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15.479 Parlamentarische Initiative Stopp dem ruinösen Preisdumping beim Zucker!

Sicherung der inländischen Zuckerwirtschaft Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 2. Februar 2021

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Landwirtschaftsgesetzes. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

2. Februar 2021

Im Namen der Kommission Der Präsident: Christian Lüscher

2021-0473

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Übersicht In den letzten Jahren dehnte die EU ihre Zuckerproduktion massiv aus. Dem höheren Angebot und der Wechselkursentwicklung entsprechend sank der Preis für Zucker aus der EU stark, was den Preis für Schweizer Zucker unter Druck setzte.

Vor diesem Hintergrund fürchtet die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates um den Fortbestand der Zuckerproduktion in der Schweiz. Sie will deshalb einen Mindestgrenzschutz und eine höhere Stützung für eine ökologischere Zuckerrübenproduktion festlegen.

Nachdem die EU per Ende September 2017 die Produktionsmengen freigab und gleichzeitig die Exportbeschränkung aufhob, sanken die Zuckerpreise in der EU deutlich, und die EU wurde von einer Zuckernettoimporteurin zur Nettoexporteurin. Dies wirkte sich auch auf den Zuckerpreis in der Schweiz aus, wo die Frankenstärke Zuckerimporte zusätzlich verbilligte. Angesichts dieser Herausforderungen für die Zuckerwirtschaft erhöhte der Bundesrat Ende 2018 den Einzelkulturbeitrag für Zuckerrüben zur Zuckerherstellung vorübergehend um 300 auf 2100 Franken pro Hektare und Jahr und legte befristet einen Grenzschutz von mindestens 70 Franken pro Tonne Zucker fest. Diese Massnahmen laufen 2021 aus. Die Kommission ist jedoch der Ansicht, die Schweizer Zuckerwirtschaft könne ohne zusätzliche Stützung nicht weiterbestehen. Sie rechnet damit, dass sonst nicht nur die Zuckerrübenproduktion weiter abnähme, sondern dass in der Folge auch die beiden Zuckerfabriken in Aarberg und in Frauenfeld nicht mehr ausgelastet werden könnten und schliesslich nicht mehr ausreichend Schweizer Zucker hergestellt würde.

Die Kommission will deshalb den heute auf Verordnungsstufe geregelten Mindestgrenzschutz von 70 Franken pro Tonne Zucker im Landwirtschaftsgesetz verankern.

Zugleich will sie ökologisch angebaute Zuckerrüben stärker fördern als bisher: Nach dem Willen einer knappen Mehrheit soll der Einzelkulturbeitrag für Zuckerrüben, die gemäss ökologischem Leistungsnachweis angebaut werden, auf 1500 Franken pro Hektare und Jahr gekürzt, dafür soll für biologisch angebaute Zuckerrüben ein Zuschlag von 700 Franken und für fungizid- und insektizidfrei angebaute Zuckerrüben ein solcher von 500 Franken pro Hektare und Jahr ausgerichtet werden. Die Mehrheit ist der Überzeugung, wolle man die Probleme mit Abbauprodukten von Pflanzenschutzmitteln
in den Gewässern lösen, brauche es einen beschleunigten ökologischen Umbau der Landwirtschaft, und gerade der Zuckerrübenanbau sei im Hinblick auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ökologisch eher bedenklich. Auch der Minderheit ist es wichtig, den Anbau von Biozuckerrüben zu fördern. Sie möchte jedoch den aktuellen Beitrag von 2100 Franken pro Hektare und Jahr beibehalten und für nach den Richtlinien des Biolandbaus oder der integrierten Produktion erzeugte Zuckerrüben 200 Franken zusätzlich ausrichten.

Die Kommission ist der Ansicht, mit ihrer Vorlage die Zuckerproduktion in der Schweiz stärken und angemessen schützen zu können. Mit dem nach Anbaumethode differenzierten Einzelkulturbeitrag fördert sie zudem eine ökologische Anbauweise und trägt dem verbreiteten Anliegen nach reduziertem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln Rechnung.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

Am 8. September 2015 reichte Nationalrat Jacques Bourgeois seine parlamentarische Initiative 15.479 Stopp dem ruinösen Preisdumping beim Zucker! Sicherung der inländischen Zuckerwirtschaft ein. Die Initiative fordert, der Mechanismus für die Festlegung der Zollansätze für importierten Zucker sei so anzupassen, dass die Rentabilität der inländischen Zucker- und Zuckerrübenproduktion sowie ein Mindestpreis für Zucker sichergestellt seien.

Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) gab der parlamentarischen Initiative von Nationalrat Bourgeois an ihrer Sitzung vom 14. November 2016 mit 14 zu 7 Stimmen bei 3 Enthaltungen Folge. Die ständerätliche Schwesterkommission (WAK-S) behandelte die Initiative am 20. März und am 17. August 2017, verweigerte ihre Zustimmung jedoch mit 10 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung. Am 9. Januar 2018 befasste sich die WAK-N erneut mit dem Geschäft und bestätigte ihren ersten Entscheid mit 15 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung. Der Nationalrat folgte seiner Kommission am 28. Februar 2018 und gab der parlamentarischen Initiative mit 94 zu 69 Stimmen bei 17 Enthaltungen Folge. Daraufhin stimmte die WAK-S dem Folgegeben schliesslich am 3. Mai 2018 mit 6 zu 6 Stimmen und Stichentscheid ihres Präsidenten zu.

Die WAK-N beschloss am 14. August 2018, eine Subkommission mit der Ausarbeitung eines Vorentwurfs zu beauftragen. Diese nahm ihre Arbeit am 20. September 2018 auf. Nachdem der Bundesrat zwischenzeitlich temporäre Massnahmen zur Stützung der Zuckerproduktion ergriffen hatte, beobachtete die Subkommission zunächst die Entwicklung der Lage. Am 19. Juni 2020 verlängerte der Nationalrat die Frist für die Erarbeitung einer Vorlage bis zur Sommersession 2022, am 24. Juni 2020 beauftragte sodann die Subkommission die Verwaltung, in Zusammenarbeit mit dem Sekretariat einen Vorentwurf auszuarbeiten und die entsprechenden Erläuterungen zu verfassen.

