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Schweizerisches Bundesblatt.

49. Jahrgang. L

Nr. 8.

24. Februar 1897.

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Druck und Expedition der Buchdruckerei Stämpfli & OU. in Bern.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über

seine Geschäftsführung im Jahre 1896.

ß. Justiz- und Polizeidepartement.

A. Gesetzgebung und Rechtspflege.

I. Bundesgesetzgebung.

1. Mit Botschaft vom 25. Februar 1896 (Bundesbl. 1896, l, 92) haben wir ihnen einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der dem der Motion Favon zu Grunde liegenden Gedanken durch Ergänzung der Bestimmungen des Obligationenrechts über die F o l g e n d e s V e r z u g e s bei G e l d s c h u l d e n legislativen Ausdruck zu geben versucht.

Auf den Wunsch der vereinigten Kommissionen des Nationalrates und des Ständerates arbeitete sodann unser Justiz- und Polizeidepartement einen Entwurf aus, der den Lohnforderungen bis auf Fr. 200 durch Aufnahme einiger Zusätze in das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs eine rasche und erfolgreiche Zwangsvollstreckung zu sichern bestimmt wäre.

Bundesblatt. 49. Jahrg. Bd. I.

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Der Gegenstand liegt nun bei der Kommission des Nationalrates, dem die Erstbehandlung zuerkannt ist. Der Nationalrat hat sich im Berichtsjahre damit nicht mehr befaßt.

2. Eine andere, Ihnen mit Botschaft vom 18. August 1896 (Bundesbl. 1896, III, 825) zugeleitete legislative Vorlage enthält die Ausführung des Gedankens der Motion Brenner, d. h. die Anwendung des gemeinen Rechts (Obligationenrecht Art. 54) auf die E i s e n b a h n - u n d D a m p f s . c h i f f u n t e r n e h m u n g e n , bezüglich d e r H a f t p f l i c h t b e i T ö t u n g e n u n d V e r l e t z u n g e n in dem Punkte, daß sie auch bei leichter Fahrlässigkeit zu einer den Ersatz erweislichen Schadens übersteigenden Geldloistung verurteilt werden können, sofern die Umstände des Falles dies als gerechtfertigt erscheinen lassen. Unser Gesetzesentwurf bringt noch in einigen ändern Punkten, wie Sie wissen, Abänderungen und Ergänzungen des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1875 betreffend die Haftpflicht der Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen bei Tötungen und Verletzungen in Vorschlag, überall im Sinne der Aufnahme der Bestimmungen des Obligationenrechts, indessen doch nur in solchen Punkten, wo die Anwendung des gemeinen Rechts auch für die Transportunternehmungen nichts Unbilliges enthält.

Die Novelle (Priorität beim Nationalrate) ist von den gesetzgebenden Räten noch nicht behandelt worden.

3. Am 4. Oktober 1896 sind drei eidgenössische Gesetzesvorlagen der Volksabstimmung unterstellt gewesen : das Bundesgesetz betreffend die Disciplinarstrafordnung für die eidgenössische Armee, vom 23. März 1896 (Bundesbl. 1896, II, 719), das Bundesgesetz betreffend die G e w ä h r l e i s t u n g b e i m V i e h h a n d e l , vom 25. März 1896 (Bundesbl. 1896, II, 745), und das Bundesgesetz über das Rechnungswesen der Eisenbahnen, vom 27. März 1896 (Bundesbl. 1896, H, 733).

Die ersteren zwei sind verworfen, das letztere ist angenommen worden.

Die Verwerfung des aus dem Justiz- und Polizeidepartement hervorgegangenen Viehhandelsgesetzes erfolgte mit 209,118 gegen 174,880 Stimmen.

Der Bundesrat ist zu sehr von der Wünschbarkeit einer einheitlichen Regelung des Währschaftsrechtes beim Handel mit Haustieren überzeugt, als daß er es nicht lebhaft begrüßen müßte, wenn dieser Gegenstand bald wieder an die Hand genommen werden wollte. Die Initiative hierzu glaubt er freilich nicht selbst ergreifen, sondern denjenigen Kreisen überlassen zu sollen, welche

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die Verwerfung des Gesetzes herbeigeführt haben, obgleich sie sich auch als Anhänger der Einheit auf diesem Gebiete bekennen, die also ein Gesetz auf anderer Grundlage oder in wesentlich anderer Ausgestaltung wünschen. Mit Befriedigung haben wir vernommen, daß diese Initiative von ostschweizerischen Kantonsregierungen bereits ausgegangen ist und daß die Vorzüge einer bundesgesetzlichen Regelung vor einer Einigung auf dem Konkordatswege anerkannt zu werden scheinen.

4. Wir haben im letztjährigen Geschäftsbericht der Anregung erwähnt, die von der Regierung des Kantons Glarus ausgegangen ist und bezweckt, eine bundesgesetzlide Regelung des Verbotes der D o p p e l b e s t e u e r u n g herbeizuführen. Wie wir mitteilten, stand eine Vernehmlassung des Bundesgerichts über diese Frage in Aussicht. Überdies hatte unser Departement sich das Gutachten des Herrn Prof. Dr. Emil Zürcher in Zürich, des Verfassers einer im Jahre 1882 vom Schweizerischen Juristenverein preisgekrönten .^Kritischen Darstellung der bundesrechtlichen Praxis betreffend das Verbot der Doppelbesteuerung", erbeten. Von beiden Seiten sind seither die Ansichtäußerungen dem Departemente zugekommen.

Beide bejahen die Frage, ob die Erlassung eines Bundesgesetzes betreffend die Doppelbesteuerung einem wirklichen Bedürfnisse entsprechen würde und wünschbar wäre. Das Bundesgericht betont, daß die Sachlage zur Stunde genau dieselbe ist, wie 1885, als die bundesrätliche Vorlage zur legislativen Ordnung der Sache erschien, und daß die Motive, welche jene Vorlage rechtfertigten, heute noch fortbestehen. Prof. Zürcher aber hebt im Hinblick auf die Initiative der Glarner Regierung hervor, daß die Klagen der Steuerzahler zwar abgenommen haben, nun aber eine Stimme in der entgegengesetzten Richtung laut werde, nach welcher der Erfolg der auf Beseitigung der Doppelbesteuerung gerichteten Bestrebungen bereits dahin umgeschlagen hätte, die Steuerentziehung zu begünstigen.

Die nationalrätliche Geschäftsprüfungskommission des letzten Jahres hat, wie Sie wissen, in ihrem Berichte der Wiederanhandnahme dieser Gesetzgebungsarbeit das Wort geredet. Im Schöße des Nationalrates selbst aber wurde von sehr kompetenter Seite (Dr. Paul Speiser) davon abgeraten. Die Meinungen gehen also auseinander, weshalb ein etwas bedächtiges Vorgehen der Behörden sich sehr wohl rechtfertigt.

Unser Departement wird uns über die Frage im Jahre 1897 Bericht und Antrag vorlegen.

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5. Das Hauptinteresse und die Hauptthätigkeit unseres Justizund Polizeidepartements war im Berichtsjahre der Frage zugewendet, ob und in welcher Weise die V e r e i n h e i t l i c h u n g des S t r a f r e c h t s und des C i v i l r e c h t s aus dem Stadium vorbereitender Studien und Entwürfe in die Bahn der legislativen Durchführung übergeleitet werden solle.

In den Geschäftsberichten der letzten Jahre haben wir Sie jeweilen von dem Stande der Vorarbeiten unterrichtet. Sie sind zu Anfang des Jahres 1896 in den Besitz des von der Expertenkommission durchberatenen Vorentwurfes zu einem Schweizerischen Strafgesetzbuche und der Vjerhandlungsprotokolle der Kommission gelangt. Sie wissen, daß der Redaktor der civilrechtlichen Entwürfe bereits im Jahre 1895 die Vorbereitung eines Entwurfes für das gesamte Personen- und Familienrecht in sein Arbeitsprogramm aufgenommen hatte. Im Jahre 1896 hat er diesen Entwurf ausgearbeitet. Unser Departement unterstellte ihn einer von seinem Vorsteher geleiteten Kommissionalberatung und es konnte zu Ende des Berichtsjahres der fertige Vorentwurf in deutscher und französischer Sprache Ihnen zugestellt werden.

Es entstanden nun folgende Fragen: Sollen über das Civilrecht bis zur Vollendung eines Vorentwurfes zu einem vollständigen schweizerischen Civilgesetzbuche in bisheriger Weise Tcilentwürfe ausgearbeitet und bis dahin in diesem Gebiete keine weiteren Schritte unternommen, inzwischen aber die Einheit des Strafrechts, für sich allein, im Wege der Verfassungsrcvision und, nach Schaffung der konstitutionellen Grundlage, durch Beratung und Erlassung eines Schweizerischen Strafgesetzes ihrer Verwirklichung entgegengeführt werden? -- O d e r : Sind die bisherige» Vorarbeiten als hinreichend zu betrachten, um in diesem Momenle ein gleichzeitiges Vorgehen auf beiden Gebieten zur Begründung der Gesetzgebungshoheit des Bundes zu gestatten, unter Offenlassung der Frage, auf welchem Gebiete nach Schaffung der Bundeskompetenz die legislativen Arbeiten zuerst in Angriff genommen werden sollen? -- O d e r e n d l i c h : Empfiehlt es sich., nicht nur in Ansehung des Civilrechts, sondern auch des Strafrechts, zuzuwarten, bis ein das gesamte Rechtsgebiet umfassender Vorentwurf zu einem Civilgesetzbuche hergestellt sein würde, um dann für beide Gebiete gleichzeitig die
Verfassungsrevisionsfrage zu stellen und hernach auf dem einen oder dem ändern die Arbeit des Gesetzgebers zu beginnen?

Unser Departement hat diese Fragen wohl erwogen. Am 17. November 1896 legte es uns das Ergebnis seiner Überlegungen

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in dem Entwürfe einer Botschaft an die Bundesversammlung über die Einführung der Rechtseinheit vor. Wir haben den Entwurf mit einigen bloß redaktionellen Abänderungen am. 28. November 1896 genehmigt. Diese Botschaft befindet sich in Ihren Händen.

Sie haben in Ihrer Dezembertagimg bereits dem Ständerate die Erstbehandlung des Traktandums zuerkannt. Und schon war die ständerätliche Kommission versammelt, um ihre Anträge zu beraten und zu formulieren, so daß in der außerordentlichen Märzsession des Jahres 1897 die Frage in Behandlung gezogen werden kann.

Unsere Botschaft erörtert in einläßlichster weise die Gründe, warum wir nach dem Vorschlage des Departements im Sinne der zweiten Alternative vorzugehen Ihnen beantragen, und in welcher Ausdehnung oder, vielleicht richtiger, innerhalb welcher Schranken wir den ernsten und hochbedeutsamen, aber auch nach allen Richtungen ernstlich und gründlich erwogenen Schritt auf dem Wege zur schweizerischen Rechtseinheit thun möchten.

II. Internationales Recht.

1. Arn 14. November 1896 wurde im Haag, der k. niederländischen Haupt- und Residenzstadt, die in unserm letztjährigen Berichte inhaltlich skizzierte Ü b e r e i n k u n f t zur A u f s t e l l u n g einiger gemeinsamen Grundsätze des Civilprozoßr e c h t e s von den Vertretern Belgiens, Spaniens, Frankreichs, Italiens, Hollands, Luxemburgs, Portugals und der Schweiz unterzeichnet ; seither sind Schweden und Norwegen hinzugetreten.

Unsere Vertretung war dem schweizerischen Generalkonsul in Rotterdam, Herrn Ferdinand Koch, übertragen.

Wir werden im Jahre 1897, zur Einholung der Genehmigung dieser Übereinkunft durch die h. Bundesversammlung, einen bezüglichen ausführlichen Bericht samt Antrag einbringen.

2. Nach jahrelangen Unterhandlungen -- sie begannen im Jahre 1889 -- hat endlich am 20. November 1896 in Madrid durch unsern dortigen Generalkonsul, Herrn Charles E. Lardet, und den spanischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Don Carlos O'Donell y Abreu, Herzog von Tetuan u. s. w., die Unterzeichnung eines Vertrages betreffend die gegenseitige V o l l streckung der Gerichtsurteile und Erkenntnisse in C i v i l - u n d H a n d e l s s a c h e n stattgefunden.

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Die vorbehaltene Ratifikation wird im Jahre 1897, nach Einholung der Genehmigung der h. Bundesversammlung, erfolgen können. Wir .begnügen uns dermalen, alles weitere der uns obliegenden Berichterstattung an die gesetzgebenden Räte vorbehaltend, mit der Anzeige des Vertragsabschlusses.

TU. Gewährleistung von Kantonsverfassnngen.

Im Berichtsjahre haben die Bundesgarantie erhalten : 1. Ein Verfassungsgesetz des Kantons T e s s i n vom 16. Juni 1893, das den Art. 33 des Verfassungsgesetzes vom 2. Juli 1892 abändert, durch Bundesbeschluß vom 25. März 1896 (A. S. n. F.

XV, 436).

Der zweite Absatz dieses Artikels lautet nun so, daß die Tessiner im Auslande, die zu einem in das Register der Herde einer Gemeinde des Kantons eingetragenen Herde gehören, ihr Stimmrecht in dieser heimatlichen Gemeinde, welche als ihre (fiktive) Wohngemeinde zu 'betrachten ist, ausüben können, vorbehaltlich deiFalle, in denen das Gesetz sie vom Stimmrecht ausschließt, während nach der bisherigen Fassung die im Auslande niedergelassenen Tessiner, die wieder im Kanton ihren Wohnsitz nahmen, ihr politisches Stimmrecht in der Gemeinde ausüben konnten, wo sie seit 20 Tagen ihren wirklichen Wohnsitz hatten. (Vergi. Botschaft vom 31. Mai 1895 im Bundesbl. 1895, III, 217.)

2. Eine Abänderung des Art. 19 der Verfassung des Kantons U r i , vom 3. Mai 1896, durch Bundesbeschluß vom 17. Juni 1896 (A. S. n. F. XV, 476).

Der Art. 19 der Urner Verfassung, welcher bisher folgendermaßen lautete: ,,Die Abstimmungen an der Landsgemeinde und den Gemeindeversammlungen geschehen durch offenes Handmehr.

Bei allen Abstimmungen entscheidet das absolute Mehr a , erhielt folgenden Zusatz : ,,Den Gemeinden bleibt überlassen, auch die geheime Abstimmung zur Anwendung zu bringen." (Botschaft im Bundesbl. 1896, III, 493.)

3. Eine Abänderung der Art. 64 und 35 der Verfassung des Kantons G l a r u s , vom 10. Mai 1896, durch Bundesbeschluß vom 17. Juni 1896 (A. S. n. F. XV, 478).

Art. 64 der Kantonsverfassung enthält die Einteilung des Kautons in Wahlgemeinden.

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Die Abänderung besteht gegenüber dem frühereu Zustande darin, daß die Ortsgemeinde Haslen von der Wahlgemeinde Diesbach abgetrennt und zu einer selbständigen Wahlgemeinde erhoben worden ist.

Nach dem neuen Art. 35 werden der Staatsanwalt und der Verhörrichter nicht wie bisher durch den Landrat, sondern, wie ·der Regierungsrat und die Gerichte, durch die Landsgemeinde gewählt. (Botschaft im Bundesbl. 1896, EI, 184.)

4. Eine Partialrevision der Verfassung des Kantons U n t e r w a l d e n nid dem Wald, vom 13. Oktober 1895, durch Bundesbeschluß vom 23. Juni 1896 (A. S. n. F. XV, 480).

Durch diese Revision erhielten die Art. 15 und 86 der Kantonsverfassung eine neue Fassung.

a. Der neue Art. 15 sieht in Absatz 1 die Regelung des Hypothekarwesens durch die staatliche Gesetzgebung vor. Für die innert der amtlichen Schätzung des Pfandobjektes errichteten Gülten und kanzleiischen Versicherungen, welche zu einem bestimmten Werte vom Schuldner ablösbar und vom Gläubiger aufkündbar erklärt \verden, wird der Maximalzinsfuß auf 4 °/o, für die außer der amtlichen Schätzung errichteten Gülten und Versicherungen auf 5 % festgesetzt. Wir haben Ihnen in unserer Botschaft über diesen Gegenstand vom 20. März 1896 in betreff der von einer Anzahl "Ö Gültbesitzer gegen die Gewährleistung erhobenen Einsprache ausführlich berichtet.

b. In Art. 86 wird bestimmt, daß das Volksbegehren einer Total- oder Partialrevision der Verfassung künftig von 400 stimmfähigen Kantonseinwohnern gestellt werden kann, während es bisher hierzu einer Eingabe von 800 stimmfähigen Kantonseinwohnern bedurfte (vergi, bundesrätliche Botschaft im Bundesbl. 1896, II, 545).

IY. Schuldbetreibung und Konkurs.

1. Im Berichtsjahre sind folgende kantonale Einführungsgesetee dem Bundesrate zur Genehmigung vorgelegt worden: a. Eine Gesetzesnovelle des Kantons Tessin vom 20. November 1895. Die Änderungen gegenüber dem früheren Gesetze betrafen einerseits die innere Organisation der Ämter, anderseits die Zusammensetzung der Aufsichtsbehörden. In der ersten Beziehung hatten wir gegen das tessinische Gesetz keine Einwendungen zu

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machen ; dagegen beanstandeten wir die Organisation der kantonalen Aufsichtsbehörde. Es sollten nämlich die vom Bundesgesetze der kantonalen Aufsichtsbehörde zugeteilten Befugnisse, je nach ihrer mehr administrativen oder juristiseh-kontentiösen Natur, zwei verschiedenen Behörden, dem Staatsrate und einem Ausschusse des Appellationsgerichtes, iiberbunden werden. Wir erblickten hierin, in Übereinstimmung mit der Schuldbetreibitngs- und Konkurskamrner des Bundesgerichts, eine Verletzung des Bundesgesetzes, welches eine solche Zweiteilung nicht vorsieht, und verweigerten die Genehmigung diesem Teile des Gesetzes durch Schlußnahme vom 6. Januar 1896.

Arn 19. Mai 1896 legte der tessinische Staatsrat ein neues Dekret des Großen Rates, vom 12. Mai 1896, vor, in welchem die Einheit der Aufsicht strenge durchgeführt ist. Diesem neuen Dekrete wurde durch Beschluß vom 26. Mai 1896 die bundesrätliche Genehmigung erteilt.

b. Ein Gesetz des Kantons W a a d t vom 9. Mai 189(i, in Ergänzung des Einführungsgesetzes dieses Kantons vorn 16. Mai 1891 erlassen ; nach Anhörung der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer genehmigte der Bundesrat am 11. Juni 1896 das Gesetz mit einem Vorbehalte redaktioneller Natur.

2. Die Frage der R e v i s i o n des G e b ü h r e n t a r i f s zum Betreibungs- und Konkursgesetze liegt zur Prüfung bei der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts ; wir werden Ihnen im nächsten Jahre über das Resultat dieser Prüfung, sowie über unsere weiteren Schlußnahmen Bericht zu erstatten in der Lage sein.

T. Civilstand und Ehe.

1. Die I n s p e k t i o n s b e r i c h t e , welche die Regierungen der Kantone gemäß Artikel 12 des Bundesgesetzes über Civilstand und Ehe alljährlich dorn Bundesrate abstatten sollen, gingen pro 1895 teilweise erst im Januar 1897 ein. Der Bericht von Zug stund zur Zeit der Abfassung vorliegender Berichterstattung noch aus.

Die Ausführungen der kantonalen Aufsichtsbehörden über das Civilstandswesen haben dem Justiz- und Polizeidepartement wiederum Anlaß zu einer sehr weitläufigen Korrespondenz mit den fraglichen Amtsstellen geboten, auf welche wir hier aus früher angegebenen Gründen nicht näher eintreten können.

3(50 Auf die Anregung der Regierung des Kantons L u z e r n . es möchten alle Weisungen und Entscheide gesammelt werden, dio von der eidgenössischen Aufsichtsbehörde in Sachen des Civilstandswesens bis jetzt erlassen worden sind, haben wir geantwortet, daß eine solche Zusammenstellung bereits seit längerer Zeit in Aussicht genommen und vorbereitet sei und daß ihr Abschluß auf Ende des Jahres 1897 erfolgen solle, in welchem Zeitpunkte die erste 10jährige Periode abgelaufen sein werde, während welcher die Vollziehung des eidgenössischen Civilstandsgesetzes zufolge Begchlusses des Bundesrates über die Organisation der Departemente vom 8. Juli 1887 dem Justiz- und Polizeidepartement unterstellt ist (A. S. n. F. X, 104).

Bei dieser Gelegenheit wird auch das Schema für die Inspektion der Civilstandsämter einer gründlichen Revision unterworfen werden, indem bis dahin die hierzu noch notwendigen Erhebungen in einzelnen Kantonen zum Abschluß gelangen sollen.

Mehrere kantonale Aufsichtsbehörden mußten nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht werden, daß ihnen das eidgenössische Civilstandsgesetz in dem bereits erwähnten Artikel 12 die j ä h r l i c h e Inspektion s ä m t l i c h e r Civilstandsämter ihres Kantons zur Pflicht macht.

Die Regierung des Kantons St. G a l l e n machte in ihrem Berichte die Anregung, es möchte in geeigneter Weise dahin gewirkt werden, daß die schweizerisch-deutsche Vereinbarung vom 4. Juni 1886 betreffend die Erleichterung der Eheschließung der beiderseitigen Staatsangehörigen (A. S. n. F. IX, 92 f.) in allen deutschen Staaten zur Anwendung gelange. Wir halten hierauf geantwortet, daß dieser Gedanke auch von uns schon seit einiger Zeit gehegt werde. Wenn bis jetzt bezügliche Schritte unter!>lioben seien, so sei dies hauptsächlich aus folgenden zwei Gründen geschehen: Zunächst könne es nicht Sache der schweizerischen lîehörden sein, Ausländer gegen lästig fallende Vorschriften ihrer heimatlichen Behörden zu verteidigen; es stehe denselben vielmehr in erster Linie der Beschwerdeweg au die kaiserlich-deutsch e (oder an die königlich-bayerische) Gesandtschaft oder direkt an die heimatlichen Aufsichtsbehörden offen. Sodann sei die Sammlung weiteren Materials namentlich bezüglich der in Frage kommenden schweizerischen Interessen wünschbar, um eine allfällige Reklamation zu geeigneter
Zeit mit gehörigem Nachdruck begleiten zu können.

Im Kanton G e n f hat unser Sekretär für das Civilstandswesen vom 22.---29. Juli den dritten Teil sämtlicher Civilstandsämter

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«iner Inspektion unterworfen. Der eingehende Bericht über das Krgehnis lautete im allgemeinen sehr günstig. Er wurde von uns dem Staatsrate des Kantons Genf übermittelt mit der Einladung, gestützt auf die gemachten Aussetzungen die geeignet scheinenden Maßnahmen zu treffen. Die Rückäußerung des Staatsrates ist eingelangt. Über die weiteren Verhandlungen werden wir nächstes Jahr Kericht erstatten. Diese außerordentliche Inspektion hat auch ·direkte Erfolge gehabt. Wir beabsichtigen deshalb, solche Inspektionen auch in ändern Kantonen vornehmen zu lassen.

2. K r e i s s c h r e i b e n sind auf dem Gebiete des Civilstandswesens im Berichtsjahre 3 erlassen worden, nämlich: a. Kreisschreiben des Bundesrates vom 7. September 1896 betreffend die V o l l z i e h u n g des A r t i k e l s 57 des B u n d e s g e s e t z e s ü b e r C i v i l s t a n d u n d E h e ( M i t t e i l u n g de
b. Kreisschreiben des Bundesrates vom 19. September 1896 betreffend die B e k a n n t g a b e der T o d e s u r s a c h e (Bundesbl.

1898, IV, 13).

c. Kreisschreiben des Justiz- und Polizeidepartementes vom 10. Dezember 1896, betreffend das V e r k ü n d v e r f a l l r e u in P r e u ß e n und E l s a ß - L o t h r i n g e n (Bundesbl. 1896, IV, 1160; zu vergleichen ist das frühere einschlägige Kreisschreiben vom 8. Mai 1895, Bundesbl. 1895, II, 945).

3. Mit Bezug auf unsere Bemerkungen im Geschäftsbericht für das Jahr 1895 über die Ehe, welche am 1. Februar 1894 in der protestantischen Kirche zu Kairo zwischen einem Bürger der Stadt Bern und einer Bürgerin der Stadt Beirut abgeschlossen worden ist, hat uns das deutsche Reichskanzleramt durch den kaiserlichen Gesandten die folgende verdankenswerte Ansichtsäußerung zukommen lassen : ,,In dem Berichte des eidgenössischen Justiz- und Poli/.eidepartemontes über seine Geschäftsführung im Jahre 1895 ist auf Seite 17 und 18 die Frage erörtert, ob die Kheschließung eines in der protestantischen Kirche in Cairo getrauten Bürgers der Stadt Bern mit einer Bürgerin von Beirut als gültig anzusehen sein werde und ob auf Grund der von dem Geistlichen ausgefertigten und dann von dem deutschen Konsul in Alexandrien, dem Auswärtigen Amte des Deutschen Reiches und von der hiesigen schweizerischen Gesandtschaft legalisiertea Heiratsurkunde die von der schweizerischen Gesetzgebung vorgesehene Eintragung der Eheschließung in das heimatliche Eheregister erfolgen könne. Die

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Frage wird bejaht und dabei wörtlich bemerkt, ,,daß in den Legalisationen des Eheaktes durch den deutschen Konsul in Alexandrien und das Auswärtige Amt des Deutschen Reiches in Berlin eine genügende Gewähr für die Gesetzlichkeit des fraglichen Eheabschlusses erblickt werden darf, ganz abgesehen von der ebenfalls vorhandenen Légalisation durch die schweizerische Gesandtschaft in Berlin."

