren finanzieren können, sollen für ihre Stromerzeugung nicht mehr unterstützt werden.

Im bisherigen Vollzug hat sich im Weiteren gezeigt, dass die nicht-amortisierbaren Mehrkosten (NAM) fast immer höher sind als die vom Bundesrat gestützt auf das Gesetz vorgegebenen Ansätze (Art. 29 Abs. 1 Bst. b EnG). Bei den Investitionsbeiträgen werden daher grundsätzlich nicht mehr für jede einzelne Anlage die NAM berechnet, sondern die Gesuchsteller erhalten den in der Verordnung festgelegten Ansatz der anrechenbaren Investitionskosten. Der Bundesrat hat sich bei der Festlegung der Ansätze an den Kosten für eine neue oder eine erweiterte oder eine erneuerte Anlage zu orientieren und so zu gewährleisten, dass es zu keiner Übervergütung kommt.

Ausserdem kann er vorsehen, dass in Einzelfällen vertiefte Prüfungen zur Wirtschaftlichkeit vorgenommen werden können. Hat ein vertieft geprüftes Gesuch keine ungedeckten Kosten, wird kein Investitionsbeitrag gewährt. Damit kann der Vollzugsaufwand für die Behörde und die Gesuchstellenden erheblich gesenkt werden.

Absicherung von Projektierungskosten Die Entwicklung von Projekten für die Nutzung der Wasserkraft, der Windenergie und der Geothermie ist mit sehr hohen Projektierungskosten verbunden. Nicht selten scheitern vielversprechende Vorhaben an den langwierigen und kostspieligen Verfahren. Dies schreckt potenzielle Projektinitianten ab, neue Projekte auszulösen. Neu sollen Projektierungsbeiträge das Realisierungsrisiko und das damit verbundene finanzielle Risiko reduzieren. Sie betragen maximal 40 Prozent der Projektierungskosten.

Projektierungsbeiträge werden bei einer allfälligen späteren Zusicherung eines Investitionsbeitrags von diesem in Abzug gebracht.

3.1.5.3

Photovoltaikanlagen

Für Photovoltaikanlagen ohne Eigenverbrauch werden die maximalen Förderbeiträge von 30 auf 60 Prozent der anrechenbaren Investitionskosten erhöht. Nach dem vollständigen Abbau der Warteliste für die Einmalvergütung kann ab 2022 mit den bestehenden Fördermitteln je nach Höhe der individuellen Förderbeiträge bis 2035 ein Zubau von jährlich 500 bis 600 MW bewirkt werden.

Für grosse Photovoltaikanlagen ab einer bestimmten Leistung sollen die Förderbeiträge der Einmalvergütung durch Auktionen festgelegt werden können. Dabei kann der Bundesrat Auktionen für Anlagen mit und ohne Eigenverbrauch separat einführen.

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Letztere haben Priorität, weil diese Anlagen im aktuellen Umfeld kaum realisiert werden und so über die Auktionen gezielt neue Potenziale erschlossen werden können.

Dafür muss die Höchstgrenze der Einmalvergütung, gemessen an den bei der Inbetriebnahme massgeblichen Investitionskosten von Referenzanlagen, für Anlagen ohne Eigenverbrauch von 30 auf 60 Prozent erhöht werden. Dies ist notwendig, da dieser Anlagetyp nicht von den Vorteilen des Eigenverbrauchs (auf eigenverbrauchte Elektrizität sind keine Netznutzungsentgelte oder Abgaben geschuldet) profitiert, da beispielsweise der Stromverbrauch vor Ort zu gering ist. Durch die Vergabe der Einmalvergütung über Auktionen soll die Fördereffizienz erhöht werden, da so die günstigsten Anlagen in diesem Segment den Zuschlag erhalten. Für diese Auktionen sind zusätzliche Mittel vorgesehen, mit denen in diesem Marktsegment ein weiterer jährlicher Zubau von etwa 100 bis 130 MW unterstützt werden kann. Damit soll bis 2035 die jährliche Elektrizitätsproduktion aus Photovoltaik auf bis zu 14 TWh gesteigert werden.

Wie weiter oben erwähnt, hat der Nationalrat am 7. September 2020 ohne Gegenantrag beschlossen, an der Initiative 20.401 der UREK-N festzuhalten, die ebenfalls die Einführung von Auktionen für die Vergabe von Einmalvergütungen für grosse Photovoltaikanlagen ohne Eigenverbrauch fordert.

Bei den Auktionen ist der angebotene Fördersatz pro Kilowatt installierte Leistung das Hauptzuschlagskriterium. Zusätzlich kann die Fähigkeit, im Winterhalbjahr Strom zu produzieren, für den Zuschlag beachtet werden. Für eine effektive Durchführung der Auktionen mit einem echten Anbieter-Wettbewerb ist es jedoch entscheidend, genügend Teilnehmer für die Auktionen zu gewinnen. Um dies zu erreichen, sollte das Auktionsverfahren klar und einfach verständlich konzipiert sein. Teilnahmeberechtigt bei den Auktionen sollen baureife Projekte an einem spezifischen Standort sein, die sich noch nicht in der Umsetzung befinden. Für den Fall, dass die im Angebot zugesicherte Leistung nicht erreicht, Realisierungsfristen nicht eingehalten oder sonstige im Angebot zugesicherte Eigenschaften nicht erfüllt werden, kann der Bundesrat Sanktionen für die Teilnehmenden vorsehen.

Um den Ausbau der Photovoltaik weiter zu beschleunigen, wird das BFE die Kommunikation über das Programm
EnergieSchweiz verstärken (v. a. für die Nutzung grosser Dächer in Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistungssektor) sowie auf einen Abbau von administrativen Hürden und eine Vereinfachung der Prozesse (durch Digitalisierung) hinarbeiten.

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Der bisherige und der prognostizierte Zubau an Photovoltaik-Kapazitäten sind in folgender Abbildung ersichtlich:

Abbildung 3: Bisheriger und prognostizierter Zubau der Photovoltaik in der Schweiz

Bei Photovoltaikanlagen ist eine Abfederung möglicher negativer Auswirkungen aufgrund der Anpassung der Regelung bei der Vergütungspflicht vorgesehen. Photovoltaikanlagen, welche bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes in Betrieb gehen, der Abnahme- und Vergütungspflicht zugänglich sind und nicht eine Einspeisevergütung, eine Mehrkostenfinanzierung oder eine vergleichbare kantonale oder kommunale Unterstützung erhalten oder erhielten, sollen gegen geringere Erlöse aufgrund sinkender Vergütung gemäss Artikel 15 EnG geschützt werden. Der Bestandsschutz soll befristet während 10 Jahren gelten. Solche Anlagen sollen weiterhin Erlöse in der Höhe der Vergütung erhalten, welche die Schweizer Verteilnetzbetreiber insgesamt, das heisst für die Elektrizität und die Herkunftsnachweise, im Durchschnitt in den fünf Jahren vor Inkrafttreten des Gesetzes gewährten. Die Betreiber der erfassten Anlagen sollen ihre Herkunftsnachweise zu einem festgelegten Tarif an die Vollzugsstelle verkaufen können. Der Abnahmetarif für die Herkunftsnachweise entspricht der Differenz zwischen dem erwähnten, vom Bundesrat festzulegenden Fünfjahresdurchschnitt und dem Referenz-Marktpreis (Art. 23 EnG). Die von der Vollzugsstelle abgenommenen Herkunftsnachweise werden am Markt weiterverkauft, die Differenz wird über den Netzzuschlag finanziert.

Anwendungsbeispiel Ausschreibungen für Photovoltaikanlagen ohne Eigenverbrauch Ein Landwirt möchte auf dem Dach seiner Scheune eine Photovoltaikanlage bauen. Weil das Gebäude selber nur wenig Strom verbraucht, kann nur ein kleiner Teil des Solarstroms als Eigenverbrauch verwendet werden. Die einzige Ertragsquelle ist folglich der Stromverkauf über das Netz, z. B. an den lokalen Netzbetreiber oder am Strommarkt. Da die Erträge in diesem Fall unsicherer sind und anders als bei Eigenverbrauchsanlagen gesparte Netznutzungsentgelte keinen 35 / 146

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Beitrag zur Wirtschaftlichkeit liefern, erhalten solche Anlagen ohne Eigenverbrauch eine höhere Förderung. Diese kann bis zu 60 Prozent der Investitionskosten betragen (bisher maximal 30%).

Dazu kann der Eigentümer an einer Auktion teilnehmen. Solche Auktionen sollen regelmässig stattfinden und vom Aufwand her überschaubar sein. Dabei gibt der Landwirt ein Angebot ab, das heisst, es wird angegeben, welche Förderung für die Anlage verlangt wird. In der Auktion werden dann die günstigsten Angebote pro installierte Leistung ausgewählt und erhalten einen Zuschlag für die Förderung.

Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass jede ausgewählte Anlage genau die Förderung erhält, die für einen rentablen Betrieb benötigt wird. Gleichzeitig werden die zur Verfügung stehenden Fördergelder effizient vergeben. Wer in einer Auktion keinen Zuschlag erhält, kann zu einem späteren Zeitpunkt erneut teilnehmen.

3.1.5.4

Grosswasserkraft

Die Potenzialstudie 2019 des BFE20 hat gezeigt, dass die Grosswasserkraft für den Zubau der Wasserkraft wesentlich ist. Dazu zählt sowohl der Bau neuer Anlagen, als auch die Erweiterung bestehender Anlagen, welche mit Rücksicht auf die Biodiversität besonders vorangetrieben werden soll. Durch ihre spezifischen Eigenschaften leistet sie einerseits einen wichtigen quantitativen Beitrag an die gesetzlich verankerten Ausbauziele und andererseits tragen Speicherkraftwerke besonders zur Stärkung der Versorgungssicherheit bei.

Für Projekte mit besonderer Eignung zur saisonalen Umlagerung von Energie vom Sommer in den Winter ­ und dadurch mit besonderem Beitrag zur Stärkung der Stromversorgungssicherheit im Winter ­ soll das im StromVG verankerte und unter Ziffer 3.1.3.2 beschriebene Instrument Unterstützung bieten.

Allerdings haben neue, auch nicht spezifisch auf die Winterproduktion ausgerichtete Grosswasserkraftprojekte weiterhin hohe Gestehungskosten21, sodass die meisten Projekte ohne finanzielle Unterstützung nicht wirtschaftlich sind und deshalb kaum umgesetzt werden. Folglich ist es schwierig das quantitative Ausbauziel der Energiestrategie 2050 zu erreichen. Deshalb soll das Fördersystem teilweise angepasst werden.

Wasserkraftwerke haben hohe Anfangsinvestitionskosten; einmal erstellt sind ihre Betriebskosten relativ niedrig. Auch zu Tiefpreiszeiten deckten in der Vergangenheit die am Markt erzielten Erlöse überwiegend noch die variablen Kosten, sodass es öko-

20

21

www.bfe.admin.ch > Versorgung > Erneuerbare Energien > Wasserkraft; Wasserkraftpotenzial der Schweiz, Abschätzung des Ausbaupotenzials der Wasserkraftnutzung im Rahmen der Energiestrategie 2050, 2.9.2019.

www.bfe.admin.ch > Versorgung > Erneuerbare Energien > Wasserkraft > Grosswasserkraft; Perspektiven für die Grosswasserkraft in der Schweiz ­ Wirtschaftlichkeit von Projekten für grosse Laufwasser- und Speicherkraftwerke und mögliche Instrumente zur Förderung der Grosswasserkraft, 12.12.2013 (BFE).

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nomisch nicht sinnvoll war, eine Anlage abzustellen. Neben den wiederkehrenden Betriebskosten fallen auch bei Wasserkraftanlagen periodisch Erneuerungsinvestitionen an. Bei diesen Investitionen hat sich in den letzten Jahren aufgrund des Kostendrucks ein Paradigmenwechsel ergeben. Während die Notwendigkeit von Erneuerungsinvestitionen früher kaum hinterfragt wurde, kommen heute vermehrt risikobasierte Ansätze zur Anwendung, sodass durch den Fokus auf die kritischsten Anlagenteile noch effizientere Erneuerungsentscheide getroffen werden.

Zwingende Erneuerungsinvestitionen, ohne die eine Anlage nicht mehr weiter betrieben werden kann, werden somit bei grösseren Wasserkraftanlagen aus rein ökonomischem Interesse getätigt. Für kleinere Anlagen, die in der Regel höhere Gestehungskosten (Jahreskosten, bestehend aus den jährlichen Betriebs- und Kapitalkosten, im Verhältnis zur Jahresproduktion) haben als grössere Anlagen, sind dagegen umfangreiche Erneuerungsinvestitionen wirtschaftlich oft nicht tragbar; sie können demzufolge zu einer dauerhaften Ausserbetriebnahme der Anlagen führen. Deshalb sollen erhebliche Erneuerungen von Kleinwasserkraftanlagen bis zu einer vom Bundesrat zu bestimmenden Leistung bis höchstens 5 MW weiterhin von einem Investitionsbeitrag profitieren können. Dessen Maximalhöhe wird aber auf 40 Prozent der anrechenbaren Investitionskosten gesenkt. Der Bundesrat legt diese Leistungsgrenze aufgrund der jeweiligen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen fest; aktuell läge sie ungefähr im Bereich von 1 bis 2 MW. Eine künftige, wirtschaftlich notwendige Erhöhung kann nicht ausgeschlossen werden. Dank dieser neuen Regelungen wird künftig der Zubau bei der Wasserkraft gezielter gefördert.

Bislang war der Umwälzanteil von Pumpspeicherkraftwerken von der Förderung mit Investitionsbeiträgen ausgeschlossen. Das Parlament hatte bei den Beratungen zur Energiestrategie 2050 Investitionsbeiträge für die Grosswasserkraft eingeführt, jedoch die Unterstützung der Umwälzung ausgeschlossen. Dies, weil die Umwälzung als rentabel und auf Europa ausgerichtet angesehen wurden und die klassische Funktionsweise des Pumpens von Bandenergie aus Kern- und Kohlekraftwerken in der Nacht und des Turbinierens am Tag im Vordergrund stand. Diese Funktionsweise ändert sich bereits und wird sich in Zukunft noch stärker
wandeln, die Integration erneuerbarer Produktion wird hierbei dominieren. Unter den heutigen Rahmenbedingungen sind Investitionen in Umwälzwerke nicht rentabel. In der Schweiz sind im vergangenen Jahrzehnt zwei grosse Umwälzwerke errichtet worden (Linth-Limmern und Nant de Drance), welche aktuell in den Markt integriert werden und deren Kapazitäten vorerst den Flexibilitätsbedarf im Schweizer Markt ausreichend abdecken. Mit dem steigenden Anteil an Produktion aus erneuerbaren Energien kann es für deren Systemintegration notwendig werden, zusätzliche hochflexible Speicherkapazitäten, wie Pumpspeicherkraftwerke mit Umwälzanteil oder reine Umwälzwerke, zuzubauen.

Der Bundesrat soll daher die Möglichkeit haben, auch eine Förderung des Umwälzanteils mit Investitionsbeiträgen zuzulassen. Er wird dabei den Zubau und die Marktintegration der erneuerbaren Energien verfolgen und im Bedarfsfall in den Ausführungsbestimmungen die Förderung von Umwälzanteilen mit Investitionsbeiträgen regeln.

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Wegfall der Prüfung der nicht-amortisierbaren Mehrkosten (NAM) bei der Bestimmung der Investitionsbeiträge Investoren sind möglichst früh auf eine hohe Planungssicherheit angewiesen, um ein Projekt auszulösen beziehungsweise zu realisieren. Aktuell erfolgt die Berechnung des Investitionsbeitrags anhand einer Investitionskostenrechnung. Diese führt zu einem erheblichen Aufwand für die Gesuchsteller wie auch für die prüfende Behörde sowie zu gewissen Unsicherheiten. Auch hat die Prüfung der bisher eingereichten Gesuche gezeigt, dass die NAM unter den heutigen Rahmenbedingungen kaum massgebend für die Bemessung der jeweiligen Investitionsbeiträge waren und fast immer die Maximalsätze zum Tragen kamen. Neu sollen deshalb die NAM nicht mehr berechnet werden müssen.

Dieses Vorgehen erhöht jedoch die Wahrscheinlichkeit einer Überförderung, insbesondere wenn die Marktpreise massgeblich steigen sollten. Der Bundesrat hat dies bei der konkreten Festsetzung der Ansätze auf Verordnungsstufe zu berücksichtigen.

Ausserdem kann er in Einzelfällen eine vertiefte Prüfung der Wirtschaftlichkeit der einzelnen Projekte vornehmen, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass keine ungedeckten Kosten vorliegen.

Erhöhung des Förderanteils der Grosswasserkraft von 0,1 auf 0,2 Rp./kWh Für die Unterstützung der Grosswasserkraft stand bisher ein über fünf Jahre gemittelter Höchstanteil von 0,1 Rp./kWh aus dem Netzzuschlag zur Verfügung. Um die effizientesten Anlagen fördern zu können, führte der Bundesrat eine Stichtagsregelung ein. Alle zwei Jahre werden rund 100 Millionen Franken vergeben; die Mittel des ersten Stichtags (für die Jahre 2018 und 2019) wurden vollständig verpflichtet.

Aktuelle Grossprojekte, wie die geplante Wasserkraftanlage Chlus, weisen gemäss aktuellem Planungsstadium ein Investitionsvolumen von bis zu 400 Millionen Franken auf. Unter Berücksichtigung der Kostenungenauigkeit ist zu erwarten, dass für solche Projekte ein Investitionsbeitrag von je bis zu 200 Millionen Franken beantragt wird. Damit würden die Mittel von vier Jahren beansprucht. Mit der bestehenden Mittelausstattung besteht somit das Risiko, dass weitere Grosswasserkraftwerke verspätet oder gar nicht gefördert werden können und darum nicht gebaut werden. Solche grossen Anlagen verfügen über eine massgebliche Produktion und ihre Umsetzung trägt
substanziell zum Erreichen der Ausbauziele bei.

Es braucht deshalb mehr Fördergelder, um die Ausbauziele der Energiestrategie erreichen zu können. Neu sollen daher für die Grosswasserkraft 0,2 Rp./kWh zur Verfügung stehen.

Die vorgeschlagenen Massnahmen im EnG und im StromVG ergänzen sich gegenseitig: Während die Massnahmen im EnG grundsätzlich die Erreichung der Zubauziele bezwecken (Jahresmenge, Quantität), sorgt die Massnahme im StromVG für die Sicherstellung der in Bezug auf den Winter notwendigen Kapazitäten (Selbstversorgungsfähigkeit, Qualität). Eine gleichzeitige Finanzierung spezifischer Speicherprojekte aus EnG- und StromVG-Mitteln ist ausgeschlossen.

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3.1.5.5

Windenergie

An neue Windenergieanlagen, die eine Leistung von mindestens 2 MW aufweisen, können neu Investitionsbeiträge im Umfang von maximal 60 Prozent der anrechenbaren Investitionskosten geleistet werden. Es werden Projekte unterstützt, die den ordentlichen Planungs- und Genehmigungsprozess durchlaufen haben und durch die zuständigen Behörden bewilligt wurden.

3.1.5.6

Geothermie

Neu können bei der Geothermie ­ über die Erkundung hinaus ­ auch für die Erschliessung des Untergrunds Investitionsbeiträge geleistet werden. Die Erschliessung geht weiter als die bisherige Erkundung; sie umfasst die Bestätigung eines vermuteten Geothermie-Reservoirs und die Bestimmung des Ertragspotenzials (Exploration) sowie eine allfällige Rückführung des entnommenen Wassers in das Geothermie-Reservoir. So wird die Förderung der Erschliessung des Untergrunds für Projekte zur Stromerzeugung jener der direkten Wärmenutzung (gemäss CO2-Gesetz) angenähert.

Weiter kann ­ durch die ganzheitliche Betrachtung der Untergrunderschliessung ­ den stetig zunehmenden Sicherheitsauflagen (beispielsweise für die Minderung des Erdbebenrisikos) Rechnung getragen werden. Zudem können auch für den Bau und die Inbetriebnahme von Geothermie-Anlagen Investitionsbeiträge in Anspruch genommen werden. Aufgrund der geologischen Gegebenheiten werden die Geothermiebeiträge nach Projektphasen gestaffelt geleistet ­ jeweils für die Prospektion, die Erschliessung und den Bau sowie die Inbetriebnahme von Anlagen für die Stromerzeugung. Wie bisher können Projektanten pro Phase entweder um eine Garantie (vgl.

Artikel 33 EnG) oder einen Beitrag ersuchen.

3.1.5.7

Kleinwasserkraft

Um die Ausbauziele gemäss Artikel 2 Absatz 2 EnG erfüllen zu können, ist weiterhin das noch ungenutzte Potenzial der Kleinwasserkraft zu erschliessen. Basierend auf der aktuellen Warteliste der Einspeisevergütung schätzt das BFE, dass mit Investitionsbeiträgen im Umfang von ca. 340 Millionen Franken Projekte mit einer Produktion von 390 GWh gefördert werden könnten. Künftig sollen deshalb neue Kleinwasserkraftanlagen mit einer Mindestleistung von 1 MW statt einer Einspeisevergütung einen Investitionsbeitrag erhalten. Dafür müssen nicht mehr Fördermittel eingesetzt werden als heute.

Alle Nebennutzungsanlagen, die die Leistungsuntergrenzen gemäss Artikel 26 Absatz 1 EnG nicht erfüllen, können weiterhin einen Investitionsbeitrag in Anspruch nehmen. Die Unterschreitung der Untergrenzen soll der Bundesrat unter bestimmten Bedingungen auch für weitere Wasserkraftanlagen vorsehen können (in bereits genutzten Gewässern oder wenn ein zusätzliches Potenzial ohne weiteren Eingriff in die Natur genutzt werden kann).

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3.1.5.8

Biomasse

Die Investitionsbeiträge für Biomasseanlagen werden von heute maximal 20 Prozent auf maximal 60 Prozent der anrechenbaren Investitionskosten an die stromerzeugenden Anlageteile erhöht. Neu können auch Biogasanlagen von einem Investitionsbeitrag profitieren.

Anlagen, welche teilweise fossile Brenn- oder Treibstoffe nutzen, sowie Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) und öffentliche Abwasserreinigungsanlagen (ARA) können keine Investitionsbeiträge mehr in Anspruch nehmen. Diese Anlagen werden bereits kostendeckend über verursachergerechte Entsorgungsgebühren betrieben.

Zudem müssen KVA gemäss der Abfallverordnung vom 4. Dezember 201522 energetische Mindestanforderungen einhalten. Sie sind verpflichtet, mindestens 55 Prozent des Energiegehalts des Abfalls ausserhalb der Anlagen zu nutzen.

Bei ARA sollen die Umweltschutzvorschriften auf Verordnungsstufe analog zu den soeben erwähnten Regelungen für KVA um energetische Massnahmen so ergänzt werden, dass die ARA möglichst energieeffizient betrieben werden und allfälliges Klärgas sowie die Abwärme im Abwasser einer Nutzung zuführen müssen. Dabei sind unter anderem der Gewässerschutz sowie die technischen und betrieblichen Möglichkeiten und die wirtschaftliche Tragbarkeit zu berücksichtigen.

3.1.6

Verbesserung der Energieeffizienz (EnG)

Die Ausrichtung des Energiesystems auf das Netto-Null-Klimaziel bedeutet eine verstärkte Elektrifizierung. Anzustreben ist vor allem die Substitution von fossilen Heizungen durch Wärmepumpen und andere erneuerbare Energien, die Elektrifizierung des Verkehrs und der Prozesswärme in der Industrie. Weitere Verbesserungen der Energieeffizienz und insbesondere der Stromeffizienz sind daher wichtig. Verschiedene Anwendungen verfügen weiterhin über ein hohes Effizienz- und Einsparpotenzial, beispielsweise Elektroheizungen und -boiler, elektrische Antriebssysteme in Unternehmen, Beleuchtung sowie Geräte im Gewerbe und den Haushalten.

Der Bund setzt derzeit im Bereich Stromeffizienz gestützt auf das Energiegesetz Vorschriften, Förderprogramme und Informations-, Beratungs- sowie Aus- und Weiterbildungsmassnahmen um. Diese Instrumente sollen weiter genutzt und teilweise verstärkt werden. Im Vordergrund steht dabei die Effizienz, das heisst, der Energieverbrauch wird optimiert, damit für dasselbe Ergebnis weniger Energie benötigt wird als vorher. Massnahmen der Suffizienz, die auf eine Änderung des Konsumverhaltens abzielen, sind für eine Reduktion des absoluten Energie- und Ressourcenverbrauchs grundsätzlich auch von Bedeutung.

Im Energiegesetz wird neu eine Grundlage für schweizweite Programme zur Förderung von Standard-Stromeffizienzmassnahmen (z. B. schweizweiter Ersatz von Motoren oder Lüftungsanlagen) geschaffen. Derzeit fördert der Bund Stromeffizienz ausschliesslich im Rahmen von wettbewerblichen Ausschreibungen, durch die jährlich

22

SR 814.600

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Projekte und Programme im Wettbewerbsverfahren bezuschusst werden. Das Instrument ist erfolgreich und erzielt pro Jahr Stromeinsparungen von rund 740 GWh.

Gleichzeitig stösst es an Grenzen: Die unterstützten Programme sind aufgrund der Wettbewerbsanforderung befristet, decken nicht immer die gesamte Schweiz ab und werden durch wechselnde Trägerschaften umgesetzt. Hier sollen deshalb neu direkt für standardisierte und skalierbare Massnahmen schweizweite Programme lanciert werden können. Der Bund legt dazu neu die Förderbedingungen fest und schreibt die Umsetzung des Programms aus. Das vermeidet ein Stop-and-Go bei der Förderung, deckt die ganze Schweiz ab und erschliesst durch die bessere Sichtbarkeit und Kontinuität mehr Effizienzpotenziale. Dies ermöglicht jährlich bis zu 500 GWh zusätzliche Stromeinsparungen. Der Bund sorgt dafür, dass die Effizienz der Förderung (in Rp. Fördermittel des Bundes pro eingesparter kWh) dabei mindestens gleich tief wie bisher im Rahmen der wettbewerblichen Ausschreibungen bleibt. Finanziert werden die neuen Programme innerhalb des im Netzzuschlag für die wettbewerblichen Ausschreibungen für Effizienzmassnahmen bereits vorgesehenen Höchstanteils von 0,1 Rp./kWh.

Als gezielte Massnahme gegen den Stromverbrauch im Winter soll geprüft werden, wie der Stromverbrauch für elektrische Widerstandsheizungen stark reduziert werden kann. Die elektrischen Widerstandsheizungen verbrauchen derzeit im Winter rund 2,8 TWh Strom. Bei einem weitgehenden Ersatz durch Wärmepumpen könnten rund 2 TWh eingespart werden. Die Kantone verfolgen derzeit bereits verschiedene Anstrengungen, um den Verbrauch zu reduzieren. Unter Einbezug der Kantone soll geprüft werden, wie der Ersatz deutlich ausgeweitet und beschleunigt werden kann.

Gegenstand der Prüfung ist unter anderem, ob für ausgewählte Kategorien von elektrischen Widerstandsheizungen ein Verbot für das Bereitstellen auf dem Markt erlassen werden soll (gestützt auf Art. 44 EnG sowie gegebenenfalls Art. 4 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 199523 über die technischen Handelshemmnisse [THG]).

3.1.7

Nutzung von Flexibilitäten im Verteilnetz (StromVG)

Die Vorteile der Nutzung von Flexibilität ­ variable Einspeiseleistung oder verbrauchsseitige Steuerung ­ sind vielseitig und im Bereich der Netze (als Mittel gegen Engpässe und zur Integration dezentraler Erzeugungseinheiten), im Strommarkt, aber auch direkt bei den Inhaberinnen und Inhabern der Flexibilität (zur Optimierung des Eigenverbrauchs) möglich. Volkswirtschaftlich besonders attraktiv ist insbesondere ein Einspeisemanagement von Erzeugungsanlagen. Damit die Flexibilitäten kurz- bis mittelfristig im Markt integriert und zugleich als Mittel gegen Engpässe im Netz eingesetzt werden können, sind an der Schnittstelle zwischen den Verteilnetzbetreibern und den Flexibilitätsanbietern geeignete regulatorische Rahmenbedingungen notwendig.

Kernelement ist hierbei die Klärung der Zugriffsrechte: Das Recht, die Flexibilitäten zu nutzen, soll den jeweiligen Erzeugern, Speicherbetreibern oder Endverbraucherinnen und Endverbrauchern zustehen. Wenn Dritte, auch Verteilnetzbetreiber, die 23

SR 946.51

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Flexibilitäten nutzen wollen, müssen sie sich diese grundsätzlich vertraglich sichern.

Wollen Verteilnetzbetreiber Flexibilität, wie bis anhin, netzdienlich nutzen, so müssen sie den Flexibilitätsinhabern pro Flexibilitätskonstellation einheitliche und diskriminierungsfreie Vertragskonditionen anbieten. Vergütungen für die verbrauchsseitige Flexibilität sind beispielsweise durch reduzierte Netznutzungsentgelte möglich. Diese sollen den finanziellen Wert der Flexibilität reflektieren. Für Inhaber grosser Flexibilität sind individualisierte Verträge zulässig.

Um den Netzausbau über die Nutzung von Flexibilitäten kostenseitig zu optimieren, sollen Netzbetreiber vermeiden, andere, teurere netzseitige Massnahmen umzusetzen, indem sie in ihrem Netzgebiet das Flexibilitätspotenzial in ihre Netzplanung einbeziehen. Dieser Punkt wird in dem gesetzlichen NOVA-Prinzip (Netz-Optimierung vor Verstärkung vor Ausbau) durch eine Ergänzung verdeutlicht. Nach diesem Prinzip soll zunächst der aktuelle Netzbetrieb ­ einschliesslich der Flexibilitätsnutzung ­ optimiert werden, bevor eine Verstärkung der vorhandenen Leitungen und ­ als letzte Massnahme ­ ein Ausbau erfolgt. Die Kosten, die durch die netzdienliche Nutzung von Flexibilitäten beim Netzbetreiber anfallen und von der ElCom auf Effizienz zu prüfen sind, sollen grundsätzlich anrechenbar sein, aber nicht in beliebiger Höhe.

Zudem werden garantierte Nutzungsrechte für die Netzbetreiber festgelegt: Für erzeugungsseitige Flexibilität sollen sie gegen Vergütung limitierte pauschale Möglichkeiten der Abregelung von Einspeisungen erhalten. Ferner wird ihnen das Recht zugesichert, bei einer unmittelbaren erheblichen Gefährdung des sicheren Netzbetriebs Flexibilitäten zu nutzen. Eine solche Nutzung ist kostenfrei, ausser wenn es zumutbar gewesen wäre, die Gefährdung anderweitig abzuwenden.

Die ElCom hat auch im Bereich der netzdienlichen Flexibilität Zuständigkeiten: Sie trifft die Entscheide über die garantierten Nutzungen, den Schutz der Flexibilitätsinhaber und über missbräuchliche Vergütungen. Zudem wäre ihre Mithilfe bei einer möglichen Evaluation der Flexibilitätsregelung erforderlich.

Nicht zu verwechseln ist die Regelung zur Flexibilität mit derjenigen über die intelligenten Steuer- und Regelsysteme, die bereits mit dem EnG von 2016 eingeführt worden ist
(Art. 17b StromVG). Mit solchen Systemen wird die Flexibilität überhaupt erst nutzbar. Fundamental bei der Regelung des Zugriffs ist dabei der Grundsatz des sogenannten Opt-in, welcher den Betroffenen die Wahl lässt, ihre Gerätschaften durch einen Dritten steuern zu lassen. Bei der Flexibilität handelt es sich hingegen um ein eigentliches Gut, wobei die StromVG-Regelung dessen Bewirtschaftung beziehungsweise die damit verbundenen viel grundlegenderen Ansprüche zum Inhalt hat. Eine solche Regelung ist deshalb nebst derjenigen zu den intelligenten Steuer- und Regelsystemen notwendig und auf diese abgestimmt.

Der Zugriff auf Flexibilität erfolgt durch digitale Systeme und bringt gewisse Risiken im Bereich der Datensicherheit mit sich. Deshalb sind spezifische Vorgaben in diesem Bereich (vgl. auch Ziffer 3.1.8 zum Datahub im Stromsektor) vorgesehen.

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Zwei Anwendungsbeispiele der Flexibilitätsregulierung Beispiel 1: Familie in einem Haus mit einer Wärmepumpe Die Wärmepumpe in diesem Beispiel ist eine Quelle von Flexibilität: Durch die gespeicherte Wärme kann der Zeitpunkt des Strombezugs zu einem gewissen Grad zeitlich verschoben werden, ohne dass die Familie überhaupt etwas davon merkt. Mit der Flexibilitätsregulierung wird ermöglicht, dass diese Flexibilität nutzbar wird und der Inhaber der Flexibilität über deren Verwendung entscheiden kann. Beispielsweise kann der lokale Verteilnetzbetreiber durch die gezielte Steuerung der Wärmepumpe einen Engpass in seinem Netz vermeiden. Damit kann er teuren Netzausbau vermeiden. Im Beispiel offeriert der Verteilnetzbetreiber der Familie einen Vertrag, in welchem die Steuerung der Wärmepumpe sowie die Vergütung dafür geregelt ist. Dies kann beispielsweise sehr einfach über eine Vergünstigung des Netznutzungsentgelts erfolgen. Nun profitiert der Netzbetreiber von der Flexibilität in seinem Netz und die Familie profitiert von einer Vergütung.

Möchte die Familie zu einem späteren Zeitpunkt die Flexibilität ihrer Wärmepumpe selber nutzen, beispielsweise, um den auf dem Dach mit der eigenen Photovoltaikanlage erzeugten Strom optimal zu verbrauchen, kündigt die Familie den Vertrag mit dem Verteilnetzbetreiber.

Beispiel 2: Einspeisereduktion bei Gewerbebetrieb mit Photovoltaikanlage Die Photovoltaikanlage in diesem Beispiel ist eine Quelle von Flexibilität: Durch die gezielte Reduktion oder «Drosselung» der Einspeiseleistung zu einem bestimmten Zeitpunkt kann das Verteilnetz, an welches die Erzeugungsanlage angeschlossen ist, effektiv entlastet werden. Ein Engpass, beispielsweise in einer Leitung oder einem Transformator, wird so vermieden. Indem also ein Netzbetreiber die Möglichkeit der Reduktion der Einspeiseleistung nutzt, kann er den Netzausbau optimieren. Das Drosseln einzelner Spitzen der Einspeiseleistung hat einen grossen positiven Effekt auf das Netz, bewirkt mengenmässig jedoch nur sehr wenig nicht produzierten bzw. nicht eingespeisten Strom. Damit Verteilnetzbetreiber diese Flexibilität ohne grosse Hürden einsetzen können, sieht die Vorlage für sie explizit das Recht vor, diese Flexibilität auf der Einspeiseseite in einem vorgegebenen Umfang zu nutzen. Natürlich muss der Netzbetreiber den Anlagenbetreiber, im Beispiel der Gewerbebetrieb, in Höhe des Werts des (abgeregelten) Stroms kompensieren; letzterer erleidet somit keinen finanziellen Nachteil.

3.1.8

Datahub im Stromsektor (StromVG)

Ein effizient organisierter Austausch von und Zugang zu digitalen Daten und Informationen spielt eine entscheidende Rolle für ein modernes Stromversorgungssystem, einen funktionstüchtigen Wettbewerb und neue, innovative Geschäftsmodelle im Strommarkt. Gerade im digitalen Zeitalter muss sichergestellt werden, dass Marktteilnehmerinnen und -teilnehmer und Konsumentinnen und Konsumenten sowie von ihnen beauftragte Dienstleister bei Zugang und Nutzung von Daten und Informationen 43 / 146

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im Markt nicht diskriminiert und neue Marktteilnehmerinnen und -teilnehmer am Eintritt in den Markt nicht gehindert werden.

Eine nationale und leistungsfähige Dateninfrastruktur im Stromsektor, deren Fundament ein zentrales Datenregister (auch als Datahub bezeichnet) ist, entspricht den sich akzentuierenden Ansprüchen an den Datenaustausch im Stromsektor. Damit wird die digitale Weiterentwicklung und Transformation des Strommarktes forciert, insbesondere im Hinblick auf den Ausbau und die bessere Integration sowie Nutzung der dezentralen erneuerbaren Energieträger und die Öffnung des Marktes sowie perspektivisch die Nutzung von Flexibilität. Digitalisierung, datenzentrierte Geschäftsmodelle und Innovation unterstützen ferner Energieeffizienz, Dekarbonisierung und die mit den erneuerbaren Energiequellen einhergehende Dezentralisierung. Der Datahub gewährleistet den dafür notwendigen Zugang zu qualitativ hochwertigen Daten und reduziert das Risiko von Benachteiligungen in der Datennutzung. Ähnlich wie im Mobilitätsbereich weisen Daten der Stromversorgung Merkmale von öffentlichen Infrastrukturgütern auf. Dies ist ein Bereich, wo es oft zu einem Marktversagen kommt.

Schon heute bilden sich teils schwer kompatible Teillösungen mit unterschiedlichen Standards und Anforderungsprofilen, die den künftigen Herausforderungen nicht genügen. Entsprechend bedeutet das volkswirtschaftlich ineffiziente Investitionen beziehungsweise versunkene Kosten, die die Endverbraucherinnen und Endverbraucher belasten. Die Bereitstellung einer nationalen Dateninfrastruktur mit einem Datahub bietet dagegen positive externe Effekte.

Der Datahub wird nur einen für die vorgesehenen Prozesse zwingend notwendigen Teil der Daten enthalten (z. B. Name, Adresse, Messpunktnummer, Anschlussleistung, Vorhandensein einer Anlage zur Stromproduktion aus erneuerbaren Energien).

Die datenschutzrechtlich eher sensiblen Messdaten der Konsumentinnen und Konsumenten verbleiben weiterhin dezentral bei den bisherigen Akteuren. Der Zugang zu den Daten wird durch den Datahub schweizweit einheitlich sichergestellt und ist grossmehrheitlich durch die Konsumentin oder den Konsumenten gesteuert. Der Datahub tritt neutral im Markt auf und behandelt alle Marktakteure gleich. Dafür wird unter der Voraussetzung entsprechender Governance-Grundsätze den
Unternehmen der Wirtschaft die Gelegenheit gegeben, den Aufbau und den Betrieb des Datahubs in die Wege zu leiten. Wird von dieser Möglichkeit unter Einhaltung der Grundsätze nicht innert vordefinierter Frist Gebrauch gemacht, sorgt der Bund für die Einführung eines Datahubs (Subsidiaritätsprinzip). Die Kosten des Datahubs werden verursachergerecht und messpunktbezogen durch Entgelte gedeckt, die bei den Verteilnetzbetreibern, Messstellenbetreibern und Messdienstleistern erhoben werden. Letzteren steht es frei, diese Kosten über die Messkosten an ihre Messkundinnen und -kunden weiterzuverrechnen, denen letztlich die Vorteile des Datahubs zugutekommen sollen. Die Cybersicherheit des Datahubs wird seinen Risiken entsprechend durch besondere Vorgaben zur Datensicherheit sichergestellt.

Anwendungsbeispiele zum Datahub Beispiel 1: Datahub vereinfacht den Austausch von Daten zwischen Akteuren Eine Bäckerei möchte ihren Stromlieferanten wechseln und schliesst einen entsprechenden Vertrag mit einem neuen Lieferanten. Damit der Strom schon heute 44 / 146

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bei der Bäckerei richtig abgerechnet wird, müssen viele Akteure möglichst schnell korrekte Daten erhalten. Zudem hat die Bäckerei sich auch noch für einen unabhängigen Messdienstleister und einen Flexibilitätsdienstleister entschieden. Der neue Stromlieferant informiert den Datahub über ein digitales Portal über den Vertragswechsel. Der Datahub prüft die Zulässigkeit der Wechselanfrage und informiert die Bäckerei. Die Bäckerei kann dies dem Datahub einfach per Mausklick in ihrem Zugangsportal bestätigen. Dann informiert der Datahub die Betroffenen, die an dieser Messstelle ihre Aktivitäten vollziehen. Er bündelt und vereinfacht (unter Einhaltung der Daten- und Cybersicherheit) die Kommunikation zwischen den Akteuren erheblich, reduziert Mehrspurigkeiten und vereinfacht die Fehlersuche.

Beispiel 2: Datenbasierte Energiedienstleistungen für den Konsumenten Eine Hausbesitzerin möchte ihr Haus nachhaltig und energieeffizient renovieren.

Sie benötigt dazu einen Kredit. Mit verlässlichen Informationen zum Energie- und Stromverbrauch können Finanzinstitute der Hausbesitzerin massgeschneiderte Beratungsdienstleistungen und sogenannte «Grüne Hypotheken» anbieten. Die Hausbesitzerin berechtigt das Finanzinstitut (per Mausklick in einem gesicherten Kundenportal des Datahubs), die Stromverbrauchsdaten der letzten 5 Jahre zu erhalten. Das Finanzinstitut empfängt die Stromverbrauchsdaten automatisch über die national einheitliche, digitale Schnittstelle. Die Hausbesitzerin erhält so in kürzester Zeit ein auf ihren Einzelfall zugeschnittenes Angebot.

Beispiel 3: Datenerhebung durch Bund und Kanton im Rahmen ihrer Aufgaben Der Bund und die Kantone müssen Daten erheben, um ihre gesetzlichen Aufträge zu erfüllen (die Kantone z. B. im Bereich der kantonalen Energieplanung). Auch Universitäten benötigen Daten, um Innovation und Forschung voranzutreiben.

Um diese Daten zu erhalten, gehen sie direkt auf die Akteure zu, die über die entsprechenden Daten verfügen. Der Datahub kann die Kosten, die bei der Informationsgewinnung entstehen, senken. Gewisse Daten, die er verwaltet oder durchleitet, z. B. Informationen zum Wirtschaftssektor eines gemessenen Unternehmens oder zu Energieverbrauch und -produktion, werden für die Behörden digital zugänglich. Der Datahub unterstützt zugleich das vom Bundesrat beschlossene «Once-Only»-Prinzip: Daten, die mehrmals benötigt werden, sollen nur einmal erhoben werden.

3.1.9

Wahlfreiheiten und Organisation im Messwesen (StromVG)

Mitte 2017 hat das Bundesgericht entschieden, dass die Betreiber grösserer Elektrizitätserzeugungsanlagen (Anschlussleistung über 30 kVA) grundsätzlich einen Dritten freier Wahl mit der Vornahme der Messdienstleistungen beauftragen dürfen.24 Ob

24

BGE 143 I 395

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auch den Betreibern von kleineren Elektrizitätserzeugungsanlagen oder den Endverbrauchern ein solches Wahlrecht zukommt oder ob bei diesen ausschliesslich der Netzbetreiber zuständig ist, liess das Bundesgericht offen ­ ebenso, ob sich das Wahlrecht auch auf die Vornahme des Messstellenbetriebs erstreckt.

Tatsache ist, dass die Verrechnungsmessung (dazu gehören der Messstellenbetrieb und die Messdienstleistungen) trotz diesem Urteil grossmehrheitlich von den Netzbetreibern durchgeführt wird. Das dürfte erstens daran liegen, dass es an einem geeigneten Rechtsrahmen zur Abwicklung der Wechselprozesse fehlt. Hinzu kommt, dass die Messkosten nach der gegenwärtigen Rechtslage als Teil der anrechenbaren Netzkosten über das Netznutzungsentgelt gedeckt werden (Art. 13a Bst. a StromVV). Dies vermindert den Anreiz zur Mandatierung eines Dritten zusätzlich.

Die Kosten, welche von den Netzbetreibern für das Messwesen geltend gemacht werden, sind bisweilen sehr hoch. Das zeigte sich insbesondere, als die Kosten der Lastgangmessungen den Messkunden noch individuell in Rechnung gestellt wurden. Das verlangte Entgelt lag bei einem Vergleich der Mediane um 56 Prozent über den Kosten.25 Zudem bemängeln grosse Endverbraucher und Produzenten erhebliche Qualitätsprobleme bei den ihnen bereitgestellten Daten. Diese werden oft zu spät oder falsch geliefert, was schon heute zu nicht vernachlässigbaren, aber vermeidbaren Kosten bei Energiebeschaffung und Ausgleichsenergie führt.

Für das Messwesen ist eine Klärung der Verantwortlichkeiten und der gesetzlichen Wahlfreiheiten vorgesehen. Grosse Endverbraucher (Jahresverbrauch von mindestens 100 MWh) sowie alle Elektrizitätserzeuger und Speicherbetreiber können ihren Anbieter frei wählen. Darüber hinaus kommt das Wahlrecht ­ unabhängig vom jährlichen Elektrizitätsverbrauch ­ auch allen Eigenverbraucherinnen und -verbrauchern und bestimmten Endverbrauchergruppen zu, die im Zusammenhang mit verbrauchsseitiger Flexibilität oder Energiesparmassnahmen Zugriff auf ihre Messdienstleistungen benötigen. Wahlberechtigt sind somit insbesondere diejenigen Messkundinnen und -kunden, die besonders sensibel bezüglich der Daten- und Servicequalität sowie der Kosten der Messung und der nachgelagerten Dienstleistungen sind. Das Wahlrecht würde sich derzeit auf rund 55 000 Messpunkte
beziehungsweise auf etwa 22 TWh beziehen, was über einem Drittel des gesamten Endverbrauchs entspricht. Mit der zunehmenden Verbreitung von Eigenverbrauchslösungen und Dienstleistungen im Flexibilitätsmarkt werden mehr Akteure von dem Wahlrecht profitieren können. So gibt es derzeit rund 77 000 Anlagen im Eigenverbrauch (plus ca.

15 000 p. a.), die von der Wahlmöglichkeit profitieren könnten.

Das Wahlrecht gilt für den Messstellenbetrieb und die Messdienstleistungen. Die mit dem Netzbetrieb unmittelbar verknüpfte betriebliche Messung bleibt demgegenüber eine Aufgabe des Netzbetreibers.

Gegenüber den Messkundinnen und Messkunden, die keine Wahlfreiheiten im Messwesen geniessen oder ihr Wahlrecht nicht ausüben, ist der lokale Verteilnetzbetreiber für den Messstellenbetrieb und die Messdienstleistungen zuständig. Zu ihrem Schutz ist vorgesehen, dass das vereinnahmte Messentgelt anhand von Messtarifen ermittelt 25

ElCom (2018): Messkosten in der Schweiz, Bericht zur Auswertung der Messkostenerhebung 2017.

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wird, welche die Netzbetreiber auf Basis der anrechenbaren Kosten festzulegen haben. Die Überprüfung der Anrechenbarkeit der Messkosten, der Höhe der Messtarife und des gestützt darauf errechneten Messentgelts obliegt der ElCom.

Das BFE wird die Wettbewerbssituation im Messwesen im Rahmen seiner regelmässigen Berichterstattung zuhanden des Bundesrates (Art. 27 Abs. 3 StromVV) untersuchen. Im Hinblick auf das geplante Gasversorgungsgesetz ist anzumerken, dass die Regelungen zum Messwesen im Bereich der Gas- und der Stromversorgung aufeinander abzustimmen sind.

3.1.10

Anpassungen bei der Netztarifierung (StromVG)

Verbesserung der gesetzlichen Tarifierungsgrundsätze Die Kosten des Stromnetzes entstehen massgeblich beim Aufbau der Netzkapazitäten, der bisher weitgehend dem Bedarf folgt. Die Dimensionierung der Netzkapazitäten wird grösstenteils durch die strukturellen Anforderungen an das Netz ­ das heisst Zahl und räumliche Lage der Anschlusspunkte der Netznutzerinnen und -nutzer ­ sowie die vertraglich zugesicherten Netzanschlusskapazitäten bestimmt. In Bezug auf die Netzkosten ist die tatsächliche Netznutzung, das heisst die bezogene Leistung und damit Belastung des Netzes, durch die Netzanschlussnehmerinnen und -nehmer kurzfristig von geringerer Bedeutung. Längerfristig beeinflusst sie über Veränderungen der zeitgleichen Spitzenlast jedoch die Dimensionierung und damit die Kosten der Infrastruktur.

Die heutigen Netznutzungstarife reflektieren die effektiven Kostenstrukturen nur eingeschränkt, da die Tarife die aus dem Netz bezogene elektrische Energie (kWh, Arbeit) stärker gewichten als die effektiv nachgefragte oder angeschlossene Leistung (kW). Auf der untersten Netzebene 7 (Niederspannung), auf der die kleinen Endverbraucher (Haushalte etc.) angeschlossen sind, müssen die Netznutzungstarife gemäss geltendem Verordnungsrecht grundsätzlich mindestens einen Arbeitsanteil von 70 Prozent aufweisen.

Die Vernehmlassungsvorlage enthielt einen konkreten Vorschlag zur Verbesserung der Kostenreflexivität der Tarifstrukturen. Im Unterschied dazu enthält die Vorlage nicht mehr eine konkrete Ausgestaltung der Netztarifierung, sondern beschränkt sich nunmehr auf zwei ergänzende Tarifgrundsätze ­ wobei die Kostenreflexivität weiterhin ein wichtiger Grundsatz bleibt: Erstens sollen die Netznutzungstarife dynamischer ausgestaltet werden dürfen als heute (v. a. zeitlich variable Tarife). Statt «einfacher» Strukturen sind nunmehr «nachvollziehbare» Strukturen verlangt. Zweitens ist ein neuer Tarifgrundsatz vorgesehen, nach dem Eigenverbraucherinnen und -verbraucher und Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch nicht diskriminiert werden dürfen.

