BBl 2021 www.bundesrecht.admin.ch Massgebend ist die signierte elektronische Fassung

21.008 Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2020 einschliesslich Botschaften zu Wirtschaftsvereinbarungen sowie Bericht über zolltarifarische Massnahmen im Jahr 2020 vom 20. Januar 2021

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Gestützt auf Artikel 10 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über aussenwirtschaftliche Massnahmen erstatten wir Ihnen Bericht über die Aussenwirtschaftspolitik 2020. Wir beantragen Ihnen, von diesem Bericht und seinen Beilagen (Ziff. 9.1.1­ 9.1.8) Kenntnis zu nehmen.

Gleichzeitig unterbreiten wir Ihnen gestützt auf Artikel 10 Absatz 3 des Bundesgesetzes über aussenwirtschaftliche Massnahmen, mit je einer Botschaft und mit dem Antrag auf Zustimmung, folgende Entwürfe von Bundesbeschlüssen zur Genehmigung (Ziff. 9.2.1 und 9.2.2): ­

Bundesbeschluss über die Genehmigung der Beschlüsse zur Änderung der EFTA-Konvention für die übergangsweise bilaterale Anwendung der Änderung des Regionalen Übereinkommens über Pan-Europa-Mittelmeer-Präferenzursprungsregeln (PEM-Übereinkommen) und über die Ermächtigung des Bundesrates zur Genehmigung der Änderungen weiterer internationaler Abkommen im Zusammenhang mit dem PEM-Übereinkommen.

­

Bundesbeschluss über die Genehmigung der Änderung der Liste LIX­ Schweiz­Liechtenstein bezüglich Würzfleisch.

Zudem unterbreiten wir Ihnen den Bericht über zolltarifarische Massnahmen im Jahr 2020 sowie, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Bundesschlusses über die Genehmigung zolltarifarischer Massnahmen (Ziff. 9.2.3), in Anwendung von Artikel 10 Absatz 4 des Bundesgesetzes über aussenwirtschaftliche Massnahmen sowie gestützt auf Artikel 13 Absätze 1 und 2 des Zolltarifgesetzes vom 9. Oktober 1986, auf Artikel 6a des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 1974 über die Ein- und Ausfuhr von Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten und auf Artikel 4 Absatz 2 des Zollpräferenzengesetzes vom 9. Oktober 1981.

2021-0221

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Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

20. Januar 2021

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Guy Parmelin Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Gesamtübersicht Die Weltwirtschaft in der Pandemie Die schweizerische Wirtschaft war im Berichtsjahr stark betroffen von der Covid-19Pandemie und den weltweit ergriffenen staatlichen Massnahmen zu deren Eindämmung. Die Auswirkungen dieser Massnahmen auf die Weltwirtschaft und den internationalen Handel geben Anlass zur Sorge. So erlebte die Schweiz im Verlauf des Berichtsjahres wie die meisten Länder eine tiefe Rezession, deren weiterer Verlauf ungewiss bleibt.

Trotz dieser ernsten Lage konnte die Schweiz die Covid-19-Krise aus wirtschaftlicher Sicht bislang im internationalen Vergleich gut bewältigen. Die von Bund, Kantonen und Gemeinden ergriffenen Massnahmen zur Stützung der Binnenwirtschaft und insbesondere des Arbeitsmarktes wirkten einem noch schwereren Verlauf des wirtschaftlichen Einbruches entgegen. Durch schnell und pragmatisch gesprochene finanzielle Mittel konnten Liquiditätsengpässe vieler Unternehmen verhindert werden. Das bewährte Instrument der Kurzarbeit trug zudem entscheidend zur Verhinderung einer Entlassungswelle bei. Es zeigte sich überdies, dass der für die Schweiz und ihren Wohlstand zentrale internationale Handel und die grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten funktionierten. So kam es zu keinem Zeitpunkt zu ernsthaften Versorgungslücken. Kurzzeitige Schwierigkeiten bei der Abwicklung einzelner Lieferungen medizinischer Schutzausrüstung zu Beginn der ersten Welle konnten durch gezielte Interventionen der schweizerischen Handelsdiplomatie gelöst werden, bevor sie sich negativ auswirkten. Die Bedeutung offener Märkte und des regelbasierten internationalen Handelssystems für die Schweiz zeigte sich gerade im Angesicht dieser in ihrer Tiefe und internationalen Parallelität einzigartigen Krise. Das Schwerpunktkapitel dieses Berichts (Ziff. 1) ist der schweizerischen Aussenwirtschaft und den globalen Wertschöpfungsketten vor diesem Hintergrund gewidmet.

Gleichzeitig sind viele sich abzeichnende Phänomene und Trends in der Weltwirtschaft nicht neu, sondern unterstreichen und verstärken bereits früher bestehende Tendenzen. Einerseits wurde die Bedeutung digitaler Technologien und Infrastrukturen im Berichtsjahr deutlicher denn je. Angesichts einschneidender staatlicher Einschränkungen der Reise- und Bewegungsfreiheit und der Betriebe zeigte sich, dass weite Teile der
wirtschaftlichen Tätigkeiten mittels digitaler Arbeits- und Kommunikationsformen auch unter erheblich erschwerten Bedingungen weitergeführt werden konnten. Dies gilt insbesondere für weite Teile des Dienstleistungssektors wie auch für die öffentliche Verwaltung. Entsprechend trat auch die Bedeutung wichtiger regulatorischer Fragen hinsichtlich der Nutzung dieser Technologien, etwa betreffend den Datenschutz und die Cybersicherheit, in den Vordergrund.

Diese positiven Effekte der digitalen Transformation kontrastierten mit einer Verschärfung von sich bereits seit Jahren abzeichnenden Tendenzen hin zu industriepolitischen Eingriffen, der Beschränkung des internationalen Handels und einer Schwächung der multilateralen Institutionen. Diese Tendenzen liessen sich in allen Teilen der Welt feststellen und verstärkten sich angesichts der Konsequenzen der Covid-19Krise deutlich. Für die Schweiz als mittelgrosse Volkswirtschaft mit vergleichsweise

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kleinem Binnenmarkt bleibt der möglichst diskriminierungsfreie, rechtlich abgesicherte und entwicklungsfähige Zugang zu ausländischen Märkten zentral, um ihren Wohlstand langfristig zu erhalten. Gleichzeitig bleibt sie, gerade als wettbewerbsfähiges Land mit hohem Spezialisierungsgrad, auch darauf angewiesen, ungehindert Waren und Vorleistungen aus dem Ausland beziehen zu können.

Der Bundesrat setzt sich dafür ein, dass die für die Schweiz essenziellen internationalen Wirtschaftsbeziehungen auch in Zukunft tragfähig sind ­ so wie sie sich im Verlauf des Berichtsjahres in einer aussergewöhnlichen Situation erwiesen haben.

Zielsetzung des Bundesrates für das Jahr 2020 Der Bundesrat setzte sich im Berichtsjahr weiter aktiv für den Erhalt und die Stärkung der regelbasierten multilateralen Welthandelsordnung sowie des bestehenden Netzes von bilateralen Handelsabkommen ein. Darüber hinaus wirkte er in allen Bereichen der Aussenwirtschaftspolitik darauf hin, dass die Auswirkungen der Covid-19-Krise sowohl auf die schweizerische Wirtschaft wie ­ damit unmittelbar zusammenhängend ­ die Weltwirtschaft soweit wie möglich abgemildert werden konnten. Insbesondere setzte sich der Bundesrat dafür ein, dass die wirtschaftliche Erholung im In- und Ausland nicht durch handels- und investitionsbeschränkende Massnahmen erschwert wird.

Über den Stand der Umsetzung aussenwirtschaftspolitischer Ziele wird der Bundesrat im Geschäftsbericht 2020 ausführlich berichten. Eine vorläufige Beurteilung der Aussenwirtschaftspolitik des Berichtsjahres deutet darauf hin, dass die Ziele trotz der aussergewöhnlichen Situation im Berichtsjahr weitgehend erreicht worden sind.

Wirtschaftslage und wirtschaftspolitische Entwicklungen weltweit Infolge der Covid-19-Pandemie und der Massnahmen zur Eindämmung des Virus kam es im Frühjahr international zu historischen Rückgängen der Bruttoinlandprodukte (BIP). Der Tiefpunkt dieser Entwicklung wurde in vielen Industrieländern im April erreicht. In der sektoralen Betrachtung unterscheidet sich die Covid-19-Krise bislang deutlich von früheren Rezessionen. Beispielsweise ging in der Finanzkrise 2009 vor allem die Nachfrage nach langlebigen Produkten zurück, so dass der globale Warenhandel und die Industrie überproportional von der Krise betroffen waren. Im ersten Halbjahr des Berichtsjahres
litten hingegen vor allem Dienstleistungsbranchen, die massgeblich durch gesundheitspolitisch motivierte Massnahmen eingeschränkt wurden. Entsprechend gingen die privaten Konsumausgaben, die üblicherweise zur Stabilisierung beitragen, international massiv zurück.

Mit der Lockerung der Eindämmungsmassnahmen und unterstützt durch umfangreiche Massnahmenpakete erholte sich die Wirtschaftsaktivität zur Jahresmitte hin verbreitet, wenngleich das Vorkrisenniveau in vielen Bereichen nicht wieder erreicht wurden. Im weiteren Verlauf büsste die Aufholbewegung aber an Schwung ein. Im Zuge steigender Ansteckungszahlen und teilweise verschärfter Massnahmen ist im Verlauf des Winters, insbesondere in vielen europäischen Ländern und den USA, mit einer schwachen Entwicklung der Wirtschaft zu rechnen. Dies wird auch die schweizerische Exportwirtschaft belasten. International sticht China heraus: Das Land war zu Jahresbeginn als erstes von der Covid-19-Krise betroffen, erholte sich anschliessend aber vergleichsweise schnell.

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Der weitere Konjunkturverlauf hängt entscheidend von der Entwicklung der CoronaPandemie und den entsprechenden Eindämmungsmassnahmen ab. Die Unsicherheit bleibt daher ausserordentlich gross.

Wirtschaftslage in der Schweiz Im 3. Quartal erholte sich das BIP der Schweiz stark (+7,2 %) und machte rund drei Viertel des massiven Einbruchs der ersten Jahreshälfte (kumuliert -8,6 %) wieder wett. Damit lag das BIP noch gut 2 % unter dem Vorkrisenniveau. Verglichen mit Deutschland und den übrigen Nachbarländern, wie beispielsweise auch mit den USA, wurden in der Schweiz insgesamt geringere Wertschöpfungsverluste verzeichnet. Sie schweizerische Wirtschaft ist bislang glimpflich durch die Krise gekommen.

