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21.043 Botschaft zum Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit vom 19. Mai 2021

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Versicherungsvermittlertätigkeit.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2019

M 18.4091

Krankenkassen. Verbindliche Regelung der Vermittlerprovisionen, Sanktionen und Qualitätssicherung (S 12.12.18, Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit; N 14.3.19; S 20.6.19)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

19. Mai 2021

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Guy Parmelin Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2021-1703

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Übersicht Der vorliegende Entwurf soll die Tätigkeit von Vermittlerinnen und Vermittlern in der sozialen Krankenversicherung und der Krankenzusatzversicherung regulieren, indem die von den Versicherern diesbezüglich festgelegten Regeln verbindlich erklärt werden. Zudem soll auch die Qualität der Vermittlungsdienstleistungen verbessert werden. Ein weiteres Ziel ist es, unerwünschte Telefonanrufe in der Krankenversicherungsbranche zu unterbinden.

Ausgangslage Unerwünschte Telefonanrufe sind für die Bevölkerung ein grosses Ärgernis. Auch die an die Vermittlerinnen und Vermittler ausbezahlten Provisionen beschäftigen das Parlament seit einigen Jahren. Bei der Verabschiedung des Krankenversicherungsaufsichtsgesetzes hat der Gesetzgeber entschieden, es den Versicherern zu überlassen, diese beiden Punkte in einer Vereinbarung zu regeln. Jeder der beiden Dachverbände erstellte 2015 eine Vereinbarung. Im Anschluss stellte sich jedoch heraus, dass sich nicht alle Versicherer an die Vereinbarung ihres Dachverbands hielten.

Im Herbst 2017 nahm sich das Parlament erneut der Problematik an. Eine in beiden Räten eingereichte gleichlautende Motion forderte, dass der Bundesrat ermächtigt wird, die Entschädigung der Vermittlertätigkeit in der Krankenversicherung zu regulieren. Die beiden Versicherungsverbände kündigten an, dass sie gemeinsam eine neue Vereinbarung für die Grundversicherung und für die Zusatzversicherung ausarbeiten würden. Die zuständige Kommission bezog den Vereinbarungsentwurf in ihre weiteren Arbeiten mit ein und befand zwei Punkte für wesentlich: verbindliche Massnahmen für die Versicherer und Sanktionen bei einer Nichteinhaltung der vorgesehenen Bestimmungen.

Im Herbst 2018 reichte die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates eine Motion ein, mit der verlangt wurde, dass der Bundesrat die Kompetenz erhält, gewisse Punkte der Branchenvereinbarung verbindlich zu erklären. Die Motion wurde vom Parlament angenommen.

Inhalt der Vorlage Mit dem vorliegenden Mantelerlass sollen das Krankenversicherungsaufsichtsgesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz dahingehend abgeändert werden, dass der Bundesrat ermächtigt wird, einige Punkte der Vereinbarung der Versicherer verbindlich zu erklären: Das Verbot der Telefonwerbung bei Personen, die beim betroffenen Versicherer nie
versichert waren oder seit längerer Zeit nicht mehr versichert sind, die Ausbildung der Vermittlerinnen und Vermittler, die Einschränkung der Entschädigung ihrer Tätigkeit und die Erstellung und Unterzeichnung von Beratungsprotokollen. Der Entwurf entspricht dem Willen des Gesetzgebers, in diesen Bereichen auf Selbstregulierung zu setzen, denn die Versicherer können diese Punkte in ihrer Vereinbarung weiterhin eigenständig regeln. Die vom Bundesrat erlassene Verordnung erklärt sie für alle Versicherer verbindlich, auch für diejenigen, die der Vereinbarung nicht beigetreten sind.

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Bei der Verabschiedung des Bundesgesetzes vom 26. September 20141 betreffend die Aufsicht über die soziale Krankenversicherung (Krankenversicherungsaufsichtsgesetz, KVAG) entschied der Gesetzgeber, den Versicherern die Freiheit zu lassen, die Tätigkeit der Vermittlerinnen und Vermittler, insbesondere deren Entschädigung und die Telefonwerbung, selbst zu regeln. Er passte auch Artikel 31a des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 20042 betreffend die Aufsicht über Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz, VAG) an, um ihnen in der Krankenzusatzversicherung die gleichen Rechte zu gewähren. Die beiden Dachverbände der Krankenversicherer schlossen 2015 mit ihren Mitgliedern eine Vereinbarung ab. Die Vereinbarung eines der beiden Verbände wurde jedoch nicht von allen Mitgliedern unterzeichnet und die Vereinbarung des anderen Verbands schränkt die Höhe der Vermittlerprovisionen nicht ein.

Im Herbst 2017 reichten zwei Parlamentsmitglieder eine gleichlautende Motion ein, um den Bundesrat zu beauftragen, die Entschädigung der Vermittlertätigkeit in der sozialen Krankenversicherung zu regeln (Motionen 17.3956 Birrer-Heimo und 17.3964 Bruderer Wyss «Keine unverhältnismässigen Ausgaben für Vermittlerprovisionen in der Grundversicherung»). Die Motion 17.3964 Bruderer Wyss wurde zurückgezogen, die Motion 17.3956 Birrer-Heimo vom Ständerat abgelehnt. Während der Debatten zu den Motionen kündigten die beiden Dachverbände der Versicherer an, sie würden gemeinsam eine neue Vereinbarung ausarbeiten, die die Tätigkeit und die Entschädigung der Vermittlerinnen und Vermittler nicht nur für die soziale Krankenversicherung, sondern auch für die Krankenzusatzversicherung regeln soll. Diese im Januar 2020 abgeschlossene Vereinbarung ist am 1. Januar 2021 in Kraft getreten.

Am 16. Oktober 2018 reichte die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-S) die Motion 18.4091 «Verbindliche Regelung der Vermittlerprovisionen, Sanktionen und Qualitätssicherung» ein, die vom Bundesrat einen Erlassentwurf verlangt, der ihn ermächtigen soll:

1 2 3

­

betreffend obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) eine Branchenlösung zur Regelung der Provisionen im Bereich des Bundesgesetzes vom 18. März 19943 über die Krankenversicherung (KVG) verbindlich zu erklären, Änderungen zu genehmigen sowie Sanktionen bei Nichteinhaltung vorzusehen;

­

betreffend OKP und Zusatzversicherung KVG eine Branchenlösung zur Regelung folgender Punkte verbindlich zu erklären sowie Sanktionen bei Nichteinhaltung vorzusehen: SR 832.12 SR 961.01 SR 832.10

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­

Verbot der telefonischen Kaltakquise;

­

obligatorische umfangreiche Ausbildung;

­

Pflicht zu Beratungsprotokoll, von Kundinnen bzw. Kunden und Beraterinnen und Berater unterzeichnet.

Der Ständerat nahm die Motion am 12. Dezember 2018 an. Am 14. März 2019 wurde sie auch vom Nationalrat gutgeheissen, der die Verbindlicherklärung auf die Beschränkung der Provisionen im Bereich der Zusatzversicherung ausweitete. Da der Ständerat dieser Änderung am 20. Juni 2019 zugestimmt hat, hat das Parlament die Motion in der erweiterten Version des Nationalrats angenommen.