Auf Basis der gesetzlichen Tarifgrundsätze verfügt der Bundesrat über grosse Freiräume, die Tarifvorschriften weiter zu konkretisieren. Das ist insbesondere für die Netzebene 7 von Bedeutung. Um die Verursachergerechtigkeit zu verbessern und damit langfristig eine effiziente Dimensionierung der Infrastruktur zu unterstützen, erscheint angezeigt, dass die Netzbetreiber grössere Freiheiten bei der Tarifierung er-

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halten, vor allem bei den Endverbrauchern, bei denen eine Leistungsmessung installiert ist (z. B. Smart Meter). So sollte auf Verordnungsstufe aus netzökonomischer Sicht nach Vorbild der Vernehmlassungsvorlage etwa konkretisiert werden, dass auch schon im Basistarif eine höhere Leistungskomponente (Fr./kW) beziehungsweise höhere Grundkomponenten (Fr./Anschluss) zulässig sind. Mit dem geplanten Roll-Out der Smart-Meter-Infrastruktur wird bis 2027 bei mindestens 80 Prozent der Endverbraucherinnen und Endverbraucher die Möglichkeit bestehen, ihren tatsächlichen Leistungsbezug sowie den Verbrauch zeitgenau zu messen. Damit können leistungsbasierte und stärker dynamisierte Netznutzungsmodelle umgesetzt werden.

Bei den möglichen Anpassungen soll spezifisch Rücksicht auf Eigenverbrauchslösungen genommen werden. Sie profitieren bei hohen Arbeitskomponenten durch den verminderten Bezug aus dem Netz (der eine Folge des Eigenverbrauchs ist) generell stärker von Einsparungen bei den Netznutzungsentgelten, dies allerdings zulasten der übrigen Netznutzerinnen und Netznutzer im Netzgebiet. Aus Gründen einer verbesserten Verursachergerechtigkeit ist es deshalb angezeigt, auch bei Eigenverbrauchern höhere Leistungs- und/oder Grundkomponenten zu erlauben. Andererseits soll eine Diskriminierung von Eigenverbrauchslösungen (etwa durch speziell hohe Leistungsanteile für die entsprechende Kundengruppe) auf jeden Fall nicht erlaubt sein ­ dafür sorgt der besagte neue Tarifgrundsatz.

Die Verbesserungen in der Netztarifierung sind mit der Flexibilitätsregulierung kompatibel. Sofern dynamisierte Tarife kostenreflexiv definiert werden, sind sie mit der Flexibilitätsregulierung kombinierbar, welche konkreter auf kurative Massnahmen abzielt, das heisst die Vermeidung beziehungsweise die Auflösung von Netzengpässen.

Jüngere parlamentarische Vorstösse verlangen ebenfalls eine Anpassung bei der Netztarifierung. So fordert zum Beispiel die (im Rat bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht behandelte) Motion «Energiestrategie 2050. Mehr Spielraum in dezentralen Strukturen» (19.4162) von Nationalrat Jürg Grossen eine Anpassung der Netzregulierung an die Bedürfnisse der neuen Strukturen des Stromsystems. Damit soll der Preis der Nutzung des Stromnetzes die Netzbelastung fair reflektieren (Kostenreflexivität) und Netzbetreiber und
Netznutzerinnen und Netznutzer sollen einen grösseren Handlungsspielraum bei der Preisgestaltung erhalten. Die in der Vorlage enthaltenen ergänzenden Tarifgrundsätze sind kompatibel mit möglichen späteren Weiterentwicklungen des Netztarifierungssystems und präjudizieren eine solche nicht.

Wälzung der Netzkosten zwischen Netzebenen Die Netzkosten (ausgenommen individuell verrechnete Kosten, v. a. Anschlusskosten) werden gewälzt, das heisst über die Netzebenen (1 bis 7) von oben nach unten weitergegeben. Dies entspricht dem sog. Ausspeiseprinzip der Netztarifierung. Die Wälzung erfolgt nach Leistungs- und Arbeitsanteilen. Bei der obersten Netzebene wird auch ein Grundpreis verlangt. Diese Kosten bilden die Grundlage der Tarifierung der Endverbraucher. In diesem System der Wälzung der Netzkosten über die einzelnen Netzebenen (bis hin zu den Endverbrauchern) sollen Anpassungen erfolgen. Dies mit dem Ziel, die Kostengerechtigkeit zu erhöhen, indem Leistungselemente und Lastflussrichtungen, die sich durch eine zunehmende dezentrale Erzeugung ändern, stärker berücksichtigt werden.

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Die Wälzung der Kosten aus dem Übertragungsnetz (Netzebene 1) in das Verteilnetz (Netzebenen 2­7) soll nicht mehr im Verhältnis 30 Prozent Arbeits-, 60 Prozent Leistungs- und 10 Prozent Grundtarif, sondern neu im Verhältnis 10 Prozent Arbeits- und 90 Prozent Leistungstarif erfolgen. Die Wälzung der Verteilnetzkosten innerhalb der Netzebenen des Verteilnetzes soll nicht mehr im Verhältnis 30 Prozent Arbeits- und 70 Prozent Leistungs-, sondern ebenfalls im Verhältnis 10 Prozent Arbeits- und 90 Prozent Leistungstarif erfolgen.

Zudem soll sich die Berechnung der für die Wälzung massgebenden Energiewerte (relevant für die Arbeitskomponente im Tarif) im Verteilnetz ändern. Um der vermehrt dezentralen Elektrizitätseinspeisung und der damit einhergehenden Veränderung der Elektrizitätsflüsse zwischen den Netzebenen Rechnung zu tragen, soll anstelle des Bruttoprinzips neu das sogenannte Betragsnettoprinzip gelten. Dadurch werden die tatsächlich stattfindenden Energieflüsse besser berücksichtigt. Das Nettoprinzip bewirkt, dass nicht mehr vom «Verbrauch einer Netzebene» auf die «ihr zugeflossene Energie» geschlossen wird. Tiefere Netzebenen werden im Rahmen der Kostenwälzung entlastet, wenn die Elektrizität nicht von der oberen Netzebene bezogen, sondern direkt auf derselben Netzebene eingespeist wird, beispielsweise durch Photovoltaikanlagen. Zusätzlich werden durch das Betragsnettoprinzip neu auch Energieflüsse «von unten nach oben» berücksichtigt. Der Aufwand, welcher der höheren Netzebene durch solche Energierückspeisungen entsteht, soll der tieferen Netzebene entsprechend angelastet werden. Am Ausspeiseprinzip (Art. 14 Abs. 2 StromVG) ändert sich dadurch nichts.

Das BFE wird die Auswirkungen der Änderungen der Vorschriften zur Anlastung der Netzkosten im Rahmen seiner regelmässigen Berichterstattung zuhanden des Bundesrates (Art. 27 Abs. 3 StromVV) beleuchten.

Klarstellung Endverbraucherbegriff im Zusammenhang mit Speichern Heute gilt nicht als Endverbraucher, wer Elektrizität für den Eigenbedarf eines Kraftwerks sowie für den Antrieb von Pumpen in Pumpspeicherkraftwerken bezieht. An den bestehenden Ausnahmen soll nichts geändert werden. Es soll aber neu ausdrücklich klargestellt werden, dass Speicherbetreiber ­ abgesehen von der Ausnahme für Pumpspeicherkraftwerke ­ Endverbraucher sind. Damit wird
weiterhin auf das Ausspeiseprinzip abgestützt: Wer Elektrizität zwecks Speicherung aus dem Netz bezieht, gilt für diesen Bezug als Endverbraucher, soweit er die Elektrizität nicht für den Antrieb von Pumpen in Pumpspeicherkraftwerken verwendet.

Wassertausch in Pumpspeicherwerken Schliesslich wird ein Sonderfall des Zusammenspiels zwischen dem im StromVG geregelten 50-Hz-Netz und dem von den schweizerischen Eisenbahnen betriebenen 16,7-Hz-Bahnstromnetz besser geregelt. Neu soll auch für den sogenannten Wassertausch bei Kraftwerken mit gemischter Erzeugung 50 Hz und 16,7 Hz eine Ausnahme statuiert werden. Ein Wassertausch kommt zur Anwendung, wenn von zwei Kraftwerkspartnern der eine pumpen und der andere gleichzeitig produzieren (turbinieren) möchte. Der im Zusammenhang mit einem Wassertausch aus dem 50-Hz-Netz getätigte Strombezug soll nicht mehr als Endverbrauch gelten. Damit werden gemischt

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betriebene Pumpspeicherwerke in dieser Hinsicht den ausschliesslich mit 50 Hz betriebenen Werken gleichgestellt.

Netzkostenbeiträge Verlangen Verteilnetzbetreiber beim Anschluss eines Endverbrauchers oder im Falle einer Leistungserhöhung bei einem Netzanschlusspunkt für allfällige Netzverstärkungen Beiträge (Netzkostenbeiträge), so unterstehen sie neu einer Veröffentlichungspflicht. Diese ermöglicht es, Informationen über die Berechnungsweise zu erhalten und Kosten besser vergleichen zu können. Dies ist im Sinne der Kundenzentrierung.

3.1.11

Sunshine-Regulierung (StromVG)

Untersuchungen der ElCom zur Einführung der Sunshine-Regulierung (öffentlicher Vergleich über die Leistungen und Kosten der Netzbetreiber; bisher nur aggregiert publiziert) zeigen eine hohe Streuung der Kosten der Verteilnetzbetreiber, die nicht durch die unterschiedliche Unternehmensgrösse erklärt werden kann. Dies lässt relevante Ineffizienzen vermuten. So gibt es Fälle von hohen Betriebskosten, die mit hohen Kapitalkosten verbunden sind, wobei es zugleich nicht zu einer höheren Qualität kommt.

Im Rahmen der sogenannten Sunshine-Regulierung wird die ElCom umfassende Vergleiche der Verteilnetzbetreiber in ihrem Regulierungsbereich gemäss Artikel 22 Absätze 1 und 2 StromVG durchführen und die Ergebnisse auf ihrer Webseite der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Hiermit wird mehr Transparenz geschaffen. Zudem sollen milde Effizienzanreize gesetzt werden. Mit der Sunshine-Regulierung werden Tarifüberprüfungsverfahren nicht ersetzt, sondern ergänzt.

Seit mehreren Jahren erprobt die ElCom eine solche Erweiterung der kostenbasierten Regulierungspraxis. Um die Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentieren zu können, bedarf es einer gesetzlichen Grundlage. Bisher erhalten nur die Netzbetreiber diese Vergleiche, die Öffentlichkeit hingegen erhält bislang keine transparente Information darüber, wie wirtschaftlich der Strom verteilt wird, was den Druck zu Anpassungen mindert.

Die ElCom verfolgt bei der Anwendung des Transparenzinstruments «Sunshine» einen mehrdimensionalen Ansatz. Dieser umfasst vor allem angemessene Kosten und Tarife, die Qualität der Versorgung und der Dienstleistungen sowie die Umsetzung von Veröffentlichungs- und Bekanntgabepflichten. Die konkrete Ausgestaltung der jeweiligen Vergleiche wird der ElCom überlassen.

Investitionen in intelligente Netze sind überwiegend den Betriebskosten zuzuordnen und nicht den Kapitalkosten. Anders als auf die Kapitalkosten wird auf die Betriebskosten kein WACC (Weighted Average Cost of Capital, durchschnittlicher Kapitalkostensatz) bezahlt. Damit haben Netzbetreiber im gegenwärtigen Regulierungssystem einen geringen Anreiz, in intelligente Netze zu investieren. Um trotzdem gewisse Anreize für solche Investitionen zu setzen, soll die ElCom auch einen Ver-

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gleich anstellen, der Investitionen in intelligente Netze abbildet. Dieser Indikator ergänzt die anderen Indikatoren bezüglich der Netzkosten. Zudem ist ein Indikator für die Messdienstleistungen zu schaffen, soweit für diese kein Wahlrecht besteht.

Kommt es nicht zu genügenden Effizienzsteigerungen im Netzbereich mit entsprechenden Auswirkungen auf die Netzkosten, so unterbreitet der Bundesrat dem Parlament eine Gesetzesvorlage zur Einführung einer Anreizregulierung. Das BFE wird die Entwicklung der Netzkosten unter der Sunshine-Regulierung alle vier Jahren evaluieren.

3.1.12

Regulatorische Sandbox (StromVG)

In einem hochtechnisierten und gleichzeitig regulierten Bereich wie der Elektrizitätswirtschaft zeigt sich, dass einmal gesetzte Rahmenbedingungen schnell an ihre Grenzen stossen, wenn es darum geht Innovation zu unterstützen oder das Potenzial der Digitalisierung zu nutzen. Bei der Erarbeitung neuer gesetzgeberischer Massnahmen sind solche neuen Ansätze und Potenziale kaum vorhersehbar.

Zur experimentellen Gesetzgebung im Stromversorgungsrecht soll neu eine gesetzliche Grundlage, eine sogenannte regulatorische Sandbox, eingeführt werden. Zweck dieser Bestimmung ist, die Innovation im Bereich der Stromversorgung sowie die Weiterentwicklung der Stromversorgungsgesetzgebung zu unterstützen und zu fördern. Die Wirkung von Anpassungen rechtlicher Vorgaben ist teilweise nur schwer abzuschätzen. Das mit dieser Bestimmung neu eingeführte Instrument einer regulatorischen Sandbox ermöglicht daher, im Rahmen von Pilotprojekten für eine beschränkte Zeit in einem sachlich und örtlich abgegrenzten Bereich Erfahrungen mit Regelungen zu sammeln, die vom geltenden Recht abweichen. Gestützt auf diese Erfahrungen kann anschliessend beurteilt werden, ob und gegebenenfalls wie die Stromversorgungsgesetzgebung angepasst werden soll. In keinem direkten Zusammenhang mit diesen Pilotprojekten stehen Pilot- und Demonstrationsprojekte nach Artikel 49 EnG. Diese können genau wie andere Projekttypen von diesem neu eingeführten Instrument profitieren. Eine entsprechende Koordination der Bewilligungsverfahren wird auf Verordnungsebene vorzusehen sein.

3.1.13

Weitere Massnahmen im Zusammenhang mit der Versorgungssicherheit und dem sicheren Betrieb der Stromnetze (StromVG)

Erfassung und Weitergabe von Speicherseedaten Für verschiedene öffentliche Aufsichts- und Monitoring-Aufgaben werden Daten zu den Schweizer Speicherseen benötigt. Dazu gehören insbesondere Angaben zu den aktuellen Pegelständen und Energieinhalten der Speicherseen. Heute werden diese Daten wöchentlich in einem manuellen Prozess an das BFE geliefert und dort als Statistikdaten erfasst. Mit dem Einverständnis der Kraftwerksbetreiber werden Daten zu einzelnen Speicherseen an diejenigen Bundesstellen weitergeleitet, welche die Daten

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für ihre Aufgaben benötigen, beispielsweise für den Hochwasserschutz oder die Talsperrensicherheit. Das BFE publiziert zudem einen wöchentlichen Bericht mit den regional aggregierten Füllständen der Speicherseen.

Künftig soll die Datenlieferung zentral über ein automatisiertes System erfolgen, das die Daten den Empfängerinnen und Empfängern in der nötigen zeitlichen und geografischen Auflösung elektronisch zur Verfügung stellt. Dadurch können die Daten täglich, statt nur wöchentlich, aktualisiert werden und stehen bei Bedarf zeitnah zur Verfügung, beispielsweise für den Abruf der Energiereserve oder für die Kraftwerksbewirtschaftung bei einer Strommangellage.

Kostentragung für die Erfassung von Speicherseedaten und Massnahmen der wirtschaftlichen Landesversorgung Das System zur Erfassung und Weitergabe von Speicherseedaten wie auch Massnahmen der Elektrizitätswirtschaft zur Sicherstellung der Versorgung bei einer Strommangellage dienen der Aufrechterhaltung einer sicheren Stromversorgung auf gesamtschweizerischer Ebene. Als Voraussetzung für einen sicheren Netzbetrieb sollen diese Tätigkeiten deshalb aus dem Netznutzungsentgelt für das Übertragungsnetz finanziert werden. Dadurch werden die Kosten über den Wälzungsmechanismus von allen Schweizer Endkundinnen und Endkunden, denen die sichere Versorgung letztlich zugutekommt, getragen.

Massnahmen zur Gewährleistung des sicheren Netzbetriebs Die Netzbetreiber können ihre Aufgabe, den sicheren Netzbetrieb zu gewährleisten (Art. 8 Abs. 1 Bst. a StromVG; vgl. Botschaft vom 3. Dezember 2004 zum StromVG26), nur mit Unterstützung weiterer Akteure vollständig erfüllen. So müssen sich in einem Elektrizitätsnetz insbesondere Ein- und Ausspeisungen jederzeit die Waage halten, ansonsten es zu Komplikationen im Netz kommt. Die Pflichten zur Unterstützung der Netzbetreiber bei Massnahmen zur Gewährleistung des sicheren Netzbetriebs und zur Befolgung von Anweisungen bei einer Gefährdung des sicheren Übertragungsnetzbetriebs ergeben sich neu ausdrücklich aus dem Gesetz.

Gefährdungen des sicheren Übertragungsnetzbetriebs muss die Swissgrid mit den notwendigen Massnahmen begegnen. Da eine solche Gefährdung gleichzeitig eine Gefährdung des Gesamtsystems bedeutet, können die Kosten solcher Massnahmen grundsätzlich schweizweit sozialisiert werden. Die Swissgrid muss
die zur Vermeidung oder Beseitigung einer Gefährdung des sicheren Übertragungsnetzbetriebs notwendigen Massnahmen auf einheitliche Weise mit geeigneten, an das Übertragungsnetz angeschlossenen Akteuren vertraglich vorbereiten. Kommt eine solche Vereinbarung nicht zustande, kann die ElCom den Vertragsabschluss verfügen und den notwendigen Mindestinhalt festlegen. Im Notfall, das heisst, wenn eine erhebliche und unmittelbare Gefährdung des sicheren Übertragungsnetzbetriebs vorliegt, kann und muss die Swissgrid diese Massnahmen ausnahmsweise einseitig anordnen, falls sie entgegen der diesbezüglichen Pflicht nicht vertraglich vorbereitet worden sind. Solche Anordnungen müssen der ElCom anschliessend umgehend gemeldet werden.

Schliesslich muss die Swissgrid Ersatzmassnahmen anordnen, falls eine Massnahme 26

BBl 2005 1611, hier 1646.

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nicht wie vereinbart oder angeordnet umgesetzt wird. Dadurch verursachte Mehrkosten tragen die Säumigen.

3.1.14

Optimierungen im StromVG

ElCom Die ElCom erhält aufgrund der vorher dargestellten Neuerungen zusätzliche Aufgaben und Zuständigkeiten wie die Missbrauchsaufsicht bei der Ersatzversorgung und bei der Flexibilitätsnutzung. Im Zusammenhang mit der Gefährdung des sicheren Betriebs des Übertragungsnetzes und bei der Energiereserve greift sie, wenn nötig, hoheitlich ein. Für die Energiereserve legt die ElCom jährlich die Eckwerte fest.

Weiter gibt es Änderungen, welche die ElCom selbst betreffen. Sie wird als Regulator gestärkt, indem sie ein gesetzliches Beschwerderecht erhält. Damit kann sie beim Bundesgericht Urteile des Bundesverwaltungsgerichts anfechten, wenn dieses die vorangegangene Verfügung der ElCom nicht gestützt hat. Ein solches Beschwerderecht haben zum Teil auch andere Behörden, die der ElCom ähnlich sind. Parallel dazu bleibt das Beschwerderecht des UVEK bestehen. Gestrichen wird sodann das Weisungsrecht der ElCom gegenüber dem BFE. Davon wurde nie Gebrauch gemacht, und das Instrument ist systemisch ein Fremdkörper.

Sicherstellung der schweizerischen Beherrschung bei der Swissgrid Die Swissgrid ist nach Artikel 18 StromVG eine privatrechtliche Aktiengesellschaft (AG). Ihr Kapital und die Stimmrechte müssen direkt oder indirekt mehrheitlich den Kantonen und Gemeinden gehören («schweizerische Beherrschung»). Diese Lösung ist das Resultat langer und intensiver Arbeiten des Parlaments. Andere Varianten, zum Beispiel eine öffentlich-rechtliche Anstalt oder eine direkte Beteiligung der Kantone, wurden verworfen. So wurden etliche Energieversorgungsunternehmen (EVU), die den Kantonen und Gemeinden gehören, Aktionäre der Swissgrid.

Die Kantone, Gemeinden und schweizerisch beherrschten EVU haben ein gesetzliches Vorkaufsrecht an den Swissgrid-Aktien. Diese Vorkaufsrechte sind das einzige gesetzliche Mittel, um die Mehrheitsvorgabe zu sichern. Im Übrigen ist für die Sicherung die Swissgrid verantwortlich. Diese hat 2015 mit der Schaffung einer Aktienkategorie, die nur von Kantonen, Gemeinden und von ihnen beherrschten Unternehmen gehalten werden darf, einen wichtigen Beitrag zu dieser Sicherung geleistet. Noch immer fehlt es aber an einem Hebel für Fälle, in denen die kantonale oder kommunale Mehrheit nur eine indirekte ist. Will man dieses schon seit Längerem bestehende Anliegen angehen, muss man legislatorisch
eingreifen. Auch die Kommissionen für Umwelt, Raumplanung und Energie beider Räte wollten dies, haben die entsprechende Vorlage27 dann aber sistiert ­ in Erwartung, dass der Bundesrat in der vorliegenden Revision einen Vorschlag macht, was nun erfolgt.

27

Parlamentarische Initiative «Kostentragungspflicht für Ausgleichsenergie. Gewährleistung einer sicheren Stromversorgung» (13.467), Vorlage 2.

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Es wird ein zweistufiges Konzept vorgeschlagen. Erstens sollen die Vorkaufsrechte mit Blick auf eine bessere Sicherung der schweizerischen Beherrschung wirksamer gemacht werden. Dafür wird unter anderem eine Rangordnung der Vorkaufsberechtigten eingeführt: 1) Kantone, 2) Gemeinden und 3) schweizerische EVU. Zweitens wird flankierend und subsidiär die Grundlage für eine Stimmrechtssuspendierung geschaffen: Ist die StromVG-Mehrheitsvorgabe nicht mehr erfüllt, ruhen die Stimmrechte der Aktionäre, die nicht entsprechend beherrscht sind. Das Parlament arbeitet sodann eine Vorlage28 aus, mit der der Verkauf von Anteilen an der Swissgrid ins Ausland stark eingeschränkt würde. Je nach Ergebnis könnte die vorgeschlagene Stimmrechtssuspendierung obsolet werden.

Sodann wird eine stärkere personelle Entflechtung vorgesehen. In Geschäftsleitung und Verwaltungsrat sollen alle Mitglieder, und nicht mehr nur eine Mehrheit, von der Elektrizitätswirtschaft unabhängig sein. Zusätzlich soll es für den Verwaltungsrat ein Pendant zur Stimmrechtssuspendierung in der Generalversammlung geben.

Amtshilfe und Datenweitergabe zwischen der ElCom und dem BFE Zur Vermeidung doppelter Datenbeschaffungen gewähren die ElCom und das BFE einander vorbehältlich entgegenstehender Vorschriften gegenseitig Zugang zu den Daten, die die jeweils andere Behörde für die Erfüllung ihrer Aufgaben beschaffen dürfte.

Systemdienstleistungen Es wird entsprechend der gelebten Realität und der Intention des Gesetzgebers (vgl.

Botschaft vom 3. Dezember 200429 zum StromVG) klargestellt, dass es grundsätzlich unerheblich ist, welche Art von Akteur der Swissgrid Systemdienstleistungen anbietet. Massgebend ist vielmehr, ob der Anbieter oder die Anbietergruppe die für die jeweilige Systemdienstleistung notwendigen technischen und betrieblichen Minimalanforderungen der Swissgrid erfüllt (sog. Präqualifikationsbedingungen). Je weiter der Anbieterkreis ist, desto höher ist tendenziell die Liquidität im Systemdienstleistungsmarkt. Dies erhöht die Versorgungssicherheit und führt auch zu günstigeren Beschaffungspreisen für die Swissgrid. Um der Zielsetzung der Energiestrategie 2050 gerecht zu werden, insbesondere der effizienten Nutzung von Energie, auch im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Systemdienstleistungen, soll die Swissgrid verbrauchsseitig
allerdings vorrangig Angebote mit effizienter Energienutzung berücksichtigen.

Zudem wird klargestellt, dass die Swissgrid gemeinsam mit ausländischen Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) über sogenannte ÜNB/ÜNB-Modelle Systemdienstleistungen regelzonenübergreifend beschaffen darf. Dabei beschaffen die teilnehmenden Übertragungsnetzbetreiber Systemdienstleistungen weiterhin jeweils über ihre eigenen Ausschreibungen, der Zuschlag an die Gebote erfolgt jedoch entlang einer zentralen Optimierung. Damit werden die Kosten für die Beschaffung der Systemdienstleistungen verringert.

28 29

Parlamentarische Initiative «Unterstellung der strategischen Infrastrukturen der Energiewirtschaft unter die Lex Koller» (16.498).

BBl 2005 1611, hier 1659.

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3.1.15

Optimierungen im EnG

Ausweitung der Möglichkeiten zur Bildung eines Zusammenschlusses zum Eigenverbrauch Neu wird die Möglichkeit geschaffen, dass ZEV auch einen virtuellen Messpunkt als Schnittstelle zum Netz haben können. Die aktuelle Vorgabe, die einen physischen Messpunkt verlangt, kann bei der Einrichtung von ZEV gewisse aufwendige Installationen bedingen, die nun entfallen können.

Schliesslich kann der Bundesrat neu die Benutzung von Anschlussleitungen für den Eigenverbrauch zulassen. Anschlussleitungen sind ein individuell genutzter und grundsätzlich individuell finanzierter Teil des Verteilnetzes. Die Möglichkeit der Benutzung dieser Leitungen erleichtert vor allem im Zusammenhang mit einer virtuellen Messung die Umsetzung von gemeinschaftlichem Eigenverbrauch in Bestandsbauten, da so die teilweise aufwendigen Umbauten zur Erfüllung der aktuellen Vorgaben zum ZEV wegfallen können.

Angaben zu serienmässig hergestellten Anlagen, Fahrzeugen und Geräten Die Angaben von Verbrauch, CO2-Emissionen und Energieeffizienzkategorie in der Kundeninformation und am Verkaufspunkt sind ein zentrales Element für eine effiziente und emissionsarme Energienutzung. Die vorgesehenen Anpassungen ermöglichen mehr Flexibilität bei der Darstellung der Kosten (insbesondere der Treibstoffund Stromkosten) beziehungsweise der Einsparungen. Diese haben aus verhaltensökonomischer Sicht den stärksten Einfluss auf eine Verhaltensänderung hin zum Kauf effizienterer Autos. Den ökonomischen Nutzen aufzuzeigen, wäre grundsätzlich auch für die Anlagen und Geräte interessant. Da bei den Anlagen und Geräten im Unterschied zu den Fahrzeugen jedoch in der Regel Etiketten verwendet werden, die EU-weit identisch sind, und der Bundesrat deshalb Abweichungen in der Schweiz gemäss THG als Ausnahme vom Cassis-de-Dijon-Prinzip bewilligen müsste, wird der ökonomische Nutzen bei Anlagen und Geräten wohl nicht aufgenommen werden. Zudem ermöglichen die Anpassungen mehr Freiheit bei der Berechnungsgrundlage für die Effizienzkategorie und für die Aufnahme zusätzlicher Informationen. Aktuell kann als Berechnungsgrundlage für die Energieeffizienzkategorie lediglich der Verbrauch verwendet werden. Dank der vorgeschlagenen Anpassungen könnten neu andere beziehungsweise zusätzliche Kriterien berücksichtigt werden. Des Weiteren könnten zukünftig auch weitere Informationen
dargestellt werden ­ zum Beispiel Lärmemissionen, Luftschadstoffemissionen, Herstellungs- und Entsorgungsaufwand des Fahrzeugs usw. Die EU plant, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit die CO2-Emissionen von Fahrzeugen über den ganzen Lebenszyklus erfasst werden.

Mit der vorgeschlagenen Änderung des Artikels 44 EnG könnten diese Daten bei einer allfälligen Weiterentwicklung der Energieetikette ebenfalls einbezogen und der Fahrzeugwirtschaft zur Verfügung gestellt werden. Für die Fahrzeugwirtschaft entstünden dabei keine zusätzlichen Kosten für die Beschaffung und Vermittlung dieser Informationen.

Gleiches gilt für serienmässig hergestellte Anlagen und Geräte.

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Mit diesen Anpassungen wird die Grundlage für die Berücksichtigung politischer und gesellschaftlicher Forderungen (Berücksichtigung der Herstellung und Entsorgung der Fahrzeuge), der oben beschriebenen verhaltensökonomischen Erkenntnisse sowie der geplanten Regelungen in der EU geschaffen.

Energieproduktion und Netzeinspeisung durch Verwaltungseinheiten des Bundes Auch Nutzflächen, die im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, sollen für die Produktion erneuerbarer Energie eingesetzt werden. So können etwa Dachflächen, die sich für die Installation von Photovoltaikanlagen eignen, schon heute über Ausschreibungen an Private verpachtet werden, die sich im Auftrag der öffentlichen Hand der Solarstromproduktion annehmen. Dies ist aber nicht in jedem Fall die optimale Lösung. So kommt es etwa bei gewissen Infrastrukturen aus sicherheitstechnischen Gründen nicht in Frage, sie einer Privatperson zur Mitbenutzung anzubieten. Mit der Vorlage soll deshalb die gesetzliche Grundlage für eine Alternative geschaffen werden. In Zukunft sollen die Verwaltungseinheiten des Bundes eigens produzierte, netzgebundene Energien nicht nur am Ort der Produktion verbrauchen dürfen, sondern über das öffentliche Netz auch anderen Verbrauchsstätten des Bundes zur Verfügung stellen dürfen. Für die Benutzung des Elektrizitätsnetzes sind das Netznutzungsentgelt sowie die Abgaben und Leistungen an Gemeinwesen ganz normal geschuldet. Die Energieproduktion muss sich dabei aus Gründen der Wettbewerbsneutralität grundsätzlich auf den bundeseigenen Bedarf beschränken. Soweit sich eine Überschussproduktion nicht vermeiden lässt, darf diese im freien Markt zu Marktpreisen abgesetzt werden. Die neuen Bestimmungen sind insbesondere für den Elektrizitätsbereich relevant. Sie gelten darüber hinaus aber auch für alle anderen Energieträger, die für eine Netzeinspeisung in Frage kommen, könnten also beispielsweise auch für erneuerbare Gase oder Fernwärme von Bedeutung sein. Davon unberührt bleiben kantonale und kommunale Verwaltungseinheiten. Für analoge Gestaltungsweisen müssten die Kantone und Gemeinden eigene Rechtsgrundlagen schaffen.

3.2

Geprüfte Alternativen

Nachfolgend wird spezifisch auf Ausgestaltungsmöglichkeiten eingegangen, die aufgrund der Rückmeldungen aus den Vernehmlassungen oder im Rahmen der Grundlagenarbeiten als konkrete Alternativen geprüft, jedoch aufgrund verschiedener Nachteile verworfen wurden.

Förderung durch Einspeisevergütung anstatt durch Investitionsbeiträge In der Vernehmlassung zur EnG-Revision forderten einige Teilnehmende die Förderung mit einer «gleitenden Marktprämie». Diese ist eine Art Einspeisevergütung, welche der heutigen KEV mit Direktvermarktung, ergänzt durch Auktionen, entspricht.

Die Netzeinspeisung würde über 15 bis 25 Jahre bis ca. ins Jahr 2060 zuzüglich zum Strommarktpreis mit einer Prämie vergütet. Stromproduzenten wären somit gegen Risiken von sinkenden Strommarktpreisen vollständig abgesichert.

Eine solche Weiterführung des bestehenden Einspeisevergütungssystems mit Direktvermarktung als Alternative zu den Investitionsbeiträgen wäre grundsätzlich denkbar.

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Mit diesem Förderinstrument hätten Produzenten dank abgesicherter Erlöse für die Stromeinspeisung eine hohe Investitionssicherheit. Sind ausserdem die Marktpreise über eine längere Periode auf einem sehr tiefen Niveau, führt eine Einspeisevergütung zu einem robusteren Zubau. Mit Investitionsbeiträgen würden in diesem Extremfall weniger Anlagen rentieren.

Eine hohe Investitionssicherheit hat aber ihre Kehrseite. Zum einen werden die Preisrisiken weitgehend sozialisiert, was sich grundsätzlich in höheren Kosten abbilden kann. Gleichzeitig erhalten die Anlagenbetreiber alle Erträge ihrer Investition, es sei denn, es wird eine Rückzahlungsregelung vorgesehen. Zum anderen müsste im Vergleich zum System der Investitionsbeiträge der Netzzuschlagsfonds Reserven für die Einspeisevergütung bilden, um sich gegen schwankende Marktpreise abzusichern.

Diese Reserven würden Fördermittel im Umfang von mindestens 10 Prozent des Fördervolumens binden. Dadurch müssten die Förderkontingente um rund 10 Prozent gekürzt werden, wodurch eine entsprechend kleinere Energiemenge gefördert werden könnte. Weiter sind höhere Systemkosten aufgrund der komplexeren Ausgestaltung der Einspeisevergütung und der Auktionen zu erwarten. Schliesslich sind die Anreize für eine marktgerechte Einspeisung (Marktintegration) mit einer garantierten Einspeiseprämie im Vergleich zu Investitionsbeiträgen geringer.

Mit begrenzten Fördermitteln (Kostendeckel von 2,3 Rp./kWh) lassen sich mit einer derartigen Einspeisevergütung die angestrebten Zubauziele folglich weniger gut erreichen, weil damit im Vergleich zu Investitionsbeiträgen mehr Fördermittel gebunden werden. Mit Investitionsbeiträgen können dagegen mit gleichen Mitteln mehr Kilowattstunden zugebaut werden.

Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass es abgesehen von der Photovoltaik für eine wettbewerbliche Ausgestaltung der Einspeisevergütung in Form von Auktionen eine ungenügende Anzahl Projekte in der Schweiz gibt. Ohne einen liquiden Markt kann keine wettbewerbliche Preisbildung stattfinden, und die Effizienzgewinne der Auktionen für die Einspeiseprämien dürften zumindest teilweise wieder verloren gehen. Dies zeigen auch Erfahrungen im Ausland.

Pauschale anstatt auf geeignete Kundensegmente zugeschnittene Wahlfreiheit beim Messwesen Hinsichtlich der Alternativen bei der Organisation
des Marktes für das Messwesen wurden im Vergleich zur vorgeschlagenen Teilmarktöffnung unterschiedliche Alternativen einer vollen Marktöffnung untersucht. Bei einer Marktöffnung im Messwesen ist zu beachten, dass der Smart-Meter-Rollout schon am Laufen (~1,5 Mio. Zähler wurden Anfang 2020 installiert) und die weitere Dynamik erheblich sind (wahrscheinlich 60 % bis 70 % des Einsatzes bis 2024/2025). Die Interoperabilität der «ausgerollten» intelligenten Messgeräte ist beschränkt und nicht ohne Zusatzkosten umfassend realisierbar. Eine Wiederverwendung dieser Geräte durch dritte Anbieter ist eher unsicher. Wenn die derzeit installierten Zähler weitgehend abgeschrieben sind, kann zu einem späteren Zeitpunkt über eine weitergehende Standardisierung beim Zählerersatz beziehungsweise nach dem Rollout eine umfassendere Interoperabilität leichter erreicht werden. Zugleich ist das Innovationspotenzial bei den Energiedienstleistungen (v. a. Innovationen bei der Energieeffizienz und der Flexibilitätsnutzung), die von einer vollen Marktöffnung profitieren würden, beträchtlich. Dieses gewinnt künftig 57 / 146

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an Bedeutung. Eine Kosten-Nutzen-Analyse zeigt, dass der Zeitpunkt einer vollen Marktöffnung im Messwesen den volkswirtschaftlichen Vorteil massgeblich beeinflusst. In Abwägung dieser Erkenntnisse wurde die in der Vernehmlassung vorgeschlagene Teilmarktöffnung auf Endkundenbereiche erweitert, bei denen der Zugang zu innovativen Angeboten von höherer Bedeutung ist (Teilmarktöffnung «plus»).

Eine vollständige Öffnung zum jetzigen Zeitpunkt wird jedoch verworfen. Die verbleibenden Kundensegmente im Monopol der Verteilnetzbetreiber sollen durch eine Kostenkontrolle und die Anwendung der Sunshine-Regulierung geschützt werden, damit Preisüberhöhungen korrigiert werden können. Ferner wurde durch eine Anpassung der StromVV per 1. Januar 2021 der Zugriff auf die Messdaten verbessert, sodass sich schon eine erheblichere Marktdynamik bei den Energiedienstleistungen abbilden lässt (aber nicht alle neuartigen Dienstleistungen).

Schweizerische Beherrschung der Swissgrid Es wurden auch Alternativen zu den unter Ziffer 3.1.14 dargestellten Massnahmen zur Sicherung der schweizerischen Beherrschung geprüft, aus Verhältnismässigkeitsgründen aber verworfen. So hätten zum Beispiel relevante Aktientransaktionen einer Melde- und Bewilligungspflicht unterworfen werden können, was aber nur Wirkung zeigen würde, wenn auch die indirekten Beteiligungsverhältnisse erfasst würden, also das Aktionariat der Swissgrid-Aktionäre. Solch intensive Eingriffe in Sphären, die vom StromVG nicht erfasst sind, wären kaum zu rechtfertigen. Ebenfalls verzichtet wird darauf, nebst den Stimmrechten auch andere Aktionärsrechte, so das Recht auf Dividende, zu suspendieren. Was das Vorkaufsrecht betrifft, wurde der Ansatz verworfen, den Berechtigtenkreis zu verkleinern, zum Beispiel auf bisherige Aktionäre, wie das die heutigen Statuten tun. Das wäre im Widerspruch zum Ansatz, die Swissgrid unabhängiger von der Strombranche zu machen.

Governance von Pronovo Die Pronovo AG wickelt im Auftrag des Bundes die Förderprogramme für erneuerbare Energien ab. In der Vernehmlassung zur EnG-Revision hatte der Bundesrat die Governance der Pronovo AG hinterfragt und mit Blick auf die Botschaft eine entsprechende Überprüfung in Aussicht gestellt. Diese benötigt indes mehr Zeit als ursprünglich erwartet. Aus diesem Grund wird im Rahmen dieser Botschaft auf Anpassungen bei Governance und Zuständigkeit von Pronovo verzichtet.

3.3

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

In Anbetracht der volkswirtschaftlichen Kosten, welche als Folge mangelnder Versorgungssicherheit entstehen können, ist eine über Abgaben finanzierte Beanreizung von Investitionen in eine sichere Stromversorgung gerechtfertigt. Dies gilt sowohl für die Förderinstrumente gemäss EnG als auch für die Unterstützung des Ausbaus von spezifisch im Winter abrufbarer Energie. Beide Massnahmen stärken die Versorgungssicherheit. Auch die geplante Energiereserve ist als zusätzliche Versicherung für die Gewährleistung der Schweizer Stromversorgung zu sehen. Ihre Finanzierung

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durch die Umwälzung auf die Netznutzungsentgelte stellt eine äusserst moderate Zusatzbelastung für die Stromkonsumentinnen und -konsumenten dar, welche in einem vorteilhaften Verhältnis zum Nutzen des Instruments steht.

3.4

Umsetzungsfragen

Im Stromversorgungsrecht spielt das Subsidiaritätsprinzip eine wichtige Rolle. Artikel 3 Absatz 1 StromVG bestimmt, dass der Bund in der Umsetzung des Gesetzes insbesondere mit den Organisationen der Wirtschaft zusammenarbeitet. Dies soll weiterhin so bleiben, auch bei der Umsetzung dieser Vorlage. Soweit nötig wird der Bundesrat Ausführungsbestimmungen erlassen oder aber ­ bei Regelungen besonders technischer oder administrativer Natur ­ den Erlass solcher Bestimmungen bis auf Stufe Bundesamt delegieren (Art. 30 Abs. 3 StromVG). Dabei soll der Elektrizitätswirtschaft der zur Erfüllung ihrer Aufgabe notwendige Handlungsspielraum belassen werden. Die Elektrizitätsbranche ist ihrerseits gefordert, im gegebenen Rahmen allgemein akzeptierte Konzepte und Vorschläge zur Umsetzung des StromVG zu erarbeiten.

Der Vollzug der Instrumente zur Unterstützung des Ausbaus der erneuerbaren Energien erfolgt einerseits durch das BFE (vgl. dazu Ziff. 6.1 und 6.2), andererseits durch die Vollzugsstelle gemäss Artikel 64 EnG. Die Vollzugskosten können mit dem Netzzuschlag beziehungsweise dem gemäss Artikel 9bis StromVG erhobenen Zuschlag gedeckt werden.

4

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

4.1

Energiegesetz (EnG)

Art. 2

Ziele für den Ausbau der Produktion von Elektrizität aus erneuerbaren Energien

Der Artikel sieht für den Ausbau der Elektrizität aus erneuerbaren Energien (Abs. 1) und die Produktion von Elektrizität aus Wasserkraft (Abs. 2) neu verbindliche Ziele für die Jahre 2035 und 2050 vor. Sollte sich abzeichnen, dass diese Werte nicht erreicht werden können, so hat der Bundesrat dem Parlament gestützt auf Artikel 55 zusätzliche Massnahmen zu beantragen.

Art. 3

Verbrauchsziele

Neu spricht das Gesetz von Verbrauchszielen, die es zu erreichen gilt, und nicht mehr von Verbrauchsrichtwerten. Für das Jahr 2035 entsprechen die Werte der bisherigen Regelung, neu werden auch Energie- und Elektrizitätsverbrauchsziele für das Jahr 2050 festgelegt (vgl. Ziff. 3.1.2).

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Art. 13 Abs. 1 Bst. a Aufgrund der Änderung in Artikel 3 ist vorliegend neu von Ausbauzielen und nicht mehr von Ausbaurichtwerten zu sprechen.

Art. 15 Abs. 3 und 4 Da sich die Grundversorgungstarife im vollständig geöffneten Markt im Rahmen der Marktpreise vergleichbarer Elektrizitätsprodukte des betreffenden Jahres bewegen müssen (vgl. Art. 6 Abs. 3 StromVG), haben sich auch die gemäss Artikel 15 Absatz 3 zu bezahlenden Vergütungen für Elektrizität nach den Marktpreisen zu richten. Wären höhere Vergütungen vorgeschrieben, so würden die Netzbetreiber zu systematischen Verlusten gezwungen. Die geltende Vorgabe, wonach sich die Vergütung für Elektrizität aus fossil und teilweise fossil befeuerten Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen nach dem Marktpreis im Zeitpunkt der Einspeisung richtet, wird somit auch auf Elektrizität aus erneuerbaren Energien ausgedehnt. Wie bei Elektrizität aus den erfassten WärmeKraft-Kopplungsanlagen, sollen auch bei Elektrizität aus erneuerbaren Energien die Stundenpreise an der Strombörse für den Folgetag im Marktgebiet Schweiz massgebend sein (vgl. Art. 12 Abs. 2 der Energieverordnung vom 1. November 201730 [EnV]). Abgesehen davon ändert sich nichts. Insbesondere kommt die Vorschrift zur Vergütungshöhe nur subsidiär zur Anwendung, wenn sich die Parteien nicht einigen können. Auch trifft die Pflicht zur Abnahme und Vergütung weiterhin den lokalen Verteilnetzbetreiber, unabhängig davon, ob ein Prosumer von seinem Recht auf Netzzugang Gebrauch gemacht hat oder nicht. Für Photovoltaikanlagen ist Artikel 75b zu berücksichtigen.

Anstatt aufgrund der neuen Bestimmungen zu den Investitionsbeiträgen den Verweis in Absatz 4 anzupassen, wird nur noch die Ausnahme von der Abnahme- und Vergütungspflicht aufgeführt und darauf verzichtet, explizit zu erwähnen, dass die Pflicht auch bei Anlagen gilt, für die eine Einmalvergütung oder ein Investitionsbeitrag in Anspruch genommen wurde.

Art. 16 Abs. 1 vierter Satz und Abs. 2 Dass das Verteilnetz beim Eigenverbrauch nicht benutzt werden darf, ist ein Element des Eigenverbrauchsbegriffs selbst. Mit der parlamentarischen Initiative 12.400, mit welcher der Eigenverbrauch erstmals ausdrücklich normiert worden ist, hielt der Gesetzgeber fest, dass kein Eigenverbrauch mehr vorliegt, wenn das Netz des Netzbetreibers zwischen Produktionsanlage und
Verbrauch in Anspruch genommen wird.31 Neu soll der Bundesrat gemäss Absatz 1 vierter Satz erlauben können, dass für den Eigenverbrauch auch Anschlussleitungen für die Stromdurchleitung benutzt werden können. Die selbst produzierte Elektrizität würde damit auch dann als am Ort der Produktion verbraucht gelten, wenn sie via Anschlussleitungen zum Beispiel zu ZEVMitgliedern gelangt. An den elektrizitätsrechtlichen Rollen und Verantwortlichkeiten ändert sich dadurch nichts, jedoch können bei Bestandsbauten der Bau von kostenin-

30 31

SR 730.01 BBl 2013 1669, hier 1677.

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tensiven Parallelleitungen vermieden und Benachteiligungen im Vergleich zu Neubauten reduziert werden. Da Anschlussleitungen Teil des Verteilnetzes des Netzbetreibers sind (vgl. Art. 2 Abs. 2 der Niederspannungs-Installationsverordnung vom 7. November 200132, NIV), wird die Kompetenz dem Bundesrat mit Blick auf die erwähnte parlamentarischen Initiative 12.400 ausdrücklich auf Gesetzesstufe verliehen.

Die Nutzung von Anschlussleitungen ist im Kontext der Klarstellung in Artikel 18 Absatz 1 zu sehen, wonach ZEV einen virtuellen Messpunkt als Schnittstelle zum Netz verwenden können. An diesem Punkt bestimmt sich, welcher Teil des Stromverbrauchs eines ZEV als Netzbezug gilt und welcher Teil als Eigenverbrauch. Weil der ZEV gegen aussen unverändert wie ein einziger Endverbraucher zu behandeln ist (vgl.

Erläuterungen zu Art. 18 Abs. 1), muss auf dem Eigenverbrauch auch bei einer solchen Messung kein Netznutzungsentgelt bezahlt werden, denn es handelt sich dabei um einen rein ZEV-internen Vorgang und somit nicht um eine Ausspeisung im Sinne des StromVG. Das passt mit dem Umstand zusammen, dass Anschlussleitungen von den Netzanschlussnehmerinnen und -nehmern grundsätzlich individuell bezahlt werden sollten33 und diesfalls keine von den Endverbraucherinnen und Endverbrauchern über das Netznutzungsentgelt zu finanzierende Infrastruktur benutzt würde (vgl.

Art. 14 Abs. 3bis StromVG). Der Bundesrat wird unter Berücksichtigung dieser Grundsätze insbesondere zu entscheiden haben, ob eine allfällige Erlaubnis für alle Anschlussleitungen gelten soll oder nur für jene, die tatsächlich individuell bezahlt worden sind. Sollten alle Anschlussleitungen erfasst sein, so würde unabhängig von der Art der Finanzierung auf den eigenverbrauchten Teil kein Netznutzungsentgelt anfallen (keine Ausspeisung). Weiter muss sichergestellt sein, dass das Element des Orts der Produktion nicht ausgehöhlt wird. Eine Erlaubnis zur Nutzung von Anschlussleitungen sollte aber zumindest auch Konstellationen einschliessen, bei denen aus technischer Sicht zusätzlich kleinste Teile des über die Netznutzungsentgelte finanzierten «öffentlichen Verteilnetzes», wie etwa Schutzinstallationen, genutzt werden. Das kann beispielsweise an einem Verknüpfungspunkt mit dem Verteilnetz der Fall sein, wo mehrere Anschlussleitungen zu den einzelnen
ZEV-Mitgliedern abgehen. Eine Ausspeisung im Sinne des StromVG läge auch hier nicht vor.

Die Thematik der Ausgestaltung der Netznutzungstarife ist von den vorliegenden Änderungen nicht tangiert. Falls sich dereinst die geografische Nähe von Produktion und zeitgleichem Verbrauch auch in den Kosten für die Netznutzung niederschlagen können soll (sog. lokale Netznutzungstarife), was eine über die Anschlussleitungen hinausgehende Nutzung des Verteilnetzes impliziert, müssten die Netztarifierungsgrundsätze des StromVG angepasst werden. Dazu wären eingehende Abklärungen und sorgfältige Interessenabwägungen notwendig, um weiterhin eine verursachergerechte Verteilung der Netzkosten sicherzustellen.

Aufgrund der neuen Bestimmungen zu den Investitionsbeiträgen muss der Verweis in Absatz 2 angepasst werden.

32 33

SR 734.27 BBl 2005 1611, hier 1618.

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Art. 17 Abs. 1 erster Satz, Abs. 2, 3, 3bis und 4 zweiter Satz Die Änderung in Absatz 1 hängt mit der Klarstellung in Artikel 18 Absatz 1 zusammen, wonach für ZEV nicht ein einziger (physischer) Messpunkt vorgeschrieben wird. Daher ist es treffender, hier von der Anschlussleistung des Zusammenschlusses zu sprechen statt von der Anschlussleistung am Messpunkt.