Nach der relativ frühen und schnellen Lockerung der Covid-19-Massnahmen erholte sich die Binnennachfrage im 3. Quartal ähnlich stark wie das BIP insgesamt. Die Lage am Arbeitsmarkt stabilisierte sich. Die Anzahl der Stellensuchenden stieg nicht weiter, und die Kurzarbeit wurde deutlich abgebaut.

Die einzelnen Branchen profitierten allerdings in unterschiedlichem Ausmass von der Erholung. Dem Detailhandel und Teilen des Gastgewerbes kam zugute, dass die Sommerferien vielfach im Inland verbracht wurden. Einige Bereiche des Dienstleistungssektors waren stärker durch fortbestehende gesundheitspolitische Massnahmen eingeschränkt, wie etwa die Unterhaltungsbranche. Entsprechend war dort die Erholung etwas weniger kräftig. Die schwache internationale Reisetätigkeit belastete den Transportsektor und den Tourismus ­ die Zahl ausländischer Gäste verharrte auf tiefem Niveau. Auch im verarbeitenden Gewerbe bleiben die Vorkrisenstände unerreicht, obwohl im 3. Quartal eine substanzielle Gegenbewegung zu den Rückgängen des ersten Halbjahrs stattfand. Die konjunktursensitiven Industriebranchen litten unter der internationalen Wirtschaftslage: In den meisten grossen Volkswirtschaften lag das BIP, und damit auch die Nachfrage nach entsprechenden Exporten aus der Schweiz, noch deutlich unterhalb der Vorkrisenniveaus.

Im Verlauf des 3. Quartals büsste die Erholung der schweizerischen Wirtschaft an Schwung ein. Für das derzeit laufende 4. Quartal deuten die aktuell verfügbaren Hochfrequenzdaten unter anderem auf eine gewisse Abschwächung der Konsumdynamik hin. Die wieder angestiegene Zahl der Covid-19-Infektionen und die
resultierende Verschärfung der gesundheitspolizeilichen Massnahmen dämpfen die Entwicklung. Jedoch fand zumindest bis Mitte November kein erneuter Einbruch der Schweizer Konjunktur statt. Die weitere Entwicklung hängt massgeblich vom weiteren Verlauf der Covid-19-Pandemie und den damit verbundenen Massnahmen im In- und Ausland ab. Die Unsicherheit bleibt ausserordentlich gross.

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Übersicht über den Inhalt des Berichts zur Aussenwirtschaftspolitik 2020 und Ausblick auf 2021 Schwerpunktkapitel: Auswirkungen der Covid-19-Krise auf den internationalen Handel und die globalen Wertschöpfungsketten (Ziff. 1) Weltweit, wie auch in der Schweiz, sind Fragen der Versorgungssicherheit und die Rolle und Verlässlichkeit internationaler Wertschöpfungsketten Gegenstand breiter politischer Debatten geworden. Diese Zweifel an der internationalen Arbeitsteilung und der Leistungsfähigkeit offener Märkte reihen sich ein in bereits seit Längerem zu beobachtende, fragwürdige Tendenzen hin zu einer Beschränkung des internationalen Handels, industriepolitischen Eingriffen und Versuchen, grenzüberschreitende Produktionsprozesse in nationale Volkswirtschaften oder regionale Zusammenschlüsse zurückzuführen. Bestrebungen nach einer Verminderung der Abhängigkeit vom Ausland sind dabei eine wichtige Triebkraft. Dadurch sollen etwa eine grössere Versorgungssicherheit und eine Stärkung heimischer Industrien erreicht werden.

Insgesamt ist zu befürchten, dass sich die protektionistischen sowie industriepolitischen Tendenzen, die sich bereits in den vergangenen Jahren gezeigt haben im internationalen Umfeld fortsetzen werden. Die Covid-19-Krise und der mit ihr verbundene Einbruch der weltweiten Wirtschaftsleistung dürfte diese Tendenzen in vielen Teilen der Welt absehbar verstärken. Damit wird die Schweiz, die als mittelgrosse, hoch entwickelte und exportorientierte Volkswirtschaft in besonderer Weise auf offene Märkte angewiesen ist, noch stärker unter Druck geraten.

Umso mehr wird sich der Bundesrat mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln für die Aufrechterhaltung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz in der Binnen- und Aussenwirtschaftspolitik einsetzen. Er stützt sich dabei auf die Einsicht, dass die durch internationale Regeln gesicherte Vernetzung der Wirtschaft für die Schweiz ein wesentlicher Pfeiler des wirtschaftlichen Wohlstandes und Garantin der Versorgungssicherheit ist ­ gerade in einer weltwirtschaftlichen Krisensituation.

Wichtige wirtschaftspolitische Entwicklungen in der Schweiz mit Bezug zur Aussenwirtschaft (Ziff. 2) Binnenwirtschaftspolitik und Aussenwirtschaftspolitik sind eng verflochten. Im Berichtsjahr beauftragte das Parlament den Bundesrat, gesetzliche Grundlagen
für eine Kontrolle von ausländischen Direktinvestitionen auszuarbeiten. Der dabei zum Ausdruck gekommene Wunsch nach einer Aufsicht über solche Investitionen reiht sich in vergleichbare Bestrebungen in zahlreichen anderen Staaten in Europa und darüber hinaus ein. Es lässt sich international eine Tendenz zur Verschärfung solcher Regulierungen feststellen. Der Bundesrat ist der Überzeugung, dass eine möglichst weitgehende Offenheit gegenüber ausländischen Investitionen gerade angesichts der weltweiten Rezession ein bedeutender Standortfaktor ist.

Die Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen ­ zum Schutz von Mensch und Umwelt» scheiterte am 29. November am Ständemehr. Damit tritt der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments in Kraft, sofern dagegen nicht das Referendum ergriffen wird. Gemäss diesem Gegenvorschlag soll für Unternehmen künftig die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie zur Durchführung einer Sorgfaltsprüfung betreffend Konfliktmineralien und Kinderarbeit bestehen.

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Wirtschaftsbeziehungen mit der EU (Ziff. 3) Im Berichtsjahr strebte der Bundesrat betreffend das institutionelle Abkommen (InstA) in drei für die Schweiz besonders bedeutenden Bereichen Klärungen mit der EU an: die Sicherstellung, dass die InstA-Regelungen betreffend die staatlichen Beihilfen keine horizontalen Auswirkungen über die abgedeckten Abkommen hinaus haben, die Schaffung von Rechtssicherheit betreffend das in der Schweiz geltende Lohnschutzniveau und eine Klärung, dass durch das InstA für die Schweiz keine Verpflichtung zur Übernahme der EU-Unionsbürgerrichtlinie geschaffen wird. Die Volksinitiative «Für eine massvolle Zuwanderung (Begrenzungsinitiative)» wurde in der Volksabstimmung vom 27. September verworfen. Am 11. November legte der Bundesrat seine Position mit Bezug auf die notwendigen Klärungen fest.

Die Europäische Kommission kam auch im Berichtsjahr nicht auf ihren Entscheid zurück, die Anerkennung der sogenannten Börsenäquivalenz per Ende Juni 2019 auslaufen zu lassen. Entsprechend blieb die zeitgleich aktivierte Massnahme zum Schutz der schweizerischen Börseninfrastruktur in Kraft. Ebenfalls war es nicht möglich, die Aktualisierung des Kapitels «Medizinprodukte» des Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA) abzuschliessen.

Die Arbeiten zur Vorbereitung eines zweiten Schweizer Beitrages an ausgewählte EUMitgliedstaaten wurden im Berichtsjahr fortgesetzt. Die Schweiz und die EU führten Gespräche über eine rechtlich unverbindliche Vereinbarung zu den Eckwerten. Zudem fanden Sondierungsgespräche mit EU-Partnerstaaten statt.

Internationale Organisationen (Ziff. 4) Die Covid-19-Krise erschwerte die laufenden Reformbemühungen in der WTO. Dessen ungeachtet konnten mit der Vereinbarung eines provisorischen Berufungsmechanismus unter 18 Mitgliedern, darunter der Schweiz, sowie einer Erklärung über die Integration der Kleinst-, kleinen und mittleren Unternehmen (KKMU) in den Welthandel Fortschritte erzielt werden. Weitere plurilaterale Verhandlungsinitiativen insbesondere in den Bereichen elektronischer Handel, innerstaatliche Regulierung von Dienstleistungen und Investitionserleichterung wurden weitergeführt. Dies gilt auch für den multilateralen Prozess zur Begrenzung der Fischereisubventionen. Zudem wurden in einem kleineren plurilateralen Rahmen
Verhandlungen für ein Abkommen über Klimawandel, Handel und Nachhaltigkeit (ACCTS) aufgenommen.

Die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) veröffentlichte Analysen zur Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf die Arbeitsmärkte, sowie Empfehlungen zur Milderung der Auswirkungen der Krise. Sie fokussierte ihre Aktivitäten im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit auf Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz, Geschäftskontinuität sowie Notfallvorsorge für betroffene KMU.

Die OECD trug mit einer Reihe von Studien und Konferenzen entscheidend zur Transparenz hinsichtlich der im Verlauf der Covid-19-Pandemie ergriffenen Massnahmen und ihrer Auswirkungen bei. Die Schweiz konnte ihre Interessen auf Einladung SaudiArabiens im Berichtsjahr auch in der G20 einbringen.

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Bilaterale Wirtschaftsabkommen (Ziff. 5) Die Verhandlungen der Schweiz im Rahmen der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) über Freihandelsabkommen (FHA) wurden im Berichtsjahr durch die Covid-19 Pandemie stark beeinträchtigt.

Gegen den Bundesbeschluss vom 20. Dezember 2019 über die Genehmigung des umfassenden Wirtschaftspartnerschaftsabkommens (CEPA) zwischen den EFTA-Staaten und Indonesien ist das Referendum zustande gekommen. Die Abstimmung findet am 7. März 2021 statt.

Hinsichtlich des 2019 in der Substanz abgeschlossenen FHA der EFTA-Staaten mit den Mitgliedstaaten des Mercosur veröffentlichte der Bundesrat im Juni eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Diese kommt zum Schluss, dass die Auswirkungen des Abkommens auf verschiedene Umweltfaktoren gering ausfallen.

