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17.304 Standesinitiative Sicherere Strassen jetzt!

Bericht der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates (KVF-N) vom 18. Januar 2021

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Strassenverkehrsgesetzes. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

18. Januar 2021

Im Namen der Kommission Der Präsident: Michael Töngi

2021­0248

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Übersicht Das Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) soll so geändert werden, dass für schwere Motorwagen zum Sachen- oder Personentransport auf den Transitstrassen im Alpengebiet Mindeststandards für die Ausrüstung mit unfallvermindernden Assistenzsystemen gelten. Für bestimmte nicht grenzüberschreitende Transporte soll der Bundesrat eine längere Frist vorsehen können.

Die Kommission ist der Ansicht, dass die vorgeschlagene Änderung des Strassenverkehrsgesetzes das Gefahrenpotenzial des Schwerverkehrs verringert und auf diese Weise der hohe Sicherheitsstandard auf den Schweizer Strassen weiter verbessert werden kann.

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Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Es gelten heute bestimmte Vorschriften über Bau und Ausrüstung der Motorfahrzeuge und ihre Anhänger. Der Bundesrat erlässt die entsprechenden Vorschriften. Mit der Standesinitiative des Kantons Tessin 17.304 Sicherere Strassen jetzt! vom 22. März 2017 fordert der Kanton Tessin, dass Lastwagen (Ausnahmetransporte ausgenommen), die nicht über die Sicherheitssysteme verfügen, die in der Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge genannt sind, so rasch wie möglich, aber spätestens bei Inbetriebnahme des neuen Schwerverkehrskontrollzentrums Giornico/Monteforno im Kanton Tessin, die Nutzung von Tunnels und Pässen in den Schweizer Alpen zu untersagen sei. Dabei seien administrative und technische Lösungen zu prüfen, welche nicht zulasten der Speditionsunternehmen in den Alpenkantonen (und in der Schweiz allgemein) gehen.

Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates (KVF-S) hat die Standesinitiative des Kantons Tessin Sicherere Strassen jetzt! am 8. Januar 2018 vorgeprüft und dazu eine Vertretung des Kantons Tessin angehört. Mit 10 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung hat die KVF-S der Initiative Folge gegeben. Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates (KVF-N) hat sich an ihrer Sitzung vom 6. November 2018 mit der Standesinitiative befasst und hat ihr mit 14 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung Folge gegeben. In der Wintersession 2018 wurde die KVF-N mit der Ausarbeitung einer Vorlage beauftragt (gemäss Art. 117 Abs. 1 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20021). Die Mehrheit beider Kommissionen ist der Meinung, dass auf diese Weise das Gefahrenpotenzial des Schwerverkehrs verringert und der hohe Sicherheitsstandard auf den Strassen in der Schweiz weiter verbessert werden kann.

An ihrer Sitzung vom 13. Mai 2019 behandelte die KVF-N die Initiative und beriet über das weitere Vorgehen. Auf Basis eines Umsetzungsvorschlages aus der Kommission beauftragte sie die Verwaltung mit weiteren Abklärungen und der Ausarbeitung eines Vorentwurfs. Am 17. Februar 2020 nahm die Kommission Kenntnis von den Abklärungen der Verwaltung und diskutierte zwei Umsetzungsvarianten. An ihrer Sitzung vom 26. Mai 2020 verabschiedete die KVF-N mit 14 zu 9 Stimmen den Vorentwurf und beauftragte das Bundesamt für Strassen (ASTRA) mit der Durchführung der Vernehmlassung.

Die Vernehmlassung
dauerte vom 5. Juni 2020 bis am 30. September 2020. An ihrer Sitzung vom 18. Januar 2021 nahm die Kommission die Ergebnisse der Vernehmlassung (vgl. Kapitel 1.7) zur Kenntnis und stimmte dem vorliegenden Entwurf mit 15 zu 10 Stimmen zu.

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SR 171.10

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1.2

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

Von der Kommission wurden zwei Umsetzungsvarianten geprüft. Mit beiden Varianten wird eine Ausrüstungspflicht mit unfallvermindernden Assistenzsystemen eingeführt. Spätestens fünf Jahre nachdem unfallvermindernde Assistenzsysteme für die Erteilung der Typengenehmigung oder die Fahrzeugprüfung obligatorisch geworden sind, sind diese gemäss beiden Varianten für schwere Motorwagen zum Sachenoder Personentransport obligatorisch, die auf den Transitstrassen im Alpengebiet gemäss Artikel 2 des Bundesgesetzes über den Strassentransitverkehr im Alpengebiet vom 17. Juni 1994 (STVG)2 verkehren. Eine verhältnismässige und nichtdiskriminierende Umsetzung wird sichergestellt, indem bei der Typengenehmigung und Fahrzeugprüfung gemäss den Artikeln 12 und 13 des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1958 (SVG)3 für solche Fahrzeuge internationale Normen für Assistenzsysteme übernommen werden.