,,Nach dem Wortlaute dieser Schlußbemerkung könnte es scheinen, als ob von Seiten des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes der Légalisation des Eheaktes eine größere Tragweite beigemessen würde, als ihr nach unserer Auffassung zukommt, wonach sie den Inhalt der Beurkundung nicht berührt, vielmehr nur dazu dient, die Echtheit der Unterschrift zu öffentlichem Glauben in einem anderen Wirkungskreise, als dem des Ausstellers der Urkunde zu bescheinigen. Im Hinblick auf den Grundsatz, von dem der in Rede stehende Bescheid des Departements ausgeht, läßt sich indessen der Sinn der Schlußbemerkung auch wohl dahin einschränken, es sei der Aufsichtsbehörde über das Civilstandswesen mit den Legalisationsvormerken eine über das pfarramtliche Zeugnis hinausgehende Gewähr dafür geboten, daß von den Beteiligten keine Täuschung beabsichtigt, vielmehr die Sicherstellung der endgültig nur von den Gerichten festzustellenden Gesetzlichkeit des Aktes betrieben worden ist.

,,Die materielle Seite der Frage anlangend, stimmt die in dem Bescheide niedergelegte Auffassung mit der unseligen dahin überein, daß der christlichen Bevölkerung in Ägypten wie in der Türkei zur Eingehung gültiger Ehen der kirchliche Weg neben dem civilen vor der Kousularbehörde offen steht. Diese Auffassung ist für die Ehen von Reichsangehörigen und Schutzgenossen auch gerichtlich anerkannt worden. Ein Urteil des Reichsgerichts vom 26. Februar 1891, abgedruckt im Band 27 der Entscheidungen des Reichsgerichts in Civilsachen, hat unter eingehender Begründung ausgesprochen, daß Reichsangehörige und Schutzgenossen in der Türkei weder im allgemeinen, vermöge der als Exterritorialität bezeichneten Sonderstellung, die sie auf Grund der Kapitulationen einnehmen, verhindert sind, ihre Rechtsgeschäfte in den Formen des Staates, in dem sie sich aufhalten, zu schließen, noch im besonderu durch Vorschriften der deutschen Gesetzgebung, auf deren Grund ihnen die
Möglichkeit gewährt wird, Civilehen zu schließen, zur Anwendung dieser, nur für das Inland obligatorischen Form genötigt werden, sich vielmehr, nach dem völkerrechtlichen Satze locus régit actum, mit voller Rechtswirkung auch der kirchlichen

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Form bedienen können, die in der Türkei nicht nur tur die fremden Christen, sondern auch für die christlichen Unterthanen der Pforte in gewohnhoitsrechtlicher Übung und Geltung bestehe.a 4. Im Anschlüsse hieran teilen wir mit, daß wir in einem Specialfalle unseren Ministerresidenten in London von der hei ihm nachgesuchten Légalisation eines Eheaktes, der seines Wissens falsche Angaben enthielt, dispensiert haben.

5. Fünf Scheidungsurteile ausländischer G e r i c h t e , betreffend Ehen, die seiner Zeit von A u s l ä n d e r n in der Schweiz abgeschlossen worden waren, sind im Berichtsjahre auf diplomatischem Wege zur V o r m e r k u n g im s c h w e i z e r i s c h e n E h e r e g i s t e r eingelangt. Alle diese Urteile waren gefällt vom großherzoglich badischen Landgerichte zu Konstanz und betrafen vier badischc Ehepaare und ein preußisches. Die Vormerkung stieß nirgends anf Schwierigkeiten.

In einem Specialfalle mußten wir das Gesuch um Ausstellung einer Anerkennungserklärung betreffend ein von einem ausländischen Gerichte über ausländische Eheleute, deren einer Teil in der Schweiz wohnte, zu fällendes Urteil ablehnen. In zwei Fällen waren wir in der Lage, Scheidungsurteile schweizerischer Gerichte über Ausländer unter Hinweis auf deren heimatliche Gesetzgebung zu verhindern, und in vier Fällen mußte die Anerkennung und Eintragung ausländischer Scheidungsurteile über Schweizer, gestützt auf die Vorschrift in Artikel 43 des Bundesgesetzos über Civilstand und Ehe, verweigert werden. Ein Scheidungsurteil, welches ein Gericht des Kautons Wallis in Außerachtlassung des italienischen und des schweizerischen Rechtes über italienische Eheleute ausgefällt hatte, ist schließlich in ein Urteil auf Trennung zu Tisch und Bett umgewandelt worden.

6. In unserem Geschäftsberichte pro 1895 haben wir unter Ziffer 16, Absatz 3 (Bundesbl. 189<>, II, S. 20), mitgeteilt, daß wir die Wiederverehelichung einer Frau für unzulässig erklärt haben, welche in Kalifornien mit einem Schweizer verehelicht gewesen, Ende Mai 1894 von dem Obergerichte der Grafschaft San Franzisco geschieden worden und in die Schweiz zurückgekehrt war, um hier sich neuerdings zu verheiraten, ohne aus erster Ehe nach schweizerischem Recht gültig geschieden zu sein.

Im Berichtsjahre hat nun die fragliche Frau mit ihrem neuen Bräutigam in New-York
die Ehe geschlossen. Im Hinblick auf Artikel 54, Absatz 3, der Bundesverfassung konnte gegen die verlangte Anerkennung dieser zweiten Ehe und der durch den Ehe-

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abschloß gleichzeitig erfolgten Legitimation von zwei außerehelichen Kindern nichts eingewendet werden.

7. Ein D e l e g i e r t e r der g e n e a l o g i s c h e n G e s e l l s c h a f t in U t a h hat an uns das Gesuch gestellt, es möchte ihm erlaubt werden, ,, d i e v e r s c h i e d e n e n C i v i l s t a n d s ä m t e r der 8 c h w e i z zu b e s u c h e n , um Z u t r i t t u n d E i n s i c h t d e r C i v i I s t a n d s b ii c h e r z u e r h a l t e n f ü r g e n e a l o g i s c h e , Zwecke".

Wir haben jedoch geglaubt, diesem Gesuche in seinem vollen Umfange n i c h t entsprechen zu dürfen. Der ablehnende Bescheid stützte sich auf folgende Erwägungen: Das Civilstandswesen basiert in der Schweiz auf dem Bundesgesetz vom 24. Dezember 1874 und dein zudienenden Réglemente vom 20. September 1881.

Gemäß Artikel 2 des genannten Gesetzes sind die Register in zwei gleichwertigen Doppeln zu führen, von denen das eine nach Jahresschluß an die in jedem Kanton dafür bezeichnete Amtsstelle abzuliefern ist und das andere zur Verfügung des C'ivilstandsbeamten bleibt.

Während nun das Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung im deutschen Reiche (d. d. 6. Februar 1875) in seinem Artikel Itt vorschreibt, daß die Standesregister gegen Zahlung der nach dem angehängten Tarife zulässigen Gebühren jedermann zur Einsicht vorgelegt werden müssen, verhält sich dies mit den schweizerischen Civilstandsregistern umgekehrt.

Freilich verbietet das schweizerische Gesetz die Vorlage der Register an das Publikum nicht direkt. Doch enthalten z. B. die schweizerischen Totenregister nach Vorschrift des gleichen Gesetzes auch die Todesursachen und da ist es sofort klar, daß solche Angaben, die ausschließlich statistischen Zwecken dienen, dem Publikum nicht preisgegeben werden d ü r f e n . Aber auch im allgemeinen ist es keineswegs Absicht des schweizerischen Gesetzgebers gewesen, die Civilstandsregister als solche dem Publikum zugänglich zu machen. Es geht dies schon daraus hervor, daß der Artikel 64 der Übergangsbestimmungen expressis verbis vorschreibt, daß "nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes die neuen Civilstandsbeamten allein berechtigt sind, Bescheinigungen und Auszüge aus den Civilstandsregistern auszufertigen". Der Gesetzgeber hat demgemäß das Recht auf diese Ausfertigungen nicht einmal den Pfarrern mit Bezug auf die von ihnen früher geführten Register zugestanden.

Andererseits hat der Bundesrat mit Kreisschreiben vom 7. Juni

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1889 die eidgenössischen Stände eingeladen, den Civilstandsbeamten die Weisung zu erteilen, sofern kantonale Gerichte die Edition der Civilstandsregister in Original verlangen sollten, diesen Begehren keine Folge zu geben. Der Bundesrat begründete diese Verfügung folgendermaßen : ,,Als öffentliche Stammregister sollen die Civilstandsregister ausschließlich nur in der Hand der Civilstandsbeamten und die Doppel derselben in den Gewölben der betreffenden kantonalen Verwaltung liegen.

,,Wer auf den Inhalt dieser Register sich zu berufen im Falle ist, kann einen legalisierten Auszug aus denselben verlangen.

,,Gemäß Artikel 11 des Bundesgesetzes über Civilstand und Ehe vom 24. Dezember 1874 müssen diese Auszüge als öffentliche Urkunden so lange mit voller Beweiskraft anerkannt werden, als nicht der Nachweis der Fälschung oder der Unrichtigkeit der Anzeigen und Feststellungen, auf Grund deren die Eintragung stattgefunden, erbracht ist. Wenn somit der Richtigkeit des Inhaltes des einen Auszuges andere Thatsachen entgegengehalten werden wollen, so mögen auch hierfür beglaubigte Auszüge erhoben werden.

-- Die Edition der Originalregister ist jedoch abzulehnen.a In Übereinstimmung hiermit erklärt die Anleitung für die schweizerischen Civilstandsbeamten in Nummer 25 ausdrücklich, daß das Publikum nicht berechtigt sei, Einsicht von den Civilstandsprotokollen selbst zu nehmen, daß es dagegen Auszüge aus denselben verlangen könne. In letzterer Beziehung bestimmt der § 16 des eingangs erwähnten Réglementes, daß ,,für die Mitteilungen, welche nicht gesetzlich vorgeschrieben sind, sowie für die Auszüge, Abschriften und sonstigen Schreibereien, welche nur auf Verlangen der Beteiligten und ohne bestehende gesetzliche Verpflichtung gemacht werden, die Civilstandsbeamten von den Parteien diejenigen Gebühren beziehen können, welche die kantonalen Behörden mit Genehmigung des Bundesrates dafür festgesetzt haben.Vm 8. Ü b e r das E h e s c h l i e ß u n g s r e c h t und die Art der C i v i l s t a n d s b e u r k u n d u n g in G r i e c h e n l a n d haben wir anläßlich eines Specialfalles durch das schweizerische Konsulat in Athen die folgenden Mitteilungen erhalten : Die gesetzliche Form der Eheschließung in Griechenland ist die kirchliche. Zur Verehelichung bedarf es der Erlaubnis des Erzbischofs des Bezirks,
in Athen des Metropoliten (Erzbischofs der Hauptstadt). Ist die Erlaubnis gegeben, so kann die Trauung durch irgend einen Priester, selbstverständlich auch durch den Me-

375

tropoliten selbst, innerhalb oder außerhalb dei1 Kirche, d. h. als» auch in einem Privathause, vollzogen werden.

Damit die Ehe anerkannt wird, muß dem Civilstandsbeamten der Gemeinde, d. h. dem Bürgermeister, innerhalb 10 Tagen von der vollzogenen Trauung Anzeige gemacht werden. Wird diese Anzeige unterlassen, so ist deshalb die Ehe nicht ungültig, sondern es ist gesetzlieh erlaubt, die Gültigkeit durch Zeugenaussagen nachzuweisen.

9. Bezüglich der V e r e h e l i c h u n g von S c h w e i z e r n i n I t a l i e n haben wir einer kantonalen Aufsichtsbehörde folgende Aufschlüsse zukommen lassen : Wenn Schweizer, die sich in Italien verehelichen wollen, direkt den dortigen Standesbeamten begrüßen würden, so würde ihre Eheschließung vielfachen Hindernissen begegnen und eventuell gar nicht möglich werden, da der italienische Standesbeamte sich erfahrungsgemäß der Sache so lange entschlagen würde, bis die Brautleute von sich aus das in Italien erforderliche nulla ostaZeugnis beigebracht hätten. Es treten deshalb in Italien die schweizerischen diplomatischen und konsularischen Agenten übungsgemäli als Vermittler auf, und zwar auch in solchen Fällen, wo nur die Braut schweizerische Staatsangehörige ist. Die genannten Agenten maßen sich dabei in Wirklichkeit keine civilstandsamtlichen Funktionen an, sondern ihre Thätigkeit beschränkt sich darauf, · die Unterschriften der Brautleute und damit allerdings implicite auch die Thatsache des Eheversprechens und des Verkündgesuches zu beglaubigen, das Verkiindgesuch an einen der in Frage kommenden schweizerischen Civilstandsbeamten zu leiten, nach erfolgter Verkündung die gemäß der schweizerisch-italienischen Erklärung vom 15./29. November 1890 ausgestellten Verkündscheine in Empfangzu nehmen und legalisiert an das betreffende italienische Standesamt zu übermitteln, worauf der Verkündung und nachfolgenden Trauung in Italien nichts mehr im Wege steht.

Der schweizerische Civilstandsbeamte, welcher auf diese Weise von einem diplomatischen oder konsularischen Agenten der Schweiz in Italien begrüßt wird, hat sich so zu verhalten, wie wenn die fraglichen Brautleute vor ihm erschienen wären und vor ihm das Eheversprechen abgelegt hätten. Er hat demgemäß nach Art. 31 des Bundesgesetzes über Civilstand und Ehe den Verkündakt zu veröffentlichen und denselben von Amtes wegen denjenigen Civilstandsbeamten zuzustellen, in deren Kreisen gemäß Art. 29 leg. cit.

die Verkündung ebenfalls stattzufinden hat. Die zurückgelangenden

376

Verkündscheine leitet er sodann mit dem von ihm .ausgestellten gehörig legalisiert an den betreffenden diplomatischen oder konsularischen Agenten (zu vergleichen die Zusatzerklärung vom I I . März 1892).

Dieses Verfahren entspricht demjenigen, welches beobachtet wird, wenn italienische Angehörige sich in der Schweiz verehelichen wollen, indem in solchen Fällen die italienischen Konsuln ihrerseits die Übermittlung übernehmen.

Es ist gegen das geschilderte Vorgehen um so weniger etwas einzuwenden, als dasselbe bis jetzt keinen Übelständen gerufen hat, vielmehr unsern Landsleuten in Italien sehr zu statten gekommen ist und zu der oben erwähnten schweizerisch - italienischen Erklärung nicht im Widerspruch steht.

Daß übrigens bei Verehelichung von Schweizern in Italien schon seit langen Jahren die Vermittlung der dortigen schweizerischen Vertreter Platz gegriffen hat, ergiebt sich aus dem Kreisschreiben, welches das eidgenössische Departement des Innern als damalige Aufsichtsbehörde über das Civilstandswesen am 17. September 1880 an die Kantone erlassen hat (Bundesbl. 1880, III, 701 und Anleitung im ,,Handbuche für die Civilstandsbeamtena, Nr. 153).

10. Es ist zu unserer Kenntnis gekommen, daß am 4. April 1893 zu Genf in der Kreuzerhöhungskirche der kaiserlich russischen Mission durch den von dem Psalmenleser verbeiständeten Oberpriester ein russisches Brautpaar ohne vorherige Civiltrauung eingesegnet worden ist.

Wir haben infolgedessen die kaiserlich russische Gesandtschaft auf die Artikel l, 29 ff., 40 und 59 unseres Civilstandsgesetzes aufmerksam gemacht und gleichzeitig bemerkt, daß /.wischen den fraglichen Personen vom Standpunkte des schweizerischen Rechtes aus ein rechtsgültiger Eheabschluß uicht vorliege, dieselben aber nachträglich nach schweizerischem Rechte eine gültige Ehe eingehen können.

Die russische Gesandtschaft antwortete hierauf, daß nach russischem Recht die Civilehe für russische Unterthanen nicht bestehe, da in Rußland einzig die kirchliche Eheschließung anerkanni; sei, sowie daß seit den ungefähr 35 Jahren, während welcher die russische Kirche in Genf bestehe, in derselben stetsfort russische Brautpaare eingesegnet worden seien, ohne daß der Priester die vorherige Civiltrauung verlangt hätte.

377

Diese Antwort veranlaßte uns, einerseits die in Betracht kommenden Personen durch die Behörden ihres Wohnsitzes auf ihre ungesetzliche Position und die möglichen mißlichen Folgen aufmerksam machen zu lassen, und andererseits dem betreffenden russischen Geistlichen in Genf durch den Staatsrat dieses Kantons die Strafbestimmung in Artikel 59 unseres Ehegesetzes bekannt zu geben, letzteres mit dem Bemerken, daß für diesmal von einer Klagerhebung gegen ihn einzig aus dem Grunde Umgang genommen werde, weil seine bona ftdes angenommen werde, daß aber künftighin Widerhandlungen gegen das schweizerische Gesetz unnachsichtlich zur Bestrafung gezogen werden müßten.

Von diesen Maßnahmen haben wir die russische Gesandtschaft in Kenntnis gesetzt und dabei an eine sachbezügliche Note derselben vom (5. Oktober 1876 erinnert, in welcher sie sich dahin geäußert, ein russischer Unterthan möge in beiden Formen (bürgerlich und kirchlich) sich trauen lassen und damit den Anforderungen der russischen und der schweizerischen Gesetzgebung genügen.

11. Die Redaktion und der Verlag der ,, A m e r i k a n i s c h e n S c h w e i z e r Z e i t u n ga in N e w - Y o r k hat an uns das Gesuch gestellt, es möchten der genannten Zeitung durch Vermittlung des Eidgenössischen Statistischen Bureaus mit Bezug auf sämtliche Todesfälle in der Schweiz, welche über 18 Jahre alte Sehweizerbürger betreffen, zur Orientierung der Schweizer in Amerika die Vor- und Geschlechtsnamen mitgeteilt werden.

Wir haben jedoch auf den gemeinschaftlichen Antrag des Justiz- und Polizeidepartementes und des Departementes des Innern dieses Gesuch mit der Begründung abschlägig beschieden, daß das den eidgenössischen Behörden zu statistischen Zwecken zur Verfügung stehende Material die Herstellung des gewünschten namentlichen Verzeichnisses nicht erlaube.

12. Das Justizdepartement des0Kantons N e u e n b u r g stellte das Gesuch, es möchte entgegen dem einschlägigen Kreisschreiben des Bundesrates vom 7. Juni 1889 (Bundesbl. 1889, III, 342) ausnahmsweise gestattet werden, daß das Civilstandsamt La Coteaux-Fées dem kantonalen Untersuchungsrichter für kurze Zeit einige Civilstandsregisterbände aushingebe. Es handelte sich hierbei um eine Untersuchung wegen Fälschung von Privaturkunden, bei welcher unbedingt Originalunterschriften in den fraglichen Registern durch Schriftexperten zu prüfen waren, das einzige Mittel, um zur Konstatierung der Wahrheit zu gelangen. Im Hinblicke hierauf, Bundesblatt. 49. Jahrg. Bd. I.

27

378

·:·

sowie in Anbetracht der Thatsache, daß in diesem Falle die in dem eingangs erwähnten Kreisschreiben vorgesehenen legalisierten Auszüge der Untersuchungsbehörde nicht hätten genügen können, glaubten wir, die nachgesuchte Ermächtigung erteilen zu sollen.

13. Die Einfrage einer kantonalen Aufsichtsbehörde, ob auch für den Fall, daß das Eheversprechen bei dem Civilstandsbeamten am Wohnorte der Braut abgegeben worden sei, die Eheakten von dem Civilstandsbeamten am Wohnorte des Bräutigams aufzubewahren und die in Artikel 37, Absatz 3, des Civilstandsgesetzes vorgeschriebene Trauermächtigung einzuholen sei, haben wir im Hinblick auf die Artikel 34--37 des Gesetzes und die §§ 26--33 des zudienenden Réglementes bejahend beantwortet. Hiermit stehen in Einklang die Ausführungen, welche in den Nummern 141, 144, Absatz 2, 171 und 182 der Anleitung im ,,Handbuche für die Civilstandsbeamtena enthalten sind.

14. Von den noch pendenten H e i m a t l o s e n - F ä l l e n sind im Berichtsjahre a c h t definitiv erledigt worden. Mehrere andere Fälle sind durch direkte Erhebungen des damit beauftragten Beamten des Justiz- und Polizeidepartementes der Erledigung nahe gerückt.

N e u e Heimatlosen-Angelegenheiten sind z e h n zum Vorschein gekommen ; vier derselben sind bereits erledigt. Zwei alte, längst als erledigt betrachtete Fälle haben nochmaliges Einschreiten erfordert.

VI. Handelsregister.

A. Allgemeines.

1. F i r m e n r echt. Veranlaßt durch einen speciellen Fall hat der Bundesrat dem Justiz- und Polizeidepartement durch Schlußnahme vom 6. März 1896 den Auftrag erteilt, ihm Bericht und.

Antrag über Revision des ganzen Firmenrechtes vorzulegen. Die bezüglichen Arbeiten sind irn Gang.

2. B e r e i n i g u n g des H a n d e l s r e g i s t e r s : a. Der Umstand, daß der Inhalt des Handelsregisters vielfach mit den Thatsachen im Widerspruch stand, veranlaßte den Bundesrat, die Kantonsregierungen durch Kreisschreiben vom 6. März 1896 hierauf aufmerksam zu machen und sie zur Vornahme einer außerordentlichen Bereinigung des Handelsregisters einzuladen. Das bezügliche Kreisschreiben ist im II. Band des Bundesblattes, pag. 130, abgedruckt.

379

b. Um zu konstatieren, welche Änderungen der Registereinträge nötig seien, veranstaltete das Handelsdepartement eine einläßliche Enquete. Die Unrichtigkeiten im Handelsregister, welche dabei zu Tage traten, wurden dem Justiz- und Polizeidepartement und von diesem den Kantonsbehörden mitgeteilt. Die hierauf gestützte Revision der Register konnte im Berichtsjahre fast durchweg vollendet werden.

B. Statistik.

Die durchgreifende Bereinigung des Handelsregisters verursachte selbstverständlich eine bedeutende Erhöhung der Zahl der Einträge.

Diese Zahl war zwischen 1884 und 1895 (das Jahr 1883 muß außer Betracht fallen, da in demselben das Handelsregister gerade eröffnet worden war) durchschnittlich 6677. Das Jahr 1896 weist dagegen 16,621 Einträge auf, eine Zahl, die erst einmal annähernd erreicht wurde, nämlich im Jahre 1891, als infolge Inkraftsetzung der neuen Verordnung über Handelsregister und Handelsamtsblâtt, vom 6. Mai 1890, ebenfalls eine außerordentliche Registerbereinigung stattfand; damals wurden 16,308 Einträge vorgenommen.

Im Jahre 1896 wurden eingetragen: · a. Im H a u p t r e g i s t e r ( A ) : 2887 Einzelfirmen (1895: 2675): 874 Kollektiv- und Kommanditgesellschaften (1895: 827); 378 Aktiengesellschaften, Kommandit-Aktiengesellschaften und Genossenschaften (1895: 342); 121 Vereine (1895: 88); 124 Zweigniederlassungen (1895: 97); 1257 Bevollmächtigungen (1895: 986).

b. Im b e s o n d e r e n R e g i s t e r (B): 14 Personen (1895: 71).

Gelöscht wurden: a. Im H au p t r e g i s t e r : 4147 Einzelfirmen (1895: 2432), wovon 229 wegen Konkurses (1895: 262); 1130 Kollektiv- und Kommanditgesellschaften (1895 : 581), wovon 25 wegen Konkurses (1895: 21); 98 Aktiengesellschaften, Kommandit-Aktiengesellschaften und Genossenschaften (1895: 62), wovon 5 wegen Konkurses (1895: 2);

380

45 Vereine (1895: 18, wovon l wegen Konkurses); 91 Zweigniederlassungen (1895: 72), wovon l wegen Konkurses (1895: --); 922 Bevollmächtigungen (1895: 725).

b. Im b e s o n d e r e n R e g i s t e r : 210 Personen (1895: 72).

Veränderungen gelangten zur Eintragung: 2631 betreffend Einzelfirmen (1895: 507); 514 betreffend Kollektiv- und Kommanditgesellschaften (1895 : 275); 316 betreffend Aktiengesellschaften, Kommandit-Aktiengesellschaften und Genossenschaften (1895 : 244) ; 341 betreffend Vereine (1895: 115); 862 betreffend das Personal der Vorstände von Genossenschaften (1895: 304); 39 betreffend Zweigniederlassungen (1895: 25).