Die Schweiz und das Vereinigte Königreich (UK) ratifizierten im Dezember ein Handelsabkommen, das die für den Handel wichtigen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU so weit wie möglich im bilateralen Verhältnis fortführt. Ebenfalls im Dezember unterzeichneten die Schweiz und das UK zudem ein zeitlich befristetes Abkommen über die Mobilität von Dienstleistungserbringern. Dieses und eine Reihe weiterer Abkommen zwischen der Schweiz und dem UK sind am 1. Januar 2021 in Kraft getreten. Aufgrund des Austritts des UK aus der Zollunion und dem Binnenmarkt mit der EU konnten nach dem Auslaufen der Übergangsregelung am 31. Dezember neue Zollformalitäten und weitere Einschnitte in den Handelsbeziehungen jedoch nicht verhindert werden.

Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Ziff. 6) Die Nachhaltigkeit und die verantwortungsvolle Unternehmensführung nahmen auch im Berichtsjahr wieder einen wichtigen Platz ein in der Aussenwirtschaftspolitik des Bundesrats. So begann im Berichtsjahr die Vernehmlassung zur Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030. Zu Beginn des Jahres hiess der Bundesrat die aktualisierten Aktionspläne zur gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen und zu Wirtschaft und Menschenrechten für die Legislaturperiode 2020­2023 gut. Bezüglich Freihandelsabkommen setzte sich der Bundesrat im Berichtsjahr insbesondere für mehr Kooperation und Transparenz zu Nachhaltigkeitsthemen ein.

Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit (Ziff. 7) Der Bundesrat legte dem Parlament im Berichtsjahr Rechenschaft über die
Umsetzung der IZA-Botschaft 2017­2020 ab. Die Schweiz erreichte die Ziele der IZA 2017­ 2020 überwiegend und trug damit zur Reduktion von Armut und Ungleichheit, der Schaffung wirtschaftlicher Perspektiven, dem Schutz der Umwelt und der Förderung des Friedens in ihren Partnerländern bei.

Zugleich genehmigte das Parlament die Kredite für die IZA-Strategie 2021­2024.

Weiter beschloss die Schweiz im Berichtsjahr, sich an Kapitalerhöhungen der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) und der Weltbankgruppe (WBG) zu beteiligen.

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Exportkontrolle und Sanktionen (Ziff. 8) Der Bundesrat führte im Rahmen der Covid-19-Verordnung 2 vorübergehend eine Ausfuhrkontrolle für medizinische Schutzausrüstung und gewisse Medikamente ein.

Für das Ausfuhrbewilligungsverfahren für Güter zur Internet- und Mobilfunküberwachung wurde im Berichtsjahr eine neue Rechtsgrundlage geschaffen. Weiter trat der Zahlungsmechanismus für die Lieferung humanitärer Güter in den Iran in Kraft.

Am 29. November wurde die Volksinitiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten» abgelehnt. Der Bundesrat empfiehlt die Volksinitiative «Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer (Korrektur-Initiative)» zur Ablehnung und bereitet einen Gegenvorschlag vor.

Ausblick auf das kommende Jahr Der Bundesrat rechnete am Ende des Berichtsjahrs mit einer weiteren Erholung der binnen- und weltwirtschaftlichen Lage im Verlauf des kommenden Jahres. Die Eindämmung der Covid-19-Pandemie wird aber weltweit auf absehbare Zeit eine wichtige Herausforderung bleiben.

Der Bundesrat wird sich weiterhin für bestmögliche Rahmenbedingungen für die schweizerische Wirtschaft einsetzen. Insbesondere soll die wirtschaftliche Erholung im In- und Ausland nicht durch handels- und investitionsbeschränkende Massnahmen erschwert werden. Dieses Anliegen verfolgt der Bundesrat auch hinsichtlich solcher Massnahmen im Inland. Der Nationalrat wird in der Frühjahrsession erneut über die vom Bundesrat vorgeschlagene Abschaffung der Industriezölle befinden.

Den Beziehungen zur EU wird der Bundesrat weiterhin höchste Priorität beimessen.

Der Bundesrat ist bestrebt, die noch offenen Fragen hinsichtlich des Entwurfs eines institutionellen Abkommens 2021 zu klären und die Verhandlungen abzuschliessen.

Weiter steht der Entscheid der EU-Kommission über den Fortbestand des Angemessenheitsbeschlusses hinsichtlich des schweizerischen Datenschutzgesetzes an.

Die im Berichtsjahr vorgesehene 12. WTO-Ministerkonferenz musste aufgrund der Covid-19-Krise auf 2021 verschoben werden. Der Bundesrat wird für diese Konferenz und die zu erwartenden Verhandlungsabschlüsse ein Verhandlungsmandat verabschieden und dazu die zuständigen parlamentarischen Kommissionen und die Kantone konsultieren. Die Schweiz ist bestrebt, mit verbindlichen Beschlüssen die WTO institutionell zu stärken und die multilateralen
Handelsregeln auch und gerade angesichts der Covid-19-Pandemie weiterzuentwickeln. Dabei wird sie Gespräche zum Thema Handel und ökologische Nachhaltigkeit aktiv unterstützen.

Im Rahmen der OECD wird sich der Bundesrat weiterhin für eine internationale Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft einsetzen, die den Interessen der Schweiz angemessen Rechnung trägt. Nachdem im Berichtsjahr kein Ergebnis erzielt werden konnte, streben die Mitglieder eine konsensbasierte Lösung bis Mitte des Jahres an.

Am 1. Januar 2021 ist das Handelsabkommen zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich in Kraft getreten. Beide Seiten werden die Umsetzung des Abkommens gemeinsam überwachen und im engen Kontakt bleiben, um Lücken im Vergleich

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zu den bisherigen Beziehungen möglichst zu schliessen und einen reibungslosen Handel zu ermöglichen. Zugleich sind exploratorische Gespräche über die allfällige Modernisierung und Erweiterung des Handelsabkommens vorgesehen.

Weiter wird die Schweiz Verhandlungen zu einem FHA mit Moldova aufnehmen.

Ebenfalls sollen die Verhandlungen mit Thailand wiederaufgenommen werden. Ziel ist in beiden Fällen ein umfassendes und modernes Handelsabkommen. Die EFTAStaaten und Kosovo haben ebenfalls die Absicht, im kommenden Jahr Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen aufzunehmen. Der Bundesrat bereitet ein entsprechendes Verhandlungsmandat vor und wird die zuständigen Kommissionen sowie die Kantone und weitere interessierte Kreise dazu konsultieren.

Im Verlauf des Jahres will der Bundesrat eine aktualisierte Aussenwirtschaftsstrategie vorlegen.

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Inhaltsverzeichnis Gesamtübersicht Abkürzungsverzeichnis 1

2

Auswirkungen der Covid-19-Krise auf den internationalen Handel und die globalen Wertschöpfungsketten 1.1 Wirtschaftliche Auswirkungen der Krise 1.1.1 Internationaler Handel und Investitionen 1.1.2 Schweizerische Aussenwirtschaft 1.2 Massnahmen zur Bewältigung der Krise 1.2.1 Rolle multilateraler Organisationen 1.2.2 Bedeutung der schweizerischen Handelsbeziehungen 1.2.3 Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit 1.2.4 Aussenwirtschaftsförderung 1.3 Herausforderungen für die Schweiz als offene Volkswirtschaft 1.3.1 Fragilität von Wertschöpfungs- und Logistikketten 1.3.2 Forderungen nach einer Renationalisierung oder Regionalisierung der Produktion 1.3.3 Stärkung der Versorgungssicherheit der Schweiz 1.4 Fazit

3 15 17 17 17 19 22 22 25 27 28 28 29 30 31 33

Wichtige binnenwirtschaftspolitische Entwicklungen mit Bezug zur Aussenwirtschaft 2.1 Investitionskontrollen 2.2 Konzernverantwortungsinitiative 2.3 Aufhebung der Zölle auf Industriegüter 2.4 Fair-Preis-Initiative

34 34 35 36 36

3

Wirtschaftsbeziehungen mit der EU 3.1 FHA Schweiz­EU 3.2 Gleichwertige Regeln in der Schweiz und der EU 3.3 Institutionelles Abkommen (InstA) 3.4 Personenfreizügigkeit 3.5 Beitrag der Schweiz an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten

37 38 39 40 40 42

4

Internationale Organisationen 4.1 Welthandelsorganisation (WTO) 4.1.1 Verhandlungsfortschritte 4.1.2 Streitbeilegung in der WTO 4.2 Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 4.3 Gruppe der 20 (G20) 4.4 Internationale Arbeitsorganisation (IAO)

42 42 43 44 44 46 46

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Bilaterale Wirtschaftsabkommen 5.1 Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) und Freihandelsabkommen 5.1.1 Neue Freihandelsabkommen und laufende Verhandlungen 5.1.2 Neues Modellkapitel über E-Commerce 5.1.3 Transparenz hinsichtlich Freihandelsabkommen 5.1.4 Revidierte Regeln des Pan-Europa-Mittelmeer (PEM)-Übereinkommens 5.1.5 Studie über die Präferenznutzung 5.2 Handelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich 5.3 Investitionsschutzabkommen 5.4 Doppelbesteuerungsabkommen 5.5 Gemischte Wirtschafskommissionen

46

Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle Unternehmensführung 6.1 Umsetzung der Agenda 2030 6.2 Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Entwicklung 6.3 Nachhaltigkeit und Freihandelsabkommen 6.3.1 Überwachung der Umsetzung und Transparenz 6.3.2 Palmölimporte unter dem Wirtschaftspartnerabkommen EFTA-Indonesien 6.3.3 Umweltverträglichkeitsprüfung zum FHA EFTAMercosur 6.3.4 Arbeitsdialoge 6.4 Verantwortungsvolle Unternehmensführung 6.4.1 Nationaler Kontaktpunkt für die OECD-Leitsätze 6.4.2 CSR-Aktionsplan des Bundesrates 6.4.3 Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte 6.4.4 Rohstoffbericht des Bundesrates

52 52 53 53 53

Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit 7.1 Wirksamkeitsüberprüfung der internationalen Zusammenarbeit 2017­2020 7.2 Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021­2024 7.3 Multilaterale Zusammenarbeit