Eine der geprüften Varianten sah für alle genannten Fahrzeuge dieselbe Regelung vor, bei der anderen und gewählten Variante kann der Bundesrat für alpenquerende, nicht grenzüberschreitende Transporte, die für die Wirtschaft der Südschweiz oder des Wallis von besonderer Bedeutung sind, sowie mit diesen Transporten direkt zusammenhängende Leerfahrten, eine Sonderregelung in Form einer längeren Frist vorsehen.

Gemäss beiden Varianten kann der Bundesrat aus Sicherheitsgründen und nach Anhörung der Kantone die betroffenen Strecken ausdehnen. Er kann zudem für bestimmte Fahrzeuge, wie beispielsweise Oldtimer und Armeefahrzeuge, weitere Ausnahmen von den strengeren Vorschriften vornehmen.

Die KVF-N diskutierte beide Umsetzungsvarianten. An ihrer Sitzung vom 26. Mai 2020 verabschiedete sie mit 14 zu 9 Stimmen die Variante mit Sonderregelung für den Binnenverkehr, während sie die andere Variante mit 12 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung ablehnte. Nach Ansicht der Kommissionsmehrheit ist eine solche Sonderregelung notwendig, um die Versorgung der peripheren Regionen sicherzustellen.

1.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Die Forderung der Initiative, für schwere Motorwagen zum Sachen- oder Personentransport im alpenquerenden Verkehr auf Transitstrassen im Alpengebiet gemäss Artikel 2 STVG Mindeststandards für die Ausrüstung mit unfallvermindernden Assistenzsystemen festzulegen, wird mit der vorgeschlagenen Änderung des SVG erfüllt. Die betroffenen Fahrzeuge müssen fünf Jahre, nachdem unfallvermindernde Assistenzsysteme für die Erteilung der Fahrzeugtypengenehmigung oder für die Fahrzeugprüfung obligatorisch geworden sind, mit solchen Systemen ausgerüstet sein, um auf den Transitstrassen im Alpengebiet zu verkehren.

Die Frist von fünf Jahren erlaubt den Fahrzeughaltern eine sorgfältige mittel- bis langfristige Planung, welche den neuen Vorschriften Rechnung trägt. Grundsätzlich sind 2 3

SR 725.14 SR 741.01

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Unternehmen mit Fahrzeugflotten älteren Datums von den vorgeschlagenen Massnahmen stärker betroffen als Unternehmen mit Lastwagen jüngeren Datums. Zudem ist festzuhalten, dass Fahrzeuge im internationalen Verkehr aufgrund ihrer hohen Kilometerleistungen und dem damit verbundenen Einsparpotenzial (z.B. geringerer Treibstoffverbrauch, LSVA) tendenziell moderner sind als Fahrzeuge, die mit deutlich weniger Laufleistung im Binnenverkehr eingesetzt werden. Bereits heute achten im grenzüberschreitenden Verkehr tätige Unternehmen eher darauf, moderne und möglichst umweltfreundliche Fahrzeuge einzusetzen. Die Unternehmen können mit dem Einsatz moderner Fahrzeuge die Kosten, welche auf langen Fahrten durch die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe LSVA zu entrichten sind, niedriger halten, als wenn sie ältere Fahrzeuge für den grenzüberschreitenden Verkehr einsetzen. Die neue Regelung dürfte deshalb von diesen Unternehmen nicht als einschneidende Massnahme eingestuft werden und eine gute Akzeptanz finden. In der Schweiz immatrikulierte Lastwagen weisen bezüglich Abgas (und wohl auch bezüglich Sicherheitsausrüstung) keinen höheren Standard auf als ausländische Lastwagen, die auf Schweizer Strassen verkehren.

Eine verhältnismässige und nichtdiskriminierende Massnahme wird umgesetzt, indem bei der Typengenehmigung und Fahrzeugprüfung gemäss den Artikeln 12 und 13 SVG für schwere Motorwagen zum Sachen- oder Personentransport internationale Normen für Assistenzsysteme übernommen werden. Zudem ist die strengere Ausrüstungspflicht auf bestimmte ­ auch wenn im internationalen Verkehr bedeutende ­ Strecken beschränkt. Assistenzsysteme helfen, die Verkehrssicherheit zu verbessern.

Bei den hier betroffenen schweren Motorwagen zum Sachen- oder Personentransport handelt es sich um schwerere Fahrzeuge, von denen bei einem Unfall aufgrund deren Masse ein höheres Schadenspotenzial ausgeht als beispielsweise von einem normalen Personenwagen.