Auf 31. Dezember 1896 bleiben im Handelsregister eingetragen: a. I m H a u p t r e g i s t e r : 30,859 Einzelfirmen (gegen 32,119 im gleichen Zeitpunkt des Vorjahres und 24,023 auf 31. Dezember 1883); 5,363 Kollektiv- und Kommanditgesellschaften (1895: 5214; 1883 : 3666); 4,622 Aktiengesellschaften, Kommandit-Aktiengesellschaften und Genossenschaften (1895: 4342; 1883: 1417); 1,106 Vereine (1895: 1030; 1883: 134); 716 Zweigniederlassungen (1895: 682; 1883: 368).

b . Im b e s o n d e r e n R e g i s t e r : 781 Personen (1895: 977; 1883: 2052).

Die Gesamtsumme der für die Eintragungen bezogenen Gebühren beträgt Fr. 74,860, wovon dem Bunde Fr. 14,972 zukommen.

Über die Verteilung obiger Ziffern auf die einzelnen Kantone geben die beigefügten zwei Tabellen A und B Aufschluß.

C. Specielle Fälle.

18 Rekurse wurden anhängig gemacht (1895: 9). Davon entfallen 5 auf den Kanton Bern. 3 auf Zürich, je 2 auf St. Gallen und Genf und je einer auf Freiburg, Solothurn, Basel, Tessin, Waadt

Beilage H.

Bestand

Zu Seite 380.

der

am 31. Dezember 1896 im Handelsregister eingetragenen Einzelfirmen, Handelsgesellschaften, Vereine und nicht handeltreibenden Personen.

Kantone.

Einzelfirmen.

(1895)

1896

Kollektiv- und KommanditGesellschaften.

(1895) ( 774)

1896 812

Zürich .

Bern Luzern Uri Schwyz Nidwaiden Obwalden Glarus Zue Freiburg .

. .

Solothurn .

. . .

Baselstadt Baselland Schaffhausen . . . .

Appenzell A.-Rh Appenzell I -Rh St. Gallen Graubünden . . . .

Aarerau Thurgau Tessin Waadt Wallis Neuenburg Genf

( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( (

Total am 31. Dezember 1896

(32,119) 30,859

(5214) 5363

Total am 31 Dezember 1883

24,023

3666

3,716) 4,244) 1,281) 75) 435) 122) 134) 567) 194) 1,360) 624) 985) 223) 527) 607) 63) 1,942) 1 048) 1,149) 840) 1,576) 5,145) 330) 1,804) 3,128)

3 611 4,231 1,205 76 446 123 133 549 194 1 281 644 977 212 494 591 64 1 904 1 045 1 131 915 1 373 4,695 301 1,752 2,912

( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( (

685) 172) 26) 63) 28) 22) 96) 36) 110) 109) 323) 46) 56) 73) 3) 337) 228) 269) 123) 216) 563) 72) 344) 440)

713 189 33 67 25 21 100 35 118 111 335 45 61 75 3 341 236 275 118 216 556 75 347 456

Aktiengesellschaften, Kommandit-AktienGesellschaften und Genossenschaften.

(1895)

1896

Vereine.

(1895)

1896

ZweigNiederlassungen.

(1895)

1896

(1895)

1896

85 92 27 3 3 2 2 4 3 16 10 49 3 1 2 2 79 52 17 55 26 66 11 51 55

(118) (432) (158) ( --) ( --) ( 2)

99 350 112 -- -- 2

511) 981) 141) 5) 27) 8) 10) 25) 29) 266) 119) 102) 38) 42) 49) 6) 170) 64) 180) 64) 49) 953) 41) 196) 266)

583 1031 148 5 30 10 13 27 30 277 126 112 41 44 46 6 197 70 197 74 51 982 48 195 279

( 43) 42 ( 198) 223 ( 34) 38 ( i) i ( 3) 3 ( --) -- ( 1) 2 ( 6) 7 ( 8) 8 ( 6 4 ) 71 ( 20) 22 ( 27) 31 ( 12) 13 ( 7) 7

(4342)

4622

(1030) 1106

( 682) 716

134

368

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(( --D) --i ( 38) 43

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( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( (

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Besonderes Register.

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781

2052

32 15 9 31 6

Total.

(1895)

1896

5 246) 6,62'J) 1,813) 110) 531) 162) 170) 699) 271) 1,852) 972) 1,481) 324) 633) -738) 74) 2 572) l 409) 1 059) i 080) i 932) 6,975) 471) 2,499) 4,062)

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162 171 687 272 1 795 985 1 504 315 607 71!)

75 2 572 1 424 1 674 1 171 1 718 6 55!)

442 2 45 1 3 876

(44,364)

43,447

( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( ( (

31,740

Beilage A.

Handelsregister-Eintragungen im Jahre 1896.

Kantone.

1 i Zürich

. . . .

Bern

. .

Uri Schwyz

Glarus Zu»Freiburg Solothurn Baselstadt Baselland Schaffhausen . .

Appenzell A.-Rh.

Appenzell I.-Rh. .

St-Gallen Graubünden . .

. .

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154 113 30 11 11 1 1 14 5 25 21 71 7 10 5

50 34 8

47 26 45 10 33 92 8 51 83

17 7 14 10 14 47 2 21 21

( 50) ( 17) ( 10) D

( 2) (9) ( 2) ( 12) ( 2) ( 2)

Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften und Genossenschaften.

Kollektiv- und KommanditGesellschaften.

Einzelfirmen.

172 158 96 3 18 3 2 18 6 118 15 50 16 12 5

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275 257 283 349 290 230 269 347 258 138

Total 1895 ,, 1894 ,, 1893 ,, 1892 ,, 1891 ,, 1890 ,, 1889 ,, 1888 1887 ,, 1886

2675 2284 1966 3071 6678 2453 1866 1743 1891 2101

1302 1078 943 1305 2184 504 423 343 356 335

(262) (282) (288) (384) (258) (201) (219) (212) (256) (256)

120 36 34 38 154 421 35 93 172

1130 908 930 1317 1771 1105 1105 1016 1182 873

S07 288 307 775 378 139 105 105 63 68

827 705 695 883 885 620 545 511 478 502

215 171 195 236 245 112 116 108 113 97

( D ( 6) ( D ( 6)

(21) 126) (29) (44) (19) (19) (14) (13) (25) (16)

26 11 25 5 19 52 8 27 46

366 394 344 518 379 352 330 325 320 325

14 26 23 8 23 52 15 31

275 201 202 394 195 143 105 96 88 83

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72 35 34 177 713 90 34 186 92 42

(286) 10,518 (307) 8,659 (327) 8,339 (436) 11,777 (291) 16,308 (224) 7,736 (235) 6,599 (234) 6,618 (290) 6,664 (277) 6,181

10,963 8,893 8,752 11,437 15,056 8,269 7,018 7,118 7,398 6,379

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381

und Wallis. Vier wurden begründet erklärt und sechs abgewiesen, auf drei wurde nicht eingetreten ; drei sind zurückgezogen oder gegenstandslos geworden. Zwei fanden ihre Erledigung erst im Jahre 1897.

In folgenden Fällen, M'elche von allgemeinem Interesse sind, wurden die Entscheide veröffentlicht, teils im Bundesblatt und Handelsamtsblatt, teils nur in letzterem : ,,Eidgenössische Bank (Aktiengesellschaft)", Entscheid vom 11. Februar, Bundesbl. II, 1073 ; Schweiz. Handelsamtsblatt Nr. 132, pag. 546.

.,,Peter-Vogt, Karl Albert1', Entscheid vom 14. April, Bundesblatt II, 1070; Schweiz. Handelsamtsblatt Nr. 130, pag. 537.

,,Allgemeine Krankenkasse der Stadt Biela, Entscheid vom 2. April, Bundesbl. II, 857; Schweiz. Handelsamtsblatt Nr. 124, pag. 513.

,,Bäckermeisterverein Biel und Umgebung1', Entscheid vom 10. April, Bundesbl. H, 1063; Schweiz. Handelsamtsblatt Nr. 127, pag. 524.

,,Schweizerische Volksbank", Entscheid vom 1. Juni, Schweiz.

Handelsamtsblatt Nr. 154, pag. 639.

,,Dr. Eugster"-, Entscheid vom 2. Oktober, Schweiz. Handelsamtsblatt Nr. 280, pag. 1153.

Von allgemeinem Interesse ist auch der die ,, S o l o t h u r n i s c h e K r e d i t b a n k " betreffende Fall: Die Solothurner Behörden hatten sich geweigert, eine Statutenänderung dieser Aktiengesellschaft ins Handelsregister einzutragen, da die Anmeldung nicht von der statutengemäß vorgesehenen Anzahl von Mitgliedern des Verwaltungsrates unterzeichnet war, indem der Verwaltungsrat infolge von Austritten unvollständig geworden war.

Der Bundesrat -hat den hiergegen ergriffenen Rekurs am 21. Februar als unbegründet abgewiesen, gestützt auf folgende Erwägungen: 1. Art. 626 O.-R. setzt fest, daß Statutenänderungen einer Aktiengesellschaft in gleicher Weise in das Handelsregister eingetragen werden müssen, wie die ursprünglichen Statuten. In dieser Richtung verlangt nun aber Art. 622 O.-R., daß die Anmeldung zum Handelsregister von sämtlichen Mitgliedern der Verwaltung vor der Registerbehörde unterzeichnet oder in beglaubigter Form eingereicht werde. Mit der Unterzeichnung der Anmeldung übernehmen die Mitglieder der Verwaltung die Verantwortung für

382 die Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben. Es ist deshalb von wesentlicher Bedeutung, daß die Anmeldung nicht nur von einem oder mehreren, sondern von sämtlichen statutarisch vorgesehenen Mitgliedern unterzeichnet sei. Mit dem Gedanken und der Absicht des Gesetzes stimmt denn auch die Ausdrucksweise desselben überein.

2. Indem die Mitglieder des Verwaltungsrates die Statutenrevision anmelden, fassen sie keinen Beschluß, sie vollbringen vielmehr einen durch das Gesetz (Art. 626) geforderten konstitutiven Formalakt und erfüllen eine gesetzliche Funktion, der sie sich gar nicht entziehen können.

3. Daß die eine Statutenrevision anmeldende Verwaltung statutengemäß vollzählig besetzt sein muß, ergiebt sich überdies aus Art. 626 in Verbindung mit Art. 622, Ziffer 3, O.-R., in welch letzterer Gesetzesstelle bestimmt wird, daß der Anmeldung zum Handelsregister der Nachweis beigefügt sein müsse, daß die Verwaltung besetzt sei. Das Gesetz will, daß die Statuten nicht zur Eintragung ins Handelsregister angemeldet werden, ohne daß die Verwaltung besetzt ist. Dieses Erfordernis gilt offenbar auch bei der Anmeldung von Änderungen der Statuten. ,,Besetzt11 ist aber die Verwaltung im Sinne des Gesetzes nur dann, wenn sie statutengemäß besetzt ist.

4. Der Verwaltungsrat der Solothurnischen Kreditbank kann daher nicht in der Besetzung von 5 Mitgliedern die Statutenrevisionsbeschlüsse der Generalversammlung vom 10. April 1895 zur Eintragung in das Handelsregister anmelden, wenn die Statuten bestimmen, daß er aus mindestens 7 Mitgliedern bestehe.

VII. Rekurswesen.

Statistik.

Im Jahre 1896 waren mit Einrechnung der aus dem Vorjahre anhängig gebliebenen Fälle 152 Rekurse (1895 : 125; 1894:'l39) zu behandeln, von welchen 140 ihre Erledigung fanden und 12 als unerledigt auf das Jahr 1897 übertragen wurden. In 6 Fällen wurde die Sache durch entsprechende Verfügung der Kantonsbehörden zum Austrag gebracht, 3 Rekurse wurden zurückgezogen, auf l Rekurs wurde wegen Fristversäumnis nicht eingetreten und l Rekursfall wurde durch Vergleich der Parteien gegenstandslos.

383

In 94 Rekurse (1895: 75; 1894: 91) traten wir materiell nicht ein, teils weil sie ausschließlich in die Kompetenz der kantonalen Behörden oder des Bundesgerichts fielen, teils weil da, wo unsere Kompetenz materiell wirklich begründet gewesen wäre, die kantonalen Instanzen noch nicht erschöpft waren.

Die übrigen 35 Rekurse (1895: 24; 1894: 32) betrafen dem Gegenstande nach : 20 Beeinträchtigung der Handels- und Gewerbefreiheit; 7 Verweigerung oder Entzug der Niederlassung gegenüber Ausländern ; l Haftpflicht, resp. Armenrecht; l Verbotenes Glücksspiel.

11 Rekurse wurden begründet erklärt und 22 abgewiesen.

l Stimmrecht- und Wahlrekurs wurde teilweise begründet erklärt und teilweise abgewiesen, ebenso l Rekurs betreffend Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit.

Die Bundesversammlung hatte sich im Jahre 1896 mit 5 Beschwerden und Rekursen aus dem Geschäftskreise des Justiz- und Polizeidepartements zu befassen (1895: 5 ; 1894: 6). l Rekurs wurde begründet erklärt, 3 Rekurse wurden zurückgezogen oder gegenstandslos und in einem Fall erfolgte Abweisung des Rekurses.

384

A. Entscheidungen in Anwendung der Bundesverfassung.

a. Handels- und Gewerbefreiheit, aa. Statistik.

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1. Wirtschaftswesen .

2. Hausierwesen, einschließlich Wauderlasjer o 3. Großhandel mit Wein oder Bier 4. Ausfuhr von Losholz 5. Ausübung der Verrichtungen einer Leichenbitterin .

6. Kommunale Marktgebühr für Fleischeinfuhr . . . .

7. Ausbeutung eines Steinbruchs .

8. Ausübung des Kaminfegerberufs .

9. Abgabe von Medikamenten außerhalb des Wohnsitzkantons 10. Verweigerung eines Marktpatentes an einen außerkamtonalen Speckhändler 11. Kantonale Staatsgebühr bei bundesbehördlicherBewilligung von Sonntagsund Nachtarbeit in einer Fabrik

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385 bb. Einzelne Rekursfälle.

1.

Wirtschaftswesen.

Der ßundesrat hat auch im Jahre 1896, wo es immer das Verfassungsrecht als zulässig erscheinen ließ, die Kantone in ihren Bestrebungen, der allzugroßen Vermehrung der Wirtschaften entgegenzutreten, unterstützt ; insbesondere wird von der Ansicht der Kantonsregierungen über das Vorhandensein eines öffentlichen Bedürfnisses niemals ohne zwingenden Grund abgewichen, wie sich z. B. aus unserer Entscheidung vom 8. Mai 1896 in der Rekurssache D u c o m m u n gegen den Staatsrat von F r e i b u r g (Wirtschaft im Quartier Beauregard der Stadt Freiburg) ergiebt; ebenso maßen wir stets der persönlichen Qualifikation des Rekurrenten eine entscheidende Bedeutung bei, es wurde deshalb z. B. der Rekurs eines C a r a m e l l a gegen Wallis (Wirtschaft in Randa bei /ermatt) von uns als unbegründet erklärt.

Von einzelnen Fällen führen wir an : 1. Im Rekursfalle der Frau E l i s o L i n d e r , in Bolligen, hatte der Bundesrat die Frage zu untersuchen, ob der Kanton B e r n (durch Bestimmungen wie § 33 des Wirtschaftsgesetzes vom 15. Juli 1894 und Art. 19 der Vollziehungsverordnung zu diesem Gesetze vom 10. August 1894) den Betrieb des Großhandels mit geistigen Getränken an die Bedingung knüpfen könne, daß sich der Gewerbetreibende ins Handelsregister eintragen lasse. Die Rekursbehörde sprach sich aus den im Bundesbl. 1896, II, 1057, (Beschluß vom 10. April 1896) veröffentlichten Gründen dahin aus, daß die eidgenössische Gesetzgebung allein über die Pflicht zur Eintragung ins Handelsregister zu entscheiden habe.

2. Frau E l i s e L i n d e r , in Bolligen, war durch den Polizeirichter von B e r n zu einer Buße verurteilt worden wegen Widerhandlung gegen das bernische Wirtschaftsgesetz, welches den Verkauf geistiger Getränke über die Gasse nach 8 Uhr abends, sowie an Sonn- und Festtagen durch andere Verkaufsstellen als Wirtschaften verbietet. Der Bundesrat nahm in seinem Beschlüsse vom 4. Juni an, eine solche Bestimmung rechtfertige sich aus Gründen des öffentlichen Wohls, im Interesse der Sonntagsruhe und zur Verhütung sonntäglicher Trinkgelage (Bundesbl. 1896, III, 595).

3. Unter Verweisung auf den unter Ziffer 2 angeführten Entscheid wurden auch die Beschwerden des W. A l b r e c h t und Genossen, in Bern, und des H. U h i m an n, in Lyß, abgewiesen.

386

·i. Das l u z e r n i s c h e W i r t s c h a f t s g e s e t z vom 22. November 1883 stellt es in Art. 20 dem Regierungsrate anheim, die Erteilung von Wirtspatenten bis auf weiteres einzustellen, wenn wegen zu starker Vermehrung der an einem Orte bestehenden Wirtschaften eine ernstliche Besorgnis für das öffentliche Wohl begründet ist. Der Bundesrat hatte schon in seiner Rekursentscheidung betreffend Strahm in Malters CBundesbl. 1891, II, 351) die Regierung des Kantons Luzern an die Bundesgerichtssprüche vom 2. Februar und 30. März 1889 (A. S. XV, 157 ff.) erinnert, welche es als nicht zulässig erklären, die Entziehung oder Verweigerung eines Wirtschaftspatentes auf ein v o r 1885 (Revision von Art. 31 der Bundesverfassung) erlassenes, die Zahl der Wirtschaften wegen des öffentlichen Wohles beschränkendes kantonales Gesetz zu stützen.

Im Falle J o s e p h M e y e r , in Gettnau, glaubte indessen der Bundesrat, in dem allgemein lautenden § 15 des L u z e r n e r Wirtschaftsgesetzes eine genügende Stütze zur Abweisung des Rekurses gefunden zu haben. Meyer gelangte aber an die eidgenössischen Räte und diese erkannten am 18./22. Dezember 1896, die Verweigerung des Wirtschaftspatentes durch die Regierung des Kantons Luzern entbehre der gesetzlichen Grundlage, da sie thatsächlich lediglich auf den Mangel eines Bedürfnisses gegründet war.

Nun mehrten sich die Wirtschaftsrekurse aus dem Kanton Luzern in außerordentlichem Maße, wobei alle das gleiche juristische Argument ins Feld führten und daher, da die Wirtschaftspateute bloß wegen Mangel eines Bedürfnisses verweigert worden waren, gutgeheißen werden mußten.

In einem Falle führte die Luzerner Regierung als weiteren Grund ihres abschlägigen Bescheides den Umstand an, das Haus des Rekurrenten sei für die polizeiliche Überwachung sehr unpassend gelegen. Der Bundetrat war indessen der Ansicht, die Polizei habe sich nach den Verhältnissen zu richten, wie auch der Gewerbetreibende selbst den gegebenen Umständen sich anpassen müsse; die bloße Schwierigkeit polizeilicher Aufsicht sei kein genügender Grund, ein Wirtschaftspatent zu versagen, wenn sich der Gesuchsteller im übrigen den polizeilichen Vorschriften unterziehe (Entscheid vom 4. Dezember 1896 in Sachen J. X. Kopp).

2. Hausierwesen.

l. Gegen eine vom Kleinen Rate des Kantons G r a u b ü n d e n am 29. März 1895 erlassene Vollziehungsverordnung zum kantonalen Gesetz über den Markt- und Hausirverkehr vom 23. Januar 1884

387

erhoben die Hausierer B a n f i und Konsorten Beschwerde wegen Auferlegung zu hoher Patenttaxen. Im angeführten Gesetze wird es dem Kleinen Rate anheimgestellt, die Taxen für den Gewerbebetrieb im Umherziehen innerhalb eines bestimmten Rahmens und nach gewissen Normen festzusetzen.

Die Rekurrenten hatten sich schon im Jahre 1892 gegen die vom Kleinen Rate in Ausführung dieser Bestimmung erlassene Vollziehungsverordnung gewendet (siehe Geschäftsbericht für das Jahr 1892, Bundesbl. 1893, II, 60), und jene Beschwerde ist insofern gutgeheißen worden, als die Regierung von Graubünden eingeladen wurde, die Patenttaxen für Wanderlager so zu bestimmen, daß dieselben der kommerziellen und ökonomischen Bedeutung und Ausdehnung des Geschäftes im konkreten Falle angepaßt werden können.

Im vorliegenden Rekursfalle nun kam der Bundesrat zur Ansicht, daß die neue Vollziehungsverordnung vom verfassungsrechtlichen Standpunkte nicht zu beanstanden sei, da die darin vorgesehenen Maxima und Minima der Patenttaxen eine billige Berücksichtigung der Umstände des einzelnen Falles nicht ausschließen. Auch schien bei Anwendung dieser Verordnung auf den Fall der Rekurrenten das Gewerbe derselben nicht in einem mit dem Grundsatz der Gewerbefreiheit unvereinbarlichem Maße belastet worden zu sein; die Beschwerde wurde daher, durch Beschluß vom 23. Juni 1896, abgewiesen.

2. In einem ändern Falle wandte sich ein S p i r i t u o s o n g r o ß h ä n d l e r gegen eine Schlußnahme des Regierungsrates des Kantons B e r n , wodurch ihm, gestützt auf das Berner Hausiergesetz und auf Art. 7 des Bundesgesetzes betreffend gebrannte Wasser, untersagt worden war, in Bern eine öffentliche Versteigerung von Spirituosen in Quantitäten von mindestens 40 Litern zu veranstalten.

Der Bundesrat wies den Rekurs durch Beschluß vom 27. November 1896 ab, mit der Begründung, das Bundesgesetz vom 23. Dezember 1886 habe in Art. 7 jede Art von Hausieren mit gebrannten Wassern in absoluter Weise verboten. Die Bundesgesetzgebung überlasse es den Kantonen, den Begriff des Hausierens innerhalb den von Art. 31 der Bundesverfassung gezogenen Grenzen zu bestimmen. Indem das bernische Gesetz vorn 24. März 1878 über den Marktverkehr und den Gewerbebetrieb im Umherziehen auch das Feilbieten von Waren durch vorübergehende Eröffnung eines Warenlagers dem Begriffe des Gewerbebetriebs im Umherziehen unterstelle und die geistigen Getränke und gebrannten Flüssigkeiten vom Verkauf im Umherziehen vollständig ausschließe,

388 setze es sich mit dem Bundesrechte nicht in Widerspruch ; denn wenn man sich vergegenwärtige, daß ein Spirituosenhändler seine Ware wiederholt in mehreren Kantonen auf diese Weise an den Mann zu bringen suchte, sei sofort erkennbar, daß hier ein Gewerbebetrieb im Umherziehen vorliege.

Da der Beschwerdeführer den Rekurs an die Bundesversammlung ergriffen hat, · werden Sie sich mit der Sache noch näher zu befassen haben.

3. Der Rekurs, welchen die S c h w e i z e r i s c h e P e t r o l e u m h a n d e l s g e s e l l s c h a f t gegen den bundesrätlichen Entscheid vom 5. Februar 1895 an die Bundesversammlung ergriffen hatte, wurde durch Bundesbeschluß vom 3. Juni 1896 als gegenstandslos erklärt, auf Grund folgender Erwägungen : 1. daß der Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit durch eine Verfügung beeinträchtigt würde, welche die Abgabe vorbestellter Waren, einmaliger oder wiederholter Lieferungen, durch den Verkäufer in das Domizil der Käufer verhindert; 2. daß dem Regierungsrat des Kantons Bern gemäß dem Entscheid des Bundesrates vom 5. Februar 1895 das Recht vorbehalten bleibt, das Feilbieten von leicht entzündlichen Stoffen im Herumführen von Haus zu Haus zu verbieten; 3. daß der Regierungsrat des Kantons Bern mit seinem Entscheid vom 30. Mai 1894 ausschließlich beabsichtigt, einen hausiergemäßen Geschäftsbetrieb im Sinne der Ziffer 2 zu verbieten, und die Schweizerische Petroleumhandelsgesellschaft in ihrer dem Bundesrate eingereichten Rekursschrift auf einen solchen Geschäftsbetrieb verzichtet.

4:. Das Polizeidepartement des Kantons T h u r g a u richtete an unser Departement die Anfrage, ob ein neues thurgauisches Gesetz über Markt- und Hausierverkehr die Bestimmung aufnehmen könne, daß Hausierpatente nur an solche Personen erteilt werden, welche in der Schweiz Niederlassung und seit einem Jahre thatsächlichen Wohnsitz haben. Auch hier, wie im vorigen Jahre an Appenzell A.-Rh.

(Bundesbl. 1896, II, S. 39, N. 18), wurde geantwortet, eine solche Bestimmung sei den Staaten gegenüber, mit welchen die Schweiz Niederlassungsvcrträge abgeschlossen hat, absolut unzulässig.

3. Leiclienbitterinneriberuf.

In der S t a d t B e r n besteht von Alters her das Institut der Leiehenbitterinnen, welche daselbst seit 1823 bis in die jüngste

389 Zeit gemäß einem Regiemenü als Gemeindeangestellte 'behandelt und nur in beschränkter Zahl zugelassen worden sind. Anläßlich des Rekurses der L i n a M e r z , welche wegen Anmaßung dieses Amtes strafgerichtlich verurteilt worden war, hat der Bundesrat am 18. August 1896 erkannt, daß die angeführte Reglementsbestimmung gegen den Grundsatz der Gewerbefreiheit verstoße, indem sie, ohne daß es das öffentliche Interesse verlange, die freie Konkurrenz auf diesem Gebiete ausschließe. (Vgl. Bundesbl.

