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21.022 Botschaft zur Änderung des Luftfahrtgesetzes vom 5. März 2021

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Luftfahrtgesetzes.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2019

M 19.3531

Für den nichtgewerbsmässigen Sichtflug die Landessprachen nicht verbieten (N 12.09.19, KVF-N, S 05.12.19)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

5. März 2021

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Guy Parmelin Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2021-0718

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Übersicht Mit der beantragten Änderung des Luftfahrtgesetzes (LFG) werden drei Teilbereiche des Luftfahrtrechts revidiert: Die Einführung von anlasslosen Alkoholkontrollen im Rahmen von Vorfeldinspektionen, die Statuierung eines erleichterten Melderechts für Ärztinnen und Ärzte sowie für Psychologinnen und Psychologen und die Möglichkeit, mit dem Flugsicherungsdienst per Radiotelefonie in einer Landessprache zu kommunizieren.

Die Revision des LFG setzt regulatorische Vorgaben der Europäischen Union um, und sieht dabei im Rahmen der durch das BAZL durchführten Vorfeldinspektionen die Möglichkeit vor, die Mitglieder der Besatzung neu auch ohne Verdacht auf Alkoholmissbrauch einem Alkoholtest zu unterziehen. Des Weiteren wird ein erleichtertes Melderecht für Ärztinnen und Ärzte sowie Psychologinnen und Psychologen statuiert.

Diese können neu beim BAZL Meldung erstatten, wenn sie Zweifel an der medizinischen Tauglichkeit der Besatzung sowie von Fluglotsinnen und Fluglotsen haben.

Diese beiden Anpassungen des LFG sind Ausfluss der Erkenntnisse, die sich bei der Aufarbeitung des Absturzes eines Flugzeuges der Germanwings im Jahr 2015 ergeben haben. Die vorgeschlagenen neuen Massnahmen tragen präventiv zur Verbesserung der Flugsicherheit bei.

Daneben wird die Gesetzesrevision zum Anlass genommen, in Erfüllung der Motion 19.3531 für den nichtgewerbsmässigen Sichtflugverkehr die Möglichkeit vorzusehen, die Radiotelefonie mit dem Flugsicherungsdienst in einer Landessprache zu führen.

Die Botschaft gliedert sich systematisch stets nach diesen drei Themen der Teilrevision.

Zur Abgrenzung gegenüber den geltenden LFG Bestimmungen wird in dieser Botschaft der im Rahmen dieser Teilrevision erarbeitete Entwurf als E-LFG bezeichnet.

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

1.1.1

Radiotelefonie in einer Landessprache

Am 1. Januar 2019 ist im Rahmen einer Revision des Luftfahrtgesetzes vom 21. Dezember 19481 (LFG; Revisionspaket LFG 1+) Artikel 10a LFG in Kraft getreten. Darin wird bestimmt, dass die Radiotelefonie mit dem Flugsicherungsdienst im Luftraum über der Schweiz grundsätzlich auf Englisch stattzufinden hat. Sofern es die Flugsicherheit erfordert, kann der Bundesrat Ausnahmen vorsehen. Von dieser Möglichkeit hat der Bundesrat in den Artikeln 5 und 5a der Verordnung über den Flugsicherungsdienst vom 18. Dezember 19952 (VFSD) Gebrauch gemacht.

Mit der Motion 19.3531 (nachfolgend Motion), welche durch die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrats am 13. Mai 2019 eingereicht wurde, wird der Bundesrat beauftragt, «die nötigen Massnahmen zu treffen und die VFSD so zu ändern, dass die Sprache der Radiotelefonie in Absprache mit Kreisen der Luftraumnutzerinnen und -nutzer vereinbart wird und für den nichtgewerbsmässigen Sichtflug in der Schweiz der Funkverkehr neben Englisch weiterhin in der ortsüblichen Landesprache stattfinden darf. Sollten dazu die gesetzlichen Grundlagen fehlen, sind diese der Bundesversammlung zu unterbreiten».

Die Motion wurde am 12. September 2019 durch den Nationalrat und am 5. Dezember 2019 durch den Ständerat angenommen. Die Verwendung der englischen Sprache beim Funkverkehr mit dem Flugsicherungsdienst ist wie eingangs erwähnt als Grundsatz in Artikel 10a LFG festgelegt worden. Dieser Artikel ist entsprechend der Motion anzupassen.

1.1.2

Anlasslose Alkoholkontrollen

Der tragische Absturz einer A320-Maschine der Germanwings im Jahr 2015, welche der das Flugzeug steuernde Pilot nach heutigem Erkenntnisstand mit Absicht in einen Berg gesteuert hatte, gab Anlass, die Vorschriften und Empfehlungen für die psychologische und physische Beurteilung von Mitgliedern der Besatzung genauer zu durchleuchten. Eine zu diesem Zweck gebildete Arbeitsgruppe der EU Kommission wurde beauftragt, mögliche Sicherheitsrisiken zu ermitteln sowie geeignete Empfehlungen zu deren Abmilderung, insbesondere im Bereich der medizinischen und psychischen Leistungsfähigkeit der Besatzungsmitglieder, zu erarbeiten. Die Umsetzung einiger dieser Empfehlungen erforderte unter anderem regulatorische Änderungen in Bezug auf die Durchführung stichprobenartiger Alkoholtests durch die Mitgliedstaaten bei den Mitgliedern der Besatzung.

1 2

SR 748.0 SR 748.132.1

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Die Europäische Kommission hat daher beschlossen, ihre Verordnung (EU) Nr. 965/ 2012 vom 5. Oktober 20123 zu ändern. Diese Verordnung beinhaltet die technischen Vorschriften und das Verwaltungsverfahren in Bezug auf den Flugbetrieb für den gewerbsmässigen als auch den nicht gewerbsmässigen Flugverkehr. Sie regelt unter anderem die bestehenden EU Programme für unangekündigte Vorfeldinspektionen («EU Ramp Inspection Programmes») von Luftfahrzeugen und deren Besatzungen.

Mit ihren umfangreichen Bestimmungen und Schutzklauseln bietet die Verordnung (EU) Nr. 965/2012 bereits einen Rahmen für die systematische, strukturierte und risikoabhängige Inspektion von Betreibern. Diesen bewährten Rahmen auch auf die Durchführung von anlasslosen Alkoholtests bei den Besatzungsmitgliedern anzuwenden, erschien damit naheliegend.

Die Europäische Kommission verabschiedete schliesslich am 23. Juli 2018 die Verordnung (EU) 2018/10424 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 965/2012, womit die Alkoholkontrollen angepasst wurden. Unter dem Vorbehalt, dass die einschlägigen Bestimmungen erst Anwendung finden, nachdem die entsprechenden Vorgaben auf nationaler Ebene angepasst worden sind, wurde die Verordnung (EU) 2018/1042 von der Schweiz im Rahmen des Beschlusses Nr. 1/2020 des Gemischten Luftverkehrsausschusses EU/Schweiz auf den 1. Juli 2020 ins Luftverkehrsabkommen Schweiz-EU übernommen, In der Schweiz können Besatzungsmitglieder bereits heute gemäss Artikel 100 ter Absatz 1 LFG einer Untersuchung unterzogen werden, wenn Anzeichen der Angetrunkenheit oder des Einflusses von Betäubungsmitteln oder psychotropen Substanzen vorliegen. Die Durchführung einer stichprobeweisen Alkoholkontrolle, das heisst ohne Verdacht auf übermässigen Alkoholkonsum hin, ist gemäss den geltenden nationalen Bestimmungen hingegen nicht möglich. Das LFG ist darum entsprechend anzupassen.

Die unangekündigten EU Vorfeldinspektionsprogramme dienen der Durchführung von Vorfeldinspektionen von Luftfahrzeugen und der Besatzung von Betreibern aus Drittstaaten oder von Betreibern unter der Aufsicht eines EASA5-Mitgliedstaats (inklusive Betreibern aus der Schweiz). An den Programmen nehmen gegenwärtig 3

4

5

Verordnung (EU) Nr. 965/2012 der Kommission vom 5. Oktober 2012 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf den Flugbetrieb gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates, in der für die Schweiz jeweils verbindlichen Fassung gemäss Ziffer 3 des Anhangs zum Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Luftverkehr (SR 0.748.127.192.68).

Verordnung (EU) 2018/1042 der Kommission vom 23. Juli 2018 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 965/2012 in Bezug auf die technischen Anforderungen und Verwaltungsverfahren für die Einführung von Unterstützungsprogrammen, einer psychologischen Beurteilung der Flugbesatzung sowie von systematischen und stichprobenartigen Tests, bei denen die Flugbesatzung und Flugbegleiter zur Gewährleistung ihrer flugmedizinischen Tauglichkeit auf psychoaktive Substanzen getestet werden, sowie in Bezug auf die Ausrüstung neu gebauter turbinengetriebener Flugzeuge mit einer höchstzulässigen Startmasse von höchstens 5 700 kg und einer genehmigten Anzahl von sechs bis neun Fluggastsitzen mit einem Geländewarnsystem, in der für die Schweiz jeweils verbindlichen Fassung gemäss Ziffer 3 des Anhangs zum Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Luftverkehr (SR 0.748.127.192.68).