1.2

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

1.2.1

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 20204 zur Legislaturplanung 2019­2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 2020 5 über die Legislaturplanung 2019­2023 angekündigt.

Die Bürgerinnen und Bürger beklagen sich regelmässig über unerwünschte Anrufe der Versicherer, insbesondere im Herbst, wenn Krankenkassenwechsel anstehen. Der vorliegende Entwurf verbietet den Versicherern Telefonwerbung bei Personen, die nie bei ihnen versichert waren oder dies seit einiger Zeit nicht mehr sind. Er kann damit ein wesentliches Ärgernis für die Bevölkerung aus dem Weg räumen. Zudem befasst sich das Parlament seit mehreren Jahren mit der Entschädigung der Vermittlerinnen und Vermittler. Die Vorlage sieht nun eine verbindliche Beschränkung der ausbezahlten Provisionen vor.

1.2.2

Verhältnis zu Strategien des Bundesrates

Der Entwurf ist mit der Strategie «Gesundheit2020»6 vereinbar, die der Bundesrat am 23. Januar 2013 verabschiedet hat.

1.3

Erledigung eines parlamentarischen Vorstosses

Der Bundesrat beantragt, die Motion 18.4091 SGK-S «Verbindliche Regelung der Vermittlerprovisionen, Sanktionen und Qualitätssicherung» abzuschreiben. Der vorliegende Entwurf erfüllt die damit verfolgten Ziele vollumfänglich.

4 5 6

BBl 2020 1777 BBl 2020 8385 Die Strategie kann unter folgender Adresse eingesehen werden: www.bag.admin.ch > Strategie & Politik > Gesundheit2020 > Die umfassende Strategie für das Gesundheitswesen.

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Vernehmlassungsergebnisse

Am 13. Mai 2020 eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung zum Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit. Sie endete am 3. September 2020.7 Insgesamt begrüssten die Kantone die Vorlage, einige hielten die vorgeschlagene Regulierung jedoch für nicht ausreichend. Die Meinungen der politischen Parteien und der Wirtschaftsdachverbände gingen auseinander. Die Versicherer ihrerseits anerkannten die Notwendigkeit, in diesem Bereich Regeln aufzustellen, ihrer Ansicht nach greift der Vorentwurf jedoch zu stark in ihre Autonomie ein. Die betroffenen Kreise, insbesondere die in der Versicherungsvermittlung tätigen Gesellschaften, lehnten den Vorentwurf ab.

Die Stellungnahmen im Rahmen der Vernehmlassung zeigten hauptsächlich zwei kontroverse Punkte auf. Erstens waren sich die Teilnehmenden bei der Definition der Versicherungsvermittlerin bzw. des Versicherungsvermittlers (vgl. Erläuterungen zu den Art. 19a E-KVAG und 31a E-VAG) uneinig: Die Befürworter des Vorentwurfs und einige Versicherer unterstützen die weit gefasste Definition, die Mehrheit der Versicherer und die in der Versicherungsvermittlung tätigen Gesellschaften möchten diese hingegen einschränken. Der Bundesrat hält an seiner Definition fest. Mit der Definition, die die Versicherer vorschlagen, könnten die Anforderungen der Vereinbarung umgangen werden, indem ein Grossteil der Ausgaben für die Neukundenakquisition auf die internen Dienste verschoben wird, was dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen würde.

Zweitens stiess das im Vorentwurf vorgesehene Sanktionssystem (vgl. Erläuterungen zu den Art. 54 Abs. 3 Bst. h und 4 E-KVAG und 86a Abs. 1bis E-VAG) bei den Kantonen, mehreren politischen Parteien und Wirtschaftsdachverbänden auf Zustimmung, bei den Versicherern jedoch auf Widerstand. Die Versicherer sind der Meinung, dass das System, das sie in ihrer Vereinbarung vom Januar 2020 vorgesehen haben, ausreichend ist. Der Bundesrat hält an seiner Fassung fest. Der Gesetzgeber hat seine Absicht deutlich zum Ausdruck gebracht, Verstösse gegen die verbindlich erklärten Punkte der Versicherervereinbarung staatlich zu sanktionieren.

Es gibt nur eine Änderung im Entwurf gegenüber dem in die Vernehmlassung geschickten Vorentwurf: Die Definition des Vermittlers in der sozialen Krankenversicherung ist nun im Gesetz und nicht
mehr in der Verordnung enthalten (vgl. Erläuterungen zu Art. 19a E-KVAG).

Für ausführliche Informationen wird auf den Bericht über die Vernehmlassungsergebnisse verwiesen.8

7

8

Die Vernehmlassungsunterlagen sind abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EDI > Vernehmlassung 2020/23.

Der Bericht über die Vernehmlassungsergebnisse ist abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EDI > Vernehmlassung 2020/23.

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Vergleich mit dem ausländischen, insbesondere europäischen Recht

Das Sozialversicherungsrecht der Europäischen Union (EU) sieht keine Harmonisierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit vor. Die Mitgliedsländer können weitgehend selbst über die Struktur, den persönlichen Geltungsbereich, die Finanzierungsmodalitäten und die Organisation ihrer Sozialversicherungssysteme bestimmen.

Sie müssen aber die in den Verordnungen (EG) Nr. 883/20049 und Nr. 987/200910 vorgeschriebenen Grundsätze zur Koordinierung wie das Diskriminierungsverbot, die Berücksichtigung der Versicherungszeiträume und die Erbringung von grenzüberschreitenden Leistungen einhalten. Kein EU-Rechtsakt, insbesondere nicht die beiden oben genannten Verordnungen, regelt die Tätigkeit und Entschädigung der Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler.

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

Die Vereinbarung der Versicherer von Januar 2020, die sowohl die soziale Krankenversicherung als auch die Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung betrifft, enthält Regeln zu den Vermittlerinnen und Vermittlern. Diese sind allerdings nicht verbindlich; der Staat kann keine Sanktionen gegen einen Versicherer aussprechen, der die Vereinbarung missachtet. Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung wird der Bundesrat ermächtigt, gewisse Punkte der Versicherervereinbarung verbindlich zu erklären. Entsprechend kann die Einhaltung dieser Punkte von den Versicherern eingefordert werden, selbst wenn sie der Vereinbarung nicht beigetreten sind. Im Gesetz wird eine aufsichtsrechtliche Massnahme bei Missachtung der Branchenvereinbarung verankert. Auch die strafrechtlichen Bestimmungen werden ergänzt, damit die Gerichte Sanktionen verhängen können, wenn ein Versicherer sich nicht an die obligatorischen Klauseln der Vereinbarung hält.

4.2

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Der Weg der Verbindlicherklärung ist sachgerecht: Er entspricht dem Willen des Gesetzgebers, die Selbstregulierung in den betroffenen Bereichen zu fördern, da die Versicherer die Befugnis behalten, diese Punkte in ihrer Vereinbarung zu regeln. Die vom Bundesrat erlassene Verordnung macht sie für alle Versicherer verbindlich, auch für 9

10

Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 166 vom 30.4.2004, S. 1; zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2019/1149, ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 21.

Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 284 vom 30.10.2009, S. 1; zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2017/492, ABl. L 76 vom 22.3.2017, S. 13.

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diejenigen, die der Vereinbarung nicht beigetreten sind. Darüber hinaus sind neue Aufsichtsmassnahmen und strafrechtliche Sanktionen geplant.

4.3

Umsetzungsfragen

Der Bundesrat wird eine Verordnung erlassen, um gewisse Punkte der zwischen den Versicherern abgeschlossenen Vereinbarung verbindlich zu erklären. Die Punkte werden im Anhang der Verordnung aufgeführt werden.

Da das Gesetz sowohl Regeln für die soziale Krankenversicherung als auch die Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung enthält, ist eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Aufsichtsbehörden notwendig. Diese Zusammenarbeit ist in den Artikeln 34 Absatz 5 KVAG und 80 Absatz 2 VAG festgeschrieben.

5

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

5.1

Krankenversicherungsaufsichtsgesetz vom 26. September 2014

Art. 19 Abs. 3 Der aktuelle Absatz 3 wird in den neuen Artikel 19b Absatz 1 integriert.

Art. 19a Gegenwärtig ist die Vermittlertätigkeit in Artikel 35 Absatz 1 der Verordnung vom 18. November 201511 betreffend die Aufsicht über die soziale Krankenversicherung (KVAV) definiert. Aus Gründen der Kohärenz mit dem VAG sieht der Entwurf vor, diese Definition im KVAG zu verankern. Eine Vermittlertätigkeit führt aus, wer, unabhängig von der Beziehung zum Versicherer, dem Versicherer Kompetenzen oder Dienste gegen Entgelt zur Verfügung stellt, mit dem Ziel, den Beitritt von Versicherten zu erleichtern oder zu ermöglichen. Wie im Bereich der Krankenzusatzversicherung fallen Personen, die über einen Arbeitsvertrag an den Versicherer gebunden sind und deren Tätigkeit darin besteht, neue Versicherte zu akquirieren, in diese Kategorie (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 21. Okt. 202012 zur Änderung des VAG). Dies trifft in der sozialen Krankenversicherung auch auf Prämienvergleichsdienste zu, die entgeltliche Leistungen erbringen. Mit der hier vorgeschlagenen Definition kann die Gleichbehandlung der Versicherer gewährleistet werden. Kleine Versicherer, die keine Verkaufsabteilung führen, sind somit nicht benachteiligt, denn das Personal des Versicherers, das für die Kundengewinnung eingesetzt wird, entspricht ebenfalls der Definition der Vermittlerinnen und Vermittler.

Die Versicherervereinbarung von Januar 2020 schliesst Prämienvergleichsdienste in die Definition der Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler ein, soweit sie für 11 12

SR 832.121 BBl 2020 8967, S. 9007

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ihre Leistungen entschädigt werden. Nicht eingeschlossen sind jedoch ihre eigenen Angestellten, die in der Kundenakquise oder im Verkauf von Versicherungsprodukten tätig sind. Damit besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der hier vorgeschlagenen Definition und jener der Versicherervereinbarung. Mit der Definition der Versicherer könnten die Anforderungen der Vereinbarung umgangen werden, indem ein Grossteil der Ausgaben für die Neukundenakquisition auf die internen Dienste verschoben wird. Dies würde dem Willen des Gesetzgebers, die Kosten für die Gewinnung neuer Versicherter zu beschränken, zuwiderlaufen und kleine Versicherer benachteiligen, die diese Möglichkeit nicht haben. Überdies gibt es keinen Grund, die mit der Kundenakquisition beauftragten Angestellten des Versicherers nicht denselben Pflichten, insbesondere in Bezug auf die Ausbildung und die Beratungsprotokolle, zu unterstellen wie andere Vermittlerinnen und Vermittler.

Den Versicherern steht es zwar frei, eine bestimmte Kategorie von Vermittlerinnen und Vermittlern aus dem Geltungsbereich ihrer Vereinbarung auszuschliessen. Der Bundesrat kann sich jedoch weigern, eine solche Teilvereinbarung verbindlich zu erklären. In diesem Fall wird das Kartellgesetz vom 6. Oktober 199513 (KG) auf Diskriminierungen anwendbar sein, die eine Kategorie von Vermittlerinnen oder Vermittlern betreffen (Art. 11 KVAG).

Art. 19b Abs. 1 Gemäss geltendem Recht können die Versicherer eine Vereinbarung abschliessen, in der die Telefonwerbung, der Verzicht auf Leistungen der Call-Center und die Einschränkung der Entschädigung der Vermittlertätigkeit geregelt wird. Diese Auflistung ist abschliessend und sieht keine Regulierung der anderen Pflichten von Vermittlerinnen und Vermittlern vor. Aus den parlamentarischen Debatten ging jedoch hervor, dass die Versicherer auch Mindeststandards für gewisse Aufgaben der Vermittlerinnen und Vermittler festlegen wollen. Damit sie auch über diese Punkte eine Vereinbarung treffen können, muss die Liste in Artikel 19 Absatz 3 KVAG, die in Artikel 19b Absatz 1 verschoben wird, mit dem Verbot der Telefonwerbung bei Personen, die beim betreffenden Versicherer nie versichert waren oder dies seit längerer Zeit nicht mehr sind, der Ausbildung der Vermittlerinnen und Vermittler und der Erstellung und Unterzeichnung von
Beratungsprotokollen ergänzt werden.

Bst. a und b Die Buchstaben a und b wurden aus Artikel 19 Absatz 3 KVAG übernommen.

Bst. c Die Telefonwerbung in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ist ein Thema, mit dem sich das Parlament seit mehreren Jahren befasst. Der mit der Botschaft vom 29. Mai 200914 zur Änderung des KVG (Massnahmen zur Eindämmung der Kostenentwicklung) vorgelegte Entwurf sah vor, Versicherungsprovisionen in jeglicher Form sowie die Finanzierung von Telefonwerbung zu verbieten. Das Parla-

13 14

SR 251 BBl 2009 5793

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ment lehnte die Vorlage ab. Auch in diesem Bereich wurden verschiedene parlamentarische Vorstösse eingereicht, insbesondere die Interpellation 11.3693 Steiert «Krankenversicherung. Weniger Makleranrufe?», die Motion 11.4117 Maire «Für ein Verbot der Telefonwerbung durch Krankenversicherer», das Postulat 15.3985 BirrerHeimo «Krankenkassen und Werbeanrufe. Evaluation der Selbstregulierung» und die Interpellation 16.3799 Gysi «Aggressives Telefonmarketing von Callcentern und Krankenversicherungen». Die Motion 11.4117 Maire und das Postulat 15.3985 Birrer-Heimo wurden abgelehnt.

