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21.401 Parlamentarische Initiative Anpassung der Ressourcen des Bundesstrafgerichtes Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates vom 20. Mai 2021

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zur Änderung einer Verordnung der Bundesversammlung. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

20. Mai 2021

Im Namen der Kommission Der Präsident: Beat Rieder

2021-1736

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Übersicht Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates beantragt, die Zahl der Stellen für ordentliche Richterinnen und Richter der Berufungskammer des Bundesstrafgerichtes auf vier Vollzeitstellen zu erhöhen. Mit dieser Aufstockung sollen die Ressourcen der neuen Berufungskammer, deren Bedarf deutlich über den ursprünglichen Schätzungen liegt, erhöht und die Rechtsgrundlagen dahingehend angepasst werden, dass eine zweite Stelle einer ordentlichen Richterin bzw. eines ordentlichen Richters deutscher Sprache schnell besetzt werden kann.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Ausgangslage

Das Parlament verabschiedete im März 2017 die Rechtsgrundlagen für die Schaffung einer Berufungskammer am Bundesstrafgericht (BStGer) in Bellinzona.1 Damit wurde das Prinzip des doppelten Instanzenzuges umgesetzt, welches bereits in kantonalen Strafverfahren galt. Fälle, die der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen, können somit seit dem 1. Januar 2019 ebenfalls von zwei Instanzen in formeller und materieller Hinsicht uneingeschränkt beurteilen werden.

Als die neue Berufungskammer geschaffen wurde, sah das Strafbehördenorganisationsgesetz vom 19. März 2010 (StBOG)2 in Artikel 38b vor, dass die Kammer in der Besetzung mit drei Richterinnen bzw. Richtern entscheidet. Der Änderungsentwurf der Verordnung über die Richterstellen am Bundesstrafgericht3 sah für die Berufungskammer höchstens zwei Vollzeitstellen für ordentliche Richterinnen und Richter sowie höchstens zehn nebenamtliche Richterinnen und Richter vor. Zudem sieht Artikel 55 Absatz 3 StBOG vor, dass die Richterinnen und Richter der Beschwerdekammern, soweit erforderlich, in der Berufungskammer aushelfen.

Die Gerichtskommission der Bundesversammlung bereitete in Einklang mit Artikel 40a des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (ParlG)4 die Wahl der neuen Richterinnen und Richter vor. Auf ihren Vorschlag wählte die Bundesversammlung in der Sommersession 2018 zwei ordentliche Richterinnen (eine deutsch- und eine italienischsprachige) und neun nebenamtliche Richterinnen und Richter.5 Mangels geeigneter Bewerbungen wurde keine Person für die Stelle der ordentlichen Richterin bzw. des ordentlichen Richters französischer Sprache vorgeschlagen.

Um sicherzustellen, dass die ordentlichen Richterinnen und Richter alle drei Amtssprachen abdecken, beschloss die Kommission, den anfänglichen Beschäftigungsgrad der Richterin deutscher Sprache auf 80 Prozent und jenen der Richterin italienischer Sprache auf 50 Prozent festzulegen sowie die Stelle für eine französischsprachige Person mit den restlichen Stellenprozenten erneut auszuschreiben. Trotz zweier weiterer Ausschreibungen und verschiedener Anhörungen im Jahr 2018 fand die Gerichtskommission jedoch keine Person französischer Sprache, die über die nötige Erfahrung und die erforderlichen Kompetenzen verfügt, um in Bellinzona das Amt einer ordentlichen Richterin bzw. eines ordentlichen Richters in Teilzeitanstellung auszuüben. Vor diesem Hintergrund beschloss sie am 14. November 2018, die Kommissionen für

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BBl 2016 6199 SR 173.71 AS 2018 1187 SR 171.10 18.203 vbv Bundesstrafgericht. Wahl der Mitglieder der neuen Berufungskammer.

Bericht der Gerichtskommission der Bundesversammlung vom 30.5.2018.

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Rechtsfragen zu ersuchen, die Zahl der ordentlichen Richterstellen an der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts auf drei Stellen zu erhöhen6, um so eine dritte Vollzeitstelle ausschreiben zu können. Die Verordnung wurde unverzüglich geändert 7, sodass in der Frühjahrssession 2019 ein zusätzlicher Richter französischer Sprache mit einem Beschäftigungsgrad von 100 Prozent gewählt und der Beschäftigungsgrad der beiden bereits im Jahr zuvor gewählten Richterinnen auf 100 Prozent erhöht werden konnte. In der Sommersession 2020 ersetzte die Bundesversammlung die scheidende nebenamtliche Richterin italienischer Sprache durch zwei Personen, wodurch sich die Zahl der nebenamtlichen Richterinnen und Richter auf 10 erhöhte.