58

Exportkontrolle, Sanktionen und Rüstungspolitik 8.1 Exportkontrolle 8.1.1 Verordnung über die Ausfuhr und Vermittlung von Gütern zur Internet- und Mobilfunküberwachung 8.1.2 Sanktionsmassnahmen 8.1.3 Swiss Humanitarian Trade Arrangement 8.1.4 Extraterritoriale Auswirkungen von US-Sanktionen 8.1.5 Kimberley Prozess

60 60

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46 47 48 48 48 49 49 51 51 52

54 54 55 55 55 56 57 57

58 59 60

61 61 62 62 62

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8.2

9

Rüstungskontrollpolitik 8.2.1 Volksinitiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten» 8.2.2 Volksinitiative «Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer»

Beilagen zum AWB 9.1 Beilagen zur Kenntnisnahme 9.1.1 Verhandlungsthemen in der WTO 9.1.2 Laufende Verhandlungen zu Freihandelsabkommen 9.1.3 Treffen von Gemischten Ausschüssen unter bestehenden Freihandelsabkommen 9.1.4 Laufende Verhandlungen über Investitionsschutzabkommen 9.1.5 Laufende Verhandlungen über Doppelbesteuerungsabkommen 9.1.6 Wirtschaftsmissionen, bilaterale Austausche und Gemischte Wirtschaftskommissionen 9.1.7 Ausfuhren im Rahmen des Güterkontrollgesetzes 9.1.8 Sanktionsmassnahmen: Anhangs- und Verordnungsänderungen 9.2 Beilagen zur Genehmigung 9.2.1

63 63 63 64 64 64 65 66 67 69 72 73 74 76

Botschaft zur Änderung des Regionalen Übereinkommens über Pan-Europa-MittelmeerPräferenzursprungsregeln (PEM-Übereinkommen), zu dessen übergangsweiser bilateraler Anwendung sowie zu den Änderungen der EFTA-Konvention und verschiedener Freihandels- und Landwirtschaftsabkommen BBl 2021 344 Bundesbeschluss über die Genehmigung der Beschlüsse zur Änderung der EFTA-Konvention für die übergangsweise bilaterale Anwendung der Änderung des Regionalen Übereinkommens über Pan-Europa-Mittelmeer-Präferenzursprungsregeln (PEM-Übereinkommen) und über die Ermächtigung des Bundesrates zur Genehmigung der Änderungen weiterer internationaler Abkommen im Zusammenhang mit dem PEM-Übereinkommen (Entwurf) BBl 2021 345 Anlage A. Alternativ geltende Ursprungsregeln

BBl 2021 346

Übereinkommen vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA).

Beschluss des Rates Nr. 2/2019 zu Anpassungen der EFTA Konvention BBl 2021 347

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9.2.2

Botschaft zur Genehmigung der Änderung der Liste LIX-Schweiz-Liechtenstein bezüglich Würzfleisch

BBl 2021 348

Bundesbeschluss über die Genehmigung der Änderung der Liste LIX-Schweiz-Liechtenstein bezüglich Würzfleisch (Entwurf) BBl 2021 349 Abkommen in Form eine Briefwechsels zwischen der Europäischen und der Schweizerischen Eidgenossenschaft im Rahmen von Verhandlungen gemäss Artikel XXVIII des Gatt über die Änderung der WTO-Zugeständnisse der Schweiz für gewürztes Fleisch BBl 2021 350 Änderung der Liste LIX-Schweiz-Liechtenstein bezüglich Würzfleisch

BBl 2021 351

9.2.3. Beilage 9.2.3 9.2.3

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Bericht über zolltarifarische Massnahmen im Jahr 2020

BBl 2021 352

Bundesbeschluss über die Genehmigung zolltarifarischer Massnahmen (Entwurf)

BBl 2021 353

BBl 2021 343

Abkürzungsverzeichnis ACCTS

Abkommen über Klimawandel, Handel und Nachhaltigkeit (Agreement on Climate Change, Trade and Sustainability)

AfDB

Afrikanische Entwicklungsbank (African Development Bank)

AS

Amtliche Sammlung des Bundesrechts

BIP

Bruttoinlandprodukt

Covid-19

Coronavirus-Krankheit-2019 (aufgrund einer Infektion mit dem SARS-CoV-2 Virus, Severe Acute Respiratory Syndrome)

EFTA

Europäische Freihandelsassoziation (European Free Trade Association)

FHA

Freihandelsabkommen

G20

Gruppe der Zwanzig (Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, EU, Frankreich, Vereinigtes Königreich, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Südkorea, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Türkei, USA)

IAO

Internationale Arbeitsorganisation

InstA

Institutionelles Abkommen zwischen der Schweiz und der EU

ISA

Investitionsschutzabkommen

KVI

Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen ­ zum Schutz von Mensch und Umwelt» (Konzernverantwortungsinitiative)

MoU

Memorandum of Understanding

KMU

Kleine und mittlere Unternehmen

MRA

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (SR 0.946.526.81, Mutual Recognition Agreement)

OECD

Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development)

PEMÜbereinkommen

Regionales Übereinkommen vom 15. Juni 2011 über Pan-EuropaMittelmeer-Präferenzursprungsregeln

SECO

Staatssekretariat für Wirtschaft

SERV

Schweizerische Exportrisikoversicherung

S-GE

Switzerland Global Enterprise

SIFEM

Swiss Investment Fund for Emerging Markets

WBG

Weltbankgruppe (World Bank Group)

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UNCTAD

Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (United Nations Conference on Trade and Development)

UNO

Organisation der Vereinten Nationen (United Nations Organization)

WBF

Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung

WTO

Welthandelsorganisation (World Trade Organization)

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Bericht 1

Auswirkungen der Covid-19-Krise auf den internationalen Handel und die globalen Wertschöpfungsketten

1.1

Wirtschaftliche Auswirkungen der Krise

Die Weltwirtschaft geriet im Frühjahr 2020 in eine schwere Krise, die sich direkt auf die Schweiz auswirkte. Die Einschränkungen der Betriebe, des Binnenkonsums und des Handels trafen alle Länder und führten unter anderem zu einem historischen Rückgang des schweizerischen Aussenhandels. Die Versorgung der Schweiz mit essenziellen Waren konnte indes auch unter erschwerten Bedingungen zu jedem Zeitpunkt gewährleistet werden. Digitale Technologie und Arbeitsformen erwiesen sich für die Aufrechterhaltung wirtschaftlicher Tätigkeit insbesondere im tertiären Sektor als zentral. Die Krise verdeutlichte die zentrale Bedeutung funktionierender digitaler Prozesse in Wirtschaft und Verwaltung (E-Government) sowie einer zuverlässigen und belastbaren digitalen Infrastruktur.

1.1.1

Internationaler Handel und Investitionen

In Folge der weltweiten Ausbreitung der Covid-19-Krankheit im Frühjahr des Berichtsjahrs geriet die Weltwirtschaft in eine scharfe Rezession mit massiven Auswirkungen. In vielen Ländern dürfte der Tiefpunkt zur Jahresmitte jedoch bereits überschritten worden sein.

Im Unterschied zu früheren Krisen gründet die Covid-19-Krise nicht in aufgebauten Ungleichgewichten auf bestimmten Märkten (z. B. die sog. Dotcom-Blase Ende der Neunzigerjahre oder die Finanzkrise von 2008/09) oder externen Schocks (z. B. Ölkrisen, die Euro-Schuldenkrise oder die Aufwertung des Schweizerfrankens ab 2011).

Sie wurde hauptsächlich durch eine Kaskade staatlicher Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie verursacht, die das Wirtschaftsleben stark beeinträchtigten. Diese staatlichen Massnahmen verstärkten bereits früher bestehende Tendenzen zur Einschränkung des internationalen Handels. Ebenfalls wurde die internationale Reisetätigkeit stark eingeschränkt, was sich insbesondere auf den Fremdenverkehr und damit zusammenhängende Branchen, das heisst auf die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen auswirkte.

Internationaler Warenhandel Nach einer schwunglosen Entwicklung zu Beginn des Jahres brach der internationale Warenhandel im April ein und erreichte somit das tiefste Niveau in fast zehn Jahren.

Ab Juni fand eine dynamische Aufholbewegung statt, sodass der internationale Warenhandel im September auf das Niveau von Februar zu liegen kam. Vor dem Hintergrund erneut steigender Corona-Fälle und verschärfter Massnahmen auf internationaler Ebene dürfte die Erholung des Warenhandels gegen Ende Jahr deutlich an Dynamik verlieren. Wichtige Handelspartner der Schweiz, insbesondere die grossen 17 / 76

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südeuropäischen Länder, dürften noch längere Zeit mit den anhaltenden Folgen der Covid-19-Krise zu kämpfen haben.

Die komplexen, grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten, die für die schweizerische Volkswirtschaft von weit überdurchschnittlicher Bedeutung sind (vgl. Bericht des Bundesrates zur Aussenwirtschaftspolitik 20141) waren zu Beginn der Pandemie von Einschränkungen zu ihrer Eindämmung besonders betroffen. Die Einschränkung der Produktion in spezialisierten Betrieben durch Massnahmen des Gesundheitsschutzes (direkte Effekte) führte dazu, dass Zulieferer in der gesamten Wertschöpfungskette von Lieferengpässen betroffen waren (indirekte Effekte). Verstärkend wirkten sich Unterbrüche bei internationalen Logistik- und Transportdienstleistungen aus, welche die internationale Arbeitsteilung erst ermöglichen. Zum Beispiel verzögerten sich Lieferungen von Vor- und Zwischenprodukten, was Fertigungsprozesse erschwerte.