European Union Aviation Safety Agency.

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50 Staaten6 teil, darunter auch die Schweiz. Die Kontrollen werden von den jeweiligen Luftfahrtaufsichtsbehörden durchgeführt. In der Schweiz führt das BAZL die Vorfeldinspektionen durch.

Werden Luftfahrzeuge aus Drittstaaten auf die Einhaltung flugbetrieblicher und technischer Vorschriften hin kontrolliert, spricht man von einer SAFA- («Safety Assessment Foreign Aircraft»), bei Kontrollen an einem Luftfahrzeug aus einem EASAMitgliedstaat von einer SACA-Inspektion («Safety Assessment Community Aircraft).

Kontrollen bei nationalen Betreibern gelten als SANA-Inspektion («Safety Assessment -National Aircraft»). Bei SAFA kommen die Normen der Internationalen Zivilluftfahrt Organisation («International Civil Aviation Organisation», ICAO) als Prüfstandard zur Anwendung, bei SACA und SANA die Ausführungsverordnungen des europäischen Zivilluftfahrtrechts.

Im Vordergrund der Inspektionen stehen Dokumente, Handbücher, Lizenzen, die Flugplanung, der generelle Zustand der Luftfahrzeuge, die Sicherheitsausrüstungen in der Kabine sowie der Umgang mit gefährlichen Gütern.

Sämtliche Inspektionsresultate werden den anderen Teilnehmerstaaten über eine zentralisierte Datenbank, welche von der EASA verwaltet wird, zugänglich gemacht.

Die Aufsichtsbehörde des Betreiber- bzw. des Registerstaates wird über die Datenbank zudem direkt über schwerwiegende Unregelmässigkeiten informiert. Die Rolle der EASA ist es, laufend für die programmweite Standardisierung zu sorgen, die Daten aus der Datenbank zu analysieren und der EU-Kommission und den Teilnehmerstaaten Bericht zu erstatten, wenn Sicherheitsrisiken bestehen.

Mit der durch die Verordnung (EU) 2018/1042 geänderten Verordnung (EU) Nr. 965/ 2012 sollen im Rahmen dieser Inspektionen die Besatzungsmitglieder von nationalen Luftfahrzeugen, von Luftfahrzeugen eines Drittstaates oder eines EASA-Mitgliedstaates nun zusätzlich auch stichprobeweise einer Alkoholkontrolle unterzogen werden.

Alkoholkontrollen werden an der Besatzung sämtlicher komplexer Luftfahrzeuge durchgeführt, ungeachtet, ob diese gewerbsmässig oder nichtgewerbsmässig (privat) betrieben werden. Ausgenommen von einer systematischen Alkoholkontrolle sind lediglich Besatzungsmitglieder des nichtgewerbsmässigen Flugverkehrs von nicht komplexen Luftfahrzeugen. Die EASA legt den zuständigen nationalen Behörden
eine Liste von Betreibern aus der EU und aus Drittstaaten vor, bei denen auf der Grundlage einer von der EASA durchgeführten Risikobewertung prioritär Alkoholtests durchzuführen sind. Die Liste dient dabei der Prioritätensetzung. Alle Kontrollen haben nach dem Prinzip der Nicht-Diskriminierung, das heisst unabhängig von Nationalität, Registration, Ausgangspunkt oder Destination zu erfolgen. Entscheidend sind Faktoren wie Verkehrszahlen, Passagiervolumen oder die Frage, ob es sich bei einem bestimmten Flug um einen Langstreckenflug handelt.

Die Änderung der Vorfeldinspektionsbestimmungen soll einen wesentlichen Beitrag zur Minderung des Sicherheitsrisikos leisten, welches infolge einer Beeinträchtigung durch Alkoholkonsum bei den Mitgliedern der Besatzung entstehen kann.

6

Stand per 20. Juli 2020.

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1.1.3

Erleichtertes Melderecht

Mitglieder der Besatzung und Fluglotsinnen sowie Fluglotsen benötigen für die Ausübung der Flug- bzw. Arbeitstätigkeit ein medizinisches Tauglichkeitszeugnis. Sofern sie nachweisen, dass keine medizinischen Gründe vorliegen, welche gegen die sichere Tätigkeit sprechen, wird ihnen das Tauglichkeitszeugnis durch eine spezialisierte Fliegerärztin oder einen spezialisierten Fliegerarzt erteilt. Liegen hingegen medizinische Gründe vor, kann dem Besatzungsmitglied oder der Fluglotsin oder dem Fluglotsen das Tauglichkeitszeugnis jederzeit entzogen werden. Die ärztlichen Kontrollen erfolgen in regelmässigen Zeitabständen: Bei Fluglotsinnen und Fluglotsen erfolgen die fliegerärztlichen Untersuchungen alle zwei Jahre bis zum 40 Lebensjahr, danach jährlich. Bei Pilotinnen und Piloten erfolgen sie je nach Tauglichkeitsklasse jährlich bis alle fünf Jahre und ab einem gewissen Alter ebenfalls in kürzeren Abständen (halbjährlich, jährlich oder alle zwei Jahre). Fliegerärztinnen und Fliegerärzte werden durch das Bundesamt für Zivilluftfahrt bezeichnet und beaufsichtigt.

Im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Umstände, die zum Absturz der Germanwings-Maschine geführt hatten, wurde festgestellt, dass in der Schweiz die Hürden für Ärztinnen, Ärzte, Psychologinnen und Psychologen relativ hoch sind, wenn diese der Luftfahrtbehörde melden wollen, dass Mitglieder der Besatzung oder Fluglotsinnen und Fluglotsen die Luftfahrtsicherheit möglicherweise gefährden: Ärztinnen und Ärzte, welche nicht für das Bundesamt für Zivilluftfahrt als Flugmediziner oder Flugmedizinerinnen tätig sind, müssen sich vorgängig mittels Gesuch an die für sie zuständige kantonale Stelle (in der Regel die Gesundheitsdirektion) wenden, um sich von der Schweigepflicht entbinden zu lassen. Dies kann unter Umständen dazu führen, dass entscheidende Hinweise auf Pilotinnen und Piloten, auf Mitglieder der Crew sowie auch auf Fluglotsinnen und Fluglotsen mit sicherheitsrelevanten gesundheitlichen Defiziten unterbleiben.

1.2

Geprüfte Alternativen

Mit der Wiedereinführung der Radiotelefonie in einer Landessprache wird der in der Motion geforderte Auftrag umgesetzt. Alternativen bestehen somit keine.

Im Hinblick auf die Alkoholkontrollen würde die Nichtanpassung des LFG zu einer fehlenden Übernahme von EU-Recht führen und damit zu einem tieferen Sicherheitsstandard in der Schweiz. und gleichzeitig zu einer gewichtigen Abweichung von relevantem EU-Recht, zu dessen Übernahme sich die Schweiz im Luftverkehrsabkommen verpflichtet hat.

Neben einem Melderecht für Ärztinnen, Ärzte, Psychologinnen und Psychologen wurde auch eine Meldepflicht geprüft sowie eine Ausweitung des Melderechts auf deren Hilfspersonen. Beide Punkte stellen sich im Hinblick auf das wichtige Vertrauensverhältnis zwischen den obgenannten Fachpersonen und der Patientin oder dem Patienten als unverhältnismässig heraus.

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1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 29. Januar 2020 zur Legislaturplanung 2019­ 20237 unter Ziel 6 «Weitere Geschäfte» angekündigt.

1.4

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Mit der Anpassung von Artikel 10a LFG im Rahmen der vorliegenden Gesetzrevision werden die Anliegen der Motion erfüllt und die Möglichkeit, mit dem Flugsicherungsdienst per Radiotelefonie in einer ortsüblichen Landessprache für den nichtgewerbsmässigen Sichtflugverkehr zu kommunizieren, wieder eingeführt. Die folgende Motion wird damit abgeschrieben: 2019

M 19.3531

Für den nichtgewerbsmässigen Sichtflug die Landessprachen nicht verbieten (N 12.09.19, KVF-N, S 05.12.19)

2

Vernehmlassungsverfahren

2.1.1

Keine Vernehmlassung betreffend Radiotelefonie in einer Landessprache

Der anzupassende Artikel 10a LFG ist seit dem 1. Januar 2019 in Kraft und wurde zwischen dem 5. Juni und dem 30. September 2015 nach den Vorgaben des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 20058 (VIG) vernehmlasst. Die dazu geäusserten Positionen der Betroffenen sind bekannt. Da nach Annahme der Motion sowohl ein Umsetzungskonzept unter Einbezug der angesprochenen Kreise erarbeitet als auch eine Arbeitsgruppe mit Verbänden und Organisationen zwecks Bereinigung des Konzepts ins Leben gerufen wurde, stand das BAZL während der Umsetzung der Motion stets in engem Kontakt mit den Betroffenen. Daher wurde gemäss Artikel 4a Absatz 2 der Vernehmlassungsverordnung vom 17. August 20059 nach Rücksprache mit der Bundeskanzlei gestützt auf Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b des VIG i. V. m. Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VlG auf ein erneutes Vernehmlassungsverfahren verzichtet. Die Anpassung des Artikel 10a LFG kann in die laufende Revision des LFG (Alkoholkontrollen und Melderecht) eingebracht werden.