Die Änderungen in Absatz 2 stehen im Zusammenhang mit der vollständigen Marktöffnung. Im geltenden Recht haben die Endverbraucherinnen und Endverbraucher mit einem Jahresverbrauch von weniger als 100 MWh pro Verbrauchsstätte keinen Anspruch auf Netzzugang und sind in der Grundversorgung gefangen. Wenn sich nun die Grundeigentümerin oder der Grundeigentümer zwischen die (vormaligen) Endverbraucherinnen und Endverbraucher und den Grundversorger schiebt, ist es folgerichtig, dass die Grundeigentümerin oder den Grundeigentümer gegenüber den ZEVMitgliedern sinngemäss die Grundversorgungspflichten treffen. In einem vollständig geöffneten Markt macht das konzeptionell hingegen keinen Sinn mehr. Die Grundversorgung ist nicht mehr als Pflichtgefäss, sondern als sicherer Hafen zu verstehen, in dem eine Endverbraucherin oder ein Endverbraucher mit einem Jahresverbrauch von weniger als 100 MWh pro Verbrauchsstätte bleiben oder in den sie oder er jederzeit zurückkehren kann. Die Grundversorgung ist alleine die Aufgabe des lokalen Netzbetreibers (Art. 6 Abs. 1 StromVG). Die Grundeigentümerin oder der Grundeigentümer ist im vollständig geöffneten Markt als «normaler Lieferant» zu sehen, von dem sich die Mieterinnen und Mieter oder die Pächterinnen und Pächter beliefern lassen können, falls sie dies wünschen. Auf der anderen Seite soll die Grundeigentümerin oder der Grundeigentümer in ihrer oder seiner Lieferantenrolle, wie jeder andere Lieferant auch, in der Preisfestsetzung frei und nicht an die Vorschriften von Artikel 6 StromVG gebunden sein. Daher werden die Passagen mit Bezug zur sinngemässen Grundversorgungspflicht der Grundeigentümerin oder des Grundeigentümers gestrichen. Im ersten Satz wird zudem festgehalten, dass die Grundeigentümerin oder der Grundeigentümer am Ort der Produktion Endverbraucherinnen und Endverbrauchern einen ZEV anbieten kann, die zu ihr oder zu ihm in einem Miet- oder Pachtverhältnis stehen. Die Formulierung im geltenden Recht,
wonach die Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer den ZEV «vorsehen» können, passt nicht mehr in einen vollständig geöffneten Markt, in dem die Grundeigentümerin oder der Grundeigentümer ein «normaler Lieferant» ist und die ZEV-Mitglieder ihre Ansprüche auf Grundversorgung und Netzzugang behalten (Art. 17 Abs. 3bis). Diese neue Ausgangslage ist insbesondere bei der Einführung eines ZEV gegenüber Mieterinnen und Mietern und Pächterinnen und Pächtern zu berücksichtigen. Schliesslich bleibt der zweite Satz, wonach die Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer für die Versorgung der ZEV-Mitglieder verantwortlich sind, bestehen. Da diese mit der Einführung des ZEV ihre Endverbraucherposition verlieren, ist es an der Grundeigentümerin oder am Grundeigentümer, den nicht durch die Eigenproduktion abgedeckten Bedarf zu beschaffen.

Gemäss geltendem Absatz 3 kann sich eine Endverbraucherin oder ein Endverbraucher im Zeitpunkt der Einführung eines ZEV für die Grundversorgung entscheiden.

In einem vollständig geöffneten Markt muss sie oder er sich zusätzlich auch für die Belieferung durch einen Lieferanten nach ihrer oder seiner Wahl entscheiden können.

Dieses zweite Element wird neu in Buchstabe b eingefügt. Die Teilnahme an einem 62 / 146

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ZEV muss ­ wie jede Lieferantenwahl ­ ein bewusster Entscheid sein (Opt-in). Trifft eine Mieterin oder ein Mieter bei einem Wohnsitzwechsel keine Lieferantenwahl, so fällt sie oder er am neuen Ort standardmässig in die Grundversorgung des Netzbetreibers.

Die Grundaussage im geltenden Absatz 3 dritter Satz, wonach die (vormaligen) Endverbraucherinnen und Endverbraucher ihren Anspruch auf Netzzugang behalten, soweit er ihnen gemäss StromVG zukommt, wird in einen neuen Absatz 3bis verschoben und um den Anspruch auf Grundversorgung ergänzt, denn Endverbraucherinnen und Endverbraucher mit einem Jahresverbrauch von weniger als 100 MWh pro Jahr haben nicht nur das Recht, zu einem Lieferanten nach ihrer Wahl zu wechseln, sondern auch, in den sicheren Hafen der Grundversorgung zurückzukehren (Art. 6 Abs. 1 StromVG). Dies gilt insbesondere auch für bestehende ZEV, bei denen die Teilnahme in einem Mietvertrag geregelt ist. Daraus ergibt sich, dass Mieterinnen und Mieter und Pächterinnen und Pächter im vollständig geöffneten Markt nicht nur die Wahl haben, an einem ZEV teilzunehmen oder sich vom Grundversorger oder einem Drittlieferanten beliefern zu lassen, sondern auch, dass sie den ZEV auch jederzeit im Rahmen der Fristen gemäss Wechselprozessen wieder verlassen können (Art. 13a StromVG). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Teilnahme an einem ZEV für Mieterinnen und Mieter und Pächterinnen und Pächter sehr interessant ist, weil auf dem eigenverbrauchten Strom keine Netznutzungskosten anfallen, sodass bei der Preisgestaltung mehr Spielraum besteht und zusätzlich erneuerbarer, lokal produzierter Strom verbraucht wird. Verlässt ein ZEV-Mitglied den Zusammenschluss, so wird es wieder zu einer eigenständigen Endverbraucherin oder zu einem eigenständigen Endverbraucher mit einer eigenen Schnittstelle zum Netz, weshalb sichergestellt werden muss, dass das eingesetzte Messgerät den Vorgaben des Stromversorgungsrechts genügt.

Ein separater physischer Anschluss ist selbstverständlich nicht nötig, die Trennung ist messtechnisch zu vollziehen, das heisst, der Verbrauch der betreffenden Endverbraucherin oder des betreffenden Endverbrauchers wird grundsätzlich vollständig als Netzbezug betrachtet. Kostenseitig werden auf Gesetzesstufe für Austritte aus einem ZEV keine Spezialregeln aufgestellt. Im Sinne eines
Grundsatzes gelten diesbezüglich, je nach Art der notwendigen Arbeiten, die allgemeinen Regeln für Netzanschlüsse, elektrische Installationen und das Messwesen. Bei Bedarf kann der Bundesrat Justierungen vornehmen (Art. 18 Abs. 2 Bst. a und b).

In Absatz 4 wird das Wort «unmittelbar» eingefügt. Dadurch wird die Stossrichtung der Bestimmung klarer gefasst. Es muss den Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern selbstverständlich möglich sein, die ihnen im Zusammenhang mit der Einführung des ZEV angefallenen Kosten über die Zeit zu amortisieren, ansonsten sie zu einem Verlustgeschäft gezwungen würden. Sie dürfen solche Kosten den Mieterinnen und Mietern oder den Pächterinnen und Pächtern nicht unmittelbar überwälzen, zulässig ist aber eine Einpreisung in den internen Strompreis. Weiter können derartige Kosten Mehrleistungen betreffen, die sich unabhängig von der Teilnahme an einem ZEV ergeben. Deshalb ist auch an allfällige mietrechtliche Möglichkeiten der Überwälzung zu denken, die vom EnG nicht berührt werden.

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Art. 18 Sachüberschrift und Abs. 1 Die hauptsächliche Änderung in Absatz 1 betrifft die Schnittstelle zum Netz. Gemäss geltendem Recht verfügt der ZEV über einen einzigen Messpunkt wie ein Endverbraucher. Der Gesetzgeber ist hier von der Konzeption einer einzigen Anschlussleitung und damit eines einzigen physischen Messpunkts ausgegangen, hinter dem der ZEV im Sinne eines «Gebildes hinter dem Netz» angeschlossen ist.34 Indem der Passus zum einzigen Messpunkt entfernt wird, wird klargestellt, dass die Schnittstelle zum Netz auch ein virtueller Messpunkt sein kann, bei dem die bei den vormals eigenständigen Endverbraucherinnen und Endverbrauchern verbauten Messgeräte nicht nur für die ZEV-interne Messung verwendet werden, sondern zusätzlich auch zur Bestimmung des Elektrizitätsbezugs des ZEV aus dem Netz. Mit einer solchen Messung wird am ZEV konzeptionell nichts geändert, er bleibt gegen aussen eine Einheit, das heisst ein einziger Endverbraucher und damit ein Gebilde «hinter dem Netz» (vgl.

Erläuterungen zu Art. 16 Abs. 1). Sobald es um den Austausch mit dem Netz geht, müssen die Messgeräte den Vorgaben des Stromversorgungsrechts genügen. In Absatz 1 kommt nun nur noch der Kern dessen zum Vorschein, was der ZEV im Aussenverhältnis ist, nämlich eine Verbrauchsgemeinschaft. Er ist als Einheit, das heisst wie ein einziger Endverbraucher, zu behandeln. Die vormals eigenständigen Endverbraucherinnen und Endverbraucher gibt es im Aussenverhältnis nicht mehr. Das gilt für den Netzbetreiber, als auch für einen allfälligen Drittlieferanten oder Messstellenbetreiber oder Messdienstleister. Der Einheitsgedanke impliziert denn auch, dass jeder ZEV eine Ansprechperson gegen aussen bestimmen muss, die gewisse Meldepflichten treffen können.

Art. 18a

Energieeinspeisung durch den Bund

Mit dieser neuen Bestimmung können die Verwaltungseinheiten des Bundes ihren Energiebedarf auch über die Nutzung der öffentlichen Netze durch Eigenproduktion selbst decken. Die neue Regelung bedarf zweier Vorbemerkungen. Erstens gilt sie nicht für die Einheiten der dezentralen Bundesverwaltung. Für diese müssten in den jeweiligen spezialgesetzlichen Rechtsgrundlagen eigene Regelungen geschaffen werden. Zweitens liegt die Zuständigkeit für die Umsetzung von Artikel 18a bei denjenigen Verwaltungseinheiten, die schon heute für die Gebäude und Infrastrukturen des Bundes zuständig sind. Damit sind gemäss der Verordnung über das Immobilienmanagement und die Logistik des Bundes vom 5. Dezember 200835 die sogenannten Bau- und Liegenschaftsorgane (BLO) angesprochen. Zu diesen gehören das Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) und das Bundesamt für Rüstung (Armasuisse).

Hinsichtlich der Infrastrukturen im Bereich der Nationalstrassen ist ausserdem das Bundesamt für Strassen (ASTRA) zuständig (Art. 54 der Nationalstrassenverordnung vom 7. November 200736).

Absatz 1 bringt zum Ausdruck, dass grundsätzlich nur so viel Energie produziert werden darf, wie die betreffenden Verwaltungseinheiten selbst verbrauchen können. Die Energie darf also mit anderen Worten nicht gezielt für den Absatz im freien Markt 34 35 36

Vgl. AB 2015 S 949 SR 172.010.21 SR 725.111

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produziert werden (vgl. Art. 94 Abs. 1 und 4 BV37). Da sich der Verbrauch und die Produktion nicht exakt prognostizieren lassen, kann es bisweilen dennoch zu einer Überschussproduktion kommen. Gerade die Solarstromproduktion unterliegt witterungsbedingt saisonalen und tageszeitlichen Schwankungen. Diese überschüssig produzierte Energie, die sich weder am Ort der Produktion verbrauchen lässt, noch einer anderen Verbrauchsstätte des Bundes zur Verfügung gestellt werden kann, darf im freien Markt zu marktüblichen Preisen abgesetzt werden. Um eine solche Überschussproduktion gering zu halten, kann der Zusammenschluss mehrerer Verwaltungseinheiten zur Bündelung von Produktion und Verbrauch sinnvoll sein. Hierfür können im Bereich der Stromversorgung eigene Bilanzgruppen oder Subbilanzgruppen gebildet werden (Art. 4 Abs. 1 Bst. ebis StromVG und Art. 23 StromVV). Über diese lassen sich die betreffenden Ein- und Ausspeisepunkte des Elektrizitätsnetzes derselben wirtschaftlichen Einheit zuordnen. Nach der vollständigen Strommarktöffnung gibt es diesbezüglich kein Hindernis mehr: Fortan kann der Stromlieferant auch an kleineren Verbrauchsstätten frei gewählt werden. Was die Verbrauchsstätten anbelangt, die in die Zuständigkeit des BBL und des ASTRA fallen, können aber auch schon im Regime der Teilmarktöffnung ungefähr 90 Prozent der verbrauchten Elektrizität von einem Lieferanten freier Wahl beschafft werden. Damit ist es bereits jetzt möglich, die Energieproduktion im Sinne der Vorbildfunktion grossflächig voranzutreiben. Zudem steht jederzeit auch die Möglichkeit offen, eine Anlage im Contracting betreiben zu lassen (Verpachtung der Dachfläche zwecks Solarstromproduktion durch einen Dritten).

Da eine Überschussproduktion nicht systematisch auftreten darf und sie ausserdem zu Marktpreisen angeboten werden muss (Abs. 1), dürfte weitgehend sichergestellt sein, dass der Bund nicht zu einem relevanten Marktakteur wird, zumal sich der Energiebedarf der zentralen Bundesverwaltung auf rund 0,1 Prozent des gesamten Schweizer Stromkonsums beläuft. Falls dennoch ein wesentlicher Einfluss auf die Marktpreise festzustellen ist, läge es nach Absatz 2 am UVEK, die gebotene Wettbewerbsneutralität zu gewährleisten und die betreffenden Verwaltungseinheiten anzuweisen, den Verkauf beziehungsweise die Produktion entsprechend
einzuschränken.

Gestützt auf Absatz 3 kann der Bundesrat die Verwendung der Herkunftsnachweise (HKN) regeln. Diese Delegationsnorm ist vorerst nur für den Elektrizitätsbereich relevant. Weder im Gasbereich noch in anderen Energiebereichen gibt es derzeit ein gesetzlich geregeltes Herkunftsnachweiswesen. Auf Verordnungsstufe könnten die betreffenden Verwaltungseinheiten etwa dazu angehalten werden, die Herkunftsnachweise so zu verwenden, dass die bundesinternen Stromlieferungen auch in der Stromkennzeichnung reflektiert sind. Der beauftragte Lieferant müsste seine Stromlieferungen demnach mit den zugehörigen HKN unterlegen. Davon ausgenommen wären HKN, die für Elektrizität ausgestellt wurden, die im Eigenverbrauch unmittelbar am Produktionsort verbraucht wird (Art. 16 Abs. 1 EnG). Solche HKN werden nach Artikel 3 Absatz 1 EnV vorab entwertet, fliessen also nicht in die Stromkennzeichnung ein. Für die Überschussproduktion, die gestützt auf Absatz 1 im freien Markt abgesetzt wird, drängt sich eine Einschränkung der freien Handelbarkeit der bezüglichen HKN nicht auf. Im Sinne der gebotenen Wettbewerbsneutralität dürfen diese HKN aber nur 37

SR 101

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zu marktgerechten Konditionen veräussert werden. Weiter kann der Bundesrat gestützt auf Absatz 2 die Verwendung der aus dem Energieverkauf resultierenden Einkünfte regeln. In der Gestaltung der Stromgeschäfte untereinander bleiben die Verwaltungseinheiten (bzw. die BLO) aber in jedem Fall frei.

Art. 19 Abs. 6 Eine leichte Umformulierung dieser Bestimmung wird nötig, da für die Einmalvergütung keine maximale Leistungsgrenze mehr vorgesehen ist.

Art. 24

Grundsätze

In Artikel 24 Absatz 1 wird der Grundsatz festgehalten, dass Investitionsbeiträge in Anspruch genommen werden können, soweit und sofern die Mittel des Netzzuschlagsfonds dazu reichen. Für welche Art von Projekten und Anlagen und in welcher Form Investitionsbeiträge beantragt werden können, wird je separat bei den Bestimmungen zu den einzelnen Technologien geregelt.

Neu besteht die Möglichkeit, bereits einen Investitionsbeitrag für die Projektierung einer neuen oder erheblich erweiterten Elektrizitätsproduktionsanlage zu erhalten. Um zu verhindern, dass aufgrund dieser neuen Möglichkeit die Arbeiten für neue Projekte bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes verzögert werden, können die erbrachten Projektierungsleistungen rückwirkend ab der Eröffnung der Vernehmlassung angerechnet werden (Abs. 2).

Art. 25

Investitionsbeitrag für Photovoltaikanlagen

Neu wird in Artikel 25 geregelt, für welche Photovoltaikanlagen ein Investitionsbeitrag in Anspruch genommen werden kann (Abs. 1). Dabei werden reine Erneuerungen von Photovoltaikanlagen nicht mehr von einem Investitionsbeitrag profitieren können. Wird eine Anlage so erneuert, dass sie gleichzeitig eine Leistungssteigerung erfährt, die das Kriterium der erheblichen Erweiterung erfüllt, so wird ­ wie bis anhin ­ eine Einmalvergütung in Anspruch genommen werden können.

Der mögliche Höchstbeitrag von 30 Prozent wird grundsätzlich beibehalten (Abs. 2).

Für Anlagen, die die gesamte produzierte Elektrizität einspeisen, wird der Höchstbeitrag gemäss Absatz 3 auf 60 Prozent erhöht, insbesondere damit für die Auktionen für die Einmalvergütung mehr Flexibilität geschaffen und mehr zusätzliches Potenzial zur Elektrizitätserzeugung aus Photovoltaikanlagen erschlossen werden kann.

Art. 25a

Auktionen für die Einmalvergütung

Bei den heute geltenden Vergütungssätzen für die Einmalvergütung können nur Anlagen kostendeckend betrieben werden, bei denen ein Teil der erzeugten Elektrizität am Ort der Produktion selber verbraucht wird. Dies führt dazu, dass viele grosse Photovoltaikanlagen, bei denen nicht oder nur in beschränktem Mass Eigenverbrauch möglich ist, nicht gebaut werden. Um zusätzliches Potenzial an grossen Photovoltaikanlagen zu erschliessen, soll der Bundesrat die Möglichkeit erhalten, Auktionen zur

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Gewährung und gleichzeitigen Festsetzung der Höhe von Einmalvergütungen durchzuführen (Abs. 1). In einem ersten Schritt sollen Auktionen für grosse Anlagen eingeführt werden, die die gesamte erzeugte Elektrizität ins Netz einspeisen, denn dieser Bereich weist ein grosses Zubaupotenzial auf (beispielsweise landwirtschaftliche Bauten).

Zusammen mit der Einführung von Auktionen wird der Bundesrat gestützt auf Absatz 1 festlegen, ab welcher Leistung Photovoltaikanlagen an den Auktionen teilnehmen können. Dabei ist zu beachten, dass das Potenzial der in Frage kommenden Flächen mit der Höhe dieser Leistungsuntergrenze stark abnimmt (z. B. macht das Potenzial von Dachanlagen mit mindestens 400 kW nur etwa 4 % des gesamten ausschöpfbaren Dachpotenzials aus). Um einen funktionierenden Anbieter-Wettbewerb zu ermöglichen und die Auktionen gleichzeitig häufig durchführen zu können, ist deshalb eine möglichst tiefe Untergrenze anzustreben. Gleichzeitig muss die Grenze aber auch genügend hoch liegen, damit der Aufwand für die Teilnahme an einer Auktion in einem nachvollziehbaren Verhältnis zum Betrag der in der Auktion gesprochenen Fördergelder steht. Weiter wird der Bundesrat die Grundzüge des Auktionsverfahrens, die Voraussetzungen für die Teilnahme und den Zuschlag sowie weitere Modalitäten regeln. Dabei stellt er sicher, dass ein tatsächlicher Anbieter-Wettbewerb stattfindet.

Um sicherzustellen, dass eine Photovoltaikanlage, für die im Auktionsverfahren ein Zuschlag erteilt wurde, auch tatsächlich gebaut wird, beziehungsweise um eine allenfalls zu verfügende Sanktion später auch einbringen zu können, kann der Bundesrat vorsehen, dass als Voraussetzung für die tatsächliche Zusicherung der Einmalvergütung eine Sicherheitsleistung zu hinterlegen ist (Abs. 4).

Auch mit der in Absatz 5 enthaltenen Möglichkeit, eine Sanktion vorzusehen für den Fall, dass eine im Auktionsverfahren angebotene Photovoltaikanlage nicht oder nicht wie angekündigt gebaut wird, erhält der Bundesrat ein Mittel, um die Realisierungswahrscheinlichkeit von Photovoltaikanlagen, für die ein Zuschlag erteilt wird, zu erhöhen. Eine entsprechende Sanktion würde zusätzlich zur Rückforderung, wie sie in Artikel 28 des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 199038 (SuG) vorgesehen ist, hinzukommen.

Art. 26

Investitionsbeitrag für Wasserkraftanlagen

Mit dem Wegfall der KEV haben neue Anlagen ab 1 MW Anspruch auf einen Investitionsbeitrag. Erhebliche Erweiterungen von bestehenden Anlagen erhalten einen Beitrag, wenn die Anlage nach der Erweiterung eine Leistung von mindestens 300 kW aufweist. Dagegen erhalten erhebliche Erneuerungen nur noch bis zu einer Leistung von höchstens 5 MW einen Beitrag: Bei kleinen Wasserkraftanlagen ist eine Erneuerung nicht wirtschaftlich. Daher würden sie ohne einen Investitionsbeitrag nicht ersetzt, sondern abgestellt. Grössere Anlagen können hingegen wirtschaftlich betrieben werden und so die Investition in die Erneuerung amortisieren (Abs. 1). Der Bundesrat kann diese Leistungsobergrenze herabsetzen (Art. 29 Abs. 3 Bst. j EnG).

Die Bestimmung, dass Pumpspeicherkraftwerke keinen Investitionsbeitrag erhalten sollen, wird in Absatz 2 präzisiert. Gemäss den parlamentarischen Diskussionen im 38

SR 616.1

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Rahmen der Energiestrategie 2050 sollten nur reine Pumpspeicherkraftwerke von der Förderung mit Investitionsbeiträgen ausgeschlossen sein. Aus diesem Grund wird bei Anlagen mit teilweisem Umwälzbetrieb nur dieser ausgeschlossen. Dies ist bereits heute Praxis. Sollten im Zuge des Ausbaus der erneuerbaren Energien, insbesondere der Photovoltaik, mehr Speichermöglichkeiten benötigt oder im Zusammenhang mit der Netzstabilität eine grössere Flexibilisierung der Stromproduktion notwendig werden, kann der Bundesrat festlegen, dass Pumpspeicherkraftwerke trotz des grundsätzlichen Ausschlusses einen Investitionsbeitrag erhalten können. Dies allerdings unter den Voraussetzungen, dass diese Technologie im Vergleich zu anderen Technologien wie Wasserstoff die beste Lösung ist und die allgemeinen subventionsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Für neue und erheblich erweiterte Wasserkraftanlagen von mindestens 1 MW beziehungsweise 300 kW kann ein Projektierungsbeitrag für die Aufwände im Rahmen der Projektierung bis hin zur Erlangung der Konzession und der Baubewilligung zugesprochen werden (Abs. 4). Das BFE prüft vorerst, beispielsweise anhand von Vorstudien im Sinne der Normen des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA), ob das Vorhaben den grundlegenden technischen Standards entspricht und plausibel ist. Wenn ja, werden dem Gesuchsteller bis zu 40 Prozent der Projektierungskosten bis zur Erlangung der Konzession und der Baubewilligung (Projektierung gemäss SIA-Normen) zugesichert. Die Projektierungskosten gelten, wie bereits heute, bei der Berechnung des Investitionsbeitrags nach Absatz 1 als anrechenbare Kosten.

Ein allfälliger Investitionsbeitrag wird um die Höhe des Beitrags für die Projektierungskosten reduziert. Damit wird sichergestellt, dass die Projektierungskosten nicht doppelt vergütet werden.

Nebennutzungsanlagen können weiterhin einen Investitionsbeitrag in Anspruch nehmen, auch wenn sie die Untergrenzen von Absatz 1 nicht erreichen (Abs. 5). Es handelt sich dabei um Wasserkraftanlagen, welche mit anderen Anlagen verbunden sind, deren Betriebszweck nicht die Elektrizitätsproduktion ist (z. B. Trinkwasseranlagen oder Beschneiungsanlagen).

Der Bundesrat kann auch weiterhin für weitere Wasserkraftanlagen Ausnahmen von der Untergrenze vorsehen, sofern sie innerhalb von bereits genutzten Gewässerstrecken liegen oder mit keinen neuen Eingriffen in natürliche oder ökologisch wertvolle Gewässer verbunden sind (Abs. 6).

Art. 27

Investitionsbeitrag für Biomasseanlagen

Alle Biomasseanlagen, die bisher an der Einspeisevergütung teilnehmen konnten, erhalten neu einen Investitionsbeitrag. Er kann höchstens 60 Prozent der anrechenbaren Investitionskosten betragen. Keine Investitionsbeiträge mehr erhalten ARA und KVA.

Art. 27a

Investitionsbeitrag für Windenergieanlagen

Alle neuen Windenergieanlagen, die eine Leistung von mindestens 2 MW aufweisen, erhalten neu einen Investitionsbeitrag von maximal 60 Prozent (Abs. 1 und 2). Um

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eine neue Anlage handelt es sich auch beim kompletten Ersatz einer bestehenden Anlage. Dies gilt auch für Anlagen, die einen bestehenden Windpark erweitern oder in einem Windpark bestehende Anlagen ersetzen.

Für die Projektierung von Windenergieanlagen kann gemäss Absatz 3 ein Beitrag von bis zu 40 Prozent an die anrechenbaren Kosten gewährt werden, wenn die Projektierung für einen für die Windenergienutzung geeigneten Standort durchgeführt wird.

Der Bundesrat legt Eignungskriterien fest (wie z. B. keine Windmessung in Ausschlussgebieten gemäss Konzept Windenergie, Mindestanforderungen an den Inhalt und die Dokumentation [Metadaten] von Windmessung). Ein allfälliger Investitionsbeitrag wird um die Höhe des Beitrags für die Projektierungskosten reduziert. Damit wird sichergestellt, dass die Projektierungskosten nicht doppelt vergütet werden.

Art. 27b

Investitionsbeitrag für Geothermieanlagen

Neu erhalten Geothermieanlagen zur Erzeugung von Elektrizität Investitionsbeiträge und Geothermie-Garantien. Es kann je ein Beitrag für die Prospektion von geothermischen Ressourcen, für die Erschliessung solcher Ressourcen und für den Bau sowie die Inbetriebnahme von neuen Geothermieanlagen in Anspruch genommen werden (Abs. 1). Die Erschliessung geht weiter als die bisherige Erkundung: Sie umfasst die Exploration mittels einer Bohrung und das Zutagefördern von Heisswasser sowie eine allfällige Rückführung des entnommenen Wassers in das Geothermie-Reservoir.

Die Beiträge betragen höchstens 60 Prozent der anrechenbaren Investitionskosten (Abs. 2).

Zusätzlich kann gemäss Absatz 3 für die Projektierung des Baus einer Geothermieanlage zur Erzeugung von Elektrizität ein Beitrag gewährt werden. Die Projektierungskosten gelten bei einem allfälligen späteren Investitionsbeitrag als anrechenbare Kosten. Ein allfälliger Investitionsbeitrag wird um die Höhe des Beitrags für die Projektierungskosten reduziert. Damit wird sichergestellt, dass die Projektierungskosten nicht doppelt vergütet werden.

Art. 28 Abs. 1 und 2 Die Verweise müssen angepasst werden. Inhaltlich ändert sich nichts am subventionsrechtlichen Grundsatz, wie er auch in Artikel 26 des SuG festgehalten ist, dass nicht mit dem Bau begonnen werden darf, bevor die Finanzhilfe nicht zumindest dem Grundsatz nach zugesichert wurde. Die Projektierungsarbeiten sind von diesem Grundsatz nicht erfasst.

Art. 29 Sachüberschrift, Abs. 1 Einleitungssatz, Abs. 2 und Abs. 3 Bst. bbis und h­k Absatz 1 gilt für sämtliche Investitionsbeiträge des 5. Kapitels des EnG und wird redaktionell entsprechend angepasst.

Da auf die konkrete Berechnung der NAM im Einzelfall neu verzichtet wird (siehe Ziff. 3.1.5.2), sieht Absatz 2 vor, dass sich der Bundesrat für die Festlegung der Höhe der Investitionsbeiträge innerhalb der in den Artikeln 25­27b vorgesehenen Höchstansätze an den Kosten für eine neue, eine erweiterte oder eine erneuerte Anlage zu 69 / 146

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orientieren hat, die durch den Betrieb ebendieser Anlage nicht ohnehin gedeckt werden.

Damit sichergestellt werden kann, dass nur Projekte gefördert werden, die auf eine Subvention angewiesen sind, sollen ausnahmsweise in Einzelfällen vertiefte Prüfungen zur Wirtschaftlichkeit vorgenommen werden können. Hat ein vertieft geprüftes Gesuch keine ungedeckten Kosten, wird kein Investitionsbeitrag gewährt (Abs. 3 Bst. bbis).

Die Möglichkeit, innerhalb der Technologie unterschiedliche Kategorien zu bilden, wird aus dem Einspeisevergütungssystem übernommen (Abs. 3 Bst. h).

Die Möglichkeit, Ansätze für bestimmte Leistungsklassen nach dem Referenzanlagenprinzip festzulegen, soll für alle Technologien bestehen (Abs. 3 Bst. i).

Der Bundesrat kann für die Erneuerungen von Wasserkraftanlagen im Rahmen der Vorgabe von Artikel 26 Absatz 1 Buchstabe c eine Höchstgrenze für den Ansatz festsetzen (Abs. 3 Bst. j). Er beachtet dabei, dass Erneuerungen kleiner Anlagen oft nicht rentabel sind und die Gefahr droht, dass der Betrieb eingestellt wird, wenn eine Erneuerung fällig ist, und dass grössere Anlagen mit ähnlichen Kosten mehr Ertrag erzielen und so die Investitionskosten amortisieren können.

Ausserdem kann der Bundesrat gemäss Absatz 3 Buchstabe k vorsehen, dass, wer einen Investitionsbeitrag nach dem 5. Kapitel des EnG erhalten hat, dem Bund Daten und Informationen, die im öffentlichen Interesse stehen, zur Verfügung stellen muss.

Dies umfasst beispielsweise die im Rahmen der Projektierung erhobenen Windmessdaten gemäss Artikel 27a Absatz 3, welche dem BFE zur Verfügung zu stellen sind, damit unter anderem die methodischen Grundlagen im Sinne von Artikel 11 EnG weiterentwickelt und aktualisiert werden können. Zu Inhalt und Dokumentation (Metadaten) werden Vorgaben einzuhalten sein. Diese Daten werden somit nur in aggregierter Form als Geoinformation gemäss Geoinformationsgesetz vom 5. Oktober 2007 (GeoIG)39 öffentlich zugänglich gemacht. Unverändert bleibt der Umgang mit Geodaten aus Geothermieprojekten (vgl. dazu beispielsweise Ziffer 5 in Anhang 1 der EnV).

Art. 30 Abs. 4 Bst. e Aufgrund der neuen Bestimmungen zu den Investitionsbeiträgen muss der Verweis angepasst werden.

Art. 32 Abs. 2 Die bislang unterstützten Programme im Rahmen der wettbewerblichen Ausschreibung sind aufgrund der Wettbewerbsanforderungen
zeitlich befristet. Zudem decken sie nicht immer die gesamte Schweiz ab und werden durch wechselnde Trägerschaften umgesetzt. Diese Nachteile verhindern, dass das Effizienzpotenzial ausgeschöpft werden kann. Um dem zu begegnen, soll der Bund die Umsetzung von schweizweiten Programmen zentral ausschreiben können.

39

SR 510.62

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Art. 33

Geothermie-Garantien

Alternativ zu den Investitionsbeiträgen nach Artikel 27b kann zur Risikoabsicherung von Investitionen wie bisher eine Garantie im Umfang von maximal 60 Prozent der anrechenbaren Investitionskosten geleistet werden (Abs. 1).

Gemäss Absatz 2 kann der Gesuchsteller für jede Etappe ­ Prospektion, Erschliessung und Errichtung einer Anlage ­ neu entscheiden, ob er ein Gesuch um Investitionsbeitrag oder um eine Garantie stellen möchte.

Art. 35 Abs. 2 Bst. d und g und Abs. 4 Aufgrund der Anpassungen bei den Investitionsbeiträgen bedarf es einer redaktionellen Anpassung von Absatz 2 dieser Bestimmung.

In Absatz 4 wird festgehalten, dass die Vollzugsstelle auch für die Erhebung des Winterzuschlags nach Artikel 9bis StromVG zuständig ist.

Art. 36

Begrenzung für einzelne Verwendungen und Warteliste

Artikel 36 ist aufgrund des Auslaufens der KEV sowie der neu vorgesehenen Investitionsbeiträge entsprechend anzupassen.

Inhaltlich neu ist, dass für die grosse Wasserkraft neu ein Höchstanteil von 0,2 Rp./kWh vorgesehen ist (bisher 0,1 Rp./kWh) und dass die Mittel für Photovoltaikanlagen sowie Anlagen anderer Technologien in Kontingenten festgelegt werden beziehungsweise festgelegt werden können. Die Kriterien der Belastung der Elektrizitätsnetze sowie der Speichermöglichkeiten entfallen hingegen, da diese beiden Punkte nicht im Rahmen der jährlichen Mittelfestlegung der Netzzuschlagsgelder zu regeln sind.

Art. 37 Abs. 1 Der Winterzuschlag wird im Netzzuschlagsfonds auf ein separates Konto eingelegt.

Art. 38 Abs. 1 Bst. b Ziff. 1, 2 und 4 Investitionsbeiträge können neu bis Ende 2035 gesprochen werden. Zusätzlich kommt es zu redaktionellen Anpassungen aufgrund der Ausweitung der Investitionsbeiträge auf Wind- und Geothermieanlagen sowie der Auktionen bei Photovoltaikanlagen.

Art. 44 Abs. 1, 2, 4 zweiter Satz und 5 Mit der Ausdehnung dieser Bestimmung soll es künftig möglich sein, bei den Kundeninformationen die Angaben zu den Emissionen stärker zu gewichten. Zudem soll sichergestellt werden, dass bei den Angaben der Energieintensität von Anlagen, Fahrzeugen und Geräten und deren serienmässig hergestellten Bestandteilen auch zum Beispiel die Rohstoffgewinnung, die Herstellung, der Transport oder auch die Entsorgung ­ kurz gesagt eine komplette Lebenszyklusbetrachtung ­ verlangt werden kann.

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Dies erhöht die Transparenz und die Vergleichbarkeit verschiedener Produkte und ermöglicht es den Konsumenten, diese Überlegungen in ihren Kaufentscheid einfliessen zu lassen.

In Buchstabe c wird die Ergänzung zum Standby-Verbrauch entfernt, weil dieser ohnehin Teil der Anforderungen an das Bereitstellen auf dem Markt sein kann und nicht explizit auf Gesetzesstufe zu erwähnen ist. Inhaltlich ändert dies nichts gegenüber dem bisher geltenden Recht.

Aus verhaltensökonomischen Überlegungen soll mit dem neuen Buchstaben d zudem ­ insbesondere bei den Energieetiketten für Personenwagen ­ die Möglichkeit geschaffen werden, den Kundinnen und Kunden beispielsweise aufzuzeigen, welchen finanziellen Unterschied der Kauf eines Fahrzeugs aus einer tiefen Kategorie gegenüber einem durchschnittlichen Fahrzeug der Kategorie A ausmacht.

Schliesslich wird der Begriff Inverkehrbringen im ganzen Artikel durch Bereitstellung auf dem Markt ersetzt. Mit Inverkehrbringen ist in der EU nur die erstmalige Bereitstellung auf dem Markt erfasst, während in der Schweiz mit diesem Begriff ursprünglich auch die weiteren Schritte vom Grosshändler zum Detailhändler und vom Detailhändler zum Endverbraucher erfasst waren. Auf Stufe Verordnung wurde der Begriff zur Anpassung an die EU-Definition allerdings enger gefasst (vgl. dazu Art. 2 Bst. a der Energieeffizienzverordnung vom 1. November 2017 [EnEV]). Um klarzustellen, dass auch weiterhin sämtliche Schritte umfasst sind, ist auf Gesetzesstufe der zu enge Begriff des Inverkehrbringens durch den weiteren Begriff des auf dem Markt Bereitstellens zu ersetzen.

Art. 55 Abs. 1 und 3 In Absatz 1 wird entsprechend der Änderung in den Artikeln 1 und 2 neu von Zielen und nicht mehr von Richtwerten gesprochen.

Zeitlich ist es dem Bundesrat aufgrund der Notwendigkeit eines Vernehmlassungsverfahrens nicht möglich, den Bericht nach Absatz 3 dem Parlament vorzulegen und in diesem gleichzeitig entsprechende Massnahmen zu beantragen; das Wort «gleichzeitig» wurde deshalb gestrichen. Die Beurteilung, ob zusätzliche Massnahmen notwendig sind, erfolgt unverändert auf Basis einer Analyse der Auswirkungen und Wirksamkeit der Massnahmen nach diesem Gesetz im Rahmen der fünfjährlichen Berichterstattung des Bundesrates.

Art. 57 Abs. 1 Der Begriff Inverkehrbringen wird durch Bereitstellung auf dem
Markt ersetzt, vgl.

Erläuterungen zu Artikel 44.

Art. 64 Abs. 2 erster Satz Gestützt auf Artikel 9 Absatz 5 ist der Bundesrat befugt, über den Strombereich hinaus auch für andere Bereiche der Energiewirtschaft ein Herkunftsnachweiswesen einzuführen. Für den Fall, dass der Bundesrat dereinst von dieser Befugnis Gebrauch macht, wird das für die Mitglieder des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung der 72 / 146

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Vollzugstelle bestehende Unabhängigkeitserfordernis entsprechend ausgedehnt. Doppelmandate wären insbesondere im Verhältnis zu wirtschaftlichen Aktivitäten im Bereich der erneuerbaren flüssigen und gasförmigen Brenn- und Treibstoffe heikel (z. B.

Biogas, Biomethan oder aus erneuerbaren Energien erzeugter Wasserstoff). Die Herkunftsnachweise, die für diese Stoffe (dereinst) ausgestellt werden, spielen bei der Berücksichtigung der erneuerbaren Energieträger eine wichtige Rolle.

Art. 70 Abs. 1 Bst. b Aufgrund der neuen Bestimmungen zu den Investitionsbeiträgen muss der Verweis angepasst werden.

Art. 73 Abs. 1 und 2 Neu sollen nur noch tatsächlich neue Anlagen, mit deren Bau beim Inkrafttreten dieser Änderungen noch nicht begonnen wurde, von Investitionsbeiträgen profitieren können. Dies soll dazu dienen, Mitnahmeeffekte zu verhindern und die Mittel produktiv einzusetzen.

Art. 75a

Übergangsbestimmungen zu den Investitionsbeiträgen sowie den Geothermie-Erkundungsbeiträgen und -garantien

Wurde ein Investitionsbeitrag für eine Photovoltaik-, Wasserkraft- oder Biomasseanlage vor Inkrafttreten dieser Änderungen dem Grundsatz nach zugesichert, so gilt für diese Anlage das bisherige Recht (Abs. 1). Wo bisher die nicht amortisierbaren Mehrkosten zu berücksichtigen waren, sind diese nach wie vor massgebend.

Auch die Beurteilung der Gesuche, die bis zum letzten in der Energieförderungsverordnung vom 1. November 201740 vorgesehenen Stichtag vor Inkrafttreten dieser Änderung eingereicht wurden, soll gestützt auf das bisherige Recht erfolgen (Abs. 2).

Mit der Übergangsbestimmung in Absatz 3 wird sichergestellt, dass erhebliche Erneuerungen von Wasserkraftanlagen mit einer Leistung von höchstens 10 MW sowie Kehrichtverbrennungs- und Klärgasanlagen weiterhin von Investitionsbeiträgen profitieren können, sofern für sie vor Inkrafttreten dieser Änderungen ein vollständiges Gesuch, welches sämtliche rechtlichen Anforderungen erfüllt, beim BFE eingereicht wurde. Würden diese Anlagen nicht geschützt, so würde die Frage, ob ein Projekt noch einen Investitionsbeitrag erhält oder nicht, in erster Linie davon abhängen, wie schnell das BFE das Gesuch zu prüfen in der Lage ist.

Die Übergangsbestimmung in Absatz 4 trägt dem Umstand Rechnung, dass neu nicht nur die Erkundung, sondern auch die Erschliessung des Untergrunds für die geothermische Elektrizitätserzeugung mittels Investitionsbeitrag unterstützt werden soll. Um eine Unterbrechung in laufenden Projekten zu vermeiden, dient die Übergangsbestimmung dazu, Gesuchstellern, die bereits nach bisherigem Recht einen Erkundungsbeitrag oder eine Geothermie-Garantie beantragt oder einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen haben, zu ermöglichen, ein Gesuch um Wiedererwägung einzureichen und damit einen zusätzlichen Investitionsbeitrag für die Erschliessung zu beantragen.

40

SR 730.03

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Dies hätte zur Folge, dass bei der Berechnung des Investitionsbeitrags mehr anrechenbare Kosten resultierten und so ein höherer Beitrag zu sprechen wäre.

Art. 75b

Übergangsbestimmungen zur Abnahme- und Vergütungspflicht

Die Betreiber von Photovoltaik-Bestandsanlagen, die in den Anwendungsbereich der Abnahme- und Vergütungspflicht fallen und weder eine Einspeisevergütung, Mehrkostenfinanzierung noch eine vergleichbare kommunale oder kantonale Unterstützung erhalten beziehungsweise erhielten, sollen während zehn Jahren gegen das Risiko von geringeren Erlösen aufgrund allfällig sinkender Marktpreise abgesichert werden. Sie sollen Erlöse in der Höhe der durchschnittlichen Gesamtvergütung erhalten, welche die Schweizer Verteilnetzbetreiber im Rahmen der Abnahme- und Vergütungspflicht in den fünf Jahren vor Inkrafttreten der Änderung für die Elektrizität und die Herkunftsnachweise bezahlt haben.

Entsprechend wird den Betreibern von solchen Anlagen in Absatz 1 ein Anspruch auf Abnahme und Vergütung ihrer Herkunftsnachweise eingeräumt. Es steht den berechtigten Anlagenbetreibern frei, ihre Herkunftsnachweise weiterhin am Markt zu verkaufen. Der Vollzug erfolgt im Rahmen der geltenden Bestimmungen zur Zuständigkeitsverteilung. Im Vordergrund steht dabei die Kompetenz des Bundesrates, der Vollzugsstelle weitere Aufgaben zu übertragen, die die Verwendung der Mittel aus dem Netzzuschlag betreffen oder mit dem Herkunftsnachweiswesen zusammenhängen (Art. 63 Abs. 1 Bst. f). Gemäss Buchstabe a genügt es, wenn die Anlage grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Abnahme- und Vergütungspflicht fällt. Der Anspruch auf Abnahme und Vergütung der Herkunftsnachweise gilt somit auch in Fällen, in denen der Anlagenbetreiber seine Produktion am Markt absetzt.

Der Abnahmetarif ergibt sich gemäss Absatz 2 aus dem vom Bundesrat kraft seiner allgemeinen Vollzugskompetenz festzulegenden Fünfjahresdurchschnitt, abzüglich des jeweils geltenden Referenz-Marktpreises. Gemäss Absatz 3 werden die Herkunftsnachweise am Markt weiterverkauft, wobei die Differenz zulasten des Netzzuschlagsfonds geht.

4.2

Bundesgesetz über die Stromversorgung (StromVG)

Art. 4 Abs. 1 Bst. b, e, f, g, j und k Im Rahmen der Strategie Stromnetze wurde der Speicher erstmals explizit als Akteur ins Gesetz aufgenommen (vgl. Änderungen per 1. Juni 2019 in Art. 17a und 17b). In Buchstabe b wird daher unter Berücksichtigung des Ausspeiseprinzips, wonach bei der Ausspeisung für die Netznutzung zu bezahlen ist, nicht jedoch bei der Einspeisung in das Netz (Art. 14 Abs. 2), eine Präzisierung des Endverbraucherbegriffs vorgenommen. Danach sind sowohl der Elektrizitätsbezug aus dem Netz für den eigenen Verbrauch als auch der Netzbezug zur Speicherung als Endverbrauch zu qualifizieren.

Kein Endverbrauch liegt bei diesen Konstellationen nur dann vor, wenn eine der beiden unverändert beibehaltenen Ausnahmen greift. Was nach einem Netzbezug zwecks Speicherung geschieht, spielt für die Qualifizierung als Endverbraucher keine Rolle;

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es spielt keine Rolle, ob die bezogene Elektrizität zeitverzögert selbst verbraucht oder abzüglich eines Umwandlungsverlusts zurück ins Netz gespeist wird.

Mit der Anpassung in Buchstabe e wird nicht eine materielle Änderung vorgenommen, sondern eine Klarstellung, um die gelebte Realität abzubilden. Regelenergie wird der Swissgrid nicht nur erfolgreich von Kraftwerken angeboten, sondern auch von Endverbraucherinnen und Endverbrauchern oder Speichern. Massgebend ist nicht, wer eine Systemdienstleistung anbietet, sondern ob die Präqualifikationsbedingungen der Swissgrid erfüllt werden. Es wird daher kein bestimmter Akteur mehr erwähnt (vgl. auch Änderung bei Art. 20 Abs. 2 Bst. b).

In Buchstabe f wird der Ausdruck «Messstelle» mit dem Begriff «Messpunkt» ersetzt.

Die neuen gesetzlichen Bestimmungen zum Messwesen erfordern eine Klärung der Begrifflichkeiten (Bst. j und k). Als Oberbegriff ist bisweilen von der Verrechnungsmessung die Rede. Davon abzugrenzen ist die betriebliche Messung; diese gehört zum Netzbetrieb (vgl. Bst. g).

Art. 4a

Elektrizitätsbezug des Bahnstromnetzes

In Artikel 4a erfolgt eine Klärung des Verhältnisses zwischen dem vom StromVG geregelten 50-Hz-Netz und dem von den Eisenbahnunternehmen betriebenen Bahnstromnetz (16,7 Hz). Der Betrieb des 16,7-Hz-Netzes untersteht dem StromVG grundsätzlich nicht (Sonderregeln in der StromVV vorbehalten). Soweit das Bahnstromnetz hingegen Strom aus dem 50-Hz-Netz bezieht, gilt es ­ Ausnahmen vorbehalten ­ als Endverbraucher im Sinne des StromVG. Diese grundlegenden Regeln im Zusammenspiel zwischen dem 50-Hz- und dem 16,7-Hz-Netz wurden bislang in der Verordnung (Art. 1 Abs. 3 StromVV) geklärt und werden nun, inklusive Ausnahmen, auf Gesetzesstufe gehoben. Die Regelung wird dabei um eine weitere Ausnahme ergänzt für eine Situation, in der die Behandlung des 16,7-Hz-Netzes als Endverbraucher nicht sachgerecht erscheint, nämlich für den Wassertausch.

Absatz 1 statuiert im Einleitungssatz den Grundsatz, in den Buchstaben a­c folgen die Ausnahmen. Buchstaben a und b betreffen die Frage des Elektrizitätsbezugs für den Kraftwerksbetrieb und entsprechen der geltenden Regelung in der Verordnung (Art. 1 Abs. 3 Bst. b StromVV). Der Elektrizitätsbezug aus dem 50-Hz-Netz für den Eigenbedarf eines Kraftwerks oder den Antrieb von Pumpen in einem Pumpspeicherkraftwerk gilt schon gemäss dem diesbezüglich unveränderten Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b nicht als Endverbrauch. Da aber der Betrieb von 16,7-Hz-Einrichtungen zwangsläufig über das 16,7-Hz-Netz zu tätigen ist, stellt sich bei solchen Erzeugungsanlagen die Frage, ob der hierfür nötige Elektrizitätsbezug aus dem 50-Hz-Netz ins 16,7-Hz-Netz als Endverbrauch gilt (da Bezug durch das 16,7-Hz-Netz) oder nicht (da Bezug zum Pumpen respektive für den Eigenbedarf eines Kraftwerks). Vorliegend wird im Interesse der Gleichstellung geklärt, dass es sich dabei nicht um Endverbrauch handelt. Der Gleichstellungsgedanke bedingt mit Blick auf die in Buchstabe b geregelte Konstellation aber, dass die anschliessend mittels Turbinierung erzeugte Elektrizitätsmenge zurück in das 50-Hz-Netz gespeist wird. Die konkrete Umsetzung, etwa innert welchem Zeitraum die Rückspeisung erfolgen muss, wird mit Blick auf das Subsidiaritätsprinzip (Art. 3 Abs. 2) der Branche überlassen. Buchstabe c greift neu den Fall des Wassertauschs auf. Wenn in Partnerkraftwerken Partner A pumpen 75 / 146

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und Partner B gleichzeitig produzieren (d. h. turbinieren) möchte, so werden die beiden gemeldeten Produktionsprogramme konsolidiert. Das Kraftwerk produziert in der Folge nur den Nettowert, Partner A benötigt keine Pumpenergie und Partner B bezieht seinerseits den fehlenden Energieteil statt aus dem Kraftwerk aus dem Netz. Bei gemischten Pumpspeicherkraftwerken ist der Wassertausch für den 16,7-Hz-Partner unattraktiv, weil dieser beim ersatzweisen Elektrizitätsbezug aus dem 50-Hz-Netz als Endverbraucher gilt und Netznutzungsentgelt zu zahlen hat. Daher wird für den aufgrund eines Wassertauschs getätigten Elektrizitätsbezug ebenfalls eine Ausnahme geschaffen. Privilegiert wird dabei ausschliesslich der Bezug der Elektrizität, die, statt sie ,,aus dem Kraftwerk zu beziehen", eingekauft wird. Das 16,7-Hz-Netz darf also Elektrizität nicht im Umfang der vermiedenen Pumpenergie, sondern bloss im Umfang der vermiedenen Eigenproduktion frei von Netznutzungsentgelt beziehen.