Am 22. März 2019 änderte das Parlament gewisse Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 198615 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), um die Konsumentinnen und Konsumenten besser vor unerwünschten Telefonanrufen zu schützen (Art. 3 Abs. 1 Bst. u und v UWG)16. Die Versicherer haben indessen entschieden, noch weiter zu gehen und keine telefonischen Kaltakquisen ­ weder selbst noch über Vermittlerinnen und Vermittler ­ mehr vorzunehmen. Bei Kaltakquisen werden Personen kontaktiert, die nie zur Kundschaft gehörten oder mit denen der Versicherer seit über 36 Monaten keine Geschäftsbeziehung mehr unterhält und die einer Kontaktaufnahme nicht ausdrücklich zugestimmt haben oder bei denen der Kontakt nicht aufgrund einer Empfehlung einer oder eines Bekannten der potenziellen Kundin oder des potenziellen Kunden hergestellt wurde. Das Verbot der telefonischen Kaltakquise bedeutet eine Einschränkung der mit Artikel 27 der Bundesverfassung (BV)17 geschützten Wirtschaftsfreiheit. In der sozialen Krankenversicherung tätige Versicherer können sich jedoch nicht auf diese verfassungsrechtliche Freiheit berufen.18 Bst. d Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler müssen über die für ihre Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse verfügen. Mit dieser Anforderung kann die korrekte Abwicklung der Geschäfte zur Förderung der Versicherungsprodukte sichergestellt werden.

Die Versicherer können die Anforderungen an die Grundausbildung der Vermittlerinnen und Vermittler, mit denen sie arbeiten, festlegen. Da sich der Krankenversicherungsmarkt stetig weiterentwickelt, sollten diese Anforderungen regelmässig angepasst werden und die Vermittlerinnen und Vermittler müssen entsprechend Weiterbildungen besuchen. Der Bundesrat kann eine Reglementierung
verbindlich erklären, die den Vermittlerinnen und Vermittlern vorschreibt, eine vertiefte Ausbildung in ihrem Tätigkeitsgebiet zu besuchen, und die Versicherer verpflichtet, nur mit Vermittlerinnen und Vermittlern zusammenzuarbeiten, die über die betreffende Ausbildung verfügen. Die Versicherer können frei über diese Ausbildung bestimmen, sofern mit dieser das angestrebte Ziel erreicht werden kann. Die Zuständigkeit der Wettbewerbsbehörden, den diskriminierenden Charakter der von den Versicherern gewählten Ausbildung zu beurteilen, bleibt vorbehalten.

15 16 17 18

SR 241 BBl 2019 2619, S. 2638 SR 101 Vgl. BGE 9C_878/2013

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Bst. e Die Entschädigung der Vermittlerinnen und Vermittler in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung beschäftigt das Parlament seit einigen Jahren. Es wurden mehrere parlamentarische Vorstösse zum Thema eingereicht, insbesondere die Interpellation 09.3090 Forster-Vannini «Massnahmen im Zusammenhang mit den bevorstehenden Prämienerhöhungen der Krankenkassen», die Motion 09.3540 SP-Fraktion «Keine Provisionszahlungen und Werbeausgaben auf dem Buckel der Prämienzahlerinnen und -zahler», die Anfrage 09.1030 Lang «Transfer-Vermittler von Billigkassen» sowie die Motionen 17.3956 Birrer-Heimo und 17.3964 Bruderer Wyss «Keine unverhältnismässigen Ausgaben für Vermittlerprovisionen in der Grundversicherung». Die Motion 09.3540 SP-Fraktion wurde abgeschrieben, die Motion 17.3956 Birrer-Heimo abgelehnt und die Motion 17.3964 Bruderer Wyss zurückgezogen. In der Zwischenzeit beschlossen die Versicherer, selbst einen Höchstbetrag für die Entschädigung der in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung tätigen Vermittlerinnen und Vermittler festzulegen. Der Bundesrat soll diese Begrenzung verbindlich erklären können, damit Versicherer, die dagegen verstossen, bestraft werden können.

Nach Konsultation des Preisüberwacheres müssen die Verbindlicherklärung und jegliche Änderung der Versicherervereinbarung in diesem Punkt dem Bundesrat vorgelegt werden. Wenn die Höchstentschädigung der Vermittlerinnen und Vermittler nicht verbindlich erklärt wird, fallen Streitigkeiten über ihre Höhe in die Zuständigkeit der Wettbewerbsbehörden.

Bst. f Um in der Lage zu sein, jedes Beitrittsgesuch, das sie einem Versicherer übermitteln, zu dokumentieren, müssen Vermittlerinnen und Vermittler ein Protokoll erstellen und von der versicherten Person unterschreiben lassen. Darin sind insbesondere das Datum des Gesprächs und die Identität der Personen, die daran teilgenommen haben, zu vermerken. Ausserdem werden der Ablauf und der Inhalt des Gesprächs beschrieben.

Durch ihre Unterschrift gibt die versicherte Person ihr Einverständnis zum Antrag, den die Vermittlerin oder der Vermittler dem Versicherer zukommen lässt, und bestätigt insbesondere, dass der Termin nicht über eine telefonische Kaltakquise erwirkt wurde. Gegenwärtig werden die meisten solcher Geschäfte in elektronischer Form abgewickelt. Entsprechend sind aus
Gründen der Effizienz und der Rationalität die Erstellung und Unterzeichnung des Protokolls auf elektronischen Datenträgern zugelassen.

Art. 19b Abs. 2 Den Versicherern steht es frei, gewisse Aspekte der Tätigkeit ihrer Vermittlerinnen und Vermittler selbst zu regeln. Die Motion 18.4091 SGK-S beantragt die Ausarbeitung eines Erlassentwurfes, der es dem Bundesrat ermöglicht, eine Branchenvereinbarung verbindlich zu erklären. Damit stellt sie einen Bezug zu den besonderen Verfahren her, die die BV für Rahmenmietverträge (Art. 109 Abs. 2 BV) und Gesamtarbeitsverträge (Art. 110 Abs. 2 BV) vorsieht. Für den betreffenden Bereich enthält die BV keine spezifische Grundlage. Im vorliegenden Zusammenhang, wo eine solche spezifische Grundlage in der BV fehlt, und mit Blick auf die Anforderungen des Legalitätsprinzips für die von der Motion ebenfalls verlangten Sanktionen für 10 / 20

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Verstösse muss der verlangte Erlassentwurf an das reguläre Rechtsetzungsverfahren im Bund angeglichen werden. Der Erlassentwurf lehnt sich dabei an die bestehende Praxis bei den Tarifstrukturen in der sozialen Krankenversicherung an und sieht namentlich vor, dass der Bundesrat eine Branchenvereinbarung nicht bloss durch Bundesratsbeschluss für alle Versicherer verbindlich erklären kann, sondern dies auf dem Verordnungsweg tun muss.

Gemäss der Vorlage kann der Bundesrat für die Versicherer im Bereich der sozialen Krankenversicherung folgende Punkte verbindlich erklären: das Verbot der Telefonwerbung bei Personen, die bei ihnen nie versichert waren oder seit längerer Zeit nicht mehr versichert sind, die Pflicht, eine vertiefte Ausbildung zu absolvieren, die Entschädigung der Tätigkeit der Vermittlerinnen und Vermittler sowie die Erstellung und Unterzeichnung von Beratungsprotokollen. Überträgt die Vermittlerin oder der Vermittler die Aufgabe einer Drittperson, so hat diese dieselben Pflichten.