2.1.2

Vernehmlassungsergebnis betreffend anlasslose Alkoholkontrollen und erleichtertes Melderecht

Das Vernehmlassungsverfahren zum Vorentwurf des LFG betreffend anlasslose Alkoholkontrollen und erleichtertes Melderecht wurde vom Bundesrat am 10. Juni 2020 7 8 9

BBl 2020 1777, hier 1892.

SR 172.061 SR 172.061.1

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eröffnet und dauerte bis am 1. Oktober 2020. Insgesamt sind 55 Stellungnahmen eingegangen. Dabei haben sich fünf weitere interessierte Organisationen zum Vorentwurf geäussert. 25 Kantone, vier Parteien, zwei gesamtschweizerische Dachverbände der Gemeinde, Städte und Berggebiete, vier gesamtschweizerische Dachverbände für Wirtschaft, acht Luftfahrtverbände, ein Luftfahrtunternehmen, zwei Landesflughäfen und acht weitere Adressaten bzw. Teilnehmer (Gesundheitswesen, Kantonspolizei) nahmen zum Vorentwurf Stellung10.

Die beabsichtigte Anpassung von Artikel 90bis (Randtitel), Artikel 100 und 100ter LFG stösst bei der Mehrheit der Vernehmlassungsadressaten und ­teilnehmer auf vollumfängliche Zustimmung bzw. wird, unter dem Vorbehalt zusätzlicher Anpassungen und Erläuterungen, befürwortet. Gesamthaft klar ablehnend äusserten sich sieben Adressaten bzw. Teilnehmer. Sechs verzichteten ausdrücklich auf eine materielle Stellungnahme.

Anpassung des Randtitels von Artikel 90bis E-LFG Die Anpassungen im Randtitel von Artikel 90bis E-LFG, welche sicherstellen sollen, dass die Strafbestimmung nicht nur das strafbare Handeln an Bord, sondern bei Ausführung der Diensttätigkeit generell umfasst, führte zu praktisch keinen konkreten Reaktionen. Einzig zwei Vernehmlassungsadressaten nutzen die Gelegenheit, materielle Anpassungsvorschläge zu Artikel 90bis LFG anzubringen. Diese Anpassungen sind jedoch bei korrekter Auslegung des Gesetzestextes obsolet.

Anlasslose Alkoholkontrollen Die beabsichtigten Änderungen in Artikel 100ter LFG wurde mehrheitlich positiv aufgenommen, trügen anlasslose Alkoholkontrollen im Rahmen von Vorfeldinspektionen doch ebenfalls in verhältnismässiger Weise zur Förderung der Flugsicherheit bei.

Einige Adressaten wünschen jedoch, dass man noch einen Schritt weitergehe und anlasslose Kontrollen nicht nur im Rahmen von Vorfeldinspektionen durchführen solle, sondern das Recht zum Durchführen dieser Kontrollen auch der Flugplatzleiterin bzw.

dem Flugplatzleiter zuweisen müsse. Darüber hinaus seien nicht nur die Mitglieder der Besatzung solchen Kontrollen zu unterziehen, sondern auch andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Flughafen, welche sicherheitsrelevante Tätigkeiten ausführen.

Auf eine Ausweitung auf weitere Akteure sowie auch auf die Durchführung anlassloser Kontrollen durch die
Flugplatzleiter wird verzichtet. Die anlasslosen Alkoholkontrollen bilden Teil der nationalen und internationalen Vorfeldinspektionsprogramme, welche keine Kontrollen für weitere Akteure vorsehen. Die Kompetenzen liegen hierfür bei der Luftfahrtbehörde als Aufsichtsorgan. Ferner wurde gewünscht, dass sich solche Kontrollen nicht nur auf den Konsum von Alkohol, sondern auch auf den Missbrauch anderer psychotroper Stoffe erstrecken. Dieser Vorschlag wird aus den folgenden Gründen abgelehnt: Die gegenwärtig verfügbaren Testgeräte und ­verfahren gelten als unzuverlässig und führen damit zu Unsicherheiten im Hinblick auf das

10

Die Vernehmlassungsunterlagen und der detaillierte Bericht über die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens sind zu finden unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > UVEK.

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Testergebnis. Insbesondere verändert sich die Bandbreite an möglichen, zu konsumierenden psychoaktiven Substanzen kontinuierlich, weshalb die gängigen Testgeräte das mögliche Spektrum nicht laufend zu erkennen vermögen. Auf eine Kontrolle wird darum verzichtet.

Ablehnende Stellungnahmen gingen insbesondere von den Luftfahrtverbänden ein, welche die Vorlage als unverhältnismässig, stressfördernd und unnötig einstufen. Insbesondere sei dem unterschiedlichen Schadenspotenzial von Pilotin oder Pilot und Kabinenbesatzungsmitglied Rechnung zu tragen; die damit verbundene Gleichbehandlung sei falsch. Der Fokus müsse auf Rehabilitations- und Präventionsprogramme gerichtet werden. Diese Argumente sind abzulehnen, da die Durchführung einer Kontrolle vor Flugantritt im Verhältnis zum möglichen Schadenspotenzial den betroffenen Personen ohne weiteres zuzumuten ist. Des Weiteren kann das Schadenspotenzial der Kabinenbesatzung je nach zu erfüllender Aufgabe gleich hoch sein wie jenes einer Pilotin oder eines Piloten. Die Kabinenbesatzung hat die Verantwortung, wichtige sicherheitsrelevante Aufgaben wie beispielsweise die korrekte Verriegelung der Flugzeugtür zu erfüllen. Rehabilitations- und Präventionsprogramme werden bereits heute durchgeführt und gefördert. Sie stehen jedoch mit der vorliegenden Gesetzesanpassung in keinem Widerspruch, sondern sind ebenfalls wichtige Massahmen, die parallel zu den in der zur Vorlage vorgeschlagenen Massnahmen durchgeführt werden.

Einige Adressaten und Teilnehmer wünschen sich im Übrigen einerseits eine Klärung der Verantwortlichkeiten sowie der finanziellen und rechtlichen Folgen im Hinblick auf die Kosten des Tests an sich, auf positive Testresultate und auf das Ausbleiben oder nicht zeitige Antreten des Dienstes. Andererseits wird auch auf die Wichtigkeit des Datenschutzes beim Transfer von persönlichen Informationen im Zusammenhang mit den Alkoholkontrollen hingewiesen. Genauere Ausführungen hierzu können Kapitel 4.1 entnommen werden.

Erleichtertes Melderecht Das in Artikel 100 Absatz 4 E-LFG vorgesehene erleichterte Melderecht für Ärztinnen Ärzte, Psychologinnen und Psychologen sowie gemäss Vorlage für die Vernehmlassung auch für deren Hilfspersonen wird zwar im Grundsatz mehrheitlich unterstützt, provozierte allerdings auch sehr unterschiedliche Stellungnahmen, welche
von strikter Ablehnung bis hin zu einer Verschärfung der Bestimmung reichten. Insbesondere im Gesundheitsbereich wurden unterschiedliche Haltungen geäussert.

Die Gesetzesvorlage zum erleichterten Melderecht wird von einer Mehrheit als verhältnismässige und präventiv sinnvolle Massnahme zur Verbesserung der Sicherheit des Luftverkehrs eingestuft. Eine Minderheit lehnt die Einführung eines erleichterten Melderechts einerseits ab, da Ärztinnen und Ärzte sowie Psychologinnen und Psychologen bereits heute mittels Entbindung von der Schweigepflicht eine Meldung erstatten könnten; andererseits wird eine Erweiterung des Melderechts abgelehnt, weil befürchtet wird, dass dies zu einer Aufweichung des Vertrauensverhältnisses zwischen der medizinischen Fachperson und der Patientin oder dem Patienten führen könne.

Zwar ist es richtig, dass Ärztinnen, Ärzte, Psychologinnen und Psychologen bereits heute mittels Entbindung von der Schweigepflicht eine Meldung erstatten können.

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Das Verfahren um Entbindung von der Schweigepflicht kann sich aber je nach Kanton als zeitlich und administrativ aufwendig herausstellen. Dies erhöht nicht nur die Meldeschwelle, sondern kann dazu führen, dass eine Meldung nicht rechtzeitig erfolgt.