Zentral bei der Umsetzung der Ausnahmen wird die Sicherstellung sein, dass tatsächlich nur Elektrizitätsbezüge im Rahmen der genannten Betriebsfälle privilegiert behandelt werden. Daher sind von Buchstabe c ausschliesslich Bezüge im Kraftwerksinneren erfasst. Zudem ist die Privilegierung selbstredend nur dann gegeben, wenn der Bezug aus dem Netz nachweislich zeitgleich mit dem Wassertausch respektive dem Kraftwerkseigenbedarf oder dem Antrieb der Pumpen erfolgt. Die ElCom kann solche Elemente im Rahmen ihrer umfassenden Kompetenz, die Einhaltung der Bestimmungen des StromVG zu überwachen (Art. 22 Abs. 1), überprüfen. Denkbar wäre beispielsweise ein Abgleich der Wasserbuchhaltungen der Kraftwerkspartner mit den entsprechenden Fahrplänen, die bei der Swissgrid eingegangenen sind. Die benötigten Informationen kann die ElCom gestützt auf Artikel 25 bei den Kraftwerkspartnern und der Swissgrid erhältlich machen. Sollte es sich als notwendig erweisen, so kann der Bundesrat kraft seiner allgemeinen Vollzugskompetenz konkretisierende Vorschriften erlassen.

Gemäss Absatz 2 kann der Bundesrat weitere Einzelheiten und Sonderfragen regeln, die sich im Zusammenspiel zwischen dem 16,7-Hz-Netz und dem 50-Hz-Netz ergeben. Dies könnte sich zum Beispiel dann aufdrängen, wenn der Bundesrat den Betrieb des 16,7-Hz-Netzes gewissen StromVG-Regeln unterstellt
(vgl. Art. 2 Abs. 2) und dies zu einem Spannungsverhältnis zu den übrigen für das Netz geltenden Regeln führen würde. Zu denken ist weiter an die heute bereits in der StromVV enthaltenen Bestimmungen (Art. 1 Abs. 3 und 3bis StromVV), also zum Beispiel die Klärung, dass der Bezug der Eigenproduktion eines Kraftwerks innerhalb dieses Kraftwerks selbstverständlich nicht als Endverbrauch gilt, und zwar auch dann nicht, wenn hierzu im Kraftwerksinneren Elemente genutzt werden, die technisch betrachtet zum Übertragungsnetz gehören.

Art. 6

Grundversorgung

Artikel 6 stellt das Kernstück der (vom Parlament im StromVG bereits angelegten) vollständigen Marktöffnung dar. Die Bestimmung erfährt gegenüber der vom Gesetzgeber ehemals bereits verabschiedeten, aber noch nicht in Kraft gesetzten Fassung (ehemals Art. 7) einige redaktionelle Änderungen. So werden insbesondere die Netzaspekte konsequent in Artikel 14 verschoben. Diese Trennung von Energie (Grundversorgung) und Netz macht den Aufbau des Gesetzes übersichtlicher. Im gleichen Zug wird die Terminologie bereinigt: Bisher wurde der Begriff «Elektrizitätstarif» 76 / 146

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mitunter als Oberbegriff für die verschiedenen Tarife (Energie und Netz) verwendet, teilweise stand er aber auch nur für die Tarife der Grundversorgung. Nunmehr soll im Gesetzestext konsequent vom Netznutzungstarif auf der einen Seite und vom Grundversorgungstarif auf der anderen Seite die Rede sein ­ Letzteres in Abgrenzung zu den Elektrizitätspreisen des freien Marktes. Ohne materielle Auswirkungen sind ferner auch die Verschiebung der Veröffentlichungspflichten in Artikel 12, die Streichung des Komfortverweises auf die Eigenverbrauchsregelung und der Entfall der Bezugnahme auf die Spannungsebenen.

Nach wie vor sind die lokalen Netzbetreiber für die Grundversorgung verantwortlich.

In der Praxis kommt es aber vor, dass gerade die kleineren Betriebe diese Aufgabe nicht in Eigenregie erfüllen, sondern auf Dritte übertragen, namentlich auf grössere Grundversorger. Der Kerngehalt der bisherigen Regelung ­ in der Sachüberschrift wurde sie als «Wahlmodell abgesicherte Stromversorgung» bezeichnet ­ bleibt unverändert: Nach Absatz 1 dürfen Kleinverbraucherinnen und -verbraucher (Jahresverbrauch < 100 MWh) wählen, ob sie ihre Elektrizität von einem Lieferanten freier Wahl oder in der Grundversorgung vom lokalen Verteilnetzbetreiber geliefert erhalten. Die Formulierung («nicht oder nicht mehr») stellt klar, dass ihnen eine Rückkehr in die Grundversorgung offensteht.

Neu ist die in Absatz 2 enthaltene Pflicht zum Angebot eines Standardprodukts. Dieses zeichnet sich durch die Nutzung von ausschliesslich inländischer erneuerbarer Energie aus. Zum Nachweis der Herkunft und der ökologischen Qualität des gelieferten Stroms dienen Herkunftsnachweise (Art. 9 EnG). Die nicht frei handelbaren Nachweise aus Anlagen, die am Einspeisevergütungssystem teilnehmen, werden ­ so wie schon heute (vgl. Art. 4 Abs. 5 EnV) ­ anteilmässig auf alle Endverbraucher verteilt und dem geforderten Mindestanteil entsprechend angerechnet. Den Verteilnetzbetreibern steht es frei, in der Grundversorgung auch alternative Stromprodukte anzubieten.

Unter Vorbehalt einer ausdrücklich anderen Wahl durch die betreffende Endverbraucherin oder den betreffenden Endverbraucher, basiert die Grundversorgung aber auf dem Standardprodukt.

Nach Absatz 3 erster Satz müssen sich die Grundversorgungstarife ­ so wie auch die Netznutzungstarife ­ am
Bezugsprofil orientieren. Das ist sachgerecht, weil die Grundversorgung über den Bezug von Elektrizität aus dem Verteilnetz erfolgt. Im zweiten Satz findet eine Abkehr von der bisherigen Gestehungskostenregelung statt: Das Erfordernis zur Erstellung einer Kostenträgerrechnung entfällt. Neu beurteilt sich die Angemessenheit der Grundversorgungstarife marktnah anhand der Preise, zu denen vergleichbare Elektrizitätsprodukte im freien Markt abgesetzt werden (sog. Vergleichsmarktpreise), das heisst insbesondere anhand der Endverbraucherpreise im entsprechenden Kundensegment. Da sich die Grundversorger für die entsprechenden Tarifjahre absichern, können auch die Terminmarktpreise auf dem Grosshandelsmarkt, welche zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Grundversorgungstarife gehandelt wurden, Anhaltspunkte geben. Diese Terminmarktpreise sind teilweise auch für die Absicherung von Preisrisiken vergleichbarer Elektrizitätsprodukte im freien Markt massgebend. Auch Grosshandelspreise können Anhaltspunkte liefern. Weiter können auch die Grundversorgungstarife der anderen Netzgebiete sowie die Elektrizitätspreise in ausländischen Märkten in die Betrachtung einfliessen.

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Hinsichtlich der angemessenen Tarifhöhe sind den Verteilnetzbetreibern gewisse Toleranzen zuzubilligen. Da sie die Tarife im Voraus festlegen müssen, die Entwicklung der Marktpreise aber nicht mit Sicherheit prognostizierbar ist, müssen sie einen gewissen Spielraum einkalkulieren. Die ElCom wird bei der Tarifprüfung also mit Toleranzbändern arbeiten können. Was die Vergleichbarkeit verschiedener Elektrizitätsprodukte anbelangt, sind insbesondere die ökologische Qualität und die geografische Herkunft der mit der Stromlieferung an Endverbraucherinnen und Endverbraucher zu hinterlegenden Herkunftsnachweise zu berücksichtigen, allenfalls auch zusätzliche Kriterien wie etwa Zahlungsmodalitäten, unterschiedliche Verbrauchskategorien und die Streuung der Preise in der Grundversorgung. Im Zuge der Abkehr von der Gestehungskostenregelung treten keine jährlichen Deckungsdifferenzen mehr auf. Noch immer muss aber ein in unangemessener Weise vereinnahmtes Entgelt in den folgenden Tarifjahren nach bisheriger Praxis über entsprechend tiefere Grundversorgungstarife zurückerstattet werden. Andernfalls liegt es an der ElCom, gestützt auf Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe b eine Absenkung der Grundversorgungstarife anzuordnen. Übergangsweise gilt, dass die bis zum Inkrafttreten der Gesetzesänderung aufgelaufenen negativen beziehungsweise positiven Deckungsdifferenzen tariflich kompensiert werden können beziehungsweise müssen. In der Verordnung könnte hierzu eine Übergangsbestimmung mit einer konkreten Frist vorgegeben werden.

Nach Absatz 4 regelt der Bundesrat die Modalitäten zur Ermittlung der Vergleichsmarktpreise. Insbesondere wird er die Grundversorger, das heisst die lokalen Netzbetreiber, und die im freien Markt tätigen Elektrizitätslieferanten dazu anhalten, der ElCom ihre Grundversorgungs- beziehungsweise Elektrizitätspreise für Kundinnen und Kunden mit einem Jahresverbrauch von weniger als 100 MWh bekannt zu geben (in Form von mengengewichteten Durchschnittspreisen der Vertragsabschlüsse pro Produkt). Um einen aussagekräftigen Vergleich zu ermöglichen, sollen diese Meldungen die betreffenden Elektrizitätsmengen und Preise sowie auch Informationen zur ökologischen Qualität (Herkunftsnachweise) jeweils separat ausweisen. Die Periodizität der Meldepflicht wird auf Verordnungsstufe festgelegt. Was die Zusammensetzung
der verschiedenen erneuerbaren Energien im Standardprodukt der Grundversorgung anbelangt (Sonnenenergie, Wasserkraft etc.), ist die gesetzliche Vorgabe technologieneutral. Der Bundesrat kann hierzu aber Vorgaben machen (z. B. Mindestanteile festlegen).

Art. 7

Ersatzversorgung

Zur Ersatzversorgung kommt es zum einen dann, wenn eine Endverbraucherin oder ein Endverbraucher nach Beendigung ihres oder seines Elektrizitätslieferverhältnisses, sei es infolge Kündigung oder aufgrund einer anfänglichen Befristung, nicht rechtzeitig einen neuen Liefervertrag abgeschlossen hat. Zum andern wird die Ersatzversorgung dann aktuell, wenn der von der Endverbraucherin oder vom Endverbraucher gewählte Elektrizitätslieferant ausfällt, er also seine vertragliche Lieferpflicht nicht mehr gehörig erfüllt (z. B. im Konkursfall). Als Ultima Ratio findet die Ersatzversorgung aber nicht zwingend statt; es bleibt den Endverbraucherinnen und Endverbrauchern unbenommen, vorab oder ad hoc eine andere (vertragliche) Lösung zu treffen. Zudem erscheint sinnvoll, dass Endverbraucherinnen und Endverbraucher die

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Ersatzversorgung bereits nach einem Monat wieder verlassen können (vgl. Erläuterungen zu Art. 13a).

Art. 8 Abs. 1bis und Abs. 3 Da die Netzbetreiber ihre Aufgabe, den sicheren Netzbetrieb (Art. 8 Abs. 1 Bst. a) zu gewährleisten, nur mit Unterstützung weiterer Akteure erfüllen können, wird in Absatz 1bis erster Satz klargestellt, dass sie von den jeweils an ihr Netz angeschlossenen Netznutzerinnen und Netznutzern unterstützt werden müssen (Unterstützungspflicht). Aus dem dritten Satz ergibt sich sodann, dass diese Pflicht auch zwischen Netzbetreibern mit verbundenen Netzen gilt. Wie sich aus der systematischen Stellung von Artikel 8 ergibt, zielen Massnahmen der Netzbetreiber zur Gewährleistung des sicheren Netzbetriebs auf die Sicherstellung der Versorgung ab (vgl. auch Botschaft vom 3. Dezember 2004 zum StromVG41). Nicht von Absatz 1bis erfasst sind daher insbesondere Massnahmen zur Vermeidung von Gefährdungen und Schäden von Personen oder Sachen, welche zur Einhaltung des Elektrizitätsgesetzes vom 24. Juni 190242 und dessen Ausführungsbestimmungen ergriffen werden. Bei der praktischen Umsetzung der Unterstützungspflicht werden namentlich die Vorschriften über die Nutzung von Flexibilität (vgl. Art. 17bbis) sowie Regelwerke, Normen und Empfehlungen von anerkannten Fachorganisationen zu berücksichtigen sein. Bei den verpflichteten Netznutzerinnen und -nutzern spielt es keine Rolle, ob sie direkt oder indirekt an das Netz ihres Netzbetreibers angeschlossen sind. So wären etwa auch Akteure innerhalb eines Arealnetzes erfasst. Wie weit die Unterstützungspflicht im Einzelfall reicht, hängt vom konkreten Akteur und dessen möglichem Einfluss auf die Netzsicherheit ab. Bei einem grossen Pumpspeicherkraftwerk wird die Pflicht beispielsweise weiter gehen als bei einem ans Mittelspannungsnetz angeschlossenen Kühlhaus. Der Begriff der Gewährleistung des sicheren Netzbetriebs umfasst sowohl Massnahmen im Zusammenhang mit dem Normalbetrieb als auch Massnahmen zur Vermeidung oder Beseitigung einer Gefährdung des sicheren Netzbetriebs, wobei bei Gefährdungen des sicheren Übertragungsnetzbetriebs die Spezialbestimmung von Artikel 20a zu beachten ist.

Der zweite Satz statuiert eine im Vergleich zur allgemeinen Unterstützungspflicht schärfere Befolgungs- beziehungsweise Duldungspflicht für Fälle einer Gefährdung
des sicheren Übertragungsnetzbetriebs, in denen die Swissgrid Massnahmen beziehungsweise Ersatzmassnahmen anordnen muss, für die keine vertragliche Grundlage besteht (Art. 20a Abs. 3 und 4). Wird eine solche Anordnung gegenüber einem an das Übertragungsnetz angeschlossenen Verteilnetzbetreiber ausgesprochen, so hat dieser ­ falls es für die Umsetzung der Massnahme notwendig ist ­ die Kompetenz, die Anordnung in gegebenenfalls konkretisierter Art und Weise an seine Netznutzerinnen und -nutzer beziehungsweise an Verteilnetzbetreiber tieferer Netzebenen weiterzugeben (sog. Kaskadenprinzip, vgl. dazu auch die Erläuterungen zu Art. 20a). Der dritte Satz, wonach die Pflichten gemäss Artikel 8 Absatz 1bis sinngemäss auch zwischen Netzbetreibern mit verbundenen Netzen gelten, bedeutet in Bezug auf Anordnungen

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BBl 2005 1611, hier 1646.

SR 734.0

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nach Artikel 20a, dass deren Weitergabe nur von oben nach unten möglich ist, beispielsweise durch einen Verteilnetzbetreiber der Netzebene 3 an einen mit seinem Netz verbundenen Verteilnetzbetreiber der Netzebene 5. Im Verhältnis zwischen Netzbetreibern der gleichen Netzebene ist aber immerhin die allgemeine gegenseitige Unterstützungspflicht zu beachten. Falls die bei einer Gefährdung des sicheren Übertragungsnetzbetriebs zu ergreifenden Massnahmen vertraglich vorgesehen sind (Art. 20a Abs. 1 und 2), ist ein Rückgriff auf die Befolgungs- beziehungsweise Duldungspflicht nicht nötig.

Die Änderungen in Absatz 3 sind rein redaktioneller Natur.

Art. 8a

Energiereserve für kritische Versorgungssituationen

Absatz 1: Die Energiereserve tritt als eine Art Versicherung als fixes Element zu den bestehenden Instrumenten im Dienste der Versorgungssicherheit hinzu. Sie ist kein «schlafendes» Instrument, das nur aktiviert wird, wenn ein Bedarf möglich oder wahrscheinlich ist, und sie ist keine Massnahme nach Artikel 9 StromVG. Die Schwelle für den Abruf beziehungsweise die verlangte «ausserordentliche Situation» wird sich in aller Regel durch eine Unterdeckung der Schweizer Gesamtbilanz für Strom ­ nach Handelsschluss ­ manifestieren. Diese Unterdeckung geht dabei über die üblichen Schwankungen hinaus, die durch Systemdienstleistungen (Regelenergie) aufgefangen werden, und setzt also erst ein, wenn die Marktmechanismen das Problem nicht mehr beheben können. Folglich ist die Reserve nicht dafür konzipiert, regionale Probleme des Netzbetriebs, mithin lokale Stromausfälle, zu beheben. Die Marktakteure (Bilanzgruppenverantwortliche) müssen ihre Bilanzen über den Markt ausgleichen. Mit der Reserve wird die Vorhalteenergie vom Markt genommen. Sie konterkariert diesen somit nicht.

Die neue Energiereserve hat somit eine hohe Eintrittsschwelle, aber eine tiefere als Massnahmen nach dem Landesversorgungsgesetz vom 17. Juni 201643 (LVG), wo eine schwere Mangellage Voraussetzung ist. Sie kann aber unter Umständen dazu führen, dass das LVG-Instrumentarium nicht zum Zuge kommt oder später, nachdem die Reserve eine erste Überbrückung geleistet hat. Die für das LVG zuständigen Stellen sind von den Verantwortlichen für die Reservebildung, also von der ElCom und der Swissgrid, mit den nötigen Informationen zur Reserve des jeweiligen Jahres zu versorgen.

Absatz 2 legt fest, wer zur Teilnahme an der Reserve berechtigt ist. Die Teilnahme ist grundsätzlich technologieoffen. Selbstredend müssen die Teilnehmer inländisch sein, das heisst ans Schweizer Netz angeschlossen. Prädestiniert für die Teilnahme sind Speicher und unter diesen speziell die Grosswasserkraft, denkbar ist zum Beispiel aber auch die Teilnahme von Kehrrichtverbrennungsanlagen. An der Reserve teilnehmen können aber auch Grossverbraucher wie Industrieunternehmen, die bereit sind, ihren Stromverbrauch für eine bestimmte Zeit stark zu reduzieren (Lastreduktion).

Eine allgemeine Pflicht, an der Reserve teilzunehmen, wird in Artikel 8a nicht vorgesehen. Der Fall, dass sich in der Ausschreibung keine oder keine geeigneten Betreiber

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bewerben, ist eher unwahrscheinlich. Die Teilnehmer unterliegen sodann der allgemeinen Auskunftspflicht. Gegenüber der ElCom gilt das sowieso (Art. 25), gegenüber der Netzgesellschaft gilt es analog. Die Pflicht beschränkt sich nicht auf reine Auskünfte, sondern beinhaltet auch weitere Kooperationshandlungen, die für einen ordnungsgemässen Vollzug nötig sind (vgl. die Ausführungen bei Abs. 4 und 5).

Absatz 3: Die Aufgabe, für die Reservebildung zu sorgen, ist zweigeteilt: Die ElCom ist für die Eckwerte und wichtige Vorabfestlegungen sowie die Überwachung zuständig und die Swissgrid für die jährliche technische Administrierung der Reserve, die Unterstützung der ElCom und das Operationelle (Abs. 4). Die ElCom definiert die Eckwerte mit einer Vorab-Festlegung, dies weder als Verordnung noch als Verfügung. Wichtigstes Element ist die genaue Reservedimensionierung, die aus den Vorgaben des Bundesrates ­ unter Zugrundelegung der Bedürfnisse beziehungsweise Gegebenheiten des jeweiligen Jahres ­ ableitbar sein wird. Hier ist die Mithilfe der Swissgrid erforderlich. Festlegungsbedürftig sind auch die Zeitperiode für die Vorhaltung und die Verbrauchsreduktionsbereitschaft, zum Beispiel Mitte März bis Mitte Mai, sowie die Eckwerte für die Ausschreibung. Diese können auch über mehrere Jahre gleich sein. Leitplanken im Voraus braucht es sodann zu den verschiedenen Zahlungen im Zusammenhang mit der Reserve: Nebst dem Reserveentgelt, das via Ausschreibung ermittelt wird, gibt es die Abrufentschädigung und die Sanktionszahlungen. Die Letzteren sind Pönalen für den Fall, dass jemand die Reservepflichten nicht einhält. Was das Reserveentgelt betrifft, wird zu entscheiden sein, ob dem Unterschied Rechnung zu tragen ist, dass die Speicherbetreiber auch ohne Reserveabruf Energie vorhalten müssen, währenddem die Anbieter von Lastreduktion bis zu einem Abruf im Normalbetrieb laufen können. Natürlich muss das Entgelt aber stets via Auktion ermittelt werden. Für all diese finanziellen Aspekte soll die ElCom den Rahmen abstecken. Möglich ist insofern auch, dass die ElCom Obergrenzen für das Vorhalte- beziehungsweise Reserveentgelt festlegt für den Fall, dass wegen eines zu kleinen Bieterkreises kein richtiger Wettbewerb zustande kommt.

Absatz 4: Innerhalb des Rahmens, bestehend aus Gesetz, Verordnung und Festlegungen der
ElCom, ist die Swissgrid für die jährliche technische Administrierung der Reserve verantwortlich. Sie soll dies im Wesentlichen analog zur Beschaffung von Systemdienstleistungen tun. Der Teilnahmekreis ist nach Absatz 2 zwar grundsätzlich offen, kann über die Eignungskriterien, die die Swissgrid feinjustieren kann (technisch, örtlich), aber Einschränkungen erfahren. Sodann nimmt die Swissgrid die eigentliche Ausschreibung vor. Durch diese werden die Teilnehmer bestimmt, wobei auch Pooling-Lösungen möglich sind, und das Reserveentgelt ermittelt. Die mit den Betreibern je zu schliessenden Vereinbarungen sollen möglichst einheitlich sein, ausser wenn den Spezifika eines Teilnehmers Rechnung zu tragen ist. Auf der Vereinbarung beruht dann auch die Zusammenarbeit zwischen der Swissgrid und den Teilnehmern, wobei sich deren Auskunfts- und Kooperationspflicht bereits aus dem Gesetz ergibt (Abs. 2). Bei den Auskünften geht es um Informationen wie Pegelstände, PegelEnergieinhalt-Kurven, Zuflüsse, Produktionsfahrpläne oder die Aufteilung auf die Kraftwerkspartner (bei der Lastreduktion ist an Messpunktdaten zu denken). Die Swissgrid kann für gewisse Hilfsdienste beim Administrieren nötigenfalls auch Dritte beiziehen, darf die Aufgabe aber nicht faktisch auslagern. Darüber hinaus können für das Funktionieren hoheitliche Anordnungen nötig sein. Für diese ist jedoch nicht die

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Swissgrid, sondern die ElCom zuständig (Art. 22). Oftmals wird die ElCom durch die Swissgrid von Sachverhalten Kenntnis erhalten, die Anordnungen nötig machen.

Absatz 5 beschreibt den mehrstufigen Abruf und wie sich der Bedarfsfall in der Regel manifestiert (ausbleibende Markträumung, das am Markt erhältliche Potenzial an kurzfristiger Energie ist ausgeschöpft). Am Anfang steht die Beobachtung der Versorgungslage, eine gemeinsame Aufgabe der Swissgrid und der ElCom. Die Swissgrid, die näher am Geschehen dran ist, hat die ElCom auf dem Laufenden zu halten.

Für eigentliche Überwachungsmassnahmen, zum Beispiel zur Feststellung, ob in den Wasserspeichern die Vorhaltepflichten eingehalten werden, ist die ElCom allein zuständig. Für die Beobachtung ist aber auch die Kooperation der Reserveteilnehmer wichtig. Diese Pflicht (Abs. 2) greift sowohl gegenüber der ElCom wie auch gegenüber der Swissgrid. Der eigentliche Abruf ist ein zweistufiger Vorgang und unterteilt sich in die Freigabe der Reserve und den Abruf der Reserve. Dieses Prozedere wird nur aktiviert, wenn es wahrscheinlich wird, die Reserve abrufen zu müssen. Hierzu ist die ElCom auf stets rechtzeitige Informationen durch die Swissgrid angewiesen, wozu diese aufgrund ihrer Pflicht, die ElCom zu unterstützen (Abs. 4), verpflichtet ist. Die Freigabe wird durch die ElCom erteilt und ist die grundsätzliche Ermächtigung, gestützt auf welche die Swissgrid in der Folge die Möglichkeit hat, bei Eintritt des Bedarfsfalls die Reserve abzurufen. Das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) braucht bei der Freigabe nicht einbezogen zu werden, ist aber zu informieren. Bei zeitlicher Dringlichkeit muss ein Abruf auch ohne vorgängige Freigabe möglich sein, was der Bundesrat wird regeln können (Abs. 6 Bst. b). Bei einem effektiven Abruf muss die Swissgrid nicht alle Energie abrufen, sondern nur die jeweils nötige. Auch muss sie nicht bei allen Reserve-Teilnehmern zum Abruf schreiten, sondern kann das bei denjenigen tun, die sich angesichts der Problemlage dafür eignen. Die Swissgrid braucht für dieses Handeln einen gewissen Spielraum, muss aber willkürfrei, möglichst ausgewogen und fair agieren. Kommt es zu einem Abruf, wird dieser separat, das heisst zusätzlich zum Vorhalte-/Reserveentgelt, entschädigt.

Damit für Speicherbetreiber kein Anreiz
besteht, einen Abruf der Reserve durch spezielles Verhalten auf dem Strommarkt herbeizuführen, zum Beispiel durch die gezielte Zurückhaltung von Energie vom Markt, soll die Vergütung für die aus der Reservevorhaltung abgerufene Energie deutlich unter dem zum Abrufzeitpunkt feststellbaren Marktpreis liegen. Die Kostentragung der Abrufentschädigung soll analog zur Ausgleichsenergie funktionieren. Bilanzgruppen, die Unausgeglichenheiten herbeiführen, die einen Reserveabruf nötig machen, sollen dies finanziell deutlich spüren (Abs. 6 Bst. c); sie zahlen aber nicht direkt an die Betreiber, bei denen Energie abgerufen wird. Grundsätzlich werden die Kosten der Reserve via das Netznutzungsentgelt finanziert (Art. 15 Abs. 2). Die Mittel im Zusammenhang mit der Reserve bilden einen Gesamttopf ohne Unterteilung. Die Gelder aus dem Netznutzungsentgelt und allfällige Einkünfte vonseiten der Bilanzgruppen vermischen sich und werden für die Vergütung, die administrativen Kosten wie auch für die Entschädigung bei einem allfälligen Abruf verwendet.

Absatz 6 enthält Delegationsnormen. So muss der Bundesrat die Kriterien für die Dimensionierung der Reserve festlegen, deren Kern die Reservemenge ist. Er wird dies faktenbasiert tun, das heisst gestützt auf eine Analyse der Risiken bei der Versorgungssicherheit. Seine Festlegung könnte zum Beispiel darin bestehen, dass er eine

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Zeitdauer, zum Beispiel alle Hochtarifstunden im Verlauf einer Woche, festlegt, während der der Schweizer Strombedarf jederzeitig vollständig aus inländischen Kraftwerken gedeckt werden können muss. Angesprochen ist sodann die mögliche vorzeitige Auflösung der Reserve, was aber nur ausnahmsweise geschehen soll. Hier geht es darum, dass in einem bestimmten Jahr noch während der Vorhaltezeit klar ist, dass es die Reserve nicht mehr braucht. Die teilnehmenden Betreiber, vor allem die Speicher, sollen vorzeitig aus ihrer Pflicht entlassen werden, wodurch die fragliche Energie zurück in den Markt kann. Im Normalfall, das heisst ohne vorzeitiges Auflösen, endet die Reserve- beziehungsweise Vorhaltepflicht mit Ablauf der Vorhalteperiode.

Von der Auflösung zu unterscheiden ist die Möglichkeit zum Aussetzen der Reserve (vgl. Einleitungssatz). Die Reserve soll so indes nicht zum «schlafenden» Instrument gemacht werden, was bedeuten würde, dass quasi im Jahrestakt zwischen «mit» oder «ohne» Reserve gewechselt würde. Ein «Aussetzen» hat vielmehr eine längerfristige Perspektive und käme zum Zuge, wenn die Notwendigkeit auf Jahre hinaus nicht mehr gegeben ist, die Reserve ohne Aussetzen aber trotzdem, weil sie im Gesetz steht, gebildet werden müsste. Wichtig ist sodann der Ablauf des Abrufs (Bst. b), der nach Handelsschluss passieren soll. Ist im Day-Ahead-Markt die Stromnachfrage grösser als das Angebot und kann die Lücke auch im Intraday-Markt nicht geschlossen werden (ausbleibende Markträumung), melden die betroffenen Bilanzgruppen die Fehlbilanz der Swissgrid, welche die fehlende Energie sodann aus der Reserve abruft. So bleibt die Reserveenergie ausserhalb des Marktes und stört diesen nicht. Aufgrund des Zeitpunkts des Abrufs (nach Handelsschluss) können Abflüsse der Reserve ins Ausland vermieden werden, was aber kein Exportverbot darstellt. Vielleicht wird es auch eine Regel zum Zusammenspiel der beiden Reservekategorien brauchen (Speicher und Lastreduktion). Für Kraftwerke, die eine Unterstützung nach Artikel 9bis erhalten, ist schliesslich die Möglichkeit für eine sog. Andienpflicht in der Energiereserve vorgesehen (Bst. d).

Art. 8b

Erfassung und Weitergabe der Speicherseedaten

Die Füllstände, Abflüsse und Zuflüsse der schweizerischen Speicherseen sind eine zentrale Grösse für verschiedenste Aufgaben im Zusammenhang mit der Versorgungssicherheit. Zu erwähnen sind insbesondere die Beobachtungs- und Überwachungsaufgaben der ElCom (Art. 22 Abs. 3 und 4) sowie die Aufgaben der Swissgrid im Zusammenhang mit dem Übertragungsnetzbetrieb und der Energiereserve für kritische Versorgungssituationen (Art. 8, 8a und 20). Für die Beobachtung der Versorgungslage gemäss Artikel 62 LVG sind die Daten ebenfalls zentral. Im Elektrizitätsbereich ist es Aufgabe des Fachbereichs Energie der Organisation der wirtschaftlichen Landesversorgung (WL), laufend die Entwicklung der wirtschaftlichen Landesversorgung zu beobachten und zu analysieren (vgl. Art. 7 der Verordnung über die wirtschaftliche Landesversorgung vom 10. Mai 201744), wobei solche Aufgaben auch auf Organisationen der Wirtschaft übertragen werden können (Art. 60 Abs. 1 Bst. b LVG). Auch das BFE ist auf Speicherseedaten angewiesen, etwa für die Erstellung der Schweizer Elektrizitätsstatistik gemäss Bundestatistikgesetz vom 9. Oktober 199245 sowie für seine Aufgaben im Zusammenhang mit der Oberaufsicht über 44 45

SR 531.11 SR 431.01

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die Nutzbarmachung der Wasserkräfte gemäss Artikel 1 Absatz 1 des Wasserrechtsgesetzes vom 22. Dezember 191646 und der Aufsicht gemäss Artikel 22 des Stauanlagengesetzes vom 1. Oktober 201047. Aus diesen Gründen ist es angezeigt, die Erfassung und Weitergabe der Speicherseedaten zentral bei einer geeigneten Stelle anzusiedeln. Da es sich um wirtschaftlich sensible Daten handelt, die automatisiert, effizient und robust erfasst sowie weiterverarbeitet werden müssen, ergeben sich hohe Anforderungen an diese Stelle bezüglich Unabhängigkeit, Zuverlässigkeit sowie IT-Know-How und -Infrastruktur. Gemäss Absatz 1 wird der Bundesrat die Stelle bezeichnen. In Betracht kommt insbesondere das Eidgenössische Institut für Metrologie, das bereits über einen grossen Erfahrungsschatz in diesem Bereich verfügt, da es gestützt auf Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung vom 21. November 201248 über das Eidgenössische Institut für Metrologie für das Bundesamt für Umwelt das hydrologische Messnetz der Schweiz unterhält. Die von den Kraftwerksbetreibern zu liefernden Daten umfassen einerseits die einmalige Lieferung von historischen Daten, damit die aktuelle Versorgungslage im Vergleich zur Vergangenheit beurteilt werden kann. Benötigt werden etwa die Energieinhalte der Speicherseen, Laufzuflüsse und Speicherzuflüsse in genügender Granularität. Andererseits sollen periodisch aktuelle Daten zu den Speicherseen übermittelt werden. Konkret werden beispielsweise Energieinhalte, Seestände, maximale Energieinhalte, Summe der Überläufe inkl. Spülungen und Speicherzuflüsse der einzelnen Speicherseen sowie die Laufzuflüsse je Kraftwerk benötigt. Kommt es zu einem Wechsel vom Normalbetrieb zum Bereitschaftsbetrieb, das heisst, die Versorgungslage wird als kritisch beziehungsweise der Abruf der Energiereserve als möglich erachtet, müssen die Daten in kürzerer Periodizität (beispielsweise täglich statt wöchentlich) geliefert werden. Ein Bereitschaftsbetrieb wird ausgelöst, wenn die WL den Bereitschaftsgrad erhöht oder die ElCom den Abruf der Energiereserve für kritische Versorgungssituationen grundsätzlich freigibt.

In Absatz 2 wird sodann die Weitergabe der erfassten Speicherseedaten geregelt. Sie darf nur in dem Umfang erfolgen, wie er für die Aufgabenerfüllung der jeweiligen Akteure notwendig ist. Mit dem Kriterium des
notwendigen Umfangs ist insbesondere die Periodizität der Weiterleitung angesprochen sowie die Granularität der Daten. So genügt beispielsweise für die Beobachtung der Versorgungslage nach LVG im Normalbetrieb eine wöchentliche Weitergabe von regional aggregierten Daten. Bei einem Wechsel zum Bereitschaftsbetrieb müssten hingegen täglich speichersee- beziehungsweise kraftwerksscharfe Daten geliefert und weitergegeben werden. Neben den ausdrücklich erwähnten Stellen können die Speicherseedaten auch an weitere Bundesstellen weitergeleitet werden, sofern sie diese für ihre Aufgabenerfüllung benötigen.

Zu denken ist insbesondere an das Bundesamt für Umwelt (hydrologische Modellberechnungen und Hochwasserschutz), aber auch an den Führungsstab der Armee und an die Nationale Alarmzentrale.

Da es sich bei den Speicherseedaten um wirtschaftlich sensible Daten der Kraftwerksbetreiber handelt, sind sie gemäss Absatz 3 von der vom Bundesrat zu bezeichnenden Stelle und von den empfangenden Akteuren gemäss Absatz 2 absolut vertraulich zu behandeln. Die Speicherseedaten können insbesondere nicht mittels Gesuch um 46 47 48

SR 721.80 SR 721.101 SR 941.272

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Zugang zu amtlichen Dokumenten nach dem Öffentlichkeitsgesetz vom 17. Dezember 200449 (BGÖ) verlangt werden. Mit Absatz 3 wird mit anderen Worten eine Spezialbestimmung im Sinne von Artikel 4 Buchstabe a BGÖ geschaffen. Zudem müssen die Akteure gemäss Absatz 2, welche die Speicherseedaten von der Stelle weitergeleitet erhalten, Vorkehrungen treffen, damit die Daten keinesfalls für andere Zwecke verwendet werden können.

Art. 9bis

Zubau für die Stromproduktion im Winter

Absatz 1: Artikel 9bis enthält die Grundlage und das Instrumentarium für eine Stärkung der Stromversorgung im Winter. Er gibt ­ an die zu Investitionen angehaltene Branche gerichtet ­ einen Zubau (2 TWh per 2040) vor, und stellt eine finanzielle Unterstützung bereit. Die Massnahme ist ein vom Gesetzgeber lancierter Anwendungsfall von Artikel 9, wo aber ein eigenes Verfahren, eine Priorisierung punkto Technologie und ganz bestimmte Kriterien greifen. Wichtiges Kriterium, damit eine Anlage in das Gefäss von Artikel 9bis kommen kann, ist ihre Eignung in Bezug auf das Potenzial, im Winter im Inland Strom produzieren zu können. Selbstredend muss die Anlage somit am Schweizer Netz angeschlossen sein. Dass der Strom im Winter sicher abrufbar sein muss, impliziert in aller Regel Speicherfähigkeit. Hinzu kommt das wichtige Nachhaltigkeitsziel: Die Produktion muss klimaneutral sein, also neutral hinsichtlich CO2 oder anderer klimaschädlicher Emissionen. Der Bundesrat wird dieses Kriterium konkretisieren (vgl. bei Abs. 3). Weit zu verstehen ist der Kraftwerksbegriff, wozu auch Erweiterungen gehören, bei Speicherwasserkraftwerken also auch Staumauererhöhungen. Es soll keine Doppelförderung geben. Für das gleiche Projekt soll es also nicht sowohl eine Unterstützung nach dem EnG wie auch eine solche nach Artikel 9bis StromVG geben.

Absatz 2 legt die Priorität des Zubaus auf die Wasserkraftspeicher und sieht dafür ein zweistufiges Verfahren vor: Zuerst wird, möglichst breit abgestützt, ein Set geeigneter und möglichst konsensfähiger Anlagen und ökologischer Ausgleichsmechanismen bestimmt. Resultat ist eine Liste des UVEK (Bst. a) mit diesen Anlagen. Danach kommt die Gewährung der Investitionsbeiträge durch das BFE (Bst. b).

Die Eruierung der Projekte erfolgt möglichst im Dialog, bei dem es unter anderem um die Akzeptanz des Standortes und um Umweltauswirkungen geht. Der Dialog kann im Rahmen eines runden Tisches oder auch in anderer Form stattfinden und soll Vertreter der primär betroffenen Akteure einbinden. Ein solcher runder Tisch ist bereits lanciert; ein späterer Einbezug von weiteren als den im Gesetz genannten Akteuren ist denkbar. Mit den Projekten, die das UVEK am Ende auf die Liste setzt, soll möglichst das Ausbauziel von 2 TWh per 2040 erreicht werden. Weiter sollen die Projekte möglichst breit
abgestützt sein und möglichst wenig ökologische Eingriffe mit sich bringen. «Möglichst» bezieht sich also auf alle drei Aspekte. Die Liste ergeht weder als Verordnung noch als einzelfallweise Verfügung, sondern in Beschlussform, ähnlich einer planerischen Festlegung, und soll veröffentlicht werden. Dem UVEK steht beim Erstellen der Liste letztlich auch Ermessen zu. Es besteht kein Anspruch, auf die Liste aufgenommen zu werden, und es gibt keine spezifischen Beteiligungs- und Ver-

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SR 152.3

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fahrensrechte. Mit der Liste soll allen Beteiligten ein Stück Sicherheit gegeben werden. Sie ersetzt nicht die Baubewilligung. Diese wird wie üblich im (zumeist) kantonalen Bewilligungsverfahren (Konzession und Baubewilligung) erteilt. In diesem Verfahren erfolgt eine umfassende Prüfung, auch hinsichtlich Natur- und Heimatschutz und Ausgleichsmassnahmen. Bei dieser Gesamtwürdigung soll gebührend gewichtet werden, dass ein Projekt auf der UVEK-Liste ist.

Nach Buchstabe b gewährt das BFE nach Prüfung entsprechender Gesuche die Investitionsbeiträge. Dafür kommen nur Projekte auf der Liste in Frage. Ob für ein Projekt schon rasch nach der Listenerstellung oder erst einiges später ein Investitionsbeitragsgesuch gestellt wird, kann variieren, und hängt davon ab, wie weit die Planung eines Projekts fortgeschritten ist. In der Regel sollte bei der Gesuchseinreichung aber die Baubewilligung vorliegen. Dafür, was anrechenbare Kosten sind, wird man sich im Wesentlichen am EnG orientieren; der Bundesrat kann aber auch davon abweichen.

Im Übrigen werden die EnG-Regeln zu den Investitionsbeiträgen bei Artikel 9bis nur bedingt analog heranziehbar sein. So würde es zum Beispiel keinen Sinn machen, die Regel zum Baubeginn anzuwenden, hingegen ist eine gestaffelte Auszahlung des Beitrags ebenfalls sinnvoll. Bei Artikel 9bis ist nebst einem Beitrag an die Kosten für die eigentliche Infrastruktur auch ein Beitrag an die Projektierungskosten möglich. Für beide Arten von Beiträgen gilt ein Höchstsatz von 40 Prozen, wobei pro Art unterschiedliche Sätze möglich sind. Bei den Ausnahmen, wo ein Maximum von bis zu 60 Prozent gilt, ist an Fälle zu denken, bei denen ein Beitrag von bloss 40 Prozent langfristig keinen rentablen Betrieb erlauben würde. Für solche Fälle werden substanziierte Nachweise erforderlich sein. Das ist nicht zuletzt angesichts der langen Zeithorizonte eine Herausforderung, weshalb der Bundesrat Anforderungen an den Nachweis wird festlegen müssen. Beiträge über 40 Prozent soll es ausserdem dann nicht geben, wenn für andere Anlagen als Wasserkraftwerke ­ in einer möglichen zweiten Phase des Mechanismus von Artikel 9bis können via Auktionen auch andere Technologien zum Zuge kommen (Abs. 3) ­ deutlich weniger Unterstützungsgelder aufgewendet werden müssten. Ausserdem unterstehen alle möglichen Beiträge
dem Kostendeckel nach Absatz 4 und der Zuschlagsfestlegung des Bundesrats.

Absatz 3 regelt den zweiten Schritt des Zubaus (2 TWh per 2040) mit anderen Technologien. Ob und wann diese zweite Phase beginnt, entscheidet das UVEK, dies voraussichtlich spätestens 2030. Phase 1 (Wasserkraft) und Phase 2 (andere Technologien) sollen sich, sofern angezeigt, für eine gewisse Zeit auch überlappen dürfen. Nur weil Phase 2 schon läuft, soll also ein Beitrag an ein Speicherwasserkraftwerk (aus Phase 1) nicht per se ausgeschlossen sein, bei bereits hängigen Gesuchen ohnehin nicht. Die Anlagen beziehungsweise Projekte aus Phase 2 werden mittels technologieoffener Auktionen bestimmt und sie haben kürzere Realisierungsdauern als die Wasserkraft. Vorab ist an Gaskombikraftwerke zu denken. Bei allen via Auktionen ermittelten Anlagen sind die Kriterien nach Absatz 1 anwendbar. Mit dem zentralen Kriterium der Klimaneutralität ist eine unter dem Strich klimaneutrale, namentlich CO2-freie Produktion gemeint. Das ist auch erfüllt, wenn Carbon Capture and Storage oder erneuerbare Gase (Biogas, erneuerbarer Wasserstoff, erneuerbares Methan) zum Einsatz kommen. Als weitere Möglichkeiten sollen die CO2-Kompensation oder negative Emissionstechnologien offenstehen. Möglich sein soll, was nach den Standards des im jeweiligen Zeitpunkt massgeblichen CO2-Gesetzes möglich ist. Vielleicht wird es zusätzliche Kriterien zu jenen nach Absatz 1 brauchen, vor allem Eignungs- oder 86 / 146

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Standortkriterien. Denkbar wäre ein zweistufiges Prozedere. Dabei würden Projekte, die die Kriterien nach Absatz 1 nicht erfüllen, oder solche ohne jegliche Chance schon gar nicht erst zugelassen (Präqualifikation). Die verbleibenden Projekte könnten in die Auktion kommen und bei der Bewertung der Gebote würden die erwähnten zusätzlichen, verfeinerten Kriterien berücksichtigt. Das BFE wird solche nachgelagerten Kriterien, innerhalb des Rahmens der Verordnung, auktionsspezifisch festlegen können. Abgesehen davon wird es, wie bei Auktionen typisch, vor allem darum gehen, die preislich attraktivsten Projekte zu ermitteln. Es soll für das eingesetzte Geld möglichst viel Stromproduktion im Winter generiert werden. Für die Durchführung der Auktionen kann das BFE zur Unterstützung Dritte beiziehen. Am Schluss erlässt das BFE zusammen mit dem Auktionszuschlag eine Verfügung über den Investitionsbeitrag. Darüber, ob die Anlage gebaut werden darf, ist damit nichts gesagt. Es braucht die nötigen Bewilligungen der zuständigen Behörden. Für die Teilnahme an der Auktion soll eine Baubewilligung nicht unbedingt vorliegen müssen, eine zeitgerechte Errichtung (mit Blick auf den Zeithorizont 2040) sollte aber plausibilisiert werden können.

Nach Absatz 4 wird der in Artikel 9 bereits vorgesehene Zuschlag unter dem Namen «Winterzuschlag» für das neue Instrument von Artikel 9bis aktiviert. Er fliesst auf ein separates Konto des Netzzuschlagsfonds gemäss EnG. Der Bundesrat legt die konkrete Höhe fest, bis zu maximal 0,2 Rp./kWh. «Bedarfsgerecht» schliesst auch eine gewisse Reservebildung mit ein, da der Zubau erst mehrere Jahre nach Inkrafttreten von Artikel 9bis beginnen wird und mehrere Projekte gleichzeitig aktuell werden können. Der Bundesrat soll die Mittelerhebung also glätten können, und soll den Zuschlag auf null setzen, wenn der Bedarf nicht mehr gegeben ist. Sollte am Ende des Mechanismus von Artikel 9bis noch ein namhafter Betrag auf dem entsprechenden Fondskonto sein, so wären diese Mittel sachgerecht zurückzuerstatten. Die Modalitäten beim Winterzuschlag funktionieren analog zum EnG. Bei der Erhebung bedeutet dies, dass die Vollzugsstelle den Zuschlag erhebt und bei der Überwälzung, dass er an die Endkunden weiterbelastet werden kann. Die Rückerstattung an energieintensive Unternehmen wird es derweil nicht
geben. Der Winterzuschlag wird auf den Rechnungen separat auszuweisen sein (Art. 12).

Im Hinblick auf die späteren Ausführungsvorschriften des Bundesrats listet Absatz 5 einige Aspekte speziell auf. So ist sowohl für Phase 1 (Wasserkraft) wie für Phase 2 (technologieoffene Auktionen) denkbar, dass nicht folgenlos bleibt, wenn Betreiber ohne ein echtes Realisierungsinteresse ein Projekt eingeben oder wenn sie ein Projekt nach der Eingabe ohne gute Gründe beziehungsweise ungerechtfertigterweise fallenlassen. Wie bei Auktionssystemen üblich soll eine finanzielle Sanktion greifen (Bst. b), und die betreffende Regelung könnte sogar entsprechende Sicherheitsleistungen umfassen. Bei den Wasserspeichern (Bst. a) wäre in Ausnahmefällen denkbar, dass die Kenntnisse aus den Projektierungsarbeiten für andere mögliche Projektanten nutzbar gemacht werden. Das könnte vor allem bei neuen Kraftwerken an neuen Standorten in Frage kommen und wäre bei Erweiterungen viel schwieriger und kaum praktikabel. In Buchstabe c ist schliesslich eine Rückforderung angelegt, die Betreiber leisten müssten, wenn sie mit der unterstützten Infrastruktur später hohe Gewinne erzielen. Gemeint ist eine teilweise und massvolle Rückforderung. Ein Aspekt einer Rückforderungsregelung wären die heranzuziehenden Zeiträume, die von einiger

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Dauer sein sollten. Entsprechend kann es auch nötig sein, dass Geschäftszahlen länger aufbewahrt werden müssen als üblich.

Art. 9b Abs. 2 Zum Netzausbau ist in Artikel 9b das sog. NOVA-Prinzip verankert. Zu den Optimierungen gehört auch die Nutzung von Flexibilität, was nun präzisierend festgehalten werden soll. Gemäss dem NOVA-Prinzip will man Ausbauten in der Regel nur dann, wenn ein sicheres, leistungsfähiges und effizientes Netz mit den anderen Massnahmen nicht erreicht werden kann. Flexibilität soll vor anderen Massnahmen kommen, wenn sie effizienter ist.

Art. 12

Information und Rechnungsstellung

In Absatz 1 werden sämtliche Veröffentlichungspflichten der Netzbetreiber aufgelistet. Die neue Veröffentlichungspflicht zu den Netzkostenbeiträgen besteht selbstredend nur, soweit ein Netzbetreiber überhaupt derartige Kostenbeiträge erhebt. Sie soll einem Netzanschlussnehmer (beispielsweise einem Betreiber einer Ladestation) ermöglichen, diesbezügliche Kosten möglichst präzise abzuschätzen. Der Netzbetreiber wird dementsprechend über die bei ihm gebräuchliche Berechnungsweise sowie über die voraussichtliche Höhe eines Netzkostenbeitrags zu informieren haben (beispielsweise differenziert nach Spannungsebene und Anschlussleistung).

Was die Informationspflichten anbelangt, könnte der Bundesrat die Elektrizitätsversorgungsunternehmen gestützt auf Artikel 59 Absatz 1 Buchstabe a EnG ausserdem dazu anhalten, in der Rechnungsstellung anzugeben, wie hoch der durchschnittliche Elektrizitätsverbrauch von vergleichbaren Endverbraucherinnen und Endverbrauchern ist (z. B. gleiche Kundengruppe). Dies könnte Endverbraucherinnen und Endverbraucher mit einem vergleichsweise hohen Stromverbrauch entsprechend sensibilisieren und so einen zusätzlichen Anreiz zum Stromsparen setzen. Der anzugebende Durchschnittswert könnte auf das Kundenportfolio des betreffenden Lieferanten beziehungsweise Grundversorgers oder auch auf schweizweite Werte bezogen sein.

Absatz 2 bezieht sich sowohl auf die Grundversorger als auch auf die Elektrizitätslieferanten im freien Markt.

Die Neuformulierung des bisherigen Absatzes 2 (neu Absatz 3) steht hauptsächlich in Zusammenhang mit den Änderungen im Messwesen.