1896, III, 841.)

4. Verbot der Holzausfuhr.

1

Die ,,Bäuert" M e i r i n g e n hat in ihrem Forstreglement den Genossen die Ausfuhr von rohem Holze außer den Amtsbezirk bei einer Buße von Fr. 5 bis 100 untersagt. Der Bäuertgenosse Melchior B r o g - B a u m a n n , welcher auf Grund dieser Strafbestimmung mit Fr. 30 Buße belegt worden war, focht dieselbe als dem Grundsatz der Gewerbefreiheit widersprechend beim Bundesrate an. In Übereinstimmung mit früheren Entscheiden auf dem gleichen Gebiete (Ullmer II, Nr. 735--739, Bundesbl. 1880, I, S. 401) wurde indessen durch Beschluß vom 17. November erkannt, solche Verbote beeinträchtigen die Handels- und Gewerbefreiheit nicht, da der Bäuert Meiringen, als der Eigentümerin der Waldungen, das Recht zugestanden werden müsse, die Nutzungsrechte in denselben nach ihrem Ermessen zu gestalten. Übrigens solle dieses Verbot auch dahin wirken, daß das einheimische Holz vor allem dazu diene, den Bedarf der einheimischen, auch der ärmeren Bevölkerung in natura zu decken und ihr so jeden Vorwand zu weiterer Inanspruchnahme des Waldes zu nehmen, ein Punkt, der zugleich forstpolizeilicher und wirtschaftlicher Natur sei. (Bundesbl.

1896, IV, 603.)

5. Markigebuliren.

Am 11. Juni 1894 richteten E. V a u c l a i r und einige andere Metzger aus der Umgebung von P r u n t r u t eine Beschwerde an den Bundesrat gegen das neu erlassene Polizeireglement dieser Stadt.

Sie beklagten sich über zu hohe Marktgebühren (Fr. 2. 50 für Jahrmärkte und Fr. 1. 50 für Wochenmärkte) und über eine Fleischschaugebühr für von auswärts in die Stadt eingeführtes, frisches und geräuchertes Fleisch von 10 Rappen per Kilo. Nachdem die Gemeinde Pruntrut, auf die Vorstellungen der Regierung, im Jahre 1895 die Fleischsehaugebühr auf 5 Rappen herabgesetzt und

390 nur noch · für frisches Fleisch beibehalten hatte, erklärten sich die Rekurrenten mit dieser Reduktion zufrieden. Über die noch streitigen Punkte erkannte der Bundesrat am 10. April 1896 (Bundesbl.

1896, II, 1067), die Marktgebühr stehe in Anbetracht ihrer mäßigen Höhe mit dem Grundsatz der Gewerbefreiheit nicht in Widerspruch ; die Fleischschaugebühr habe in ihrer ursprünglichen Höhe den Grundsatz der Gewerbefreiheit verletzt, und das Rückerstattungsgesuch der Rekurrenten erscheine daher als begründet.

6. Gewerbebetrieb auf öffentlicher

Strasse.

Endlich sei noch erwähnt, daß sich der Ständerat in der Rekurssache I s e n m a n n gegen B o r n (Betrieb einer fahrbaren Holzspaltmaschine auf öffentlicher Straße) durch Beschluß vom 18. März 1896 der Meinung des Nationalrates angeschlossen hat und der Rekurs somit endgültig abgewiesen ist. (Unsere Rekursentscheidung findet sich im Bundesblatt 1895, II, 918.)

b. Niederlassungsrecht.

Wie früher sind auch im Berichtsjahre zahlreiche Beschwerden von Ausländern wegen Ausweisung aus einem Kantonsgebiet anhängig gemacht und samt und sonders als unbegründet abgewiesen worden.

c. Konfessionelles.

Über angeblich u n s c h i c k l i c h e B e e r d i g u n g sind einige Beschwerden eingelaufen. In einem Falle stellte sich die Beschwerde als teilweise begründet heraus: Charles M a g n i n , Grenzwachtchef in Al m a g e l l ( W a l l i s ) beklagte sich darüber, daß er sein todgebornes Kind am 7. November 1895 inmitten eines Weges, außerhalb des Friedhofes, habe beerdigen müssen. Auf unser Ansuchen wurde vom Staatsrat des Kantons Wallis eine Untersuchung angeordnet; dem Berichte des Walliser Departements des Innern war zu entnehmen, daß das Grab zwischen einem provisorischen Wege und dem Friedhofe selbst, der kürzlich angelegt wurde und noch ohne bestimmte Grenzen war, gegraben worden war. Auf Anordnung des Kommissärs der Walliser Regierung wurde dann das Grab um l Meter in der Richtung des Friedhofs verlängert und der Sarg am 4. Januar 1896, unter Beisein des Vaters, in diesen Teil des Grabes gelegt. Der Vater erklärte sich hiermit befriedigt und der Gegenstand war damit erledigt.

391 d. Spielverbot.

1. Schon im März und April 1895 hatte zwischen dem Genfer und dem eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement ein Meinungsaustausch stattgefunden über die Zulässigkeit des im Kursaal Genf betriebenen ,jeu des petits chevaux1'-. Die Genfer Behörde äußerte dabei die Ansicht, daß dieses Hazardspiel der Roulette absolut nicht ähnlich sehe und daß die Höhe der Spielsätze kein Begriffsmerkmal für das verfassungsmäßige Spielverbot sei ; das eidgenössische Departement betonte dem gegenüber, daß die Höhe der Einsätze bei der Beurteilung der Frage, was ein Spielhaus sei, hauptsächlich ins Gewicht falle.

Mit Schreiben vom 16. Juni 1896 beklagte sich Herr F. Durel, Eigentümer des K u r s a a l e s in G e n f , beim Departement darüber, daß der Mieter seines Etablissements, Herr Gcetschel, das sogenannte a v)Rößlispiel (jeu des petits chevaux) auf verfassungswidrige Weise betreibe, indem er als Spielhalter mit großen Gewinnchancen bei nicht unbedeutenden Einsätzen gegen das Publikum spiele.

Auf die Anfrage des Departements teilte der Staatsrat des Kantons Genf am 10. Juli mit, seit April 1896 werde im Kursaale das Rößlispiel nach dem Systeme ,,au tableau01 gespielt ; das Maximum der Einsätze eines Spielers sei, je nachdem er auf eines der neun Pferdchen oder auf eine der beiden Längsbanden eines Tisches setze, Fr. 3 und Fr. 10 ; im ganzen können (von mehreren) auf ein Pferdchen Fr. 6, auf eine Bande Fr. 40 gesetzt werden. Außerdem werde das sogenannte ,,jeu des nations"1 betrieben, bei welchem der Einsatz eines Spielers Fr. l oder Fr. 5, je nach der Spielart, nicht übersteige. Das Spiel werde genau überwacht ; Unregelmäßigkeiten können dabei nicht vorkommen. Der Staatsrat erachte daher das Spiel, wie es im Kursaal betrieben werde, als gefahrlos und als mit Art. 35 der Bundesverfassung nicht im Widerspruch stehend.

Bei diesem jeu des petits chevaux hat der Spielhalter, dçm in Hinsicht auf die Bandeneinsätze von den 9 Nummern eine, Nummer 5, als seine Gewinnsnummer vorbehalten ist, und in Hinsicht auf die Pferdenummern nur die Pflicht obliegt, dem Gewinner 8mal seinen Einsatz abzuliefern, eine von 9 Gewinnchancen, und es wird bei genügender Beteiligung zugleich an vier Tischen gespielt; die Gesamtsumme aller Einsätze kann auf Fr. 536 steigen. Dem einzelnen Spieler ist die Möglichkeit
gegeben, in einer Stunde Fr. 130 zu verlieren.

Das Spiel begann jeweilen um 8 Uhr abends und dauerte über Mitternacht hinaus, zuweilen bis 2 Uhr morgens und noch länger.

392

Das Departement hielt zunächst bei den ändern Kantonen, in denen ebenfalls öffentlich gespielt wird ^Waadt > Bern, Luzern, Graubünden), Umfrage, um zu erfahren, welche Hazardspiele dort in den Kursälen betrieben werden. Die Antworten ergaben keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß ähnlich wie in Genf, die Eigentümer oder Pächter der Kursäle gewerbsmäßig gegen das Publikum spielen.

Der Bundesrat ging bei seiner Schlußnahme vom 19. September 1896 von der Erwägung aus, Art. 35 der Bundesverfassung verpöne, wie die Ausdrücke ,,Spielbanken", ,,Spielhäuser" deutlich genug darthun, solche Einrichtungen, die einem gewerbsmäßigen Betrieb der Glücksspiele dienen ; die Verfassung erblicke in diesen Spielen, in materieller und moralischer Hinsicht, eine Gefahr für das Publikum. Eine Einrichtung wie die Spieltische im ,,Kursaal" von Genf trage nun aber unzweifelhaft die Merkmale der verfassungswidrigen ,,Spielbank"1 an sich ; denn der Pächter des ,,Kursaales" spiele gewerbsmäßig gegen das Publikum und er habe sich, bei gar nicht unerheblichen Spielsätzen, solche Gewinnchancen vorbehalten, daß der Betrieb des Spieles für ihn zu einem ertragreichen Geschäfte, für die Spieler aber, abgesehen von moralischem Schaden, zu einer Gefahr empfindlicher materieller Einbuße worden könne. Der Staatsrat des Kantons Genf wurde daher eingeladen, die nötigen Maßnahmen zur Unterdrückung des ,,jeu des petits chevaux" nach dem Tableausystem zu treffen. Dieser Beschluß wurde durch besondere Schreiben den Regierungen der Kantone Bern, Luzern, Graubünden und Waadt mitgeteilt, mit der Aufforderung, Spielsysteme wie das in Genf beim Rößlispiel geübte Tableausystem unnachsichtlich zu unterdrücken.

Durch Schreiben vom 9. und 13. Oktober teilte der Regierungsrat von Genf dem Bundesrate mit, daß das dortige Justizdepartement dem Pächter des Kursaales die Bewilligung zum Betrieb des ,,jeu des petits chevaux" nach bisherigem System entzogen habe.

e. Wahlen und Abstimmungen.

1. Hiïdgenossische.

Durch Dekret vom 17. Oktober 1896 hatte der Staatsrat des Kantons Tessin verfügt, daß für eidgenössische Wahlen und Abstimmungen bei den Stationen Bellinzona und Biasca besondere Wahlbureaux errichtet werden sollen, wo alle zum Fahrpersonal der Gotthardbahn gehörenden Personen, die im Stimmregister irgend einer Gemeinde des Kantons eingeschrieben sind, ihr Stimmrecht ausüben können. Im Hinblick auf die bevorstehenden Nationalrats-

393 wählen erhob alt-Nationalrat Carlo Vomnentlen am 18. Oktober Beschwerde gegen das erwähnte Dekret, welches mit dem Bundesgesetz; vom 19. Juli 1872, revidiert am 31. Juli 1873 und am 20. Dezember 1888, in Widerspruch stehe.

Art. 3 des Bundesgesetzes vom 19. Juli 1872 bestimmt, daß der Schweizerbürger sein Stimmrecht da auszuüben habe, wo er wohnt; die Gesetzesnovelle von 1888 gestattet nun allerdings den Kantonen, den Eisenbahnangestellten die Stimmabgabe durch besondere Einrichtungen zu erleichtern, aber unter Vorbehalt des erwähnten Art. 3 des Gesetzes von 1872. Gegen diese Vorschrift verstieß das tessinische Dekret. Durch Telegramm vom 20. Oktober machte der Bundesrat dem Staatsrat des Kantons Tessin von der Beschwerde des Herrn Vonmentlen Mitteilung, und eröffnete ihm, daß er, ohne auf die übrigen vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Punkte einzutreten, das Dekret schon jetzt mit Rücksicht auf Art. 3 des Bundesgesetzes von 1872 als gesetzeswidrig erklären müsse und den Staatsrat daher einlade, auf dessen Abänderung Bedacht zu nehmen.

Am 21. Oktober teilte uns die Staatskanzlei des Kantons Tessin mit, daß der Staatsrat durch Dekret vom gleichen Tage das Dekret vom 17. Oktober zurückgenommen habe. (Vgl. Bundesbl.

1896, IV, 480.)

2. Kantonale.

1. Anläßlich der gegen die G e m e i n d e w ä h l e n d e r S t a d t F r e i b u r g gerichteten Rekurse der Advokaten Bielmann, Bourgknecht und Bellenot erkannte der Bundesrat, daß die Studenten an ihrem Studienorte stimmberechtigt seien, vorausgesetzt, daß sio daselbst thatsächlich niedergelassen und im Besitze einer regelrechten Niederlassungsbewilligung seien; unerheblich für die dem Bundesrate unterbreitete Frage der Stimmbcrechtigung sei die.

Thatsache, daß die Studenten in Freiburg eine geringere Niederlassungsgebühr als andere Bürger zu entrichten haben. (Entscheid vom 7. März 1896, Bundesbl. 1896, II, 779.)

2. Ein Rekurs des Xaver B r u n n e r und Genossen in R a i n , K a n t o n L u z e r n , betraf die Stimmberechtigung einer Anzahl Bürger bei den dortigen Gemeinderats- und Betreibungsbeamtenwahlen vom 2. und 9. Juni 1895; er wurde von uns am 26. März 1896 in Bezug auf das Stimmrecht eines Bürgers als begründet, im übrigen aber als unbegründet erkannt. (Bundesbl. 1896, II, 838.)

3. Am 5. Mai 1895 fanden in R o m o n t , wie im ganzen Kanton Freiburg, die G e m e i n d e r a t s w a h l e n statt. Namens Bundeeblatt. 49. Jahrg. Bd. I.

28

394

mehrerer Mitglieder der ,,Unabhängigen Wählergruppeu erhob Advokat E. Bielmann in Freiburg die Nichtigkeitsbeschwerde beim Staatsrat des Kantons Preiburg.

Der von der kantonalen Instanz abgewiesene Rekurrent zog mit Eingabe vom 4. Juli 1895 die Sache an die eidgenössische Rekursinstanz weiter.

Der Bundesrat erklärte am 7. März 1896 den Rekurs als begrlindet und die Wahlverhandlung vom 5. Mai 1895 als ungültig.

Unsere Entscheidung findet sich in extenso abgedruckt im Bundesbl, 1896, U, 83 ff.

Die Freiburger Regierung rekurrierte gegen diesen Beschluß sowohl an das Bundesgericht als an die Bundesversammlung, mit der Begründung, nach Art. 189. Abs. 4, des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, habe der Bundesrat die Beschwerden betreffend kantonale Wahlen und Abstimmungen, ,,auf Grundlage sämtlicher ,, e i n s c h l ä g i g e n 1 1 Bestimmungen des kantonalen Verfassungsrechts und des Bundesrechtea, aber auch nur dieser zu beurteilen; im vorliegenden Falle habe er seine Kompetenz überschritten, indem sein Beschluß auf einen Rechtssatz sich stütze, welcher einem ändern Gebiete als dem Wahlrechte angehört, nämlich auf den Grundsatz der Trennung der vollziehenden von der gesetzgebenden Gewalt.

Es war nämlich vom Bundesrat angenommen worden, die Bestimmung der staatsrätlichen Wahlverordnung, wegen deren Nichtbeachtung die Stimmgebung der Rekurrenten in Romont als nichtig erklärt worden war, stehe mit dem Wahlgesetze im Widerspruch, sei ein Übergriff der vollziehenden auf das Gebiet der gesetzgebenden Gewalt.

Das Bundesgericht erkannte am 10. J u n i 1896, der Bundesrat könne bei der Beurteilung von Wahlrekursen auch Rechtssätze zur Anwendung bringen, die ihrer Natur nach in das Rechtsprechungsgebiet des Bundesgerichts gehören ; das Bundesgericht vindiziere die Kompetenz, über den vorliegenden Rekurs zu urteilen, nicht für sich.

Auf das an die Bundesversammlung gerichtete Rekursmemorial antwortete der Bundesrat durch seinen Bericht vom 14. August 1896, der im Bundesblatt (III, 789) vollinhaltlich erschienen ist.

Die Bundesversammlung kam nicht in die Lage, einen Beschluß zu fassen, da der Staatsrat des Kantons Freiburg den eidgenössischen Räten unterm 9. D e z e m b e r 1896 mitteilte, daß er seinen Rekurs zurückziehe.

395 4. Bei den nach dem Verhältniswahlsystem der Listenkonkurrenz erfolgten P a r t i a l e r n e u e r u n g s w a h l e n d e s S t a d t r a t e s v o n B e r n vom 15. Dezember 1895 haben eine Anzahl Bürger einen ,,Unabhängigen Wahlvorschlag", eine Zusammenstellung von Namen, die auf den verschiedenen vorschriftgemäß eingereichten Wahllisten standen, aufgestellt; 73 Wähler legten diesen gedruckten Wahlvorschlag als ihren Wahlzettel in die Urne. Der Regierungsrat des Kantons Bern erklärte diese Stimmgebung für nichtig. Der ,,Unabhängige Wahlvorschlag" war nicht als Wahlvorschlag (Liste) nach Vorschrift des Wahlreglements eingereicht worden.

Die Rekurrenten behaupteten, ihr Wahlvorschlag sei nichts anderes gewesen als der Entwurf zu einem Stimmzettel und habe alle Erfordernisse eines solchen erfüllt, gemäß Art. 10 des Reglements, welcher lautet: ,,Jeder Wähler ist berechtigt, für so viele Namen zu stimmen, als Stellen zu besetzen sind. Er ist an die aufgestellten Wahlvorschläge nicht gebunden und kann seine Kandidaten nach Belieben aus sämtlichen Narnon der eingereichten Listen auswählen."

Durch Beschluß vom 20. November 1896 (Bundesbl. 1896, IV, 696) anerkannte der Bundesrat den Standpunkt der Berner Regierung als einen durch die wahlreglementarischen Bestimmungen wohlbegründeten, indem das Verhältniswahlsystem bei den Berner Stadtratswahlen die Einreichung und Veröffentlichung von ,,Wahlvorschlägen (Listen)" zur Grundlage habe und somit Manipulationen, welche die Wähler in dieser Beziehung zu verwirren geeignet sein könnten, strenge verpönt sein müssen. Es könne daher in dem Regierungsentscheide keineswegs eine Mißachtung des verfassungsmäßigen Stimmrechts der Bürger erblickt werden.

B. Entscheidungen in Anwendung von Bundesgesetzen.

1. Der Bundesrat hatte schon im Jahre 1895 durch Beschluß vom 14. September eine Beschwerde wegen Verletzung des im Haftpflichtgesetze vom 26. April 1887 gewährten Armenrochts zu beurteilen (Bundesbl. 1895, IV, 541). Der Rekurs war gegen eine Verfügung der Polizeidirektion des Kantons Zug gerichtet, welche das Armenrecht verweigert hatte, weil der Verunglückte zur Zeit des Unfalls nicht im Kanton Zug domiziliert war, und wurde als begründet erklärt.

Der Bundesrat überweist jeweilen solche Fragen, obgleich sie aus der dem Industriedepartement unterstellten Haftpflichtgesetzgebung herrühren, ihrer juristischen Natur, wegen dem Justiz- und Polizeidepartement.

396 Im Jahre 1896 rekurrierte der Italiener C a s s i au o Ci a r i n i an den Bundesrat gegen eine Schlußnahme der Regierung des Kantons T e s s i n , welche ihm anläßlich einer Entschädigungsansprache gegen die Gotthardbahn das Armenrecht verweigerte. Die Gotthardbahn hatte dem Rekurrenten die Summe von Fr. 2500 angeboten, während derselbe Fr. 3500 glaubte beanspruchen zu können.

Die tessinische Behörde war der Ansicht, die Prozeßkosten könnten leicht den unbedeutenden Unterschied zwischen dem beanspruchten und dem von der Eisenbahngesellschaft angebotenen Betrage übersteigen ; das Armenrecht habe übrigens nur Platz zu greifen, wenn eine Partei ein von der Gegenpartei bestrittenes Recht, das ihr kraft Gesetzes zustehe, nicht anders als auf dem Prozeßwege geltend machen könne, während hier der Anstand gütlich durch einen annehmbaren Vergleich gehoben werden könne.

Wir konnten diese Auffassung nicht teilen. Indem der Gesetzgeber gestattet, das Armenrecht zu verweigern, wenn sich die Klage zum voraus als unbegründet herausstellt, will er offenbar nicht die Entscheidung, ob die Klage berechtigt sei oder nicht, in die Hand der Verwaltungsbehörde legen, sondern nur dem Mißbrauch vorbeugen, daß das Armenreeht für offenbar aussichtslose Klagen begehrt werde; es steht daher der Verwaltungsbehörde auch nicht zu, das Armenrecht zu verweigern, weil ihr die Durchführung des Prozesses zu schwierig oder der Ausgang zweifelhaft erscheint. Die Feststellung der Höhe einer Entschädigung ist Sache richterlichen Ermessens.

Der Rekurs wurde vom Bundesrate durch Beschluß vom 14. Juli 1896 gutgeheißen.

2. Auf das eidgenössische V i e h s e u c h e n g e s e t z stützte sich die Beschwerde eines in D a v o s (Graubünden) niedergelassenen Deutschen. Die dortige Polizei hatte, gestützt auf ein Polizeigesetz der Landschaft Davos, dessen Hund, der eine Person gebissen, ohne weiteres als dem Tode verfallen erklärt. Der Eigentümer behauptete nun, hierin liege ein Verstoß gegen das eidgenössische Viehseuchengesetz, nach welchem sogar Hunde, die der Wut verdächtig seien, voi- der Tötung 14 Tage in Beobachtung genommen werden müssen ; man solle seinen Hund beobachten und man werde sehen, daß er kein gefährliches Tier sei ; ob das Davoser Gesetz neben dem Bundesgesetz zu Recht bestehe? Das Departement erwiderte, der Fall gehöre
nicht ins Geltungsgebiet des Viehseuchengesetzes, sondern sei allgemein polizeilicher Natur ; die Kantone können aus ändern als seuchenpolizeüichen Rücksichten aucli schärfere als die im Bundesgesetee vorgesehenen Maßregeln gegen

397 nicht kranke Tiere ergreifen ; die gerügte Ungleichheit in der polizeilichen Behandlung der Hunde sei daher nicht gesetzwidrig.

3. In einem prinzipiellen Entscheide vom 4. April 1896 hat der Bundesrat den Rekurs des Dr. C. K e l l n e r in H a l l e i n (Österreich) betreffend Auslegung des Art. 16, Absatz 3, des E r f i n d u n g s p a t e n t g e s e t z e s abgewiesen.

Wir erkannten : die in dieser Gesetzesstelle aufgestellte dreijährige Frist zur Umwandlung eines provisorischen Patentes in ein definitives durch Leistung des Modellausweises ist materiellrechtlicher Natur und gestattet, wenn sie versäumt wird, schon darum keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das materielle Patentrecht ist übrigens so streng formaler Natur, daß auch jede mildere Auslegung des fraglichen Passus ausgeschlossen sein muß. Es knüpfen sich an das Erlöschen eines Patentes so viele Interessen, daß die Frage, ob und wann ein Patent erloschen sei, sofort und definitiv entschieden werden muß ; die im Patentgesetz vorgesehenen Fristen sind daher fatale und müssen streng eingehalten werden.

Art. 17, Abs. l, des Gesetzes, der von einer Notfrist spricht, beweist keineswegs, daß die ändern Fristen milder zu behandeln seien, denn hier handelt es sich nicht um ein materielles Recht, sondern um das prozessualische Recht, zu rekurrieren. Ebensowenig führt Art. 20, Abs. l, der Vollziehungsverordnung vom 21. Juli 1893, welcher als Datum der Beweisleistung in der R e g e l Tag und Stunde bezeichnet, wo vom Bewerber diejenigen Beweismittel eingereicht oder an drittem Ort zur Verfügung gestellt wurden, auf Grund deren die Eintragung des definitiven Patentes erfolgen konnte, zu einer anderen Auffassung, da die Worte ,,in der Regel1' nur ermöglichen sollen, gegebenenfalls als Datum der Beweisleistung für die Modellexistenz einen spätem als den im angeführten Artikel angegebenen Zeitpunkt, aber nicht einen früheren, anzunehmen.

(Bundesbl. 1896, H, 860.)

B. Polizeiwesen.

I. Verträge und Konventionen.

1. Ein neuer A u s l i e f e r u n g s v e r t r a g zwischen der Schweiz und Ö s t e r r e i c h - U n g a r n (Bundesbl. 1896, II, 45, Ziffer 3) ist am 10. März 1896 zu Bern unterzeichnet worden. Derselbe hat

398 die Genehmigung der vertragschließenden Staaten erhalten, und es erfolgte am 28. November der Austausch der Ratifikationsurkunden.

Der Vertrag wird gemäß Art. 25 desselben am 28. Februar 1897 in Wirksamkeit treten (A. S. n. F. XV, 566).