Die längere Frist für alpenquerende, nicht grenzüberschreitende Transporte entlastet die in den Alpenkantonen tätigen Speditionsunternehmen und stellt die Versorgung der Berggebiete sicher. Ohne Sonderregelung für Binnentransporte wären Schweizerische Unternehmen allenfalls von der eingeführten Massnahme leicht stärker betroffen als ausländische Unternehmen. Da auf Kurzstrecken
das Unfallrisiko weitaus geringer ausfällt als auf Langstrecken, ist eine solche Ausnahme zu vertreten. Am Gotthardtunnel gibt es ebenfalls aus Sicherheitsgründen ein Tropfenzählersystem seit dem Brand im Tunnel von 2001. Lastwagen, die nicht zum internationalen Transitverkehr gehören, sondern ins Tessin fahren, erhalten eine Ausnahme. Sie sind mit einem Schild markiert, auf dem ein «S» steht. Dieser S-Verkehr wird beim Tropfenzählersystem am Gotthard bevorzugt, weil er für die Wirtschaft der Südschweiz wichtig ist. Die vorgeschlagene Lösung ist analog zur Verordnung über den S-Verkehr vom 20. September 2002 (VSV)4. Im Gegensatz zum Tropfenzählersystem ist nicht nur die Südschweiz, also Tessin und Mesolcina, betroffen, sondern auch das Wallis mit Simplon und Grossem St. Bernhard.

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SR 741.631

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1.4

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Bei dem Regelungsvorschlag handelt es sich in erster Linie um eine verkehrspolitische Massnahme. Aus diesem Grund sind die «Bilateralen Abkommen» zwischen der Schweiz und der EU (und teilweise auch ihren Mitgliedstaaten) und namentlich das Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Straße (Landverkehrsabkommen; LVA)5 als völkerrechtliche Normen einschlägig. Da die Regelung insbesondere den Güterverkehr betrifft, hat sie möglicherweise auch handelspolitische Auswirkungen, weshalb auch allfällige technische Handelshemmnisse zwischen der Schweiz und der Europäischen Union zu untersuchen sind.

Das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen vom 21. Juni 1999 (Mutual Recognition Agreement; MRA) 6 trat als Bestandteil des Pakets der sieben Abkommen der Bilateralen I am 1. Juni 2002 in Kraft. Das MRA gilt für die wichtigsten Produktsektoren, so auch für Motorfahrzeuge (Kapitel 12: Kraftfahrzeuge). Das heutige System für die Zulassung von Fahrzeugen auf den Schweizer Strassen übernimmt internationale Normen. Ist ein Fahrzeugtyp international zugelassen, darf er grundsätzlich auch in der Schweiz fahren.

Ab 2022 müssen in der EU in bestimmte neue Transportmotorwagentypen sowie ab 2024 auch in bereits bestehende Modelle zahlreiche neue Sicherheitssysteme eingebaut werden. Zu den künftig zwingend einzubauenden Technologien gehören Warnsysteme bei Müdigkeit, Geschwindigkeits-, Spurhalte- und hochentwickelte Notbrems-Assistenzsysteme, eine Schnittstelle für alkoholempfindliche Wegfahrsperren, Kameras und Sensoren für die Rückwärtsfahrsicherheit sowie eine Blackbox zur Aufzeichnung von Unfalldaten. Für Lastwagen und Gesellschaftswagen sind zudem Vorgaben zur Verbesserung der direkten Sicht und zur Beseitigung toter Winkel geplant.

Das Landverkehrsabkommen (LVA) war mit dem Personenverkehrsabkommen wohl das politisch schwierigste Abkommen der Bilateralen I. Hauptsächlicher Grund hierfür dürfte die unterschiedliche Interessenlage der Union und der Schweiz in diesem Bereich gewesen sein: Während die Schweiz aus offensichtlichen Gründen an einer Verringerung des Transportvolumens über die Alpen interessiert war bzw. ist,
stand bzw. steht für die EU ­ angesichts der relativ kurzen Distanz ­ die möglichst ungehinderte Durchfahrt durch die Schweiz im Hinblick auf den freien Warenverkehr und die Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit im Vordergrund. Die wesentlichen Inhalte des Landverkehrsabkommens sind u.a. der Grundsatz der Nichtdiskriminierung (Art. 1 Abs. 3 LVA), (technische) Regelungen im grenzüberschreitenden Verkehr (Art. 5 ff. LVA) und eine koordinierte Verkehrspolitik (Art. 30 ff. LVA). Diese gelten für beide Vertragsparteien gleichermassen.

Spezielle Beschränkungen zum Befahren von bestimmten Strecken gibt es bereits heute in verschiedenen europäischen Staaten und weltweit, so zum Beispiel am Mont5 6

SR 0.740.72 SR 0.946.526.81

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Blanc-Tunnel, der die Städte Chamonix-Mont-Blanc (Frankreich) mit Courmayeur im Aostatal (Italien) verbindet und eine wichtige Verbindung zwischen Genf und Frankreich auf der Westseite sowie Turin und Norditalien auf der Ostseite darstellt. In einem Verkehrsreglement (Règlement de Circulation du Tunnel du Mont-Blanc7) werden Verkehrsbeschränkungen bezüglich Euro-Klassen vorgeschrieben: «(Arrêté Préfecture Haute Savoie no DDT 2019 1225 du 24 juillet 2019: Modification lettre d bis), §1, art. 2, du règlement de circulation dans le Tunnel du Mont Blanc (interdiction véhicules de transport de marchandises >3,5 t Euro III à compter du 1 er septembre 2019)». Für schwere Sachtransporte schreibt die Präfektur Haute-Savoie seit dem 1. September 2019 für den Strassenverkehr im Mont-Blanc-Tunnel eine Mindestanforderung von Euro 3 vor.