Durch die Einführung eines Melderechts liegt es weiterhin im Ermessen der Ärztin oder des Arztes bzw. der Psychologin oder des Psychologen, ob eine Meldung an das BAZL erfolgen sollte oder nicht. Eine Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses wird hier nicht befürchtet, da eine Meldung bereits heute möglich ist. Ein Melderecht ohne vorgängige Entbindung von der Schweigepflicht besteht für Ärztinnen und Ärzte bereits im Strassenverkehrsrecht. In der zivilen Luftfahrt kann das Schadenspotenzial weitaus grösser ausfallen. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände erscheint ein Melderecht für Ärztinnen, Ärzte, Psychologinnen und Psychologen als verhältnismässig.

Während das grundsätzliche Melderecht mehrheitlich begrüsst wird, beurteilen diverse Vernehmlassungsteilnehmer das Melderecht für Hilfspersonal eher kritisch. Dabei wird insbesondere geltend gemacht, dass ein erleichtertes Melderecht für Hilfspersonen nicht sachgerecht sei, da diese nicht über das notwendige medizinische Fachwissen verfügen würden. Dieser Einwand und die damit verbundene Begründung sind berechtigt, weshalb das Melderecht für Hilfspersonen aus der Vorlage gestrichen wird.

2.1.3

Verworfene Revisionsideen

Aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse wird auf die Schaffung eines erleichterten Melderechts für Hilfspersonen von Ärztinnen und Ärzten sowie von Psychologinnen und Psychologen verzichtet. Ein erleichtertes Melderecht für Hilfspersonen wird aufgrund der fehlenden medizinischen Fachkenntnisse in diversen Stellungnahmen als unverhältnismässig erachtet. Es steht den Hilfspersonen jedoch offen, die zuständige Ärztin oder Psychologin bzw. den zuständigen Arzt oder Psychologen zu informieren, sollten sie Bedenken hinsichtlich der medizinischen Tauglichkeit eines in der Luftfahrtbranche tätigen Patienten oder einer dort tätigen Patientin haben. Diese haben ihrerseits die Möglichkeit, dem BAZL Meldung zu erstatten.

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Das Europäische Recht schliesst Mehrsprachigkeit bei der Radiotelefonie mit dem Flugsicherungsdienst nicht aus.

Die Einführung von anlassfreien Alkoholkontrollen beruht auf Vorgaben der EU, welche die Schweiz nach entsprechender Anpassung des Luftfahrtgesetzes übernehmen wird. Die Gesetzesvorlage bezweckt somit eine Angleichung des schweizerischen an das europäische Recht. In Mitgliedstaaten wie Deutschland oder der Niederlande werden anlasslose Alkoholkontrollen bereits seit mehreren Jahren durchgeführt. Dort wird die Auffassung vertreten, dass die anlasslosen Alkoholkontrollen bei einem po-

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sitiven Testresultat nicht nur direkt dazu beitrügen, eine Gefährdung der Flugsicherheit zu verhindern, sondern, dass durch die Möglichkeit, jederzeit getestet zu werden, das Konsumverhalten der Besatzungsmitglieder positiv beeinflusst werde. Dadurch entfalte das Konzept auch eine gewünschte indirekte präventive Wirkung.

Das Melderecht von Fachleuten aus Medizin und Psychologie ist eine Folge des Germanwings-Vorfalls; mit der vorliegenden Revision gleicht die Schweiz ihr Recht ebenfalls an dasjenige anderer europäischer Staaten an. In den skandinavischen Staaten und Finnland werden physische und psychische Gebrechen in einer zentralisierten Datenbank erfasst und den Transportbehörden der Zugang zu entsprechenden Informationen damit sichergestellt.

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

4.1.1

Radiotelefonie in einer Landessprache

Die Motion fordert die Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen, den Funkverkehr beim nichtgewerbsmässigen Sichtflugverkehr künftig wieder in einer ortsüblichen Landessprache führen zu können. Nach Annahme der Motion hat das BAZL unter Einbezug der betroffenen Kreise ein Umsetzungskonzept erarbeitet. Parallel dazu wurde eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des BAZL und unter Mitwirkung der hauptsächlich betroffenen Verbände11, der Military Aviation Authority (MAA) und Skyguide geschaffen, welche mit der Bereinigung des Umsetzungskonzepts beauftragt wurde. Aus der Begründung der Motion, dem im Rahmen der erwähnten Arbeitsgruppe ausgearbeiteten Umsetzungskonzept sowie den Bereinigungsgesprächen innerhalb der Arbeitsgruppe ergaben sich die folgenden Kernpunkte:

11 12

­

Betroffen ist die Radiotelefonie zwischen dem nichtgewerbsmässigen Sichtflugverkehr und dem Flugsicherungsdienst auf den Flugplätzen gemäss Kategorie II des Anhangs 2 zur VFSD und dem Flugsicherungsdienst auf den Militärflugplätzen (inkl. Locarno). Betroffen ist damit nur das Verhältnis zwischen den Flugsicherungsdienstleistern und den Nutzerinnen und Nutzern des Luftraums. Die Militärluftfahrt als solche und die Landesflughäfen sind nicht betroffen.12

­

Im Rahmen dieses Geltungsbereichs soll die Radiotelefonie mit dem Flugsicherungsdienst unabhängig vom Willen der Flugplatzbetreiber nebst Englisch wieder in der jeweils «ortsüblichen Landessprache» stattfinden können.

­

Auch ausserhalb von Flugplätzen soll in den «unteren Lufträumen» nebst Englisch in der im Luftfahrthandbuch [Aeronautical Information Publication, Aeroclub der Schweiz (AeCS), Verband der Flugzeugeigentümer und Piloten der Schweiz (AOPA), Verband Schweizer Flugplätze (VSF).

Vgl. dazu die Begründung der Motion 19.3531: «Bei den unteren Lufträumen, beim nichtkommerziellen Sichtflugverkehr, bei Regionalflugplätzen und den Militärflugplätzen soll mittels Ausnahmeregelung wie bis anhin die entsprechende Landessprache plus Englisch gelten».

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AIP] publizierten Landessprache (Deutsch oder Französisch) kommuniziert werden können.

Bis anhin können Ausnahmen vom Grundsatz «English only» nur vorgesehen werden, «wenn es die Flugsicherheit erfordert» (Artikel 10a Absatz 2 LFG). Solche Ausnahmen können beispielsweise gestützt auf den aktuell geltenden Artikel 5 Absatz 2 VFSD genehmigt werden, wenn der grenzüberschreitende Flugverkehr zu einem Sprachwechsel führen würde und dadurch die Flugsicherheit beeinträchtigt würde.

Die Ausnahmen im Sinne der Motion betreffen den nichtgewerbsmässigen Sichtflugverkehr und können nicht mit dem Argument der Flugsicherheit begründet werden.

Die Umsetzung der Motion macht daher eine Anpassung des Artikels 10a LFG nötig.

4.1.2

Anlasslose Alkoholkontrollen

Mit dieser Gesetzesvorlage sollen die nationalen Bestimmungen an die neuen Vorgaben der EU angepasst werden. Heute werden die Mitglieder der Besatzung von der Polizei oder den Flugplatzleiterinnen bzw. Flugplatzleitern bei Verdacht auf übermässigen Alkoholkonsum zu einer Untersuchung angehalten. Letztere haben die betroffene Person hierfür an die Polizei zu überstellen, da eine Kontrolle durch die Flugplatzleiterin oder den Flugplatzleiter nicht erlaubt ist (Artikel 100 ter Absatz 2 LFG).

Im Lichte der neuen EU Bestimmungen soll Artikel 100ter LFG dahingehend geändert werden, dass Mitglieder der Besatzung auch ohne Anzeichen von Angetrunkenheit einer Alkoholkontrolle unterzogen werden können.

Gemäss der durch die Verordnung (EU) 2018/1042 geänderten Verordnung (EU) Nr.

965/2012 sind die Alkoholkontrollen durch die zuständige nationale Behörde durchzuführen. In der Schweiz sollen die Alkoholkontrollen im Rahmen der Vorfeldinspektionen von Luftfahrzeugen und deren Besatzung durch die Inspektorinnen und Inspektoren des BAZL in Zusammenarbeit mit den kantonalen Polizeistellen erfolgen. Das Kontrollverfahren richtet sich sinngemäss nach den Alkoholkontrollvorgaben im Strassenverkehrsrecht, soweit die übergeordneten, spezialgesetzlichen Bestimmungen der EU hier keine anderslautenden Vorgaben enthalten.

Gemäss den neuen Vorgaben der EU können die Staaten anlasslose Kontrollen im Rahmen der Vorfeldinspektion auch im Hinblick auf den Konsum von psychoaktiven Substanzen durchführen. Allerdings gelten die gegenwärtig verfügbaren Testgeräte und ­verfahren als unzuverlässig, und ihre Resultate führen damit zu Unsicherheiten im Hinblick auf das Testergebnis. Insbesondere verändert sich die Bandbreite an möglichen, zu konsumierenden psychoaktiven Substanzen kontinuierlich, weshalb die gängigen Testgeräte das mögliche Spektrum nicht laufend zu erkennen vermögen.