1.2

Gesetzgebungsbedarf und Zielsetzungen

In der Zusatzbotschaft des Bundesrates zur Schaffung einer Berufungskammer am Bundesstrafgericht8 wurde von elf Berufungsverfahren mit etwa doppelt so vielen Beschuldigten ausgegangen, weshalb der Bedarf ­ in Absprache mit dem Bundesstrafgericht ­ ursprünglich auf maximal zwei ordentliche Richterinnen bzw. Richter in Vollzeitpensum und höchstens zehn nebenamtliche Richterinnen und Richter geschätzt wurde.9 Nachdem die Berufungskammer am 1. Januar 2019 ihre Tätigkeit zunächst in reduziertem Umfang aufgenommen hatte, zeigte sich aber rasch, dass deren Arbeitslast höher war als erwartet: Im Jahr 2019 gingen bei der Kammer 35 Berufungen und 11 Revisionen ein. Demgegenüber bewegten sich im Jahr 2020 die anhängig gemachten Verfahren mit 23 Berufungen und 31 Revisionen im Rahmen der ursprünglichen Schätzung. Allerdings haben sich wegen der Pandemie die Eingänge aus der Vorinstanz verzögert, was durch die Anzahl der Eingänge gegen Ende Jahr belegt wird (im Dezember 2020 wurden 6 Berufungen anhängig gemacht). Ausserdem zeigten sich die Grenzen des Systems mit den nebenamtlichen Richterinnen und Richtern. Die Verfügbarkeit ­ und vor allem die Flexibilität ­ dieser Richterinnen und Richter ist durch deren hauptberufliche Tätigkeiten stark eingeschränkt, was zu grossen organisatorischen Problemen führt, wenn nicht auf dem Schriftweg entschieden werden kann. Aufgrund der bundesgerichtlichen Rechtsprechung werden aber Berufungsverfahren vermehrt mündlich durchgeführt.

Mit Schreiben vom 17. Juni 2020 teilte die Verwaltungskommission des BStGer der Gerichtskommission mit, dass die Ressourcen der Berufungskammer nicht ausreichen, um die tatsächliche Arbeitslast zu bewältigen, vor allem was die deutsche Sprache angeht. Sie ersuchte um die dringliche Schaffung einer weiteren Stelle deutscher Sprache und um die Möglichkeit, sich mittelfristig mit der Bitte um die Ausschreibung zweier weiterer Stellen direkt an die Gerichtskommission wenden zu können. Mit Schreiben vom 31. August 2020 hat die Verwaltungskommission des Bundesgerichts gegenüber der Gerichtskommission bestätigt, dass aufgrund der bisherigen Fallzahlen 6 7 8 9

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18.464 n pa. Iv. RK-N. Berufungskammer des Bundesstrafgerichtes.

Erhöhung bei den Vollzeitstellen.

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davon ausgegangen werden kann, dass zumindest eine zusätzliche Richterstelle deutscher Sprache langfristig notwendig sein wird. Sie hat dementsprechend das Gesuch für eine zusätzliche Richterstelle zugunsten der Berufungskammer unterstützt.

1.3

Parlamentarische Initiative

Gemäss Artikel 41 Absatz 1 StBOG10 umfasst das BStGer 15 bis 35 ordentliche Richterinnen und Richter. Gemäss Absatz 3 bestimmt die Bundesversammlung die Anzahl der Richterinnen und Richter in einer Verordnung. Die Verordnung der Bundesversammlung vom 13. Dezember 201311 über die Richterstellen am Bundesstrafgericht sieht vor, dass das BStGer gesamthaft höchstens 16 Vollzeitstellen für ordentliche Richterinnen und Richter in den Straf- und den Beschwerdekammern und höchstens drei Vollzeitstellen für ordentliche Richterinnen und Richter in der Berufungskammer umfasst.

Da die Gerichtskommission selbst über keine Gesetzgebungskompetenzen verfügt, leitete sie das Gesuch der Verwaltungskommission des BStGer am 10. August 2020 und die Stellungnahme des Bundesgerichts am 25. September 2020 an die Kommissionen für Rechtsfragen weiter.

