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Übersetzung

Übereinkommen Nr. 174 über die Verhütung von industriellen Störfällen Abgeschlossen in Genf am am 2. Juni 1993 Von der Bundesversammlung genehmigt am ...

Schweizerische Ratifikationsurkunde von der Schweiz hinterlegt am ...

In Kraft getreten für die Schweiz am ...

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 2. Juni 1993 zu ihrer achtzigsten Tagung zusammengetreten ist; verweist auf die einschlägigen internationalen Arbeitsübereinkommen und -empfehlungen, insbesondere das Übereinkommen und die Empfehlung über den Arbeitsschutz, 1981, und das Übereinkommen und die Empfehlung über chemische Stoffe, 1990, und unterstreicht die Notwendigkeit eines globalen und in sich geschlossenen Vorgehens; verweist ferner auf die 1991 vom Internationalen Arbeitsamt veröffentlichte Richtliniensammlung über die Verhütung von industriellen Störfällen; weist auf die Notwendigkeit hin sicherzustellen, dass alle geeigneten Maßnahmen getroffen werden, um: a.

Störfälle zu verhüten,

b.

die Risiken von Störfällen so gering wie möglich zu halten,

c.

die Auswirkungen von Störfällen so gering wie möglich zu halten;

verweist auf die Ursachen solcher Störfälle, darunter organisatorische Fehler, der Faktor Mensch, das Versagen von Bauteilen, Abweichungen von den normalen Betriebsbedingungen, Fremdeinwirkungen und Naturgewalten; verweist auf die Notwendigkeit der Zusammenarbeit im Rahmen des Internationalen Programms für chemische Sicherheit zwischen der Internationalen Arbeitsorganisation, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen und der Weltgesundheitsorganisation sowie mit anderen in Frage kommenden zwischenstaatlichen Organisationen; hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Verhütung von industriellen Störfällen, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet; und

SR 0.822.727.4 2021­0211

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dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 22. Juni 1993, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über die Verhütung von industriellen Störfällen, 1993, bezeichnet wird.

Teil I Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen Art. 1 1. Der Zweck dieses Übereinkommens ist die Verhütung von Störfällen, an denen gefährliche Stoffe beteiligt sind, und die Begrenzung der Folgen solcher Störfälle.

2. Dieses Übereinkommen gilt für störfallgefährdete Anlagen.

3. Dieses Übereinkommen gilt nicht für: a.

nukleare Anlagen und Betriebe, die radioaktive Stoffe aufarbeiten, ausgenommen Einrichtungen dieser Anlagen, in denen nichtradioaktive Stoffe behandelt werden;

b.

militärische Anlagen;

c.

den Transport ausserhalb des Standorts einer Anlage, soweit er nicht über Rohrleitungen erfolgt.

4. Ein Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, kann nach Anhörung der in Betracht kommenden repräsentativen Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie anderer beteiligter Parteien, die betroffen sein können, Anlagen oder Wirtschaftszweige, für die ein gleichwertiger Schutz gewährleistet ist, von der Anwendung des Übereinkommens ausnehmen.

Art. 2 Wenn besondere Probleme von erheblicher Bedeutung auftreten, so dass eine unverzügliche Durchführung aller in diesem Übereinkommen vorgesehenen Verhütungsund Schutzmassnahmen nicht möglich ist, hat ein Mitglied in Beratung mit den massgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie mit anderen beteiligten Parteien, die betroffen sein können, Pläne für die schrittweise Durchführung der betreffenden Massnahmen innerhalb eines festgelegten zeitlichen Rahmens aufzustellen.

Art. 3 Im Sinne dieses Übereinkommens bedeuten die Ausdrücke: a.

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«gefährlicher Stoff» einen Stoff oder eine Mischung von Stoffen, die aufgrund chemischer, physikalischer oder toxikologischer Eigenschaften, entweder allein oder in Verbindung mit anderen, eine Gefahr darstellen;

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b.

«Schwellenmenge» für einen bestimmten gefährlichen Stoff oder eine bestimmte gefährliche Stoffkategorie diejenige in der innerstaatlichen Gesetzgebung unter Hinweis auf spezifische Bedingungen festgelegte Menge, deren Überschreiten eine störfallgefährdete Anlage kennzeichnet;

c.