Auf eine Kontrolle wird darum verzichtet.

Die geplante Gesetzesrevision trägt massgeblich zur Erhöhung der Luftfahrtsicherheit bei, da allfällige, durch Alkoholkonsum hervorgerufene Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit erkannt werden können. Im Übrigen erzeugen die stichprobeweise Durchführung sowie die damit verbundenen Sanktionen eine abschreckende Wirkung.

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4.1.3

Erleichtertes Melderecht

Um zu gewährleisten, dass Meldungen im Hinblick auf sicherheitsrelevante gesundheitliche Beeinträchtigungen von Mitgliedern der Besatzung und Fluglotsinnen und Fluglotsen zeitnah erfolgen, soll im Luftfahrtgesetz ein erleichtertes Meldeverfahren eingeführt werden. Behandelnde Ärztinnen und Ärzte, Psychologinnen und Psychologen können bei ihren Patientinnen und Patienten anders als bei den Untersuchungen durch die Fliegerärztinnen und -ärzte, welche in regulären Zeitabständen erfolgt, neue oder akut auftretende Wahrnehmungen machen, die nicht mit der Ausübung der Lizenz vereinbar sind. Des Weiteren kann es vorkommen, dass ein Besatzungsmitglied oder eine Fluglotsin bzw. ein Fluglotse infolge einer Erkrankung oder eines Unfalls selber nicht (mehr) in der Lage ist, Meldung zu erstatten. Hinzu kommen jene Fälle, bei welchen die Krankheitseinsicht absichtlich oder auch unabsichtlich nicht gegeben ist.

Ärztinnen und Ärzte sowie Psychologinnen und Psychologen sollen von ihrer Schweigepflicht entbunden sein, ohne dass sie vorgängig bei den kantonalen Behörden vom Berufsgeheimnis entbunden werden müssen. Je nach Kanton kann sich das Verfahren um Entbindung vom der Schweigepflicht als zeitlich und administrativ aufwendig herausstellen, was die Meldeschwelle erhöht.

Da das Melderecht im LFG verankert ist, kann aufgrund von Artikel 321 Ziffer 3 des Schweizerischen Strafgesetzbuches13 (StGB) auf einen ausdrücklichen Hinweis im Gesetz, wonach die Ärztinnen und Ärzte sowie Psychologinnen und Psychologen von ihrer Schweigepflicht entbunden sind, verzichtet werden. Die Ausübung des Melderechts ist somit straflos. Die Meldung soll auf freiwilliger Basis an die zuständige Aufsichtsbehörde, das heisst ans BAZL erfolgen. Auf eine Meldepflicht wird verzichtet.

Das Strassenverkehrsgesetz sieht bereits heute die erleichterte Meldung von Personen wegen körperlichen oder psychischen Krankheiten, Gebrechen oder einer Sucht durch ihre Ärztin oder ihren Arzt vor, wenn das sichere Führen eines Motorfahrzeuges in Frage steht. Die Meldung dieser Personen kann direkt bei der zuständigen kantonalen Strassenverkehrsbehörde oder an die Aufsichtsbehörde für Ärztinnen und Ärzte ohne vorherige Entbindung vom Berufsgeheimnis erfolgen. Im Hinblick auf das mögliche Schadenspotenzial soll mit der geplanten Revision des LFG eine analoge
Regelung eingeführt werden, wobei die Meldung direkt an das BAZL zu erfolgen hat. Weiter sollen im LFG auch Psychologinnen und Psychologen zur Meldung ohne vorherige Entbindung von der Schweigepflicht ermächtigt werden, da diese im Rahmen ihrer Berufstätigkeit häufig über solche sicherheitsrelevanten Informationen Kenntnis erhalten.

13

SR 311.0

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4.2

Umsetzung

4.2.1

Radiotelefonie in der Landessprache

Die neu in Artikel 10a Absatz 2 LFG statuierte Ausnahme, wonach für den nichtgewerbsmässigen Sichtflugverkehr die Radiotelefonie mit dem Flugsicherungsdienst neben Englisch auch in einer Landessprache zulässig ist, bedarf der Präzisierung auf Verordnungsstufe. Die Verpflichtung der Flugsicherungsdienstleister, die Radiotelefonie mit dem nichtgewerbsmässigen Sichtflugverkehr künftig wieder zweisprachig zu erbringen, ist in der VFSD wie folgt aufzunehmen: ­

Für die von der Flugsicherung kontrollierten Gebiete auf und über den zivilen Flugplätzen mit Ausnahme der Landesflughäfen sowie bei militärischen Flugplätzen ist nebst Englisch die ortsübliche Landessprache zulässig. Dabei geht es nicht nur um den Luftraum, sondern auch um die Kommunikation am Boden. Nicht erfasst wird die Funksprache des militärischen Luftverkehrs.

­

Ausserhalb von Flugplätzen im Luftraum bis Flugfläche 195 soll die Kommunikation neben Englisch in Deutsch oder Französisch gemäss Luftfahrtpublikationen (insb. AIP]) erfolgen können. Damit wird der Zustand, der bis 31. Dezember 2018 gegolten hat, wiederhergestellt.

4.2.2

Anlasslose Alkoholkontrollen

Die Umsetzung der Alkoholkontrollen, insbesondere das Testverfahren, richtet sich, in all jenen Bereichen, in welchen sich das Luftfahrtrecht ausschweigt und das übergeordnete EU Recht keine Regelungen vorsieht, nach den Bestimmungen des Schweizerischen Strassenverkehrsrechts.

4.2.3

Erleichtertes Melderecht

Administrative und strafrechtliche Bestimmungen im Hinblick auf das weitere Vorgehen nach einer beim BAZL eingegangenen Meldung durch eine Ärztin oder eine Psychologin bzw. durch einen Arzt oder Psychologen sind bereits in den einschlägigen luftfahrtrechtlichen Bestimmungen der Schweiz und der EU14 geregelt.

14

Vgl. Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 der Kommission vom 3. November 2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt gemäss der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates, in der für die Schweiz jeweils verbindlichen Fassung gemäss Ziffer 3 des Anhangs zum Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Luftverkehr (SR 0.748.127.192.68); Artikel 92 LFG; Verordnung des UVEK vom ... über die nicht europaweit geregelten Pilotenlizenzen und Berechtigungen des Flugpersonals (VABFP; SR ...).

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5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

5.1

Artikel 10a Absatz 2 und 3

Der in Absatz 1 von Artikel 10a LFG statuierte Grundsatz, wonach die Radiotelefonie mit dem Flugsicherungsdienst grundsätzlich auf Englisch stattzufinden hat, bleibt bestehen. In Absatz 2 soll neu für den nichtgewerbsmässigen Sichtflugverkehr eine Ausnahme geschaffen werden, wonach die Radiotelefonie mit dem Flugsicherungsdienst neben Englisch auch in einer Landessprache zulässig sein soll.

Zum Inhalt der in der VFSD neu vorzusehenden Ausnahmen vgl. Ziffer 4.2.1 hiervor.

Wie von der Motion gefordert soll damit der Zustand, wie er bis zum 31. Dezember 2018 galt, wiederhergestellt werden. Da dieser «alte» Zustand in keiner rechtlichen Grundlage verankert war, ist der seit dem 1. Januar 2019 in Kraft stehende Art. 10a LFG entsprechend anzupassen. Die betroffenen Flugplätze haben die jeweils ortsübliche Landessprache im AIP zu publizieren. Neben Englisch ist die Radiotelefonie stets nur in einer der Landessprachen zulässig. Ausserhalb von Flugplätzen ist in den «unteren Lufträumen» in der Kommunikation mit dem Flugsicherungsdienst ebenfalls die im AIP publizierte Landessprache zulässig, diese entspricht jedoch nicht notwendigerweise der ortsüblichen Landessprache. Da gemäss der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/201215, SERA.5005 Buchstabe d Ziffer 1 Flüge nach Sichtflugregeln grundsätzlich nur bis Flugfläche 195 zulässig sind, gelten die neuen Ausnahmen für die «unteren Lufträume» nur bis zu dieser Höhe.

Die vorgängig unter Absatz 2 aufgeführte Möglichkeit zur Gewährung von Ausnahmen, falls die Flugsicherheit dies erfordert, wird neu unter Artikel 10a Absatz 3 E-LFG geführt.