Der Inhalt des ehemaligen Absatzes 3 findet sich im neuen Artikel 13a wieder.

Absatz 4 dient einem Anliegen der Verbraucherseite.

Art. 13 Abs. 3 Die in der geltenden Regelung vorgesehene Privilegierung bei der Zuteilung von Netzkapazitäten für Stromlieferungen an Endverbraucher in der Grundversorgung (Bst. a bzw. b) und für Stromlieferungen aus erneuerbaren Energien (Bst. c) ist in der Praxis aus systemtechnischen Gründen nicht durchführbar. Eine Privilegierung bestimmter Produktionstechnologien lässt sich nur bei der Netzeinspeisung (vgl. etwa Art. 15 EnG) und ­ über das Bilanzgruppensystem ­ bei der Zuteilung der Kapazitäten 88 / 146

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des grenzüberschreitenden Übertragungsnetzes (vgl. Art. 17 Abs. 1 und 2) umsetzen.

Innerhalb der Regelzone Schweiz ist eine differenzierte Zuteilung von Netzkapazitäten hingegen unmöglich. Der in der Praxis folglich bedeutungslos gebliebene Absatz 3 wird deshalb aufgehoben.

Art. 13a

Wechselprozesse

Gestützt auf Absatz 1 kann der Bundesrat der Branche vorgeben, innert welcher Zeitspanne ein Lieferantenwechsel abgewickelt werden muss. Hinsichtlich der Wechsel bei der Grund- und der Ersatzversorgung wird er insbesondere die Fristen und Termine festlegen. Ausserdem kann er den beteiligten Akteuren nach Buchstabe a auch Aufgaben zuweisen (z. B. Auferlegung von Meldepflichten).

Bei der Grundversorgung (Bst. b) erscheint es sinnvoll, die Möglichkeit zum Ein- und Austritt einmal jährlich ­ sinnvollerweise auf Ende Jahr hin ­ zu eröffnen. So können Kleinverbraucher (Jahresverbrauch < 100 MWh) regelmässig wechseln, ohne die Grundversorgungstarife aufgrund fehlender Planbarkeit unverhältnismässig in die Höhe zu treiben; allzu häufige Wechsel würden den Grundversorger zu kurzfristigen und entsprechend teuren Beschaffungen zwingen.

Bei der Ersatzversorgung (Bst. c) erscheint sinnvoll, dass Endverbraucher bereits nach einem Monat wahlweise wieder in den freien Markt oder in die Grundversorgung wechseln können. Eine möglichst kurze Frist erscheint hier sinnvoll, da die Ersatzversorgung keiner Tarifordnung, sondern nur einer Missbrauchsaufsicht unterliegt (vgl.

Art. 22 Abs. 2 Bst. c).

Was die Elektrizitätslieferverträge anbelangt, die von Kleinverbrauchern im freien Markt abgeschlossenen werden (Bst. d), wird der Bundesrat mindestens vorsehen müssen, dass diese unter Einhaltung einer bestimmten Frist auf Ende eines jeden Jahres hin kündbar sind; ansonsten könnte die Rückkehr in die Grundversorgung nicht, so wie dies geplant ist, auf Anfang eines jeden Kalenderjahres hin stattfinden. Zudem ist angedacht, dass Kleinverbraucher die Verträge, die sie im freien Markt abgeschlossen haben, nach Ablauf des ersten Vertragsjahres in jedem Fall und ohne zusätzliche Kosten mit einer Kündigungsfrist von zwei Monaten auf einen beliebigen Zeitpunkt hin auflösen können. Damit werden die Stromkunden auch im freien Markt stärker vor langfristig ungünstigen Geschäftsbedingungen geschützt.

Die Abwicklung von Wechselprozessen ist für den Verteilnetzbetreiber mit Kosten verbunden. Obwohl diese Kosten grundsätzlich einem bestimmten Endverbraucher zuordenbar sind, verbietet Absatz 2 eine individuelle Kostenanlastung. Dies soll verhindern, dass der Marktzutritt über die Auferlegung von Wechselkosten behindert wird. Die
Verteilnetzbetreiber sind hier sowohl in ihrer Funktion als Netzbetreiber als auch in ihrer Funktion als Grundversorger angesprochen. Lieferantenwechsel im freien Markt oder Wechsel zwischen Markt und Monopol (Grund- und Ersatzversorgung) können ihnen sowohl netz- als auch energieseitige Kosten verursachen. Erstere können sie bei der Festlegung der Netznutzungstarife berücksichtigen, letztere bei der Festlegung der Grundversorgungstarife beziehungsweise bei der Festlegung der Konditionen der Ersatzversorgung. Umgekehrt darf ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen diejenigen Aufwände, die den Aktivitäten im freien Markt zuzurechnen sind

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(z. B. Anwerbung neuer Kunden), aufgrund des Quersubventionierungsverbotes (Art. 10 Abs. 1) nicht in die regulierten Tarife einpreisen.

Art. 14 Sachüberschrift, Abs. 1, 3 Einleitungsteil und Bst. a und f sowie 3bis Absatz 1 wird um einen zweiten Satz ergänzt. In diesem gelangt der Umgang mit Deckungsdifferenzen zum Ausdruck. Dieser Begriff steht für die Differenz zwischen dem gesamthaft erhobenen Netznutzungsentgelt und dem Total der Netzkosten, das dem Netzbetreiber im betreffenden Tarifjahr anrechenbar ist. Bei einer positiven Deckungsdifferenz ­ in diesem Fall liegen die Einnahmen über den anrechenbaren Kosten ­ liegt eine sog. Überdeckung vor. Im umgekehrten Fall ist von einer Unterdeckung die Rede. Da es sich um einen Kernaspekt der Vorgaben zu den Netznutzungstarifen und den anrechenbaren Netzkosten handelt, erscheint eine Regelung auf Gesetzesstufe angebracht (vgl. dazu auch Art. 15 Abs. 3bis Satz 1). Der Zeitraum, innert welchem Deckungsdifferenzen auszugleichen sind, kann auf Verordnungsstufe näher geregelt werden. Nach der aktuellen Praxis der ElCom ist der Ausgleich in der Regel innert dreier Jahre vorzunehmen. Werden Unterdeckungen nicht innert der vorgegebenen Frist ausgeglichen, gehen sie unter, womit der Netzbetreiber auf die entsprechenden Einnahmen verzichten muss. Werden umgekehrt Überdeckungen nicht fristgerecht aufgelöst, kann die ElCom im entsprechenden Umfang eine Reduktion des Netznutzungstarifs verfügen (Art. 22 Abs. 2 Bst. b Satz 3).

Wie die Grundversorgungstarife werden auch die Netznutzungstarife für die Dauer eines Jahres festgesetzt. Bisher ergab sich dies aus dem früheren Artikel 6 beziehungsweise aus dem früheren Artikel 7. Um den Aufbau des Gesetzes kohärenter zu gestalten, werden die netzseitigen Aspekte fortan separat behandelt, womit diese Vorgabe nun in Absatz 3 aufgenommen wird (Einleitungssatz). Indem die Netznutzungstarife zufolge der Änderung in Buchstabe a keine «einfachen», sondern nur mehr «nachvollziehbare» Strukturen aufweisen müssen, besteht mehr Spielraum für eine dynamische Ausgestaltung der Tarife, unter anderem in zeitlicher Hinsicht. Im neuen Buchstaben f wird der Grundsatz der Verursachergerechtigkeit dahingehend konkretisiert, dass Eigenverbraucher so wie auch Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch bei der Tarifierung nicht benachteiligt werden
dürfen. Dies ist vor allem für das Gefüge der einzelnen Tarifkomponenten (Arbeits-, Leistungs- und Grundkomponente) von Bedeutung, zumal dieses für die verschiedenen Kundengruppen prinzipiell unterschiedlich festgelegt werden kann. Voraussichtlich wird der Bundesrat für die Netzebene 7, so wie schon heute, konkretisierende Ausführungsvorschriften erlassen.

Dabei wird er sich an den Vorschlägen orientieren können, die hierzu in der Vernehmlassungsvorlage enthalten waren (siehe dazu auch Ziff. 3.1.10). Hinsichtlich dieser allgemeinen Tarifvorgaben bleibt anzumerken, dass Buchstabe c lediglich auf die Verteilnetztarife zugeschnitten ist.

Die leichte Korrektur der Formulierung von Absatz 3bis ­ festgelegt werden die Tarife und nicht das Entgelt ­ verdeutlicht, dass die anrechenbaren Netzkosten grundsätzlich über die Tarife ins Netznutzungsentgelt einfliessen. Zwecks Verursachergerechtigkeit können die einem Netznutzer direkt zuordenbaren Netzkosten im Sinne

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von Absatz 3ter aber auch individuell in Rechnung gestellt werden, eine entsprechende Rechtsgrundlage vorausgesetzt (vgl. Botschaft vom 3. Dezember 2004 zum StromVG50).

Art. 15 Abs. 1, 2 Bst. a und d, 3 Bst. b und 3bis Einleitungsteil und Bst. a und d sowie 3ter Die Änderungen in den Absätzen 1 und 3 verdeutlichen, dass die anrechenbaren Betriebskosten keine Gewinnkomponente enthalten. Eine solche enthalten lediglich die anrechenbaren Kapitalkosten, indem der WACC so festgesetzt wird, dass ein angemessener Betriebsgewinn resultiert. An der bisherigen Praxis ändert sich dadurch nichts.

In Absatz 2 werden zwei neue Posten aufgeführt. Damit wird geklärt, dass die Kosten für die Energiereserve und die Flexibilitätsnutzung grundsätzlich zum Netznutzungsentgelt gezählt werden. In den jeweiligen Fällen gelten für die Anrechenbarkeit natürlich die Kriterien nach Absatz 1. Bei der Flexibilität sind nur die Kosten für netzdienliche Flexibilität erfasst.

Absatz 3bis: Gestützt auf den neuen ersten Satz kann der Bundesrat die Regelung zum Umgang mit sogenannten Deckungsdifferenzen (Art. 14 Abs. 1 zweiter Satz) weiter konkretisieren (siehe dazu auch die Erläuterungen zu Art. 14 Abs. 1). Um eine volkswirtschaftlich inneffiziente, systematische Bildung von negativen Deckungsdifferenzen zu vermeiden, könnte der Bundesrat beispielsweise vorsehen, dass Unterdeckungen ­ in diesem Fall ist das Netznutzungsentgelt, das in den vergangenen Tarifperioden vereinnahmt wurde, tiefer als die anrechenbaren Netzkosten ­, nicht mit dem WACC-Zinssatz verzinst werden. Die Änderung von Buchstabe a steht in Zusammenhang mit den Neuerungen im Messwesen. Infolge der neuen Wahlfreiheiten entfällt die Möglichkeit, bestimmte Kosten für Sensibilisierungen zur Verbrauchsreduktion für anrechenbar zu erklären (diese Regelung ist ein Bestandteil des heutigen Buchstaben a).

Absatz 3ter: Die bisher in Absatz 1 und Absatz 3bis Buchstabe d enthaltene Regelung wird der besseren Übersicht halber an diese Stelle verschoben.

Im Zusammenhang mit den Betriebskosten ist angedacht, dass in der StromVV Folgendes präzisiert wird: Werden dem Netzbetrieb von einer anderen Unternehmensoder Konzerneinheit Leistungen erbracht, so sind diese höchstens zu den Kosten anrechenbar, die angefallen wären, wenn die Leistungen vom Netzbetrieb selbst erbracht worden wären. Überschreiten die intern verrechneten Kosten die Marktpreise, sind höchstens die Marktpreise anrechenbar.

Art. 15a

Besondere Kosten des Übertragungsnetzes

Absatz 1 bestimmt für zwei Kostenpositionen, die beide in direktem Zusammenhang mit der Gewährleistung der Versorgungssicherheit auf gesamtschweizerischer Ebene stehen, dass sie als anrechenbare Betriebskosten des Übertragungsnetzes gelten.

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Dadurch wird entsprechend dem Fokus dieser Tätigkeiten eine schweizweite Kostensozialisierung unter allen Endverbrauchern ermöglicht. Die Regelung ist subsidiär und greift nur, sofern eine Kostendeckung durch spezialgesetzlich (ausserhalb des StromVG) vorgesehene Finanzierungsinstrumente nicht möglich ist (vgl. etwa Art. 38 LVG). Als Massnahmen nach dem LVG zur Sicherstellung der Elektrizitätsversorgung nach Buchstabe b gelten Vorbereitungsmassnahmen nach Artikel 5 LVG, wirtschaftliche Interventionsmassnahmen nach den Artikeln 31 und 32 LVG sowie Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Beobachtung der Versorgungslage (Art. 62 LVG). In Zeiten ungestörter Versorgung bereiten die Organe der wirtschaftlichen Landesversorgung gemeinsam mit den Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft den Vollzug von Bewirtschaftungsvorschriften im Elektrizitätsbereich vor und treffen hierzu die erforderlichen Vorkehrungen organisatorischer und technischer Art. Der Bundesrat kann Organisationen der Elektrizitätswirtschaft auch öffentliche Aufgaben übertragen, beispielsweise die Marktbeobachtung oder Vollzugstätigkeiten im Rahmen von Vorbereitungs- und Interventionsmassnahmen der wirtschaftlichen Landesversorgung (Art. 60 LVG). Bei den Organisationen der Wirtschaft handelt es sich in der Regel um Verbände des privaten Rechts oder um öffentlich-rechtliche Körperschaften. Möglich sein soll bei entsprechender Eignung aber auch eine Aufgabenübertragung an Körperschaften des privaten Rechts, die jedoch von der öffentlichen Hand dominiert sind, wie beispielsweise die nationale Netzgesellschaft. Erfasst sind nur die Kosten für Aufwände, die den Netzbetreibern, Erzeugern und Speicherbetreibern unmittelbar bei der Vorbereitung und Umsetzung solcher Massnahmen anfallen. Endverbraucher sind vom persönlichen Anwendungsbereich der Bestimmung nicht erfasst, weil sie weder bei der Vorbereitung, noch bei der Durchführung von Massnahmen nach dem LVG involviert sind. Ihnen entstehen deshalb keine solchen unmittelbaren Kosten. In sachlicher Hinsicht nicht erfasst sind allfällige Folgekosten bei den von wirtschaftlichen Interventionsmassnahmen Betroffenen. Zu denken ist beispielsweise an finanzielle Einbussen bei Endverbrauchern wegen Produktionsausfällen. Die Entschädigung des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) für seine
Aufgaben gemäss Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung vom 10. Mai 201751 über die Organisation zur Sicherstellung der wirtschaftlichen Landesversorgung im Bereich der Elektrizitätswirtschaft (VOEW) wird weiterhin vom WBF festgelegt (Art. 4 Abs. 1 VOEW) und nicht über die Betriebskosten des Übertragungsnetzes sozialisiert.

Die LVG-Massnahmen müssen schliesslich notwendig sein, damit deren Kosten als anrechenbare Betriebskosten des Übertragungsnetzes gelten. Mit dieser Voraussetzung ist nicht nur der Bedarf an sich angesprochen, sondern auch die Höhe der Kosten.

Ob eine Massnahme notwendig ist, ist gemäss Absatz 2 ex ante vom BWL zu prüfen und ist somit nicht ein von den involvierten Netzbetreibern, Erzeugern und Speicherbetreibern zu tragendes Risiko. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass es selbstverständlich nicht an den Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft ist, von sich aus LVGMassnahmen vorzubereiten. Ebenfalls ex ante zu prüfen hat das BWL insbesondere die skizzierte Unmittelbarkeit der Kosten sowie die Frage, ob Artikel 15a überhaupt anwendbar ist, das heisst, ob keine anderen Finanzierungsinstrumente offenstehen.

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SR 531.35

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Als Basis für diese Prüfung kann dem BWL beispielsweise eine Aufstellung des Fachbereichs Energie der wirtschaftlichen Landesversorgung über die geplanten Massnahmen inklusive einer Kostenabschätzung dienen. Die eigentliche Kostenprüfung erfolgt, wie bei den übrigen Netzkosten auch, erst ex post. Dies jedoch mit dem Unterschied, dass für die LVG-Kosten das BWL und nicht die ElCom zuständig ist.

Zumal die Voraussetzungen bereits ex ante überprüft worden sind, handelt es sich im Ergebnis um eine beschränkte Kostenprüfung, die sich auf deutliche Kostenüberschreitungen und Rechnungsfehler konzentrieren dürfte.

Gemäss Absatz 3 erlässt der Bundesrat unter anderem Ausführungsbestimmungen zur Ausweisung von dem Übertragungsnetz nach diesem Artikel zugeordneten Kosten.

Davon erfasst ist nicht nur die Ausweisung gegenüber der Organisation der WL beziehungsweise gegenüber dem BWL, sondern auch eine allfällige Pflicht zur Veröffentlichung der über das Übertragungsnetz sozialisierten Kosten.

Art. 15abis Sachüberschrift sowie Abs. 1 Die Vorgabe in Absatz 1 Buchstabe a entspricht dem geltenden Recht. Mit dem neuen Buchstaben b wird eine bisher nur auf der Verordnungsstufe enthaltene Regelung (vgl. Art. 15 Abs. 1 Bst. a StromVV) auf Gesetzesstufe gehoben.

Art. 17a

Zuständigkeit und Wahlrechte

Absatz 1 normiert die Grundzuständigkeit der Netzbetreiber. Zu ihrem Pflichtenheft zählen in jedem Fall die betriebliche Messung sowie die Bezeichnung und Verwaltung der Messpunkte. Was den Messstellenbetrieb und die Messdienstleistungen anbelangt, entfällt ihre Zuständigkeit, sofern und soweit die freien Messkunden ihre gesetzlichen Wahlfreiheiten ausüben (vgl. auch Abs. 4 zweiter Satz). Da es sich um eine Aufgabe der Netzbetreiber handelt, sind diese bei der Ausübung dieser Grundzuständigkeit an die Entflechtungsbestimmungen gebunden. Insbesondere dürfen sie die daraus erlangten wirtschaftlich sensiblen Informationen nicht für Tätigkeiten im freien Markt nutzen (Art. 10 Abs. 2).

Absatz 2 vermittelt gewissen Messkunden das Recht, einen Messstellenbetreiber und/oder einen Messdienstleister freier Wahl zu beauftragen. Das Wahlrecht kommt vorab allen Elektrizitätserzeugern und Speicherbetreibern zu. Endverbraucher können nur frei wählen, wenn eine der gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt ist (Bst. a­c).

Über ein Flexibilitätsangebot (Bst. c Ziff. 1) erlangen kleinere Endverbraucher nur dann Zugang zum freien Messmarkt, wenn das Angebot nicht netzdienlicher Natur ist, es also nicht gegenüber dem Verteilnetzbetreiber erfolgt (vgl. Art. 17bbis Abs. 2).

Ein typisches Beispiel für einen netzdienlichen Einsatz von verbrauchsseitiger Flexibilität sind Boiler, die vom Verteilnetzbetreiber im Rahmen einer sogenannten Rundsteuerung ein- und ausgeschaltet werden. Zugang zum freien Markt verschaffen demgegenüber beispielsweise Angebote gegenüber Systemdienstleistern, die das Flexibilitätspotenzial mehrerer Endverbraucher zusammenführen («Pooling»), um es der nationalen Netzgesellschaft als Tertiärregelung anzubieten. Als Flexibilitätsressource kommen unter anderem Wärmepumpen, Kombiboiler/Wärmespeicher oder Ladestationen für Elektrofahrzeuge in Betracht. Dass in diesen Fällen auch kleinere Endverbraucher den Anbieter frei wählen können, ist deshalb sinnvoll, weil der 93 / 146

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externe Dienstleister mitunter darauf angewiesen sein kann, dass bei all seinen Kunden dieselben Messgeräte im Einsatz sind (homogene Zählerflotte), unter anderem um die (Beschaffungs-)Kosten und den Betrieb der Messgeräte zu optimieren.

Die Dienstleistungen, die ein Endverbraucher zur Reduktion seines Energieverbrauchs in Anspruch nehmen kann und die ihm Zugang zum freien Messmarkt verschaffen (Ziff. 2), sind vielfältiger Natur. Zu denken ist an Smart-Home-Anwendungen (z. B. Gebäudeautomation für Photovoltaikanlagen, E-Mobilität und Wärmepumpen). Der Zugriff auf die Messdaten kann hier unter anderem zur Erfassung der Auswirkungen dieser Installationen auf den Stromverbrauch beziehungsweise zur Evaluation weiterer Massnahmen notwendig sein. Weiter fallen Energiedienstleistungen im Zusammenhang mit energieeffizienten Massnahmen in Betracht.

Was die Ausübung des Wahlrechts anbelangt, können bei Mietverhältnissen je nachdem auch mietrechtliche Anforderungen im Verhältnis zwischen dem Mieter als wahlberechtigtem Endverbraucher und dem Eigentümer zu beachten sein. So ist es etwa einer Mieterin nicht ohne weiteres gestattet, Zugriff auf die Steuerung einer Wärmepumpe zu nehmen, um verbrauchsseitige Flexibilität anzubieten. Aufgrund der Vielfalt der Verhältnisse lässt sich für solch mietrechtliche Belange aber keine allgemeingültige Regel aufstellen Grundsätzlich besteht das Wahlrecht eines Endverbrauchers nur an denjenigen Verbrauchsstätten, an denen eine dieser gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt ist. Absatz 3 durchbricht diesen Grundsatz mit einer Spezialregelung für sogenannte Multisite-User. Dabei handelt es sich um Unternehmen mit mehreren Verbrauchsstätten, die in der Summe einen Jahresverbrauch von mindestens 100 MWh aufweisen. Diesen Multisite-Usern kommt das Recht auf freie Wahl des Messstellenbetreibers und Messdienstleisters ohne weiteres an allen Verbrauchsstätten des Unternehmens zu.

Welche Verbrauchsstätten dem Unternehmen zuzurechnen sind, ist nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Erreicht der Jahresverbrauch des Unternehmens die vorausgesetzte Schwelle nicht, ist die Erfüllung der Voraussetzungen von Absatz 2 für jede Verbrauchsstätte gesondert zu beurteilen.

Absatz 4 stellt klar, dass das Wahlrecht umfassend ist. So ist beispielsweise das Wahlrecht eines Elektrizitätserzeugers
oder eines Eigenverbrauchers nicht auf die Messung der Nettostromproduktion beschränkt; es erstreckt sich auch auf die Messung am Netzübergangspunkt (Satz 1). Soweit die wahlberechtigten Messkunden ihre Wahlrechte nicht ausüben, bleibt der lokale Verteilnetzbetreiber zuständig (Satz 2).

Gestützt auf Absatz 5 ist der Bundesrat befugt, die Wechselprozesse zu normieren (v. a. Mitteilungspflichten, Fristen und Termine). Gleichsam kann er Kündigungsmodalitäten für die Verträge des freien Marktes festlegen. Um einen regen Anbieterwechsel zu ermöglichen, erscheint es sinnvoll, dass die Messkunden ihre Verträge mit den Messstellenbetreibern und Messdienstleistern unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist auf das Ende eines jeden Monats kündigen können.

Art. 17abis

Messentgelt und Messtarife

Nach geltendem Recht überwälzen die Netzbetreiber auch sämtliche Kosten, die ihnen im Rahmen der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben im Bereich des Messwesens

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anfallen, via Netznutzungsentgelt auf die Gesamtheit der Endverbraucher ihres Netzgebiets. Diese Kostenanlastung ist in einem offenen Markt, in welchem die Messkunden, seien es auch nur die grösseren davon, ihren Anbieter frei wählen dürfen, nicht sachgerecht. Sie führt dazu, dass Endverbraucher, die sich im freien Markt der Messanbieter bewegen, nicht nur ihre eigenen Messkosten tragen, sondern ­ via Netznutzungsentgelt ­ auch für die Kosten anderer Messkunden aufkommen müssen.

Zudem besteht für Elektrizitätserzeuger, die zufolge des Ausspeiseprinzips (Art. 14 Abs. 2) kein Netznutzungsentgelt entrichten, wenig Anreiz, einen anderen Messanbieter zu wählen.

Absatz 1 sorgt für eine verursachergerechte Kostenanlastung: Fortan müssen die Netzbetreiber für die Kosten, die ihnen im Rahmen ihrer gesetzlichen Grundzuständigkeit anfallen, kostenbasierte Messtarife festlegen. Die Tarifperiode wird auf der Verordnungsstufe festgelegt. Voraussichtlich wird es sich (ebenfalls) um jeweils einjährige Tarife handeln. Anhand der Messtarife können sie das geschuldete Messentgelt auf der Basis der anrechenbaren Messkosten ermitteln. Die Messtarife müssen sich am Grundsatz der verursachergerechten Kostenanlastung orientieren und dürfen beziehungsweise müssen je nach Messmittel und Art der Messdienstleistung unterschiedlich festgesetzt werden. Auch dürfen bei Messkunden mit mehreren Messpunkten allfällige Synergieeffekte berücksichtigt werden (Installation, Datenübermittlung usw.).

Die regulierten Messtarife kommen nicht nur im gesetzlichen Monopolbereich der Verteilnetzbetreiber zum Tragen. Sie gelten auch dann, wenn der Messkunde sein gesetzliches Wahlrecht nicht ausübt. Diese Regelung sorgt für die notwendige Klarheit bei der Ermittlung der anrechenbaren Messkosten. Solange der Messkunde keine aktive Wahl trifft, fliessen die ihm zurechenbaren Kosten in die anrechenbare Kostenbasis ein und dürfen bei der Festlegung der Messtarife entsprechend berücksichtigt werden. Die Differenzierung zwischen verschiedenen Messkunden ist für Elektrizitätsversorgungsunternehmen mit Verteilnetzbetrieb im Übrigen auch hinsichtlich des Gebots zur vertraulichen Behandlung von wirtschaftlich sensiblen Informationen relevant. Aus Gründen der Entflechtung kann es bei kombinierten Marktangeboten erforderlich sein, dass diese dem Messkunden
separat vorgelegt werden (z. B. Koppelung von Angeboten in den Bereichen Flexibilität und Messung).

Absätze 2­4: Der Bundesrat bestimmt über die für Investitionen angemessene Höhe der Eigenkapitalrendite (WACC). Die Kostenanlastung unterliegt der Prüfung durch die ElCom (Art. 22 Abs. 2 Bst. b). Treten (positive oder negative) Deckungsdifferenzen auf, sind diese analog zu den Netzkosten in den folgenden Tarifperioden auszugleichen. Mit der gesetzlichen Befugnis, Tarifobergrenzen festzulegen (Abs. 4), kann der Bundesrat die ElCom dabei unterstützen, unangemessene Konditionen im Monopolbereich der Verteilnetzbetreiber zu unterbinden. Anzumerken ist, dass die Kosten für die betriebliche Messung von diesem Prozess unberührt bleiben; diese fliessen nicht in die Messtarife, sondern wie bisher in die Kalkulation der Netznutzungstarife ein.

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Art. 17ater

Anforderungen an den Messstellenbetrieb und die Messdienstleistungen

Absatz 1 sieht vor, dass für die Rechtsverhältnisse zwischen dem Netzbetreiber und dem Messstellenbetreiber auf der einen Seite und dem Netzbetreiber und dem Messdienstleister auf der anderen Seite schweizweit einheitliche Rahmenverträge zu erarbeiten sind. Mittels Pflicht zur vorgängigen Konsultation der ElCom und der interessierten Kreise ist sichergestellt, dass diese frühzeitig Einfluss auf die Ausgestaltung der Vertragsstandards nehmen können. Selbstverständlich kann die ElCom gestützt auf Art. 22 Abs. 1 StromVG grundsätzlich zu jedem Zeitpunkt, auch im Nachhinein, korrigierend eingreifen.

Der Bundesrat kann gewisse Anforderungen an den Inhalt dieser Verträge festsetzen und Aufgaben bezeichnen, welche die Tätigkeit als Messstellenbetreiber oder Messdienstleister mit sich bringt (Abs. 2). So ist es beispielsweise notwendig, dass der Messstellenbetreiber dem Messdienstleister ­ sofern der Messkunde damit unterschiedliche Anbieter beauftragt hat ­ Zugang zu den Elektrizitätszählern gewährt.

Dieser Zugang ist auch dem Verteilnetzbetreiber zu gewähren, soweit er im Rahmen der Netzbetriebspflicht oder der betrieblichen Messung darauf angewiesen ist. Bereits jetzt gilt, dass für die Vornahme des Messstellenbetriebs nach Artikel 6 NIV eine Bewilligung durch das Eidgenössische Starkstrominspektorat erforderlich ist.

Art. 17aquater Abs. 1 und 2 dritter Satz Mit der Revision des StromVG im Rahmen der Totalrevision des EnG wurde der Bundesrat ermächtigt, den Verteilnetzbetreibern Vorgaben zur Einführung intelligenter Messsysteme zu machen. Künftig kann er diesbezüglich auch die Messstellenbetreiber, die sich im freien Markt bewegen, in die Pflicht nehmen (Absatz 2 Satz 3). Um den Smart-Meter-Rollout ungehindert fortzusetzen, erscheint es angezeigt, dass diese freien Marktakteure ausschliesslich die entsprechenden elektronischen Elektrizitätszähler einsetzen dürfen. Die rein sprachliche Änderung in Absatz 1 betrifft nur die französische Sprachfassung. Aufgrund der neuen Bestimmungen zum Messwesen (Art. 17a, 17abis und 17ater) findet sich die ehemals in Artikel 17a enthaltene Bestimmung neu in einem Artikel 17aquater wieder.

Art. 17b Abs. 2 erster Satz und Abs. 3 erster Satz Zwecks Angleichung der verschiedenen Sprachfassungen wird in den Absätzen 2 und 3 im französischen Text eine redaktionelle Änderung vorgenommen.

Art. 17bbis

Nutzung von Flexibilität

Die neue Regelung zu Flexibilität beschränkt sich auf ein zentrales Grundprinzip (Abs. 1) und einige Vorgaben zur netzdienlichen Nutzung (Abs. 2­5), die ein wichtiger Teilgehalt von Flexibilität ist. Die übrigen Teilgehalte (z. B. marktdienliche Nutzung) werden nicht geregelt und dem Markt überlassen. Flexibilität ist sodann bei der Netzplanung von Belang, was in Artikel 9b präzisiert wird.

Absatz 1 stipuliert als oberste Grundregel, wem die Flexibilität «gehört», indem den Erzeugern, Endverbrauchern und Speicherbetreibern die Inhaberschaft zugewiesen 96 / 146

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wird. Daraus leitet sich mehrerlei ab, so auch, dass niemand gegen den Willen dieser Inhaber eine Nutzung beanspruchen kann. Ausnahme hierzu bildet Absatz 3, der sie verpflichtet, gewisse «garantierte» Zugriffe zu dulden, zum Beispiel in Notfallsituationen. Die Grundregel zur Inhaberschaft gilt für alle Arten von Flexibilität, also namentlich nebst der neu geregelten netzdienlichen Flexibilität (z. B. Engpassbewirtschaftung) auch für die markt- oder systemdienliche Flexibilität (z. B. Frequenzhaltung) etc. Das Gesetz sagt zu diesen Bereichen, ohne sie explizit zu nennen, einzig, dass jene Dritte, die Flexibilität nutzen wollen, dafür entsprechende Verträge abschliessen. Natürlich sind für solche Verträge auch Zusammenschlüsse möglich (Pooling). Will die Swissgrid (als Dritte) Flexibilität netzdienlich nutzen, kann sie solche natürlich kontrahieren. Artikel 17bbis enthält mithin keine Spezialregelung zum Übertragungsnetz beziehungsweise zur Swissgrid. Ausserdem gibt es abgesehen von den Absätzen 3 und 4 keine Regelung zur Hierarchie zwischen den verschiedenen Flexibilitäten. Lösungen bei gegenläufigen Interessen, zum Beispiel beim Konflikt verschiedener netzdienlicher Nutzungen oder zwischen den Verteilnetzbetreibern und der Swissgrid sollen via Koordination dieser Akteure und entsprechende Vereinbarungen entstehen, mithin also möglichst marktorientiert.

Absatz 2 handelt vom Vertrag über die netzdienliche Nutzung und macht zulasten der Verteilnetzbetreiber zwei wichtige Einschränkungen: Sie sind nur zur netzdienlichen Nutzung befugt, und dies nur innerhalb ihres eigenen Netzgebiets, nicht aber in fremden Gebieten. Eine andere Nutzung als eine netzdienliche steht ihnen also nicht offen und würde sich nicht mit der Entflechtung (Art. 10) vertragen. Soweit zwischen dem Verteilnetzbetreiber und dem Erzeuger oder dem Endverbraucher ohnehin ein Vertrag besteht (Netznutzungsvertrag), bietet es sich an, die Vereinbarung zur Flexibilität in diesen Vertrag zu integrieren. Die Gesetzesformulierung bedeutet keine Pflicht der Netzbetreiber zu solchen Verträgen. Die Pflicht zu einheitlichen Bedingungen für die verschiedenen Konstellationen bezieht sich bereits auf die Phase der Offerte. Bei den Bedingungen pro Konstellation geht es vor allem um einen einheitlichen Preis, der sich am Marktwert orientiert. Ein
Orientieren am Spotpreis allein muss jedoch nicht in jedem Fall «angemessen» sein, so kann zum Beispiel bei kleinen Photovoltaikanlagen ein Aufschlag zur Vergütung des ökologischen Mehrwerts (Herkunftsnachweis) angezeigt sein. Bei den Konstellationen, nach denen zu unterscheiden ist, ist als Hauptunterscheidung an erzeugungs- und verbrauchsseitige Flexibilität zu denken sowie die Zuordnung der Speicher zu letzterer Kategorie. Das soll aber nicht ausschliessen, dass Speicher Energie einspeisen und auch die entsprechende netzdienliche Flexibilität anbieten. Nach Absatz 2 ebenfalls nicht ausgeschlossen ist (im Gegenteil), dass bei Flexibilität mit grosser Netzdienlichkeit individualisierte Verträge vereinbart werden. Grosse Netzdienlichkeit ist nicht als separate Konstellation zu verstehen. Hier braucht es also nicht Einheitlichkeit, sondern es können individuell Konditionen vereinbart werden. Von «grosser Netzdienlichkeit» kann eine Verbrauchsstätte sein, die vergleichsweise so viel Strom braucht, dass ihr Flexibilitätsbeitrag ganz stark ins Gewicht fällt (z. B. ein grosses Kühlhaus). Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips wird es zunächst der Branche überlassen, sachgerechte Lösungen zu erarbeiten. Falls dies zu lange nicht geschieht, könnte der Bundesrat jedoch per Verordnung die nötigen Kategorisierungen vorgeben. In den Verträgen auch zu regeln ist, welche Flexibilitätsnutzungen beziehungsweise -zugriffe zulässig sind und welches die Voraussetzungen

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und Umsetzungsmittel des Zugriffs sind (z. B. smarte Anwendungen). Was die Umsetzungsmittel, die intelligenten Steuer- und Regelsysteme, betrifft, so bestehen bereits Vorgaben. Artikel 17b Absatz 3 verankert ein Zustimmungserfordernis (Opt-in) zugunsten sowohl der Endverbraucher wie auch der Produzenten. Soweit für die Nutzung von Flexibilität solche smarten Anwendungen nötig sind, was meistens der Fall ist, kommt diese Opt-in-Regel vorab zur Anwendung. Es braucht also eine explizite Zustimmung, und zwar mittels einer Einzelabrede. AGB-Klauseln, mit der die Opt-in-Regel ausgehebelt werden, sind nicht zulässig beziehungsweise unwirksam.

Gibt jemand diese Zustimmung nicht, wird er ­ als Flexibilitätsinhaber ­ auch nicht bereit sein, mit dem Verteilnetzbetreiber einen Flexibilitätsnutzungsvertrag abzuschliessen. Für die Phase nach dem Abschluss der Verträge, also für deren Anwendung in der Praxis, schreibt Absatz 2 schliesslich eine diskriminierungsfreie Nutzung vor. Neben der einheitlichen Vergütung bedeutet dies, dass die Netzbetreiber Flexibilität möglichst ausgewogen über ihre Flexibilitätspartner hinweg nutzen sollen, ausser wenn den Flexibilitätsinhabern an einer solchen Ausgewogenheit gar nicht gelegen ist oder wenn gleichmässige Flexibilitätszugriffe für eine konkrete Problemlösung untauglich sind. Die Kosten für die Flexibilitätsnutzung sind grundsätzlich als Netzkosten anrechenbar (vgl. die Ausführungen zu Art. 15 Abs. 2 Bst. d), dies nach Massgabe der allgemeinen Anrechenbarkeitsregeln gemäss Artikel 15. Sie sind also nicht in beliebiger Höhe anrechenbar. Vergütungen können einerseits entsprechend Artikel 17bbis «angemessen» sein, müssen deswegen aber noch nicht zwingend auch vollständig anrechenbar sein.

Absätze 3 und 4: Für ganz bestimmte Situationen sind den Verteilnetzbetreibern Flexibilitätszugriffe garantiert, die Vorrang vor kollidierenden Ansprüchen Dritter haben. Auch die «Eigenoptimierung» der Flexibilitätsinhaber hat zurückzustehen. Die garantierten Zugriffe stehen nur den jeweils lokalen Verteilnetzbetreibern zu («in ihrem Netzgebiet»). Es besteht ein Konflikt zum Zustimmungserfordernis für den Einsatz eines intelligenten Steuer-und Regelsystems (Art. 17b Abs. 3), der zulasten der Flexibilitätsinhaber entschieden wird. Ein bekannter Zugriffsfall bei der erzeugungsseitigen
Flexibilität ist die sogenannte Abregelung, das heisst das Nichtzulassen von Einspeisung ins Netz (Bst. a). Den Netzbetreibern soll dieses Mittel zustehen, ohne dies individuell bei jedem Erzeuger verhandeln zu müssen. Es ist jedoch nicht unbegrenzt, sondern geht nur bis zu einem bestimmten Anteil der Einspeisung. Der Bundesrat wird diesen ­ es geht um die Energie und nicht um die Leistung ­ pro Produktionstechnologie festlegen, wobei an einen Wert im einstelligen Bereich zu denken ist. Die Parteien können auch einen höheren Wert vereinbaren. Weiter soll die Vergütung «angemessen» sein, was der Bundesrat, soweit sinnvoll und möglich, näher präzisieren kann. «Angemessen» wird sie in der Regel sein, wenn sie Marktpreisen entspricht, oder ­ abseits vom Markt ­ üblich ist; im Fall der Abregelung (Bst. a) kann der entgangene Erlös des Produzenten herangezogen werden. Im Idealfall sind sich die Parteien über die Vergütung einig. Das ist aber nicht zwingend, desgleichen für die übrigen Aspekte des Zugriffs, denn diese Nutzungen stehen den Netzbetreibern garantiert zu, auch gegen den Willen der Flexibilitätsinhaber.

Absatz 5: Das Potenzial für Vorschriften auf Stufe StromVV ist relativ gross. Der Bundesrat wird zu gegebener Zeit entscheiden, wie stark er regulieren will, wobei sich der Bedarf im Verlauf der Zeit ändern kann. Einerseits wird er offene Begriffe des Gesetzes näher ausführen oder Ausprägungen der Prinzipien (z. B. Inhaberschaft) 98 / 146

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konkretisieren. So kann er zum Beispiel klarstellen, dass die Verteilnetzbetreiber dazu verpflichtet sind, immer mindestens ein Netznutzungsprodukt ohne Flexibilitätsnutzung anzubieten ­ als Folge des Rechts der Flexibilitätsinhaber, selber zu bestimmen, ob sie ihre Flexibilität durch Dritte nutzen lassen. Andererseits sind bundesrätliche Regeln gestützt auf die expliziten Delegationen möglich. Bei einem Teil der von Absatz 5 erfassten Aspekte soll der Bundesrat Vorschriften erlassen und bei einem anderen Teil steht dies in seinem Ermessen (Kann-Vorschrift). Was die einzelnen Punkte betrifft, so geht es mit den Transparenz- und Publikationspflichten der Verteilnetzbetreiber vor allem darum, dass die Flexibilitätsinhaber aufgrund ihres Informationsrückstands ein grobes Bild erhalten, was hinsichtlich Flexibilität allgemein läuft. Vielleicht werden in einem ersten Schritt nur eher allgemeine Angaben verlangt (Transparenz), später aber eine detailliertere Offenlegung (Publikation). Die Preise, die die Netzbetreiber für netzdienlich genutzte Flexibilität zahlen, können, wo vorhanden, in die Netznutzungstarife einfliessen (Tarif für Nutzung mit Flexibilität und Tarif für Nutzung ohne). Als Schutzbestimmung zugunsten der Flexibilitätsinhaber (Bst. a) ist zum Beispiel denkbar, dass gewisse AGB-Klauseln untersagt werden, die Flexibilitätsinhaber zu stark benachteiligen. Keine StromVV-Regeln soll es zur Vergütung geben, ausser gegebenenfalls bei den garantierten Nutzungen. Immerhin ist die ElCom aber aufgerufen, bei Missbräuchlichkeit einzugreifen (Art. 22). Dieses Sicherheitsnetz wird eingezogen, obwohl es hier um einen «nicht-regulierten» Bereich geht; dieser hat aber einen engen Bezug zu den Netztarifen, die reguliert sind und es besteht aufgrund der Markstrukturen eine relevante Missbrauchsgefahr. Eine Standardisierung von Flexibilitätsprodukten (Bst. b) kann sinnvoll sein, um die Flexibilität marktfähiger zu machen. Angesprochen in Absatz 5 ist sodann die Konstellation, bei der die Verteilnetzbetreiber dank ihrer starken Stellung beziehungsweise der Möglichkeit, relativ attraktive Vergütungen anzubieten, bewirken, dass andere Flexibilitätsnutzer mit sinnvollen Flexibilitätsnutzungen verdrängt werden (Bst. c). Wird die Bildung solcher Produkte und Märkte verhindert, soll der Bundesrat, wenn auch mit
Zurückhaltung, regulierend eingreifen können. Einen weiteren Fokus als nur die netzdienliche Flexibilität hat Buchstabe d. Es kann dereinst ein Bedarf entstehen, auch bei anderer, nicht-netzdienlicher Flexibilität gewisse Leitplanken zu setzen, zum Beispiel wenn sich eine Praxis herausbildet, mit der für die netzdienlichen Nutzungen Nachteile in einem Umfang entstehen, der für das System schlecht ist. Zu denken ist etwa daran, dass gewisse Flexibilitätsnutzungen dazu führen, dass netz- beziehungsweise bilanzseitig viel Ausgleichsenergie nötig wird. Sinnvoll kann auch ein Monitoring der neuen Flexibilitätsregelung sein. Möglicherweise wird diese Evaluation Teil der allgemeinen StromVG-Evaluation des BFE nach Artikel 27 Absatz 3 StromVV. In diesem Fall ist das BFE aber sicher auf die Mithilfe der ElCom angewiesen. Nötigenfalls müsste diese Zusammenarbeit in der Verordnung noch präzisiert werden (u. a. Lieferung aller nötigen Daten zur Marktentwicklung).

Art. 17bter

Grundsatz 17bter­17bsexies

Die Artikel befassen sich mit dem Daten- und Informationsaustausch.

Dass dieser Austausch effizient und zukunftsgerichtet mittels einer leistungsfähigen Dateninfrastruktur erfolgt, ist unabdingbar für eine fortschreitende Digitalisierung in der Stromversorgung. Der reibungslose Daten- und Informationsaustausch und der

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Zugang zu qualitativ hochwertigen Daten unter den beteiligten Akteuren sind essenziell. Werden die erforderlichen Daten und Informationen nicht rechtzeitig oder nicht in der erforderlichen Qualität geliefert, behindert dies den Marktzutritt von Drittanbietern sowie digitale Innovationen und verursacht nicht zu vernachlässigende Kosten, zum Beispiel im Bilanzmanagement. Aus diesem Grund wird der Kern der bisher auf Verordnungsstufe enthaltenen Regelung (vgl. Art. 8 Abs. 2­4 StromVV) auf die Gesetzesstufe gehoben (Artikel 17bter), und mit einer neuen Strafbestimmung für den Fall einer unrichtigen Datenweitergabe flankiert (Art. 29 Abs. 1 Bst. ebis).

Adressat dieser Grundnorm sind diejenigen Netzbetreiber beziehungsweise diejenigen beauftragten Messstellenbetreiber und Messdienstleister, welche über die relevanten Daten und Informationen verfügen (die Branchenrichtlinie «Metering Code Schweiz, MC-CH» gibt Auskunft über Daten, Aufgaben in Bezug auf Bearbeitung, Bereitstellung und Qualitätssicherung der Daten)52. Berechtigt, die Daten und Informationen nach den Vorgaben von Absatz 1 zu erhalten, sind die abschliessend aufgezählten Beteiligten. Der Inhalt der zur Verfügung zu stellenden Daten und Informationen richtet sich nach dem, was zur Gewährleistung einer ordnungsgemässen Elektrizitätsversorgung erforderlich ist. Angesprochen sind damit insbesondere der Netzbetrieb (hierzu zählen insbesondere die Daten und Informationen gemäss den Branchenrichtlinien «Transmission Code Schweiz, TC-CH» und «Distribution Code Schweiz, DC-CH»)53, das Bilanzmanagement, die Energielieferungen, die Wechselprozesse nach Artikel 13a und Artikel 17a Absatz 5, die für den Einsatz von intelligenten Steuer- und Regelsystemen (Flexibilitäten) notwendige Koordination der betroffenen Akteure sowie die Berechnung und Anlastung des Netznutzungsentgelts und anderer Kosten. Ebenso fällt hierunter der Datenfluss zu durch Endverbraucher, Produzenten und Speicherbetreiber berechtigten Dritten, wie Energiedienstleistungsunternehmen, welche für die Erfüllung ihrer Dienstleistungen auf Daten angewiesen sind (hierzu zählen insbesondere die Daten und Informationen gemäss den Branchenrichtlinien «Standardisierter Datenaustausch Schweiz, SDAT-CH», «Balancing Code Schweiz BC-CH» und «Metering Code Schweiz, MC-CH»)54. Neben diesen
stromversorgungsrechtlich relevanten Vorgängen fallen auch Aufgaben und Prozesse in Betracht, die in der Energiegesetzgebung vorgesehen sind, beispielsweise im Zusammenhang mit der Direktvermarktung, den Herkunftsnachweisen oder der Erhebung des Netzzuschlags.

Art. 17bquater

Datenaustausch über das Datenregister

In Anbetracht der zahlreichen Schnittstellen im Daten- und Informationsaustausch ist eine Vereinheitlichung der verschiedenen Prozesse mittels Errichtung eines Datenregisters (auch als Datahub bezeichnet) die volkswirtschaftlich sinnvollste Option und von grundlegender Bedeutung für die effiziente Unterstützung einer fortschreitenden Digitalisierung im Strombereich (siehe Ziff. 3.1.8). Das Datenregister bildet den Kern einer performanten nationalen Dateninfrastruktur für die Stromversorgung, die den

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www.strom.ch www.strom.ch www.strom.ch

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Austausch zuverlässiger Informationen frei von kommerziellen Interessen gewährleistet. Der vorliegende Entwurf sieht vor, dass der Mess- und Stammdatenaustausch in gewissen Bereichen über ein Datenregister zu erfolgen hat. Im Sinne der Technologieneutralität kann das Datenregister als eine zentrale Plattform oder perspektivisch gar auf Basis von Distributed Ledger/Blockchain-Technologienausgestaltet werden.

Wichtig ist, dass die technische Lösung national einheitlich und leistungsfähig ausgestaltet wird.

Absatz 1 führt ein zentrales Datenregister (Datahub) ein, womit ein effizienter und performanter Datenaustausch bezweckt wird. Daten und Informationen, die erforderlich sind, um die Wechselprozesse im Strommarkt oder im Messwesen auszuüben, die Abrechnung der Netz-, Elektrizitäts- oder Messkosten (inkl. Ausgleichsenergieabrechnung) vorzunehmen, die Prognosen im Rahmen des Bilanzmanagements zu erstellen oder die Elektrizität mittels Herkunftsnachweisen zu erfassen, werden neu über das Datenregister ausgetauscht. Hierzu werden Messdaten zu Verbrauch und Produktion, welche in der Regel über intelligente Messsysteme in einer Granularität von 15 Minuten bereitgestellt werden, sowie deren Aggregate benötigt. Zu den Wechselprozessen im Strommarkt gehören zum Beispiel die Wahl eines neuen Stromlieferanten, der Wechsel des Stromlieferanten infolge Umzugs, der Ein- beziehungsweise Austritt bei der Grund- und der Ersatzversorgung sowie die Wahl eines Messstellenbetreibers oder Messdienstleisters. Im Bereich der Prognose sind vornehmlich rasch bereitgestellte, aber nicht unbedingt plausibilisierte Messdaten zu Verbrauch oder Produktion wichtig, um insbesondere bei der Erstellung von Fahrplänen im Rahmen des Bilanzmanagements eine Informationsgrundlage zu gewährleisten. Diese Prognosen unterscheiden sich von denjenigen zu Artikel 5c StromVV insbesondere dadurch, dass sie nicht über das Netz des Netzbetreibers, sondern auf Basis von einzelnen Messpunkten oder Aggregaten davon erstellt werden. Nicht unter diesen Zweck fallen nicht messdatenbasierte Daten, wie Wetterdaten oder Ähnliches. Sämtliche Mess- und Stammdaten in den vorgenannten vier Bereichen sind über ein für die Regelzone Schweiz zentrales Datenregister auszutauschen. Die Pflicht, diese Daten via Datenregister auszutauschen, trifft alle Beteiligten
nach Absatz 1. Die Stammdaten umfassen mindestens Informationen wie Name, Vorname, Adresse, Messpunktbezeichnung und die Art der Messung, einschliesslich der Informationen über die am Messpunkt aktiven Marktrollen (Zuordnungen). Darüber hinaus können auch Informationen in Bezug auf die Messpunkte, wie Anschlussleistung, Vorhandensein einer Elektromobilladestation oder Informationen gemäss der Systematik der Wirtschaftszweige relevant sein. Zu den Messdaten gehören die an einer Messstelle gemessenen Elektrizitätsflüsse und elektrischen Leistungen. Sowohl Stamm- als auch Messdaten enthalten Informationen über Endverbraucher, Erzeuger sowie Speicherbetreiber, weshalb es sich bei diesen Daten in der Regel um Personendaten im Sinne des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG)55 handelt. Der Bundesrat wird, soweit nötig, auf dem Verordnungsweg die im Datenregister vorzuhaltenden Stammdaten und die über das Datenregister auszutauschenden Messdaten sowie Fristen und Formate näher definieren und dabei weitere Anforderungen an den Datenschutz festlegen (vgl.

auch Art. 17c Abs. 3).