Diesen Vorentwurf prüfte die Subkommission am 12. August 2020 und verabschiedete ihn zuhanden der WAK-N. Diese behandelte ihn am 18. August 2020. Sie trat diskussionslos auf die Vorlage ein, änderte einen der beiden Artikel ab und nahm den Vorentwurf schliesslich in der Gesamtabstimmung mit 22 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen an. Zugleich beschloss die Kommission die Eröffnung einer Vernehmlassung, die vom 11. September bis
zum 11. Dezember 2020 dauerte.

Die WAK-N nahm den Bericht mit den Ergebnissen der Vernehmlassung am 2. Februar 2021 zur Kenntnis. Daraufhin verabschiedete sie den definitiven Entwurf in der Gesamtabstimmung ohne Änderung mit 14 zu 4 Stimmen bei 7 Enthaltungen. Zur Bestimmung betreffend die Einzelkulturbeiträge liegt ein Minderheitsantrag vor.

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Ausgangslage

2.1

Entwicklung der Rahmenbedingungen

Im Rahmen der Verhandlungen der bilateralen Abkommen II (2002-2004) beschlossen die Schweiz und die EU, die Öffnung des Handels mit landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnissen weiterzuverfolgen. Das Protokoll Nr. 2 vom 22. Juli 19721 über bestimmte landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse verbietet seit 2005 für beide Seiten sowohl Preisausgleichsmassnahmen wie auch Einfuhrabgaben für Zucker in Verarbeitungsprodukten (sog. Doppelnulllösung). Die Doppelnulllösung erfordert, dass sich die Zuckerpreise in der EU und in der Schweiz auf vergleichbarem Niveau bewegen, damit inländische zuckerverarbeitende Lebensmittelhersteller auf ihren Absatzmärkten in der EU und in der Schweiz gegenüber ihren Mitbewerbern aus der EU nicht benachteiligt sind. Gestützt auf Artikel 5 der Agrareinfuhrverordnung vom 26. Oktober 20112 wird der Grenzschutz deshalb seit 2006 so festgelegt, dass der Preis des importierten Zuckers dem EU-Marktpreis entspricht. Das Bundesamt für Landwirtschaft überprüft den aus der Differenz zwischen EU- und Weltmarktpreis für Zucker resultierenden Grenzschutz monatlich und nimmt daran gegebenenfalls Änderungen vor. Basierend auf dem Landesversorgungsgesetz vom 17. Juni 20163 werden auf importiertem Zucker die Garantiefondsbeiträge bis zu maximal 16 Franken pro 100 kg als zollähnliche Abgabe erhoben. Fällt der Grenzschutz höher aus, sind ergänzend Zollansätze zu entrichten. Dieses Verfahren gewährleistet, dass mit den landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnissen aus der Schweiz nicht Zucker unter EU-Marktpreisen auf den EU-Markt gelangt; der Schweizer Zuckerpreis wird damit gegenüber den Weltmarktpreisen gestützt.

Nach einer ersten Zuckermarktreform in der Periode 2006­2009 hob die EU die Zuckerquoten in einem zweiten Reformschritt auf den 1. Oktober 2017 auf. In Erwartung besserer Vermarktungsmöglichkeiten stieg die Zuckerproduktion bereits im Vorfeld der Aufhebung an, wodurch die EU-Zuckerpreise sanken. Der Preisrückgang in der EU wurde noch verschärft durch die Wechselkursentwicklung zum Euro, wodurch sich der Preis für Schweizer Zucker ausgehend von 100 Franken je 100 kg im Jahr 2006 bis 2019 in etwa halbierte.

1 2 3

SR 0.632.401.2 SR 916.01 SR 531

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Quellen: Thomson-Reuters, EU-Kommission, SNB, EZV/réservesuisse, Staatsrechnung, SBV

Der Umsatzrückgang im Zuckergeschäft schlug sich in tieferen Zuckerrübenpreisen nieder. Die vormals zur Stützung des Zuckerrübenpreises an die Schweizer Zucker AG ausgerichteten Bundesmittel werden seit 2009 in Form von Flächenbeiträgen über die Kantone direkt an die Zuckerrübenproduzentinnen und -produzenten ausbezahlt.

Bis 2013 bremste die im Vergleich mit anderen Betriebszweigen hohe Rentabilität des Zuckerrübenanbaus die Strukturentwicklung im Rübenanbau; die Schweizer Zucker AG führte Wartelisten mit Betrieben, die ihre Zuckerrübenfläche ausdehnen oder die neu in den Zuckerrübenanbau einsteigen wollten. Seit dem Preisrückgang 2014 wurden im Rübenanbau vermehrt Grösseneffekte realisiert, indem die mittlere Zuckerrübenfläche von 3 auf über 4 Hektaren pro Betrieb anstieg und die Anzahl Rübenpflanzer gleichzeitig von 6000 auf 4200 sank. In den Werken Aarberg und Frauenfeld beschäftigt die Schweizer Zucker AG rund 250 Mitarbeitende.

Angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen beschloss der Bundesrat Ende 2018 eine befristete Erhöhung der Stützung für die Zuckerwirtschaft: Er erhöhte den Einzelkulturbeitrag für Zuckerrüben zur Zuckerherstellung mit einer Änderung der Einzelkulturbeitragsverordnung vom 23. Oktober 20134 für die Jahre 2019­2021 um 300 auf 2100 Franken je Hektare. Vom 1. Januar 2019 bis zum Ende des Zuckerjahres 2020/21 Ende September 2021 gilt zudem gemäss Agrareinfuhrverordnung ein Mindestgrenzschutz von 7 Franken je 100 kg Zucker. Mit den befristeten Massnahmen räumte der Bundesrat der Schweizer Zuckerwirtschaft drei Jahre ein, um ihre Wettbewerbsfähigkeit weiter zu verbessern. Zudem leistet die Schweizer Zuckerwirtschaft einen Beitrag, indem sie zur Stützung der Zuckerrübenpreise dafür gebildete 4

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Reserven auflöst und eine Betriebswirtschaftsstudie Schweizer Zucker5 erarbeiten lassen hat.

Direktzahlungsberechtigte Betriebe in der Talzone erhalten für die Bewirtschaftung ihrer Ackerflächen Versorgungssicherheitsbeiträge von 1300 Franken je Hektare. Für den Anbau von Zuckerrüben zur Zuckerherstellung kommt der Einzelkulturbeitrag hinzu, der bis 2021 2100 Franken beträgt und nach geltendem Recht ab 2022 wieder auf 1800 Franken je Hektare sinken wird. Ausgehend von einem Einzelkulturbeitrag von 2100 Franken pro Hektare und Jahr sind derzeit je nach Bodenbearbeitung und Herbizideinsatz Beitragssummen bis 5250 Franken je Hektare und Jahr möglich.