5.2

Artikel 90bis Randtitel und Buchstabe a

Artikel 90bis LFG regelt Vergehen welche von Mitgliedern der Besatzung begangen werden können. Gemäss Artikel 90bis Buchstabe a LFG ist die Tätigkeit in angetrunkenem Zustand oder unter Einfluss von Betäubungsmitteln oder psychotropen Substanzen als Besatzungsmitglied untersagt. Die Arbeitstätigkeit von Mitgliedern der Besatzung umfasst alle Aufgaben nach Dienstantritt und vor Dienstende, welche ein Besatzungsmitglied für den Betreiber wahrzunehmen hat. Nebst dem eigentlichen Flugdienst gehören hierzu insbesondere auch diverse Vorbereitungshandlungen administrativer oder physischer Natur (z.B. Leistungsberechnung, Briefings, Vorflugkontrollen, Vorarbeiten in der Kabine oder mit den Fluggästen, die Erteilung von oder

15

Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 der Kommission vom 26. September 2012 zur Festlegung gemeinsamer Luftverkehrsregeln und Betriebsvorschriften für Dienste und Verfahren der Flugsicherung und zur Änderung der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 1035/2011 sowie der Verordnungen (EG) Nr. 1265/2007, (EG) Nr. 1794/2006, (EG) Nr. 730/2006, (EG) Nr. 1033/2006 und (EU) Nr. 255/2010, in der für die Schweiz jeweils verbindlichen Fassung gemäss Ziffer 5 des Anhangs zum Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Luftverkehr (SR 0.748.127.192.68).

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die Teilnahme an Schulungen und Überprüfungen oder bestimmte Elemente des Bereitschaftsdienstes). Mit der Streichung von «an Bord» im Randtitel von Artikel 90 bis des deutschsprachigen Gesetzestextes soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die eigentliche Arbeitstätigkeit bereits vor Betreten des Flugzeugs beginnt. In Anlehnung an die französische Fassung wird die Formulierung des Randtitels einerseits von «Tätigkeit mit beeinträchtigtem Bewusstsein» in «beeinträchtigter Zustand» geändert. Andererseits wird unter Berücksichtigung der geltenden Definitionen im europäischen und nationalen Recht die Formulierung «Flugbesatzungsmitglieder» präzisiert und durch «Besatzung» ersetzt. Gleiches gilt auch für die Anpassung in Artikel 90bis Buchstabe a LFG, welcher von «Flugbesatzungsmitglied» spricht. Dieser Begriff wird durch «Besatzungsmitglied» ersetzt.

5.3

Artikel 100 Randtitel und Absatz 4

Da die von Ärztinnen und Ärzten beziehungsweise Psychologinnen und Psychologen gemeldeten gesundheitlichen Daten, ähnlich wie bei der Meldung von Staatsanwaltschaften und Gerichten über strafbare Handlungen, zum Entzug von Bewilligungen, Ausweisen und Erlaubnissen im Sinne von Artikel 92 Buchstabe a LFG führen, soll dieser Artikel durch das Melderecht in Absatz 4 ergänzt werden. Entsprechend soll der Randtitel in «IV. Meldepflichten, Einholen von Stellungnahmen und Melderechte» geändert werden.

Diese Bestimmung soll lediglich eine freiwillige Meldung ohne weitere administrative Hürden ermöglichen; auf das Einführen einer Meldepflicht wird verzichtet. Ein solches wäre im Hinblick auf die mögliche Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses zwischen Ärztin bzw. Arzt und Patientin bzw. Patient sowie dem gebotenen Ermessensspielraum der Ärztin oder des Arztes, welcher damit ausgehebelt würde, unverhältnismässig. Die Meldung ist direkt beim fliegerärztlichen Dienst des Bundesamtes für Zivilluftfahrt einzureichen.

Das erleichterte Melderecht kann gegenüber allen Pilotinnen und Piloten, dem Kabinenpersonal sowie den Fluglotsinnen und Fluglotsen gleichermassen ausgeübt werden: Alle diese Personen verfügen über sicherheitsrelevante bzw. sicherheitskritische Funktionen beim Flugbetrieb. Das fehlerhafte Ausführen entsprechender Tätigkeiten aufgrund von medizinischen Einschränkungen kann gravierende Folgen für sie und Dritte haben.

Das Melderecht gilt unter Hinweis auf Artikel 106 Absatz 2 LFG nicht für Pilotinnen und Piloten der militärischen Luftfahrt. Sofern eine Pilotin oder ein Pilot neben militärischen Luftfahrzeugen auch Zivilluftfahrzeuge operiert, ist sie oder er in diesem Bereich hingegen vom Melderecht betroffen.

In Bezug auf die Meldung von Fluglotsinnen und Fluglotsen ist darauf hinzuweisen, dass alle jene davon betroffen sind, welche über eine zivile Fluglotsenlizenz verfügen.

In dieser Hinsicht sind auch jene Fluglotsinnen und Fluglosten, welche in Erweiterung dieser Lizenz militärische Operationen koordinieren, vom Melderecht betroffen.

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Das weitere Vorgehen gegen Personen, welche aus medizinischen Gründen nicht in der Lage sind, ein Luftfahrzeug sicher zu führen bzw. ihre mit dem Beruf einhergehenden Aufgaben wahrzunehmen, sind bereits in der geltenden schweizerischen und europäischen Gesetzgebung geregelt, weshalb kein weiterer Anpassungsbedarf besteht. Unter Berücksichtigung der konkreten Gefahrensituation kann zur Verhinderung möglicher Gefährdungen Dritter das medizinischen Tauglichkeitszeugnis entzogen werden. Damit ist es dem gemeldeten Besatzungsmitglied untersagt, seine fliegerischen Tätigkeiten weiter auszuüben. Gleichermassen können den Fluglotsinnen und Fluglotsen ihre Lizenzen und Berechtigungen entzogen bzw. ausgesetzt werden.

Das Mitglied der Besatzung oder die Fluglotsin bzw. der Fluglotse haben sich in der Folge den angeordneten medizinischen Untersuchungen zu unterziehen, um das Bestehen ihrer oder seiner Tauglichkeit nachzuweisen und wieder zum Flugverkehr bzw.

dessen Koordination zugelassen zu werden. In weniger gravierenden Fällen werden sie aufgeboten, sich innert kurzer Frist vom zuständigen Fliegerarzt oder der zuständigen Fliegerärztin untersuchen zu lassen.

5.4

Artikel 100ter Absatz 1, 3, 4 und 5

Die in Absatz 1 geregelte Anordnung von Untersuchungen im Hinblick auf Anzeichen der Angetrunkenheit oder auf einen Einfluss von Betäubungsmitteln oder psychotropen Stoffen bleibt bestehen. Die Möglichkeit zur Anordnung einer Blutprobe, die bisher in Absatz 1 zweiter Satz geregelt war, wird jedoch neu in den Absatz 4 verschoben. Entsprechend wird der bestehende Absatz 4 inhaltlich unverändert in einen neuen Absatz 5 verschoben. Damit ist die Anordnung einer Blutprobe sowohl bei Verdachtsfällen nach Absatz 1 als auch bei anlasslosen Alkoholtests nach Absatz 3 zulässig.

Analog zu der Anpassung in Artikel 90bis Buchstabe a wird auch der Begriff «Flugbesatzungsmitglieder» in Absatz 1 in «Besatzungsmitglieder» geändert.

Neu können bei Besatzungsmitgliedern mit der Einführung eines neuen Absatzes 3 im Einklang mit dem Recht der europäischen Union im Rahmen der Vorfeldinspektionsprogramme (SAFA/SACA/SANA) durch die Inspektorinnen und Inspektoren des BAZL auch anlassfrei Alkoholkontrollen angeordnet werden. Auf eine Ausweitung auf weitere Akteure sowie auch auf die Durchführung anlassloser Kontrollen durch die Flugplatzleiter wird verzichtet. Die anlasslosen Alkoholkontrollen bilden Teil der nationalen und internationalen Vorfeldinspektionsprogramme, welche keine Kontrollen für weitere Akteure vorsieht. Die Kompetenzen liegen hierfür bei der Luftfahrtbehörde als Aufsichtsorgan.

Die Durchführung und Beurteilung der Alkoholkontrolle innerhalb der Vorfeldinspektion sowie die Bereitstellung der hierfür notwendigen Messgeräte erfolgt durch die zuständigen kantonalen Polizeibehörden und nicht durch die Inspektorinnen und Inspektoren. Die Polizeibehörden verfügen aufgrund ihres Aufgabenbereichs bereits über die fachlichen Kenntnisse, Kompetenzen und Erfahrungen für die Durchführung von Alkoholtests sowie auch die notwendigen Gerätschaften (METAS-zertifizierte und zugelassene Geräte). Sie werden im Hinblick auf ihre Bedürfnisse in die Jahresplanung der Vorfeldinspektionen miteinbezogen und frühzeitig über eine anstehende Inspektion informiert.

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Verweigert die betroffene Person den Alkoholtest, darf sie den Flug nicht antreten bzw. die Flugvorbereitungshandlungen nicht fortsetzen16.