2. Von der r u m ä n i s c h e n Regierung ist auf unsere Abänderungsvorschläge zu dem Entwurfe eines A u s l i e f e r u n g s v e r t r a g e s vom Oktober 1895 (Bundesbl. 1896, II, 45, Ziffer 1) noch keine Antwort eingelangt. Ebenso sind die Unterhandlungen mit den N i e d e r l a n d e n betreffend die Vereinbarung eines neuen Auslieferungsvertrages (Bundesbl. 1896, II, 45, Ziffer 2) noch nicht zum Abschlüsse gelangt. Auch von der Regierung der a r g e n t i n i s c h e n R e p u b l i k steht zur Zeit noch eine Antwort aus auf unsere Bemerkungen zu dem von ihr mitgeteilten Entwurfe .zu einem Auslieferungsvertrage (Bundesbl. 1896, II, 46, Ziffer 4).

3. Durch Vermittlung unseres Generalkonsulates in Rio de Janeiro hat die gegenwärtige Regierung der R e p u b l i k der V e r e i n i g t e n S t a a t e n von B r a s i l i e n ihre Bereitwilligkeit zürn Abschlüsse eines A u s l i e f e r u n g s v e r t r a g e s mit der Schweiz aussprechen und den Entwurf zu einem solchen Vertrage vorlegen lassen. Wir haben das Projekt geprüft und dasselbe im allgemeinen mit den Vorschriften des Bundesgesetzes über die Auslieferung gegenüber dem Auslande vom 22. Januar 1892 im Einklang gefunden. Immerhin veranlaßte es uns zu einzelnen Abänderungsvorschlägen und Bemerkungen, die wir wiederum der brasilianischen Regierung mitteilen ließen. Wir gewärtigen nun eine Rückäußerung hierauf.

4. Auch mit den V e r e i n i g t e n S t a a t e n von A m e r i k a sind wir in neue Unterhandlungen über den Abschluß eines A u s l i e f e r u n g s v e r t r a g e s eingetreten, nachdem dieselben seit 1887 unterbrochen waren (Bundesbl. 1891, II, 531, Ziffer 1). In Anbetracht der Vorschriften des schweizerischen Auslieferungsgesetzos vom 22. Januar 1892 und der in den letzten Jahren von der amerikanischen Regierung mit Holland, Rußland, Schweden, Norwegen und Frankreich abgeschlossenen Auslieferungsverträge wurde nicht der Vertragsentwurf von 1887 als Basis angenommen, sondern ein neues Projekt ausgearbeitet und dem Staatsdepartement zu Washington zur Prüfung vorgelegt.^Wir sehen einer
Enviderung desselben entgegen.

5. Die Unterhandlungen betreffend reine Übereinkunft mit F r a n k r e i c h über die u n e n t g e l t l i c h e V e r p f l e g u n g a r m e r E r k r a n k t e r (Bundesbl. 1896, II, 46, Ziffer 5) sind ihrem Ziele nicht näher gerückt. Sie haben vielmehr gezeigt, daß die

399 französische Regierung bis auf weiteres von einer Übereinkunft, obwohl von ihr die Anregung zu einer solchen ausgegangen war, absehen will und es vorzieht, einfach den status quo aufrecht zu erhalten. Wir können uns damit einverstanden erklären, indem schon durch den Niederlassungsvertrag von 1882 zwischen der Schweiz und Frankreich die unentgeltliche Verpflegung armer Kranker gegenseitig als zugesichert zu betrachten ist. Der Abschluß einer speciellen bezüglichen Vereinbarung würde nur dann als notwendig erscheinen, wenn infolge des französischen Gesetzes von 1893 ,,sur l'assistance médicale gratuite1' Schwierigkeiten hinsichtlich der ärztlichen Behandlung der in Frankreich wohnenden armen Schweizerbürger entstehen würden, was bis jetzt nicht der Fall gewesen ist.

6. Mit B e l g i e n ist die Regelung betreffend die U n t e r s t ü t z u n g u n d H e i m s c h a f f u n g d e r armen A n g e h ö r i g e n der beiden Länder, von welcher wir in unserm letzten Geschäftsberichte (Bundesbl. 1896, IV, 47, Ziffer 6) gesprochen haben, zu stände gekommen. Es wurde die Vereinbarung in der Form einer ,,Erklärung11 abgeschlossen. Ihre Unterzeichnung durch die beidseitigen Bevollmächtigten fand arn 12. November statt und ihr Inkrafttreten wurde auf den 1. Dezember 1896 festgesetzt. Die Erklärung ist in die Amtliche Sammlung n. F., Band XV, Seite 556, aufgenommen und den Kantonsregierungen in der gewohnten Anzahl von Exemplaren mitgeteilt worden.

7. Die indem s c h w e i z e r i s c h - e n g l i s c h e n A u s l i e f e r u n g s ver t r a g e vom 25. November 1880 vorgesehene Bestimmung, daß der von der Schweiz verfolgte Verbrecher, mag dessen Verhaftung in Großbritannien stattfinden, wo sie wolle, stets dem Polizeimagistraten in London zuzuführen ist, damit vor diesem über das Auslieferungsbegehren verhandelt werde, war auch in dem A u l i e f e r u n g s v e r t r a g e zwischen F r a n k r e i c h und G r o ß b r i t a n n i e n vorn 14. August 1876 enthalten. In Anbetracht derselben war es lange Zeit nicht möglich, das Auslieferungsverfahren gegen den von Frankreich verfolgten bekannten Cornelius Herz in England zum Abschluß zu bringen, da demselben nicht zugemutet werden konnte, von Bournemouth, wo er krank darniederlag, nach London zum Zwecke seiner Einvernahme zu reisen.

Auf Antrag von Frankreich
ist nun durch ein Abkommen vom 13. Februar 1896 jene Bestimmung dahin abgeändert worden, daß die dem ,,Polizeimagistraten in London" zuerkannten Kompetenzen in Zukunft ,,jedem Magistraten"· in dem Vereinigten Königreiche ohne Beschränkung zustehen sollen.

400

Es wurde uns die Frage vorgelegt, ob auch wir vielleicht eine ähnliche Abänderung in dem schweizerischen Auslieferungsvertrage anstreben wollen. Wir antworteten verneinend, da einerseits ein Fall wie derjenige des Herz nur höchst selten vorkommen dürfte und es andererseits für uns höchst wünschbar ist, daß die schweizerische Gesandtschaft in London den Gerichtsverhandlungen in Auslieferungsfällen beiwohnen kann. Würden diese außerhalb London stattfinden, so wären damit bedeutende Kosten verbunden und müßte sich die Gesandtschaft eventuell durch einen Advokaten vertreten lassen.

II. Auslieferungen und Strafverfolgungen.

8. Die Gesamtzahl der A u s l i e f e r u n g s a n g e l e g e n h e i t e n , mit denen sich der Bundesrat im Berichtsjahre zu beschäftigen hatte, beträgt 418 (1895: 360, 1894: 336). Davon sind 99 von der Schweiz im Ausland (1895: 99, 1894: 98) und 319 von auswärtigen Staaten bei der Schweiz (1895: 261, 1894: 238) anhängig gemacht worden.

Im weitern gingen 6 Gesuche um D u r c h t r a n s p o r t ein, die nach Maßgabe von Art. 32 des Bundesgesetzes über die Auslieferung vom 22. Januar 1892 und der in Betracht kommenden Verträge gestattet worden sind.

Die Auslieferungsbegehren des A u s l a n d e s bei d e r S c h w e i z verteilen sich folgendermaßen auf die einzelnen Staaten : Deutschland 209 Frankreich 53 Italien 41 Österreich-Ungarn 11 Rußland 2 Luxemburg l Liechtenstein l Brasilien l Von diesen Begehren sind 257 bewilligt worden ; in 39 Fällen blieben die Nachforschungen nach den Verfolgten resultatlos : in 2 Fällen wurde die Auslieferung verweigert; 18 Begehren wurden zurückgezogen und 3 Fälle waren am Jahresschluß noch pendent.

Von den Auslieferungsbegehren, welche die S c h w e i z b e i a u s w ä r t i g e n S t a a t e n gestellt hat, gingen an

401

Frankreich 59 Deutschland 28 Belgien 4 Österreich-Ungarn 3 Italien l Vereinigte Staaten v o n Amerika . . . .

l Außerdem wurde gegen 3 Individuen in verschiedenen Län dern gleichzeitig gefahndet.

Von den seitens der Schweiz verlangten Auslieferungen kamen 66 zur Ausführung; in 11 Fällen blieben die Verfolgten unentdeckt; 13 Begehren wurden zurückgezogen und 8 Fälle sind noch nicht erledigt.

In einem Falle wurde von Frankreich die Auslieferung verweigert, weil, das betreffende Individuum durch ein franzosisches Gericht außer mit einer Gefängnisstrafe auch zur ,,Relegation"1 verurteilt worden war, d. i. zur lebenslänglichen Deportation nach einer französischen Kolonie.

Außer den obigen von den Bundesbehörden bewilligten Auslieferungen ans Ausland sind gemäß den uns nach Vorschrift von Art. 29 des Auslieferungsgesetzes zugekommenen Anzeigen 39 A u s l i e f e r u n g e n k u r z e r H a n d von den Kantonen vollzogen worden =(1895: 39).

Nach Maßgabe von Art. 31 des Bundesgesetzes betreffend die Auslieferung vom 22. Januar 1892 haben wir im Jahr 1896 den Kantonen an K o s t e n für A u s l i e f e r u n g e n im ganzen Fr. 4045. 70 (1895: Fr. 2326. 45) vergütet.

9. Auf Grund von Art. 23 des Auslieferungsgesetzes hatten wir 6 Auslieferungsbegehren fremder Staaten (1895: 6) an das B u n d e s g e r i c h t zur Entscheidung zu verweisen. In 2 Fällen wurde die Auslieferung verweigert.

Beachtenswert ist unter diesen letzteren die Abweisung eines Begehrens der französischen Regierung gegen den französischen Staatsangehörigen Etienne V e y s s i è r e , Inhaber eines Trödlergoschäftes in Genf. Bei Veyssière waren Gegenstände gefunden worden, welche von einem in der Nähe von St. Julien (Hochsavoyen) ausgeführten Diebstahl herrührten. Der Untersuchungsrichter von St. Julien erhob gegen V. Strafuntersuchung wegen Teilnahme an dem betreffenden Diebstahl durch Hehlerei und veranlaßte bei seiner Regierung die Stellung eines Auslieferungsbegehrens. V. protestierte indessen gegen seine Auslieferung an Frankreich, während die Genfer Behörden sich für Gewährung

402 derselben aussprachen. Das Bundesgericht erklärte, es sei das Begehren zu verweigern, da im vorliegenden Falle nach Maßgabe des Vertrages mit Frankreich keine Pflicht zur Auslieferung bestehe.

Gemäß Art. l des Vertrages seien nur diejenigen Individuen von dem angesprochenen Staate auszuliefern, welche sich auf sein Gebiet geflüchtet, nachdem sie außerhalb desselben eine strafbare Handlung begangen haben. Diese Verpflichtung falle dahin, wenn die That ausschließlich auf dem Gebiet des requirierten Landes verübt worden sei, was nach den Akten in Sachen Veyssiore geschehen sein dürfte (s. bundesgerichtliche Entscheidungen Bd. XXII, S. 397).

10. Auf Anregung der deutschen Reichsregierung fanden mit dem Auswärtigen Amte in Berlin Verhandlungen statt behufs Regelung des Verfahrens bei der Übergabe und Ü b e r n a h m e der von de r Schweiz an Deutschland und u m g e k e h r t a u s z u l i e f e r n d e n P e r s o n e n . Der deutschen Regierung war es besonders daran gelegen, zu erwirken, daß jeweilen einige Tage vor dem Vollzug einer Auslieferung über den Ort und die Zeit, an denen dieselbe zur Ausführung gelangen soll, Nachricht gegeben werde.

Man einigte sich auf folgendes Verfahren : Wenn es sich um Auslieferungen von der Schweiz nach Deutschland handelt, hat die Benachrichtigung über Zeit und Ort der Übergabe durch den Bundesrat an die deutsche, beziehungsweise bayerische Gesandtschaft in Bern oder an die Regierungen von Bayern, Württemberg und Baden so zeitig zu erfolgen, daß zwischen dem Empfange der Benachrichtigung und dem Tage der Übergabe an die deutsche Übernahmebohörde regelmäßig drei freie Tage oder, falls ausnahmsweise eine Abholung an der Grenze durch einen von der verfolgenden deutschen Behörde eigens dorthin zu entsendenden Beamten beabsichtigt wird, fünf freie Tage liegen.

Andererseits wird bei den Auslieferungen von Deutschland an die Schweiz vom Auswärtigen Amte des deutschen Reiches der schweizerischen Gesandtschaft in Berlin oder, wenn die hierseitigen Auslieferungsanträge unmittelbar an die Regierungen der drei süddeutschen Staaten gerichtet worden sind, von diesen dem Bundesrate die Mitteilung über Ort und Zeit der Auslieferung unter Beobachtung der erwähnten Fristen von drei, beziehungsweise fünf Tagen zugehen.

Als Orte der Übergabe an die deutschen Behörden sind St. Ludwig, Lörrach, Waldshut, Radolfzell, Konstanz, Friedrichshafen und Lindau vorgesehen, während von Seite Deutschlands die an die

403

Schweiz auszuliefernden Individuen nach Basel, Zurzach, Schaffhausen, Kreuzungen, Romanshorn oder Rorschach gebracht werden sollen.

11. Aus den von den Kantonen eingegangenen Kostenrechnungen über die V o l l z i e h u n g von A u s l i e f e r u n g e n an fremde Staaten und über die Ausführung internationaler Durchtransporte ersahen wir, daß den meisten kantonalen Polizeibehörden das Reglement betreffend die P o l i z e i t r a n s p o r f c e auf den s c h w e i z e r i s c h e n E i s e n b a h n e n vom 9. Juli 1881 nicht mehr bekannt ist. Wir übersandten daher den kantonalen Polizeidirektionen Abdrücke von demselben und machten sie darauf aufmerksam, daß gemäß diesem Reglement die Arrestanten in der Regel in den Zellen, welche hierfür in den Gepäckwagen der Eisenbahnen eingerichtet sind, befördert werden sollen gegen Bezahlung einer Taxe von 3,25 Cts. per Kilometer. Die den Transport begleitenden Polizisten können, mit Ausnahme der Jura-Simplon-Bahn, wo die halbe Taxe erhoben wird, taxfrei reisen.

Bei demselben Anlasse sprachen wir bezüglich der V o l l z i e h u n g der T r a n s p o r t o den Wunsch aus, es möchten die auszuliefernden oder heimzuschaffenden Personen nicht, wie es bisher geschehen, jeweilen bloß bis zur Kantonsgrenze verbracht, sondern unmittelbar vom Ausgangsorte auf dem nächsten Wege bis zur Grenze, wo die Übergabe an die ausländische Behörde geschehen kann, geschafft werden. Die Transporte lassen sich auf diese Weise rascher und mit weniger Kosten ausführen, als wenn an joder Kantonsgrenze eine Übergabe der Transportierten stattfindet.

Den mit solchen Transporten betrauton kantonalen Polizoiagenten gestehen wir (in Übereinstimmung mit dem Bundesratsbeschluß betreffend die Taggelder und Reiseentschädigungen vom 26. November 1878) die Rückerstattung der effektiven Reiseauslagen und je nach der Dauer des Transportes ein ganzes oder ein halbes Taggeld von Fr. 4, beziehungsweise Fr. 2, sowie für ein Nachtlager Fr. 5, zu.

12. Durch die schweizerische Gesandtschaft in London wurde uns mitgeteilt, daß sie von den kantonalen Behörden öfters auf direktem Wege angegangen werde, bei der englischen Polizei um Fahndung nach flüchtigen Verbrechern und um prov i s o r i s c h e V e r h a f t u n g d e r s e l b e n nachzusuchen. Dabei werde jedoch in der Regel unterlassen, anzugeben, ob ein Haftbefehl bestehe und die Auslieferung verlangt werde. Infolgedessen ist die Gesandtschaft außer stände, einem solchen Begehren zu

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entsprechen ; sie kann nur vorläufige Nachforschungen nach dem Flüchtigen durch die englische Polizei bewirken. Art. IH, Absatz 2, des Auslieferungsvertrages mit Großbritannien vom 26. November 1880 bestimmt nämlich, ,,die Ansuchen um provisorische Verhaftung müssen eine allgemeine Bezeichnung des Verbrechens oder Vergehens und die Erklärung enthalten, daß ein Verhaftsbefehl gegen den Verbrecher bestehe und dessen Auslieferung verlangt werde1'.

Wir machten mittelst Kreisschreiben die Polizeidirektionen der Kantone hierauf aufmerksam und bemerkten dazu, daß das, was in dem schweizerisch-englischen Vertrage ausdrücklich normiert sei, in der Praxis allen fremden Staaten gegenüber gelte und zu beobachten sei. Daher sei von den direkten Fahndungsgesucheu im Auslande gleichzeitig auch dem eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement Kenntnis zu geben, damit sie auf dem diplomatischen Wege bestätigt werden können. Sodann sollten diesen Anzeigen baldmöglichst die Haftbefehle gegen die Verfolgten zur Stellung des Auslieferungsbegehrens nachfolgen (vgl. hierzu die Kreisschreiben des Bundesrates und die Geschäftsberichte irn Bundcsblatt 1870, I, 61 ; 1874, III, 885 ; 1880, II, 639 ; 1891, II, 61!»}.

13. Auf Ansuchen der Deutschen Gesandtschaft wurde von uns die Auslieferung des L e h r e r s Ph. A e g e r t e r , welcher mit Schülerinnen unter 14 Jahren unzüchtige Handlungen vorgenommen hatte, auf Grund des Auslieferungsgesetzes vom 22. Januar 1892, Art. l und 3, Ziffer 13, unter V o r b e h a l t des G e g e n r e c h t s an das Landgericht Zabern bewilligt (vgl. hierzu letztjährigen Geschäftsbericht, Bundesbl. 1892, H, 49, Ziffer 9).

Die deutsche Reichsregierung wollte indessen eine förmliche Gegenrechtserklärung für ähnliche Fälle nicht geben, da sie hierzu die Zustimmung sämtlicher Bundesregierungen und des kaiserlichen Statthalters von Elsaß-Lothringen einzuholen gehabt hätte und sie nicht daran zweifelte, daß diese Landesregierungen vorkommenden Falles schon jetzt gerne bereit sein werden, bei Auslieferungsanträgen der Schweiz wegen solcher Handlungen das unsererseits bewiesene Entgegenkommen in vollem Maße zu erwidern. Wir begnügten uns mit dieser Zusage und bemerkten, es werde der Bundesrat, wie bisher, bestrebt sein, den Auslieferungsgesuchen deutscher Behörden wegen solcher Sittlichkeitsdelikte
zu entsprechen.

14. Durch das Amtsgericht Bern war am 26. August 1895 auf Klage eines Ekhard Fould hin die R o s a D i c k , geb. Jacquet, von Bern wegen Betrugs in contumaciam zu 3 Monaten Korrektionshaus verurteilt worden. In der Folge wurde bekannt, daß

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sich Rosa Dick in Lüttich aufhalte, und es beantragte daher dio bernische Regierung unter Vorlage einer Ausfertigung des Urteils, daß die Auslieferung der Dick bei Belgien nachgesucht werde.

Wir thaten die nötigen Schritte, indem uns der Fall klar und unanfechtbar erschien. Die b e l g i s c h e n Behörden brachton indessen dem Auslieferungsbegehren das größte Mißtrauen entgegen.

Sie dürften hierzu durch ein von der Regierung von Monaco gestelltes Auslieferungsbegehren gegen die Tochter der genannten Frau Dick-Jacquet, Namens Lucie, geboren 1872, veranlaßt worden sein. Die letztere hatte in einem intimen Verhältnis zu Ekhard Fould gestanden und mit ihm in Monaco gelebt. Die Beziehungen trübten sich aber und Fould beschuldigte dio Lucie Dick des Diebstahles von Bijoux, was zu ihrer Verfolgung durch die monogascischen Behörden führte. Die belgische Presse griff die Sache auf, nahm Partei für die Lucie Dick und stellte die Behauptung auf, daß sowohl die monegascischen als auch die schweizerischen Behörden bei ihrem Vorgehen gegen die Frauen Dick unter dem Einfluß des Fould gestanden haben. Dieser Ansicht schlössen sich die belgischen Behörden an. Sie begnügten sich nicht mit dem vorgelegten bernischen Kontumazurteil, sondern verlangten weitere Mitteilungen in der Sache zur Prüfung des Falles. Es wurden ihnen die näheren Aufschlüsse gegeben, allein die Anklagekammer des Appellhofes zu Lüttich kam doch zu einer Ablehnung des Auslieferungsbegehrens der Schweiz, mit der Begründung, es ergebe sich aus den vorgelegten Akten nicht genügend, daß ein ordentliches Verfahren gegen die Rosa Dick stattgefunden habe und daß das verurteilende Erkenntnis vollziehbar sei. Unter Hinweis auf diesen Entscheid empfahl die belgische Regierung dem Bundesrato die Zurückziehung des Auslieferungsbegehrens.

Wir antworteten hierauf, es könne unsererseits nicht anerkannt werden, daß, wie von den belgischen Behörden angenommen werde, ein Zusammenhang zwischen dem schweizerischen Auslieferungsbegehren und demjenigen der Regierung von Monaco besteht. Davon, daß die Lucie Dick von den Behörden zu Monaco verfolgt sei, habe man hierseits erst Kenntnis erhalten, nachdem sie in Belgien verhaftet worden war. Unser Begehren sei nahezu 2 Monate vor dem monegascischen an die belgische Regierung gerichtet worden. Die Mitteilung über die
wahrscheinliche Anwesenheit der Rosa Dick in Belgien sei der bernischen Polizei direktion durch den Generaldirektor der öffentlichen Sicherheit bei dem Justizministerium in Brüssel zugegangen, worauf das Regierungsstatthalteramt Bern, welchem nach dem Gesetz die.

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Vollziehung des gegen die Dick ergangenen Urteils obliege, den Antrag auf Stellung des Auslieferungsbegehrens veranlaßt habe.

Es handle sich dabei um ein im schweizerisch-belgischen Auslieferungsvertrag ausdrücklich vorgesehenes Delikt, und liege ein rechtskräftiges Strafurteil vor, das in durchaus gesetzmäßiger "Weise zu stände gekommen sei. Die Schuldfrage sei von dem zuständigen Gerichte geprüft und erledigt worden. Eine materielle Nachprüfung derselben komme weder dem Bundesrate, noch den belgischen Behörden zu. Es erscheine somit das gestellte Auslieferungsbegehren vertragsmäßig vollkommen gerechtfertigt und eine Verweigerung desselben nicht möglich. Deshalb könne auch eine Zurückziehung desselben nicht in Erwägung gezogen werden. Mit Rücksicht jedoch auf den Umstand, daß es sich nicht um ein sehr schweres Delikt handle und die Vollstreckung eines Kontumazurteils in Frage stehe, gegen welches nach der bernischen Gesetzgebung das Rechtsmittel der Nichtigkeitsklage oder das der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder der Revision ergriffen werden könne, seien wir im Einverständnis mit der bernischen Regierung geneigt, unsern frühern Antrag dahin zu modifizieren, daß wir uns mit einer einstweiligen Suspension der Auslieferung der Rosa Dick einverstanden erklären, wenn diese von einem der erwähnten Rechtsmittel Gebrauch mache.

Die Rosa Dick wurde hierauf von den belgischen Behörden, nachdem sie 2 Monate lang in Haft gewesen war, freigelassen, und die bernische Polizeidirektion teilte uns in der Folge mit, daß keine weiteren Schritte in der Sache gethan zu werden brauchen.

15. G e s u c h e um s t r a f r e c h t l i c h e V e r f o l g u n g von Schweizern, die auf fremdem Gebiete delinquiert und sich in die Schweiz geflüchtet hatten, sind uns im Berichtsjahre 13 zugegangen, nämlich 6 von Deutschland, 5 von Frankreich, l von Italien und l von Belgien. Von denselben haben 6 durch Verurteilung und l durch Freisprechung ihre Erledigung gefunden ; in einem Falle wurde das Begehren zurückgezogen und 5 Fälle sind noch pendent.

Wir unserseits haben bei Italien 4, bei Frankreich 3 und bei Deutschland ein Begehren um strafrechtliche Verfolgung von Angehörigen dieser Staaten gestellt, die nach Begehung strafbarer Handlungen in der Schweiz nach ihrer Heimat geflohen waren.

In 4 Fällen sind die
Angeklagten verurteilt und in einem freigesprochen worden. 3 Fälle sind noch unerledigt.

16. Ein Gesuch der französischen Regierung ging dahin, es möchte nach Maßgabe von Art. 8 u. ff. der schweizerisch-franzö-

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sischen Vereinbarung vom 23. Februar 1882 betreffend die grenznachbarlichen Verhältnisse und die Beaufsichtigung der Grenzwaldungen (A. S. n. F. VI, 468 ff.) das Strafverfahren gegen mehrere im Kanton Bern wohnhafte Personen wegen der ihnen zur Last fallenden H o l z f r e v e l durchgeführt werden. Das Amtsgericht von Pruntrut, welches in der Sache urteilte, sprach die Angeschuldigten mangels genügender Schuldbeweise frei.