Streckenspezifische Vorschriften werden vom europäischen Recht nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

1.5

Umsetzung

Auf Stufe der Verordnung bestimmt der Bundesrat die längere Frist für alpenquerende, nicht grenzüberschreitende Transporte. Weiter regelt der Bundesrat Ausnahmen für bestimmte Fahrzeuge und eine ­ aus Sicherheitsgründen und nach Anhörung der betroffenen Kantone ­ allfällige Ausdehnung auf weitere Strecken. Die Delegationen in Bezug auf die von der Ausrüstungspflicht auszunehmenden Fahrzeuge und in Bezug auf weitere Strecken sind weit gefasst. Ausnahmen für bestimmte Fahrzeuge sind nur aus wichtigen Gründen zu gewähren. Bei einer allfälligen Ausdehnung auf weitere Strecken muss es sich um vergleichbare neuralgische Strecken mit Unfallschwerpunkten handeln wie diese in Artikel 2 STVG. Unter Berücksichtigung von Artikel 5 BV8 müssen sich Verordnungen des Bundesrates, welche sich auf die im Entwurf formulierten Delegationen stützen, zwingend auf spezifische Fahrzeuge und vergleichbare neuralgische Strecken beziehen.

Die Bestimmungen können mit den bestehenden eidgenössischen und kantonalen Strukturen umgesetzt werden. Für den Vollzug der einzuführenden Bestimmungen sind die kantonalen Vollzugsbehörden zuständig. Die Kontrollen können in den verschiedenen Schwerverkehrskontrollzentren des Bundes und im Rahmen der ordentlichen Schwerverkehrskontrollen durchgeführt werden. Die Kontrollbehörden können die schweren Fahrzeuge zum Sach- und Personentransport im Rahmen der Schwerverkehrskontrolle auch auf die Mindestanforderungen bezüglich Assistenzsysteme kontrollieren. Zur Gewährleistung einer effizienten Umsetzung müssten sämtliche betroffenen Fahrzeugführer von entsprechenden Fahrzeugen aufgrund von Stichproben mit einer Kontrolle zu rechnen haben. Als Vollzugshilfe können Hilfslisten mit Informationen bezüglich der Assistenzsysteme und deren Einführung dienen. Da sich die Schwerverkehrskontrollzentren nicht an der Landesgrenze befinden, müsste möglichst beim Zoll gewährleistet sein, dass nur entsprechend ausgerüstete Fahrzeuge die 7

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Règlement de Circulation du Tunnel du Mont-Blanc ­ Recueil des arrêtés préfectoraux de 2009 à 2019: www.tunnelmb.net/public/files/287/a-7-download-2-r-glemcircul-arretefra-01-11-2012-4-arr-t-s-modificatifs-de-2009-a-2019.pdf.

SR 101

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von der Regelung betroffenen Strassenabschnitte befahren. Eine geeignete Information müsste aus praktischen Gründen bereits vor den Alpentunnels gewährleitet sein.

Fahrzeuge, die die Voraussetzungen nicht erfüllten, müssten zurückgewiesen werden.

Bei der Umsetzung sind zudem das Übereinkommen über Strassenverkehrszeichen vom 8. November 19689 und Artikel 2 und 5 SVG zu berücksichtigen. Der Signalisationspflicht ist dabei besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Die Ausrüstungspflicht auf den Transitstrecken im Alpengebiet müsste entsprechend signalisiert werden. Eine Regelung in der Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 (SSV)10 ist zu prüfen.

1.6

Minderheitsantrag: Nichteintreten

Eine Minderheit der Kommission (Wasserfallen Christian, Fluri, Giezendanner, Hurter Thomas, Quadri, Rutz Gregor, Sollberger, Umbricht Pieren, Wobmann) beantragt Nichteintreten. Sie ist der Auffassung, dass die vorgeschlagene Ausrüstungspflicht mit unfallvermindernden Assistenzsystemen für die Wirtschaft zu hohen zusätzlichen Kosten führen würde. Zudem ist in ihren Augen der gesetzliche Handlungsbedarf ungenügend begründet. Weder gebe es Untersuchungen, die auf eine besondere Unfallhäufigkeit im alpquerenden Schwerverkehr hinweisen, noch sei der genügende Nachweis erbracht worden, dass die vorgeschlagenen technischen Vorkehrungen die Verkehrssicherheit effektiv verbesserten.