«störfallgefährdete Anlage» eine Anlage, in der entweder ständig oder vorübergehend ein oder mehrere gefährliche Stoffe oder Stoffkategorien in Mengen hergestellt, verarbeitet, gehandhabt, verwendet, entsorgt oder gelagert werden, die die Schwellenmenge überschreiten;

d.

«Störfall» ein plötzliches Ereignis wie eine grössere Emission, einen grösseren Brand oder eine grössere Explosion während einer Tätigkeit innerhalb einer störfallgefährdeten Anlage, bei dem ein gefährlicher Stoff oder mehrere gefährliche Stoffe beteiligt sind und das sofort oder später eine ernste Gefahr für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Bevölkerung oder die Umwelt zur Folge hat;

e.

«Sicherheitsanalyse» eine schriftliche Darlegung der Informationen hinsichtlich Technik, Betriebsleitung und Betriebsablauf, die sich auf die Gefahren und Risiken einer störfallgefährdeten Anlage und ihre Abwehr erstrecken und die für die Sicherheit der Anlage getroffenen Massnahmen rechtfertigen;

f.

«Beinahe-Störfall» jedes plötzliche Ereignis, bei dem ein gefährlicher Stoff oder mehrere gefährliche Stoffe beteiligt waren und das ohne abschwächende Wirkungen, Massnahmen oder Systeme sich zu einem Störfall hätte steigern können.

Teil II Allgemeine Grundsätze Art. 4 1. Jedes Mitglied hat unter Berücksichtigung der innerstaatlichen Gesetzgebung, Verhältnisse und Gepflogenheiten und in Beratung mit den massgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie mit anderen beteiligten Parteien, die betroffen sein können, eine in sich geschlossene innerstaatliche Politik zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Bevölkerung und der Umwelt vor dem Risiko von Störfällen festzulegen, durchzuführen und regelmässig zu überprüfen.

2. Diese Politik ist durch Verhütungs- und Schutzmassnahmen für störfallgefährdete Anlagen umzusetzen und hat, soweit durchführbar, die Verwendung der besten verfügbaren Sicherheitstechnologien zu fördern.

Art. 5 1. Die zuständige Stelle oder ein von ihr zugelassenes oder anerkanntes Organ hat nach Anhörung der massgebenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie anderer beteiligter Parteien, die betroffen sein kön-

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nen, ein System zur Ermittlung von störfallgefährdeten Anlagen im Sinne des Artikels 3 Buchstabe c einzurichten, und zwar auf der Grundlage eines Verzeichnisses von gefährlichen Stoffen oder von Kategorien gefährlicher Stoffe oder von beiden, zusammen mit ihren jeweiligen Schwellenmengen, in Übereinstimmung mit der innerstaatlichen Gesetzgebung oder mit internationalen Normen.

2. Das in Absatz 1 erwähnte System ist regelmässig zu überprüfen und auf den neuesten Stand zu bringen.

Art. 6 Die zuständige Stelle hat nach Anhörung der in Betracht kommenden repräsentativen Verbände der Arbeitgeber sowie der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besondere Vorkehrungen zum Schutz von vertraulichen, ihr gemäss den Artikeln 8, 12, 13 oder 14 übermittelten oder zugänglich gemachten Informationen zu treffen, deren Weitergabe dem Betrieb eines Arbeitgebers voraussichtlich Schaden zufügen würde, soweit diese Massnahme nicht zu einer ernsten Gefährdung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Bevölkerung oder der Umwelt führt.

Teil III Verantwortlichkeiten der Arbeitgeber Art. 7

Ermittlung

Die Arbeitgeber haben jede störfallgefährdete Anlage, die ihrer Verfügungsgewalt unterliegt, anhand des im Artikel 5 erwähnten Systems zu ermitteln.

Art. 8

Meldung

1. Die Arbeitgeber haben der zuständigen Stelle jede von ihnen ermittelte störfallgefährdete Anlage zu melden: a.

innerhalb eines festgelegten zeitlichen Rahmens im Fall einer bestehenden Anlage;

b.

vor ihrer Inbetriebnahme im Fall einer neuen Anlage.