Nach der Kenntnisnahme des Schreibens der Gerichtskommission und der knappen Ablehnung (mit 13 zu 12 Stimmen am 5. November 2020) des Gesuchs durch die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates entschied die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates am 11. November 2020, sich vor der Beschlussfassung genauer über die Arbeitslast der Berufungskammer zu informieren. So hörte sie am 28. Januar 2021 den Präsidenten der Berufungskammer an, welcher insbesondere mitteilte, dass im Jahr 2020 54 neue Dossiers eingegangen waren, die Hälfte davon in deutscher Sprache (sogar 13 der 23 Berufungsverfahren waren auf Deutsch). Angesichts des ausgewiesenen Bedürfnisses in dieser Sprache beschloss die Kommission einstimmig, eine parlamentarische Initiative zur Änderung der Verordnung der Bundesversammlung über die Richterstellen am BStGer einzureichen. Mit 6 zu 3 Stimmen sprach sie sich dafür aus, dass die Zahl der Stellen für ordentliche Richterinnen und Richter an der Berufungskammer des BStGer auf vier (und nicht auf sechs) Vollzeitstellen festgelegt wird. Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates stimmte diesem Beschluss am 26. März 2021 mit 23 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung zu.

Die Kommission konnte somit den Verordnungsentwurf ausarbeiten und nahm diesen am 20. Mai 2021 mit 10 zu 0 Stimmen bei 0 Enthaltung an. Gestützt auf Artikel 112 Absatz 1 des Parlamentsgesetzes12 wurde die Kommission bei ihren Arbeiten vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement unterstützt.

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SR 173.71 SR 173.713.150 SR 171.10

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Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Ziff. I Art. 1 Die Anzahl der Stellen für ordentliche Richterinnen und Richter in der Berufungskammer des BStGer wird neu auf maximal vier Vollzeitstellen festgelegt. Diese vier Vollzeitstellen können auf mehr als vier Richterinnen und Richter verteilt werden, weil die richterliche Tätigkeit am BStGer auch in Teilzeit ausgeübt werden kann (Art. 46 Abs. 1 StBOG13).

Ziff. II Die Änderung der Verordnung untersteht nicht dem Referendum und kann nach der Annahme durch die Räte in Kraft treten.

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Auswirkungen

Der Lohn der Richterinnen und Richter des Bundesstrafgerichtes entspricht dem Höchstbetrag der Lohnklasse 33 nach Artikel 36 der Bundespersonalverordnung.14 Der Höchstbetrag gilt für Personen, welche das 45. Altersjahr vollendet haben oder im laufenden Kalenderjahr vollenden (Kriterium des Alters) und welche die Richterfunktion nach der Richterverordnung oder hauptamtlich an einem kantonalen oberen Gericht oder eine leitende Funktion in der Strafverfolgung mindestens 48 Monate ausgeübt haben (Kriterium der Erfahrung).15 Im Jahr 2021 beträgt die Bruttojahresbesoldung für Personen, die keines der beiden Kriterien erfüllen, 207 040 Franken, für Personen, die eines der beiden Kriterien erfüllen, 225 309 Franken, und für Personen, die beide Kriterien erfüllen, 243 577 Franken.16

4

Rechtliche Grundlagen

4.1

Rechtmässigkeit

Die Zuständigkeit der Bundesversammlung für den Entscheid über diese Aufstockung stützt sich auf Artikel 41 Absatz 3 StBOG17. Dieser sieht vor, dass die Bundesversammlung die Anzahl der Richterinnen und Richter des Bundesstrafgerichtes bestimmt. Gemäss Artikel 41 Absatz 1 StBOG umfasst das Bundesstrafgericht zwischen 15 und 35 ordentliche Richterinnen und Richter. Die Bundesversammlung ist somit

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SR 173.71 Verordnung der Bundesversammlung über das Arbeitsverhältnis und die Besoldung der Richter und Richterinnen des Bundesverwaltungsgerichts, der ordentlichen Richter und Richterinnen des Bundesstrafgerichts und der hauptamtlichen Richter und Richterinnen des Bundespatentgerichts (Richterverordnung, SR 173.711.2), Art. 5 Abs. 1.

Richterverordnung, Art. 5 Abs. 2 Richterverordnung, Art. 5 Abs. 3 SR 173.71

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berechtigt, eine andere Zahl festzulegen, sofern diese zwischen 15 und 35 liegt. Derzeit gehören den drei Kammern des Bundesstrafgerichts insgesamt 20 Richterinnen und Richter mit 18,1 Vollzeitäquivalenten an.

4.2

Erlassform

Gemäss Artikel 41 Absatz 3 StBOG18 bestimmt die Bundesversammlung die Anzahl Richterstellen in einer Verordnung.

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