Internationaler Handel mit Dienstleistungen In vielen Ländern führten behördlich angeordnete Schutzmassnahmen und die Beschränkung des Grenzverkehrs zu einem bedeutenden Rückgang des internationalen Handels mit Dienstleistungen. Neben den Transport- und Logistikdienstleistungen war insbesondere auch die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung durch natürliche Personen, wie beispielsweise die Ausführung von Reparatur- und Handwerksarbeiten oder die Erbringung von Beratungsdienstleistungen, erheblich beeinträchtigt. Ausserdem war der Tourismussektor weltweit über mehrere Monate weitgehend stillgelegt.2 Auf der anderen Seite kann der durch die Hygiene- und Abstandsregeln und die damit einhergehende Einschränkung der Büroarbeit verursachte Digitalisierungsschub gerade im Bereich des Handels mit Dienstleistungen positiv gewertet werden. Die Digitalisierung ist ein zentraler Faktor bei der Erhaltung und der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz, gerade aus aussenwirtschaftlicher Perspektive (vgl. Berichte zur Aussenwirtschaftspolitik 2016 und 20193). Zudem wirkten sich die infolge der Einschränkungen geänderten Arbeits- und Konsumformen positiv für Anbieter digitaler Dienste aus. So legte der Online-Handel4 weiter zu, kontaktloses Bezahlen konnte sich weiter etablieren und an Schulen und Universitäten wurde der Fernunterricht in kurzer Zeit umfassend eingeführt. Der
gut funktionierende schweizerische Dienstleistungssektor (z. B. Telekommunikations- und IT-Dienstleistungen, Finanz-, Transport-, Vertriebs- und Logistikdienstleistungen) trug entscheidend zur Milderung der negativen Auswirkungen der Krise bei.

1 2 3 4

BBl 2015 1457 WTO, Trade in services in the context of COVID-19, Mai 2020, www.wto.org/english/tratop_e/covid19_e/services_report_e.pdf.

BBl 2017 813 resp. BBl 2020 1979 WTO, E-Commerce, trade and the COVID-19 pandemic, Mai 2020, www.wto.org/english/tratop_e/covid19_e/ecommerce_report_e.pdf.

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Internationale Investitionen Das Wachstum weltweiter ausländischer Direktinvestitionen, auf welchen die internationalen Wertschöpfungsketten basieren, stagniert gemäss Zahlen des Internationalen Währungsfonds (IWF) bereits seit etwa fünf Jahren. Teilweise ist diese Entwicklung auf politische Faktoren (Steuerreformen sowie Handelsstreitigkeiten), aber auch auf wirtschaftliche Faktoren (niedrigere Rendite) und Strukturwandel zurückzuführen.5 Sie verschärfte sich angesichts der Covid-19-Krise in erheblichem Mass. Die OECD wie auch die UNCTAD gehen davon aus, dass die weltweiten Investitionsflüsse im Berichtsjahr um insgesamt 30 bis 40 Prozent zurückgingen.6 Davon waren die Luftfahrt und der Energiesektor besonders stark betroffen.

Verschiedene Staaten hatten bereits vor der Covid-19-Krise ihre Investitionskontrollen verschärft oder prüften eine Einführung einer solchen Kontrolle. Die Krise beschleunigte diese Tendenz. So empfahl die Europäische Union (EU) ihren Mitgliedstaaten in den Leitlinien zur Umsetzung der EU-Verordnung zur Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen vom 26. März, die Kontrollen in kritischen Sektoren zu verschärfen oder eine solche einzuführen.7 Am 18. Juni verabschiedete der Deutsche Bundestag eine Änderung des Aussenwirtschaftsgesetzes, um das deutsche Investitionskontrollregime zu stärken. Die USA haben, wie auch unter anderem Australien, Kanada und Japan bereits seit Jahren ein Investitionskontrollregime. In der Schweiz beauftragte das Parlament den Bundesrat im März, eine Gesetzesgrundlage zur Einführung einer Investitionskontrolle auszuarbeiten (vgl. Ziff. 2.1).

1.1.2

Schweizerische Aussenwirtschaft

Die Schweiz ist überdurchschnittlich stark in die internationale Arbeitsteilung eingebunden. Der Beitrag des Aussenhandels an ihre Wirtschaftsleistung ist dementsprechend bedeutend: Gemäss WTO und OECD beinhalteten die schweizerischen Exporte 2015 rund ein Viertel ausländische Wertschöpfung, welche zuvor in die Schweiz importiert wurde.8 Nach Abzug dieser importierten Wertschöpfung tragen die Ausfuhren der Schweiz dennoch rund 40 Prozent zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung bei.

Dies zeigt die überdurchschnittliche Bedeutung des internationalen Handels für die Schweiz ­ bedingt durch die Tatsache, dass sie selbst kaum über natürliche Ressourcen verfügt und einen begrenzten Binnenmarkt hat (vgl. Bericht des Bundesrates zur Aussenwirtschaftspolitik 20149).

5 6

7

8 9

Vgl. UNCTAD, World Investment Report 2019, S. 2.

Vgl. UNCTAD, World Investment Report 2020, S. 8, www.investmentpolicyhub.unctad.org > publications; sowie OECD, FDI flows in the times of COVID 19, www.oecd.org > Tackling coronavirus (COVID-19).

Vgl. Mitteilung der EU-Kommission 2020/C 99 I/01, Leitlinien für die Mitgliedstaaten betreffend ausländische Direktinvestitionen, freien Kapitalverkehr aus Drittländern und Schutz der strategischen Vermögenswerte Europas im Vorfeld der Anwendung der Verordnung (EU) 2019/452 über die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen.

www.oecd.org > Directorate for Science, Technology and Innovation > Industry and globalisation > GVCs ­ SWITZERLAND.

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Ein beträchtlicher Teil des schweizerischen Aussenhandels betrifft Zwischen- und Vorprodukte. Unternehmen in der Schweiz sind angesichts des hohen inländischen Kostenniveaus auf die reibungslose Beschaffung günstiger und qualitativ hochstehender Vorleistungen aus dem Ausland angewiesen, um die eigene Tätigkeit auf möglichst wertschöpfungsintensive Aktivitäten fokussieren zu können. Verzögerungen in den Lieferketten aufgrund von geschlossenen Grenzen, Exportrestriktionen von Handelspartnern, tiefen und teuren Frachtkapazitäten oder gar Produktionsstopps im Ausland führen zu höheren Produktionskosten in der Schweiz.

Die wirtschaftliche Erholung hängt sowohl von der Situation im Ausland, als auch den im Inland getroffenen Massnahmen ab. Die gegenwärtige Krise macht überdies deutlich, wie wichtig das regelbasierte internationale Handelssystem als Basis für die Aufrechterhaltung der internationalen Wertschöpfungsketten gerade in einer schweren internationalen Wirtschaftskrise ist (vgl. Ziff. 1.2.2).

Warenhandel Die Covid-19-Pandemie hatte weitreichende Auswirkungen auf den schweizerischen Aussenhandel. Im zweiten Quartal des Berichtsjahrs wies dieser einen historischen Rückgang aus. So gingen die Ausfuhren ohne Wertsachen gegenüber dem ersten Quartal saisonbereinigt um 7,9 Prozent (ohne Wertsachen und ohne Transithandel: 13,9 Prozent) und die Importe ohne Wertsachen gar um 14,2 Prozent zurück. Mit Ausnahme des Chemie- und Pharmasektors erlitten die wichtigen Exportbranchen schwere Rückschläge. Dieses Ergebnis war auf die starke Abnahme des grenzüberschreitenden Handels im April zurückzuführen, wobei sich dieser bereits im Mai und Juni wieder erholte. Bei den Exporten von Maschinen, Apparaten und Elektronikgeräten belief sich der Rückgang gegenüber dem Vorjahresniveau auf 20 Prozent, bei den Präzisionsinstrumenten, Uhren und Bijouteriewaren rund 49 Prozent. Obwohl gemäss Unternehmensumfragen die negative Nachfrageentwicklung die grösste Herausforderung im Berichtsjahr war10, fanden sich diverse Branchen darüber hinaus von Verzögerungen und Unterbrüchen in den Lieferketten betroffen. Hinzu kam ein Rückgang der Frachtkapazitäten namentlich in der Luftfahrt.

Im 3. Quartal erholte sich der Warenhandel jedoch deutlich (ohne Wertsachen und Transithandel: +10,5 % gegenüber dem Vorquartal), machte den Einbruch
des ersten Halbjahrs aber nur teilweise wett. Die Exporte nach China stiegen stark an, während jene in den Euroraum und in die USA noch deutlich unter dem Niveau des 1. Quartals 2020 zu liegen kamen.

Die Schweiz ist eine weltweit bedeutende Produzentin von Pharmazeutika und medizintechnischen Produkten. Bei Schutzmasken, Untersuchungshandschuhen oder gewissen Wirkstoffen ist sie dennoch stark auf Importe angewiesen. Dies zeigte sich insbesondere angesichts des rapiden Anstiegs der globalen Nachfrage nach medizinischen Schutzausrüstungen und pharmazeutischen Produkten ab März. Weltweit reagierten Staaten mit der Einführung von handelsbeschränkenden Massnahmen für diese spezifischen Warengruppen. So führten Anfang März verschiedene EU-

10

Vgl. Medienmitteilung der Economiesuisse vom 17. April 2020, www.economiesuisse.ch > Artikel > Zustand der Wirtschaft in der Corona-Krise.

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Mitgliedstaaten und später die EU selbst Ausfuhrbeschränkungen für persönliche medizinische Schutzausrüstungen ein. Auf Hinwirken der Schweiz beschloss die EUKommission am 20. März, die Ausfuhren in die Schweiz (und die anderen EFTAMitgliedstaaten sowie die Westbalkanstaaten) von der Ausfuhrgenehmigungspflicht für diese Waren auszunehmen, um die Versorgungskanäle im eng integrierten kontinentaleuropäischen Wirtschaftsraum offen zu halten.

Medizinische Schutzausrüstungen: Massnahmen des Bundesrates Der Bundesrat beschloss am 25. März im Rahmen der Covid-19-Verordnung 2 ebenfalls eine Ausfuhrkontrolle für medizinische Schutzausrüstungen.11 Diese wurde am 3. April auf wichtige medizinische Güter ausgeweitet. Aufgrund der sehr raschen Ausbreitung von Covid-19 hatte der Bedarf an solchen Gütern auch in der Schweiz zugenommen. Die Verfügbarkeit medizinischen Schutzmaterials in genügender Menge und Qualität war eine unabdingbare Voraussetzung, um die weitere Ausbreitung der Krankheit zu verhindern und dabei die Gesundheit des medizinischen Personals zu schützen. Die Massnahmen der Schweiz stimmten weitgehend mit denjenigen der EU überein und wurden nach Verbesserung der Lage am 22. Juni durch den Bundesrat wieder aufgehoben. Ausfuhren in die EUund EFTA-Staaten, nach dem UK und weitere westeuropäische Staaten sowie für Privatpersonen und Hilfswerke waren von dieser Ausfuhrkontrolle von Beginn an ausgenommen. Ausfuhranträge konnten über eine elektronische Bewilligungsplattform12 abgewickelt und in der Regel innert fünf Tagen beantwortet werden.