55

SR 235.1

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In Absatz 2 wird in allgemeiner Weise geregelt, wie der Datenaustausch über das Datenregister erfolgt. Dabei ist zwischen Mess- und Stammdaten zu unterscheiden: Die Stammdaten werden im Datenregister gespeichert. Diese Daten dürfen aus Datenschutzgründen nicht im Ausland gespeichert werden. Dem Datenregisterbetreiber kommt die Aufgabe zu, die gespeicherten Daten zu verwalten und für die Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Integrität (Datensicherheit) der Daten zu sorgen. Änderungen der Stammdaten (beispielsweise infolge Umzugs oder Neuanschlusses) nimmt er auf Mitteilung des hierzu verpflichteten Marktteilnehmers vor. Will ein Beteiligter nach Artikel 17bter an die im Datenregister gespeicherten Daten gelangen, so gewährleistet der Datenregisterbetreiber ihm Zugang, sofern und soweit der Beteiligte hierzu berechtigt ist (beispielsweise durch Gesetz oder Einwilligung des Betroffenen). Im Gegensatz zu den Stammdaten werden die Messdaten für den Austausch nicht im Datenregister, sondern bei den die Messdaten erhebenden Akteuren, wie etwa dem Verteilnetzbetreiber oder dem Messdienstleister, gespeichert. Der Datenregisterbetreiber hat jedoch mit einer entsprechenden IT-Infrastruktur den vorgeschriebenen Datenaustausch zwischen Vorhaltern der Messdaten und den die Daten nachfragenden Beteiligten zu ermöglichen. Die Vorhalter sind zur Zusammenarbeit mit dem Datenregisterbetreiber verpflichtet und dafür zuständig, die Daten fristgerecht bereitzustellen und ihrerseits die entsprechende IT-Infrastruktur zu betreiben, welche diesen Austausch ermöglicht. Ersucht ein Beteiligter, zum Beispiel ein Stromlieferant, um Herausgabe von Messdaten oder Aggregaten davon, so werden ihm diese Daten vom adressierten Beteiligten über das Datenregister bekannt gegeben (Datenrouting). Dafür muss, wie bei Stammdaten auch, eine Berechtigung des Beteiligten vorliegen. Die Verwaltung der Berechtigung für den Zugang zu Stamm- und Messdaten, eine sogenannte Zugriffsverwaltung, wird dabei vom Datenregisterbetreiber übernommen.

Absatz 3 stellt eine gesetzliche Grundlage dar, die es den Bundesbehörden und den kantonalen Behörden erlaubt, über das Datenregister Zugang zu Stamm- und Messdaten oder Aggregaten davon zu erhalten. Dieses Recht gilt indes nur, soweit diese Behörden in Bezug auf die konkreten Daten berechtigt sind, die
Bekanntgabe der Daten von den Beteiligten zu verlangen (z. B. im Rahmen einer statistischen Erhebung).

Ist dies der Fall, kann die Behörde verlangen, dass die Bekanntgabe der Daten über das Datenregister (und nicht auf anderem Weg) zu erfolgen hat.

Absatz 4 hält fest, dass der Bundesrat den Datenaustausch und die Aufgaben des Datenregisterbetreibers auf Verordnungsstufe näher regeln wird. Weiter räumt die Bestimmung dem Bundesrat die Kompetenz ein, das Datenregister zu erweitern. Diese Befugnis ist indes durch den eigentlichen Zweck des Datenregisters eingeschränkt: Die Erweiterung des Datenregisters muss stets einem effizienten und performanten Datenaustausch dienen und darf nicht über diesen Regelungszweck hinausgehen. In diesem Rahmen kann der Bundesrat das Datenregister um neue Funktionalitäten und Prozesse erweitern. So kann er vorsehen, dass der Datenregisterbetreiber die Qualität des Datenaustauschprozesses und der hierzu erforderlichen Mess- und Stammdaten zu untersuchen hat (Bst. a). Des Weiteren kann der Bundesrat auch die bestehende Stammdatenspeicherung um eine Messdatenspeicherung ergänzen, sollte sich dies für die laufende Transformation der Stromversorgung als notwendig erweisen (Bst. b).

Weiter kann er vorkehren, dass Aggregate der über das Datenregister auszutauschenden Daten via Datenregister an Dritte weitergegeben werden, soweit dies den ab-

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schliessend definierten Zwecken dient (Bst. c). So könnte der Bundesrat beispielsweise zum Zwecke der Forschung vorsehen, dass Hochschulen gewisse Datenaggregate für die Erstellung von Analysen zu Strommarktmodellen zur Verfügung gestellt werden. Mit Blick auf das Ziel der Versorgungssicherheit ist denkbar, dass bestimmte Datenaggregate weitergegeben oder publiziert werden, damit die Akteure des Strommarktes ihre Prognosequalität verbessern können. Die Datenbekanntgabe zwecks Erbringung von Energiedienstleistungen adressiert verschiedenste Dienstleister, beispielsweise zur Messung, der Direktvermarktung (Art. 21 EnG) oder zum Energiesparen. Mit dem Zweck der Stärkung des Wettbewerbs auf dem Elektrizitätsmarkt könnte beispielsweise die tägliche Publikation von Datenaggregaten zur Produktion aus erneuerbaren Energien vorgesehen werden, um damit zu mehr Transparenz im Markt beizutragen und die Entwicklung von Marktplattformen für erneuerbare Energien zu unterstützen. Alle Daten im Sinne von Bst. c werden in anonymisierter Form bekannt gegeben. Das heisst, die Daten sind in der Weise zu aggregieren, dass die betroffenen Personen weder direkt noch indirekt (z. B. durch Hinzunahme weiterer Daten) identifizierbar sind. Die entsprechenden Datenaggregate müssten hierzu auf Verordnungsstufe im Einzelnen festgelegt werden. Die Bekanntgabe der Aggregate soll nicht entgeltpflichtig sein, zumal diese dem Interesse einer sicheren und wirtschaftlichen Energieversorgung dient und keine bedeutenden sachlichen oder personellen Mittel erfordert. Ferner kann der Bundesrat bestimmen, dass der für eine Nutzung der Flexibilität über intelligente Steuer- und Regelsysteme notwendige Mess- und Stammdatenaustausch zwischen den Beteiligten als weiterer Datenaustauschprozess über das Datenregister zu erfolgen hat, sofern sich dies für die Umsetzung von Artikel 17bbis als nötig erweisen sollte (Bst. d). Die Delegationsnorm von Absatz 4 ermöglicht dem Bundesrat schliesslich auch vorzusehen, dass Endverbrauchern, Erzeugern und Speicherbetreibern Zugang zum Datenregister einzuräumen ist, damit sie die Herausgabe ihrer Daten oder deren Übertragung an berechtigte Dritte (wie bspw. Energiedienstleistungsunternehmen) veranlassen können, indem sie entsprechende Zugriffsrechte erteilen (Bst. e). Damit würde den Betroffenen eine effiziente
Durchsetzung ihres Rechts auf Datenportabilität56 ermöglicht. Bei den Erweiterungen nach Absatz 4 wird der Bundesrat den Datenschutz und die Datensicherheit entsprechend berücksichtigen müssen.

Art. 17bquinquies

Konstituierung des Datenregisterbetreibers

Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips räumt Absatz 1 den Marktteilnehmern und den Unternehmen, die nicht Teil der Elektrizitätswirtschaft sind, die Möglichkeit ein, das zentrale Datenregister gemeinsam zu errichten und zu betreiben. Diese werden für den Betrieb des Datenregisters eine privatrechtliche Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft mit Sitz in der Schweiz vorzusehen haben. Dabei ist unbedeutend, ob diese Betreibergesellschaft vor oder nach dem Inkrafttreten dieser Bestimmung gegründet wurde.

Mit der Genehmigung der Statuten nach Absatz 2 wird bestätigt, dass die Gesellschaft das zentrale Datenregister im Sinne von Absatz 1 betreiben darf. Die Genehmigung 56

Vgl. Art. 28 des revidierten Datenschutzgesetzes vom 25. September 2020, BBl 2020 7639.

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der Statuten ist zudem Voraussetzung für die Rückerstattung der Investitionskosten nach Absatz 4. Der Datenregisterbetreiber wird innert einer auf Verordnungsebene festgelegten Frist in Betrieb gehen müssen. Die Genehmigung wird demnach unter der Bedingung erteilt, dass der Betrieb des Datenregisters innert dieser Frist aufgenommen wird. Sofern zweckmässig, ist auch eine zeitlich gestaffelte Inbetriebnahme der über das Datenregister erfassten Sachbereiche (Art. 17bquater Abs. 1 Bst. a­d) denkbar. Die Prüfpflichten des Handelsregisteramts in Bezug auf die Statuten werden durch diese Bestimmung nicht berührt.

Mit Absatz 3 wird im Sinne einer subsidiären Lösung sichergestellt, dass das Datenregister auch dann errichtet und betrieben wird, wenn die Konstituierung nach den Absätzen 1 und 2 nicht zustande kommt. Für diesen Fall wird der Bundesrat ermächtigt, die Errichtung und den Betrieb des Datenregisters einer bestehenden oder einer noch zu gründenden öffentlich-rechtlichen Stelle zu übertragen. Ausgeschlossen ist damit die Übergabe der Aufgabe an einen Privaten im Sinne der Beleihung. Wird eine bestehende öffentlich-rechtliche Stelle (z. B. ein Bundesamt oder eine öffentlichrechtliche Anstalt) mit dem Datenregister betraut, bedarf es entsprechender Ausführungsbestimmungen auf Verordnungsstufe. In Bezug auf die Regelung der Organisation und Finanzierung des Datenregisterbetreibers wären die Vorgaben nach Artikel 17bsexies entsprechend zu berücksichtigen. Die bestehende Stelle könnte dabei mit Blick auf die Vorgabe von Artikel 17bsexies Absatz 2 ihre bisherigen Aufgaben natürlich weiterhin wahrnehmen, sie hätte sich indes im Rahmen ihrer Funktion als Datenregisterbetreiberin auf die vorgesehenen Aufgaben zu beschränken. Sofern die Errichtung und der Betrieb des Datenregisters an einen neuen öffentlich-rechtlichen Rechtsträger (z. B. an eine Anstalt) übergeben werden sollen, müsste vom Parlament der entsprechende Organisationserlass geschaffen werden.

Absatz 4: Die zur Errichtung des Datenregisters notwendigen Investitionskosten werden den Unternehmen nach Absatz 1 (respektive der öffentlichen Stelle, im Falle eines Datenregisters nach Absatz 3) über einen in der Verordnung zu definierenden Zeitraum rückvergütet, wobei die entgangenen Opportunitätskosten mit einem moderaten Zins berücksichtigt werden
sollen. Die Rückvergütung erfolgt durch den Datenregisterbetreiber, der die dadurch entstehenden Kosten über die Entgelteinnahmen deckt.

Nicht zurückvergütet werden die Einlagen, die aufgrund der Vorgaben des Aktien-, GmbH- oder Genossenschaftsrechts geleistet werden mussten, insbesondere zur Liberierung der Aktien- und GmbH-Stammanteile. Es würde sonst ein Verstoss gegen das zwingende Verbot der Einlagenrückgewähr vorliegen.

Art. 17bsexies

Organisation und Finanzierung des Datenregisterbetreibers

Absatz 1 hält fest, dass der Datenregisterbetreiber unabhängig von der Elektrizitätswirtschaft agiert um jegliche Einflussnahme und Bevorteilung zu verhindern. Im Sinne einer Minimalvorschrift hält bereits die Gesetzesbestimmung fest, dass der Datenregisterbetreiber dafür unter anderem personell (Verwaltungsrat, Geschäftsleitung und weiteres Personal) von der Elektrizitätswirtschaft entflochten sein muss. Zur Erreichung der gebotenen Unabhängigkeit des Datenregisterbetreibers sind indes weitere Entflechtungsinstrumente erforderlich. Beispielsweise darf es keinem Akteur für sich allein betrachtet oder mehreren Akteuren mit gleichgerichteten Interessen (beispielsweise Energieversorgungsunternehmen) möglich sein, einen bestimmenden 104 / 146

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Einfluss auf den Datenregisterbetreiber auszuüben. Der Datenregisterbetreiber hat zudem sicherzustellen, dass keine wirtschaftlich sensiblen Informationen direkt oder indirekt an nicht berechtigte Dritte gelangen können. Im Widerspruch zur gebotenen Unabhängigkeit stünde ferner eine Börsenkotierung des Datenregisterbetreibers. Die detaillierten Anforderungen an die Unabhängigkeit des Datenregisterbetreibers werden in der Verordnung festzulegen sein. Die schweizerische Beherrschung setzt voraus, dass die Mehrheit der Anteilseigner ihren Sitz oder Wohnsitz in der Schweiz hat, was statutarisch entsprechend sichergestellt werden kann (beispielsweise durch eine anteilsmässige Sistierung der Stimmrechte bei Verletzung der Beteiligungsquote).

Absatz 2 schränkt den Tätigkeitsbereich des Datenregisterbetreibers auf die in Gesetz und Verordnung festgehaltenen Aufgaben ein. Es ist dem Datenregisterbetreiber insbesondere untersagt, Datenbearbeitungen vorzunehmen, die über die in Gesetz und Ausführungsbestimmungen vorgesehene Bearbeitung hinausgehen. Zudem ist der Datenregisterbetreiber nicht gewinnorientiert tätig.

Nach Absatz 3 deckt der Datenregisterbetreiber seine Kapital- und Betriebskosten über ein kostendeckendes Entgelt, das er pro Messpunkt zu erheben hat. Ein Entgelt ist von denjenigen Verteilnetzbetreibern, Messdienstleistern und Messstellenbetreibern zu erheben, die das Datenregister in Anspruch nehmen, um Messdaten über das Datenregister auszutauschen oder auf Stammdaten im Register zuzugreifen. Messstellenbetreiber und Messdienstleister sind mithin nur entgeltpflichtig, soweit sie von einem Messkunden in Bezug auf einen konkreten Messpunkt entsprechend beauftragt wurden. Zur Festlegung der Höhe des Entgelts ist der mit der Datenregisternutzung verursachte Aufwand zu berücksichtigen (Verursachergerechtigkeit und Kostendeckung). Die Entgeltpflichtigen können ihre Kosten auf die Messkunden (Endverbraucher, Produzenten und Speicherbetreiber) überwälzen.

Absatz 4 beauftragt den Bundesrat, weitere Bestimmungen zu Organisation, Unabhängigkeit und Finanzierung festzulegen. So wird der Bundesrat beispielsweise das Verfahren zur Konstituierung des Datenregisterbetreibers und zur Rückvergütung der Investitionskosten konkretisieren.

Art. 17c Sachüberschrift, Abs. 2 und 3 Mess- und Stammdaten beziehen sich
auf einen Endverbraucher, einen Erzeuger oder einen Speicherbetreiber. Die Daten lassen sich in der Regel einer bestimmten Person zuordnen und stellen damit Personendaten im Sinne des DSG dar. Dieses gibt vor, dass Personendaten nur bearbeitet werden dürfen, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage besteht. Diesem Erfordernis entsprechend enthält Absatz 2 eine Rechtsgrundlage zur Bearbeitung von Personendaten durch den Datenregisterbetreiber. Die Daten juristischer Personen werden gemäss revidiertem Datenschutzgesetz vom 25. September 202057 nicht mehr als Personendaten gelten. Zu ihrer Bearbeitung bedarf es indes aufgrund des Legalitätsprinzips weiterhin einer gesetzlichen Grundlage. Um diesem Erfordernis nachzukommen, werden diese Daten in der vorliegenden Bestimmung

57

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eigens erwähnt. Absatz 2 zweiter Satz räumt dem Datenregisterbetreiber die entsprechenden Informationsbeschaffungsrechte ein, damit er seine Aufgaben in wirksamer Weise erfüllen kann.

Absatz 3 enthält im Wesentlichen die bisherige Bestimmung von Absatz 2, die redaktionell angepasst wurde. Der allgemeine Hinweis, wonach der Bundesrat die Ausführungsbestimmungen erlässt, ist nicht notwendig und kann daher gestrichen werden.

Die neue Bestimmung soll wie bisher gewährleisten, dass der Bundesrat in den Ausführungsbestimmungen spezifische Anforderungen an den Datenschutz sowie die Datensicherheit definieren und auch ein Verfahren zur Überprüfung ihrer Einhaltung festlegen kann. Mit zunehmender Digitalisierung steigen die sicherheitstechnischen Anforderungen an die Unternehmen, welche die kritischen Infrastrukturen der Elektrizitätsnetze betreiben. So ist zum einen der Schutz sensibler Daten zu gewährleisten.

Zum anderen muss in Zeiten von Cyberangriffen und Kriminalität ein ausreichendes Mass an Sicherheit bei den kritischen Infrastrukturen der Energieversorgung gewährleistet werden, sodass die in diesem Bereich verwendeten Informations- und Kommunikationsinfrastrukturen sowie die automatisierten und digitalen Prozesse der Datenübertragung und Datenbearbeitung wie beabsichtigt funktionieren. Dies betrifft insbesondere die Einbindung und den Einsatz von Steuer- und Regelsystemen, da mit ihnen aktiv in den Betrieb der Elektrizitätsnetze eingegriffen wird. Neben technischen Anforderungen an die Betriebsmittel selbst kann dies auch Massnahmen in organisatorischer Hinsicht erfordern. Die datenschutzrechtlichen Anforderungen und Massnahmen können neben den beispielhaft aufgezählten Mess-, Steuer- und Regelsystemen auch die mit diesen verbundenen Einrichtungen betreffen. Dabei handelt es sich um sogenannte rückwärtige Infrastrukturen der Netzbetreiber, die den Betrieb und die Ansteuerung der Systeme ermöglichen.

Art. 18 Abs. 4, 4bis, 6 dritter Satz und Abs. 7 Absatz 4 regelt schon bisher die Vorkaufsrechte an den Swissgrid-Aktien. Neu soll es in Anlehnung an andere Rechtsgebiete (vgl. z. B. Art. 42 und 49 des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 199158 über das bäuerliche Bodenrecht) eine Rangfolge geben. Vorkaufsberechtigt sind dabei grundsätzlich alle Kantone, Gemeinden oder schweizerischen EVU, und zwar nicht
nur jene, die bereits Swissgrid-Aktien halten. Die vorgeschlagene Ordnung orientiert sich bewusst an dieser weiten Auslegung. Der Ausschluss von Akteuren, die geeignet sind, die gesetzlich geforderten Mehrheiten sicherzustellen, stünde im Widerspruch zum Sinn des Vorkaufsrechts als Instrument zur Sicherung dieser Mehrheiten. Zudem soll die Swissgrid von der übrigen Strombranche möglichst unabhängig sein. Es wird an der Swissgrid sein, allfällige Widersprüche zwischen den aktuellen Statuten und dem Gesetz zu beheben. Klar ist, dass das Gesetz den Stauten ohnehin vorgeht, schon heute. Zu diversen Aspekten wird es Klärungen brauchen, vor allem zur konkreten Abwicklung. Viel werden wie bisher die Stauten im Detail beschreiben können. Einige Festlegungen sind aber so geartet, dass sie von staatlicher Seite geregelt werden müssen (vgl. Delegationen in Abs. 4bis).

Eine zentrale Frage, die sich aus Absatz 4 ergibt, ist, welche Käufer als «Kanton» oder «Gemeinde» gelten. Das kann in der Praxis mitunter nicht eindeutig sein. Klar ist der 58

SR 211.412.11

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Fall, wenn ein Kanton selbst, zum Beispiel vertreten durch eine Direktion, Aktien kauft. Bei dezentralen Einheiten wird eine Antwort hingegen häufig schwieriger sein.

Da die Vorkaufsrechte gleich wie die Stimmrechtssuspendierung der Sicherung der schweizerischen Beherrschung dienen, wird hier wie dort auf den Leitgedanken der «direkten oder indirekten Beherrschung durch Kantone oder Gemeinden» abzustützen sein (vgl. Art. 18a). Wer zur staatlichen Sphäre gehört, dem kommt dann ein Vorkaufsrecht im Rang 1 oder 2 zu, wenn eine entsprechende Möglichkeit zur Einflussnahme der öffentlichen Hand gegeben ist. Zu klären wird sein, welchem Rang EVU zuzuordnen sind, die keine eigenständige Rechtspersönlichkeit haben, sondern in eine kommunale Verwaltung integriert sind. Hier dürfte nicht das Organisationsrechtliche ausschlaggebend sein, sondern der Aspekt, dass ein solches EVU wirtschaftlich wie andere privatrechtliche EVU agiert und gegenüber diesen nicht bevorteilt werden sollte. Weiter stellt sich die Frage, ob das gleiche Gemeinwesen sein Recht mehrfach ausüben kann. Hier sollte gelten, dass ein und dasselbe Gemeinwesen pro Kauf nicht mehrmals parallel als vorkaufsberechtigt auftreten darf.

Absatz 4bis enthält eine Liste mit einigen weiteren Festlegungen, die nötig sein werden, um die Abwicklung eines konkreten Vorkaufsfalls zu erleichtern. So ist vorab die Publikation zu regeln, damit die Vorkaufsberechtigten von einem Vorkaufsfall überhaupt erfahren. Hierfür bietet sich das Schweizerische Handelsamtsblatt an. Ein weiterer Verfahrensaspekt sind die Fristen für die Geltendmachung. Dafür könnte eine Regelung sinnvoll sein, wonach die Frist für alle Berechtigten aller Ränge gleichzeitig zu laufen beginnt. Denkbar sind ferner Sonderregeln zum Beispiel für Gemeinwesen, für die die Fristen zu kurz sind, da der Entscheid über die Wahrnehmung ihres Rechts durch politische Gremien zu erfolgen hat. Wichtig ist sodann, dass für diverse Fälle klargestellt wird, dass gar kein Vorkaufsfall vorliegt (Bst. c). Dafür wird sich der Bundesrat an der Regelung im Zivilgesetzbuch59 (ZGB) orientieren. Demnach liegt kein Vorkaufsfall vor, wenn ein anderer Vorkaufsberechtigter kauft. Somit sollte kein Vorkaufsrecht zum Tragen kommen, wenn jemand im gleichen oder einem vorderen Rang Swissgrid-Aktien kaufen will. Dies ermöglicht
es einerseits Kantonen und Gemeinden besser, ohne «Störung» durch Vorkaufsberechtigte zu kaufen. Das ist gerade für Gemeinden, für die der Kauf grösserer Aktienpakete oft nicht möglich ist, wesentlich attraktiver als ein vorrangiges Vorkaufsrecht. Bei den explizit genannten «kantonsoder gemeindenahen Einheiten» ist vorab an staatliche Pensionskassen zu denken, die trotz Autonomie zur staatlichen Sphäre gehören. Als Alternative wäre nicht ausgeschlossen, dass der Bundesrat staatliche Pensionskassen als direkt Vorkaufsberechtigte bezeichnet, die im Namen des Kantons agieren. Recht selbstverständlich erscheint sodann, dass unternehmensinterne Überträge keinen Vorkaufsfall darstellen.

Eine weitere Kategorie bilden sodann «Bagatellfälle». Wichtig ist schliesslich die Frage, an wen die Swissgrid-Aktien gehen, wenn mehrere gleichrangige Vorkaufsberechtige ihr Recht geltend machen. Dazu wäre eine Regelung denkbar, gemäss der prioritär Vorkaufsberechtigte berücksichtigt werden, die sich zu diesem Zweck zusammentun. Oder es wäre möglich, die Anteile gleichmässig unter allen Interessierten aufzuteilen, sofern sie unter diesen Bedingungen nach wie vor interessiert sind.

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SR 210

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Die Regelung der Vorkaufsrechte ­ als ein zwischen der AG und ihren potenziellen Aktionären spielendes Instrument ­ ist privatrechtlicher Natur. Entscheide über seine Anwendung unterliegen dementsprechend der Zivilgerichtsbarkeit. Die ElCom könnte höchstens zum Zuge kommen, wenn sich im Zusammenhang mit Vorkaufsrechten auch öffentlich-rechtliche Fragen in Bezug auf das StromVG stellen.

Mit der Ergänzung von Absatz 6 wird klargestellt, dass die Swissgrid an sogenannten ÜNB/ÜNB-Modellen teilnehmen darf. Aus der Funktionsweise von solchen Modellen (vgl. dazu Ziff. 3.1.14) ergibt sich, dass die Swissgrid nicht als eigentliche Anbieterin von Systemdienstleistungen auftritt, sondern dass sich ihre Rolle auf diejenige einer Vermittlerin beschränkt. Dem geltenden Wortlaut lässt sich nicht mit der gewünschten Klarheit entnehmen, ob die Swissgrid Systemdienstleistungen im Rahmen eines ÜNB/ÜNB-Modells an ausländische Übertragungsnetzbetreiber vermitteln kann. Klar ist, dass sie das Übertragungsnetz betreiben und es als eine Regelzone führen muss (Art. 20 Abs. 2 Bst. a). Klar ist weiter, dass dazu die Bereitstellung von Systemdienstleistungen (betriebs-)notwendig ist (Art. 18 Abs. 6 Satz 2), wobei bereits heute die Verordnung konkretisierend klärt, dass die grenzüberschreitende Beschaffung von Regelenergie zulässig ist (Art. 26 Abs. 2 StromVV). Neu wird nun explizit geklärt, dass das ganze System einer regelzonenübergreifenden Beschaffung von Systemdienstleistungen gemeinsam mit ausländischen Übertragungsnetzbetreibern mit allen dafür nötigen Handlungen zulässig ist. Dazu gehört namentlich auch die in diesem Kontext getätigte Vermittlung von Systemdienstleistungen an ausländische Übertragungsnetzbetreiber. Mit der Klarstellung wird der Swissgrid nicht etwa eine Beschaffung von Systemdienstleistungen mittels ÜNB/ÜNB-Modell vorgeschrieben.

Sie kann weiterhin auch direkt geeignete Gebote von ausländischen Anbietern berücksichtigen. ÜNB/ÜNB-Modelle führen zu einer erhöhten Liquidität im Systemdienstleistungsmarkt, wodurch die Beschaffungskosten gesenkt werden können. Dies dient dem effizienten Netzbetrieb. Kosten, die im Zusammenhang mit der regelzonenübergreifenden Beschaffung von Systemdienstleistungen gemeinsam mit ausländischen Übertragungsnetzbetreibern entstehen, sind grundsätzlich als Betriebskosten im
Sinne von Artikel 15 Absatz 2 zu qualifizieren. Daraus ergibt sich einerseits, dass sie nach Massgabe von Artikel 15 Absatz 1 anrechenbar sind und andererseits, dass die Swissgrid mit dieser Vermittlungstätigkeit keinen Gewinn erzielen darf (vgl. Erläuterungen zu Artikel 15). Um Kapitalkosten kann es sich nur in besonderen Konstellationen handeln, etwa wenn spezifisch für die Umsetzung eines ÜNB/ÜNB-Modells zusätzliche IT-Infrastruktur angeschafft werden muss.

Mit der Verschärfung in Absatz 7 soll die Swissgrid, im Interesse ihrer Unabhängigkeit, noch besser als bisher von der Branche entflochten werden. Alle Mitglieder des Verwaltungsrats sollen branchenunabhängig sein, und nicht bloss eine Mehrheit wie bisher. Dies ist insbesondere wegen der Rolle der Swissgrid, die ihr bei der Energiereserve zukommt, oder wegen ihrer Funktion als Beschafferin von Systemdienstleistungen von Bedeutung.

Art. 18a

Folgen bei fehlender kantonaler oder kommunaler Mehrheit

Der neue Artikel 18a knüpft an die Vorgabe von Artikel 18 Absatz 3 an, wonach eine Mehrheit der Swissgrid direkt oder indirekt Kantonen und Gemeinden gehören muss.

Für den indirekt gehaltenen Anteil fehlte es bisher an einem Sicherungsmittel. Für den 108 / 146

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Fall, dass die Mehrheit nicht gegeben ist, wird die Grundlage für eine Stimmrechtssuspendierung geschaffen. Aktionäre, die für die Verletzung der Vorgabe verantwortlich sind, sollen in ihrer Mitsprache eingeschränkt werden. Als Pendant zur Lösung bei der Generalversammlung braucht es auch auf Stufe Verwaltungsrat ein Korrektiv (Bst. b). Aktionäre haben rechtlich zwar kein Anrecht auf Vertretung im Verwaltungsrat oder in der Geschäftsleitung. Faktisch kann aber vorkommen, dass sie dort durch jemanden, der ihre Interessen wahrt oder ihre Beteiligung abbildet, Einsitz nehmen.

«Nicht schweizerisch beherrschte» Aktionäre sollen in den zwei erwähnten Gremien in diesem Sinn nicht die Mehrheit stellen dürfen, wenn die Swissgrid insgesamt nicht mehrheitlich Kantonen und Gemeinden gehört. Ob diese öffentliche schweizerische Beherrschung im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung nicht mehr vorhanden ist, bestimmt sich gleichermassen wie bei der Generalversammlung. Im Verwaltungsrat oder in der Geschäftsleitung kann die Vorschrift von Buchstabe b unter Umständen zum Ausscheiden eines Mitglieds führen.

Absatz 2: Für die Ermittlung, ob die Vorgabe für die ganze Gesellschaft eingehalten ist, braucht es ein Prüfkriterium, das bei der einzelnen Aktionärin oder dem einzelnen Aktionär ansetzt. Dieses Kriterium stellt darauf ab, ob jede einzelne Aktionärin oder jeder einzelne Aktionär ihrerseits oder seinerseits kantonal oder kommunal beherrscht ist. Das Kriterium bildet keine eigenständige, neue materielle Vorgabe, sondern ist nur für die Gesamtprüfung relevant. Ist die Mehrheit insgesamt nicht gegeben, löst dies die zwei Folgen nach Absatz 1 aus. Die Folge beim Verwaltungsrat muss jedoch nicht zwingend eintreten, sondern nur, wenn eine Einsitznahme, wie sie nicht gewollt ist, Realität ist. «Beherrschung» bedeutet Möglichkeit zur massgeblichen Einflussnahme, was in der Verordnung noch präzisiert werden kann. Ein Ansatz wäre, sich an den Begriffen des Kartellrechts zu orientieren. Für den Fall langer Beteiligungsketten kann gesagt werden, dass sich eine Beherrschung weit vorne in einer solchen Kette manifestieren muss, ansonsten gar nicht von «Beherrschung» die Rede sein kann.

Absatz 3: Sind die erforderlichen Mehrheiten nicht gegeben, so werden jeweils im Hinblick auf eine Generalversammlung (GV) bei jenen
Aktionärinnen und Aktionären, die nicht dargetan haben, dass sie die nötigen Mehrheitsverhältnisse aufweisen, die Stimmrechte partiell suspendiert. Von der Suspendierung betroffen sind nicht nur Aktionärinnen und Aktionäre, die nachweislich nicht kantonal respektive kommunal beherrscht sind, sondern alle, die keinen oder einen ungenügenden Nachweis erbracht haben. Der Bundesrat wird die Einzelheiten regeln müssen. So kann er zum Beispiel Kantone oder Gemeinden, die direkt an der Swissgrid beteiligt sind, vom Nachweis ausnehmen, da sich die «Swissness» in diesen Fällen von selbst versteht. Ebenso wird womöglich für Aktionärinnen und Aktionäre, die schon länger nicht kantonal oder kommunal beherrscht sind, eine Lösung angezeigt sein, mit der vermieden wird, dass ein unveränderter «negativer Befund» stets wieder aufs Neue bestätigt werden muss.

Was die Suspendierung als solche betrifft, so erfordern das Gleichbehandlungs- und das Verhältnismässigkeitsgebot, dass die Suspendierung bei allen Aktionärinnen und Aktionären proportional im gleichen Umfang erfolgt und zudem nur soweit und solange es nötig ist, um die verlangte Stimmenmehrheit wieder zu erreichen. Was anteilsmässige Suspendierung bedeutet, sieht man am folgenden Zahlenbeispiel: Die Swissgrid hat fünf Aktionärinnen und Aktionäre, wovon zwei nicht «schweizerisch» sind, nämlich A mit einem Anteil von 40 Prozent und B mit einem Anteil von 20 Prozent. Es müssen nun erstens nicht diese ganzen 60 Prozent, die nicht «schweizerisch» 109 / 146

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sind, suspendiert werden, sondern nur 10 Prozent (plus je eine Stimme), und dies, zweitens, im Verhältnis 2:1 zulasten von A. Suspendiert werden nur die Stimmrechte selbst, nicht jedoch die direkt damit zusammenhängenden Rechte wie Antrags-, Traktandierungs- und Einsichtsrecht. Ebenso wenig werden andere Aktionärsrechte tangiert wie das Recht auf Dividende oder das Bezugsrecht. Zu betonen ist weiter, dass es an der Swissgrid selbst sein wird, diese Vorgaben im Rahmen von Gesetz und Verordnung umzusetzen. Für die Beurteilung allfälliger Streitfälle über die Suspendierung werden die Zivilgerichte zuständig sein. Wer zum Beispiel findet, seine Stimmrechte seien zu Unrecht suspendiert worden, ficht beim Zivilgericht den entsprechenden GV-Beschluss an (Art. 706 des Obligationenrechts60 [OR]). Die ElCom kann dann tätig werden, wenn sie feststellt, dass die Swissgrid die Regelung nicht oder systematisch falsch umsetzt.

Art. 20 Abs. 2 Bst. b und c sowie Abs. 3 In Absatz 2 Buchstabe b Satz 2 wird kein bestimmter Akteur mehr erwähnt, weil nicht massgebend ist, wer Systemdienstleistungen anbietet, sondern ob die Präqualifikationsbedingungen der Swissgrid erfüllt werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 4 Abs. 1 Bst. e). Mit der Änderung wird zudem klargestellt, dass die Swissgrid nicht nur Regelenergie in marktorientierten, transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren beschaffen muss, sondern alle Systemdienstleistungen, die sie nicht selbst erbringt.

Auch dieser Aspekt wird ­ basierend auf einer Verordnungsbestimmung (Art. 22 Abs. 1 StromVV) ­ bereits heute so gelebt. In diesem Kontext ist selbstredend Artikel 18 Absatz 6 StromVG zu berücksichtigen. Selbst erbringt die Swissgrid das Bilanzmanagement, welches gemäss Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe g ausdrücklich zu den Systemdienstleistungen gehört, und die Systemkoordination. Abgesehen davon und von der Nutzung der eigenen netztechnischen Betriebsmittel, etwa zur Kompensation von Wirkverlusten oder von Blindleistung, beschafft die Swissgrid die Systemdienstleistungen in marktorientierten, transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren. Mit der Änderung im dritten Satzwird die Swissgrid verpflichtet, bei der Beschaffung von Systemdienstleistungen Anlagen, mit denen Elektrizität verbraucht wird, ohne dass eine Nutzung oder Zwischenspeicherung für eine
spätere Nutzung dieser Elektrizität erfolgt, grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Als Beispiel kann eine Anlage erwähnt werden, mit welcher der Swissgrid negative Regelenergie angeboten wird, indem die ausgespeiste Elektrizität in Wärme umgewandelt und diese Wärme ohne weitere Nutzung in die Umwelt abgegeben wird. Eine solche reine «Vernichtung» von Elektrizität ist mit dem Ziel der Energiestrategie 2050 einer effizienten Energienutzung nicht vereinbar und hat das Potenzial, Flexibilitäten, bei denen die ausgespeiste Elektrizität tatsächlich genutzt oder zwecks späterer Nutzung zwischengespeichert wird, zu behindern. Mit dem Wort «vorab» wird die Türe aber nicht ganz zugeschlagen. Sollte es zu Liquiditätsengpässen auf dem Systemdienstleistungsmarkt kommen, so dürfen solche Anlagen bei der Beschaffung von verbrauchsseitigen Systemdienstleistungen in letzter Priorität berücksichtigt werden.

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SR 220

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Der Fall einer Gefährdung des sicheren Übertragungsnetzbetriebs wird weiterhin im Aufgabenkatalog der Swissgrid in Absatz 2 Buchstabe c erwähnt. Die eigentliche materielle Regelung findet sich neu in Artikel 20a. Aus Gründen der Einheitlichkeit wird mit Blick auf Artikel 8 auch an dieser Stelle statt vom stabilen Netzbetrieb vom sicheren Netzbetrieb gesprochen. Eine materielle Änderung erfolgt dadurch nicht.

Nach dem bisherigen Absatz 3 war der Bundesrat befugt, die Swissgrid zu verpflichten, für den Abruf von Regelenergie vorrangig Elektrizität aus erneuerbarer Energie, insbesondere aus Wasserkraft, einzusetzen. Abgesehen von Schwierigkeiten in der Umsetzung kann ein solcher Vorrang die Effizienz des Regelenergiemarktes vermindern, der auf eine möglichst hohe Liquidität angewiesen ist. Es erstaunt daher nicht, dass auch die Nachbarstaaten der Schweiz für den Bereich der Regelenergiebeschaffung keine Vorränge kennen. Absatz 3 wird deshalb aufgehoben. Die Swissgrid soll die benötigte Regelenergie technologieneutral beschaffen.

Art. 20a

Massnahmen bei Gefährdung des sicheren Übertragungsnetzbetriebs

Der Spezialfall einer Gefährdung des sicheren Übertragungsnetzbetriebs wird in Artikel 20a einer spezifischen Regelung zugeführt. Der sichere Übertragungsnetzbetrieb ist dann gefährdet, wenn die Netz- und Systemsicherheit bedroht ist, das heisst insbesondere dann, wenn lokale Ausfälle des Übertragungsnetzes oder kurzfristige Netzengpässe vorliegen und die Frequenz- und Spannungshaltung nicht mehr im erforderlichen Mass gewährleistet werden kann. Mit der neuen Bestimmung wird das geltende Konzept, welches zwischen Vereinbarungen und Anordnungen der Swissgrid unterscheidet (vgl. geltender Art. 20 Abs. 2 Bst. c sowie Art. 5 StromVV), weiter geschärft und entsprechend seiner zentralen praktischen Bedeutung auf Stufe Gesetz eingehender geregelt.

In Absatz 1 wird die Swissgrid im Sinne eines Grundsatzes verpflichtet, die zur Vermeidung oder Beseitigung einer Gefährdung des sicheren Übertragungsnetzbetriebs notwendigen Massnahmen vertraglich vorzubereiten. Mit diesem vertraglichen Fundament soll das gesamte Repertoire an Massnahmen vorbereitet werden, damit im Ernstfall wirkungsvoll und effizient reagiert werden kann. Primär dürften Berechtigungen und technische Vorkehren zu regeln sein. Als Beispiele können netztopologische Massnahmen (u. a. Sammelschienenwechsel, Netztrennung, Stichbetrieb) oder Anpassungen der Einspeisung für Wirk- oder Blindleistung bei Erzeugungsanlagen erwähnt werden, mit denen die ebenfalls vertraglich vorzubereitenden Letztmassnahmen automatischer und manueller Lastabwurf verhindert werden können. Mit präventiven Massnahmen («Vermeidung») soll der Eintritt einer Gefährdung verhindert werden. Damit sind Massnahmen gemeint, die ausgelöst werden, wenn die Gefährdung zwar noch nicht eingetreten ist, sich aber bereits konkret abzeichnet («dunkeloranger Bereich»). Massnahmen, die bereits früher Wirkung entfalten, betreffen den Normalbetrieb und sind von Artikel 20a nicht erfasst. Als Beispiel für eine präventive Massnahme kann das Notkonzept «Beschaffung von Regelleistung bei mangelnder Liquidität bei der Leistungsausschreibung» der Swissgrid erwähnt werden, mit dem Erzeuger ausnahmsweise zur Erbringung von Regelleistung verpflichtet werden können. Mit beseitigenden Massnahmen wird eine bereits eingetretene Gefährdung behoben («roter Bereich»). Artikel 20a bildet zusammen mit Artikel 8 Absatz 1bis das

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sogenannte Kaskadenprinzip ab. Die Swissgrid schliesst nur mit an ihr Netz angeschlossenen Netznutzern und Verteilnetzbetreibern Verträge ab. Die betreffenden Verteilnetzbetreiber der Netzebene 3 werden sodann in Absatz 2 verpflichtet, ihrerseits mittels entsprechenden Vereinbarungen sicherzustellen, dass sie im Ernstfall ihre Verpflichtungen gegenüber der Swissgrid erfüllen können. Mit dem Zusatz «entsprechend» wird vor allem der Kreis der möglichen Vertragspartner angesprochen: Wie die Swissgrid schliessen auch die betreffenden Verteilnetzbetreiber Vereinbarungen mit geeigneten an ihr Netz angeschlossenen Verteilnetzbetreibern (d. h. jenen, die auf den Netzebenen 3 und 5 tätig sind), Erzeugern, Endverbrauchern und Speicherbetreibern ab. Weil es Aufgabe der Swissgrid ist, im Ernstfall die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, ist es auch an ihr, die vorzubereitenden Massnahmen und die Kriterien für deren Auslösung im Gefährdungsfall festzulegen. Mit der Vorgabe von Absatz 1, wonach die notwendigen Massnahmen auf einheitliche Weise zu vereinbaren sind, wird die Anwendung einheitlicher Massstäbe vorgeschrieben. Raum für Einzelfallregelungen besteht trotzdem, beispielsweise um an einer besonders neuralgischen Stelle die notwendigen, spezifischen Vorkehrungen zu treffen. Können sich die Swissgrid beziehungsweise die unterliegenden Verteilnetzbetreiber und die jeweiligen, direkt an ihr Netz angeschlossenen Akteure nicht auf eine Vereinbarung einigen, kann die ElCom angerufen werden. Sie kann den Abschluss der Vereinbarung verfügen und Vorgaben zum notwendigen Mindestinhalt machen (vgl. Art. 22 Abs. 2 Bst. e).

In Absatz 3 wird der Ausnahmefall im Zusammenhang mit Gefährdungen des sicheren Übertragungsnetzbetriebs geregelt. Liegt eine qualifizierte Gefährdung vor (unmittelbar und erheblich) und sind die notwendigen Massnahmen entgegen den Vorgaben der Absätze 1 und 2 nicht vorgängig vereinbart worden, so kann und muss die Swissgrid diese Massnahmen ausnahmsweise anordnen. Mögliche Adressaten von Anordnungen sind dieselben Akteure, mit denen die Swissgrid gemäss Absatz 1 einen Vertrag abschliessen könnte. Auch Anordnungen können von den Verteilnetzbetreibern gemäss dem Kaskadenprinzip weitergegeben werden (Art. 8 Abs. 1bis zweiter Satz).

Der Handlungsspielraum der Swissgrid ist weit. Sie kann grundsätzlich
sämtliche Stromflüsse (Ein- und Ausspeisung inklusive Transite) anpassen beziehungsweise diese Anpassung verlangen, soweit dies zur Wiederherstellung des Normalbetriebs notwendig ist. Indem Anordnungen der ElCom anschliessend umgehend gemeldet werden müssen, wird die Basis für eine allfällige Überprüfung gelegt. So könnte namentlich die Einhaltung der stromversorgungsrechtlichen Pflichten zum Netzbetrieb oder die Anrechenbarkeit von Kosten nach Massgabe von Artikel 15 überprüft werden.

In Absatz 4 wird die Swissgrid ausdrücklich ermächtigt und verpflichtet, Ersatzmassnahmen anzuordnen. Die Swissgrid und allfällige von den Ersatzmassnahmen betroffene Dritte sind so zu stellen, als hätten die Säumigen ihre vertraglichen oder angeordneten Pflichten erfüllt. Allfällige Mehrkosten beziehungsweise Kostenpositionen, die der Swissgrid und den von den Ersatzmassnahmen Betroffenen nicht entstanden wären, wenn die ursprünglich vereinbarten oder angeordneten Massnahmen umgesetzt worden wären, haben ihnen die Säumigen zu ersetzen.

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Weil Massnahmen zur Vermeidung oder Beseitigung von Gefährdungen des sicheren Übertragungsnetzbetriebs eine grosse Tragweite aufweisen (Gefährdung des Gesamtsystems), sollen gemäss Absatz 5 im Sinne eines Grundsatzes auch deren Kosten auf alle Nutzer dieses Systems verteilt werden. Notwendige Voraussetzung für eine schweizweite Sozialisierung von Netzkosten ist deren Zuordnung zu den Kosten des Übertragungsnetzes. In der Praxis kann dies bedeuten, dass die Swissgrid entsprechende Vergütungen zu leisten hat. Dabei gibt es zwei Arten von Kosten, nämlich die Kosten der Vorbereitung sowie die Kosten der Durchführung. Ein gezielter manueller Lastabwurf erfordert beispielsweise umfangreiche Vorbereitungen, insbesondere für die vertragliche Absicherung der Massnahme sowie für die prozessuale und technische Implementierung. Die Kosten der Durchführung sind hingegen bei gewissenhafter Vorbereitung überschaubar: Haben sich die Swissgrid beziehungsweise die umsetzenden Netzbetreiber vertraglich das Recht einräumen lassen, im Sinne einer Letztmassnahme Lasten abzuwerfen, gehören die bei betroffenen Endverbrauchern allfällig entstandenen Schäden nicht zu den Kosten der Durchführung, zumal eine Einwilligung für die Abschaltung vorliegt. Solche Bestimmungen finden sich bereits heue in den relevanten Verträgen (vgl. Branchenempfehlung Strommarkt Schweiz, Musterverträge 2013)61. Dies ist denn auch folgerichtig, da kein Anspruch auf ein völlig störungsfreies Netz besteht. Das Netz muss nicht nur sicher und leistungsfähig, sondern auch effizient sein (Art. 8 Abs. 1 Bst. a). Wer in besonderem Masse auf eine ununterbrochene, störungsfreie Stromversorgung angewiesen ist, hat geeignete Vorkehrungen zu treffen (z. B. Notstromaggregat in einem Spital). Eine allfällig vereinbarte Vergütung für die Einräumung des Rechts zur Abschaltung, etwa bei grossen Endverbrauchern, ist hingegen als Kostenposition im Zusammenhang mit der Vorbereitung beziehungsweise Durchführung der Massnahme zu verstehen. Von vornherein nicht von Absatz 5 erfasst sind insbesondere Kosten, die im Zusammenhang mit einem Netzzusammenbruch aufgrund höherer Gewalt anfallen, da es sich nicht um eine Massnahme der Swissgrid handelt. In solchen Fällen gelten die allgemeinen haftungsrechtlichen Bestimmungen sowie allfällige diesbezügliche vertragliche Regelungen.
In Satz 2 wird dem Bundesrat schliesslich eine Kompetenz verliehen, Ausnahmen vom Grundsatz der Kostenzuordnung zum Übertragungsnetz vorzusehen. Zu denken ist namentlich an eine Ausnahmeregel für Einzelfälle, in denen es stossend wäre, wenn im Ergebnis die Allgemeinheit gewisse Kosten tragen müsste. Die Kompetenz umfasst a maiore ad minus auch die Regelungskompetenz für Konstellationen, in denen es angezeigt ist, Kosten nur teilweise dem Übertragungsnetz zuzuordnen.

Art. 22 Abs. 2 bis 2ter Die Marktöffnung ­ aber auch die Einführung diverser weiterer Massnahmen ­ hat Einfluss auf die Kompetenzen der ElCom (Änderung der Kompetenzen im Bereich der Tarife sowie Anfallen zusätzlicher spezifischer Aufgaben). Diese Neuerungen sind in Absatz 2 abgebildet. Die Änderung wurde gleichsam zum Anlass für eine einfachere und präzisere Formulierung der Buchstaben a und b genommen. Während sich Buchstabe a der besseren Übersicht halber ausschliesslich auf die Kompetenzordnung im Bereich des Netzzugangs und der Netznutzungsbedingungen beschränkt, 61

www.strom.ch

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beschäftigt sich Buchstabe b einzig mit der Überprüfung der Grundversorgungs-, Netznutzungs- und Messtarife und dem gestützt darauf errechneten Entgelt. Selbstredend schliesst Letzteres auch die Befugnis zur Überprüfung der Anrechenbarkeit der geltend gemachten Kosten mit ein. Abgesehen von der separaten Anlastung der Messkosten und der entsprechenden Prüfkompetenz zieht die Umformulierung keine materiellen Änderungen nach sich. Dass die ElCom ihre Kompetenzen sowohl von Amtes wegen als auch im Streitfall zwischen zwei Parteien ausüben kann beziehungsweise muss, ergibt sich nunmehr aus dem Einleitungssatz ­ dies auch mit Wirkung für alle folgenden Buchstaben der Aufzählung. Die Pflicht zum Entscheid im Streitfall dient der Gewährleistung der Rechtsweggarantie (Art. 29a der Bundesverfassung [BV]62): Die Rechtsunterworfenen haben gegenüber der ElCom Anspruch auf Erlass einer Verfügung63.