Die Bestimmungen der Versicherervereinbarung dürfen dem Gesetz und dessen Durchführungsbestimmungen nicht entgegenstehen. Andernfalls kann der Bundesrat diese nicht verbindlich erklären.

Die Entschädigung der Vermittlerinnen und Vermittler, die zu den Verwaltungskosten des Versicherers zählt (Art. 19 Abs. 1 KVAG), muss nach betriebswirtschaftlichen Regeln festgelegt werden, das heisst sie muss in Anbetracht der ausgeführten Tätigkeit angemessen und für das Versicherungssystem möglichst günstig sein.

Die Verbindlicherklärung muss von einer Gruppe von Versicherern beantragt werden, die zusammen mindestens 66 Prozent des Marktes, das heisst zwei Drittel der Versicherten abdecken. Mit dieser Regel wird vermieden, dass einerseits die zwei oder drei grössten Versicherer die Regulierung aufdrängen und andererseits eine grössere Anzahl von Versicherern, die aber weniger als 66 Prozent des Gesamtbestands abdecken, die Verbindlicherklärung verhindern können.

Mit Artikel 19b Absatz 2 wird der Bundesrat ermächtigt, gewisse Bestimmungen der Branchenvereinbarung verbindlich zu erklären. Der Verordnungsweg ist angezeigt, da diese Bestimmungen sich nicht nur auf die Versicherer auswirken, die diese festgelegt haben, sondern indirekt auch auf die Vermittlerinnen und Vermittler, die an deren Erarbeitung nicht beteiligt
waren. Die Bestimmungen schränken den Handlungsspielraum letzterer bei der Ausübung ihrer Tätigkeit ein, insbesondere im Bereich der Telefonwerbung. Die Kompetenzdelegation entspricht den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen19: Sie ist verfassungsrechtlich nicht verboten, sie ist in einem formellen Gesetz verankert und dessen Rahmen ist klar definiert. Artikel 19b Absatz 2 beschreibt und begrenzt denn auch genau, welche Punkte der Branchenvereinbarung vom Bundesrat verbindlich erklärt werden dürfen. Diese können somit allen Versicherern auferlegt werden, auch jenen, die der Vereinbarung nicht beigetreten sind.

19

Vgl. BGE 2C_927/2018

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Art. 19b Abs. 3 Aufgrund des im Strafrecht streng angewendeten Legalitätsprinzips wäre es nicht zulässig, die strafbaren Verstösse in einem von Privatpersonen verfassten Dokument zu definieren, ohne dass die Einhaltung der Anforderungen an die Genauigkeit bei der Formulierung von strafrechtlichen Sanktionen garantiert werden kann. Deshalb wird der Bundesrat dafür zuständig sein, in der Verordnung, die die Vereinbarungsbestimmungen verbindlich erklärt, die strafbaren Handlungen festzulegen, unter Hinweis auf die Strafdrohung gemäss Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe h.

Art. 38a

Massnahmen bei Missachtung der Regulierung der Vermittlertätigkeit

Bei den Debatten zur Motion 18.4091 SGK-S hat das Parlament klar gewünscht, dass Verstösse gegen die Branchenregulierung bestraft werden können. Um diese Forderung umzusetzen, sieht der Entwurf vor, dass die Aufsichtsbehörde sichernde Massnahmen treffen kann und dass eine Missachtung der Vereinbarung als Übertretung im Sinne von Artikel 54 Absatz 3 KVAG gilt.

Artikel 38 KVAG enthält eine nicht abschliessende Auflistung der Massnahmen, die die Aufsichtsbehörde ergreifen kann, wenn ein Versicherer sich nicht an das Gesetz hält oder ihren Anordnungen nicht nachkommt. Eine Übertretung der Branchenvereinbarung ist jedoch weder eine Verletzung des Gesetzes noch ein Verstoss gegen eine Anordnung der Aufsichtsbehörde. Deshalb muss eine Gesetzesgrundlage geschaffen werden, die letztere ermächtigt, Massnahmen zu treffen, wenn ein Versicherer sich nicht an die Branchenvereinbarung hält. Der Entwurf sieht vor, dass die Aufsichtsbehörde dem zuwiderhandelnden Versicherer für die Dauer von höchstens einem Jahr einerseits verbieten kann, Vermittlerinnen und Vermittlern Provisionen zu bezahlen, und andererseits eine Einschränkung seiner Kosten für das Akquirieren neuer Versicherter anordnen kann. Die erste Massnahme, die auf Vermittlerinnen und Vermittler abzielt, mit denen der Versicherer keinen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat, hält den Versicherer davon ab, diese einzusetzen, da er sie für ihre Tätigkeit nicht bezahlen darf. Die zweite Massnahme betrifft Angestellte des Versicherers, die in der Akquisition neuer Versicherter tätig sind und deren Lohn zu den Verwaltungskosten zählt. Sie ist notwendig, um zu vermeiden, dass ein Versicherer, dem die Aufsichtsbehörde verboten hat, Vermittlerprovisionen auszurichten, dieses Verbot über seine internen Dienste umgeht. Die Aufsichtsbehörde soll berechtigt sein, vom Versicherer eine Einschränkung der Kosten für das Akquirieren neuer Versicherter zu verlangen.

Die Verträge mit Vermittlerinnen und Vermittlern, die nicht über einen Arbeitsvertrag an den Versicherer gebunden sind, sind zum Teil mehrere Jahre gültig. Die Umsetzung der in Artikel 38a vorgesehenen Massnahme kann problematisch sein, wenn der Versicherer seine vertragliche Leistung während eines Jahres nicht erbringen darf.

Folglich liegt es an den Versicherern, Verträge abzuschliessen, die der Umsetzung der Massnahme nicht im Weg stehen. Allenfalls müssten sie die Vermittlerinnen und Vermittler gemäss ihren vertraglichen Verpflichtungen entschädigen.

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Art. 54 Abs. 3 Bst. h und Abs. 4 Mit der Annahme der Motion 18.4091 SGK-S hat das Parlament den Bundesrat beauftragt, bei Missachtung der Vereinbarung strafrechtliche Sanktionen vorzusehen.

Gemäss dem Legalitätsprinzip muss das Gesetz solche Übertretungen ausdrücklich bekämpfen. Der Entwurf schreibt entsprechend vor, dass Widerhandlungen gegen die gemäss Artikel 19b Absatz 3 erlassenen Bestimmungen strafbar sind, sofern diese Bestimmungen Personen, die eine solche Widerhandlung begehen, klar mit Strafe bedrohen. Die neue Widerhandlung ergänzt den Katalog von Artikel 54 Absatz 3 und wird mit einer Busse von bis zu 100 000 Franken bestraft.

Auch fahrlässige Widerhandlungen müssen strafbar sein. Artikel 54 Absatz 4 wird entsprechend ergänzt.