Alle gestellten Gesuche wurden bewilligt, da der Bedarf an den betreffenden Gütern in der Schweiz während der fraglichen Periode jederzeit gedeckt war.

Handel mit Dienstleistungen Die Schliessung von Betrieben und Grenzen sowie die Hygiene- und Abstandsregeln schränkten den Dienstleistungssektor auch in der Schweiz stark ein. Der Tourismus litt unter dem Ausbleiben ausländischer Gäste. Auch die Luftfahrt- und Reisebürobranchen waren überdurchschnittlich betroffen. Ebenso waren die Ausführung von Installations- und Wartungsarbeiten sowie die Erbringung von Beratungsdienstleistungen im Ausland stark eingeschränkt. Gleiches gilt für die grenzüberschreitende Erbringung von Transport- und Logistikdienstleistungen. So wurde der Personentransport in und aus den Nachbarstaaten
zeitweise praktisch vollständig eingestellt.

Beim grenzüberschreitenden Warentransport kam es zu Kapazitätsreduktionen, Preiserhöhungen, Verzögerungen und Stornierungen.

11 12

AS 2020 773 783 841 863 867 1059 1065 1101 1131 1137 1155 1199 1245 1249 1333 1401 1501 1505 1585 1751 1815 1823 1835 2097 2099 2213 Art. 14 Ziff. 2.

www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Exportkontrollen und Sanktionen > Elic.

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Auf der anderen Seite verzeichnete der E-Commerce auch in der Schweiz einen bedeutenden Anstieg.13 So stieg parallel zu den Betriebsschliessungen beispielsweise die Anzahl verschickter Kleinsendungen gegenüber dem Stand zu Jahresbeginn um markante 25 Prozent. Dies brachte anfänglich sowohl die digitalen Infrastrukturen als auch die Post und andere Logistikdienstleister an ihre Kapazitätsgrenzen.

Ausländische Direktinvestitionen Mit einem Bestand von Direktinvestitionen im Ausland von über 1 445 Milliarden Schweizerfranken gehört die Schweiz weltweit zu den zehn grössten Kapitalexporteuren. Gleichzeitig gehört sie mit 1 370 Milliarden Schweizerfranken auch zu den grössten Empfängerländern (Daten SNB, 2019). Die Covid-19-Krise dürfte sich auf die Auslanddirektinvestitionen in und aus der Schweiz niederschlagen. Konkrete Daten liegen dazu noch nicht vor.

1.2

Massnahmen zur Bewältigung der Krise

Den Auswirkungen der Krise wurde auf verschiedenen Ebenen politisch begegnet.

Für die Schweiz war die geographische Diversifizierung der Wirtschaft ein wichtiger Faktor bei ihrer Bewältigung. Zudem waren die etablierten Beziehungen der Schweiz zu ihren Handelspartnern in allen Regionen der Welt wie auch das diplomatische Kontaktnetz zentral, um die wirtschaftlichen Verwerfungen abzufedern und die Voraussetzungen für eine Erholung zu schaffen. Dabei spielten insbesondere die im Rahmen der FHA vereinbarten Formate, etwa die Gemischten Ausschüsse und die behördliche Zusammenarbeit eine wichtige Rolle. Diese grundlegende Infrastruktur der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik bewährte sich. Gleichzeitig verlangt die globale Krise nach multilateralen Lösungsansätzen, auf welche die Schweiz gemeinsam mit ihren Partnerländern in verschiedenen Organisationen hinwirkt.

1.2.1

Rolle multilateraler Organisationen

Rolle der WTO Im Einklang mit ihrer Aufsichtsfunktion über die Handelspolitiken ihrer Mitglieder leistete die WTO Transparenzarbeit im Zusammenhang mit den handelspolitischen Massnahmen, die ihre Mitglieder zur Bewältigung der Covid-19-Krise ergriffen hatten. In einem Bericht des Generaldirektors über neue Entwicklungen im Handel14 listet die WTO insgesamt 256 Massnahmen im Bereich Warenhandel auf, die von 87 Mitgliedstaaten einschliesslich der Schweiz auf dem Höhepunkt der Krise umgesetzt wurden. 109 dieser Massnahmen können als «handelsbeschränkend» betrachtet 13

14

In der Schweiz ist z. B. für die E-Commerce-Umsätze mit physischen Waren im Jahr 2020 mit einem Wachstum von bis zu 30 % im Vergleich zu 2019 zu rechnen. Für April 2020 lag das Wachstum im Vergleich zum Vorjahr sogar bei rund 65 %. Vgl. E-Commerce Report Schweiz 2020, www.datatrans.ch > know-how > e-commerce-reportschweiz.

WTO, WTO report shows members moving to facilitate imports even as trade restrictions remain high, Juli 2020, www.wto.org/english/news_e/news20_e/trdev_24jul20_e.htm.

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werden (mehrheitlich Exportbeschränkungen für medizinisches Material), während 147 den Handel erleichtern sollen, so etwa die vorübergehende Aussetzung von Zöllen. Bei beiden Kategorien von Massnahmen handelte es sich hinsichtlich der betroffenen Güter hauptsächlich um medizinische Ausrüstung (Masken, Schutzkleidung, Beatmungsgeräte) und pharmazeutische Produkte. Was den Dienstleistungshandel betrifft, trafen 45 Mitgliedstaaten insgesamt 99 Massnahmen, die meisten davon zur Erleichterung des Handels. Vor diesem Hintergrund leistet die WTO in ihrer Rolle als Aufsichtsorgan über die Handelspolitiken sowie durch ihre Transparenzarbeit einen Beitrag zur Bewältigung der Krise.

Neben dieser Transparenzarbeit könnte die WTO in Kürze eine Initiative lancieren, um den internationalen Handel mit bestimmten zur Bewältigung von (aktuellen und zukünftigen) Pandemien notwendigen Gütern zu erleichtern. Die Mitglieder der «Ottawa Gruppe», darunter die Schweiz, bekundeten gegenüber dem WTOGeneralrat am 16. Dezember ihre Absicht, Anfang 2021 für alle WTO-Mitglieder offene Verhandlungen im Bereich Handel und Gesundheit einzuleiten. Die Initiative sieht vor, bis zur nächsten WTO-Ministerkonferenz verbindliche Regeln in Bereichen wie Exportrestriktionen, Transparenz, Nichttarifäre Handelshemmnisse und Handelserleichterung zu entwickeln.

Massnahmen der G20 Als Reaktion auf die Pandemie verabschiedeten die G20-Handelsministerinnen und minister im Mai anlässlich eines ausserordentlichen Gipfels ein Massnahmenpapier für den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung wie auch eine möglichst rasche und umfassende wirtschaftliche Erholung.15 Die Mitgliedstaaten setzen sich dafür ein, dass im Zusammenhang mit der Krise ergriffene, handelsverzerrende Massnahmen zeitlich befristet, transparent und verhältnismässig ausgestaltet werden und die notwendigen Transport- und Logistikkapazitäten erhalten bleiben. Längerfristig wollen die G20 auf multilateraler Ebene auf die Erhöhung der Resilienz der grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten und die Aufrechterhaltung der internationalen Investitionsströme hinwirken. Nebst der Umsetzung dieser Massnahmen soll auch die Aufhebung von Exportrestriktionen überwacht werden. Diese sollen lediglich kurzfristige Massnahmen für die Sicherung der Versorgung mit essentiellen Gesundheits- und Agrargütern
sein und gemeinsam überwacht werden. Die Schweiz plädierte diesbezüglich für erhöhte Transparenz hinsichtlich Handels- und Investitionsmassnahmen. Darüber hinaus setzt sich die Schweiz dafür ein, dass der Nachhaltigkeit bei der wirtschaftlichen Erholung Rechnung getragen wird.

Studien und Empfehlungen der OECD Auch die OECD befasste sich mit den wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19 Pandemie. Sie dokumentierte die Sofortmassnahmen, welche Staaten etwa zur Unterstützung des Gesundheitssektors und anderer Industrien ergriffen hatten. Auch zu makroökonomischen Unterstützungsmassnahmen zur Bewältigung der auftretenden Angebots- und Nachfrageschocks und zur Stabilisierung der Finanzmärkte publizierte

15

G20, Trade and Investment Ministerial Meeting, Ministerial Statement, Mai 2020, www.g20.org > Media > Documents > G20SS Statement.

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die OECD Studien und Informationen. Des Weiteren wurde im Dialog mit den Mitgliedstaaten die Durchführung evidenzbasierter Analysen der mittel- und langfristigen Herausforderungen geplant, insbesondere hinsichtlich der Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Lieferketten für essenzielle Waren und der Verhinderung langfristiger Wettbewerbsverzerrungen. In einer Studie hielt sie fest, dass ihre Mitgliedstaaten hinsichtlich ihrer Versorgungssicherheit ohne die globalisierten Wertschöpfungsketten während der Covid-19-Pandemie schlechter abgeschnitten hätten. Dies ist vor allem in der Erkenntnis begründet, dass sich Ausfuhrbeschränkungen vieler Länder direkt auf die Versorgung ihrer Produktionsbetriebe mit Vormaterialien auswirkten. 16 Interdependente, international arbeitsteilige Produktion erweist sich letztlich als widerstandsfähiger als lokalisierte. Die OECD empfiehlt Unternehmen deshalb, in erster Linie ihre Risikomanagementstrategien zu verbessern und diese stärker auf Risikobewusstsein, grössere Transparenz und die Förderung der Agilität auszurichten.

Weiter erarbeitete die OECD eine Publikation17 zur Bedeutung der verantwortungsvollen Unternehmensführung in Zeiten der Pandemie und organisierte ein ausserordentliches OECD Global Forum. Gemäss der OECD konnten Unternehmen mit einer gut etablierten Sorgfaltsprüfung und Sozialdialog Unterbrüche in der Lieferkette eher vermeiden, da sie die Situation ihrer Geschäftspartner kennen. Zudem sollen gemäss OECD staatliche Unterstützungspakete für Unternehmen zur Bewältigung der Krise möglichst an die Beachtung von Grundsätzen der verantwortungsvollen Unternehmensführung (vgl. Ziff. 6.4) geknüpft werden, um für künftige Herausforderungen (z. B. Klimawandel) besser gewappnet zu sein. Zudem soll sichergestellt werden, dass die Massnahmen mit den Zielen der Agenda 2030 und des Klimaübereinkommens von Paris18 in Einklang stehen.