17. Von der Deutschen Gesandtschaft waren wir ersucht Schangnau, Kantons Bern, wegen eines von ihm im August 1805 im Trappistenkloster Ölenberg ^Ober-Elsaß) verübten üiebstahls durch die schweizerischen Gerichte veranlassen zu wollen. Es ergab sich, daß Gerber, welcher zur Zeit eine fünfjährige Zuchthausstrafe wegen eines ändern Diebstahls im Kanton Froiburg ersteht, wegen des von ihm irn Elsaß begangenen Diebstahls nur durch die Gerichte seines Heimatkantones Bern verfolgt und beurteilt werden konnte. Wir haben daher die b e r n i s c h e Regierung eingeladen, die Verfolgung des Gerber durch ihre Gerichtsbehörden zu bewirken. Die bernische Anklagekarnmer weigerte sich aber darauf einzutreten, da die Zusicherung des non bis in idem im Sinne von Art. 2 des Bundesgesetzes über die Auslieferung vom 22. Januar 1892 von der deutschen Regierung nicht erhältlich sei, und verlangte eine prinzipielle Entscheidung des diesfalls zwischen dem Bundesrate und den bernischen Gerichtsbehörden bestehenden Kompetenzkonflikts. Wir beschlossen, den Fall im Wege des staatsrechtlichen Rekurses nach Maßgabe von Art. 175, Ziffer l, des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege dem Bundesgerichte zur Entscheidung vorzulegen, und stellten unter Hinweis auf die seit vielen Jahren bestehende Praxis (vgl. Ausführungen im Falle Thierstein, Bundesbl. 1893, U, 78, Z. 7) das Rechtsbegehren, es seien die Gerichte des Kantons Bern, gestützt auf den schweizerisch-deutschen Auslieferungsvertrag und auf die vom Bundesrat erlassene Einladung für verpflichtet zu erklären, die strafrechtliche Verfolgung des B. E. Gerber wegen des von ihm zu Ölenberg i./E. verübten Diebstahls zu übernehmen.

In seinem Erkenntnis vom 21. Oktober 1896 gelangte das Bundesgericht zu dem Schlüsse, es seien die bernischen Strafgerichtsbehörden nicht verpflichtet, der fraglichen Einladung des Bundosrates Folge zu geben. Immerhin
erklärte das Gericht in den Urteilserwägungen, daß es zweifelhaft erscheine, ob sieh die Kantonsbehörden, wenn im übrigen nach dem kantonalen Rechte die sämtlichen Voraussetzungen zur Strafverfolgung gegeben seien,

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mit Recht für ihre Weigerung, dieselbe an die Hand zu nehmen, auf Art. 2 des Auslieferungsgesetzes berufen dürfen, oder ob nicht diese Bestimmung bloß für die Fälle, in denen bisher nach kantonalem Rechte eine Strafverfolgung nicht eintreten konnte, habe Recht schaffen wollen.

Infolgedessen ist bis jetzt ein Strafverfahren gegen Gerber wegen des von ihm im Elsaß begangenen Diebstahls in der Schweiz nicht eingeleitet worden.

Von der Forderung einer Zusicherung des non bis in idem in ähnlichen Fällen sind indessen die bernischen Behörden in der Folge abgegangen. Als nämlich die bernische Regierung bald hernach in die Lage kam, die Strafverfolgung eines deutschen Staatsangehörigen (Arno Arzt), welcher sich im Kanton Bern mehrerer Diebstähle schuldig gemacht hatte, bei Deutschland nachzusuchen, erklärte die deutsche Regierung, es könne die Übernahme jener Verfolgung durch die deutschen Behörden nur geschehen, wenn Gewähr dafür bestehe, daß von schweizerischer Seite im umgekehrten Falle volle Gegenseitigkeit geübt werde. Daraufhin wurde von der bernischen Regierung für den Kanton Bern das Gegenrecht für alle die Fälle zugesichert, in denen es sich um die Verfolgung von schweizerischen Angehörigen vor bernischen Gerichten wegen einer der in Art. 9 des Einführungsgesetzes zu dem bernischen Strafgesetzbuch und in den Artikeln 139, 140 und 141 dieses Gesetzbuches vorgesehenen Delikte handelt.

III. Kogatorien.

18. Unser Justiz- und Polizeidepartement hatte während des Berichtsjahres in 133 Fällen (1895: 143, 1894: 131) bei der Vermittlung von R e q u i s i t o r i a l i e n ausländischer Behörden an schweizerische Gerichte und umgekehrt mitzuwirken. 81 derselben bezogen sich auf Civilangelegenheiten, 52 auf Strafsachen.

Von den s c h w e i z e r i s c h e n ßogatorien waren je 11 an Großbritannien und an die Vereinigten Staaten von Amerika, je 10 an Frankreich und Belgien, 6 an Rußland, 5 an Argentinien, 3 an Ägypten, je 2 an Deutschland, Italien und an die Türkei gerichtet und je eines war für Holland und Bulgarien bestimmt.

Von den a u s l ä n d i s c h e n sind 42 aus Frankreich, 13 aus Spanien, je 3 aus Italien und Rußland, je 2 aus Belgien und Griechenland und je eines aus Deutschland, Österreich, Argentinien und der Türkei eingelangt.

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5 der an ausländische Behörden gerichteten und l der aus dem Ausland eingegangenen Rogatorien hatten am Schlüsse des Jahres ihre Erledigung noch nicht gefunden.

19. Unserm Justiz- und Polizeidepartement wurde die Frage vorgelegt, ob die f r a n z ö s i s c h e n Behörden befugt seien, gestützt auf Artikel 20 des schweizerisch-französischen Vertrages über den Gerichtsstand vom 15. Juni 1869 von den schweizerischen Behörden d i e Z u s t e l l u n g v o n Z a h l u n g s b e f e h l e n (commandements de payer) zu verlangen. Das Departement kam zur Bejahung der Frage, indem es davon ausging, daß der französische Zahlungsbefehl nach der Intention des Gläubigers und seines Mandatars bloß in Frankreich wirksam sein soll und der auswärtig wohnenden Person nur eine Kopie übermittelt wird, damit sie von der rechtsgültigen Übergabe des Originals nach Maßgabe von Artikel 69, Ziffer 9, des Code de procédure civile an die Staatsanwaltschaft Kenntnis erhält. Es handelt sich somit wirklich um eine Notifikation im Sinne von Artikel 20 des Staatsvertrages von 1869 und liegt kein Grund vor, die nachgesuchte Zustellung abzulehnen. In der Vermittlung der Zustellung liegt keine Anerkennung
20. Von dem orstinstanzlichen korrektionellen Gerichte in B e i f o r t war ein im K a n t o n N e u e n b u r g w o h n h a f t e r S c h w e i z e r b ü r g e r wegen Übertretung der Art. 417 und 418 des französischen Code pénal (Schädigung der französischen Industrie durch arglistige Handlungen) zu Gefängnisstrafe und gleichzeitig zu Schadenersatz an die Civilpartei in contumaciam verurteilt worden. Die französische Botschaft ersuchte auf Grund des Staatsvertrages vom 15. Juni 1869 und der ,,internationalen Vereinbarungen a um Zustellung des gerichtlichen Erkenntnissos an den Verurteilten persönlich,
damit es Rechtskraft erlange. Wir hatten anfänglich Bedenken, dem Ansuchen Folge zu geben, namentlich da wir im Hinblick auf den Charakter des Urteils den Vertrag vom 15. Juni 1869 nicht für anwendbar halten konnten, überzeugten aber uns, daß in Anbetracht der Bestimmung von Artikel 13 des Bundesblatt. 49. Jahrg. Bd. 1.

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schweizerisch-französischen Auslieferungsvertrages vom 9. Juli 186!} die verlangte Zustellung nicht abgelehnt werden kann. Da der Verurteilte die Annahme der Urteilsausfertigung verweigerte, sowurde darüber ein amtlicher Verbalprozeß aufgenommen. Dieses Aktenstück übermachten wir unter Rückschluß des Urteils der französischen Botschaft und bemerkten, daß durch die Notifikation, des Urteils in keiner Weise dessen Vollstreckbarkeit in der Schweiz, anerkannt werde.

IV. Heimschaffungen.

21. Die Zahl der Fälle von H e i m s c h a f f u n g e n v e r lassener Kinder, Geisteskranker und solcher Personen, welche der öffentlichen Wohlthätigkeit anh e i m g e f a l l e n s i n d , belief sich im Berichtsjahr auf 130 (1895: 113, 1894: 133) und betraf 168 Personen.

Die Schweiz wurde seitens des A u s l a n d e s um die Heimschaffung von 53 Personen (49 Gesuche umfassend) angegangen, nämlich von 19 verlassenen Kindern, 33 Geisteskranken und einem Hilfsbedürftigen. Aus Frankreich liefen 42 Gesuche ein, aus Deutschland und Belgien je 2 und je eines aus Italien, ÖsterreichUngarn und Holland. Von den 53 Personen wurden 7 nicht anerkannt, 42 dagegen als schweizerische Angehörige ermittelt und übernommen ; 4 Begehren wurden zurückgezogen.

Die S c h w e i z stellte an das Ausland auf diplomatischem Wege 81 Heimschaffungsbegehren, und zwar 37 an Frankreich, 31 an Italien, 8 an Österreich, 4 an Deutschland und eines an Schweden. Dieselben betrafen 28 verwaiste und verlassene Kinder, 47 Geisteskranke und 40 der öffentlichen Wohlthätigkeit Anheimgefallene, zusammen 115 Personen. Davon wurden 65 vom Ausland als Angehörige anerkannt und heimgeschafft, während bezüglich 6 Personen die Heimnahmo abgelehnt worden ist; betreffend.

28 Individuen standen die Erklärungen der fremden Regierungen am Ende des Jahres noch aus. 7 Begehren (16 Personen umfassend) wurden von den Kantonsregierungen vor Abschluß der Verhandlungen zurückgezogen.

Außerdem sind von Seiten Deutschlands 5 Gesuche um Bewilligung des D u r c h t r a n s p o r t s von geisteskranken oder der öffentlichen Wohlthätigkeit in Deutschland anheimgefallenen Italienern, welche auf Kosten des requirierenden Staates über schweizerisches Gebiet nach ihrer Heimat verbracht werden sollten, eingegangen und unsererseits genehmigt worden.

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D e u t s c h e , aus Italien ausgewiesene Staatsangehörige wurden in der Zeit von Anfang Juli 1895 bis Ende Juni 1896 im ganzen 164 (im Vorjahr 207) nach Deutschland heimgesehafft.

Die dadurch entstandenen Kosten im Betrage von Fr. 4572. 67 ersetzte die italienische Regierung gemäß der Übereinkunft vom 16. Februar 1881 betreffend den Polizeidienst in den internationalen Stationen der Gotthardbahn und der Erklärung vom 11. November 1884/12. Januar 1885.

Während bei diesen Transporten bisher die Polizeibehörden der Kantone Tessin, Uri, Schwyz, Zug, Zürich und Schaffhauseu mitwirkten, werden dieselben nunmehr von der tessinischen Polizei bis nach Basel oder Zürich d i r e k t ausgeführt ; von letzterem Orte aus werden sie nach Schaffhausen instradiert.

22. Das schweizerische Konsulat in Athen stellte die Anfrage, ob die Kantone oder Gemeinden in der Schweiz zur R ü c k e r s t a t t u n g der K o s t e n angehalten werden können, welche dem Unterstützungsverein in Athen aus der H ei m S c h a f f u n g von S c h w e i z e r b ü r g e r n entstehen. Wir antworteten hierauf, daß es nach einem allgemein geltenden Grundsatze Sache des Staates ist, in welchem die hülfsbedürftigen Fremden sich aufhalten , für diese zu sorgen, ihre eventuelle Heimschaffung vorzunehmen und für die dadurch entstehenden Kosten bis an die Grenze des Heimatlandes aufzukommen. Infolgedessen seien die hierseitigen Behörden nicht zur Vergütung der durch den Heimtransport schweizerischer Angehöriger entstandenen Auslagen verpflichtet; es können nur etwaige zahlungsfähige und Zahlungspflichtige Verwandte der Heimgeschafften zur Rückerstattung derselben angehalten werden. In Anbetracht jenes Grundsatzes sollte sich der Unterstützungsverein zu Athen überhaupt um den Hoimtransport von Schweizerbürgern nicht kümmern, sondern diese Aufgabe den griechischen Behörden überlassen.

23. Dem Gesuche einer kantonalen Behörde entsprechend beantragten wir bei der österreichischen Regierung die polizeiliche H e i m s c h a f f u n g einer in Tirol sich aufhaltenden S c h w e i z e r b ü r g e r i n , deren Verhalten Anstoß gab und eine Unterbringungim Heimatkanton wünschbar machte. Die Heimschaffung konnte von den österreichischen Behörden nicht auf Grund einer einfachen polizeilichen Verfügung veranlaßt werden, sondern es mußte gemäß der bestehenden Gesetzgebung ein eigenes, dem regelmäßigen Instanzenzug unterliegendes Verfahren stattfinden (Fall Hausheer).

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24. Der 1890 wegen Todschlags und Raubes von dem Schwurgerichte in Straßburg zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurteilte bernische Angehörige Chr. G e r t s c h mußte letztes Jahr wegen Geistesstörung in die Irrenanstalt Stephansfeld (Elsaß) aufgenommen werden. Der Direktor dieser Anstalt fand, daß G. an unheilbarer Geisteskrankheit leide und mit Rücksicht auf seine Gemeingefährlichkeit dauernder Irrenpflege bedürfe. Auf Grund dieses Gutachtens ersuchte der Bezirkspräsident in Metz die Polizeidirektion des Kantons Bern nach Maßgabe des schweizerisch-deutschen Niederlassungsvertrages um. Heimnahme des G. Die Polizeidirektion lehnte jedoch wiederholt dieses Begehren ab, indem sie davon ausging, es sei das gegen G. ergangene Urteil nicht aufgehoben, sondern lediglich der weitere Strafvollzug zeitweise eingestellt ; dieser werde aber ohne Zweifel wieder aufgenommen, sobald der Grund der Unterbrechung zu bestehen aufhöre. Wenn G. bei Eintritt dieses Falles sich in der Schweiz befände, so könnte er als Schweizer nicht an Deutschland ausgeliefert werden und wäre der weitere Vollzug seiner Strafe verunmöglicht.

Hiergegen wurde die deutsche Reichsregierung beim Bundesrate vorstellig, indem sie bemerkte, G. sei nach dem von maßgebender Seite abgegebenen ärztlichen Gutachten unheilbar geisteskrank und die Wiederaufnahme des Strafvollzugs gegen denselben als ausgeschlossen zu betrachten. Es habe daher auch die strafvollstreckende Behörde, die Staatsanwaltschaft in Straßburg, der Überweisung des Geisteskranken an die Schweiz zugestimmt. Die Armenpflege von Elsaß-Lothringen könne mit Rücksicht auf die schweizerische Angehörigkeit des Kranken nicht als verpflichtet angesehen werden, die Fürsorge für denselben bleibend zu übernehmen. Deshalb erscheine die Weigerung der Übernahme des G.

zur Versorgung in einer heimatlichen Irrenanstalt als unbegründet.

Wir gaben der Regierung des Kantons Bern hiervon Kenntnis und diese willigte daraufhin in die Heimschaffung des Geisteskranken ein.

25. Innerhalb kurzer Zeit waren wir mehrmals genötigt, diplomatische Verhandlungen mit Frankreich behufs H e i m n a h m e der geisteskranken Französin H e n r i e t t e L o u i s e P a r i s anzuknüpfen, da diese Person stets, nachdem sie den französischen Behörden zugeführt und in das Spital zu St. Julien (Hoch-Savoyen) aufgenommen worden war, aus diesem bald wieder entlassen wurde und nach Genf zurückkehren konnte.

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Wegen dieses Verfahrens wurden wir bei der französischen Regierung vorstellig, indem wir darauf hinwiesen, daß die diplomatischen Interventionen um Heimnahme geisteskranker Franzosen illusorisch würden, wenn die letzteren nach einer Beobachtung in einem französischen Spital von nur 8--14 Tagen wieder nach der Schweiz zurückkehren können und hier bald darauf neuerdings in eine Anstalt aufgenommen werden müssen.

Die französische Regierung erklärte hierauf, daß die Henriette Louise Paris ohne weiteres übernommen werde, wenn sie in der Schweiz wiederum geisteskrank werden sollte und versorgt werden müsse. Es genüge im betreffenden Falle die rechtzeitige Voranzeige, wann die Person den französischen Behörden übergeben werden wolle.

26. Nicht minder Mißtrauen als im Auslieferungsfallo Dick (siehe oben Seite 404) zeigten die b e l g i s c h e n Behörden, als sie etwas später um die Z u f ü h r u n g des 1890 geborenen unehelichen Kindes der L u c i e D i c k ersucht wurden.

Das Regierungsstatthalteramt Bern hatte verfügt, es sei deiin Lüttich sich aufhaltenden Lucie Dick von Bern die elterliche Gewalt über ihr Kind Olga zu entziehen und letzterem ein Vormund zu verordnen. Um dieser Verfügung, welche durch die bernische Regierung bestätigt worden ist, Vollziehung zu verschaffen, beantragten wir auf Ansuchen der bernischen Behörden bei der belgischen Regierung, daß der dermalige Aufenthalt des Kindes ermittelt und dieses dem Regierungsstatthalteramt Bern zu Händen des Vormunds zugeführt werde. Wir bemerkten dabei, es scheine uns, daß hierfür unmittelbar die Dienste der Polizei in Anspruch genommen werden könnten, ohne das Exequatur durch ein belgisches Gericht zu erwirken, da nicht die Vollziehung eines gerichtliehen Urteils, sondern der Beschluß einer Verwaltungsbehörde (Obervormundschaftsbehörde) in Frage komme.

Das belgische Ministerium antwortete jedoch, es könne der Verfügung der bernischen Behörden nicht Folge gegeben werden, indem eine fremde Behörde, sei sie eine gesetzgebende, administrative oder richterliche, nicht die öffentliche Gewalt auf belgischem Gebiet in Anspruch nehmen könne, um ihren Beschlüssen Vollziehung zu verschaffen. Es bestehe auch kein Vertrag mit der Schweiz, durch den dieser internationale Grundsatz etwa aufgehoben sei.

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T. Verschiedene Geschäfte polizeilicher Natur.

27. Der schon vielfach bestrafte Job. Jak. L a n g h a n s , alias de C o u r t e n , von Nußbaumen (Thurgau) war beschuldigt, von Cairo aus, wo er sich aufhielt, unter der Angabe, or sei Notar, einer Dame in Frankreich von der Existenz einer großen Erbschaft Anzeige gemacht und dabei verlangt zu haben, es möchte ihm für die erste Liquidation der Erbschaft eine Provision von Fr. 220 zugesandt werden. Auf erhobene Anklage hin bewirkte nun das französische Konsulargericht in Cairo die Verhaftung des L. und verurteilte ihn wegen Betrugsversuehes zu 13 Monaten Gefängnis.

G-egen dieses Urteil legte L. Berufung ein und ersuchte gleichzeitig um unsere Intervention zu seinen Gunsten. Die Angelegenheit kam vor den französischen Appellhof zu Aix und dieser erkannte, daß das Konsulargericht in Cairo zur Beurteilung des L.

nicht kompetent gewesen sei. Das Gericht ging hierbei von der Erwägung aus, L. sei Schweizerbürger und habe als solcher sich in Cairo unter den Schutz des deutschen oder amerikanischen oder französischen Konsulates stellen können. Da er sich aber weder in die Matrikel des einen noch des ändern Konsulates habe eintragen lassen, sei seine Strafverfolgung nur den einheimischen Gerichten zugestanden. Durch die Kapitulationen habe Frankreich ein allgemeines Recht zur Beurteilung der Fremden durch seine Konsulate wegen der von ihnen in Ägypten begangenen Delikte nicht erlangt.

28. Ein Karl M e y e r aus dem Elsaß war seit 1871 in der Schweiz als Arbeiter beschäftigt und hatte sich 1878 mit einer Sehweizerbürgerin verehelicht. Als er im verflossenen Jahre seinen 1886 von dem Bürgermeisteramte Tannweiler ausgestellten Heimatschein erneuern lassen wollte, erklärte der Bezirkspräsident zu Straßburg, daß Meyer, da er seit 1871 nicht mehr nach Elsaß-Lothringen zurückgekehrt sei, die d e u t s c h e S t a a t s a n g e h ö r i g k e i t verl o r e n habe; auch sei der Heimatschein von 1886 ungültig, da die Bürgermeister zur Ausstellung solcher Dokumente nicht berechtigt seien.

Wir verwendeten uns auf dem diplomatischen Wege bei der deutschen Reichsregierung für Meyer und wiesen darauf hin, daß ihm und seiner Familie beim Mangel von Ausweisschriften die Bewilligung zum weiteren Aufenthalte in der Schweiz entzogen werden müßte. Unsere Schritte waren von Erfolg. Der Bezirkspräsident von Straßburg wurde angewiesen, eine Urkunde zu errichten, wonach dem Karl Meyer und seiner Familie nach Maß-

415 gäbe von § 21, Absatz 4, des Reichsgesetzes über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 die Staatsangehörigkeit von Elsaß-Lothringen wieder erteilt sei. Auch wurden den fraglichen Personen neue Heimatscheine ausgestellt. Der erwähnte Gesetzesabsatz lautet: ,,Deutschen, welche ihre Staatsangehörigkeit durch zehnjährigen Aufenthalt im Auslande verloren und keine andere Staatsangehörigkeit erworben haben, kann die Staatsangehörigkeit in dem frühem Heimatstaate \vieder verliehen werden, auch ohne daß sie sich dort niederlassen.'· 29. Wir wurden von der türkischen Botschaft in Paris in Kenntnis gesetzt, daß jeder t ü r k i s c h e U n t e r t h a n , welcher seinen A u f e n t h a l t im A u s l a n d nehmen will, gemäß den bestehenden Vorschriften sich einen Ausweis über seine Nationalität von dem Konsulate seines Wohnsitzes verschaffen muß. Eine solche Urkunde kann allein als genügendes Legitimationspapier dienen.

Demgemäß hat sieh ein Türke, der sich in der Schweiz niederlassen will, in die Register des türkischen Generalkonsulates in Paris eintragen zu lassen, worauf ihm von diesem ein Immatrikulationsschein zugestellt wird.

30. Die Regierung der s ü d a f r i k a n i s c h e n R e p u b l i k hat durch ein Gesetz, das mit dem 1. Januar 1897 in Kraft tritt, die Vorschriften aufgestellt, unter denen Fremde in der Republik Aufenthalt nehmen oder sich niederlassen können. Das Gesetz ist im Bundesblatt 1896, IV, Seite 1245, publiziert.

31. Von dem Polizeidepartemente des Kantons Ncuenburg wurde die Anfrage gestellt, ob einem f r a n z ö s i s c h e n S t a a t s a n g e h ö r i g e n , welcher vor 10 Jahren wegen Vernachlässigung seiner Familie und wegen Vagabundierens korrektionell bestraft worden sei und der mit Mühe sein Fortkommen finde und daher unterstützungsbedürftig werde, die B e w i l l i g u n g zur N i e d e r l a s s u n g im K a n t o n verweigert werden dürfe.

Unser Justiz- und Polizeidepartement antwortete hierauf, daß für die Aufnahme eines Franzosen in der Schweiz der Artikel l des Niederlassungsvertrages mit Frankreich entscheidend sei, während das in Artikel 5 des gleichen Vertrages ausbedungeno Recht der Wegweisung solcher Franzosen, welche die Sitten und Polizeigesetze verletzen, nicht zu einer Bedingung für die Bewilligung des
Aufenthaltes umgewandelt werden dürfe. Durch den citierten Artikel l ist demnach Frankreich zugesichert, daß seine Angehörigen zu den gleichen Bedingungen wie die Bürger der ändern Kantone aufgenommen werden. Bekanntlich kann aber einem Schweizer-

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bürger die Niederlassung nur in dem Fall verweigert werden: (Artikel 45, Absatz 2, der Bundesverfassung), wo der Bewerber infolge eines strafgerichtlichen Urteils nicht im Besitze der bürgerlichen Rechte und Ehren ist.

32. Im Kanton Thurgau waren von einem d ä n i s c h e n S t a a t s a n g e h ö r i g e n als Ausweisschriften zum Aufenthalte ein Heimatschein oder Paß, s o w i e ein Zeugnis über guten Leumund bezw. ein casier judiciaire verlangt worden. Das dänische Konsulat in Zürich erachtete die Forderung der letzteren Papiere als im Widerspruch stehend mit den Bestimmungen des Niederlassungsvertrages zwischen der Schweiz und Dänemark vom 10. Februar 1875 und wandte sich an den Bundesrat. Wir erklärten uns mit der Ansicht des Konsulates einverstanden, da in Art. Ili des angeführten Vertrages vereinbart ist, daß ein Bürger des einen der beiden Staaten, welcher sich in dem ändern niederlassen will, nur g e h ö r i g e H e i m a t s c h r i f t e n , aber nichts weiteres beizubringen habe. Es kann deshalb die Vorlage eines Leumundszeugnisses oder eines Zeugnisses über die eventuelle gerichtliche Bestrafung nicht verlangt werden (vgl. hierzu Bundesbl. 1877, H, 522, Ziffer 7 und 1890, II, 202, Ziffer 24).