5.2

Versicherungsaufsichtsgesetz vom 17. Dezember 2004

Art. 31a

Regulierung der Vermittlertätigkeit im Bereich der Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung

Wie in der sozialen Krankenversicherung können die Versicherungsunternehmen in der Zusatzversicherung eine Vereinbarung abschliessen, in der die Telefonwerbung, der Verzicht auf Leistungen der Call-Center und die Einschränkung der Entschädigung der Vermittlerinnen und Vermittler geregelt sind. Mit der Verabschiedung dieser Bestimmung entschied der Gesetzgeber, den in der Zusatzversicherung tätigen Unternehmen gemäss dem Versicherungsvertragsgesetz vom 2. April 190820 (VVG) dieselben Rechte zu gewähren wie in der sozialen Krankenversicherung tätigen Versicherern. Gemäss dem Wortlaut ist die Regulierung allerdings nicht auf Versicherungsunternehmen im Bereich Krankenversicherung beschränkt. Eine allgemeine Anwendung auf alle Versicherungsunternehmen ist jedoch nicht im Sinne des Gesetzgebers. Die Sachüberschrift und der Wortlaut der Bestimmung werden daher ergänzt, um deren Gültigkeitsbereich zu präzisieren. Die kollektive Krankentaggeldversicherung gemäss VVG ist von Artikel 31a nicht betroffen, da sie keine Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung ist.21 Der am 21. Oktober 2020 an das Parlament überwiesene Entwurf zur Änderung des VAG22 (E-VAG 2020) definiert den Vermittlerbegriff. Gemäss Artikel 40 Absatz 1 E-VAG 2020 sind Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler, unabhängig von ihrer Bezeichnung, Personen, die im Interesse von Versicherungsunternehmen oder anderen Personen Versicherungsverträge anbieten oder abschliessen. Der Entwurf unterscheidet zwischen zwei Kategorien von Vermittlerinnen und Vermittlern: ungebundenen und gebundenen. Ungebundene Versicherungsvermittlerinnen und -ver-

20 21 22

SR 221.229.1 Vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Mai 2007 B-1298/2006 zur Krankentaggeldversicherung.

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mittler stehen in einem Treueverhältnis zu den Versicherungsnehmerinnen und -nehmern und handeln in deren Interesse (Art. 40 Abs. 2 E-VAG 2020). Alle übrigen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler gelten als gebundene Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler (Art. 40 Abs. 3 E-VAG 2020). Zu letzterer Kategorie gehören namentlich Versicherungsvermittlerinnen oder -vermittler, die als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer oder als Agentin oder Agent in einem Treueverhältnis zu einem Versicherungsunternehmen stehen23. Folglich fallen Angestellte des Versicherungsunternehmens, deren Tätigkeit darin besteht, Versicherungsprodukte zu fördern oder neue Versicherte zu akquirieren, unter die gesetzliche Definition von Vermittlerinnen und Vermittlern. Aus denselben Gründen wie den bei Artikel 19a E-KVAG erwähnten würde eine Beschränkung der Anwendung auf eine Vermittlerkategorie (gebunden, ungebunden) den Versicherungsunternehmen ermöglichen, die verbindlich erklärten Punkte der Vereinbarung durch eine Kostenverschiebung auf die nicht unter die vertragliche Regulierung fallenden Vermittlerinnen und Vermittler zu umgehen, was dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen würde. Der E-VAG 2020 sieht vor, dass sämtliche Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler, sowohl die ungebundenen als auch die gebundenen, über die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen müssen.24 Der vorliegende Entwurf darf diesen Grundsatz nicht infrage stellen.

Die Versicherungsunternehmen können eine bestimmte Kategorie von Vermittlerinnen und Vermittlern aus dem Geltungsbereich ihrer Vereinbarung ausschliessen. Der Bundesrat ist jedoch berechtigt, die Verbindlicherklärung einer solchen Teilvereinbarung zu verweigern. In diesem Fall ist das KG auf Diskriminierungen anwendbar, die eine Kategorie von Vermittlerinnen oder Vermittlern betreffen.

Art. 31a Abs. 1 Wie Artikel 19b Absatz 1 E-KVAG muss diese Bestimmung ergänzt werden, um den Versicherungsunternehmen zu ermöglichen, eine Vereinbarung über die Vermittlertätigkeit abzuschliessen. In Bezug auf den Begriff der telefonischen Kaltakquise, die Entschädigung der Vermittlerinnen und Vermittler sowie die Erstellung und Unterzeichnung des Beratungsprotokolls mit der Kundin oder dem Kunden wird auf den Kommentar zu Artikel 19b Absatz 1 E-KVAG verwiesen.

Gemäss Artikel 43 Absatz
2 E-VAG 2020 bestimmen die Versicherungsunternehmen und die Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler branchenspezifische Mindeststandards für die Aus- und Weiterbildung25. Der Bundesrat legt die Anforderungen an die Aus- und Weiterbildung für die Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler fest, für die keine angemessenen Mindeststandards bestehen (Art. 43 Abs. 3 E-VAG 2020).

Diese Bestimmung ist mit Artikel 31a Absatz 1 Buchstabe d des vorliegenden Entwurfs vereinbar, da sie vorsieht, dass die Versicherungsbranche die Mindeststandards für die Aus- und Weiterbildung festlegt. Die Zuständigkeit der Wettbewerbsbehörden, den diskriminierenden Charakter der von den Branchenpartnern gewählten Ausbildung zu beurteilen, bleibt vorbehalten. Wenn die Versicherungsunternehmen keine 23 24 25

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Standards erarbeiten oder die Standards, die sie vorschlagen, unzureichend sind, muss der Bundesrat über die Mindestanforderungen bestimmen. Falls die Versicherer die im Januar 2020 abgeschlossene Vereinbarung kündigen würden, müsste der Bundesrat selber Mindeststandards für die Krankenzusatzversicherung festlegen.

Art. 31a Abs. 2 In Bezug auf die Verbindlicherklärung wird auf den Kommentar zu Artikel 19b Absatz 2 E-KVAG verwiesen. Die Versicherungsunternehmen entscheiden selbst, ob sie die telefonische Kaltakquise verbieten wollen. Solche Entscheidungen, die auf freiwilliger Basis getroffen werden, könnten Wettbewerbsabreden im Sinne des KG darstellen. Deshalb braucht es trotz des freiwilligen Vorgehens eine formelle Gesetzesgrundlage.

Artikel 31a Absatz 2 enthält eine Delegation an den Bundesrat. In Bezug auf diese Delegation der Rechtsetzungsbefugnis wird auf den Kommentar zu Artikel 19b Absatz 2 E-KVAG verwiesen. Der Bundesrat wird ermächtigt, gewisse Bestimmungen der Vereinbarung verbindlich zu erklären. Damit sind diese von allen Versicherungsunternehmen einklagbar, auch jenen, die der Vereinbarung nicht angeschlossen sind.

Der Antrag muss von Versicherungsunternehmen, die Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung anbieten und zusammen einen Marktanteil von mindestens 66 Prozent (Prämienvolumen) abdecken, ausgehen. Die Vereinbarung darf dem Gesetz oder seinen Ausführungsbestimmungen nicht entgegenstehen.