Rolle der Internationalen Arbeiterorganisation (IAO) Aufgrund der aussergewöhnlichen Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf Arbeitsmärkte weltweit kommt der IAO im Berichtsjahr eine wichtige Rolle zu. Sie veröffentlichte regelmässig Berichte zu den Auswirkungen auf globale Beschäftigungszahlen und thematische Analysen zur Milderung der Auswirkung der Krise und zur Unterstützung einer raschen Erholung. Diese wurden durch praxisbezogene
Empfehlungen zu relevanten Themen, insbesondere im Bereich des Arbeitnehmerschutzes ergänzt. Des Weiteren lancierte die IAO zusammen mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die breite Einführung von Gesundheits- und Sicherheitsanleitungen zum Umgang mit Covid-19 am Arbeitsplatz. Des Weiteren führte sie eine globale Umfrage durch, um die Auswirkungen von Covid-19 auf Unternehmen und insbesondere von KMU zu analysieren. Darauf aufbauend fokussierte die IAO ihre Interventionen in der Unterstützung von Notfallvorsorgen für Unternehmen und die Einhaltung der Gesundheitsvorschriften. Ausserdem entwickelte sie web-basierte Schulungs- und Beratungsunterlagen für betroffene Unternehmen, womit zukünftige Interventionen effizienter und günstiger werden.

16 17 18

OECD, Juni 2020, Shocks, risks and global value chains: insights from the OECD METRO model.

www.mneguidelines.oecd.org > COVID-19 and RBC.

Klimaübereinkommen von Paris vom 12. Dezember 2015, in Kraft getreten für die Schweiz am 5. November 2017 (SR 0.814.012).

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Initiativen der Weltbankgruppe und des Internationalen Währungsfonds Der IWF und die multilateralen Entwicklungsbanken, allen voran die Weltbankgruppe, beschlossen bereits im ersten Halbjahr umfassende Massnahmenpakete im Gesamtumfang von rund 250 Milliarden US-Dollar. Die direkten und indirekten Konsequenzen der Covid-19-Krise sind für Entwicklungsländer besonders schwerwiegend. Die Weltbank schätzt, dass im Berichtsjahr bis zu 115 Millionen Menschen zurück in die extreme Armut fallen würden, knapp die Hälfte davon in Südasien und mehr als ein Drittel in Subsahara-Afrika.19 Die Unterstützung von IWF und Entwicklungsbanken konzentrierte sich auf unmittelbar notwendige Budgethilfe, die Stärkung der Gesundheitssysteme, die Sicherung der Liquidität für Unternehmen vor allem im Zusammenhang mit Handelsfinanzierung und die Abfederung der sozialen Folgen für die Bevölkerung.

Ebenso lancierten IWF und Weltbank im Frühjahr eine Initiative zur vorübergehenden Sistierung des Schuldendiensts bedürftiger Länder. Diese fand bei der G20 und im Pariser Klub ­ einer Gruppe von 22 Industrienationen, die tragfähige Lösungen für in Zahlungsschwierigkeiten geratene Schuldnerländer koordiniert ­ Unterstützung. Die bilateralen öffentlichen Gläubiger sistierten den Schuldendienst der ärmsten Länder vom 1. Mai bis Jahresende.

Internationale Sanktionen und Covid-19 Vor dem Hintergrund der Covid-19-Krise wurde auf internationaler Ebene auch über eine allfällige Lockerung von Sanktionen diskutiert. Die Schweiz hat diese Diskussionen mitverfolgt und mehrfach darauf hingewiesen, dass diese Sanktionen die Lieferung von wichtigen Geräten und Ausrüstung zur Bekämpfung von Covid-19 auf keine Art und Weise behindern. Humanitäre Güter wie Medikamente oder Nahrungsmittel sind grundsätzlich nicht von den Sanktionsmassnahmen der Schweiz betroffen. Falls nötig sind Ausnahmen aus humanitären Gründen vorgesehen.

1.2.2

Bedeutung der schweizerischen Handelsbeziehungen

Aufbaumassnahmen der EU und die Handelsbeziehung Schweiz­EU Der schweizerische Aussenhandel ist geographisch breit diversifiziert. Dennoch nehmen die EU-Mitgliedstaaten zusammen weiterhin mit Abstand den bedeutendsten Platz unter ihren Handelspartnern ein. Aufgrund des weitgehend diskriminierungsfreien Zugangs zum Binnenmarkt der EU (vgl. Ziff. 3) und ihrer geographischen Lage ist die schweizerische Wirtschaft eng in grenzüberschreitende Wert-schöpfungsketten in Europa, insbesondere mit den Nachbarstaaten, eingebunden.20 Aufgrund der starken Vernetzung der Volkswirtschaften sind die wirtschaftliche Erholung in der EU und die Ausgestaltung der dazu ergriffenen Massnahmen auch für die Schweiz von hoher Bedeutung. Zur kurzfristigen Unterstützung der wirtschaftli-

19 20

Weltbank, Oktober 2020, Updated estimates of the impact of COVID-19 on global poverty: The effect of new data, blogs.worldbank.org > Open Data.

Bericht des Bundesrates zur Aussenwirtschaftspolitik 2014 (BBl 2015 1457).

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chen Tätigkeit verfolgen die EU sowie die einzelnen EU-Mitgliedstaaten ähnliche Ansätze wie die Schweiz, indem sie Kurzarbeitsentschädigungen mit Massnahmen zur Versorgung der Unternehmen mit Liquidität kombinieren. Zur Behebung der unmittelbaren Schäden der Covid-19-Pandemie und zur Unterstützung der Wirtschaft verabschiedete die EU einen deutlich aufgestockten mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) für die Jahre 2021 bis 2027 im Umfang von 1 074,3 Milliarden Euro21 sowie ein zusätzliches Instrument («Next Generation EU», NGEU) zur vorübergehenden Stärkung des EU-Haushalts von 2021 bis 2024 im Umfang von 750 Milliarden Euro. Ob dieser Aufbauplan zu einer raschen wirtschaftlichen Erholung massgeblich beitragen wird, hängt entscheidend von der Koordinierung der durch die EU-Mitgliedstaaten ergriffenen Massnahmen, von deren Umsetzung und vom weiteren Verlauf der Krise ab.

In diesem Zusammenhang muss sichergestellt werden, dass die Schweiz ­ auch ohne EU-Mitglied zu sein ­ weiterhin in den europäischen Wertschöpfungsketten eingebunden bleibt. Dies gilt auch in Bezug auf die verstärkte sektorielle Industriepolitik, welche die EU und ihre Mitgliedstaaten mit den künftig zur Verfügung stehenden Mitteln verfolgen (vgl. auch Ziff. 1.3.2). So ist vorgesehen, dass Investitionen im Rahmen von NGEU den ökologischen und digitalen Wandel fördern sollen und 30 Prozent der Gesamtausgaben aus dem MFR und aus NGEU für klimabezogene Projekte aufgewendet werden sollen. Aufgrund dieser bedeutenden Ausweitung des EU-Budgets stehen in der EU aber auch mehr Mittel für Programme zur Verfügung, an deren Teilnahme die Schweiz interessiert ist.

Bi- und plurilaterale Beziehungen ausserhalb der EU Die guten Beziehungen der Schweiz zu ihren Handelspartnern sowie die Zusammenarbeit im Rahmen von internationalen Wirtschaftsorganisationen und bi- sowie plurilateralen Freihandelsabkommen haben sich ausgesprochen positiv auf die Bewältigung der Krise ausgewirkt. Der Bundesrat arbeitet seit Langem am Ausbau dieses Netzes. Die guten Kontakte und persönlichen Beziehungen zu Entscheidungsträgern, welche mit diesen präferenziellen Handelsbeziehungen einhergehen, waren für die Bewältigung der Krise unerlässlich. Die Unternehmen in der Schweiz konnten weiterhin, wenn auch teilweise mit Verzögerungen, benötigte Güter und Dienstleistungen aus dem
Ausland beziehen. Die rasche und zielorientierte Problemlösung ermöglichte die Aufrechterhaltung der internationalen Wertschöpfungsketten.

Der Bundesrat ist deshalb umso mehr bestrebt, die Handelsbeziehungen der Schweiz mit wichtigen Partnern zu vertiefen, das Beziehungsnetz weiter zu pflegen und auszubauen. Dies, so bald als möglich, auch mittels der bewährten Besuchsdiplomatie.

Ausserdem ist der präferenzielle Zugang zu ausländischen Märkten auf der Basis von Freihandelsabkommen ein entscheidendes Element für die Erholung der schweizerischen Wirtschaft (vgl. Ziff. 5.1). Weiter sind in diesem Zusammenhang auch die Investitionsschutzabkommen (ISA) von grosser Bedeutung, die Schweizer Investoren im Ausland und ausländischen Investoren in der Schweiz zusätzliche Rechtssicherheit bieten (vgl. Ziff. 5.3). Die Grundlage für die Handelsbeziehungen der Schweiz bleibt indes das multilaterale Handelssystem (vgl. Ziff. 4).

21

Der Mehrjährige Finanzrahmen 2014­2020, an dem sich (im Unterschied zum neuen Finanzrahmen 2021­2027) auch das Vereinigte Königreich beteiligte, umfasste 959,988 Mrd. EUR.

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1.2.3

Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit

Die oftmals mangelnde öffentliche Grundversorgung, namentlich im Gesundheits-, Infrastruktur- und Sicherheitsbereich, erschwerte die Umsetzung von Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie in Entwicklungsländern besonders und stellte diese vor erhebliche wirtschaftliche Herausforderungen. Wichtige Exportmärkte fielen insbesondere wegen einbrechender Nachfrage weg, wodurch Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten gerieten. Gleichzeitig sanken Zoll-, Steuer- und Tourismuseinnahmen, während öffentliche Ausgaben und die damit verbundene Verschuldung stiegen.