1.7

Ergebnis der Vernehmlassung

Die Vernehmlassung dauerte vom 5. Juni 2020 bis am 30. September 2020. Insgesamt gingen 63 Stellungnahmen ein.11 Die hauptsächlichen Tendenzen der eingereichten Stellungnahmen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Vorlage zur Umsetzung der Standesinitiative fand mit 24 Befürwortern und Befürworterinnen und 25 Gegnern und Gegnerinnen keine Einigkeit.

Bei den Kantonen fand der Umsetzungsentwurf der Standesinitiative mit elf ablehnenden und neun befürwortenden Stimmen ein leichtes Mehr von Gegnern (Contra: BE, BL, GL. GR, LU, NE, OW, SG, SH, TG, ZG; Pro: AI, AR, FR, NW, SO, TI, UR, VD, VS) fünf Kantone verzichteten explizit auf eine Stellungnahme (AG, BS, GE, JU, SZ); der Kanton ZH zweifelte in seiner Antwort, ob die vorgeschlagene Beschränkung auf Alptransitstrassen zu einem erheblichen Zugewinn an Sicherheit führen wird.

9 10 11

SR 0.741.20 SR 741.21 Vgl. Bericht über die Ergebnisse der Vernehmlassung, Dezember 2020, publiziert unter: www.parlament.ch/de/organe/kommissionen/sachbereichskommissionen/kommissionenkvf/berichte-vernehmlassungen-kvf/vernehmlassung-kvf-n-17-304.

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Von den in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien, die eine Antwort eingereicht hatten, stimmten vier zu, zwei lehnten ab (Pro: CVP, GLP, GPS, SPS; Contra: FDP, SVP).

Bei den Dachverbänden der Gemeinden, Städte und Bergebiete stimmte die schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Berggebiete zu; der schweizerische Städteverband und der schweizerische Gemeindeverband verzichteten explizit auf eine Stellungnahme.

Die gesamtschweizerischen Dachverbände der Wirtschaft lehnten die Vorlage mit drei Nein-Stimmen gegen eine Ja-Stimme mehrheitlich ab (Contra: ECONS, SBV, SGV; Pro: SGB).

Von den interkantonalen und interstädtischen Organisationen befürworteten drei den Änderungsvorschlag, eine lehnt ab (Pro: FKS, KSSD, SVSP; Contra: ACVS; expliziter Verzicht auf STN: KKJPD).

Von den gesamtschweizerischen Verkehrs- oder Mobilitätsverbänden stimmten vier zu und fünf lehnten ab (Pro: ALPI, FUSS, PROVEL, VCS; Contra: ASTAG, CFS, FMS, FRS, TCS).

Bei den weiteren gesamtschweizerischen Verbänden und Organisationen ergaben sich eine Ja-Stimme und drei Nein-Stimmen (Pro: GREEN; Contra: CEPA, SSIC, SVLT); die bfu zweifelt an der vorgeschlagenen Beschränkung auf Alptransitstrassen.

Die SUVA befürwortete den Vernehmlassungsvorschlag.

Die Befürwortenden betonen insbesondere, dass es sich bei der Vorlage um eine Anwendung eines schon bestehenden politischen Instrumentes handelt, da auch weitere Länder wie Frankreich und Österreich Verbote für ältere Lastwagen kennen. Das grosse Sicherheitsrisiko und die erhöhte Letalität bei Unfällen im Schwerverkehr führen laut den befürwortenden Verbänden zu hohen externen Kosten, womit der Handlungsbedarf in diesem Bereich gegeben ist. Als weiteren unterstützungswerten Punkt machen die Befürworterinnen und Befürworter der Vorlage geltend, dass mit neuen Mindestanforderung im alpenquerenden Verkehr tendenziell modernere Fahrzeuge eingesetzt werden oder eine Verlagerung auf die Schiene stattfinden wird, was zu einem positiven Effekt auf die Umwelt führt.

Die Gegnerinnen und Gegner weisen insbesondere darauf hin, dass der Entwurf nicht im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz steht (Landverkehrsabkommen). Ausserdem zweifeln sie daran, dass die Vorlage zu einem Zugewinn an Sicherheit führt. Um eine Erhöhung der Verkehrssicherheit herbeizuführen,
müsse viel eher eine Verbesserung der Strasseninfrastruktur erfolgen. Weiter argumentiert die Gegnerschaft, dass die geforderten Mindeststandards aufgrund der hohen Laufleistung und der damit verbundenen raschen Erneuerung der Fahrzeugflotten von selbst erreicht werden.

Die Möglichkeit einer Sonderregelung (längere Frist) für die Südschweiz und das Wallis fand 28 Gegenstimmen (davon 15 Kantone). Sie wurde nur von 12 der Vernehmlassungsteilnehmenden befürwortet (davon 5 Kantone).