Aktuelle Beiträge für Zuckerrüben zur Zuckerherstellung (in Franken pro Hektare und Jahr)

Versorgungssicherheits-Basisbeitrag Beitrag für offene Ackerfläche und Dauerkulturen Einzelkulturbeitrag

Anbausystem ÖLN

ÖLN + Zusatzmassnahmen

Bio

900

900

900

400 2 100

400 2 100

400 2 100

250 200 150 200

250 200 150

reduzierte Bodenbearbeitung Direktsaat oder Streifenfrässaat oder Mulchsaat Zusatzbeitrag für Herbizidverzicht

reduzierter Herbizideinsatz nur mechanische Unkrautbekämpfung zwischen den Reihen ab 4-Blatt-Stadium oder 200 ab Saat oder 400 vollständiger Verzicht auf Herbizide 800 Verzicht auf Fungizide und Insektizide Beitrag für die biologische Landwirtschaft offene Ackerfläche ohne Spezialkulturen Total

400

400 1 200

3 400

3 550 bis 5 050

5 000 bis 5 250

Quellen: Direktzahlungs- und Einzelkulturbeitragsverordnung

Die Zuckerrübenproduktion in der Schweiz ist eine Vertragsproduktion zwischen der einzigen Zuckerherstellerin, der Schweizer Zucker AG, und 4200 Zuckerrübenpflanzern. Im Jahr 2019 verarbeitete die Schweizer Zucker AG in den beiden Werken Aarberg und Frauenfeld insgesamt 1,65 Millionen Tonnen Zuckerrüben zu 240 000 Tonnen Zucker. Für 2020 erwartet die Schweizer Zucker AG Rohstoff aus einer gegenüber dem Vorjahr nahezu unveränderten Zuckerrübenfläche von 17 900 Hektaren.

Davon werden etwa 1100 Hektaren nach den Richtlinien der Labelorganisation IPSuisse und 150 Hektaren biologisch kultiviert. Gemäss den IP-Suisse-Richtlinien für 5

www.svz-fsb.ch/de/publikationen/medienmitteilungen/39-betriebswirtschaftsstudieschweizer-zucker.html.

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den Zuckerrübenanbau ist die Anwendung von Fungiziden und Insektiziden nicht erlaubt und nach Möglichkeit soll die Unkrautregulierung mechanisch erfolgen. Im biologischen Anbau können Stoffe, die nicht pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder mineralischen Ursprungs und nicht mit ihrer natürlichen Form identisch sind, nur zugelassen werden, wenn in ihren Verwendungsbedingungen jeglicher Kontakt mit den essbaren Teilen der Pflanzen ausgeschlossen wird. Der Einsatz von Herbiziden zur Unkrautbekämpfung ist im biologischen Anbau nicht erlaubt.

In Ermangelung eines ausreichenden Angebots an inländischen Zuckerrüben aus biologischem und konventionellem Anbau zur Auslastung ihrer Zuckerfabriken sowie zur Belieferung ihrer Kunden importiert die Schweizer Zucker AG sowohl Zuckerrüben als auch Zuckersirup und Zucker. Zuckerrüben können frei von Grenzabgaben eingeführt und sowohl Zucker als auch Nebenprodukte zu Futterzwecken können auf mit Grenzabgaben geschützten Märkten abgesetzt werden. Zucker wird zu 85 Prozent von der nachgelagerten Lebensmittelwirtschaft weiterverarbeitet. Bedeutende Abnehmer sind u. a. Hersteller von Zuckerwaren, Schokolade und Energy-Drinks. In allen drei Wirtschaftszweigen übertreffen die Exporte die Importe sowohl mengen- als auch wertmässig. So belief sich der Importwert dieser drei Verarbeitungsproduktgruppen 2019 auf knapp 0,5 Milliarden, der Exportwert auf 2,8 Milliarden Franken.

Quelle: EZV

Der lebensmittelverarbeitende Sektor beschäftigt umgerechnet auf Vollzeitäquivalente (VZÄ) insgesamt rund 82 000 Mitarbeitende. Standortbedingte Kostennachteile wie höhere Zuckerpreise gegenüber Mitbewerbern im benachbarten Ausland könnten sich über Marktanteilsverluste auf die Zahl der Arbeitsplätze von Zuckerverarbeitern in der Schweiz auswirken.

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Wirtschaftszweig

Anzahl Beschäftigte in VZÄ (2017)

Anteil an Gesamtbeschäftigung im Sektor

Herstellung von Backwaren Schlachten und Fleischverarbeitung Herstellung von sonstigen Nahrungsmitteln sonstige Milchverarbeitung

26 694 14 763 8 236 6 779

32,7 % 18,1 % 10,1 % 8,3 %

5 063 3 966 3 856 3 519

6,2 % 4,9 % 4,7 % 4,3 %

1 760

2,2 %

1 722 1 388 4 009

2,1 % 1,7 % 4,9 %

Herstellung von Kakao- und Schokoladeerzeugnissen Herstellung von anderen Getränken Herstellung von Käse Verarbeitung von Kaffee und Tee Herstellung von Erfrischungsgetränken Verarbeitung von Kartoffel, Obst und Gemüse Herstellung von Zuckerwaren Restliche (je unter 1,5%) Quelle: BFS Beschäftigungsstatistik

Für Waren, die zur Veredelung vorübergehend in die Schweiz eingeführt werden, ist gemäss Zollrecht das Verfahren der aktiven Veredelung anwendbar. Dieses beinhaltet das Nichterhebungs- und das Rückerstattungsverfahren. Im Nichterhebungsverfahren werden die Zollabgaben bis zur Wiederausfuhr ausgesetzt, im Rückerstattungsverfahren werden die bei der Einfuhr erhobenen Abgaben beim Export zurückerstattet. Demselben Mechanismus unterliegen die von der Pflichtlagerorganisation erhobenen Garantiefondsbeiträge zur Pflichtlagerfinanzierung. Zucker ist gut lagerfähig; für die Bedarfsdeckung von drei Monaten liegen rund 55 000 Tonnen an Pflichtlager. Der Pflichtlagerorganisation sind mit dem Antrag auf Rückerstattung des Garantiefondsbeitrags entsprechende Importnachweise vorzulegen, damit für exportierten Zucker keine Rückerstattungen über die entrichteten Importabgaben hinaus geleistet werden.