2. Die Arbeitgeber haben der zuständigen Stelle auch jede endgültige Stilllegung einer störfallgefährdeten Anlage im Voraus zu melden.

Art. 9

Anlagebezogene Vorkehrungen

Die Arbeitgeber haben für jede störfallgefährdete Anlage ein dokumentiertes System zur Abwehr von Störfallgefahren einzurichten und aufrechtzuerhalten, das Vorkehrungen enthält für: a.

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die Bestimmung und die Analyse von Gefahren und die Einschätzung von Risiken, einschliesslich der Berücksichtigung möglicher Wechselwirkungen zwischen Stoffen;

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b.

technische Massnahmen, einschliesslich der Auslegung, der Sicherheitssysteme, der Ausführung, der Wahl der chemischen Stoffe, des Betriebs, der Wartung und der systematischen Inspektion der Anlage;

c.

organisatorische Massnahmen, einschliesslich der Ausbildung und der Unterweisung des Personals, der Bereitstellung von Ausrüstung zur Gewährleistung seiner Sicherheit, der Personalausstattung, der Arbeitszeit, der Festlegung der Verantwortlichkeiten sowie der Kontrolle fremder Auftragnehmer und vorübergehend beschäftigter Arbeitskräfte am Standort der Anlage;

d.

Notfallpläne und -verfahren, einschliesslich: i. der Ausarbeitung wirksamer Notfallpläne und -verfahren, einschliesslich medizinischer Notfallverfahren, die bei Störfällen oder drohenden Störfällen an Ort und Stelle anzuwenden sind, mit regelmässiger Prüfung und Beurteilung ihrer Wirksamkeit und erforderlichenfalls ihrer Überarbeitung, ii. der Weitergabe von Informationen über potentielle Störfälle und an Ort und Stelle anzuwendende Notfallpläne an die Behörden und Stellen, die für die Ausarbeitung von Notfallplänen und -verfahren zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt ausserhalb des Standorts der Anlage verantwortlich sind, iii. aller erforderlichen Beratungen mit diesen Behörden und Stellen;

e.

Massnahmen zur Begrenzung der Folgen eines Störfalls;

f.

Beratungen mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie ihren Vertreterinnen und Vertretern;

g.

Verbesserungen des Systems, einschliesslich der Massnahmen zur Sammlung von Informationen und zur Auswertung von Störfällen und Beinahe-Störfällen; die daraus gezogenen Lehren sind mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie ihren Vertreterinnen und Vertretern zu erörtern und in Übereinstimmung mit der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis aufzuzeichnen.

Art. 10

Sicherheitsanalyse

1. Die Arbeitgeber haben eine Sicherheitsanalyse entsprechend den Erfordernissen des Artikels 9 auszuarbeiten.

2. Die Analyse ist auszuarbeiten: a.

für bestehende störfallgefährdete Anlagen innerhalb einer durch die innerstaatliche Gesetzgebung vorgeschriebenen Frist nach der Meldung;

b.

für jede neue störfallgefährdete Anlage vor deren Inbetriebnahme.

Art. 11

Sicherheitsanalyse

Die Arbeitgeber haben die Sicherheitsanalyse zu überprüfen, auf den neuesten Stand zu bringen und abzuändern:

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a.

im Fall einer Änderung, die einen erheblichen Einfluss auf den Grad der Sicherheit der Anlage oder ihrer Verfahren oder der Mengen der vorhandenen gefährlichen Stoffe hat;

b.

wenn die Entwicklung in den technischen Kenntnissen oder in der Gefahreneinschätzung dies angezeigt erscheinen lässt;

c.

in den durch die innerstaatliche Gesetzgebung vorgeschriebenen Zeitabständen;

d.

auf Verlangen der zuständigen Stelle.

Art. 12

Sicherheitsanalyse

Die Arbeitgeber haben die in den Artikeln 10 und 11 erwähnten Sicherheitsanalysen der zuständigen Stelle zu übermitteln oder zugänglich zu machen.

Art. 13

Störfallmeldung

Die Arbeitgeber haben die zuständige Stelle und die anderen für diesen Zweck bezeichneten Organe zu informieren, sobald sich ein Störfall ereignet.