Die Besatzungsmitglieder, allen voran die Kommandantin oder der Kommandant, werden unmittelbar nach Betreten des Luftfahrzeugs durch das BAZL über die geplante Alkoholkontrolle sowie den Testumfang informiert. Findet die Kontrolle ausserhalb des Luftfahrzeugs statt, werden die Mitglieder der Besatzung ohne vorgängige Kommunikation an die Kommandantin oder den Kommandanten getestet.

Die eigentliche Durchführung des Tests richtet sich nach den einschlägigen EU Vorschriften sowie den dazu bestehenden Acceptable Means of Compliance (AMC) und dem Guidance Material (GM)17. Soweit sich die EU Vorgaben und Empfehlungen über die Vorgehensweise ausschweigen, finden die Bestimmungen zu Alkoholkontrollen im Schweizerischen Strassenverkehrsrecht ergänzend und sinngemäss Anwendung. Zu diesem Zweck wird in Absatz 5 eine Delegationsnorm eingefügt.

Gemäss den Vorgaben der EU sind bis zu zwei Alkoholkontrolltests (Alkoholkonzentration der Atemluft) durchzuführen18. Die gemessene Alkoholkonzentration in der Atemluft darf die äquivalente Blutalkoholkonzentration von 0.2 g/L bzw. Gewichtspromille nicht übersteigen. Folgende Grenzwerte für die Blut- bzw. Atemalkoholkonzentration sind einschlägig: Blutalkoholkonzentration:

0.2 g/L (Gramm pro Liter Blut,
gleichbedeutend wie Gewichtspromille)

Atemalkoholkonzentration:

0.1 mg/L (Milligramm pro Liter Luft)

Fällt der erste Test negativ aus, wird die betroffene Person in den Dienst entlassen.

Bei einem positiven Resultat wird unter Einbezug einer entsprechenden Wartezeit von mindestens 15 Minuten ein zweiter Test durchgeführt. Fällt auch der zweite Alkoholkontrolltest positiv aus, ist die betroffene Person mit sofortiger Wirksamkeit vom Dienst zu suspendieren; sie hat mit administrativ- sowie strafrechtlichen Folgen zu rechnen.

Die Resultate des Alkoholkontrolltestes werden formell festgehalten und anonymisiert sowie ohne Bekanntgabe der Alkoholwerte in der EASA-SAFA Datenbank erfasst19.

Sofern Alkoholkontrollmessgeräte anstelle von Alkoholtestgeräten verwendet werden, kann in sinngemässer Anwendung der Bestimmungen zu Alkoholkontrollen im Schweizerischen Strassenverkehrsrecht auf eine Blutprobe verzichtet werden. Die 16 17

18 19

ARO.RAMP.106 Bst. g, Anhang II, Teilabschnitt RAMP der Verordnung (EU) Nr. 965/2012, geändert durch die Verordnung (EU) 2018/1042.

ARO.RAMP.106 (siehe Fussnote 18) sowie die Bestimmungen AMC1, GM1, GM2 und GM3 zu ARO.RAMP.106, Anhang II `AMC and GM to Part-ARO ­ Issue 3, Amendment 8' der Decision No 2018/012/R of the Executive Director of the European Aviation Safety Agency of 21 November 2018 amending the Guidance Material to Commission Regulation (EU) No 965/2012 as well as the Acceptable Means of Compliance and the Guidance Material to Part-ARO and Part-CAT of Commission Regulation (EU) No 965/2012 (EDD No 2018/012/R).

AMC1, ARO.RAMP.106 Bst. a Ziff. 3, Anhang II `AMC and GM to Part-ARO ­ Issue 3, Amendment 8' der EDD No 2018/012/R.

ARO.RAMP.106 (siehe Fussnote 18).

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Blutprobe ist dennoch anzuordnen, wenn die betroffene Person dies verlangt. Dem Verweis auf das europäische Recht sowie die Bestimmungen des Schweizerischen Strassenverkehrsrechts trägt die Anpassung in Absatz 5 Rechnung.

6

Auswirkungen

6.1

Auswirkungen auf den Bund

6.1.1

Radiotelefonie in der Landessprache

Für den Bund sind im Hinblick auf die Wiedereinführung der Mehrsprachigkeit keine nennenswerten Auswirkungen zu erwarten.

6.1.2

Anlasslose Alkoholkontrollen

Die anlassfreien Alkoholtests werden im Rahmen der vom BAZL bereits heute vollzogenen Vorfeldinspektionen durchgeführt. Die Alkoholkontrolle hat somit lediglich organisatorische Auswirkungen im Hinblick auf den Ablauf und die Durchführung der Vorfeldinspektion und den Einbezug der kantonalen Polizeistellen. Ein finanzieller oder personeller Mehraufwand von Seiten BAZL im Hinblick auf die Alkoholkontrollen ist damit nicht verbunden. Die aus einem positiven Testergebnis resultierenden administrativen und strafrechtlichen Folgen sowie medizinische Abklärungen können je nach Anzahl Fällen zu einem Mehraufwand von 0,25 Vollzeitäquivalenten (FTE) bei der beim BAZL zuständigen Abteilung oder Sektion führen.

6.1.3

Erleichtertes Melderecht

Die Meldungen der Ärztinnen und Ärzte sowie der Psychologinnen und Psychologen sind beim fliegerärztlichen Dienst des BAZL einzureichen. Je nach Meldungsumfang wird im Hinblick auf die Abwicklung dieser Meldungen und damit verbundener Konsequenzen von einem Mehraufwand von ca. 0,25 FTE bei der entsprechenden Abteilung/Sektion des BAZL ausgegangen. Da es sich dabei um die gleiche Sektion oder Abteilung handelt, welche sich um Folgearbeiten, die aus dem Alkoholkonsum resultieren, kümmert, wird gesamthaft mit einer Mehrbelastung von 0,5 FTE gerechnet, wobei bislang keine genauen Erfahrungswerte bekannt sind. Dieser Aufwand wird durch die zuständigen Fachpersonen durch die Priorisierung der Pendenzen aufgefangen.

Mit einer erhöhten Anzahl an Rechtsstreitigkeiten, beispielsweise infolge verfügtem Entzug der Fluglizenz durch das BAZL, wird nicht gerechnet. Nach dem Germanwings-Vorfall im Jahr 2015 sind beim BAZL zwar vermehrt Meldungen eingegangen, die Anzahl Beschwerden blieb jedoch unverändert.

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6.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

6.2.1

Radiotelefonie in der Landessprache

Für die Kantone, Gemeinden sowie urbanen Zentren, Agglomerationen und Berggebiete sind im Hinblick auf die Wiedereinführung der Mehrsprachigkeit keine nennenswerten Auswirkungen zu erwarten.

6.2.2

Anlasslose Alkoholkontrollen

Die Alkoholkontrollen werden in Zusammenarbeit mit dem BAZL geplant und von den kantonalen Polizeistellen durchgeführt. Da die Kantonspolizei bereits im Hinblick auf ihre normale Patrouillentätigkeit über die notwendige Ausbildung, das Fachwissen sowie die Gerätschaften für die Durchführung von Alkoholtests verfügt und diese Tests bereits heute bei einem Verdachtsmoment durchführt, führt die beabsichtigte Gesetzesanpassung zu keiner zusätzlichen nennenswerten finanziellen oder personellen Mehrbelastung.

6.2.3

Erleichtertes Melderecht

Durch das freiwillige Melderecht und die damit verbundene Entbindung von der Schweigepflicht entfällt für Kantone und Gemeinden die Durchführung eines entsprechenden Verfahrens in diesem Bereich.

6.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

6.3.1

Radiotelefonie in der Landessprache

Die Rückkehr von der Einsprachigkeit zur Mehrsprachigkeit in der Radiotelefonie stellt eine Änderung dar, bei der Auswirkungen auf die Sicherheit nicht ausgeschlossen werden können (sog. «Change»). Skyguide wird deshalb für jeden betroffenen Flugplatz ein «Safety Assessment» gemäss den etablierten Prozessen durchführen müssen. Hinsichtlich der Flugplatzbetreiber wird hingegen nicht von einer Änderung, die Auswirkungen auf die Sicherheit hat, ausgegangen, weshalb von diesen kein «Safety Assessment» erwartet wird.

«Safety Assessments», die aufgrund der Wiedereinführung der Mehrsprachigkeit nötig werden, haben für Flugsicherungsdienstleister Kosten zur Folge. Zum jetzigen Zeitpunkt ist davon auszugehen, dass durch die Rückkehr zur Mehrsprachigkeit bei neun Flugplätzen20 ein «Safety Assessment» nötig werden wird. Eine grobe Schät-

20

Bern, Buochs, Emmen, Grenchen, Locarno, Meiringen, Payerne, Samedan und St. Gallen

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zung von Seiten der Skyguide geht für jedes «Safety Assessment» von einem Aufwand von 14 bis 20 Arbeitstagen bzw. Kosten zwischen 18 000 und 26 000 Franken aus. Daraus resultiert ein Maximalbetrag von 234 000 Franken. Zudem werden für viele der Flugverkehrsleiterinnen und -leiter Auffrischungskurse in der lokalen Sprache nötig. Eine Schätzung von Skyguide geht in diesem Zusammenhang von Gesamtkosten in der Höhe von 172 000 Franken aus. Geografisch können die Flugverkehrsleiterinnen und -leiter fortan nur noch in Gebieten bzw. auf Flugplätzen eingesetzt werden, die ihrer Sprachqualifikation entsprechen. Jede Anpassung des Luftfahrthandbuchs hat zudem eine Publikationsgebühr zur Folge.