Inländische Hersteller von landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnissen können entscheiden, ob sie gestützt auf das Markenschutzgesetz vom 28. August 19926 die Voraussetzungen für die Auslobung mit der Herkunft Schweiz erfüllen wollen. Ohne Herkunftsauslobung kann importierter Zucker oder Zucker, der aus importierten oder inländischen Zuckerrüben oder aus importiertem Zuckersirup hergestellt wurde, verwendet werden. Insbesondere für kleinere Unternehmen entsteht ein relativ grosser Mehraufwand für die Warenflusstrennung, wenn im selben Betrieb Importzucker und Schweizer Zucker verarbeitet wird. Ihre Position in Preisverhandlungen mit der Schweizer Zucker AG dürfte gegenüber Grosskunden, die ohne Zusatzinvestitionen auf Importzucker ausweichen können, ungleich schwächer ausfallen.

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2.2

Handlungsbedarf und Ziele: Erwägungen der Kommission

Seit 2005 gilt im Rahmen der bilateralen Abkommen die oben erläuterte sogenannte Doppelnulllösung, wonach auf Zucker in verarbeiteten Nahrungsmitteln im Handel zwischen der Schweiz und der EU weder Zölle erhoben noch Rückerstattungen gewährt werden. Die bei Einführung dieses Systems geltenden Rahmenbedingungen haben sich seitdem allerdings vollkommen verändert: Per Ende September 2017 schaffte die EU die geltende Quotenregelung ab und gab die Produktionsmengen frei; gleichzeitig wurde die Exportbeschränkung aufgehoben. In der EU sanken die Preise daraufhin beträchtlich, sodass sie von der Zuckernettoimporteurin zur Nettoexporteurin wurde. Dies wirkte sich auch auf den Zuckerpreis in der Schweiz aus, wo die Frankenstärke Zuckerimporte zusätzlich verbilligte.

Vor diesem Hintergrund fürchtet die Kommission um die Zuckerrüben- und die Zuckerproduktion in der Schweiz. Sie argumentiert, die EU könne viel günstiger produzieren als die Schweiz, zudem wirkten sich die veränderten Voraussetzungen in der EU auch auf den Weltmarktpreis aus. Der entstandene Preisdruck ist in ihren Augen so gross, dass die inländische Zuckerproduktion nicht mehr sichergestellt ist. Die Kommission geht davon aus, ohne Gegensteuer müssten die Zuckerfabriken schliesslich mangels Rentabilität schliessen. Entsprechend hält sie die von einer inländischen Zuckerherstellung ausgehende Versorgungssicherheit für gefährdet. Zweck der Vorlage ist es deshalb, die Wertschöpfungskette mit ihren Arbeitsplätzen zu erhalten, und zwar vom Zuckerrübenanbau bis zur Verarbeitung in den Zuckerfabriken. Weil die Zuckerherstellung ein Massengeschäft mit hohen Fixkosten darstellt, erfordert die kostenoptimierte Zuckerproduktion die Auslastung der installierten Verarbeitungskapazitäten; nur so können die Grösseneffekte realisiert werden.

Angesichts der unbestrittenen Herausforderungen, vor denen die Zuckerwirtschaft steht, hatte der Bundesrat einerseits für die Zeit zwischen dem 1. Januar 2019 und dem 31. Dezember 2021 eine Erhöhung des Einzelkulturbeitrags für Zuckerrüben zur Zuckerherstellung von 1800 auf 2100 Franken pro Hektare und Jahr und andererseits für die Zeit vom 1. Januar 2019 bis zum 30. September 2021 einen Grenzschutz von mindestens 70 Franken pro Tonne beschlossen. Damit sollte die Branche Spielraum für eine Restrukturierung erhalten. Diese
temporären Massnahmen des Bundesrates haben sich in den Augen der Kommission bewährt und der gesamten Zuckerwirtschaft ­ von den Rübenpflanzern bis zu den Zuckerfabriken ­ das Überleben gesichert. Sie möchte diese Massnahmen deshalb nun differenziert weiterführen, denn sie ist der Meinung, ohne Unterstützung könne die Zuckerbranche in der Schweiz nicht fortbestehen. Die Kommission möchte eine genügend hohe Entschädigung für die Rübenpflanzer auf Gesetzesstufe verankern. Gleichzeitig will sie aber den ökologischen Anbau von Zuckerrüben deutlich stärker als bisher unterstützen und die Beiträge deshalb abhängig von der Anbaumethode abstufen. Sie hält auch einen moderaten Grenzschutz für unabdingbar. Anders könne die Zuckerproduktion in der Schweiz nicht aufrechterhalten werden.

Beim Grenzschutz sieht die Kommission deshalb vor, den heute auf Verordnungsstufe festgeschriebenen Mindestgrenzschutz von 70 Franken pro Tonne Zucker im Landwirtschaftsgesetz zu verankern.

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Bezüglich der Einzelkulturbeiträge will die Kommission biologisch oder mit reduziertem Pflanzenschutzmitteleinsatz angebaute Zuckerrüben neu stärker fördern als solche, die gemäss ökologischem Leistungsnachweis (ÖLN) angebaut werden. Die Positionen in Bezug auf die Höhe des auszurichtenden Einzelkulturbeitrags sind dabei allerdings unterschiedlich: Die Mehrheit ist der Meinung, wolle man insbesondere die Probleme mit Abbauprodukten von Pflanzenschutzmitteln in den Gewässern lösen, brauche es einen beschleunigten ökologischen Umbau der Landwirtschaft. Gerade der Zuckerrübenanbau sei in dieser Hinsicht ökologisch bedenklich und der Preis für die Steuerzahlenden im Vergleich zum ökologischen Schaden, der dadurch angerichtet werde, zu hoch. Sie will deshalb den Einzelkulturbeitrag für Zuckerrüben gegenüber heute von 2100 auf 1500 Franken pro Hektare und Jahr reduzieren, sieht dafür aber für biologisch angebaute Zuckerrüben einen Zuschlag von 700 Franken pro Hektare und Jahr und für fungizid- und insektizidfrei angebaute Zuckerrüben einen solchen von 500 Franken vor. Dies entspricht in ihren Augen der Stossrichtung der Agrarpolitik der letzten Jahre, welche die ausgerichteten Gelder stärker an konkrete Leistungen der Landwirtschaft gebunden hat. Die Minderheit beantragt hingegen, dass der Zuckerrübenanbau nach ÖLN weiterhin mit 2100 Franken pro Hektare und Jahr abzugelten sei, während für nach den Richtlinien des Biolandbaus oder der integrierten Produktion erzeugte Zuckerrüben ein Betrag von 2300 Franken pro Hektare und Jahr gelten soll. Sie ist der Ansicht, mit tieferen als den bisherigen Einzelkulturbeiträgen könne die Anbaufläche nicht gehalten und die für die Auslastung von zwei Zuckerfabriken nötige Zuckerrübenmenge nicht erreicht werden.