Die Entschädigung der Vermittlerinnen und Vermittler wird über die Prämien der Versicherten finanziert. Deren Höhe ist nach betriebswirtschaftlichen Regeln festzulegen. Dies bedeutet, dass sie in Anbetracht der ausgeführten Tätigkeit angemessen und für das Versicherungssystem möglichst günstig sein muss. Nach Konsultation des Preisüberwacheres müssen die Verbindlicherklärung und jegliche Änderung der Vereinbarung der Versicherungsunternehmen in diesem Punkt dem Bundesrat vorgelegt werden. Wenn die Höchstentschädigung der Vermittlerinnen und Vermittler nicht verbindlich erklärt wird, fallen Streitigkeiten über ihre Höhe in die Zuständigkeit der Wettbewerbsbehörden.

Art. 31a Abs. 3 Vgl. Erläuterungen zu Artikel 19b Absatz 3 E-KVAG.

Art. 31a Abs. 4 Bei der Genehmigung der Prämientarife prüft namentlich die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA), ob sich die vorgesehenen
Prämien in einem Rahmen halten, der einerseits die Solvenz der einzelnen Versicherungsunternehmen und anderseits den Schutz der Versicherten vor Missbrauch gewährleistet (Art. 38 VAG). Als Missbrauch gelten Benachteiligungen von Versicherten, wenn sie sich wiederholen oder einen breiten Personenkreis betreffen könnten (Art. 117 der Aufsichtsverordnung vom 9. Nov. 200526). Diese Regeln müssen ausdrücklich vorbehalten sein.

26

SR 961.011

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Art. 38 Abs. 2 Wie im Bereich der sozialen Krankenversicherung muss die FINMA bei einer Nichteinhaltung der Branchenvereinbarung sichernde Massnahmen treffen können. Die in Artikel 51 VAG beschriebenen Massnahmen kommen bei einem Verstoss gegen das Gesetz, eine Verordnung oder eine Anordnung der FINMA zur Anwendung. Um jegliche Unklarheiten zu vermeiden, räumt der Entwurf der FINMA die Möglichkeit ausdrücklich ein, aufsichtsrechtliche Massnahmen zu treffen. Sie ist berechtigt, die in Artikel 51 erwähnten Massnahmen umzusetzen, wobei die Liste nicht abschliessend ist. Der Entwurf sieht beispielsweise für die FINMA zusätzlich die Möglichkeit vor, die Genehmigung der Prämientarife des fehlbaren Versicherungsunternehmens zu verweigern oder deren Anpassung zu verfügen. Angesichts der Auswirkungen einer solchen Massnahme sollte diese hinreichend abschreckend sein.

Art. 86 Abs. 1bis und 2 Wie in der sozialen Krankenversicherung (Art. 54 Abs. 3 Bst. h und 4 E-KVAG) wird ein Verstoss gegen die Verordnung gemäss Artikel 31a Absatz 3 mit einer Busse von bis zu 100 000 Franken bestraft. Im E-VAG 2020 hat der Bundesrat bereits beantragt, den Höchstbetrag der Busse von 500 000 Franken auf 100 000 Franken zu reduzieren (Art. 86 E-VAG 2020), um dem Finanzdienstleistungsgesetz vom 15. Juni 201827 (FIDLEG) zu entsprechen. Im Bereich des Finanzmarktaufsichtsrechts müssen im Wesentlichen und soweit wie möglich die Instrumente des Aufsichtsrechts und nicht die Strafbestimmungen rechtskonformes Verhalten gewährleisten (vgl. Art. 89­92 FIDLEG).

6

Auswirkungen

Die nachfolgend ausgeführten Auswirkungen setzen den freiwilligen Abschluss einer Vereinbarung durch die Krankenversicherer nach dem KVG und die Versicherungsunternehmen im Bereich der Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung über die in Artikel 19b E-KVAG und Artikel 31a E-VAG erwähnten Punkte und deren Verbindlicherklärung durch den Bundesrat voraus.

6.1

Auswirkungen auf den Bund

6.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Wie nachstehend in Ziffer 6.3 ausgeführt, hat die Gesetzesänderung nur einen sehr geringen Einfluss auf die Bruttokosten der OKP und damit auch auf die Beiträge des Bundes zur Prämienverbilligung. Im Übrigen beteiligt sich der Bund in keiner Weise an der Finanzierung der Zusatzversicherung. Die Entschädigung der Vermittlerinnen und Vermittler in diesem Bereich wird über die Prämien der Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer abgedeckt.

27

SR 950.1

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6.1.2

Personelle Auswirkungen

Die Verbindlicherklärung führt zu einer höheren Arbeitsbelastung bei den beiden Aufsichtsbehörden, also beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) für die soziale Krankenversicherung und bei der FINMA für die Zusatzversicherung. Die Versicherer nach dem KVG und 47 Versicherungsunternehmen arbeiten mit zahlreichen Vermittlerinnen und Vermittlern zusammen. In der Zusatzversicherung sind mehrere Tausend Vermittlerinnen und Vermittler tätig. Die Aufsichtsbehörden werden die mit ihnen abgeschlossenen Verträge untersuchen und in den Jahresrechnungen der Versicherer überprüfen müssen, ob die gewährten Entschädigungen der Vereinbarung entsprechen. Diese Aufgaben erfordern in jeder der beiden Aufsichtsbehörden eine zusätzliche Vollzeitstelle.

Zudem sind auch für die Kontrolle der übrigen Anforderungen, die sich aus der Vorlage ergeben, zusätzliche Ressourcen bei den beiden Aufsichtsbehörden notwendig.

In Anbetracht der Anzahl Reklamationen betreffend unerwünschte Telefonanrufe, die beim Staatssekretariat für Wirtschaft eingehen28, ist in diesem Bereich mit einem grossen Arbeitsaufwand für die Aufsichtsbehörden zu rechnen. Die Verstösse gegen die Vereinbarung im Bereich des Verbots der Kaltakquise werden nämlich den Aufsichtsbehörden bekanntgegeben, die allen gemeldeten Fällen nachgehen müssen. Sie müssen die Situation beurteilen und können aufsichtsrechtliche Massnahmen ergreifen sowie die Fälle bei den zuständigen Strafbehörden anzeigen. Alle diese Aufgaben generieren Mehraufwand. Die Aufsichtsbehörden werden zudem überprüfen müssen, ob sich die Versicherer an die anderen verbindlich erklärten Punkte der Vereinbarung halten. Sie müssen kontrollieren, ob die Qualitätsstandards eingehalten werden, insbesondere zur Ausbildung der Vermittlerinnen und Vermittler und der Erstellung und Aushändigung von Beratungsprotokollen. Dazu braucht es zusätzliche Audits, Stichprobenkontrollen sowie das Einfordern und Prüfen zahlreicher Unterlagen. Zurzeit wird der personelle Mehrbedarf für alle diese Aufgaben auf 2 Vollzeitstellen beim BAG und 2 Vollzeitstellen bei der FINMA geschätzt. Eine Zunahme der geforderten Ressourcen aufgrund zusätzlicher Aufgaben, die das Parlament den Aufsichtsbehörden erteilen wird, ist jedoch nicht auszuschliessen.

Folglich erfordert die Umsetzung des vorliegenden Entwurfs aufgrund der aktuellen
Schätzungen insgesamt 3 Vollzeitstellen für das BAG und 3 Vollzeitstellen für die FINMA. Die Finanzierung der neuen Stellen des BAG ist zurzeit nicht gewährleistet; inwieweit ein zusätzlicher Ressourcenantrag notwendig ist oder eine interne Kompensation dieses Personalbedarfs möglich ist, wird im Hinblick auf die Inkraftsetzung geprüft.