In Buchstabe c erhält die ElCom die Kompetenz, bei missbräuchlichen Bedingungen in der Ersatzversorgung einzuschreiten. Zwar unterliegt die Ersatzversorgung keiner staatlichen Preisordnung, doch findet die Preisbildung nicht marktwirtschaftlich durch Angebot und Nachfrage statt. Aufgrund ihrer Monopolstellung haben es die Verteilnetzbetreiber vielmehr in der Hand, die Konditionen einseitig festzulegen. An sich läge die gebotene Intervention an der Wettbewerbskommission (vgl. Art. 7 Abs. 2 Bst. c des Kartellgesetzes vom 6. Oktober 199564). Aufgrund ihrer spezifischen Expertise drängt sich indes eine alleinige Zuständigkeit der ElCom auf. In Anbetracht des Ausnahmecharakters der Ersatzversorgung und des Fehlens einer eigentlichen Preisordnung hat sie jedoch keine flächendeckende Prüfung vorzunehmen, sondern nur dann einzuschreiten, wenn es Anzeichen für tatsächlich missbräuchliche Bedingungen gibt (sei es auf Anzeige hin oder von Amtes wegen). Als Richtschnur können hierzu beispielsweise die Grundversorgungstarife und die aktuellen Spotmarktpreise herangezogen werden.

Nach Buchstabe d fallen der ElCom auch gewisse Aufgaben bei der Flexibilität zu.

Bei den «garantierten Nutzungen» handelt es sich um einen neuen regulierten Bereich und die betreffende ElCom-Zuständigkeit wird im Gesetz explizit erwähnt. Bei den Verträgen nach Artikel 17bbis Absatz 2 ist die ElCom grundsätzlich nicht zuständig.

Für eigentliche
Vertragsstreitigkeiten, also solche, die sich aus der Anwendung abgeschlossener Verträge ergeben, sind die Zivilgerichte zuständig. Bevor solche geschlossen werden, kann die allgemeine ElCom-Übrwachungskompetenz zum Tragen kommen. Werden zum Beispiel die Vorschriften, die der Bundesrat zum Schutz der Flexibilitätsinhaber erlässt, umgangen beziehungsweise nicht in die Verträge integriert, kann die ElCom bei den fehlbaren Netzbetreibern eingreifen. Bei einem Vertragselement, bei der Vergütung, hat die ElCom eine explizite Kompetenz, allerdings nur eine beschränkte: Sie kann Missbräuche unterbinden. Missbrauch kann bei einem deutlichen Missverhältnis zur Gegenleistung gegeben sein. Als Indizien, dass ein solcher gegeben ist, können die Beurteilungselemente des Preisüberwachungsrechts dienen. Die Missbrauchsaufsicht verdrängt keineswegs die Regeln zur Anrechenbarkeit von Netzkosten (Art. 14). Diese letzteren Regeln gelten denn auch immer zuerst und 62 63 64

SR 101 Urteile des Bundesgerichts 2C_681/2015 und 2C_682/2015 vom 20. Juli 2016, Ziff. 3.6.5.

SR 251

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das Missbrauchskonzept tritt leidglich ergänzend hinzu. Ein Verteilnetzbetreiber soll Flexibilität namentlich nicht missbräuchlich tief vergüten, zumal er die Kosten ja weiterbelasten kann (solange nach Art. 15 anrechenbar). Das Missbrauchskonzept soll primär die Flexibilitätsinhaber schützen, die Netzbetreiber umgekehrt aber natürlich auch, falls sie missbräuchliche Preise zahlen müssten. Allerdings ist das Missbrauchskonzept nicht auf den Fall zugeschnitten, dass ein hoher Flexibilitätspreis zwar noch unter der Missbrauchsschwelle, aber über dem liegt, was anrechenbar ist.

In Buchstabe e werden zwei spezifische Zuständigkeiten der ElCom im Zusammenhang mit Massnahmen bei Gefährdung des sicheren Übertragungsnetzbetriebs normiert. Einerseits kann sie gemäss erstem Satz den Abschluss einer Vereinbarung gemäss Artikel 20a Absatz 1 beziehungsweise Absatz 2 verfügen, sofern sich die Parteien nicht einigen können. Dies umfasst sowohl die von der Swissgrid abzuschliessenden Vereinbarungen, als auch die Vereinbarungen der Verteilnetzbetreiber, mit denen sie sicherstellen, dass sie ihre Verpflichtungen gegenüber der Swissgrid erfüllen können. Andererseits kann die ElCom gemäss zweitem Satz Anordnungen der Swissgrid sowie bei Nichtbefolgung solcher Anordnungen getroffene Ersatzmassnahmen überprüfen. Die Kompetenz im zweiten Satz ist auf den Themenbereich der Anordnungen beschränkt, da Fragen der Einhaltung beziehungsweise Verletzung vertraglicher Rechte und Pflichten sowie deren Durchsetzung grundsätzlich in die Kompetenz der Gerichte fallen. Dasselbe gilt für Ersatzmassnahmen, welche die Swissgrid anordnet, falls eine vertraglich vorgesehene Massnahme nicht ergriffen wird beziehungsweise nicht ergriffen werden kann (vgl. Art. 20a Abs. 4). Es ist aber festzuhalten, dass die ElCom sehr wohl Entscheide mit unmittelbarer Auswirkung auf Vereinbarungen fällen kann. So könnte sie etwa gestützt auf Artikel 22 Absatz 1 überprüfen, ob die in einer Vereinbarung geregelten Massnahmen geeignet sind, um einer Gefährdung des sicheren Übertragungsnetzbetriebs zu begegnen (Art. 20 Abs. 2 Bst. c).

Buchstabe f: Für die Administrierung der neuen Energiereserve (Art. 8a Abs. 3 und 4) ist ­ im Rahmen der Eckwertfestlegungen durch die ElCom ­ die Swissgrid zuständig.

Die Zusammenarbeit zwischen ihr und den Reserveteilnehmern
sowie ihre Interventionen geschehen auf vertraglicher Basis. Die Swissgrid schliesst mit ihnen beim Zuschlag deshalb eine Vereinbarung. Sollte eine hoheitliche, behördliche Intervention nötig werden, so soll dies die ElCom tun. Die Swissgrid kann die ElCom ersuchen, gewisse Anordnungen zu treffen. Die ElCom kann aber auch von sich aus agieren.

Aufgabe der ElCom ist schliesslich auch die Überwachung.

Das Datenregister im Sinne von Art. 17bquinquies Absatz 1 wird durch die ElCom beaufsichtigt. Die dabei zu berücksichtigenden Vorgaben ergeben sich aus dem StromVG und den Ausführungsbestimmungen. Gemäss Buchstabe g prüft sie dabei namentlich die vom Datenregisterbetreiber für die Errichtung und den Betrieb des Datenregisters berechneten Kosten sowie die korrekte Erhebung der auf dieser Kostenrechnung basierenden Entgelte. Da der Datenregisterbetreiber keinen Gewinn erzielen darf, sind die Entgelte kostendeckend zu erheben. Die ElCom wird zudem die organisatorischen Anforderungen an das Datenregister zu prüfen haben. Dabei ist insbesondere zu überwachen, dass der Datenregisterbetreiber keine weitergehenden Aufgaben wahrnimmt, als ihm durch Gesetz oder Ausführungsvorschriften übertragen wurden (Art. 17bsexies Abs. 2). Die ElCom kann demnach beispielsweise einschreiten, 115 / 146

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soweit der Datenregisterbetreiber Datenbearbeitungen vornimmt, die zur Erfüllung der durch Gesetz und Verordnung vorgegebenen Aufgaben nicht notwendig sind. Bei der Ausübung ihrer aufsichtsrechtlichen Kompetenzen im Bereich des Datenschutzes wird sich die ElCom gegebenenfalls mit dem Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten zu koordinieren haben. Des Weiteren ist die ElCom gestützt auf ihre subsidiäre Generalkompetenz (Art. 22 Abs. 1 StromVG) auch zuständig, mittels Verfügung über Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Datenregister (z. B.

zwischen den Beteiligten und dem Datenregisterbetreiber) zu entscheiden. Der Datenregisterbetreiber ist nicht verfügungsbefugt. Von der Aufsicht nach Buchstabe g nicht erfasst ist die Statutengenehmigung gemäss Artikel 17bquinquies Absatz 2 durch das UVEK. Ausserhalb der Aufsicht der ElCom steht ferner ­ je nach organisatorischer Ausgestaltung des Datenregisterbetreibers ­ auch das vom Bundesrat einzuführende Datenregister nach Artikel 17bquinquies Absatz 3.

Art. 22a

Veröffentlichung von Qualitäts- und Effizienzvergleichen

Mit Artikel 22a wird die Sunshine-Regulierung als ergänzendes Instrument zur etablierten Cost-Plus-Regulierung im Netzbereich beziehungsweise zur Überprüfung der Grundversorgungstarife eingeführt. Die Bestimmung regelt ausschliesslich die Sunshine-Regulierung. Allfällige weitere Vergleiche der ElCom, die in einem anderen Kontext erfolgen, bleiben von Artikel 22a unberührt.

In Absatz 1 werden die Hauptelemente der Sunshine-Regulierung festgelegt. So wird in genereller Weise der Bereich abgesteckt, in welchem die ElCom Verteilnetzbetreiber vergleichen kann, nämlich innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs gemäss Artikel 22 Absätze 1 und 2. Der Sunshine-Regulierung nicht zugänglich sind die in Artikel 22 Absätze 3 und 4 geregelten Bereiche, in denen der ElCom spezifische Beobachtungs- und Überwachungskompetenzen zukommen. Die genannten Ziele der Sunshine-Regulierung dienen als Leitlinien für die Umsetzung dieses neuen Instruments. Sie sind namentlich bei der Wahl von geeigneten Vergleichsgrössen und bei der Veröffentlichung der Ergebnisse zu berücksichtigen. Um aussagekräftige Ergebnisse erzielen zu können, kann die ElCom bei den Vergleichen Elemente berücksichtigen, die nicht in den Regulierungsbereich gemäss Artikel 22 Absätze 1 und 2 fallen, solange die Vergleichsgrösse selbst in diesen Bereich fällt. Damit das Ziel der Verbesserung der Transparenz für die Endverbraucher erreicht werden kann, sollte es einem Endverbraucher möglich sein, sich ein Bild über seinen Netzbetreiber im Vergleich mit anderen Netzbetreibern machen zu können. Deshalb kann die ElCom die Ergebnisse so veröffentlichen, dass sich die Ergebnisse der einzelnen Verteilnetzbetreiber abrufen lassen. Um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten, kann es angezeigt sein, die Verteilnetzbetreiber anhand sachgerechter Kriterien in Gruppen einzuteilen (z. B. Topografie, Siedlungsdichte, Energiedichte in MWh pro Leitungskilometer). Bei gewissen Vergleichen kann es zudem geboten sein, nur bestimmte Verteilnetzbetreiber zu berücksichtigen, etwa wenn sich bei kleinen Verteilnetzbetreibern nicht aussagekräftige Extremwerte ergeben würden. Aus datenschutzrechtlicher Perspektive wird die ElCom ermächtigt, Personendaten im Sinne von Artikel 19 Absatz 3 DSG durch ein Abrufverfahren zugänglich zu machen.

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In Absatz 2 werden die Bereiche aufgezählt, in denen die ElCom die Verteilnetzbetreiber vergleicht. Die Aufzählung ist zwar nicht abschliessend, soll Inhalt und Umfang der Sunshine-Regulierung aber weitestgehend wiedergeben. Der ElCom kommt ein beachtlicher Spielraum zu, da die Bereiche weit gefasst sind und lediglich pro Buchstabe und nicht etwa pro Unterposition ein Vergleich angestellt werden muss.

Innerhalb der einzelnen Bereiche sind nicht nur Vergleiche anhand von einzelnen, konkreten Vergleichsgrössen denkbar, sondern es könnten auch mehrere Vergleichsgrössen zusammengefasst werden und als Ergebnis beispielsweise eine Art Gesamteffizienz in einem Bereich ausgewiesen werden. Dadurch kann insbesondere verhindert werden, dass über gezielte Anpassungen, etwa bei der Kostenzuordnung, bessere Ergebnisse bei Einzelwerten herbeigeführt werden. Bei der Auswahl der Bereiche wurde berücksichtigt, dass die Sunshine-Regulierung mit überschaubarem Zusatzaufwand für die betroffenen Unternehmen verbunden sein soll. Die Vergleiche sollen möglichst anhand von Grössen erfolgen, für welche die ElCom bereits über die benötigten Daten verfügt. Nichtsdestotrotz hat die ElCom die Möglichkeit, gestützt auf Artikel 25 Absatz 1 bei den Verteilnetzbetreibern beziehungsweise den Eigentümern der Verteilnetze zusätzliche Daten für die Sunshine-Regulierung zu beschaffen. Bei der Erarbeitung der Grundsätze für die Vergleiche und für die Veröffentlichung der Ergebnisse involviert die ElCom die Verteilnetzbetreiber angemessen.

Im Bereich der Versorgungsqualität gemäss Buchstabe a können die Verteilnetzbetreiber etwa hinsichtlich Dauer oder Häufigkeit von Versorgungsunterbrechungen verglichen werden. Im von Buchstabe b erfassten Netzbereich sind beispielsweise Vergleiche anhand der Netzkosten pro Kilometer Leitung denkbar. Im Netzbereich erscheint es aus den erwähnten Gründen besonders sinnvoll, die Ergebnisse (auch) in Form einer Gesamteffizienz auszuweisen. Zusätzlich erfordert die Evaluation der Effizienzsteigerungen im Netzbereich gemäss Absatz 3 eine Gesamtbetrachtung. Bei den Grundversorgungstarifen gemäss Buchstabe c kann die ElCom sowohl Vergleiche hinsichtlich des Standardprodukts als auch zu weiteren Produkten in der Grundversorgung anstellen. Unter Buchstabe d könnten etwa Vergleiche zur Art der Information der
Endverbraucher bei geplanten Unterbrüchen gemacht werden. Die Vergleiche im Bereich Messstellenbetrieb und Messdienstleistungen (Bst. f) beschränken sich auf den Monopolbereich der Verteilnetzbetreiber, also auf diejenigen Konstellationen, in denen die gesetzlich geregelten Messtarife gelten, weil die betreffenden Endverbraucher ihren Messstellenbetreiber beziehungsweise ihren Messdienstleister nicht frei wählen können (vgl. Art. 17a und 17abis). Buchstabe g zielt schliesslich primär auf Veröffentlichungs- und Bekanntgabepflichten der Verteilnetzbetreiber gegenüber den Endverbrauchern und weiteren Marktakteuren ab, vorab auf die zeitgerechte und korrekte Veröffentlichung oder Bekanntgabe der Informationen nach Artikel 12.

In Absatz 3 wird der Grundsatz geregelt, dass die Sunshine-Regulierung im Netzbereich durch eine Anreizregulierung ersetzt werden soll, falls es in diesem Bereich nicht zu genügenden Effizienzsteigerungen mit entsprechenden Auswirkungen auf die Netzkosten kommt. In den übrigen Bereichen könnte die Sunshine-Regulierung grundsätzlich neben einer Anreizregulierung weitergeführt werden. Basierend auf den Ergebnissen der vom BFE alle vier Jahre durchzuführenden Evaluation trifft der Bundesrat den Entscheid, ob eine Vorlage zur Einführung einer Anreizregulierung zuhan-

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den des Parlaments auszuarbeiten ist. Die Netznutzungsentgelte müssen auf den Kosten eines sicheren, leistungsfähigen und effizienten Netzes beruhen. Die Entwicklung der Netznutzungsentgelte muss folglich aufzeigen können, dass das Effizienzziel in ausreichendem Masse erreicht wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das BFE in Kosten- und Nutzenüberlegungen zum Ergebnis kommt, dass bei einer eher konservativen Schätzung eine Anreizregulierung durch Effizienzsteigerungen zu einem jährlichen Wohlfahrtsgewinn von 190 bis 270 Millionen Franken führen kann.65 Im Zuge der Evaluation wird es zu einer Datenweitergabe zwischen der ElCom und dem BFE im Sinne von Artikel 27 Absatz 1bis kommen (vgl. Erläuterungen zu Art. 27).

Bei der Einführung einer Anreizregulierung fände ein Wechsel von einer ex-post- zu einer ex-ante-Regulierung statt. Dabei würden den Verteilnetzbetreibern Vorgaben für ihre Erlöse innerhalb einer Regulierungsperiode (von in der Regel vier bis fünf Jahren) gemacht. Diese Vorgaben leiten sich aus in statistischen Vergleichen (Benchmarking) zu ermittelnden Effizienzwerten der Netzbetreiber ab. Dabei werden die beeinflussbaren Kosten eines Netzbetreibers mit denen eines vergleichbaren effizienten Netzbetreibers verglichen. Nichtbeeinflussbare Kosten wie insbesondere die Kosten der vorliegenden Netze sowie Steuern und Abgaben gehen nicht in den Effizienzvergleich ein und werden überwälzt.

Das Grundprinzip der Anreizregulierung ist wie folgt zu sehen: Werden die Vorgaben für die Effizienzsteigerung übertroffen, kann der Netzbetreiber die Differenz bis zur berechneten Erlösobergrenze für sich behalten. In dem Umfang, in welchem die Kosten diese Grenze überschreiten, dürfen sie den Endverbrauchern nicht über die Netznutzungsentgelte in Rechnung gestellt werden.

Eine Anreizregulierung vermeidet insbesondere Überinvestitionen in Form eines zu kapitalintensiven Netzausbaus. Aufgrund der Besonderheiten und geringeren Vergleichbarkeit dürfte die Swissgrid in einem vorrangig kostenbasierten Regime verbleiben.

Art. 23

Rechtspflege

Die Änderung in Absatz 1 ist rein redaktioneller Art.

Das neue gesetzliche Beschwerderecht der ElCom nach Absatz 2 beschränkt sich auf Fälle von Artikel 23, das heisst Fälle, in denen eine ElCom-Verfügung vor das Bundesverwaltungsgericht gezogen wurde (Abs. 1) und von diesem nicht gestützt wurde.

In kantonalen Bereichen des Strommarktes, wo es zu kantonalen Gerichtsurteilen kommen kann, gibt es kein ElCom-Beschwerderecht.

Art. 23a Mit den Pilotprojekten nach Absatz 1 soll Innovation gefördert und die damit einhergehende Weiterentwicklung der Stromversorgungsgesetzgebung ermöglicht werden.

65

Frontier Economics (2015): Kosten-Nutzen-Analyse der Einführung einer Anreizregulierung für Stromnetzbetreiber in der Schweiz; S. 43ff bzw. Infras, Regulierungsfolgenabschätzung zur Revision Stromversorgungsgesetz (StromVG) (2017), S. 83.

www.bfe.admin.ch/bfe/de/home/versorgung/stromversorgung/stromversorgungsgesetzstromvg/revision-stromvg.html

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Hierzu können innovative Technologien, Geschäftsmodelle oder Produkte im Energiesektor erprobt werden, die von den gesetzlichen Bestimmungen abweichen (vgl.

Abs. 3). In diesem Rahmen könnte beispielsweise ein neues, von den gesetzlichen Vorgaben abweichendes Tarifierungsmodell untersucht werden. Ein Projekt kann indes nur bewilligt werden, wenn es nötig ist, um zu Erkenntnissen für die Weiterentwicklung des Stromversorgungsgesetzes zu gelangen. Eine Abweichung vom Gesetz (z. B. eine Netzentgeltbefreiung) ist daher nur zulässig, wenn diese durch den Versuch bedingt ist, also einen Untersuchungsgegenstand im Hinblick auf die Klärung einer komplexen Frage bildet, und dazu dient, aufgrund des Untersuchungsergebnisses eine entsprechende zukünftige Regelung treffen zu können. Unzulässig wäre eine Abweichung, wenn sie lediglich dazu dient, den Versuch zu finanzieren, von dieser keine relevanten Erkenntnisse zu erwarten sind oder diese als zukünftige Regelung ohnehin nicht zulässig wäre.

Absatz 2 setzt unter Berücksichtigung der Grundsätze für Versuchsregelungen weiter voraus, dass das jeweilige Projekt in inhaltlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht beschränkt ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Projekt in seinem Geltungsbereich nicht weiter geht, als dies zur Erreichung seines Ziels erforderlich ist. Im Sinne einer möglichst rechtsgleichen Gesetzgebung sollen damit die durch die Versuchsregelungen geschaffenen Ungleichheiten auf das Nötigste beschränkt werden, was auch in Bezug auf eine allfällige Verlängerung des Projekts zu berücksichtigen wäre.

Absatz 3 sieht vor, dass das UVEK die Rahmenbedingungen der einzelnen Projekte in einer eigenen Verordnung (sog. Ad-hoc-Verordnung) regelt. Im Sinne des Legalitätsprinzips wird die Verordnung die Rechte und Pflichten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer regeln und die Bestimmungen aufführen, von denen im Rahmen des Pilotprojekts abgewichen werden darf. Solche Abweichungen vom Gesetz können nur in Bezug auf die abschliessend aufgezählten Bereiche vorgesehen werden, und zwar die Grundversorgung (Art. 6 StromVG), die Aufgaben der Netzbetreiber (Art. 8 StromVG) sowie die Netznutzung (Art. 10­20b StromVG). Soweit notwendig, kann dabei auch von den entsprechenden Ausführungsbestimmungen abgewichen werden.

Sieht ein bewilligtes Pilotprojekt in
Abweichung zum StromVG Netzentgeltbefreiungen für gewisse Endverbraucher vor, kann dies zu finanziellen Mehrbelastungen der übrigen Endverbraucher im vom Projekt betroffenen Netzgebiet führen. Die durch eine Netzentgeltbefreiung nicht gedeckten Mehrkosten müssten gegebenenfalls von den nicht am Projekt involvierten Endverbrauchern des betroffenen Netzgebietes getragen werden, was zu unverhältnismässigen Mehrbelastungen führen könnte. Absatz 4 ermöglicht daher dem UVEK, in der Verordnung vorzusehen, dass diese Kosten über die Swissgrid auf die Endverbraucher der gesamten Schweiz sozialisiert werden, was dazu führt, dass die Kostenwirkung auf den einzelnen Endverbraucher abgefedert wird. Hierzu wird die Swissgrid dem Netzbetreiber die ungedeckten Kosten vergüten und in der Folge in ihre Systemdienstleistungskosten einrechnen. Über die Kostenwälzung erfolgt damit letztlich eine Finanzierung der ungedeckten Mehrkosten durch die Endverbraucher der gesamten Regelzone Schweiz. Diese Sozialisierung von Netzkosten ist jedoch nur in dem Umfang möglich, in dem durch das bewilligte Projekt tatsächlich ungedeckte Mehrkosten für nicht am Projekt beteiligte Endverbraucher im betroffenen Netzgebiet anfallen. Entstehen keine Mehrkosten für die Endverbraucher, 119 / 146

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beispielsweise, weil die Kosten vom Netzbetreiber oder durch ein Pilot- und Demonstrationsprojekt nach Artikel 49 EnG finanziert werden, können sie nicht den Systemdienstleistungen zugerechnet werden. Eine Sozialisierung der Kosten ist ferner nur sachgerecht, wenn der ideelle sowie materielle Mehrwert des Projekts (Erkenntnisgewinn, Netzentlastung, finanzielle Einsparungen etc.) zum überwiegenden Teil der gesamten Regelzone Schweiz, und nicht nur dem betroffenen Netzgebiet, zugutekommt. Das gesamtschweizerische Interesse am Pilotprojekt muss mithin grösser sein als dasjenige des betroffenen Netzgebietes. Ob dies der Fall ist, wird vom UVEK für jedes Projekt im Einzelfall zu prüfen sein. Es steht daher im Ermessen des UVEK, ob eine Anrechnung der Kosten an die Systemdienstleistungen erfolgt.

Absatz 5: Der Bundesrat wird ein Verfahren vorzusehen haben, das es den interessierten Akteuren ermöglicht, ein Gesuch zur Lancierung eines Pilotprojekts einzureichen.

Der Bundesrat kann dabei die Voraussetzungen für eine Gesuchseinreichung regeln.

Er wird ferner sicherstellen, dass das UVEK an die notwendigen Informationen der Projektverantwortlichen gelangt, zumal nur so entsprechende Erfahrungen im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Stromversorgungsgesetzgebung gesammelt werden können. Hierzu bedarf es einer engen administrativen, technologischen sowie regulatorischen Betreuung und entsprechender Auswertungs- und Dokumentations- und gegebenenfalls auch Veröffentlichungspflichten für die Projektverantwortlichen.

Art. 25 Abs. 1 Artikel 25 Absatz 1 ist vor allem auf Datenbeschaffungen durch die ElCom und das BFE zugeschnitten. Er soll diesen Behörden den Zugang zu Daten ermöglichen, welche zur Umsetzung des Gesetzes oder dessen Vorbereitung nötig sind (vgl. Botschaft vom 3. Dezember 2004 zum StromVG66). Der Gesetzestext wird angesichts der neu in Artikel 27 Absatz 1bis eingeführten Datenweitergabe zwischen dem BFE und der ElCom dahingehend präzisiert, dass die Weiterentwicklung des Gesetzes explizit als Teilgehalt des Vollzugs erwähnt wird. Eine materielle Änderung erfolgt dadurch nicht, denn der Aspekt der Weiterentwicklung ist gemäss der soeben zitierten Botschaftsstelle bereits im geltenden Recht materiell enthalten («Vorbereitung»).

Materiell neu ist die Erweiterung der Auskunftspflicht auf den
Datenregisterbetreiber.

Diese Erweiterung ermöglicht der ElCom die Wahrnehmung ihrer Aufsichtstätigkeit.

Die Verordnung kann für den Datenregisterbetreiber weitergehende (ggf. auch regelmässige) Informationspflichten vorsehen.

Art. 26 Abs. 1 Artikel 26 Absatz 1 steht zu Artikel 25 Absatz 1 in einem spiegelbildlichen Verhältnis, sodass die dort vorgenommene Klarstellung hier nachvollzogen wird.

Art. 27 Sachüberschrift und Abs. 1bis Durch die mit Absatz 1bis neu eingeführte Datenweitergabe sind dem BFE und der ElCom alle Daten zugänglich, die beim BFE oder bei der ElCom vorhanden sind und 66

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die die anfragende Behörde für die Erfüllung ihrer Aufgaben beschaffen dürfte. Einer Weitergabe entgegenstehende Vorschriften, wie insbesondere Artikel 14 Absatz 1 des Bundesstatistikgesetzes vom 9. Oktober 199267, sind zu beachten. Relevant wird Absatz 1bis insbesondere bei Daten sein, die gestützt auf Artikel 25 Absatz 1 beschafft worden sind: Da sich sowohl die ElCom als auch das BFE auf Artikel 25 Absatz 1 abstützen können, sind Überschneidungen möglich. Um für alle Betroffenen ineffiziente doppelte Datenbeschaffungen zu vermeiden, wird in Absatz 1bis die Weitergabe von für die jeweilige Aufgabenerfüllung benötigten Daten ermöglicht. Wie sich aus den allgemeinen datenschutzrechtlichen Grundsätzen ergibt, dürfen die Daten insbesondere nicht zu anderen Zwecken oder in grösserem Umfang bearbeitet werden, als es zur Aufgabenerfüllung notwendig ist, für die sie weitergegeben worden sind. Auch wenn keine Informationspflicht gemäss DSG besteht (Art. 18a Abs. 4 Bst. a DSG), erscheint es im Sinne der Transparenz förderlich, wenn das BFE beziehungsweise die ElCom die Betroffenen nachträglich über Datenweitergaben in nicht unerheblichem Umfang informiert, soweit dies ohne unverhältnismässigen Aufwand möglich ist. Bei künftigen Datenbeschaffungen direkt bei den Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft sollte zudem auf die Möglichkeit der Datenweitergabe zwischen der ElCom und dem BFE hingewiesen werden.

Art. 29 Abs. 1 Bst. a, d, ebis und fs sowie Abs. 2bis Absatz 1: Die im geltenden Artikel 6 Absatz 5 enthaltene Vorgabe, wonach die Verteilnetzbetreiber Preisvorteile, die sie bei der Elektrizitätsbeschaffung im freien Markt erzielen, anteilsmässig an die festen Endverbraucher weiterzugeben haben, entfällt im Zuge der marktnäheren Ausgestaltung der Grundversorgung (Aufgabe der Gestehungskostenregulierung). Damit wird die in Artikel 29 Absatz 1 Buchstabe a enthaltene Vorgabe gegenstandslos und ist entsprechend aufzuheben.

Die Strafbestimmung im neuen Absatz 1 Buchstabe ebis verschafft der Pflicht nach Artikel 17bter, welche die Verteilnetzbetreiber und alle freien Messdienstleister und Messstellenbetreiber adressiert, Nachachtung. Von dieser Strafbestimmung abzugrenzen ist die verwaltungsrechtliche Durchsetzung der Pflicht nach Artikel 17bter, wofür die ElCom zuständig ist (Art. 22 Abs. 1). Bei der neuen
Energiereserve wird auch das Erteilen falscher und unvollständiger Auskünfte unter Strafe gestellt. Nebst den Auskünften gegenüber der ElCom (was durch den heutigen Bst. f schon erfasst ist) geht es auch um Auskünfte und das Zugänglichmachen von Unterlagen gegenüber der Swissgrid, die keine Behörde ist. Für diesen Aspekt wird der bestehende Buchstabe f ergänzt, im Übrigen bleibt er unverändert. Buchstabe f greift auch für Auskünfte im Zusammenhang mit dem neuen Instrument gemäss Artikel 9bis (Zubau für die Stromproduktion im Winter).

Absatz 2bis: Die Möglichkeit zur Bussenauferlegung nach Artikel 7 des Bundesgesetzes vom 22. März 197468 über das Verwaltungsstrafrecht wird hier, zum Beispiel analog zu Artikel 71 EnG, für Bussen von bis zu 20 000 Franken (anstatt 5000 Franken) nutzbar gemacht.

67 68

SR 431.01 SR 313.0

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Art. 33c

Übergangsbestimmungen zur Änderung vom ...

Absatz 1 gewährt der Branche eine gewisse Übergangszeit zur Etablierung der Prozesse, die für die Umsetzung der vollständigen Marktöffnung notwendig sind.

Bislang hatten grundsätzlich auch grosse Endverbraucher Anspruch auf Grundversorgung. Sie verloren diesen Anspruch erst mit Abschluss eines Vertrags im freien Markt («Einmal frei, immer frei»). Neu haben Endverbraucher mit einem Jahresverbrauch ab 100 MWh diesen Anspruch nicht mehr. Absatz 2 klärt, was passiert, wenn sie ihren Netzzugang trotz fehlendem Anspruch auf Grundversorgung nicht nutzen.

Absatz 3: Der Bundesrat wird zehn Jahre nach Inkrafttreten prüfen müssen, ob die Vorgaben zur Angemessenheit der Tarife und zum Standardstromprodukt (Art. 6) in der Grundversorgung noch immer notwendig und angemessen sind. Die Entwicklungen des Strommarktes sind schwierig vorhersehbar. Langfristige Erfahrungen können aufzeigen, dass sich in der Grundversorgung, allein aufgrund der Möglichkeit, in den freien Markt zu wechseln, angemessene Tarife einstellen werden. Damit würden die gesetzlichen Vorgaben und der damit verbundene Vollzugsaufwand obsolet. Gleichsam ist vorstellbar, dass sich Stromprodukte aus inländischer und erneuerbarer Energie zunehmend auch aus privater Initiative verbreiten, insbesondere, wenn dezentral produzierter Strom vermehrt lokal nachgefragt wird.

Die Übergangsbestimmung von Absatz 4 soll dem Bundesrat ermöglichen, allfällige negative Auswirkungen der vollständigen Strommarktöffnung rechtzeitig zu erkennen und erste Massnahmen einzuleiten. Hierzu wird der Bundesrat die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt im Elektrizitätssektor während der vorgegebenen Zeitspanne von zehn Jahren beobachten. Zur Beobachtung stützt sich der Bundesrat auf die durch das BFE regelmässig zu erstellenden Berichte gemäss Artikel 27 Absatz 3 StromVV.

In den Berichten werden die notwendigen Analysen bereitgestellt (z. B. zum Lohnniveau und zur Lohnentwicklung). Sofern der Bundesrat die tripartite Kommission des Bundes im Sinne von Artikel 360b OR informiert, wird diese in der Folge nach eigenem Ermessen prüfen, ob sie entsprechende Abklärungen und Massnahmen trifft. Die Massnahmen zur Koordination und Weiterentwicklung im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung sollen allfällige Umstrukturierungen möglichst verhindern, oder zumindest deren negative
Folgen abmildern, und zur Qualitätssicherung und zur Versorgungssicherheit beitragen. In diesem Rahmen könnte der Bundesrat die Sozialpartner (und/oder weitere Organisationen und Behörden) konsultieren, um Qualität und Verfügbarkeit von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten im Elektrizitätssektor zu analysieren und diesbezüglichen Anpassungsbedarf zu untersuchen. Nicht erfasst von der Regelung nach Absatz 4 ist der durch die Marktöffnung unberührte Bereich des Netzbetriebs.

Absatz 5: Mit der Übergangsbestimmung wird bezweckt, dass die ElCom auch zu Beginn der Sunshine-Regulierung nicht auf eine Punktbetrachtung von Netzbetreibern beschränkt ist, sondern die Entwicklung der Ergebnisse über einen gewissen Zeitraum erkennbar machen kann. Dadurch kann direkt ab Inkrafttreten der Vorlage eine objektivere Einschätzung der Netzbetreiber erreicht werden. Damit die Rückwirkung massvoll bleibt, darf die ElCom nur Daten verwenden, welche die Zeit ab dem Jahr 2022 betreffen und über welche sie im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung

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vom ... bereits verfügt hat. Das Jahr 2022 ist das erste volle Jahr, nachdem die Botschaft dem Parlament unterbreitet worden ist. Ab diesem Zeitpunkt ist es für die Netzbetreiber ersichtlich, dass die Daten dereinst auch für die Sunshine-Regulierung verwendet werden könnten. Die ElCom wird bei der Beschaffung von entsprechenden Daten zusätzlich auf diesen Umstand hinweisen.

Art. 34 Abs. 2 und 3 Die Gesetzesvorlage bringt eine vollständige Marktöffnung mit sich. Folglich ist die Schlussbestimmung zum Bundesbeschluss, mit welchem die dafür ehemals vorgesehenen Bestimmungen hätten in Kraft treten sollen, gegenstandslos und entsprechend aufzuheben.

5

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem EU-Recht

Generelle Entwicklung in der EU und Betonung der erneuerbaren Energien Die EU hat in den letzten gut 20 Jahren mehrere Legislativpakete zum Energiebinnenmarkt verabschiedet und so die Integration des Strombinnenmarktes forciert. So wurden unter anderem die Strommärkte geöffnet (freie Lieferantenwahl seit 2007) und Regeln zum grenzüberschreitenden Stromhandel und zur Förderung erneuerbarer Energien erlassen. Im Dezember 2018 und im Juni 2019 wurde das vierte Paket in dieser Reihe beschlossen, das sogenannte Clean Energy Package (CEP).

Das CEP setzt auf noch mehr Energieeffizienz und erneuerbare Energien, mit einem verbindlichen Gesamtziel beim Anteil an erneuerbaren Energien von 32 Prozent per 203069. Mit einem Governance-Mechanismus schafft die EU ein neues Planungsund Monitoringsystem für die Umsetzung der Ziele der Energieunion, insbesondere der EU-2030-Ziele für Energie und Klima70. Bereits will die EU aber weitergehen und hat 2019 ihr Vorhaben für einen «europäischen Green Deal» lanciert. So sollen per 2050 netto keine Treibhausgasemissionen mehr freigesetzt werden und via eine saubere und kreislauforientierte Wirtschaft zu einer effizienteren Ressourcennutzung übergegangen werden. Die Arbeiten an diesem «Green Deal» sind am Laufen.

69

70

Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Neufassung), ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 82.

Verordnung (EU) 2018/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über das Governance-Sytem für die Energieunion und den Klimaschutz, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 663/2009 und (EG) Nr. 715/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 94/22/EG, 98/70/EG, 2009/31/EG, 2009/73,/EG, 2010/31/EU, 2012/27/EU und 2013/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2009/119/EG und (EU) 2015/652 des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 525/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl L 328 vom 21.12.2018, S. 1.

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CEP: Strombinnenmarkt und Versorgungssicherheit Die CEP-Regeln zum Strombinnenmarkt71 sollen eine bessere System- und Marktintegration von Strom aus erneuerbaren Quellen bringen. Unter anderem werden die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher gestärkt, um ihnen eine aktivere Teilnahme am Markt zu ermöglichen, dies mit Regeln zu «aktiven Kunden», zu «Bürgerenergiegemeinschaften» oder zur «Aggregierung». Zudem gibt es Regeln zu Speichern und einen Rahmen für die Nutzung von Flexibilität.

Auch sonst werden die Marktmechanismen verstärkt, zum Beispiel durch mehr Bilanzkreisverantwortung aller Marktteilnehmer, und die Möglichkeiten des kurzfristigen grenzüberschreitenden Handels verbessert. Die Interkonnektoren werden für diesen stärker geöffnet, indem die für den Handel verfügbare Kapazität schrittweise bis auf 70 Prozent erhöht wird. Neu gibt es sodann Regeln zu Kapazitätsmärkten, bei denen die Verfügbarkeit von Ressourcen vergütet wird. Solche Mechanismen dürfen nur als Letztmittel eingeführt werden und wenn eine System-Adequacy-Analyse einen Bedarf dafür ergibt. Sie dürfen nicht marktverzerrend und nicht dauerhaft sein.

Eine neue Verordnung widmet sich sodann der Risikovorsorge72 gegen Stromversorgungskrisen. Sie sieht eine bessere zwischenstaatliche Kooperation vor.

Relevanz von EU-Recht für die Schweiz Das Stromabkommen, das die EU und die Schweiz angestrebt hatten, ist nach der Beendigung der Verhandlungen für ein institutionelles Abkommen bis auf weiteres nicht mehr absehbar. Das EU-Recht zum Elektrizitätsbinnenmarkt und das EU-Beihilferecht werden für die Schweiz somit nicht massgebend. Die Schweiz ist nicht verpflichtet, beim Erlass von Rechtsnormen das EU-Recht zu berücksichtigen, orientiert sich aber häufig trotzdem daran. Auch ohne Stromabkommen bleibt das EU-Recht im Strom- und Energiebereich in Teilen eine Referenzgrösse. Neuerungen in dieser Vorlage sollen deshalb trotzdem möglichst konform mit EU-Recht sein.

Die Vorlage war nie als Umsetzungsvorlage eines Stromabkommens gedacht.

Sollte die Schweiz künftig auch ohne Stromabkommen eine breitere Annäherung ans EU-Recht wollen, wäre eine weitere Vorlage nötig.

Von Interesse sind vor allem die folgenden Themen der Revision: Zubau erneuerbare Energien: Wie beschrieben, forciert die EU mit dem CEP den Zubau erneuerbarer Energien,
auch im Strombereich. Anders als früher gibt es keine nationalen Zubauziele mehr, sondern lediglich ein EU-Gesamtziel. Nichtsdestotrotz müssen die Anstrengungen mit nationalen Beiträgen in den einzelnen Ländern gemacht werden. Dies tut mit dieser Vorlage auch die Schweiz, indem sie im EnG die

71

72

Richtlinie (EU) 2019/944 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 2012/27/EU (Neufassung), ABl L 158 vom 14.6.2019, S. 125 sowie Verordnung (EU) 2019/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni über den Elektrizitätsbinnenmarkt (Neufassung), ABl L 158 vom 14.6.2019, S. 54.

Verordnung (EU) 2019/941 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 über die Risikovorsorge im Elektrizitätssektor und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/89/EG, ABl L 158 vom 14.6.2019, S. 1.

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Massnahmen für die Erreichung der Ausbauziele verstärkt, das heisst das Förderinstrumentarium modernisiert (teilweise Auktionen) und verlängert. Relevant ist vor allem das EU-Beihilferecht einschliesslich Beihilfeleitlinien, woraus sich viele Ausnahmen ergeben, die das grundsätzliche Beihilfeverbot stark relativieren. Mit Blick auf das Beihilferecht ist an der Anpassung im EnG positiv, dass es beim Auslaufen der Marktprämie für die Grosswasserkraft und des Einspeisevergütungssystems bleibt.

Letzteres fällt neu nicht mehr ersatzlos weg, sondern wird durch Investitionsbeiträge ersetzt, die in der EU beihilferechtlich anerkannt sind. Um ganz EU-konform zu sein, bräuchte es bei den Instrumenten im Einzelnen dereinst womöglich noch Justierungen.

Vollständige Marktöffnung und Grundversorgung: Die für das StromVG vorgesehene volle Marktöffnung ist im EU-Recht zentral. Die neue Angemessenheitsprüfung in der Grundversorgung orientiert sich an einer Vergleichspreisbetrachtung (Marktpreise statt Gestehungskosten), wobei angesichts des Lieferantenwahlrechts der Endverbraucher keine systematische Überprüfung durch die ElCom erfolgt. Ein solches Modell ist EU-konform, wobei vor allem das Abrücken von den Gestehungskosten wichtig ist. Zu erwähnen ist ein weiteres Element der Grundversorgung, nämlich das vorgeschriebene Standardprodukt aus inländischen erneuerbaren Energien. Sieht man dieses als einen Beitrag zum zentralen Anliegen eines Schubs an erneuerbaren Energien, scheint es, eingebettet ins System «Marktöffnung/Grundversorgung», EU-rechtlich vertretbar zu sein. Dies, zumal der Markt kaum tangiert wird, da die Endverbraucher die Möglichkeit haben, den Lieferanten zu wechseln oder beim Grundversorger ein anderes Produkt zu wählen. Eine gewisse Differenz mit der EU besteht allerdings bei der geplanten Wechselfrist von einem Jahr, die in der EU kürzer ist.

Energiereserve und Zubau «Winterstrom»: Mit der Energiereserve wird zwar nicht Leistung vorgehalten, sondern Energie. Trotzdem könnte die Reserve als strategische Reserve und mithin als Kapazitätsmarkt zu betrachten sein. Der Bedarf, der für eine Reserve erstellt sein muss, sollte für das Schweizer Modell zu bejahen sein, jedenfalls aber dessen Zulässigkeit, da es um eine klein dimensionierte Versicherung für wenige kritische Wochen geht. Zudem ist die
Reserve auktionsbasiert, technologieoffen, und funktioniert ausserhalb des Marktes. Das zweite StromVG-Element im Interesse der Versorgungsicherheit, der «Winterstrom»-Zubau, kann vor EU-Recht ebenfalls standhalten: Wenn primär Wasserkraftspeicher zugebaut werden, die durch das akzeptierte Instrument des Investitionsbetrags unterstützt werden, findet Zubau erneuerbarer Energien statt. Anders als bei der üblichen Unterstützung nach dem EnG wird bei diesem Zubau aber im Interesse der Versorgungssicherheit im Winter ein Akzent gesetzt. Das StromVG sieht deshalb speziellere, sehr zielgerichtete Kriterien vor.

Weitere Aspekte: Das EU-Recht kennt nicht zu allen Themen dieser Revision Vorschriften. So verlangt die EU zwar einen Smart-Meter-Rollout, macht aber beim Messwesen und der Frage, ob man den Anbieter frei wählen kann, keine Vorgaben.

Im EU-Vergleich fortschrittlich und auf der Linie der EU-Regeln ist die Schweiz mit den Vorschlägen zu den Flexibilitäten und zum Datahub. Kaum EU-konform dürfte hingegen die Netzentgeltbefreiung für Pumpspeicher sein, die allerdings nicht neu ist.

EU-rechtlich unproblematisch ist schliesslich die geplante «Sandbox».

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Auswirkungen

6.1

Personelle Auswirkungen auf den Bund

Beim BFE führt die Vorlage gegenüber heute zu 200 zusätzlichen Stellenprozenten.

Diese werden vollständig über den (unveränderten) Netzzuschlag finanziert. Sie werden ab 2022 für den Vollzug der wettbewerblich ausgestalteten Förderung der Photovoltaik (Auktionen) und dessen Vorbereitung eingesetzt (unbefristet). Zudem werden die Ende 2022 für den Vollzug der Marktprämie für die Grosswasserkraft und die Erarbeitung eines marktnahen Modells für die Grosswasserkraft auslaufenden 400 Stellenprozente in unbefristete Stellen umgewandelt. Diese sind ebenfalls vollständig gegenfinanziert und werden ab 2024 (300 Stellenprozente) beziehungsweise 2022 (100 Stellenprozente) für Konzeption und Vollzug der wettbewerbsnahen Förderung mit Investitionsbeiträgen verwendet, insbesondere den neuen Beiträgen für die Stromproduktion aus Wasserkraft im Winter. Im Weiteren benötigt das BFE übergangsweise (2022 bis 2024) 200 Stellenprozente zur Verbesserung von Datenverfügbarkeit und -zugang im Strombereich, vor allem zur Vorbereitung des im Gesetzesentwurf vorgesehenen Datahubs.

Bei der ElCom führt die Vorlage gegenüber heute zu 300 zusätzlichen unbefristeten Stellenprozenten. Diese sind teilweise gegenfinanziert. Die Stellen werden ab 2024 benötigt für neue beziehungsweise erweiterte Vollzugsaufgaben in den Bereichen Marktöffnung, Energiereserve, Messwesen und Netzregulierung.

Die Anpassungen bei den Deklarationsvorschriften (Art. 44 EnG) haben keine personellen Auswirkungen auf den Bund.

6.2

Finanzielle Auswirkungen auf den Bund

Der Vollzug der mit dieser Vorlage neu eingeführten Auktionen für grosse Photovoltaikanlagen sowie der Projektierungsbeiträge ist für das BFE mit Kosten von jährlich 550 000 Franken verbunden. Diese werden mit Mitteln aus dem Netzzuschlagsfonds gedeckt.

Um zu garantieren, dass die durch den Vollzug der Fördermassnahmen gemäss EnG und CO2-Gesetz ausgelösten Geothermieprojekte so sicher wie möglich durchgeführt werden, wird der Bund gestützt auf Artikel 51 des Umweltschutzgesetzes vom 7. Oktober 198373 Kontroll- und Überwachungseinrichtungen für das Monitoring insbesondere der Erdbebenrisiken durch den schweizerischen Erdbebendienst sowie durch die Kantone fördern. Der Bundeshaushalt wird dadurch mit jährlich 800 000 Franken belastet.

Die Anpassungen bei den Deklarationsvorschriften (Art. 44 EnG) haben keine finanziellen Auswirkungen auf den Bund.

73

SR 814.01

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6.3

Auswirkungen auf den Netzzuschlagsfonds und weitere Auswirkungen

Die Kosten für die neuen Investitionsbeiträge für Windenergieanlagen, Kleinwasserkraftwerke, Biomasseanlagen und Geothermiekraftwerke, für die Auktionen für Photovoltaikanlagen, die Erhöhung der Fördermittel für die Grosswasserkraft sowie die Projektierungsbeiträge betragen rund 215 Millionen Franken pro Jahr. Weiter wird mit einem Bedarf von 40 Millionen Franken pro Jahr für die Finanzierung des Bestandsschutzes bei der Höhe der Abnahmevergütung für Betreiber von Photovoltaikanlagen während 10 Jahren ab Strommarktöffnung gerechnet.

Zusätzlicher Förderbedarf

Mio. Fr./Jahr

Auktionen Photovoltaikanlagen

65

Investitionsbeiträge Grosswasserkraftwerke

55

Investitionsbeiträge Biomasseanlagen

30

Investitionsbeiträge Kleinwasserkraftwerke

30

Projektierungsbeiträge

20

Investitionsbeiträge Windkraftwerke

15

Bestandsschutz Photovoltaikanlagen

40

Total

255

Tabelle 1: Voraussichtliche Aufteilung der zusätzlichen Fördermittel auf die verschiedenen Technologien.

Die Finanzierung der angepassten Förderinstrumente erfolgt durch den Netzzuschlag, der beim Maximum von 2,3 Rp./kWh (rund 1,3 Milliarden Franken pro Jahr) belassen wird. Obwohl einzelne Förderinstrumente wie die Marktprämie für die bestehende Grosswasserkraft wegfallen, sind die Fördermittel für die Zielerreichung knapp bemessen. Allerdings könnten die neuen Ausbauziele auch dank privater Initiativen und Innovationen voraussichtlich trotzdem erreicht werden. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist weiter, dass deutlich höhere CO2-Preise in Europa zu höheren Strompreisen auch in der Schweiz führen werden.

Die Verschiebung des Auslaufens der Förderinstrumente von 2030 auf 2035 führt dazu, dass der Netzzuschlag weitere fünf Jahre im heutigen Umfang bei den Stromendverbrauchern erhoben wird. Die Kosten für die Finanzierung der Fortführung der Förderung nach 2030 belaufen sich schätzungsweise auf rund 500 bis 550 Millionen Franken pro Jahr.

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Abbildung 4: Entwicklung des Netzzuschlagsfonds. Die zugrundeliegenden Annahmen basieren auf einem mittleren, aus heutiger Sicht wahrscheinlichem Szenario, der heute gültigen Planung und dem Inkrafttreten der vorliegenden EnG-Revision per 2023. Änderungen der Rahmenbedingungen, der Annahmen oder der Förderbeiträge können erhebliche Abweichungen ergeben.

Innovationseffekte wurden bei den Einmalvergütungen für Kleinanlagen bereits einberechnet.

Im Falle einer sehr hohen Nachfrage kann der Förderbedarf durch Kontingente oder die Senkung der Fördersätze gesteuert werden. Bei ungeplanten und nicht beeinflussbaren Entwicklungen der Rahmenbedingungen könnten trotzdem Liquiditätsengpässe entstehen. Der Bund kann in einem solchen Fall dem Netzzuschlagsfonds gegenüber in Vorschuss treten.