Die Kommission ist der Ansicht, mit ihrer Vorlage die Zuckerproduktion in der Schweiz stärken zu können. Mit dem höheren und nach Anbaumethode differenzierten Beitrag für biologisch bzw. fungizid- und insektizidfrei produzierte Zuckerrüben fördert sie zudem eine ökologische Anbauweise dieser heiklen Kultur und trägt damit dem verbreiteten Anliegen nach reduziertem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln Rechnung.

2.3

Vernehmlassungsverfahren

Vom 11. September bis zum 11. Dezember 2020 führte die Kommission eine Vernehmlassung zu ihrem Vorentwurf durch. Insgesamt wurden 104 Adressaten zur Stellungnahme eingeladen. Geantwortet haben alle Kantone ausser Freiburg, Graubünden und Schwyz, sechs politische Parteien (CVP, FDP, GPS, GLP, SVP und SPS), der Schweizerische Gemeindeverband sowie der Schweizerische Städteverband, ausserdem die folgenden gesamtschweizerischen Dachverbände der Wirtschaft: economiesuisse, Schweizer Bauernverband (SBV) sowie Schweizerischer Gewerkschaftsbund.

Weitere 42 Stellungnahmen wurden von Umwelt- und Branchenorganisationen, Verbänden und Unternehmen abgegeben7.

Eine Mehrheit der Kantone unterstützt die Stossrichtung der parlamentarischen Initiative 15.479. Begrüsst wird insbesondere, dass Stützungsmassnahmen zum Erhalt der 7

Ergebnisbericht und eingegangene Stellungnahmen unter folgendem Link: www.fedlex.admin.ch/de/consultation-procedures/ended/2020#PK.

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Zuckerrübenanbaufläche und der Zuckerherstellung und damit der Versorgungssicherheit und der Arbeitsplätze vorgeschlagen werden. Einige Kantone fordern allerdings, Zollansätze und Beitragssätze seien stufengerecht auf Verordnungsebene festzulegen, andere wiederum schlagen vor, die künftige Stützung der Zuckerwirtschaft im Rahmen der AP22+ zu bestimmen und bis dahin nötigenfalls die aktuellen Stützungen zu verlängern.

Die Meinungen der politischen Parteien sind geteilt. Für die GLP ist der konventionelle intensive Rübenanbau wirtschaftlich und ökologisch nicht sinnvoll, für die GPS ist die Vorlage weder eine ausreichende Antwort auf die strukturellen Probleme der Zuckerwirtschaft noch sei sie stufengerecht ­ bis zu den flexiblen und differenzierten Produktionssystembeiträgen der AP22+ solle mit Verordnungsänderungen gearbeitet werden. Die FDP lehnt die Vorlage ab, weil Ausführungen zur Verbesserung der Auslastung und Konsolidierung der Fabrikstandorte fehlten, und fordert eine agrarpolitische Gesamtschau. SVP, SPS und CVP unterstützen die Vorlage mit Verweis auf den Versorgungsauftrag, den Erhalt von Arbeitsplätzen vornehmlich in den Zuckerfabriken oder eine Kreislaufwirtschaft mit kurzen Wegen. Die CVP würde allerdings eine vom Bundesrat ausgearbeitete Strategie mit weniger weitreichenden Massnahmen begrüssen.

Bäuerliche Kreise und Organisationen der ersten Verarbeitungsstufe begrüssen das Vorhaben der Kommission grundsätzlich, eine Abstufung des Einzelkulturbeitrags nach Produktionsrichtung sei indes systemfremd. Der ökologische Anbau werde über andere Instrumente wie die Produktionssystembeiträge gefördert; deren Stärkung im Rahmen der AP22+ wird unterstützt. Verschiedene Organisationen sind der Meinung, eine starre Regelung im LwG werde den Herausforderungen nicht gerecht, die Zeit bis zur Umsetzung der AP22+ solle vielmehr mit Verordnungsänderungen überbrückt werden.

Insbesondere Verbände der Gesamtwirtschaft, der zweiten Verarbeitungsstufe und des Dienstleistungssektors führen an, der bereits bestehende agrarpolitisch bedingte Rohstoffpreisnachteil schwäche die Wettbewerbsfähigkeit des Produktionsstandorts Schweiz. Teilweise wird Reformbedarf in Bezug auf Mehrwertstrategie, Kostensenkung, Forschung, Marketing und politische Rahmenbedingungen geortet und festgehalten, die Festschreibung von
Zoll- und Beitragsansätzen in Verordnungen wäre ausreichend und flexibler.

Mehrere Umweltorganisationen fordern schliesslich ein gesamtheitliches Konzept für den Zuckerrübenanbau und die Zuckerpolitik. Die Zwei-Werk-Strategie führe zu produktionsseitigem Druck und schaffe Sachzwänge. Gegenüber dem intensiven konventionellen Zuckerrübenanbau aufgrund von Pestizideinsatz, Erosion und Bodenverdichtung werden ökologische Vorbehalte geäussert.

3

Grundzüge der Vorlage

Der Zuckerrübenpreis soll auch in Zukunft gestützt werden, wobei die vom Bundesrat befristet auf die Jahre 2019­2021 beschlossenen Stützungserhöhungen zugunsten eines ökologischeren Zuckerrübenanbaus umgestaltet werden sollen. Gemäss Vorlage

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soll der Mindestgrenzschutz ab 1. Oktober 2021 unbefristet fortgeführt und der Einzelkulturbeitrag ab 2022 auf 1500 Franken pro Hektare und Jahr gesenkt werden.

Gleichzeitig sollen Zuschläge für den biologischen (700 Franken pro Hektare und Jahr) und den fungizid- und insektizidfreien Zuckerrübenanbau (500 Franken) ausgerichtet werden. Eine Minderheit möchte die vom Bundesrat befristeten Massnahmen zeitlich unbeschränkt weiterführen und für den Zuckerrübenanbau nach den Anforderungen des biologischen Landbaus oder nach den Richtlinien der integrierten Produktion einen Zuschlag zum Einzelkulturbeitrag von 200 Franken pro Hektare und Jahr ausrichten. Zwei Artikel des Landwirtschaftsgesetzes vom 29. April 1998 (LwG) 8 sollen entsprechend ergänzt werden.