33. Man beschäftigt sich zur Zeit in den Niederlanden mit dem Studium der Frage nach der K o n k u r r e n z , w e l c h e durch die g e w e r b l i c h e Arbeit in den Gefängnissen und Strafanstalten der Industrie verursacht wirdj was die holländische Gesandtschaft veranlaßte, sich zu erkundigen, wie es diesfalls in der Schweiz gehalten werde. Wir konnten darauf antworten, daß jene Frage bei uns nicht dieselbe Bedeutung habe wie in ändern Ländern, wo große Zuchthäuser bestehen und das System der Unternehmerarbeit adoptiert sei. Die größte Strafanstalt in der Schweiz sei diejenige in Zürich mit etwas über 200 Sträflingen. Diese werden mit industriellen Arbeiten beschäftigt, welche, wie auch in den ändern schweizerischen Gefängnissen, von der Verwaltung selbst geleitet werden. Der Versuch, Arbeit für bestimmte Unternehmer gegen Bezahlung eines Taglohnes auszuführen, sei bald wieder aufgegeben worden. Man nehme in den Anstalten die Aufträge selbst entgegen, das Rohmaterial werde von der Verwaltung oder den Auftraggebern geliefert und die Werkzeuge seien Eigentum der Anstalten. Bei der Aufstellung
der Preise für hergestellte Gegenstände werde den allgemein geltenden Preisen Rechnung getragen. Man sei überall darauf bedacht, gute und sorgfältige Arbeit zu liefern. Auch werden die Sträflinge mit den verschiedensten Gewerbszweigen und nur jeweilen eine ver-

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hältnismäßig beschränkte Anzahl mit dem gleichen Arbeitszweige beschäftigt, so daß der freien Industrie keine schädliche Konkurrenz entstehen könne.

34. Die schwedische Regierung erkundigte sich durch ihr Generalkonsulat in Genf darüber, welche gesetzliche V o r s c h r i f t e n und Einrichtungen in der Schweiz betreffend die v e r l a s s e n e n K i n d e r bestehen. Wir haben hierauf im wesentlichen geantwortet: Die Fürsorge und der Schutz der verlassenen Kinder ist in der Schweiz nicht nach einem einheitlichen, gleichförmigen System geordnet, es \vird vielmehr in den einzelnen Kantonen diesfalls verschieden verfahren. In den meisten bestehen Anstalten und Waisenhäuser, in denen die verlassenen Kinder auferzogen werden ; in einzelnen dagegen ist es Übung, die Kinder in Familien, namentlich auf dem Lande, unterzubringen. In verschiedenen Anstalten der Schweiz leben die Kinder in einem intimen, familiären Verhältnisse beieinander und stehen unter der Aufsicht eines Waisenvaters.

Mit Ausnahme der Kantone Freiburg, Graubünden, Tessin und Wallis haben alle Kantone besondere gesetzliche Bestimmungen, durch welche die Behandlung der verlassenen Kinder geregelt wird.

Diese Bestimmungen weichen je nach den Gewohnheiten, Traditionen und sozialen Verhältnissen in mancher Beziehung sehr von einander ab.

Fast überall liegt den Behörden der Heimatgemeinde die Fürsorge für das verlassene Kind ob, und wird dieselbe im allgemeinen bis zur Erreichung des 16. Altersjahres, an manchen Orten noch "länger, ausgeübt. Mit der Aufsicht und Kontrolle ist gewöhnlich ein Mitglied der Gemeindebehörde betraut. Einige Kantone haben besondere Inspektoren aufgestellt, die die Kinder und Familien, bei welchen dieselben untergebracht sind, überwachen. Kantonale Institutionen für die Versorgung verlassener Kinder bestehen einzig in den Kantonen Waadt und Genf.

35. Die englische Regierung wünschte zu wissen, welche Institutionen in unserem Lande zum Schütze j u n g e r M ä d c h e n , die sich als Erzieherinnen, Dienstboten u. dgl. ins Ausland begeben, bestehen. Wir antworteten hierauf unter Mitteilung der bezüglichen Bestimmungen und Statuten, daß zum Schütze junger Leute in der Fremde im Mai 1875 ein Konkordat zwischen den Kantonen Freiburg, Waadt, Neuenburg und Genf abgeschlossen worden sei, welchem in der Folge noch die Kantone Bern und Wallis beigetreten seien.

Sodann bestehe in der Schweiz zum Schütze junger Mädchen der 7

o

418 auf einer internationalen Konstitution beruhende ,,Verein der Freundinnen junger Mädchen11. Eine andere diesbezügliche Einrichtung sei die der Homes Suisses im Auslânde, wie solche in Budapest, Hamburg, Leipzig, New-York, Paris, St. Petersburg, Warschau und Wien bestehen und die den Zweck haben, Schweizerinnen und teilweise auch Landesfremden, die ohne Stellung sind, Aufnahme zu gewähren und ihnen zur Erlangung von Stellen zu verhelfen.

36. Im Jahre 1888 hat das eidgenössische Zolldopartement das Grenzwachtpersonal im Kanton Schaffhausen angewiesen, Z i g e u n e r b a n d e n am Überschreiten der Schwcizergrenzo zu verhindern und womöglich von sich aus zurückzuweisen (vgl.

Bundesbl. 1889, II, 780, Ziffer 27). Diese Maßnahme hat sich sehr bewährt. In neuerer Zeit sind indessen, wie aus einem Berichte der aargauischen Regierung hervorgegangen, die Zigeuner wieder zahlreicher in den Grenzkantonen aufgetreten. Dieselben kamen meistens aus dem Elsaß. Auf Antrag unseres Justiz- und Polizcidepartementes hat nun das Zolldepartemcnt die seiner Zeit erlassene Weisung auf die gesamten Grenzwachtorgane im I., II. und HI. Zollgebiet (Kantone Bern, Solothurn, Baselstadt und Baselland, Aargau, Zürich, Schaffhausen, Thurgau, St. Gallen und Graubünden) ausgedehnt. Demzufolge haben die betreffenden Grenzwachtorgane die Instruktion erhalten, Zigeuner beim Betreten schweizerischen Gebietes aufzuhalten, womöglich von sich aus über die Grenze zurückzuweisen, oder im Falle der Unmöglichkeit kantonale Polizei, nötigenfalls telegraphisch, zuzuziehen und letzterer Beihülfe zu leisten.

37. Von dem Beitrage von Fr. 500, welchen wir dem Centralkomitee der s c h w e i z e r i s c h e n S c h u t z a u f s i c h t s v e r e i n e für e n t l a s s e n e S t r ä f l i n g e behufs Unterstützung von aus Frankreich ausgewiesenen Schweizerbürgern pro 1896 haben zukommen lassen (siehe Bundesbl., 1896, II, 66, Ziffer 35), hat dasselbe gemäß einem vorgelegten detaillierton Berichte Fr. 145. 30 verausgabt. Wir haben dem Komitee die nicht verwendete Summe zu dem gleichen Zwecke für das Jahr 1897 überlassen.

419 C. Bundesanwaltschaft.

I. Bundesstrafrecht.

1. Im Berichtjahr hatten wir 119 Fälle voit E i s e n b a h n g e f ä h r d u n g e n zu behandeln, 9 derselben bezogen sich auf den Tramway verkehr.

Hiervon erwiesen sich 7 Fälle als W i d e r h a n d l u n g e n g e g e n da's B a h n p o l i z e i g e s e t z ; dieselben wurden behufs Erledigung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes an die kantonalen Behörden zurückgesandt.

2. J. H. G. warf in der Nähe von Cully einen Stein nach einem vorüberfahrenden Zuge, wodurch eine Fensterscheibe eines Personenwagens zerschlagen wurde. Er wurde vom Statthalter von Lavaux verhaftet, 17 Tage im Arrest behalten und dann auf Grund des Balmpolizeigesetzes zu einer Buße von Fr. 30 und zum Schadenersatz verurteilt.

Obwohl die Angelegenheit nicht auf Grund dieses Gesetzes, sondern auf Grund des Bundesstrafrechtes hätte beurteilt werden sollen, nahmen wir in Rücksicht auf die vom Angeschuldigten erstandene Haft von einer Woiterverfolgung der Sache Umgang und ließen es bei dem Urteil der waadtländischen Behörden bewenden.

15 Fällen wurde keine weitere Folge gegeben, weil bei den betreffenden Eisenbahngefährdungen ein strafbares Verschulden niemanden imputiert werden konnte, in 8 anderen Fällen geschah das Gleiche, weil eine e r h e b l i c h e Gefährdung nicht vorlag und in einem Falle konnte wegen jugendlichen Alters des Thäters nicht eingeschritten werden.

3. Wie wir bereits im letztjährigen Bericht bemerkt haben, sind, sofern es sich um Gefährdung, Verletzung oder Tötung von Personen d u r c h einen Eisenbahnzug handelt, die kantonalen Strafbestimmungen zur Anwendung zu bringen. Wir haben deshalb in einem Falle, wo ein Arbeiter von einem Zuge überfahren und hierbei tödlich verletzt worden war, die Beurteilung der Angelegenheit der kantonalen Gerichtsbarkeit überlassen.

Ebenso konnte Art. 67 des Bundesstrafrechts keine Anwendung finden bei der Beurteilung der Klage eines Kondukteurs, der auf einer Zwischenstation vor dem Stationsgebäude von einem Passagier des betreffenden Zuges mißhandelt worden war.

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4. Am 16. Mai 1896 wurde auf der Strecke Uttigen-Thun ein Eisenbahnzug durch die Schießübungen der Gebirgsartillerierekrutenschule Thun erheblich gefährdet.

Vom Militärdepartement wurde die in Art. 6, Alinea 2, des Militärstrafgesetzbuchs vorgesehene Ermächtigung zur strafrechtlichen Vertolgung der Angelegenheit aus Rücksichten, welche in den besonderen Verumständungen des Vorfalles liegen, verweigert.

5. 34 Fälle von a b s i c h t l i c h e n E i s e n b a h n g e f ä h r d u n g e n wurden zur Beurteilung nach den Bestimmungen des Bundesstrafrechts an die kantonalen Gerichte gewiesen.

Fälle Es handelte sich hierbei um Legen von Gegenständen wie Steine, Holzblöcke u. s. w. auf das Geleise 15 Bewerfen fahrender Züge mit Steinen 10 Schießen auf fahrende Züge 3 Verkeilen, Losschrauben von Weichen oder Schienen, unbefugtes Umstellen von Weichen 5 Unbefugtes Inbewegungsetzen v o n Lokomotiven . . . .

l 34

16 von den daherigen Strafuntersuchungen mußten wegen unbekannter Thäterschaft sistiert werden, in 6 Fällen erfolgte eine Verurteilung des oder der Angeschuldigten, in 4 Fällen wurden dieselben freigesprochen, 8 Fälle sind zur Zeit noch unerledigt.

6. Betreffend f a h r l ä s s i g e G e f ä h r d u n g des E i s e n b a h n b e t r i e b e s haben wir 50 Fälle zur Beurteilung an die kantonalen Gerichte gewiesen.

Fälle Hierbei handelte es sich um erfolgte oder drohende Zusammenstöße von fahrenden oder manöverierenden Zügen oder Zugsteilen, Wagengruppen, Lokomotiven u. s. w 26 Entgleisungen 8 Gefährdungen durch Straßenfuhrwerke 10 Zu scharfes Anfahren von Lokomotiven an Zugskornpositionen 3 TM scharfes Einfahren in die Endstation einer Seilbahn . .

l Fahrlässiges Liegenlassen auf dem Geleise von den Betrieb gefährdenden Gegenständen l Leichtsinniges Öffnen von Bremsen l 50

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Wegen mangelnden Schuldbeweises oder wegen Nichtvorhandenseins eines strafbaren Verschuldens oder endlich wegen unbekannten Aufenthalts des Thäters wurden 6 der bezüglichen Untersuchungen sistiert. Verurteilungen zu gesetzmäßigen Strafen erfolgten in 24 Fällen, in 14 Fällen wurden der oder die Angeschuldigten freigesprochen, unerledigt sind zur Zeit noch 6 Fälle.

7. Zur Behandlung gelangten ferner drei Fälle von Gefährdungen des Postverkehrs (ßewerfen eines Postwagens mit Steinen, Gefährdung eines solchen durch ein anderes Straßenfuhrwerk und Gefährdung des Postverkehrs durch Legen von Telephonstangen auf die Poststraße). Wir überwiesen alle drei Fälle den kantonalen Gerichten. Die Angeschuldigten wurden von denselben zu gesetzmäßigen Strafen verurteilt.

8. Auf dem Zugersee ist am 28. Januar 1896 das P o s t d a m p f s c h i f f ,, S t a d t Zug 1 ' durch ein Petrolmotorboot erheblich gefährdet worden.

Wir überwiesen die Angelegenheit zur Beurteilung nach den Bestimmungen des Bundesstrafrechts an die Gerichte des Kantons Zug ; die Angelegenheit ist zur Zeit noch unerledigt.

9. Am 29. Mai 1896 erfolgte ebenfalls auf dem Zugersee ein Zusammenstoß zwischen dem P o s t d a m p f s c h i f f ,, H e i v e t i aco und einem Petrolmotorboot.

Da sich jedoch dieser Vorfall nicht als eine er h e b l i e h e G e f ä h r d u n g des Postdampfschiffes darstellte, gaben wir der Angelegenheit in bundesstrafrechtlicher Beziehung keine Folge.

10. Im Berichtsjahre wurden uns die Untersuchungsakton betreffend die am 26. Juli 1895 bei der Dampfschiffländte in Flfielen erfolgte Verunglüekung des Gepäckträgers Alexander T r a d i s c i vorgelegt.

Trachsel war in den See gefallen und ertrunken, weil er das Dampfschiff verlassen wollte als sich dieses schon in Bewegung befand und die Landungsbrücken zum Teil weggezogen waren.

Da jedoch der Unfall nicht auf ein Vergehen im Sinne von Art. 67 des Bundesstrafrechts zurückgeführt werden konnte, gaben "wir auch dieser Angelegenheit in bundesstrafrechtlicher Beziehung keine weitere Folge.

11. Von 11 Fällen betreffend S t ö r u n g des Telegraphonu n d T e l e p h o n b e t r i e b e s haben wir 10 zur Beurteilung an die kantonalen Gerichte gewiesen.

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Einer Anzeige wegen Zerschneidens des Leitungsdrahtes einer noch nicht dem Betriebe ü b e r g e b e n e n Telephonl e i t u n g konnte in bundesstrafrechtlicher Beziehung keine Folge gegeben werden. Dieselbe war nach den Bestimmungen der kantonalen Gesetzgebung (gewöhnliche Sachbeschädigung) zu beurteilen.

Von den 10 überwiesenen Fällen wurden von den kantonalen Überweisungsbehörden die Untersuchung in 3 Fällen mit Rücksicht auf das jugendliche Alter der Thäter aufgehoben, ebenso in einem anderen Falle, ·weil angenommen wurde, es sei durch das eingeklagte Delikt die Telegraphenanstalt in ihren Zwecken nicht gestört worden. In 6 Fällen wurden die Angeschuldigten zu gesetzmäßigen Strafen (Gefangenschaft und Geldbuße) verurteilt.

12. Betreffend F ä l s c h u n g e n in Militärdienstbüchlein (Ausradieren oder Ändern der pädagogischen Noten oder anderer Eintragungen, Fälschen von Quittungen für die Militärpflichtersatzsteuer) überwiesen wir 11 Fälle an die Gerichte. In 7 Fällen ·wurden die Angeschuldigten zu gesetzmäßigen Strafen (Gefangenschaft und Geldbuße) verurteilt. 4 Fälle sind noch unerledigt.

13. Ein Ersatzpflichtiger warde beschuldigt, bei seiner Abmeldung dem betreffenden Sektionschef als Zeitpunkt seiner Abreise absichtlich ein falsches Datum augegeben zu haben. Infolge dieser Angabe wurde eine unrichtige Eintragung in sein Dienstbüchlein gesetzt.

Die Handlungsweise des Angeschuldeten qualifiziert sich als eine intellektuelle Urkundenfälschung, ein Vergehen, das im Bundesstrafrecht nicht vorgesehen ist. Wir konnten daher der Angelegenheit in bundesstrafrechtlicher Beziehung keine Folge geben.

Dagegen wurde der Fehlbare der kantonalen Gerichtsbarkeit überwiesen.

14. Von Am t s d e l i k t e n d u r c h P o s t a n g e s t e l l te (Verletzung des Briefgeheimnisses, Fälschungen und Unterschlagungen) überwiesen wir 8 Fälle an die kantonalen Gerichte. Hievon sind in 7 Fällen die betreffenden Angeschuldigten verurteilt worden, l Fall ist noch unerledigt, zwei solchen gaben wir keine Folge.

15. Von einer kantonalen Staatsanwaltschaft wurde die Frage aufgeworfen, ob die Privatpostgehülfen mit Bezug auf Dienstvergehen dem Bundesstrafrecht (Art. 54) zu unterstellen seien ; wir haben uns unter Festhaltung eines früheren grundsätzlichen Entscheides (vide Geschäftsbericht : Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement pro 1892, Bundesstrafrecht, Nr. 15) in bejahendem Sinne ausgesprochen

423

und darauf hingewiesen, daß auch der Art. 2 des Bundesgesetzes über die Verantwortlichkeit der eidgenössischen Behörden und Beamten vorschreibe, daß neben den ordentlichen Beamten alle Personen, welche entweder provisorisch ein Amt bekleiden, oder eine vorübergehende amtliche Funktion ausüben, für ihre amtliche Geschäftsführung nach den Bestimmungen des Verantwortlichkeitsgesetzes verantwortlich seien.

16. Aus einem Berichte des eidgenössischen Finanzdepartementes ergab sich, daß Direktor Henri Nicolas und Vizedirektor und Hauptbuchhalter Schäublin, beide in Neuenburg, in ihrer Eigenschaft als verantwortliche Leiter und Geschäftsführer der N e u e n b u r g e r H a n d e l s b a n k , dem Bundesrat Bilanzen eingesandt hatten, welche die Geschäftsverhältnisse dieser Bank unwahr darstellten oder verdeckten. Diese Handlungsweise qualifizierte sich als eine Widcrhandlung gegen Art. 48 des Bundesgesetzes über d i e A u s g a b e u n d E i n l ö s u n g v o n B a n k n o t e n . W i r überwiesen diesen Straffall zur Untersuchung und Beurteilung an die Gerichte des Kantons Neuenburg, von welchen die Angeschuldigten sowohl wegen dieses wie anderer Delikte, die mit demselben im Zusammenhang standen, zu entsprechenden Strafen verurteilt wurden.

17. Der mit Beschluß des Bundesrates vom 29. Januar 1895 aus dem Gebiete der Schweiz ausgewiesene Rodolfo G i a n n i, von Broscia, kehrte ohne Erlaubnis der zuständigen Behörde zurück und wurde in Montagnola (Tessin) verhaftet.

Wir überwiesen denselben wegen Widerhandlung gegen Art. (>3, litt, a, des Bundesstrafrechts den tessinischen Gerichten, von welchen er zu einer gesetzmäßigen Strafe verurteilt wurde.

18. Gegen die Direktion einer Eisenbahngesellschaf't wurde wegen Pflichtvernachlässigung eine Strafuntersuchung eingeleitet.

Durch die Untersuchung wurde erhoben, daß die Gesellschaft einen Specialtarif zur Anwendung brachte, obgleich derselbe die Genehmigung des Bundesrates noch nicht erlangt hatte (Art. 4 und 11 des Bundesgosetzes betreffend den Transport auf Eisenbahnen und Dampfschiffen vom 29. März 1893). Dagegen nahmen die Strafgerichtsbehörden an, daß eine g r o b e Vernachlässigung der Pflichten, welche nach Art. 65 leg. cit. die Voraussetzung einer gerichtlichen Bestrafung ist, in casu nicht vorliege ; es wurde deshalb von einer Überweisung an den Strafrichter Umgang genommen.

19. Der Verband der schweizerischen Philatelistenvereine verlangte in einer Petition,

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a. daß die schweizerische Postgesetzgobung dahin abgeändert werde, daß Postwertzeichen im allgemeinen nicht nachgebildet werden dürfen und Widerhandelnde dem Strafrichter überwiesen werden ; b. daß die Eintragung einer Schutzmarke für Nachahmungen alter außer Kurs gesetzter Kantonalmarken annulliert werde.

Der Petition wurde keine Folge gegeben.

Was die Schutzmarke betrifft, so wird durch deren Eintragung das Geschäft selbst, für welches die Marke dienen soll, weder geschüzt noch autorisiert. Die Fabrikmarke ist nach dem Gesetze lediglich ein Zeichen, welches zur Feststellung der Herkunft einer Ware dienen soll. Jeder der die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, hat das Recht, seine Marke eintragen zu lassen und hat damit Anspruch auf den gesetzlichen Schutz ; nicht das Geschäft wofür die Marke eingetragen wurde, wird geschützt, sondern nur die Marke.

Bezüglich der verlangten Strafbestimmungen wurde darauf hingewiesen, daß bereits solche bestehen betreffend Nachahmung von gültigen Postwertzeichen, daß dem Bund die Kompetenz abgehe, das Nachmachen von kantonalen Postmarken zu verbieten und daß schließlich kein Grund vorliege, Strafbestimmungen zu erlassen wegen Nachmachen von außer Kurs gesetzten eidgenössischen Postwortzeichen, um so weniger, da der betrügerische Vorkauf von nachgemachten Marken als echte nach Anleitung der kantonalen Strafgesetze als Betrug strafrechtlich verfolgt werden kann.

Bei Anlaß der Behandlung dieser Petition wurde durch eine Untersuchung erhoben, daß eine Privatperson sich im Besitze von zwei Stempeln befand, mit Bezug auf welche die schweizerische Oberpostdirektion erklärte, daß sie als Nachahmung von Stempeln bezeichnet werden müssen, welche für den Postdienst verwendet worden. Im fernem wurde erhoben, daß diese Stempel zur Abstempelung nachgemachter Briefmarken verwendet wurden.

Es war somit der Thatbestand einer Übertretung im Sinne des Art. 38 in fine des Bundesgesetzes betreffend das Postrogal vom 5. April 1894, beziehungsweise des Art. 61 des Bundesstrafrechtes gegeben. Die Beurteilung des Vergehens wurde den Gerichten des Kantons Genf überwiesen.

20. Eine Amtsklage wegen Übertretung des Art. 26 des Bundesgesetzes betreffend den Schutz der Fabrik- und Handelsmarken wurde nach Anleitung des Gesetzes (Art. 28, 1. 2) bei der zuständigen Kantonsregierung eingereicht.

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21. Von einer kantonalen Staatsanwaltschaft wurden Untersuchungsakten eingesandt, aus welchen sich ergab, daß ein Zollwächter von einer Person mit einem Messer angegriffen worden war und der Antrag gestellt, den Thäter nach Maßgabe des Art. 47 des Bundesstrafrechtes zu bestrafen. Abgesehen davon, daß in casu die Voraussetzungen des Art. 47 an sich nicht zutrafen, bedroht dieser Artikel nur Strafthaten gegenüber Beamten, nicht aber auch solche, welche gegen bloße Angestellte vorübt werden ; die fraglichen Bestimmungen haben nur Vergehen gegen die vorfügenden Organe des Staates, welchen die Verwaltung staatlicher Hoheitsrechte anvertraut ist, im Auge, nicht aber Widersetzlichkeit oder Thätlichkeit gegen bloße staatliche Bedienstete (vide Entscheid der Anklagekammer des Bundesgerichtes vom 16. April 1891). Es wurde deshalb der Staatsanwaltschaft geantwortet, daß die eingeklagte Handlung nach den Vorschriften des kantonalen Strafrechtes zu verfolgen sei.

22. Zu Händen des Bundesgerichtes hat die Bundesanwaltschaft im Berichtsjahre 9 A u s l i e f e r u n g s f ä l l e begutachtet.

23. Dem Begnadigungsgesuch einer gewesenen Postablagehalterin, die wegen Unterschlagung von Briefen und Verletzung des Briefgeheimnisses bestraft worden war, wurde entsprochen (Bundesbl. 1896, I, 765, und Übersicht der Verhandlungen der Bundesversammlung vom 16. März 1896, Nr. 10).

Zwei weitere Begnadigungsgesuche wurden dagegen abgewiesen. Das eine wurde gestellt von Personen, die wegen Eisenbahngefährdung verurteilt worden, das andere von einem wegen Gebrauchs von falschen Ausweisschriften Bestraften (Bundesblatt 1896, III, 316, Übersicht der Verhandlungen vom 1. Juni, Nr. 46, und Übersicht der Verhandlungen der Dezembersession Nr. 20).

Zwei Gesuche sind noch nicht erledigt.

II. Widerhandlungen gegen eidgenössische Fiskalgesetze.

24. Von den 5 im Jahre 1895 unerledigt gebliebenen Fällen von W i d e r h a n d l u n g e n g e g e n d a s Z o l l g e s e t z sind im Berichtsjahre alle erledigt worden. In 4 Fällen wurden der oder die Angeschuldigten verurteilt, in einem Falle wurde derselbe freigesprochen.

Bei den kantonalen Gerichten wurden im Laufe des Jahres 1896 anhängig gemacht: 12 Fälle betreffend W i d e r h a n d l u n g g e g e n das Z o l l g e s e t z . In einem Falle handelte es sich neben Bundcsblatt. 49. Jahrg.