Art. 14

Störfallmeldung

1. Die Arbeitgeber haben innerhalb eines festgelegten zeitlichen Rahmens nach einem Störfall der zuständigen Stelle einen detaillierten Bericht vorzulegen, der eine Analyse der Ursachen des Störfalls enthält und seine unmittelbaren Folgen am Standort der Anlage sowie alle zur Abschwächung seiner Auswirkungen ergriffenen Massnahmen beschreibt.

2. Der Bericht hat Empfehlungen zu enthalten, in denen im einzelnen die Massnahmen dargelegt werden, die zur Vermeidung einer Wiederholung des Störfalls zu treffen sind.

Teil IV Verantwortlichkeiten der zuständigen Stellen Art. 15

Notfallvorsorge ausserhalb des Standorts der Anlage

Die zuständige Stelle hat unter Berücksichtigung der vom Arbeitgeber bereitgestellten Informationen sicherzustellen, dass Notfallpläne und -verfahren, die Vorkehrungen zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt ausserhalb des Standorts jeder störfallgefährdeten Anlage enthalten, ausgearbeitet, in geeigneten Zeitabständen auf den neuesten Stand gebracht und mit den betroffenen Behörden und Organen koordiniert werden.

Art. 16

Notfallvorsorge ausserhalb des Standorts der Anlage

Die zuständige Stelle hat sicherzustellen, dass:

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a.

Informationen über Sicherheitsmassnahmen und das richtige Verhalten bei einem Störfall unaufgefordert unter den Teilen der Bevölkerung verbreitet werden, die wahrscheinlich von einem Störfall betroffen würden, und dass solche Informationen in geeigneten Zeitabständen auf den neuesten Stand gebracht und erneut verbreitet werden;

b.

bei einem Störfall so bald wie möglich eine Warnung erfolgt;

c.

bei einem Störfall, der grenzüberschreitende Auswirkungen haben könnte, die gemäss den Buchstaben a und b erforderlichen Informationen den betreffenden Staaten übermittelt werden, um Vorkehrungen für eine Zusammenarbeit und Koordinierung zu unterstützen.

Art. 17

Wahl des Standorts von störfallgefährdeten Anlagen

Die zuständige Stelle hat eine umfassende Standortpolitik festzulegen, die eine zweckmässige Trennung geplanter störfallgefährdeter Anlagen von Arbeits- und Wohngebieten und öffentlichen Einrichtungen sowie geeignete Massnahmen für bestehende Anlagen vorsieht. Eine solche Politik hat den in Teil II des Übereinkommens dargelegten allgemeinen Grundsätzen Rechnung zu tragen.

Art. 18

Inspektion

1. Die zuständige Stelle hat über ordnungsgemäss qualifiziertes und ausgebildetes Personal mit entsprechenden Fähigkeiten sowie über ausreichende technische und fachliche Unterstützung zu verfügen, um in der Lage zu sein, die in diesem Übereinkommen behandelten Angelegenheiten zu prüfen, zu untersuchen und zu beurteilen und entsprechenden Rat zu erteilen und die Einhaltung der innerstaatlichen Gesetzgebung sicherzustellen.

2. Vertreterinnen und Vertreter des Arbeitgebers sowie der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einer störfallgefährdeten Anlage müssen Gelegenheit haben, die Aufsichtspersonen zu begleiten, die die Anwendung der gemäss diesem Übereinkommen vorgeschriebenen Massnahmen überwachen, es sei denn, die Aufsichtspersonen sind in Anbetracht der allgemeinen Weisungen der zuständigen Stelle der Ansicht, dass sich dies nachteilig auf die Erfüllung ihrer Aufgaben auswirken kann.

Art. 19

Inspektion

Die zuständige Stelle muss das Recht haben, jeden Arbeitsgang, bei dem die unmittelbare Gefahr eines Störfalls besteht, vorübergehend einstellen zu lassen.

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Teil V Rechte und Pflichten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie ihrer Vertreterinnen und Vertreter Art. 20 Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie ihre Vertreterinnen und Vertreter in einer störfallgefährdeten Anlage sind im Wege geeigneter Verfahren der Zusammenarbeit anzuhören, damit ein sicheres Arbeitssystem gewährleistet wird. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie ihre Vertreterinnen und Vertreter müssen insbesondere: a.