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23 Vernehmlassungsteilnehmende befürworteten die Möglichkeit einer Ausdehnung der Regelung auf weitere Strecken (davon 10 Kantone). 16 Vernehmlassungsteilnehmende lehnten sie ab (davon 8 Kantone).

Relativ hohe Einigkeit bestand bei der Möglichkeit, bestimmte Fahrzeuge von der Regelung auszunehmen. Sie fand 33 Befürworter und Befürworterinnen (davon 16 Kantone). Nur 6 der Vernehmlassungsteilnehmenden sprachen sich dagegen aus (davon 4 Kantone).

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Gliederungstitel IV vor Art. 43 Der Gliederungstitel wird angepasst.

Titel in Art. 45a Der Titel wird angepasst.

Art. 45a Abs. 1 Nur jene Sicherheitsassistenzsysteme sollen obligatorisch werden, die tatsächlich ein Unfallverminderungspotential haben. Es geht um alle (digitalen) Hilfsmittel, die den Fahrer nicht nur warnen, sondern auch eingreifen. Sie können den Fahrer also im Notfall übersteuern und Frontal-, Auffahr- sowie Streifkollisionen verhindern. Es ist davon auszugehen, dass Assistenzsysteme, welche aufgrund internationaler Vorschriften obligatorisch sind, als unfallvermindernd gelten. Deshalb beschränkt sich der Gesetzestext auf das Vorschreiben von «obligatorischen Assistenzsystemen». Auf den Begriff «unfallvermindernd» wird im Gesetzestext verzichtet.

Die Regelung gilt für alle vier Transitachsen der Schweiz: Gotthard, San Bernardino, Simplonstrasse und Grosser St. Bernhard. Deshalb ist Artikel 2 des Bundesgesetzes über den Strassentransitverkehr im Alpengebiet (STVG) in Absatz 1 erwähnt. Die Regelung gewährleistet die Vereinbarkeit mit den bilateralen Verträgen der Schweiz mit der EU, insbesondere mit dem Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen vom 1. Juni 1999 (MRA). Das heutige System für die Zulassung von Fahrzeugen auf den Schweizer Strassen übernimmt internationale Normen. Ist ein Fahrzeugtyp international zugelassen, darf er grundsätzlich auch in der Schweiz fahren. An diesem Typengenehmigungsverfahren ändert sich nichts. Die in Absatz 2 festgelegten zusätzlichen Mindeststandards bleiben auf einzelne Strecken beschränkt und werden mit der Verkehrssicherheit begründet. Verhältnismässigkeit und Nichtdiskriminierung sind gegeben.

Art. 45a Abs. 2 Schwere Motorwagen zum Sachen- oder Personentransport, bei deren Typengenehmigung beziehungsweise ersten Fahrzeugprüfung ein Assistenzsystem noch 10 / 16

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nicht obligatorisch war, dürfen grundsätzlich ohne entsprechendes Assistenzsystem fahren. In Absatz 2 wird dieser Grundsatz für das Befahren der in Absatz 1 genannten Transitstrassen zeitlich befristet. Ab dem Zeitpunkt, ab dem ein Assistenzsystem für die Erteilung der entsprechenden Fahrzeugtypengenehmigung erstmals obligatorisch wird, dürfen diesem Fahrzeugtyp entsprechende Fahrzeuge nur noch fünf Jahre lang ohne dieses Assistenzsystem auf den Transitstrassen nach Absatz 1 verkehren. Daraus ergibt sich ein Fahrverbot der betroffenen, nicht nachgerüsteten Fahrzeuge. Entsprechend nachgerüstete oder bereits ausgerüstete Fahrzeuge hingegen dürfen die Transitstrassen nach Absatz 1 (weiterhin) befahren.

Art. 45a Abs. 3 Der Bundesrat soll für alpenquerende, nicht grenzüberschreitende Transporte, die für die Wirtschaft der Südschweiz oder des Wallis von besonderer Bedeutung sind, sowie mit diesen Transporten direkt zusammenhängende Leerfahrten, eine Sonderregelung in Form einer längeren Frist vorsehen können.

Eine Minderheit (Schaffner, Borloz, Christ, Fluri, Wasserfallen Christian) beantragt Absatz 3 zu streichen. In ihren Augen sind Ausnahmeregelungen für bestimmte Transportrouten abzulehnen, weil sie einerseits die Wirksamkeit der Massnahmen und somit die Sicherheit auf den Strassen reduzieren. Andererseits ist die Minderheit der Ansicht, dass Sonderregelungen der Rechtsgleichheit widersprechen und den administrativen Aufwand erhöhen.

Art. 45a Abs. 4 Dem Bundesrat soll die Kompetenz erteilt werden, die Mindestausrüstungspflicht von bestimmten Fahrzeugen auf weitere Strecken auszudehnen. Dies soll nur aus Sicherheitsgründen und nach Anhörung der betroffenen Kantone möglich sein. Diese Delegation ist sehr weit gefasst. Es muss sich um vergleichbare neuralgische Strecken mit Unfallschwerpunkten handeln wie diese in Artikel 2 STVG. Verordnungen des Bundesrates, welche sich auf diese Delegation stützen, müssen dem in Artikel 5 BV festgelegten Grundsatz der Verhältnismässigkeit genügen.