Zu den Einsparungen seitens der Pilotinnen und Piloten, die aufgrund der Änderung von Artikel 10a LFG erfolgen, weil sie nun keine englischsprachige Radiotelefonieprüfung machen müssen, kann Folgendes ausgeführt werden: In der Schweiz gab es im Jahr 2019 rund 900 Pilotinnen und Piloten, die über keine Radiotelefonieprüfung in Englisch verfügten (ca. 400 Motorflugpiloten und 500 Segel- bzw. Ballonpilotinnen und -piloten). Nicht alle diese Pilotinnen und Piloten bewegen sich in Lufträumen für welche gemäss aktueller Regelung «English only» gilt. Folglich wäre unter dem bisher geltenden Artikel 10a LFG auch nicht für all diese Pilotinnen und Piloten eine Radiotelefonieprüfung in Englisch erforderlich gewesen. Die Angabe einer genauen Zahl kann nicht erfolgen, weil Erhebungen dazu fehlen. Für einen einzelnen Motorflugpiloten belaufen sich die Kosten für das Erlangen einer englischsprachigen Radiotelefonieprüfung auf rund 1500, für einen einzelnen Segelflug- oder Ballonpiloten auf rund 1000 Franken. Die höheren Kosten für den Motorflugpiloten ergeben sich aus dem Umstand, dass dieser neben der Radiotelefonieprüfung noch eine sog. «Language Proficiency»- Prüfung ablegen muss. Diese gilt als bestanden, wenn mindestens das Level 4 von maximal 6 erreicht wird. Schliesst ein Motorflugpilot die Language Proficiency Prüfung mit Level 4 ab, was dem Standardszenario entspricht, muss er alle 5 Jahre eine sogenannte «Refresher»-Prüfung absolvieren. Die Kosten dafür belaufen sich auf 175 Franken.

6.3.2

Anlasslose Alkoholkontrollen

In Bezug auf die eigentliche Durchführung der Tests ist wegen der beweissicheren und zertifizierten Geräte von Seiten der Luftfahrtunternehmen und der Besatzung von wenig Widerstand auszugehen, orientieren sich die Behörden bei der Durchführung der Kontrollen doch an den einschlägigen Bestimmungen des Schweizerischen Strassenverkehrsrechts sowie des übergeordneten EU-Rechts.

Bei einem positiven Alkoholtest ist aufgrund der unmittelbaren Konsequenzen, welche schlimmstenfalls zu einer Flug-Annullation führen können, mit einer finanziellen sowie auch personellen Mehrbelastung der Luftverkehrsunternehmen zu rechnen, denn diese haben bei einem positiven Resultat ihrer oder ihres Angestellten die allfälligen Konsequenzen zu tragen. Allenfalls notwendige Umbuchungen von Passagieren auf andere Flüge können Mehrkosten verursachen und haben das Potenzial für Konflikte zwischen den Luftverkehrsunternehmen und den Passagieren.

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6.3.3

Erleichtertes Melderecht

Die Meldung einer Ärztin oder eines Arztes bzw. einer Psychologin oder eines Psychologen kann eine Eignungsabklärung bis hin zum Entzug des medizinischen Tauglichkeitszeugnisses und damit zu einem Flugverbot für Mitglieder der Besatzung bzw. den Entzug oder die Aussetzungen von Lizenzen und Berechtigungen bei Fluglotsinnen und Fluglotsen zur Folge haben. Dies kann bei der betroffenen Person dazu führen, dass diese vorübergehend ihrer Arbeitstätigkeit nicht nachgehen können und damit finanzielle Einbussen erleiden. Bei den gegebenenfalls betroffenen Luftfahrtgesellschaften und Flugsicherungsanbietern ist in diesen Fällen von personellem und finanziellem Mehraufwand infolge Umplanungen zu rechnen.

Da die Ärztinnen und Ärzte bzw. Psychologinnen und Psychologen lediglich Zweifel an der medizinischen Tauglichkeit eines Mitglieds der Besatzung oder einer Fluglotsin bzw. eines Fluglotsen melden und der Entscheid über weitere Schritte in der Verantwortung des BAZL liegt, wird nicht von einer Erhöhung der Anzahl Rechtsstreitigkeiten ausgegangen.

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 87 der Bundesverfassung 21 (BV). Dieser gibt dem Bund die Kompetenz, Vorschriften über die Luftfahrt zu erlassen. Die vorliegende Gesetzesrevision bewegt sich innerhalb des Rahmens dieser Bundeskompetenz.

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die geplante Revision des Luftfahrtgesetztes betrifft einen Bereich des Luftverkehrs, in dem sich die Schweiz zur Erfüllung internationaler Vorgaben staatsvertraglich verpflichtet hat. Entsprechende völkerrechtliche Verträge bestehen mit der ICAO, mit der EU oder anderen Staaten. Hier geht es um das Abkommen vom 21. Juni 1999 22 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Union über den Luftverkehr. Im Rahmen des Luftverkehrsabkommens mit der EU hat die Schweiz, die Verordnung (EU) 2018/1042 als Änderungsakt der Verordnung (EU) Nr. 965/2012 übernommen. Dies geschieht durch den Beschluss Nr. 1/2020 des Gemischten Luftverkehrsausschusses EU/Schweiz (der den Anhang zum Luftverkehrsabkommen durch die Aufnahme der entsprechenden EU-Verordnungen ändert). Für eine völkerrechtskonforme Umsetzung müssen die auf innerstaatlicher Ebene vorgesehenen Massnahmen mit den internationalen Verpflichtungen kompatibel sein. Dies ist bei den vorgeschlagenen Änderungen der Fall.

21 22

SR 101 SR 0.748.127.192.68

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7.3

Erlassform

Die Vorlage enthält wichtige rechtsetzende Bestimmungen, die nach Artikel 164 Absatz 1 BV und Artikel 22 Absatz 1 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200223 in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind. Der Erlass untersteht dem fakultativen Referendum.

7.4

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Der vorliegende Entwurf sieht nachfolgende Delegationen von Rechtsetzungsbefugnissen an den Bundesrat vor: ­

Gewährung von weiteren Ausnahmen für den Funkverkehr mit dem Flugsicherungsdienst, sofern es die Flugsicherheit erfordert (Art. 10a Abs. 3 E-LFG);

­

Die Durchführung von Untersuchung und Massnahmen für Alkoholkontrollen (Art. 100ter Abs. 5 E-LFG).

7.5

Datenschutz

7.5.1

Radiotelefonie in der Landessprache

Die Wiedereinführung des Funkverkehrs mit der Flugsicherung in einer Landessprache für den Sichtflugverkehr tangiert keine datenschutzrechtlichen Aspekte.

7.5.2

Anlasslose Alkoholkontrollen

Die Resultate von Vorfeldinspektionen werden von der Polizei einzig den Inspektorinnen und Inspektoren des BAZL zur Kenntnis gebracht. Diese werden in der zentralisierten und gesicherten SAFA-Datenbank der EU erfasst. Die Alkoholkontrollergebnisse (positives oder negatives Ergebnis) werden dabei ebenfalls in die SAFADatenbank eingespeist. Diese Resultate enthalten jedoch weder personenbezogene Daten der jeweiligen Besatzungsmitglieder noch die Alkoholwerte. Sie sind der EU zum Schutz der Daten der betroffenen Person anonymisiert zu übermitteln. Die entsprechenden Grundlagen sind in der durch die Verordnung (EU) 2018/1042 geänderten Verordnung (EU) Nr. 965/201224 enthalten.

23 24

SR 171.10 ARO.RAMP.106 Bst. d, Anhang II, Teilabschnitt RAMP der Verordnung (EU) Nr. 965/2012, geändert durch die Verordnung (EU) 2018/1042.

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7.5.3

Erleichtertes Melderecht

Mit der beabsichtigen Neuregelung werden die notwendigen rechtlichen Grundlagen für die Übermittlung besonders schützenswerter Daten der betroffenen Besatzungsmitglieder an das BAZL geschaffen. Die Daten werden amtsintern dem fliegerärztlichen Dienst mitgeteilt und im medizinischen Dossier der betroffenen Person beigefügt. Diese Daten befinden sich in einer gesondert gesicherten Datenbank, die den Anforderungen an die Bearbeitung besonders schützenswerter Personendaten entspricht.

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