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Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

Art. 19 Abs. 1 und 2 LwG Artikel 19 wird um Absatz 2 ergänzt, der den aus Zollansatz und Garantiefondsbeitrag bestehenden Mindestgrenzschutz für Zucker regelt.

Im Vollzug sollen die Bestimmungen und die Praxis des bis Ende September 2021 in Artikel 5 der Agrareinfuhrverordnung festgelegten Mindestgrenzschutzes fortgesetzt werden. Somit überprüft das Bundesamt für Landwirtschaft die Zollansätze für Zucker der Tarifnummern 1701 und 1702 weiterhin monatlich und legt sie unter Berücksichtigung des Mindestgrenzschutzes in Anhang 1 Ziffer 18 der Agrareinfuhrverordnung so fest, dass die Preise für importierten Zucker zuzüglich Grenzschutz den Marktpreisen in der EU entsprechen. Die Garantiefondsbeiträge werden wie bis anhin basierend auf den Bestimmungen des Landesversorgungsgesetzes festgelegt.

Art. 54 Abs. 2bis LwG Ab 2022 soll der Einzelkulturbeitrag für Zuckerrüben zur Zuckerherstellung von 1800 auf 1500 Franken pro Hektare und Jahr gesenkt werden. Für den Anbau von Zuckerrüben zur Zuckerherstellung nach den Anforderungen für die biologische Produktion soll ein zusätzlicher Beitrag von 700 Franken bzw. beim Verzicht auf die Anwendung von Fungiziden und Insektiziden ein zusätzlicher Beitrag von 500 Franken pro Hektare und Jahr ausgerichtet werden. Die Voraussetzungen für die Zusatzbeiträge, die Verfahren, Kontrollen und Verwaltungssanktionen sollen in den Ausführungsbestimmungen definiert werden.

Eine Minderheit möchte den Einzelkulturbeitrag für Zuckerrüben zur Zuckerherstellung ebenfalls nach Anbausystem differenzieren. Im Anbau nach ÖLN soll jedoch weiterhin ein Einzelkulturbeitrag von 2100 Franken gelten, d. h. der nach Artikel 2 der Einzelkulturbeitragsverordnung für die Jahre 2019­2021 von 1800 Franken um 300 Franken auf 2100 Franken pro Hektare und Jahr erhöhte Beitrag soll beibehalten werden. Wer Zuckerrüben zur Zuckerherstellung ergänzend zum ÖLN nach den Richtlinien von IP-Suisse oder nach den Anforderungen an die biologische Produk-

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tion anbaut, soll zusätzlich 200 Franken pro Hektare und Jahr erhalten. Die Voraussetzungen für den Zusatzbeitrag, die Verfahren, Kontrollen und Verwaltungssanktionen sollen in den Ausführungsbestimmungen definiert werden. In Analogie zu Anhang 1 Ziffern 8.1 und 8.2 der Verordnung vom 23. Oktober 2013 9 über die Direktzahlungen an die Landwirtschaft sollen die Organisationen, welche Richtlinien erarbeiten können, die zu Zusatzbeiträgen berechtigen, sowie das Anerkennungsverfahren in der Verordnung aufgeführt werden.

5

Auswirkungen

5.1

Auswirkungen auf den Bund

Die zeitlich unbefristete Anwendung des Mindestgrenzschutzes für Zucker bewirkt in Phasen, in denen der aus der Differenz zwischen EU-Marktpreis und Weltmarktpreis ermittelte Grenzschutz unter 7 Franken je 100 kg zu liegen käme, höhere Grenzabgaben insbesondere zu Gunsten der Pflichtlagerorganisation. Die künftigen Mehreinnahmen des neu eingeführten Mindestgrenzschutzes lassen sich nicht abschätzen, da sich die Grenzschutzhöhe in einem Regime ohne Mindestgrenzschutz nicht vorhersehen lässt. Von den beim Import entrichteten Grenzabgaben werden zudem mehr als 50 Prozent beim Reexport des Zuckers zurückgefordert.

Mit der Reduktion des Einzelkulturbeitrags für Zuckerrüben zur Zuckerherstellung von 1800 Franken gegenüber der Botschaft vom 12. Februar 2020 10 zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik ab 2022 (AP22+) auf 1500 Franken pro Hektare und Jahr dürfte die Anbaufläche nach ÖLN sinken. Gleichzeitig dürfte die fungizid- und insektizidfrei bewirtschaftete Zuckerrübenfläche ansteigen, weil ergänzend zum Zuschlag von 500 Franken zum Einzelkulturbeitrag noch ein Ressourceneffizienzbeitrag von 400 Franken pro Hektare und Jahr ausgerichtet wird. Ebenfalls dürfte die nach den Anforderungen an die biologische Produktion kultivierte Zuckerrübenfläche ansteigen, da mit dem Zuschlag zum Einzelkulturbeitrag der Anreiz gegenüber heute leicht erhöht wird. Insgesamt dürfte der Finanzbedarf für die Einzelkulturbeiträge für Zuckerrüben zur Zuckerherstellung gegenüber der Botschaft AP22+ dennoch niedrigerer ausfallen.

In Abhängigkeit des Anstiegs der biologisch oder fungizid- und insektizidfrei bewirtschafteten Zuckerrübenfläche steigt der Mittelbedarf im Zahlungsrahmen Direktzahlungen.

Der Vorschlag der Minderheit stellt gegenüber der Botschaft AP22+ eine unbefristete Erhöhung des Einzelkulturbeitrags für Zuckerrüben zur Zuckerherstellung um 300 auf 2100 Franken je Hektare und Jahr dar. Bei Erreichung der von der Zuckerwirtschaft angestrebten Zuckerrübenanbaufläche von 20 000 Hektaren würde ab 2022 aus vorliegender Änderung ein zusätzlicher Mittelbedarf von 6 Millionen Franken pro Jahr resultieren.

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Es werden auf gegen 2000 Hektaren Zuckerrüben nach den Richtlinien von IP-Suisse und auf gegen 200 Hektaren Zuckerrüben nach den Anforderungen für die biologische Produktion angebaut werden, womit aus dem um 200 Franken je Hektare erhöhten Einzelkulturbeitrag für diese beiden Anbausysteme ein zusätzlicher Mittelbedarf von 0,44 Millionen Franken pro Jahr resultiert.