Art. 45a Abs. 5 Der Bundesrat soll für bestimmte Fahrzeuge wie z.B. Oldtimer und Armeefahrzeuge Ausnahmen vorsehen können. Die Delegationsnorm ist sehr weit gefasst. Auch hier gilt es, Artikel 5 BV zu beachten.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Auf den Personalbestand des Bundes hat die vorgeschlagene Änderung des SVG keine Auswirkungen. Beim für die Umsetzung der Massnahmen auf Bundesebene zuständigen Bundesamtes für Strassen (ASTRA) entsteht ein geringer Mehraufwand.

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3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Im Rahmen der Schwerverkehrskontrollen können die kantonalen Vollzugsbehörden die betroffenen Fahrzeuge überprüfen. Welchen Kontrollaufwand die Vollzugsbehörden betreiben wollen, liegt in der Kompetenz der Kantone und ist diesen entsprechend überlassen. Werden die Kontrollen im üblichen Rahmen durchgeführt, ergibt sich dabei kaum Mehraufwand.

Auf die Gemeinden sowie urbanen Zentren, Agglomerationen und Berggebiete hat die Vorlage keine negativen Auswirkungen. Es ist von einer geringen Verbesserung der Umwelt und Lärmbelastung in den betroffenen Regionen auszugehen, weil mit den neuen Mindestanforderungen im alpenquerenden Verkehr tendenziell modernere Fahrzeuge eingesetzt werden oder mit einer Umlagerung zu rechnen ist.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Wie in Kapitel 1.3 ausgeführt sind Unternehmen mit Fahrzeugflotten älteren Datums von den vorgeschlagenen Massnahmen stärker betroffen als Unternehmen mit Lastwagen jüngeren Datums. Besonders die im grenzüberschreitenden Verkehr tätigen Unternehmen setzen moderne und möglichst umweltfreundliche Fahrzeuge ein. Mit dem Einsatz moderner Fahrzeuge können sie die Kosten niedriger halten, welche auf langen Fahrten durch die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe LSVA entstehen. Die vorgesehene Frist von fünf Jahren erlaubt diesen Unternehmen eine sorgfältige mittel- bis langfristige Planung, welche den neuen Vorschriften Rechnung trägt.

Da die allein im Binnenverkehr eingesetzten Fahrzeuge aufgrund ihrer deutlich tieferen Laufleistung tendenziell älter sind, wären Unternehmen, welche ausschliesslich oder mehrheitlich im Inland tätig sind, von der vorgeschlagenen Änderung des Strassenverkehrsgesetzes stärker betroffen. Mit der längeren Frist, welche der Bundesrat gemäss Absatz 3 für alpenquerende, nicht grenzüberschreitende Transporte vorsehen kann, wird die Belastung für die betroffenen Unternehmen verringert. Dies entlastet die in den Alpenkantonen tätigen Speditionsunternehmen und stellt die Versorgung der Berggebiete sicher.

Ab 2022 müssen in der EU in bestimmte neue Transportmotorwagentypen sowie ab 2024 auch in bereits bestehende Modelle zahlreiche neue Sicherheitssysteme eingebaut werden. Die EU führt fortlaufend unfallvermindernde Assistenzsysteme für bestimmte neue Transportmotorwagentypen ein. Die Schweiz hat keine eigene Autoindustrie. Auch schweizerische Fahrzeugflotten bestehen also aus entsprechend ausgerüsteten Fahrzeugen.

Die vorgeschlagene Ausrüstungspflicht mit unfallvermindernden Assistenzsystemen wird die Umstellung auf modernste Sicherheitsassistenzysteme beschleunigen. Manche Unternehmen ersetzen ihre Fahrzeugflotte allenfalls leicht früher als geplant, was für die betroffenen Unternehmen leicht erhöhte Investitionen zur Folge hat. Dennoch dürfte die Umstellung für die Unternehmen wirtschaftlich zu verkraften sein. Nicht 12 / 16

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zuletzt ermöglichen die vorgesehenen Fristen eine sichere mittel- bis langfristige Flottenplanung in Abstimmung mit der EU-weiten Einführung entsprechender Assistenzsysteme.

Die Vorlage hat keine weiteren erwähnenswerten Auswirkungen auf die Volkswirtschaft.

3.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Bei den von der vorgeschlagenen Änderung des SVG betroffenen schweren Motorwagen zum Sachen- oder Personentransport handelt es sich um schwerere Fahrzeuge, von denen bei einem Unfall aufgrund deren Masse ein höheres Schadenspotenzial ausgeht als beispielsweise von einem normalen Personenwagen. Moderne Assistenzsysteme sind ein wichtiges Element bei der Vermeidung von Unfällen. Die vorgeschlagene Festlegung von Mindeststandards für die Ausrüstung mit unfallvermindernden Assistenzsystemen leistet damit einen Beitrag zur Verbesserung der Verkehrssicherheit.