Weitere Auswirkungen Für den Ausbau der Speicherproduktion von rund 2 TWh Winterstrom werden insgesamt 900 Millionen bis 1,3 Milliarden Franken benötigt. Dafür wird der in Artikel 9 Absatz 4 StromVG zur Vorbeugung gegen mögliche Versorgungssicherheitsdefizite bereits angelegte Zuschlag auf das Übertragungsnetz genutzt. Die dadurch entstehen-

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den Zusatzkosten für die Stromkonsumentinnen und -konsumenten müssen im Verhältnis zu den potenziell sehr hohen Kosten im Falle einer lang andauernden Strommangellage betrachtet werden.74

6.4

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Die vorgeschlagenen Massnahmen haben keine wesentlichen direkten Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden beziehungsweise auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete.

Indirekt profitieren Kantone und Gemeinden als Eigentümer von Unternehmen, welche Förderbeiträge erhalten. Regionen, in welche aufgrund der Förderung Investitionen in Stromerzeugungskapazitäten fliessen, profitieren von den damit verbundenen Auswirkungen auf Beschäftigung und Abgaben an die Gemeinwesen. Dazu gehören insbesondere auch die Berggebiete.

Zudem sind Kantone und Gemeinden als Eigentümer indirekt von den Auswirkungen auf die Netzbetreiber betroffen, vor allem insofern sich der zukünftige Ertragswert der von der Marktöffnung betroffenen Unternehmen, die in ihrem Eigentum sind, verändern kann. Der zukünftige Ertragswert ist vor allem davon abhängig, wie sich diese Unternehmen im Wettbewerb behaupten werden.

6.5

Auswirkungen auf Endverbraucherinnen und Endverbraucher (im Speziellen Haushalte und Grossverbraucher)

Nachfolgend werden die wichtigsten Auswirkungen der Vorlage auf die Endverbraucherinnen und Endverbraucher dargelegt.

Übergeordnet profitieren Endverbraucherinnen und Endverbraucher durch diese Vorlage von einer Stärkung der Stromversorgungssicherheit. Dies ist, insbesondere durch die zunehmende Elektrifizierung, sowohl für kleine als auch grosse Endverbraucherinnen und Endverbraucher von grosser Bedeutung. Zur Finanzierung der notwendigen Massnahmen zum Ausbau der inländischen Stromproduktion im Winter wird ein «Winterzuschlag» von maximal 0,2 Rp./kWh erhoben. Diesen haben alle Endverbraucherinnen und Endverbraucher zu entrichten.

Durch die vollständige Strommarktöffnung erhalten sämtliche Endverbraucherinnen und Endverbraucher Zugang zum Strommarkt. Sie können diese Möglichkeit einerseits nutzen, um selber produzierten Strom, z. B. von einer Photovoltaikanlage auf dem eigenen Hausdach, direkt und auf einfache Weise an andere Endverbraucherinnen und Endverbraucher zu verkaufen. Andererseits bietet ihnen die Öffnung des 74

www.babs.admin.ch > Weitere Aufgabenfelder > Gefährdungen und Risiken > Nationale Risikoanalyse; Vgl. dazu den Bericht des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz vom November 2020 zur nationalen Risikoanalyse.

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Strommarktes die Möglichkeit, aus unterschiedlichen Angeboten von Stromprodukten auszuwählen oder Dienstleistungen, die mit dem Stromprodukt verwandt sind, in Anspruch zu nehmen. Denkbare Dienstleistungen sind sehr vielfältig und umfassen beispielsweise die Kombination eines Stromprodukts mit einer Ladelösung im Bereich der Elektromobilität oder der Optimierung des Verbrauchs von Einrichtungen der Endverbraucherinnen und Endverbraucher. Durch die Strommarktöffnung erhalten Endverbraucherinnen und Endverbraucher effektiv den Zugang zu sämtlichen in der Schweiz angebotenen Dienstleistungen und sind nicht länger abhängig vom Angebot eines lokalen Energieversorgers. Dadurch profitieren Endverbraucherinnen und Endverbraucher direkt von der Innovationskraft in diesem Sektor. Gleichzeitig bleibt für diejenigen Endverbraucherinnen und Endverbraucher, welche keine Dienstleistungen in Anspruch nehmen wollen, eine regulierte Grundversorgung bestehen, in der sie, ausser sie wünschen es anders, erneuerbaren, inländischen Strom geliefert erhalten. Die Vorlage regelt wichtige Eckpunkte der Umsetzung der Strommarktöffnung und berücksichtigt dabei explizit die Anliegen der Konsumentinnen und Konsumenten. So wird beispielsweise die Transparenz über Produkte gewährleistet und die Kundeninformation verbessert.

Für Endverbraucherinnen und Endverbraucher, welche eigene erneuerbare Produktionsanlagen betreiben möchten, beispielsweise eine Photovoltaikanlage auf ihrem Gebäude, bringt die Vorlage weitere Vorteile: mit der Verlängerung der Fördermassnahmen bis 2035 können sie für den Bau einer solchen Anlage grundsätzlich Investitionsbeiträge erhalten. Der heutige Netzzuschlag von maximal 2,3 Rp./kWh wird dazu nicht erhöht, jedoch entsprechend länger erhoben.

Grundsätzlich von Bedeutung für Endverbraucherinnen und Endverbraucher sind zudem diverse Massnahmen im Bereich der Stromnetzregulierung. Durch die Einführung einer Flexibilitätsregulierung werden Endverbraucherinnen und Endverbraucher explizit zu Inhaberinnen und Inhabern ihrer Flexibilität (beispielsweise die Flexibilität des Einsatzes ihrer Wärmepumpe). Endverbraucherinnen und Endverbraucher können ihre Flexibilitäten durch die vorgesehene Regelung entweder selbstbestimmt nutzen oder sie gegen eine Vergütung dem Verteilnetzbetreiber beziehungsweise einem Dritten
zur Verfügung stellen. Bisher haben sie diese Rechte nicht. Durch die Anpassung bei der Netznutzungstarifierung profitieren Endverbraucherinnen und Endverbraucher langfristig grundsätzlich von einer kosteneffizienten Netzinfrastruktur. Durch das Wahlrecht beim Messwesen erhalten Endverbraucherinnen und Endverbraucher die Möglichkeit, neue Dienstleistungen direkt in Anspruch zu nehmen, um somit etwa Massnahmen im Bereich der Energieeffizienz oder der Optimierung des Eigenverbrauchs einfach umsetzen zu können. Durch die Einführung eines nationalen Datahubs profitieren Endverbraucherinnen und Endverbraucher von einem effizienten und sicheren Austausch von Daten und Informationen. Durch die öffentlich zugänglichen Vergleiche der sogenannten Sunshine-Regulierung erhalten Endverbraucherinnen und Endverbraucher transparente Informationen, insbesondere über Kosten und Tarife sowie die Qualität der Versorgung in ihrem Gebiet.

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6.6

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Finanzierung des angepassten Förderregimes im EnG sichert die Umsetzung der Ziele der Energiestrategie 2050 und trägt zur Umsetzung des Netto-Null-Klimaziels bei. Dies kann im Rahmen des heute bestehenden Netzzuschlags erfolgen, der nicht erhöht wird. Die Stromkonsumentinnen und -konsumenten werden damit nicht stärker belastet als heute, jedoch etwas länger. Durch die zeitliche Verlängerung des Förderregimes verschiebt sich die Absenkung des Netzzuschlags um fünf Jahre auf das Jahr 2035.

Die Absicherung der Versorgung speziell im Winter wird durch die Förderung des Ausbaus der Speicherproduktion von rund 2 TWh Winterstrom erreicht. Zu deren Finanzierung bedarf es eines Zuschlags auf das Übertragungsnetz im Umfang von maximal 0,2 Rp./kWh. Im Unterschied zum Netzzuschlagsfonds im EnG ist keine Rückerstattung für stromintensive Unternehmen vorgesehen, weil die Versorgungsicherheit für alle ein wichtiges Gut ist. Die Kosten werden somit auf alle Endverbraucher überwälzt.

Die Anpassungen im EnG und StromVG werden neben deutlich verbesserten Rahmenbedingungen zur Stärkung der Schweizer Versorgungssicherheit und Erreichung der Ausbauziele der Energiestrategie 2050 Innovationen und technischem Fortschritt im Bereich der erneuerbaren Energien auslösen. So unterstützt die im StromVG angelegte vollständige Marktöffnung ­ neben der wirtschaftlich wichtigen Freiheit bei der Lieferantenwahl für alle Endkonsumentinnen und Endkonsumenten ­ Innovationen, welche die Umsetzung der Energiestrategie 2050 unterstützen. Eine verursachungsgerechtere Netztarifierung führt zu einer höheren Kostengerechtigkeit und kann langfristig den Netzausbau optimieren. Zudem wird es durch eine umfangreichere (netz- und marktdienliche) Nutzung von Flexibilitäten eine tendenzielle Reduktion des konventionellen Netzausbaus geben. Die Sunshine-Regulierung soll verbesserte Effizienzanreize im Netzmonopol setzen. Gesamtwirtschaftlich sinnvoll begrenzte Wahlfreiheiten im Messwesen führen zu neuen Produktinnovationen an der Schnittstelle zwischen Markt und Netz und fördern neue Energiedienstleistungen.

6.6.1

Abschätzung der Auswirkungen im Zusammenhang mit der Erreichung eines Netto-Null-Ziels

Im Rahmen der Energieperspektiven 2050+ hat das BFE eine Studie zur Berechnung der volkswirtschaftlichen Auswirkungen (Bruttoinlandsprodukt, Wohlfahrt, Beschäftigung, Aussenhandel usw.) der Erreichung des Netto-Null-Ziels in Auftrag gegeben.

Mittels Einsatz eines dynamischen berechenbaren Gleichgewichtsmodells sollen die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer klimaneutralen Schweiz (Netto-Null) gegenüber einem «Weiter wie bisher»-Szenario analysiert werden. Dabei werden unterschiedliche Szenarien von Politikmassnahmen im internationalen Kontext betrachtet.

Zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Botschaft ist die Studie noch in Erarbeitung.

Der Schlussbericht ist für Ende 2021 vorgesehen und wird veröffentlicht. Die parlamentarischen Kommissionen werden zeitnah über die Publikation informiert.

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6.6.2

Abschätzungen zu den wirtschaftlich bedeutsamsten Massnahmen

Förderregime Durch die Fortführung der Förderinstrumente bei Technologien, die sonst ab 2023 nicht mehr gefördert würden, werden ab Inkrafttreten der Vorlage bis 2030 im Vergleich zum aktuellen EnG jährlich rund 215 Millionen Franken mehr bei Stromkonsumentinnen und -konsumenten erhoben werden. Weitere rund 40 Millionen Franken pro Jahr während 10 Jahren werden für den Bestandsschutz bei der Höhe der Abnahmevergütung bei Photovoltaikanlagen eingesetzt. Aufgrund der zeitlichen Verlängerung des Förderregimes verschiebt sich die Absenkung des Netzzuschlags um fünf Jahre auf das Jahr 2035 und somit auch die Entlastung der Stromkonsumentinnen und -konsumenten um jährlich 500 bis 550 Millionen Franken. Dank der deutlichen Steigerung des Zubaus könnten dagegen insbesondere im Bereich der Photovoltaik zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Vor allem Innovationen und Weiterentwicklungen des Schweizer Gebäudeparks als Stromproduktionsstätten sind zu erwarten.

Ausbau der Speicherproduktion im Winter Für die Förderung des Ausbaus der Speicherproduktion werden insgesamt 900 Millionen bis 1,3 Milliarden Franken benötigt. Dies ergibt eine zusätzliche Belastung der Stromkonsumentinnen und -konsumenten während einer Zeit von neun bis dreizehn Jahren von jährlich rund 120 Millionen Franken. Der Bundesrat legt den Zuschlag auf das Übertragungsnetz bedarfsgerecht fest. Der Ausbau löst insbesondere Investitionen im Bereich der Wasserkraft aus und führt vor Ort zu einer relativ hohen regionalen Wertschöpfung.

Vollständige Strommarktöffnung Die mit einer vollständigen Marktöffnung verbundenen Wahlmöglichkeiten für alle Endkunden führen zu einer besseren Kundenzentrierung der Netzbetreiber. Finanzielle Vorteile dürften sich dabei insbesondere für grössere KMU eröffnen, die sich bislang noch im Teilmonopol befinden.

Volkswirtschaftlich gesehen sind die folgenden Effekte zu erwarten: ­

Positive dynamische Effekte innerhalb der Strombranche: Es werden sich neue kundenspezifischere Angebote herausbilden, und der Effizienzdruck in der Beschaffung wird steigen (beispielsweise über eine erweiterte gemeinsame Beschaffung).

­

Reduktion regionaler Preisdifferenzen: Die heutigen Differenzen bei den Energiepreisen in der Grundversorgung werden sich bei einem einsetzenden Wettbewerb verringern.

­

Einsparmöglichkeiten bei den Endverbrauchern: Bei möglichen Strompreissenkungen profitieren die KMU und die Haushalte sowie die Grosskunden, die bislang in der Grundversorgung verblieben sind.

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Neben diesen grundlegenden Effizienzanreizen schafft eine vollständige Marktöffnung ein viel breiteres Feld für Produkt- und Prozessinnovationen, die sich bislang im Rahmen der Teilmarktöffnung nicht etablieren können. Dies beruht darauf, dass nur in einem vollständig geöffneten Markt ein umfassender Anreiz besteht, neue und innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln, speziell auch für eine kostengünstige Verbreitung der Nutzung erneuerbarer Energien. Dies zeigt der Blick ins Ausland: Viele neue Geschäftsmodelle für erneuerbare Energien oder Energieeffizienz sind heute in der Schweiz nicht möglich. Die zu erwartenden Innovationen, wie auch das rein erneuerbare inländische Standardprodukt in der Grundversorgung, stützen die Umsetzung der Energiestrategie 2050.

Hinsichtlich der Innovationseffekte zeigt eine Untersuchung der Geschäftsmodelle für erneuerbare Energien in den Nachbarländern, dass der Markt für erneuerbare Energien grundsätzlich von der Möglichkeit des direkten Verkaufs an die Endverbraucher und einer flexibleren Preisgestaltung profitiert.75 Geschäftsmodelle, die auf einem Strombezug von anderen Anbietern als dem Grundversorger beruhen, können derzeit in der Schweiz nicht umgesetzt werden. In den geöffneten Strommärkten sind die neuen aber auch die etablierten Akteure gefordert, sich stärker um die Bedürfnisse der Endkunden zu kümmern. Dies eröffnet neben preislichen Effekten verbesserte Chancen für Geschäftsmodelle, die zu einer schnelleren Verbreitung und Marktintegration erneuerbarer Energien beitragen. Neben den etablierten Unternehmen können sich im erweiterten Markt Bürgergemeinschaften (wie auch Privatpersonen), KMU, Handels-, Transport- und Dienstleistungsunternehmen engagieren, erneuerbare Energien zu produzieren und kundennah zu vermitteln. Die vollständige Marktöffnung schafft neue Beteiligungsmodelle, sodass beispielsweise auch Mieter ihren eigenen Strom in der Region selber erzeugen und verbrauchen können. Auch die Elektromobilität wird von neuen Produktangeboten im erweiterten Markt profitieren und sich besser ausbreiten können. Ebenso werden zusätzliche Flexibilitätspotenziale in der Produktion und im Verbrauch besser genutzt werden. Diese Potenziale können langfristig auch die verstärkte Nutzung der Sektorkopplung unterstützen.

In der Grundversorgung wird ein inländisches
erneuerbares Standardprodukt definiert, welches die Umsetzung der Energiestrategie 2050 stützt. Diese Ausgestaltung kann neben dem tendenziell preissenkenden Effekt einer Marktöffnung zu möglichen Zusatzkosten für die Endverbraucher der Grundversorgung führen. Solche dürften aber begrenzt sein, da die derzeitige Regelung (unter Anwendung des vom Parlament im Rahmen der Strategie Stromnetze beschlossenen Art. 6 Abs. 5bis StromVG) bereits dazu führt, dass erneuerbarer Strom verstärkt in der Grundversorgung verkauft wird.

75

www.bfe.admin.ch > Versorgung > Stromversorgung > Stromversorgungsgesetz > Revision StromVG; Vgl. Reinschauer & Hampl (2018): Analyse von Geschäftsmodellinnovationen für erneuerbare Energien in liberalisierten Märkten. Institut für Strategisches Management, Wirtschaftsuniversität Wien.

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Energiereserve Die Kosten einer Energiereserve liegen im tiefen zweistelligen Millionen-Bereich (Grössenordnung 15 bis 30 Millionen Franken) pro Jahr.76 Diese Kosten werden über das Netznutzungsentgelt im Übertragungsnetz refinanziert, was einer Erhöhung der Netznutzungstarife um 0,025 bis 0,05 Rp./kWh entspricht. Bei der Dimensionierung wird eine Vorhaltung allein von Energie angestrebt. Gegenüber einer zusätzlichen Vorhaltung von Leistung weist dies erheblich geringere Kosten sowie einen deutlich geringeren Einfluss auf den Systemdienstleistungsmarkt auf.

Netztarifierung Die Anpassungen bei der Tarifierung berücksichtigen, dass die strukturellen Eigenschaften des Netzes und die (Spitzen-)Last wesentliche Treiber für die Netzdimensionierung und somit der Netzkosten sind, die vermehrt zu berücksichtigen ist. Dies betrifft aufgrund des Ausspeiseprinzips zunächst die Endverbraucherperspektive, das heisst die Tarifierung auf der Netzebene 7. Kostengerechtere Netznutzungsentgelte stellen sicher, dass der Auslöser von Kosten für diese aufkommt und somit im Gesamtsystem eine langfristig verbesserte Steuerungswirkung erreicht wird. Sie können in der mittleren bis längeren Frist den Netzausbaubedarf reduzieren und tragen damit zur Verringerung der Netzkosten bei. Die vorgesehenen Anpassungen führen zu einer verbesserten Verursachergerechtigkeit und sind zugleich kompatibel mit den Zielen der Energiestrategie 2050.

Sunshine-Regulierung Über die Einführung einer Sunshine-Regulierung werden graduelle Verbesserungen im bestehenden System der kostenbasierten Regulierung angestrebt, welche zu einer höheren Effizienz führen können. Die Zielerreichung hängt massgeblich von der Wirkung der veröffentlichten Indizes auf die Eigentümer der Verteilnetze ab (im Sinne der antizipierten Wirkung eines Reputationsverlustes). Erkenntnisse aus der Sunshine-Regulierung können von der ElCom zu vertieften Kostenprüfungen genutzt werden. Zudem wird durch eine regelmässige Evaluation der Netzkostenentwicklung unter der Sunshine-Regulierung ein ökonomisch sinnvoller Druck auf die Netzbetreiber aufgebaut, sich effizient zu verhalten. Wenn es zu keinen genügenden Effizienzverbesserungen kommt, unterbreitet der Bundesrat eine Vorlage zur Einführung einer Anreizregulierung. Kosteneffizientere Netzentgelte führen mittelfristig zu
relevant geringeren Belastungen bei allen Endverbrauchern, da diese Entgelte im Mittel gut die Hälfte der Stromkosten ausmachen.

Flexibilitäten Hauptziel der Regulierung der Flexibilitäten ist es, deren wirtschaftliches Potenzial, welches in der Schweiz erheblich ist77, besser und umfangreicher zu nutzen. Dazu 76

77

www.bfe.admin.ch > Versorgung > Stromversorgung > Stromversorgungsgesetz > Revision StromVG; Vgl. Frontier Economics und Consentec (2018): Ausgestaltung einer strategischen Reserve für den Strommarkt Schweiz.

www.gazenergie.ch; Vgl. Breig, O. et al. (2016): Multi-Client-Studie Endkundenflexibilität. Eine Empfehlung zur besseren Nutzung der Flexibilitätspotenziale bei den Schweizer Stromverbrauchern bis 2020, Zollikon.

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wird eine klar umrissene Inhaberschaft geschaffen, welche eine wirtschaftliche Nutzung der Flexibilitäten fördert. Durch die Abregel- und Steuerungsmöglichkeiten seitens der Netzbetreiber sowie den geforderten Einbezug der Flexibilitäten in die Netzplanung kann mittel- bis langfristig der Netzausbaubedarf reduziert werden. Zudem werden neue Geschäftsmodelle gefördert, was zu relevanten Innovationen führt und dazu beiträgt, dass sich die vorhandenen Last- und Verbrauchseinheiten effizienter abstimmen.

Das netzseitige Kostensenkungspotenzial aus der besseren Nutzung von Flexibilitäten wird bezüglich des Einspeisemanagements auf ca. 800 Millionen Franken (über zwanzig Jahre gerechnet) abzüglich Umsetzungskosten geschätzt78. Nicht darin enthalten sind die Kosten des Einspeisemanagements, also insbesondere die Kosten für Ersatzbeschaffungen und etwaige Entschädigungszahlungen der abgeregelten Energiemengen. Hinzu kommen die marktseitigen Potenziale durch neue Geschäftsmodelle.

Messwesen Aktuell bestehen Defizite durch überhöhte Tarife für die Lastgangmessung und die Qualität der Dienstleistung, dies insbesondere bei grösseren Eigenverbrauchern und bei Endverbrauchern, die über mehrere Verbrauchsstätten verfügen (Grossverteiler usw.). Erhöhte Messkosten können eine Marktzutrittsschranke sein und die Teilnahme am freien Strommarkt hemmen. Das teilweise gewährte Recht auf eine freie Wahl des Anbieters bei den dafür sensiblen Kundensegmenten schafft Anreize dafür, dass die bestehenden Anbieter im Bereich der Netzbetreiber, aber auch neue Dienstleister, die Messung zu attraktiven Preisen und zu verbesserter Qualität anbieten. Dies ermöglicht auch eine bessere Kontrolle der verbleibenden Angebote im Monopol. Durch eine geeignet dimensionierte Öffnung des Marktes im Messwesen wird grundsätzlich die Entwicklung für neue Energiedienstleistungen unterstützt, welche zu einer höheren Energieeffizienz führen.

Sowohl die Entwicklung der Flexibilitäten als auch die gesetzlichen Wahlrechte im Messwesen führen somit zu wirtschaftlichen Vorteilen. Durch die verbesserte Flexibilitätsnutzung können die Inhaber von Flexibilitäten zusätzliche Einkünfte erzielen beziehungsweise müssen geringere Netznutzungsentgelte zahlen und der Netzausbau kann langfristig effizienter erfolgen, was generelle Rückwirkungen auf die Netznutzungsentgelte für alle Endverbraucher hat. Die Wahlfreiheiten im Messwesen werden auch zu relevanten Kostensenkungen bei den betreffenden Messkunden führen.

6.6.3

Auswirkungen auf die Beschäftigung und Verteilungseffekte

Der stärkere Ausbau der Photovoltaik führt zu einer Erhöhung der Beschäftigung im Installations-, Dachdecker und Elektrikergewerbe. Aber auch die angestrebte Zunahme des Baus von Wasserkraft-, Biomasse-, Wind- und Geothermieanlagen führt 78

www.bfe.admin.ch > Versorgung > Stromversorgung > Stromversorgungsgesetz > Revision StromVG; Vgl. Infras (2017): Regulierungsfolgenabschätzung zur Revision Stromversorgungsgesetz (StromVG).

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zu einer erhöhten Wertschöpfung insbesondere in peripheren Gebieten. Der Effekt bei der Wasserkraft resultiert vor allem aus den Massnahmen zur Verbesserung der Stromversorgungssicherheit im Winter. Die Erhebung eines Zuschlags für die Unterstützung des Ausbaus der Winterproduktion führt zu einer gewissen Mehrbelastung bei den stromintensiven Branchen.

Im Weiteren sind aus heutiger Sicht keine grösseren Auswirkungen auf die Anzahl der Beschäftigten in der Strombranche zu erwarten. Der Bundesrat wird die Auswirkungen der Marktöffnung beobachten. Für den Fall, dass er dabei negative Folgen in Bezug auf die Arbeitsbedingungen im Stromsektor feststellt, kann er entsprechende Massnahmen in die Wege leiten. Allfällige strukturelle Anpassungen durch die volle Strommarktöffnung sollten durch eine vermehrte Arbeitsnachfrage aufgrund neuer Produkte und Dienstleistungen kompensiert werden.

Grössere Verteilungswirkungen sind aus den Massnahmen nicht zu erwarten. Auf kürzere Frist können vor allem die Auswirkungen der vollen Marktöffnung sowie der geplante Ausbau der Speicherproduktion im Winter relevant sein. Bei einer tendenziellen Strompreissenkung profitieren die Haushalte aufgrund geringerer Stromkosten.

In einer regionalen Betrachtung dürften vor allem Endverbraucher in Regionen mit einem derzeit hohen Preisniveau profitieren.

Die weiteren Massnahmen der Revision im Rahmen des StromVG wirken tendenziell eher mittel- bis langfristig.79

6.6.4

Auswirkungen auf die Branchen

Wirkungen innerhalb der Strombranche Die verbesserten Förderbedingungen und die Massnahmen zur Stärkung der Versorgungsicherheit im Winter führen zu verbesserten Investitionsbedingungen für die Strombranche. Bei den Massnahmen zur Stärkung der Versorgungsicherheit im Winter steht die Wasserkraft im Vordergrund. Wasserkraftprojekte führen zu einer relativ hohen regionalen Wertschöpfung, die aufgrund der Lage von neuen oder erweiterten Speicherseen vor allem im Gebirgsraum anfällt.

Bei der vollständigen Marktöffnung ist von einer Effizienzsteigerung in der Schweizer Strombranche auszugehen. Sie wird zu einer Entwicklung neuer Dienstleistungen führen und auch einen Einfluss auf die Preise haben. Hierüber wird sie eine Rückwirkung auf den Wettbewerb auf der Erzeugungsebene haben. Insofern erhalten die Marktrisiken ­ neben den mit einer Marktöffnung generell verbundenen wirtschaftlichen Chancen ­ eine wichtigere Rolle. Das ist dann von Bedeutung, wenn die eigenen Kraftwerke nicht zu marktfähigen Preisen produzieren können. Dieser Effekt wird dadurch gemindert, dass die Endverbraucher in der Grundversorgung ein Standardprodukt angeboten bekommen, über das sie entscheiden können, ob sie ein Angebot

79

www.bfe.admin.ch > Versorgung > Stromversorgung > Stromversorgungsgesetz > Revision StromVG; Vgl. Infras (2017): Regulierungsfolgenabschätzung zur Revision Stromversorgungsgesetz (StromVG).

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aus erneuerbaren Energien aus der Schweiz stützen wollen. Alle Schweizer Produzenten, insbesondere diejenigen mit Schweizer Wasserkraftwerken, profitieren hiervon, indem die Herkunftsnachweise an Wert gewinnen.

Eine höhere Kostengerechtigkeit auf Netzebene 7 stärkt grundsätzlich die langfristige Wirtschaftlichkeit im Netzausbau. Die vorgesehene Regulierung bei den Flexibilitäten und die (zusätzlich) gesetzlich abgesicherte Erweiterung des Systemdienstleistungsmarktes fördern den Wettbewerb und können zu neuen Marktteilnehmern führen. Längerfristig ist aus der neuen Flexibilitätsregulierung ein erhebliches Innovationspotenzial zu erwarten, vor allem, wenn bei der Einführung von Smart-Metern auch kleinere Endverbraucher mit ihrem Nutzungsverhalten besser in den Markt integriert werden.

Auch im Messwesen können in Konkurrenz zu den etablierten Anbietern neue Konkurrenten auf den Markt treten. Diese sind erfolgreich, wenn sie wirtschaftlichere Angebote unterbreiten. Durch den teilweise geöffneten Markt im Bereich des Messwesens bleiben die Folgekosten der Marktöffnung auf die Netzbetreiber begrenzt, vor allem da heute schon Fremdbeauftragungen erfolgen.

Wirkung auf andere Branchen Andere Branchen werden vor allem durch eine vollständige Marktöffnung beeinflusst.

Alle gewerblichen und industriellen Endverbraucher erlangen im Vergleich zu ihren europäischen Konkurrenten gleich lange Spiesse bei der Strombeschaffung. Die dynamischen innovationsfördernden Wirkungen einer Strommarktöffnung und längerfristig auch der Flexibilitätsregulierung können Spillover-Effekte (Übertragungseffekte) auf die Gesamtwirtschaft haben. Der Zuschlag auf die Kosten des Übertragungsnetzes für die Erreichung des Winterstromziels (0,2 Rp./kWh) führt vor allem zu Mehrkosten bei den energieintensiven Branchen. Diese Branchen profitieren direkt von einer Stärkung der Versorgungssicherheit im Winter, allerdings sind Unternehmen mit besonders hoher Stromintensität (beispielsweise solche, die im Recycling von Metallschrott tätig sind) finanziell besonders betroffen.

Durch eine Anpassung der Energieetikette von Personenwagen, serienmässig hergestellten Anlagen und Geräten entstünden für die Branchenakteure keine zusätzlichen Kosten im Vergleich zum Status Quo. Sonstige Zusatzkosten aufgrund anderer Massnahmen für die Branche würden bei einer Revision der EnEV ausgewiesen.

6.7

Auswirkungen auf die Gesellschaft und Umwelt

Es ist davon auszugehen, dass künftig vermehrt Öl- und Gasheizungen durch Wärmepumpensysteme ersetzt werden. Auch bei der Mobilität weichen die Verbrennungsmotoren zunehmend effizienteren elektrischen Antrieben. Die Elektrifizierung in Verkehr und Gebäuden senkt die energiebedingten CO2-Emissionen. Durch den Ausbau der Stromerzeugung mittels erneuerbarer Energien wird die Erzeugung der dafür notwendigen Elektrizität nicht selbst zusätzliche CO2-Emissionen verursachen. Die Gesetzesrevision unterstützt die Dekarbonisierung und damit massgeblich die Errei-

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chung der klimapolitischen Ziele der Schweiz. Der notwendige Ausbau der Grosswasserkraftwerke und Windenergieanlagen hat jedoch auch Auswirkungen auf Natur und Umwelt und kann das Landschaftsbild beeinträchtigen.

Eine vollständige Marktöffnung führt grundsätzlich zu einem dynamischeren Umfeld in der Schweizer Energiewirtschaft, aus der sich Chancen wie auch neue Herausforderungen für die Beschäftigten in der Branche ergeben. Diese können vor allem von der Dynamik neuer Marktideen profitieren. Die Innovationen aus der Strommarktöffnung tragen zu einer besseren gesellschaftlichen Integration der erneuerbaren Energien bei.

Bezüglich der netzwirksamen Massnahmen ist festzustellen, dass ein mittelbar gestützter intelligenter Ausbau der Stromnetze den Raum und die Umwelt entlastet, wenn ein konventioneller Netzausbau teils entfällt. Grundsätzlich sind die Innovationspotenziale positiv zu sehen, da sie zu einer ressourcensparenden modernen Energieversorgung beitragen können.

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

7.1.1

Rechtsgrundlagen

Die für das StromVG vorgesehenen Änderungen stützen sich primär auf Artikel 91 Absatz 1 BV. Diese Bestimmung verleiht dem Bund für Vorschriften über den Transport und die Lieferung elektrischer Energie eine umfassende Gesetzgebungskompetenz, welche insbesondere auch Marktregulierungen umfasst.80 Die im EnG vorgesehenen Änderungen stützen sich in erster Linie auf den Artikel zur Energiepolitik (Art. 89 BV). Daneben dienen hierfür auch die Artikel zu Umweltschutz und Wasser als Grundlage (Art. 74 und 76 BV)81.

7.1.2

Vereinbarkeit mit Grundrechten

Die Vorlage wahrt die verfassungsmässigen Grundrechte, insbesondere die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) und die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV). Sie enthält keine Vorschriften, die sich gegen den Wettbewerb richten, wie dies etwa bei wirtschaftspolitischen oder standespolitischen Massnahmen der Fall ist. Die im StromVG vorgesehenen Änderungen stehen vielmehr im Interesse der freien Gestaltung der 80

81

René Schaffhauser in: Ehrenzeller et al., St. Galler Kommentar zur Schweizerischen Bundesverfassung (2014), Rz. 3 zu Art. 91. Zum Zweck von Art. 91 BV; vgl. Botschaft über eine neue Bundesverfassung vom 20. November 1996, BBl 1997 I 1, 269 und 270; vgl. auch Gutachten des Bundesamtes für Justiz vom 23. Oktober 1996 betreffend die verfassungsmässigen Kompetenzen des Bundes im Bereich der Elektrizitätswirtschaft (mit weiteren Literaturhinweisen).

Vgl. dazu die entsprechenden Ausführungen in der Botschaft vom 4. September 2013 zum ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050, BBl 2013 7561, hier 7740­7742.

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Geschäftsbeziehungen, so namentlich die vollständige Strommarktöffnung, die gesetzlichen Wahlrechte im Messwesen und die Regelung zur Nutzung der netzdienlichen Flexibilitäten. Die Energiereserve spielt sich ausserhalb des Marktgeschehens ab. Wer daran teilnimmt, bestimmt sich durch ein wettbewerbliches Verfahren. Auch die Änderungen im EnG sind wettbewerbsneutral. Insbesondere ist sichergestellt, dass eine Energieproduktion durch Verwaltungseinheiten des Bundes die Marktpreise nicht verzerrt (Art. 18a EnG).

Hinsichtlich der Eigentumsgarantie wie auch der Wirtschaftsfreiheit ist von Bedeutung, dass es gestützt auf Artikel 18a StromVG in Ausnahmefällen zu einer Suspendierung der Stimmrechte der nicht schweizerisch beherrschten Aktionäre der Swissgrid kommen kann. Diesbezüglich sind die Eingriffsvoraussetzungen erfüllt (Art. 36 BV). Der vorgesehene Mechanismus ist zur Sicherstellung der gewollten nationalen Beherrschung der Gesellschaft (Art. 18 Abs. 3 StromVG) notwendig. Zudem fällt der Eingriff milder aus als bei möglichen Alternativen.

Auch die Rechtsgleichheit bleibt vorliegend gewahrt. Die vorgenommenen Differenzierungen sind alle sachlich begründet. Dies gilt insbesondere für die Ausgestaltung der Marktöffnung. Dass die Grundversorgung in Zukunft nur mehr den kleineren Endverbrauchern (Jahresverbrauch von weniger als 100 MWh) offensteht, begründet sich mit dem erhöhten Schutzbedarf, insbesondere der Haushaltskunden, und entspricht im Übrigen auch den Vorgaben des EU-Rechts.

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Elektrizität gilt im Welthandelsrecht als gewöhnliche Handelsware. Die Prinzipien des Abkommens vom 15. April 199482 zur Errichtung der Welthandelsorganisation beziehungsweise des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens vom 30. Oktober 194783 (GATT) finden somit auch auf den Stromhandel Anwendung. Aufgaben mit Dienstleistungscharakter unterstehen dem Allgemeinen Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen84. Der Umgang mit staatlichen Beihilfen wiederum richtet sich nach dem Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmassnahmen 85 (SCM) und die Einführung von technischen Vorschriften und Standards unterliegen den Bestimmung des Übereinkommens über technische Handelshemmnisse86 (TBT).

Im Verhältnis zur EU sowie zu den EFTA-Staaten sind überdies das Abkommen vom 22. Juli 197287 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beziehungsweise das Übereinkommen vom 4. Januar 196088 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) zu beachten.

82 83 84 85 86 87 88

SR 0.632.20 SR 0.632.21 SR 0.632.20, Anhang 1B.

SR 0.632.20, Anhang 1A.13.

SR 0.632.20, Anhang 1A.6.

SR 0.632.401 SR 0.632.31

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Der vorliegende Entwurf trägt diesen internationalen Verpflichtungen Rechnung. Im Sinne des internationalen Handelsrechts steht insbesondere die vollständige Strommarktöffnung. Mit der vom lokalen Verteilnetzbetreiber vorzunehmenden Grundversorgung, deren Standardprodukt aus ausschliesslich inländischer erneuerbarer Energie besteht (Art. 6 Abs. 2 StromVG), bleibt nur ein geringfügiger Markteingriff bestehen. Die im Energiegesetz (weiterhin) vorgesehenen Investitionsbeiträge für Photovoltaik-, Wasserkraft-, Biomasse-, Windenergie- und Geothermieanlagen sowie die Finanzierung der Energiereserve für kritische Versorgungssituationen (Art. 8a StromVG) und die Förderung des Kraftwerkszubaus für die Winterproduktion (Art. 9bis StromVG) sind als Subventionen im Sinne des SCM zu betrachten. Negative Auswirkungen auf den internationalen Handel gehen davon indes keine aus, zumal diese Instrumente auch ausländischen Investoren offenstehen. Die Vorgabe, wonach das Standardstromprodukt in der Grundversorgung aus ausschliesslich inländischer erneuerbarer Energie besteht (Art. 6 Abs. 2 StromVG), könnte von den Handelspartnern der Schweiz als Verletzung des Gebots der Inländergleichbehandlung (Art. III:4 oder Art. III:5 GATT) angesehen werden. Das Standardstromprodukt steht indes im Dienste der Versorgungssicherheit und der Förderung der erneuerbaren Energien ­ beides Handlungsziele, die auch im internationalen Handelsrecht berücksichtigt sind.

7.3

Erlassform

Die Vorlage beinhaltet wichtige rechtsetzende Bestimmungen, die nach Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind. Die Revision des StromVG und des EnG erfolgen demzufolge im normalen Gesetzgebungsverfahren.

7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV bedürfen Subventionsbestimmungen sowie Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder jedes der beiden Räte. Dies betrifft bei der EnG-Revision die Massnahmen der Artikel 26 Absatz 2, 27a und 27b (neue Subventionsbestimmungen), der Artikel 25­27, 32 Absatz 2, 33 sowie 36 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer 2 und Buchstabe b (erweiterte Subventionsbestimmungen) und der Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe b (verlängerte Subventionsbestimmungen). Sie sind daher der Ausgabenbremse gemäss Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV zu unterstellen.

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7.5

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Nach Artikel 5 SuG muss der Bundesrat die vom Bund gewährten Finanzhilfen und Abgeltungen periodisch prüfen. In seinem Subventionsbericht von 200889 hat der Bundesrat den Grundsatz aufgestellt, dass er Subventionen, deren Rechtsgrundlage innerhalb des Prüfzeitraums neu geschaffen oder revidiert wird, im Rahmen der dazugehörigen Botschaft systematisch überprüft. Dies erfolgt mit der vorliegenden Botschaft. Dabei wurde geprüft, ob Finanzhilfen und Abgeltungen durch ein Bundesinteresse hinreichend begründet sind, ob sie ihren Zweck auf wirtschaftliche und wirkungsvolle Art erreichen und ob sie einheitlich und gerecht geleistet werden. Zudem ist zu prüfen, ob die Finanzhilfen und Abgeltungen in ihrer Ausgestaltung den finanzpolitischen Erfordernissen Rechnung tragen und ob sie einer sinnvollen Aufgabenund Lastenverteilung zwischen Bund und Kantonen entsprechen.

Was das StromVG anbelangt, sind in diesem Zusammenhang die Vorkehrungen zur Stärkung der Versorgungssicherheit zu erwähnen, die mit einem Zuschlag von maximal 0,2 Rp./kWh auf den Übertragungsnetzkosten sollen finanziert werden können.

Im Übrigen sind keine Finanzhilfen oder Abgeltungen im Sinne des SuG vorgesehen.

Etwas anderes gilt für die Änderungen des EnG. Diese sehen Subventionen in Form von Investitionsbeiträgen für Photovoltaik-Neuanlagen (Einmalvergütungen) sowie für Wasserkraft-, Biomasse-, Windenergie- und für Geothermieanlagen vor. Zu erwähnen ist ferner der Bestandesschutz, der den Betreibern von Photovoltaikanlagen im Rahmen der Änderungen bei der Abnahme- und Vergütungspflicht vorübergehend gewährt wird (Art. 75b EnG).

Bedeutung der Finanzhilfen für die Erreichung der angestrebten Ziele Der Bundesrat hat sich in der Botschaft vom 4. September 201390 zum ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 Ziele zum Ausbau der Elektrizität aus erneuerbaren Energien bis 2020 beziehungsweise 2035 sowie weitere Ziele bis 2050 gesetzt. Die kurzfristigen Richtwerte bis 2020 können voraussichtlich erreicht werden.

Um die längerfristigen Ziele bis 2035 zu erreichen ist ein verstärkter Ausbau der Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien nötig.

Aufgrund der anhaltend tiefen Strompreise und der mit dem Bau neuer Energieerzeugungsanlagen verbundenen Hindernisse sind Finanzierungsanreize weiterhin unumgänglich.

Daher werden die
meisten bisherigen Investitionsbeiträge zeitlich verlängert. Die neu vorgesehenen Investitionsbeiträge treten bei allen Technologien vollständig an die Stelle des vorher geltenden Modells der Einspeisevergütung. Die Anlagenbetreiber erhalten weniger Subventionen im Vergleich zum Einspeisevergütungssystem und müssen je nach Technologie selber mindestens 40 Prozent der Investitionskosten als Eigenleistung erbringen.

89 90

BBl 2008 6229 BBl 2013 7561, hier 7593.

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Materielle und finanzielle Steuerung einer Subvention sowie Verfahren der Beitragsgewährung Die Beitragsgewährung erfolgt in einem schlanken Verfahren. Die Gesuchsteller erhalten einen gewissen Beitrag zu ihren Investitionskosten. Dafür müssen neu nur noch die Investitionskosten überprüft werden und es erfolgt keine detaillierte Berechnung der nicht amortisierbaren Kosten mehr. Der Bundesrat wird bei der Festlegung der Ansätze jeweils prüfen, dass es zu keiner Übervergütung kommt. Die Wirkungen der Subventionen werden gestützt auf Artikel 55 EnG regelmässig evaluiert.

Befristung der Finanzhilfen Die Mittel, die jährlich für Geothermie- (Investitionsbeiträge und Garantien), Grosswasserkraft- und Photovoltaikanlagen (Investitionsbeiträge) eingesetzt werden können, sind begrenzt (vgl. Art. 36 Abs. 1 Bst. a Ziff. 2 und Bst. b und Abs. 3 EnG). Zudem ist eine Kontingentierung durch den Bundesrat bei Bedarf für die anderen Technologien möglich (vgl. Art. 36 Abs. 3 Satz 2 EnG). Die Förderung ist zudem zeitlich bis Ende 2035 begrenzt.

7.6

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die mit der vorliegenden Revision neu ins Gesetz aufgenommenen Rechtsetzungsermächtigungen beschränken sich jeweils auf einen bestimmten Regelungsgegenstand und sind nach Inhalt, Zweck und Ausmass hinreichend konkretisiert.

Die Delegationen, die im StromVG vorgesehen sind, betreffen insbesondere die Einzelheiten der Energiereserve (Art. 8a Abs. 6 StromVG), der Wechselprozesse (Art. 13a StromVG), der Deckungsdifferenzen bei den Netzkosten (Art. 15 Abs. 3bis StromVG), des Messwesens (Art. 17a Abs. 5, Art. 17abis Abs. 4 und Art. 17ater Abs. 2 StromVG), der Flexibilitäten (Art. 17bbis Abs. 4 StromVG), des Datenaustauschs und des Datenregisters (Art. 17bquater Abs. 4, Art. 17bquinquies Abs. 3 und Art. 17bsexies Abs. 4 StromVG), der Vorkaufsrechte bei Veräusserung von Aktien der Swissgrid (Art. 18 Abs. 4bis StromVG) sowie der Pilotprojekte (Art. 23a StromVG). Mit diesen Delegationen soll der Gesetzestext von Bestimmungen mit hohem Konkretisierungsgrad entlastet werden. Zudem handelt es sich vielfach um Inhalte, bei denen rasche Anpassungen nötig sein können, um den sich ändernden Verhältnissen oder technischen Entwicklungen Rechnung zu tragen.

Für die Regelungsgenstände des EnG ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass der Bundesrat unverändert zum Erlass der ausführenden Bestimmungen zu den Investitionsbeiträgen zuständig ist (Art. 29 EnG). Hinzu kommt, dass nun explizit vorgesehen wird, dass er innerhalb sämtlicher Technologien unterschiedliche Kategorien vorsehen und Projektanten dazu verpflichten kann, Daten und Informationen, die im öffentlichen Interesse stehen (beispielsweise Windmessungen und Geodaten bei Geothermieprojekten), dem Bund zur Verfügung zu stellen. Zudem werden die Kompetenzen des Bundesrates im Zusammenhang mit Anlagen, Fahrzeugen und Geräten leicht ausgeweitet.

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7.7

Datenschutz

Nach Artikel 19 DSG bedarf die Bekanntgabe von Personendaten durch Bundesorgane grundsätzlich einer ausdrücklichen Regelung in einem Gesetz im formellen Sinn.

Darunter fallen auch ein Datenaustausch unter Behörden sowie eine Weitergabe von Daten an Private. Vorliegend ist dies für die Zusammenarbeit zwischen dem BFE und der ElCom von Bedeutung. Schon bislang bearbeiteten beide Behörden in Erfüllung ihrer Aufgaben Daten. Neu wird geklärt, dass sie (zu bestimmten Zwecken) Daten aneinander weitergeben dürfen (Art. 27 Abs. 1bis StromVG). Weiter sind in diesem Zusammenhang die Regelung zur Erfassung und Weitergabe der Speicherseedaten und die Sunshine-Regulierung (Art. 8b und Art. 22a StromVG) mit der dort vorgesehenen Veröffentlichung der Vergleichsergebnisse von Bedeutung.

Artikel 17bter StromVG verpflichtet die Netzbetreiber und die weiteren im Bereich des Messwesens tätigen Akteure, einander alle Daten zur Verfügung zu stellen, die für eine ordnungsgemässe Elektrizitätsversorgung nötig sind. Obwohl es sich dabei nicht um besonders schützenswerte Daten (Art. 3 Bst. c DSG) handelt, wird diese bis anhin in der StromVV enthaltene Vorschrift auf die Gesetzesstufe gehoben, weil sie in einem vollständig geöffneten Strommarkt von fundamentaler Bedeutung ist. Weiter ist vorgesehen, dass der Austausch von Mess- und Stammdaten neu über ein Datenregister erfolgt (Art. 17bquater Abs. 1­4, Art. 17bquinquies und Art. 17bsexies StromVG).

Die für die damit einhergehende Datenbearbeitung erforderliche Gesetzesgrundlage ist im neuen Artikel 17c Absatz 2 StromVG enthalten. In Artikel 17c Absatz 3 StromVG ist ferner vorgesehen, dass der Bundesrat für Mess-, Steuer-, und Regelsysteme sowie für das Datenregister besondere Anforderungen zum Datenschutz und zur Datensicherheit festlegen kann.

Gemäss dem neuen Artikel 29 Absatz 3 Buchstabe k EnG kann der Bundesrat vorsehen, dass, wer einen Investitionsbeitrag nach dem 5. Kapitel des EnG erhalten hat, dem Bund Daten und Informationen, die im öffentlichen Interesse stehen, zur Verfügung stellen muss. Dies umfasst beispielsweise Windmessdaten, welche in aggregierter Form als Geoinformationen gemäss GeoIG öffentlich zugänglich gemacht werden, und Geodaten aus Geothermieprojekten. Im Übrigen wird hinsichtlich der für das Energiegesetz relevanten Aspekte des Datenschutzes auf die Botschaft vom 4. September 201391 zum ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 verwiesen.

91

BBl 2013 7561, hier 7750.

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Abkürzungsverzeichnis AB

Amtliches Bulletin

ABl

Amtsblatt

ARA

Abwasserreinigungsanlage

BBI

Bundesblatt

BFE

Bundesamt für Energie

BGE

Bundesgerichtsentscheid

BGÖ

Öffentlichkeitsgesetz vom 17. Dezember 2004 (SR 152.3)

BV

Bundesverfassung (SR 101)

BWL

Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung

CEP

Clean Energy Package

DSG

Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (SR 235.1)

EFTA

Europäische Freihandelsassoziation

EIV

Einmalvergütung

ElCom

Eidgenössische Elektrizitätskommission

EnG

Energiegesetz vom 30. September 2016 (SR 730.0)

EnV

Energieverordnung vom 1. November 2017 (SR 730.01)

EVU

Energieversorgungsunternehmen

GATT

Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen vom 30. Oktober 1947 (SR 0.632.21)

GeoIG

Geoinformationsgesetz vom 5. Oktober 2007 (SR 510.62)

GV

Generalversammlung

GWh

Gigawattstunde

HKN

Herkunftsnachweis

Hz

Hertz

KEV

Kostenorientierte Einspeisevergütung

KMU

kleine und mittlere Unternehmen

KVA

Kehrrichtverbrennungsanlage

kVA

Kilovoltampere

kWh

Kilowattstunde

LVG

Landesversorgungsgesetz vom 17. Juni 2016 (SR 531)

MWh

Megawattstunde

NAM

nicht amortisierbare Mehrkosten

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NIV

Niederspannungs-Installationsverordnung vom 7. November 2001 (SR 734.27)

NOVA

Netz-Optimierung vor Verstärkung vor Ausbau

OR

Obligationenrecht (SR 220)

p. a.

pro Jahr

SCM

Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmassnahmen

SIA

Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein

StromVG

Stromversorgungsgesetz vom 23. März 2007 (SR 734.7)

StromVV

Stromversorgungsverordnung vom 14. März 2008 (SR 734.71)

SuG

Subventionsgesetz vom 5. Oktober 1990 (SR 616.1)

THG

Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über die technischen Handelshemmnisse (SR 946.51)

TWh

Terawattstunde

ÜNB

Übertragungsnetzbetreiber

UREK-N

Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates

UREK-S

Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates

WACC

Weighted Average Cost of Capital, durchschnittlicher Kapitelkostensatz

WL

Wirtschaftliche Landesversorgung

ZEV

Zusammenschluss zum Eigenverbrauch

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BBl 2021 1666

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