Der resultierende Finanzbedarf im Zahlungsrahmen Produktion und Absatz lässt sich durch eine Umlagerung innerhalb des Agrarbudgets oder über eine Plafonderhöhung decken.

Die vorgeschlagenen Massnahmen erfordern in der Einführungsphase einen personellen Mehraufwand, der aber mit den bestehenden Personalressourcen durch eine Priorisierung der Vollzugsaufgaben bewältigt werden kann.

5.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Für die Erhebung der Strukturdaten und die Ausrichtung der Beiträge direkt an die Landwirtinnen und Landwirte wenden die Kantone schweizweit fünf unterschiedliche IT-Systeme an. Eine Differenzierung des Einzelkulturbeitrags nach Anbausystem erfordert zusätzliche Anpassungen. Dies bedingt eine entsprechende Vorlaufzeit und die Bereitstellung zusätzlicher Finanzmittel. Lassen sich die IT-Anpassungen nicht mit ordentlichen Änderungen umsetzen, fällt der spezifische Aufwand umso grösser aus.

Gemeinden, urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete sind von den Änderungen nicht betroffen.

5.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Ein dauerhafter Mindestgrenzschutz für Zucker begünstigt über höhere Preise die erste Verarbeitungsstufe und die Zuckerrübenpflanzer zulasten der nachgelagerten Lebensmittelhersteller und der Endverbraucher in der Schweiz. Zudem verliert eine über den Grenzschutz geschützte Sparte tendenziell an Wettbewerbskraft. Lebensmittelhersteller, die zuckerhaltige Erzeugnisse mit der Herkunftsbezeichnung «Swissness» auszeichnen wollen, müssen die Anforderungen gemäss Markenschutzgesetz erfüllen. Dazu ist zumeist die Verwendung von Schweizer Zucker Bedingung, was der Schweizer Zucker AG eine Monopolstellung einräumt. Hingegen besteht bei Verzicht auf die Auslobung mit Herkunft Schweiz in der Rohstoffbeschaffung eine Wettbewerbssituation mit Importzucker.

Diese Situation manifestiert sich auf in- und ausländischen Märkten. Im Inland benachteiligt der Mindestgrenzschutz im Kontext des Protokolls Nr. 2 zwischen der Schweiz und der EU Schweizer Hersteller von landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnissen gegenüber Herstellern in der EU. Wie bis anhin werden die Endverbraucher bei Einkäufen in der Schweiz oder im grenznahen Ausland zwischen im Ausland und im Inland erzeugter Waren wählen können. Schweizer Lebensmittelhersteller 14 / 18

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könnten Marktanteilsverluste erleiden. Im Export bewirkt ein unbefristeter Mindestgrenzschutz für Zucker tendenziell höhere Preise für Zucker und zuckerhaltige Verarbeitungserzeugnisse aus der Schweiz. Die betroffenen Unternehmen haben die Wahl, höhere Kosten an die Endkonsumenten weiterzugeben, ihre Marge zu senken oder über den Preis des enthaltenen Zuckers zu verhandeln.

Am Markt stark verankerte Marken wie Hersteller von Schokolade oder EnergyDrinks, die im Export auf die Auslobung der Herkunftsangabe «Schweiz» verzichten, haben überdies die Möglichkeit, auf Importzucker auszuweichen und entgoltene Importabgaben beim Export zurückzufordern. Diese Wahlfreiheit könnte die Gesamtnachfrage nach im Inland erzeugtem Zucker senken. Eine geringere Auslastung der bestehenden Kapazitäten in den Zuckerfabriken würde sich nachteilig auf die Rentabilität der Schweizer Zucker AG auswirken.

Die Trennung der Warenflüsse für Zucker nach Herkunft verlangt von Zuckerverarbeitern zumeist Zusatzinvestitionen. Gleichwohl dürfte ein dauerhafter Mindestgrenzschutz eine Überprüfung der aktuellen Investitionsstrategie auslösen. Unternehmen werden abwägen, ob sie an der Auslobung der Schweizer Herkunft, an der Verarbeitung von Schweizer Zucker oder längerfristig am Produktionsstandort Schweiz festhalten.

Im Vergleich zum Zuckerrübenanbau nach ÖLN sinken die Erträge mit fungizid- und insektizidfreier oder biologischer Zuckerrübenproduktion. Ferner ist davon auszugehen, dass die gesamte Zuckerrübenfläche abnehmen wird. Erfolgt keine Kompensation der Minderproduktion durch Importrüben, wirkt sich dies in einer noch kürzeren Verarbeitungskampagne auf die beiden Zuckerfabriken und damit in höheren fixen Kosten je produzierte Zuckereinheit aus. Die von der Zuckerwirtschaft in Auftrag gegebene Betriebswirtschaftsstudie definierte denn auch die Verarbeitungsmenge zwischen 0,9 und 1,4 Millionen Tonnen Zuckerrüben als «No-Go-Zone», weil sie von einer Zuckerfabrik nicht bewältigt werden kann bzw. zu einer unwirtschaftlichen Auslastung von zwei Zuckerfabriken führt. Eine substanzielle Reduktion der inländischen Zuckerrübenproduktion könnte bewirken, dass die in der Verordnung über die Verwendung von schweizerischen Herkunftsangaben für Lebensmittel vom 2. September 201511 festgelegten Swissness-Selbstversorgungsgrade für Zuckerrüben
und Saccharose (Zucker) unter 50 Prozent sinken. Damit würde sich der für die Swissness-Auslobung von Verarbeitungsprodukten nötige Anteil Zucker schweizerischen Ursprungs halbieren. Dies würde die Monopolstellung der Schweizer Zucker AG für Schweizer Zucker schwächen, da für zuckerhaltige Erzeugnisse mit Herkunftsauslobung ein höherer Anteil an Importzucker verwendet werden könnte.

Der Vorschlag der Minderheit zielt darauf ab, die inländische Zuckerrübenproduktion wieder zu erhöhen. Damit könnten auch die Swissness-Selbstversorgungsgrade für Zuckerrüben und Saccharose über der Schwelle von 50 Prozent gehalten und die Monopolstellung der Schweizer Zucker AG für Schweizer Zucker gefestigt werden.