über die mit der störfallgefährdeten Anlage verbundenen Gefahren und deren voraussichtliche Folgen ausreichend und in geeigneter Weise unterrichtet werden;

b.

über alle Anordnungen, Weisungen oder Empfehlungen der zuständigen Stelle unterrichtet werden;

c.

bei der Ausarbeitung der folgenden Dokumente angehört werden und Zugang zu diesen Unterlagen haben: i. der Sicherheitsanalyse, ii. der Notfallpläne und -verfahren, iii. der Störfallberichte;

d.

regelmässig in den Methoden und Verfahren zur Verhütung von Störfällen und zur Beherrschung von Vorgängen, die voraussichtlich zu einem Störfall führen würden, und in den bei einem Störfall anzuwendenden Notfallverfahren unterwiesen und ausgebildet werden;

e.

im Rahmen ihres Aufgabenbereichs, und ohne irgendeinen Nachteil zu erleiden, Gegenmassnahmen treffen und erforderlichenfalls die Arbeit unterbrechen, wenn sie aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung hinreichenden Grund zu der Annahme haben, dass die unmittelbare Gefahr eines Störfalls besteht, und je nach den Umständen ihre oder ihren Vorgesetzten benachrichtigen oder Alarm auslösen, bevor sie eine solche Massnahme treffen oder so bald wie möglich danach;

f.

mit dem Arbeitgeber alle potentiellen Gefahren erörtern, die ihrer Ansicht nach einen Störfall hervorrufen können, und das Recht haben, die zuständige Stelle über diese Gefahren zu unterrichten.

Art. 21 Die am Standort einer störfallgefährdeten Anlage beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben: a.

alle Methoden und Verfahren bezüglich der Verhütung von Störfällen und der Beherrschung von Vorgängen, die voraussichtlich zu einem Störfall führen würden, innerhalb der störfallgefährdeten Anlage einzuhalten;

b.

alle Notfallverfahren einzuhalten, falls ein Störfall eintritt.

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Teil VI Verantwortung der exportierenden Staaten Art. 22 Wenn in einem exportierenden Mitgliedstaat die Verwendung von gefährlichen Stoffen, Technologien oder Verfahren als potentielle Störfallquelle verboten ist, sind die Informationen über dieses Verbot und die Gründe dafür von dem exportierenden Mitgliedstaat jedem importierenden Land zugänglich zu machen.

Teil VII Schlussbestimmungen Art. 23 Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind der Generaldirektorin oder dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.

Art. 24 1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch die Generaldirektorin oder den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Es tritt zwölf Monate, nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch die Generaldirektorin oder den Generaldirektor eingetragen worden sind, in Kraft.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.

Art. 25 1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren seit seinem erstmaligen Inkrafttreten durch förmliche Mitteilung an die Generaldirektorin oder den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Sie wird erst ein Jahr nach der Eintragung wirksam.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und binnen eines Jahres nach Ablauf der in Absatz 1 genannten zehn Jahre von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für weitere zehn Jahre gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

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Art. 26 1. Die Generaldirektorin oder der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen und Kündigungen, die ihr oder ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Die Generaldirektorin oder der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn sie oder er ihnen von der Eintragung der zweiten Ratifikation, die ihr oder ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, zu dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.

Art. 27 Die Generaldirektorin oder der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt der Generalsekretärin oder dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zur Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen1 vollständige Auskünfte über alle von ihr oder ihm nach Massgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen und Kündigungen.

Art. 28 Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes erstattet der Allgemeinen Konferenz, wann immer er es für nötig erachtet, einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens und prüft, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Neufassung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Art. 29 1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise neufasst, und sieht das neue Übereinkommen nichts Anderes vor, so gilt Folgendes: a.

Die Ratifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied hat ungeachtet des Artikels 25 ohne weiteres die Wirkung einer sofortigen Kündigung des vorliegenden Übereinkommens, sofern das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b.

Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. In jedem Fall bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt für diejenigen Mitglieder in Kraft, die dieses, nicht jedoch das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

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SR 0.120

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Art. 30 Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise verbindlich.

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