28

Vgl. www.seco.admin.ch > Werbe- und Geschäftsmethoden > Unlauterer Wettbewerb > Statistische Angaben.

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6.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Wie nachstehend in Ziffer 6.3 beschrieben sind die im Bereich der sozialen Krankenversicherung erwarteten Einsparungen relativ gering. Die Kantone können deshalb nicht mit einer Verringerung ihrer Ausgaben zur Prämienverbilligung rechnen. Für die Gemeinden hat die geplante Gesetzesänderung im Übrigen keine Auswirkungen.

6.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Vorlage führt eine Beschränkung der Entschädigung von Vermittlerinnen und Vermittlern ein. Die daraus entstehenden allfälligen Einsparungen sind jedoch sehr schwer zu beziffern. In der sozialen Krankenversicherung wurden sie von den Versicherern auf rund 10 Millionen Franken pro Jahr geschätzt. Damit sollten sie nur unwesentliche Auswirkungen auf die Verwaltungskosten und folglich die Bruttokosten haben. Der Entwurf wird keinen spürbaren Einfluss auf die Höhe der Prämien in der OKP haben.

Im Bereich der Zusatzversicherung sind die von den Versicherungsunternehmen an die Vermittlerinnen und Vermittler ausgerichteten Provisionen deutlich höher als in der OKP. 2019 beliefen sich erstere auf 451 Millionen Franken, letztere auf 44 Millionen Franken29.

6.4

Auswirkungen auf die Krankenversicherung

Die an Vermittlerinnen und Vermittler in der sozialen Krankenversicherung ausbezahlten Provisionen zählen zu den Verwaltungskosten der Versicherer (Art. 19 Abs. 1 KVAG). Die Einsparungen, die mit dem vorliegenden Entwurf erzielt werden können, sind sehr bescheiden. Sie werden auf 10 Millionen Franken pro Jahr geschätzt. Damit werden sie weder auf die Bruttokosten der OKP noch auf die Beiträge des Bundes zur Prämienverbilligung (Art. 66 KVG) einen bedeutenden Einfluss haben. Die möglichen Einsparungen im Bereich der Zusatzversicherung können nicht beziffert werden.

Die Vorlage gewährleistet die Qualität der Tätigkeit von Vermittlerinnen und Vermittlern. So müssen diese eine von den Versicherern definierte umfassende Ausbildung absolviert haben. Zudem müssen sie sich verpflichten, die Vorschriften des Bundesgesetzes vom 19. Juni 199230 über den Datenschutz sowie des UWG einzuhalten.

Eine wesentliche Verbesserung für die Versicherten bringt das Verbot der telefonischen Kaltakquise für Versicherer und ihre Vermittlerinnen und Vermittler. Darüber hinaus müssen die Vermittlerinnen und Vermittler ein Protokoll der Beratung mit der Kundin oder dem Kunden erstellen, das von beiden Seiten zu unterzeichnen ist. Damit sind die Informationen, die die Vermittlerin oder der Vermittler liefern muss, auf einem Träger festgehalten. Die an die Vermittlerinnen und Vermittler ausbezahlten Provisionen werden im Übrigen sowohl für die soziale Krankenversicherung als auch für 29 30

Quelle für die OKP: www.bag.admin.ch > Versicherungen > Krankenversicherung > Versicherer und Aufsicht > Reporting > Bilanzen und Betriebsrechnungen.

SR 235.1

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die Zusatzversicherung beschränkt. Alle diese Massnahmen tragen dazu bei, das Vertrauen der Versicherten in das Krankenversicherungssystem zu stärken.

Hohe Anforderungen an die Ausbildung der Vermittlerinnen und Vermittler können Kosten für die Versicherer und die Versicherungsunternehmen ­ insbesondere die kleinen ­ nach sich ziehen. Schliesslich erfordern die vorgeschlagenen Massnahmen zusätzliche Ressourcen in den beiden Aufsichtsbehörden.

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Gemäss den Artikeln 98 Absatz 3, 117 Absatz l und 122 Absatz 1 BV kann der Bund Vorschriften über die Krankenversicherung, das Privatversicherungswesen und das Zivilrecht erlassen.

Erklärt der Bundesrat eine Vereinbarung, die die Tätigkeit der Versicherungsvermittlerinnen und Vermittler regelt, verbindlich, stellt dies einen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) der Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler und der im Bereich der Krankenzusatzversicherung tätigen Versicherungsunternehmen dar.

Eine solche Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit stützt sich jedoch auf eine formelle gesetzliche Grundlage und verfolgt ein überwiegendes öffentliches Interesse, nämlich den Schutz der Versicherten. Vor dem Erlass der Verordnung, die die Vereinbarung verbindlich erklärt, muss der Bundesrat sicherstellen, dass die verbindlich erklärte Regelung dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit entspricht (Art. 36 Abs. 3 BV).

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Seit dem Inkrafttreten des Abkommens vom 21. Juni 199931 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA) am 1. Juni 2002 und dem Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 1/2012 des Gemischten Ausschusses eingesetzt im Rahmen des FZA32 am 1. April 2012 sind die EU-Verordnungen zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit auch für die Schweiz anwendbar und verbindlich.33 Der vorliegende Entwurf regelt die Tätigkeit und die Entschädigung von Versicherungsvermittlerinnen und -vermittlern. Wie im 3. Kapitel dargelegt, schreibt das in der Schweiz geltende EU- Recht keine Normen für Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler vor. Die Vorlage ist folglich mit von der Schweiz durch Anhang II des

31 32 33

SR 0.142.112.681 AS 2012 2345 Zu Informationszwecken wurde eine konsolidierte (nicht bindende) Version der erwähnten Verordnungen (EG) Nr.°883/2004 und Nr. 987/2009 in der Fassung, die für die Schweiz gemäss Anhang II FZA gilt, in SR 0.831.109.268.1 und SR 0.831.109.268.11 veröffentlicht.

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FZA übernommenem EU-Recht und mit den weiteren internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar.

7.3

Erlassform

Der Entwurf sieht wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 164 Absatz 1 BV vor, da er den Versicherern neue Verpflichtungen und Verbote auferlegt.

Er muss deshalb die Form eines Bundesgesetzes annehmen, das dem Referendum untersteht. Der Entwurf ist ein Mantelerlass, der die Änderungen der beiden betreffenden Erlasse enthält, die auf derselben Regulierungsebene angesiedelt sind. Er sieht analoge Regeln für die soziale Krankenversicherung und die Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung vor. Dementsprechend ist es sinnvoll, die Änderung der beiden Erlasse in einem einzigen Rechtsetzungserlass zusammenzufassen.

7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Gemäss Artikel 159 BV bedürfen Subventionsbestimmungen, Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder jedes der beiden Räte. Da der Entwurf weder Subventionsbestimmungen noch Finanzierungsbeschlüsse vorsieht, untersteht er nicht der Ausgabenbremse.

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