Bd. J.

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der Zollübertretung auch um eia e W i d e r h a n d l u n g g e g e n das A l k o h o l g e s e t z . Ferner wurde überwiesen ein Fall betreffend Übertretung des letztgenannten Gesetzes.

.Von diesen 13 Fällen sind zur Zeit nur 2 noch nicht erledigt; in allen übrigen sind die Fehlbaren nach Vorschrift des Gesetzes bestraft worden.

25. In dem im letztjährigeri Geschäftsbericht erwähnten Fall, in welchem ein freisprechendes Urteil vom Bundesgerichto kassiert und die Beurteilung dem Gerichte eines ändern Kantons überwiesen wurde, ist der Angeklagte erst- und zwoitinstanzlich im Sinne der Anklage der Zollübertretung schuldig erklärt und in eine angemessene Buße verurteilt worden.

26. In einem Falle hatte das Strafgericht einen Angeklagten der Teilnahme an der Übertretung des Alkoholgesetzes zwar schuldig erklärt, aber von einer Bestrafung Umgang genommen, weil das Alkoholgesetz eine Bestrafung der Teilnehmer nicht vorsehe. Die gegen dieses Urteil erhobene Kassationsbeschwerde wurde vorn Kassationshof des Bundesgerichts abgewiesen mit der Begründung, daß nach Anleitung des Art. 18 des Bundesgesetzes betreffend das Verfahren bei Übertretung fiskalischer Bundesgesetzo eine Kassation nur zulässig sei wegen Verletzung bestimmter gesetzlicher Vorschriften, also des geschriebenen Rechtes, das Alkoholgesetz eine Bestrafung der Teilnehmer nicht ausdrücklich vorschreibe und die Bestimmungen des allgemeinen Teils des Bundesstrafrechtes betreffend Urheber und Mitschuldige (Art. 18) auf Übertretungen der Fiskalgesetze keine Anwendung finden.

27. Ein Begnadigungsgesuch, das von einem wegen Übertretung des Zollgesetzes Bestraften eingereicht worden war, wurde von der Bundesversammlung abgewiesen (vergi. Bundesbl. 1896, I, 767, und Übersicht der Verhandlungen vom 16. März 1896, Nr. 11).

III. Politische Polizei.

Unter diesem Titel ist einzig die durch Bundesratsbeschluß vom 19. September 1896 erfolgte Ausweisung des Russen Viktor N a k a s c h i d z e zu erwähnen (Bundesbl. 1896, IV, 38).

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D. Versicherungsamt.

Der n e u n t e S p e c i a l b e r i c h t des V e r s i c h e r u n g s a m t e s , das Geschäftsjahr 1894 umfassend, ist infolge Ihres Beschlusses vom 4. Mai 1896 veröffentlicht worden. Derselbe stimmt in seiner Anlage mit den früheren Berichten überein. (Art. 12 des Aufsichtsgesetzes.)

K o n z e s s i o n s b e g e h r e n sind von zwei Gesellschaften eingereicht worden und zur Zeit noch schwebend ; ein drittes, die Lebens- und Feuerbranche betreffendes Begehren ist von der Petentin zurückgezogen worden.

E r n e u e r t bis zum Oktober 1898, wo auch die Konzessionen der übrigen Gesellschaften derselben Branchen ablaufen, wurde dio Konzession der Lebensversicherungsgesellschaft ,,Star", der Feuerversicherungsgesellschaft ,, L a Foncière" und der ,, S c h w e i z e r i s c h e n Gewerbe-Unfallkassen".

Das Versicherungsamt hat auf Verlangen einer gewissen Anzahl von Versicherungsgesellschaften, die entweder in der Gründung begriffen waren oder bis jetzt nur im Auslande arbeiteten, A u s k u n f t ü b e r die K o n z e s s i o n s b e d i n g u n g e n erteilt.

Im Laufe des Jahres haben wir 18 Beschlüsse zur Genehmigung von S t a t u t e n ä n d e r u n g e n , 25 Beschlüsse wegen Ä n d e r u n g v o n V e r s i c h e r u n g s b e d i n g u n g e n oder E i n führung von neuen Versicherungskombinationen, 26 Beschlüsse wegen Ä n d e r u n g e n der T a r i f e oder der R e s o r v e b e r e c h n u n g und einen Beschluß wegen A b t r e t u n g des P o r t e f e u i l l e s (Art. 4 des Aufsichtsgesetzes und 2 der Konzessionsbedingungen) gefaßt.

Infolge eines Rekurses haben wir unsere Vorordnung vom 26. November 1895 durch eine neue Verordnung vom 21. Januar 1896 betreffend die Lebensversicherungsanstalten ersetzt. Dieselbe auferlegt den genannten Unternehmungen die Pflicht, dem Versicherungsamte nicht bloß die Drucksachen, welche erst nach unserer Genehmigung in der Schweiz verwendet werden dürfen (Art. 4 des Gesetzes), sondern auch das übrige in u n s erm L a n d e beim Anwerbebetriebe zur Verwendung gelangende Material mitzuteilen.

Wegen kantonaler B e s t e u r u n g (Art. 15) ist uns ein Rekurs eingereicht worden. Derselbe ist der Bundeskanzlei erst gegen

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Ende des Jahres zugekommen und konnte noch nicht erledigt werden.

Die zwei S t r a f a n z e i g e n , welche wir 1892 und 189:5 vor den Gerichten des Kantons Genf anhängig machten (Art. 11) haben endlich ihre Erledigung gefunden : die Beklagten, J. Aug. Fillod und Leon Hernoux, sind in contumaciam wegen unbefugten Betriebes von Versicherungsgeschäfton jeder mi Fr. 1000 Buße verurteilt worden. Die im Jahre 1895 gegen die verantwortlichen Leiter der ,,Eidgenössischen"1 Transportvorsichcrungsgcscüscbaft in Zürich anhängig gemachte Straf klage ist zur Zeit noch schwebend.

Die E i n s e n d u n g der J ä h r o s b c r i c l i t c der Versicherungsgesellschaften (Art. 5 und 7) geschieht noch immer nicht mit dei' wünschbaren Promptheit und die meisten derselben geben infolge von Lücken und Ungenauigkeiten zu einer weitläufigen Korrespondenz Anlaß. Ebenso läßt die Vorzeigung der R o c h t s d o m i z i l e, deren Mitteilung an das Versicherungsamt und die Veröffentlichung im schweizerischen Handelsamtsblatte (Art. 6 der Konzessionsbedingungen) seitens der Gesellschaften vieles zu wünschen übrig.

Die Verwaltung der K a u t i o n e n (Art. 2, Ziffer 5) nahm einen normalen Verlauf. Infolge Fusion der Bernischen kantonalen Alters- und Sterbckasse mit der Schweizerischen Sterbe- und Alterskasse haben wir im Einverständnisse der beiden Gesellschaften der letztern die durch die Bernische kantonale Alters- und Sterbekasse hinterlegte Kaution herausgegeben.

In diesem Jahre noch mehr als früher ist das Versicherungsamt durch das Publikum und durch Gesellschaften über eine Menge Fragen verschiedenster Art um Auskunft angegangen worden : Stand der Gesetzgebung im Auslande oder in einzelneu Kantonen, Steuern, Rückkaufs- und Reduktionswort von Polizen, Eigenschaften dieser oder jener Gesellschaft etc. Über letztern Punkt mußte das Versicherungsamt die größte Zurückhaltung beobachten. Da alle konzessionierten Gesellschaften vertrauenswürdig sind, geht es nicht an, daß das Versicherungsamt die eine derselben vor den ändern durch besondere Empfehlung begünstige. Die Besehwerden oder Fragen von Versicherten, welche sich mit ihrem Versicherer im Streit befinden, sind ebenfalls sehr delikater Natur. Da Art. 13 des Gesetzes die Erledigung von solchen Streitigkeiten dem Richter vorbehält, darf das Versicherungsamt kein
Gutachten abgeben, welches den kompetenten Richter irgendwie beeinflussen könnte.

Gemäß Bundesbeschluß vom 20. Dezember 1888 sind dem Versicherungsamte im Berichtsjahre 37 Ci vil u r t e i l e in V e r -

429 sicherungssachen zur Kenntnis gebracht, worden. Diese Urteile gruppieren sich wie folgt : 1. nach den betreffenden Versicherungszweigen : Leben 7, EinzelUnfallversicherung 8, Kollektiv-Unfallversicherung 9, Haftpflicht- 7, Feuer- 4 und Viehversicherung 2 ; 2. nach den urteilsprechenden Instanzen : erste Instanz 18, zweite Instanz (>, Bundesgericht 13 ; ' 3. nach der Nationalität der plaidierenden Gesellschaften : schweizerische 13, ausländische 24.

Die 24 durch die kantonalen Gerichte gefällten und nicht an dus Bundesgericht gezogenen Urteile verteilen sich auf die Kantone Bern 6, Genf 4, Zürich 3, Uri, Baselstadt und Waadt je 2, St. Gallen, Aargau, Baselland, Freiburg und Neuenburg je 1. Von 8 durch die Gesellschaften wegen verweigerter Prämienzahlung angehobenen Prozessen haben diese 3 gewonnen, 4 ganz und \ teilweise verloren. Die 29 ändern Prozesse, hervorgerufen durch die Versicherten wegen EntschädigungsVerweigerung, endigten in 14 Fällen zu gunsten der Versicherten, in 14 Fällen ganz und in l teilweise zu deren ungunsten.

Am 28./29. Juni 1895 hatte die Bundesversammlung den Bundesrat eingeladen, zu prüfen, ob und inwieweit die zur Kenntnis des Versicherungsamtes gelangenden Urteile D r i t t e n m i t g e t e i l t werden können. Wir haben diese Frage studiert und in unserm Berichte vom 25. Februar (Bundesbl. 1896, I, 759) in verneinendem Sinne begutachtet. Die Bundesversammlung hat dieser Ansicht am 24./27. März 1896 zugestimmt.

Wie schon in früheren Jahren ist das Versicherungsamt durch Behörden und Gesellschaften um versicherungstechnische Gutachten angegangen worden. Obschon solche Arbeiten nicht zu der dein Amte obliegenden Aufsicht gehören, hat dieses den gestellten Begehren gerne entsprochen.

Am 1. Januar 189(i hat Herr Dr. E. Ceresole beim Versicherungsamte die Funktionen eines juristischen Sekretärs übernommen. Im übrigen hat das P e r s o n a l des Amtes im Berichtsjahre keine Änderung erlitten.

Die Vorarbeiten für die Gesetzgebung über den Versicherungsvertrag haben in 1896 erfreuliche Fortschritte gemacht. Im Laufe des Monats Januar wurde uns durch Herrn Prof. Dr. Roelli der Gesetzesentwurf übermittelt, dessen Ausarbeitung wir ihm übertragen hatten, und welchen er im Januar und August durch Vorlage der dazu gehörigen Motive ergänzte. Der mit großer Sorg-

430

fait und Sachkenntnis ausgearbeitete Entwurf, dessen Übersetzung ins Französische Herr Dr. E. Ceresole besorgte, wurde den Mitgliedern des Bundesgerichts, den kantonalen Regierungen und Gerichten, den Rechtsfakultäten der schweizerischen Universitäten, den Versicherungsgesellschaften und der Fachpresse zugestellt, mit der Einladung, ihre Bemerkungen unserem Justiz- und Polizeidepartement zugehen zu lassen. Eine Anzahl bezüglicher Memoriale sind bereits eingegangen und zeugen von einem lebhaften Interesse für die Sache. Sie werden von der mit der Prüfung und Diskutierung des Entwurfes beauftragten Expertenkommission mit Nutzen verwertet werden. Diese gegenwärtig aus 14 Mitgliedern bestehende Kommission ist am 25. und 26. September 1896 in Bern zusammengekommen, hat einstimmig Eintreten auf den Entwurf beschlossen und behufs Verteilung der Arbeit sich in Subkommissionen gegliedert, welche anfangs April 1897 tagen werden.

Die von den konzessionierten Versicherungsgesellschaften bezogene Staatsgebühr erreichte im Jahre 1896 den Betrag von Fr. 41,404. 90 (1895 : Fr. 37,573. 95). Für Subskriptionsexemplare des Jahresberichtes wurden Fr. 1820 (1895: Fr. 1842) und für in Kommission verkaufte Berichte Fr. 369 (1895 : Fr. 267) eingenommen.

E, Amt für geistiges Eigentum.

Allgemeines.

Das Amt untersteht seit dem 1. Januar 1896 dem eidgenössischen Justiz- und Polizoidepartement ; diese Zuteilung wurde im Bundesbeschluß vom 28. Juni 1895 vorgesehen.

Der am 10. November 1896 zwischen der Schweiz und Japan abgeschlossene Freundschafts-, Niederlassungs- und Handelsvertrag bestimmt in seinem Artikel XI, daß den Angehörigen des einen Landes nach Erfüllung der im ändern Land geltenden gesetzlichen Formalitäten daselbst der den Landesangehörigen gewährleistete Schutz betreffend patentierbare Erfindungen, gewerbliche Muster und Modelle, Fabrik- und Handelsmarken, Geschäftsfirmen und Werke der Litteratur und Kunst zukommen soll. Im übrigen verpflichtet sich Japan, den bezüglichen internationalen Konventionen von Paris und Bern beizutreten.

431

Personal.

Die neugeschaffene fünfte Kanzlistenstelle wurde durch Herrn Paul Signorini von Caslano (Tessin) besetzt. Derselbe trat am 1. Juni 1896 ein.

1. Erfindungsschutz.

Auf 1. Dezember 1896 ist gemäß Bundesratsbeschluß vom 10. November 1896 eine neue Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz betreffend die Brflndungspatente in Kraft getreten. Dieselbe enthält gegenüber der vorhergehenden einige mit dem durch die Bundesverfassung bedingten System des Gesetzes vereinbare Verbesserungen und Erleichterungen.

Von 8 dem Departement im Laufe des Jahres eingereichten Rekursen wurden 4 abgewiesen, 2 gutgeheißen und 2 bis zum Schluß des Berichtsjahres nicht erledigt. Ein dem Bundesrate «ingereichter Rekurs wurde von diesem abgewiesen.

Statistik betreffend die Erfindungspatente.

A. Allgemeine Informationen.

Hinterlegte Gesuche wovon : für provisorische Patente ,, definitive Patente ,, Zusatzpateute ,, Ausstellungsschutz Zurückgezogene Gesuche Zurückgewiesene Gesuche Rekurse wegen Gesuchszurückweisung etc. . .

Beanstandungen betreffend Gesuche in Prüfung wovon : I. Beanstandungen U.

,, m.

,, weitere ,,

Konfidentielle Anzeigen Eingetragene Hauptpatente Eingetragene Zusatzpatente Zeugnisse für Ausstellungsschutz Umwandlungsmahnungen

1896.

1895.

2266

2125

1631 572 47 16 66 116 8 2959

1523 550 50 2 66 104 5 2891

1984 797 164 14

1881-i 837 148 28

53 1957 14 16 383

63 1850 24 2 328

432 Modellausweise dem Amte zugestellt .

wovon : Z u r Vergleichung a u f d e m Amte . . . .

Zur Vergleichung außerhalb des Amtes Bleibend hinterlegte Modelle Bleibend hinterlegte Photographien . . . .

Modellausweise vom Amte verneint Modellausweise dem Departement zugestellt .

Annuitätenmahnimgen Stundungen der 3 ersten Jahresgebühren Bezahlte Jahres^eb Uhren wovon : 1. Jahresgebühren 2,, 3,, ·1.

,,JÎ .. .. . . . .. .. .. ..

5.

,, ö.

,, 7.

,, 8,, 9,,

Eingetragene Abtretungen ete Eingetragene Lizenzen Eingetragene Verpfandungen Gelöschte Vorpfändungen Nachträgliche Eintragungen Löschungen wovon : Hauptpatente Zusatzpatente .

. . .

.

1896.

1895.

1218

1176

891 87 118 122

847

132 3 . 2121 8 5612

167 10 2077 6 5106

2043 1310

1919 1218

.

813 454 371 241 156 187 37 148

109

715 459 319 198 224 54 --

1 1528

124 30 2 1 1 1513

1507

1492

32 .

--

.

7!)

141

21 1

.

Nichtigkeitserklärung

21

B. Verteilung nach Ländern, -in alphabetischer Reihenfolge, der in den Jahren 1896 und 1896 erteilten Hauptpatente.

1896.

Schweiz Ausland

. . . .

. . . .

1895.

603 = 30,81% 1354 == 69,19%

575 = 31,08% 1275 = 68,92%

1957

1850

433

Verteilung für das Ausland.

Europa.

Belgien Dänemark und Kolonien Deutschland Frankreich und Kolonien Großbritannien und Kolonien Italien Niederlande und Kolonien Österreich Rumänien Kußland Schweden und Norwegen Serbien Spanien und Kolonien Türkei, europäische und asiatische Ungarn Andere Erdteile.

Argentinien Australien Kanada Chili Mexiko Neu-Seeland Siam Transvaal Vereinigte Staaten von Brasilien Vereinigte Staaten v o n Nordamerika . . . .

1896.

26 7 689 214 131 33 8 80 -- J3 20 -- 7 -- 13

1895.

24 7 687 199 102 30 10 (55 l 9 18 l 13 l 2(5

-- 10 5 l l l l l l 92

l H 3 .1

1354

-- l l 67

1275

2. Muster und Modelle.

Der in unserem letzten Geschäftsbericht erwähnten Motion von Herrn Nationalrat Wild und Konsorten konnte im Laufe dieses Jahres noch nicht Folge gegeben werden. Sie bedingt eine Umgestaltung des bestehenden Bundesgesetzes betreffend die gewerblichen Muster und Modelle. Es wurden vorläufige Studien unternommen betreffend die möglichst allseitig befriedigende Lösung einiger schwieriger Fragen, welche in der Motion berührt sind.

434

Das Amt hat Verfallmahnungen für 662 Hinterlegungen erlassen. 3 Hinterlegungsgesuche betreffend 4 Gegenstände wurden zurückgezogen und 5 Hinterlegungen betreffend 11 Gegenstände abgewiesen. Es wurde nur l Rekurs an das Departement gerichtet, und dieser wurde abgewiesen.

Statistik betreffend die Muster und Modelle.

A. Tabelle für die vier Schutzperioden.

Hinterlegungen.

Gegenstände.

Perioden.

1. Periode (2 Jahre) .

(wovon versiegelt) .

2. Periode (3 Jahre) .

1896.

1895.

1896.

1895.

1178

1331

45,576 43,563 1029

55,943 50,865

946

1088

169 2

733 75 5

7

39

55

412

212

15,810

6,347

22

24

572

458

4. Periode (5 Jahre) .

115 36 1

98 24 2

Abtretungen . . . .

15

Löschungen (ganzer Depotinhalt) . .

Löschungen (teilweise!1 Depotinhalt) . . .

3. Periode (5 Jahre) .

435 B. Verteilung nach Ländern, in alphabetischer Reihenfolge, für die erste Periode.

Hinterlegungen.

Gegenstände.

Länder.

Schweiz Ausland Total Verteilung für das Ausland.

Belgien Deutsehland . . . .

Frankreich . . . .

Großbritannien . .

Italien Österreich . . . .

Schweden Ver. Staaten von N.-A.

Total

1896.

1895.

1896.

1895.

1149

1309 22

45,217

55,728

29

359

215

1178

1331

45,576

55,943

2 205 127 -- 2 10

-- 165 45 1

.

2 12 10 | --1 2

--

15

5 ,,

1

--1

29

4

13

2 22

359

215

3. Fabrik- und Handelsmarken.

Die Vereinigten Staaten von Brasilien haben uns mit Note vom 3. Oktober 1896 Kenntnis von der Ratifikation der vier am 14. und 15. April 1891 in Madrid unterzeichneten Protokolle gegeben, welche die Union zum Schutz des gewerblichen Eigentums botreffen. Infolge dieser Ratifikation werden die vom internationalen Bureau registrierten Marken auch in Brasilien geschützt sein.

Statistik betreffend die Marken.

A. Allgemeine Informationen.

1896.

1895.

Marken, welche zur Eintragung angemeldet wurden 891 Marken, deren Belege unregelmäßig oder unvollständig waren 426

812 303

436 1896.

1895.

Eingetragene Marken (auf dem eidgenössischen Amte) 844 Eingetragene Marken (auf dem internationalen Bureau) 304 Zurückgezogene Marken 17 Zurückgewiesene Marken 23 Rekurse --Marken, welche zu einer vertraulichen Mitteilung Anlaß gegeben haben 70 Firmen- oder Domiziländerungen 8 Übertragene Marken 99 Gelöschte Marken (auf Ansuchen der Hinterleger) .

26 Gelöschte Marken (infolge eines Urteils) . . . .

2

765 '229 11 23 4 52 38 67 11 l

B. Verteilung nach Warenldassen der in den Jahren 1895 und 1896 auf dem eidgenössischen Amte und auf dem internationalen Bureau eingetragenen Marken (Erneuerungen und Übertragungen Inbegriffen).

Warenklassen.

Nr. 1.

.,V) 2.

,,

T, .,

3.

4

5.

; e.

,,,, ?·8.

,, 9.

.,ii 10.

,, 11.

,, 12.

« 13.

Nahrungsmittel etc.

Getränke etc Tabake etc Heilmittel etc Farben, Seifen etc.

Textilprodukte etc.

Heizung, Beleuchtung etc.

Papierwaren etc. .

Baumaterialien etc.

Möbel et« Metalle, Maschinen etc. .

Uhren etc Diverses

Nationale Eintragung.

Internationale Eintragung.

189ö.

1896.

1895.

110

129 49 62 48 68 68 12 27 7 5 58 231 1

58 48 17 59 57 25 15 2 1

765

304

48 41 132 103 70 17 11 11 2 49 246 2 2*)

844

*) Vor der Publikation zurückgezogen.

11 9 2

1895.

32 39

13 36 16 22 32 5 5 1 11 17 --

229

437

C. Verteilung nach Ländern, in alphabetischer Reihenfolge, der in den Jahren 1895 und 1896 ;mf dem eidgenössischen Amte und auf dem internationalen Bureau eingetragenen Marken (Erneuerungen und Übertragungen inbegrificn).

Nationale Eintragung.

Länder.

Kchweis Belgien Deutschland md Frankreich ;h Großbr innien Italien Niederlande ide Österreichi Rumänien Schweden Spanien Ungarn Vereinigte Staaten von Nordamerika

Internationale Eintragung.

1896.

1895.

587

577 9 93 13 53

6 159 32 32 2 1 10

10 l 2 2*)

844

1896.

70 16

1895.

46 16

145

99

4 69

6 60

304

229

7

l 2

4 6

765

4. Schutz des litterarischen und künstlerischen Eigentums.

Vom 15. April bis 4. Mai 1896 fand in Paris eine Konferenz statt zur Revision der Berner-Übereinkunft vom 9. September 1886.

Mit Botschaft vom 24. November 1896 haben wir Ihnen die Ratifikation zweier Vereinbarungen empfohlen, welche das Schlußresultat der Konferenz bildeten.

Eine Vereinigung schweizerischer Photographen hat uns Wünsche übermittelt, welche die Verbesserung des Schutzes der Photographie,!!

anläßlich einer Revision des Bundesgesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der Litteratur und Kunst zum Gegenstand haben.

*) Vor der Publikation zurückgezogen.

438

Eine Massenpetition der schweizerischen Musikgesellschaften und Gesangvereine stellte das Begehren einer Revision des erwähnten Bundesgesetzes, sowie der Berner - Übereinkunft vom 9. September 1886 hinsichtlich der Berechtigung der Autoren zum Bezug von Aufführungs-Tantièmen.

Es wurden 129 obligatorische und 79 fakultative Einschreibungen litterarischer und künstlerischer Werke vorgenommen.

439

# S T #

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Zusicherung eines Bundesbeitrages an die Verbauung des Lammbaches und des Schwandenbaches bei Brienz im Kanton Bern.

(Vom 23. Februar 1897.)

Tit.

Mit Schreiben vom 8. August 1896 hat uns die Regierung des Kantons Bern folgende Mitteilung gemacht: ,,Am 27. Mai abbin löste sich an den steilen Hängen des ßrienzergrates, an der Gummenalp, eine gewaltige Felsmase ab, rutschte in den durch Schneewasser angeschwollenen Lammbach hinter der sogenannten ,,blauen Egga und staute denselben zu einem See, welcher am 31. Mai die Absturzmasse durchbrach und, das Bachbett tief aufreißend, zu Thal stürzte. Dort trat der Muhrgang aus und überzog, alles verwüstend, die Straße und das Land zwischen den Ortschaften Schwanden, Hofstetten und Kienholz.

Am Damm der Brünigbahn kam die Masse zum Stehen, und das Wasser konnte durch zwei Durchlässe nach dem Brienzersee abfließen. Die Ortschaft Kienholz war stark gefährdet, einige Häuser stunden tief im Wasser und Schlamm und mußten geräumt werden. Der Straßenverkehr war etliche Tage unterbrochen und auch die Bahnzüge konnten, obschon der Bahnkörper verhältnismäßig wenig litt, vom 31. Mai bis 1. Juni nicht fahren.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1896.

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1897

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

08

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

24.02.1897

Date Data Seite

361-439

Page Pagina Ref. No

10 017 752

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