Aus der Optik Versorgungssicherheit ist es nahezu indifferent, ob ergänzend zum Pflichtlager eine oder zwei Zuckerfabriken in der Schweiz betrieben werden.

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SR 232.112.1

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5.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Der Pro-Kopf-Konsum von Zucker beträgt 40 kg pro Jahr. Zwar verteuert der Mindestgrenzschutz für Zucker in der Schweiz hergestellte zuckerhaltige Lebensmittel geringfügig, doch sind keine Auswirkungen auf den gesamten Zuckerkonsum zu erwarten, weil importierte zuckerhaltige Verarbeitungsprodukte nicht von der Erhöhung des Grenzschutzes betroffen sind.

5.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Zuckerrübe ist eine im Anbau anspruchsvolle, pflanzenschutzmittel-intensive Kultur. Der erhöhte Einzelkulturbeitrag für nach den Richtlinien der biologischen Landwirtschaft respektive der integrierten Produktion angebauten Zuckerrüben soll Anreize schaffen zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln.

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit

Die Änderungen stützen sich auf die Artikel 104 und 104a der Bundesverfassung12.

Diese räumen dem Bund weitgehende Befugnisse und Aufgaben im Bereich Agrarpolitik ein.

6.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage ist vereinbar mit den im geltenden WTO-Recht festgelegten Verpflichtungen der Schweiz in Bezug auf die Zollobergrenzen und die Limite produktionsgebundener Stützungsmassnahmen. Der Einzelkulturbeitrag ist an sich als erlaubte Subvention im Sinne des WTO-Landwirtschaftsabkommens zu verstehen. Hingegen ist es nicht ausgeschlossen, dass Handelspartner diese Massnahme als eine (indirekte) Subvention der verarbeiteten Produkte betrachten, welche möglicherweise als verbotene Exportsubvention oder Importsubstitutionssubvention zu betrachten wäre und folglich Anlass zu rechtlichen Schritten geben könnte. Unter der Bedingung, dass durch die Subvention ein Schaden für die einheimischen Produzenten entsteht, könnten zudem Handelspartner Ausgleichsmassnahmen erwägen. Die meisten Freihandelsabkommen der Schweiz, einschliesslich des Abkommens zwischen der Schweiz und der EU von 1972, enthalten auch Bestimmungen über Subventionen, die wettbewerbsschädigende Massnahmen verhindern sollen. Im Streitfall und je nach Vereinbarung sehen diese Bestimmungen Abhilfemassnahmen vor, die von Konsultationen über verschiedene Vorschriften bis hin zur Anwendung von zusätzlichen Zöllen reichen.

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SR 101

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6.3

Erlassform

Die Bundesverfassung legt in Artikel 163 Absatz 1 fest, dass die Bundesversammlung rechtsetzende Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes oder in der Form der Verordnung zu erlassen hat. Nach Artikel 164 Absatz 1 der Bundesverfassung und Artikel 22 Absatz 1 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 13 sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form eines Bundesgesetzes zu erlassen.

Die Vorlage beinhaltet wichtige rechtsetzende Bestimmungen.

6.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b der Bundesverfassung bedürfen Subventionsbestimmungen sowie Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder jedes der beiden Räte.

Artikel 54 LwG stellt die Rechtsgrundlage für Finanzhilfen im Zusammenhang mit der Produktion von Zuckerrüben dar. Neu sollen die Subventionssätze je Hektare gesetzlich verankert werden. Bei den Einzelkulturbeiträgen entstehen dadurch neue gebundene Ausgaben von mehr als 2 Millionen pro Jahr; Artikel 54 LwG muss daher der Ausgabenbremse unterstellt werden.

6.5

Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz

Die Vorlage tangiert die Aufgabenteilung oder die Aufgabenerfüllung durch Bund und Kantone nicht.

6.6

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Nach Artikel 4 des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 199014 beachten der Bundesrat und die Bundesverwaltung bei der Vorbereitung, dem Erlass und der Änderung von rechtsetzenden Bestimmungen über Finanzhilfen und Abgeltungen die Grundsätze des 2. Kapitels des Subventionsgesetzes.

Die Vorlage enthält Rechtsgrundlagen für Finanzhilfen, bei deren Erlass die Grundsätze dieses Kapitels des Subventionsgesetzes beachtet wurden.

Die Zuckerproduktion in der Schweiz leistet trotz ihrer Abhängigkeit von Importen an Zuckerrübensaatgut, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln einen Beitrag an die Versorgungssicherheit. Mit den unbefristeten Finanzhilfen soll einem weiteren Rückgang 13 14

SR 171.10 SR 616.1

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der Produktion von Zuckerrüben zur Zuckerherstellung und damit einer Verschlechterung der Auslastung der bestehenden Verarbeitungskapazitäten in Händen der Schweizer Zucker AG entgegengewirkt werden. Die finanzielle Steuerung erfolgt über den Zahlungsrahmen Produktion und Absatz. Mit der Ausrichtung der Finanzmittel über die Kantone direkt an die Zuckerrübenproduzentinnen und -produzenten ist eine effiziente Mittelverwendung gewährleistet.

6.7

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Mit der Vorlage werden keine neuen Rechtsetzungsbefugnisse an den Bundesrat delegiert.

6.8

Datenschutz

Nach Artikel 17 Absatz 1 des Datenschutzgesetzes vom 19. Juni 199215 ist für die Bearbeitung von Personendaten durch Bundesorgane eine gesetzliche Grundlage erforderlich. Besonders schützenswerte Personendaten dürfen nur bearbeitet werden, wenn dies in einem Gesetz im formellen Sinn ausdrücklich vorgesehen ist (Art. 17 Abs. 2 Datenschutzgesetz).

Die Vorlage beinhaltet keine Bearbeitung von Personendaten. Lediglich die Daten zum Erhalt der Finanzhilfen werden und wurden bereits bisher in Informationssystemen des Bundes bearbeitet. Da sich in diesen Informationssystemen Personendaten befinden, ist die Berechtigung zur Datenbearbeitung und zur Einsicht in die Daten auf Verordnungsstufe (in der Verordnung vom 23. Oktober 201316 über Informationssysteme im Bereich der Landwirtschaft) konkret geregelt; Rechtsgrundlage hierfür sind die Artikel 165c, 165d und 165e LwG. In der genannten Verordnung ist festgelegt, welche Stellen die Daten zu welchem Zweck bearbeiten oder abrufen dürfen.

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SR 235.1 SR 919.117.71

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