3.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Vorlage hat keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt. Es ist davon auszugehen, dass sich die strengeren Vorschriften eher positiv auf die Umwelt auswirken können, da dadurch tendenziell modernere, umweltfreundlichere Fahrzeuge eingesetzt werden oder verlagert wird.

4

Rechtliche Aspekte

4.1

Verfassungsmässigkeit

Die vorgeschlagene Änderung des SVG stützt sich wie dieses selbst auf Artikel 82 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV)12. Dieser gibt dem Bund die Kompetenz Vorschriften über den Strassenverkehr zu erlassen.

4.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Festlegung von Mindeststandards für die Ausrüstung bestimmter Fahrzeuge mit unfallvermindernden Assistenzsystemen steht mit den für die Schweiz verbindlichen völkerrechtlichen Vorgaben in Einklang. Es besteht kein Widerspruch zu den bilateralen Verträgen der Schweiz und der EU und es werden keine technischen Handelshemmnisse geschaffen.

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SR 101

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Das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Union über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (Mutual Recognition Agreement; MRA)13 trat als Bestandteil des Pakets der sieben Abkommen der Bilateralen I am 1. Juni 2002 in Kraft. Das MRA gilt für die wichtigsten Produktsektoren, so auch für Motorfahrzeuge (Kapitel 12: Kraftfahrzeuge).

Das heutige System für die Zulassung von Fahrzeugen auf den Schweizer Strassen übernimmt internationale Normen. Ist ein Fahrzeugtyp international zugelassen, darf er grundsätzlich auch in der Schweiz fahren. An diesem Typengenehmigungsverfahren ändert sich nichts. Die geforderten Mindeststandards stellen lediglich verkürzte Fristen auf einzelnen Strecken und für bestimmte Fahrzeuge für die Einführung von in der Schweiz und der EU bereits eingeführten und geltenden Vorschriften dar. Die Festlegung von einer bestimmten Mindestausrüstungspflicht mit unfallvermindernden Assistenzsystemen für bestimmte Fahrzeuge und Strassenabschnitte steht mit den für die Schweiz verbindlichen völkerrechtlichen Vorgaben in Einklang. Die vorgesehenen Standards verbessern die Verkehrssicherheit und tragen der Verhältnismässigkeit Rechnung. Die geforderten Mindeststandards bleiben auf einzelne Strecken und auf bestimmte Fahrzeuge beschränkt und werden mit der Verkehrssicherheit begründet.

Spezielle Ausnahmevorschriften für spezielle Strecken sind zulässig.

Bei der längeren Frist, welche der Bundesrat für alpenquerende, nicht grenzüberschreitende Transporte, die für die Wirtschaft der Südschweiz oder des Wallis von besonderer Bedeutung sind, vorsehen kann, stellen sich Fragen zur Konformität mit dem europäischen Recht. Ein im Auftrag des Bundesamtes für Strassen (ASTRA) erstelltes Rechtsgutachten14 legt dar, dass eine Vorlage, welche eine «Sonderbehandlung» der für den Alpenraum wichtigen Transporte vorsieht, nicht mit dem Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse (Landverkehrsabkommen; LVA)15 in Einklang steht. Das Gutachten argumentiert, dass die Massnahme gegen das Diskriminierungsverbot aufgrund der Nationalität verstosse.

Gemäss dem Rechtsgutachten ergibt sich die Unvereinbarkeit insbesondere daraus, dass solche Ausnahmen
wegen der «Unteilbarkeit» des Ziels der Massnahme insgesamt (entweder der hohe Sicherheitsstandard soll gewährleistet werden bzw. wird als notwendig erachtet oder aber nicht) die Kohärenz der Massnahme als Ganzes in Frage stellen. Somit erscheine eine abkommenskonforme Umsetzung der Standesinitiative, welche beide Massnahmenkomponenten beinhaltet (Festlegung von Mindeststandards und Sonderbehandlung für bestimmte Fahrten im Binnenverkehr), nicht möglich.

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SR 0.946.526.81 Epiney, Frei: Völkerrechtliche Schranken der Einführung neuer Sicherheitsnormen im alpenquerenden Strassenverkehr ­ Zur Umsetzung der Standesinitiative TI 17.304 «Sicherere Strassen jetzt!».

SR 0.740.72

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4.3

Erlassform

Nach Artikel 164 Absatz 1 BV sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in Form eines Bundesgesetzes zu erlassen. Die vorliegend beantragte Änderung des SVG erfolgt somit im ordentlichen Verfahren.

4.4

Datenschutz

Die vorgeschlagene Änderung des SVG hat keine Auswirkungen auf den Datenschutz.

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