Ausserdem war im Berichtsjahr weltweit ein Rückgang der Geldüberweisungen von Migranten in ihre Herkunftsländer von bis zu vierzehn Prozent festzustellen, was vor allem für die ärmere Bevölkerung in Entwicklungsländern empfindliche Einkommenseinbussen zur Folge hatte.22 Zur Krisenbewältigung trug die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen ihrer laufenden bilateralen Aktivitäten zur Sicherung der Grundversorgung und wirtschaftlichen Krisenbewältigung bei. Beispielsweise beteiligte sich die Schweiz an einer dezentralen Budgethilfe in der Höhe von 8,5 Millionen Schweizerfranken im Rahmen eines Weltbank-Programms zugunsten tunesischer Gemeinden, um lokale Basisdienstleistungen sicherzustellen. Die Partnerländer der schweizerischen IZA wurden darüber hinaus bei der Rückkehr zu einer nachhaltigen und widerstandsfähigen Wirtschaftspolitik und ihrer Wiedereingliederung in globale Wertschöpfungsketten unterstützt. Zudem ermöglichte die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit privaten Unternehmen und öffentlichen Versorgungsbetrieben den Zugang zu Kapital und Expertise. Der Fokus lag kurz- und mittelfristig auf der Bekämpfung der Auswirkungen der Pandemie in Partnerländern. Zu diesem Zweck programmierte der Bundesrat bis Jahresende bis zu 50 Millionen Schweizerfranken aus dem bestehenden Budget um. In einer gemeinsamen Stellungnahme des Entwicklungsausschusses der OECD sprach sich die Schweiz zusammen mit den wichtigsten bilateralen Gebern Anfang April für ein koordiniertes Vorgehen bei der Bekämpfung der Pandemie aus.

Zudem förderte die Schweiz in ihren Partnerländern die Integration in das internationale Handelssystem. Zur Verbesserung der Integration in grenzüberschreitende Wertschöpfungsketten unterstützt die Schweiz Partnerländer bei
der Implementierung internationaler Vereinbarungen und Standards im Bereich des Warenverkehrs und trägt damit etwa zur Verringerung handelshemmender Zollprozeduren bei. Diese Unterstützung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ist im Kontext der Covid-19-Krise und ihrer Überwindung besonders wichtig.

Über die bundeseigene Entwicklungsfinanzierungsgesellschaft SIFEM unterstützte die Schweiz rasch und gezielt jene Unternehmen, die bewährte Geschäftsmodelle, soziale Verantwortung für ihre Angestellten und ausgewiesene Entwicklungswirkung miteinander verbinden. In Entwicklungsländern leiden viele KMU unter den wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie und sind auf Liquiditätshilfe angewiesen.

Ihr Weiterbestehen ist für die soziale Stabilität und die wirtschaftliche Erholung in 22

Weltbank, April 2020, www.worldbank.org > Press release > 2020 > 04 > 22 > World bank predicts sharpest decline of remittances in recent history.

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diesen Ländern von zentraler Bedeutung. Die von der Schweiz mitfinanzierten Programme der IAO wurden gezielt auf die Unterstützung von KMU und Firmen in der Textillieferkette ausgerichtet, um Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz und angemessene Arbeitsbedingungen während der Covid-19 Krise zu gewährleisten.

1.2.4

Aussenwirtschaftsförderung

Aufgrund der stark nachlassenden Auslandsnachfrage, krisenbedingter Störungen der Lieferketten, Einschränkungen des Personen- und Warenverkehrs oder Unsicherheiten in Bezug auf sich rasch ändernde Regulierungen in den Absatzmärkten verzeichneten die Instrumente der Aussenwirtschaftsförderung von Beginn der Pandemie weg einen erhöhten Beratungs- und Unterstützungsbedarf seitens der exportierenden Schweizer KMU.

Switzerland Global Enterprise (S-GE) verstärkte in der Folge ihre Beratungs- und Informationsdienstleistungen, um eine zeitnahe und zielgerichtete Unterstützung für Schweizer Exporteure zur Bearbeitung ausländischer Märkte unter den gegebenen erschwerten Umständen zu ermöglichen. Um den erhöhten Bedarf der Exporteure zu decken, werden der Exportförderung des Bundes 2021 zusätzliche Mittel in der Höhe von 2.6 Millionen Schweizerfranken zur Verfügung gestellt. Neben der gezielten und befristeten Verstärkung von Beratungsleistungen vor Ort sollen auch vermehrt digitale Angebote zur Erschliessung von internationalen Geschäftsmöglichkeiten bereitgestellt werden. Die Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV) konnte mit beschleunigten Prüfverfahren rasch dafür sorgen, dass Schweizer KMU einfacher zu SERV-Deckungen und damit zu entsprechender Exportfinanzierungsliquidität kamen. Ergänzende Massnahmen der SERV zielten auf eine weitere Reduktion des administrativen Aufwands bei der Exportfinanzierung ab, um die Liquiditätsbeschaffung zusätzlich zu erleichtern und gleichzeitig die Planungssicherheit für Unternehmen zu erhöhen. Zudem wurde eine befristete Anpassung der Verordnung vom 25 Oktober 200623 über die Schweizerische Exportrisikoversicherung angenommen, die eine Erhöhung der Deckungssätze für Liquiditätsprodukte und maximale Flexibilität bei der Wertschöpfungsanforderung beinhaltet.

Weiter intensivierte S-GE ihre Investorenbetreuung, um günstige Rahmenbedingungen für ausländische Investitionen in der Schweiz zu schaffen und zu erhalten.

1.3

Herausforderungen für die Schweiz als offene Volkswirtschaft

Die Covid-19-Krise verstärkte protektionistische und industriepolitische Tendenzen in vielen Teilen der Welt. Dies ist nicht im Interesse der offenen und exportorientierten Schweiz. Umso mehr wird sich der Bundesrat mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln für die Aufrechterhaltung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in der Binnen- und Aussenwirtschaftspolitik einsetzen. Gerade in einer Weltwirtschaftskrise 23

SR 946.101

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sind offene Märkte und das regelbasierte Handelssystem von grundlegender Bedeutung für die Schweiz.

1.3.1

Fragilität von Wertschöpfungs- und Logistikketten

Insgesamt zeigte sich in dieser Krise die Widerstandsfähigkeit der Schweizer Wertschöpfungs- und Logistikketten: Auch während der ausserordentlichen Lage im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie kam es zu keinen flächendeckenden und anhaltenden Versorgungsengpässen bei lebenswichtigen Waren. Nahrungsmittel, medizinische Ausrüstung und Medikamente blieben in ausreichendem Masse verfügbar.

Die Versorgungslage war allerdings zwischenzeitlich für medizinisches Schutzmaterial und gewisse pharmazeutische Produkte angespannt. Ausserdem litten diverse Branchen unter Verzögerungen und Unterbrüchen in den Lieferketten. Diesbezügliche Rückmeldungen gab es insbesondere von der Autobranche, dem Luxusgütersektor, bezüglich Rohmaterialien, elektronischen Komponenten sowie Möbeln.

Die Covid-19 Krise brachte auch die Verknüpfungen im und mit dem asiatischen Raum zutage. Zahlreiche Unternehmen kämpften mit der Tatsache, dass ihre eigenen Produktionsstätten in Asien oder diejenigen ihrer Zulieferer aufgrund von Einschränkungen im jeweiligen Land kurzfristig geschlossen wurden. Es mussten Ausnahmebewilligungen beantragt, Diskussionen mit den lokalen Behörden geführt und logistische Alternativen gefunden werden. Nicht selten waren Zulieferer von Schweizer Firmen in einem asiatischen Land ihrerseits von Unterbrüchen in ihren Lieferketten in einem anderen asiatischen Land betroffen. In vielen Fällen gelang es jedoch, auch mittels Unterstützung der Schweizer Bundesverwaltung und der diplomatischen Vertretungen vor Ort, entsprechende Engpässe zu überwinden.

Beispiel: Raffinerie von Cressier (NE) In einem zentralen Fall ging es um die Raffinerie von Cressier, welche 30 Prozent des schweizerischen Marktes versorgt und über eine Pipeline direkt vom Hafen von Marseille mit Rohöl beliefert wird. Anfang April gab es Engpässe beim Löschen der Öltanker, und die französische Direction générale de l'énergie et du climat priorisierte die Löschvorgänge gemäss ihrer strategischen Bedeutung für Frankreich ­ zu Ungunsten der Schweiz. Nach Intervention der Schweizer Botschaft in Paris wurden die Lieferungen für Cressier ebenfalls auf diese Prioritätenliste gesetzt. Eine Stilllegung der Pipeline und somit der Raffinerie von Cressier konnte so verhindert werden. Wenn gleichzeitig wegen tiefen Wasserstands des Rheins oder eines Unterbruchs
einer für den Gütertransport wichtigen Bahnverbindung in Deutschland eine weitere Versorgungsquelle versiegt wäre, hätte es in der Schweiz in Folge zu kritischen Lieferengpässen kommen können.

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1.3.2

Forderungen nach einer Renationalisierung oder Regionalisierung der Produktion

Die OECD stellte im Rahmen einer Studie im Berichtsjahr Tendenzen zu einer Beschränkung des internationalen Handels, zu industriepolitischen Eingriffen oder einer «Rückführung» von Wertschöpfungsketten («reshoring») fest (vgl. Ziff. 1.2.1). Einzelne Massnahmen, die auch in OECD-Ländern vorgeschlagen wurden, bestätigen diesen Trend, selbst wenn sie teils spezifisch medizinische Produkte betreffen. Hinzu kommt, dass der Einbruch der globalen Wirtschaftsleistung protektionistische Tendenzen verstärken dürfte.

USA Bereits seit längerem wurden in den USA Debatten über die Stärkung der industriellen Basis geführt und protektionistische Handelsmassnahmen mit diesem Ziel begründet.

Der Fokus der Anstrengungen im Kontext der Pandemie liegt auf dem «reshoring» in den Bereichen Pharma, Medizinaltechnik und medizinisches Schutzmaterial. Covid19 hat ein Schlaglicht auf spezifische Abhängigkeiten der USA, beispielsweise bei Pharmazeutika geworfen.24 Auf der Grundlage des umfassenden Coronavirus Aid, Relief, and Economic Security (CARES) Act vom 27. März wurde das US-Gesundheitsministerium beauftragt, eine Detailanalyse in den vorgenannten Bereichen durchzuführen und, falls Schwachstellen identifiziert würden, Empfehlungen zwecks Stärkung der Resilienz und der Inlandproduktion zu formulieren. Ebenfalls auf Grundlage des CARES Act wurde die bis anhin ausschliesslich in der Entwicklungsfinanzierung tätige US Development Finance Corporation mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet, um während mindestens neun Jahren das «reshoring» durch Kreditvergaben und -garantien an Unternehmen zu fördern.

Die US-Industrie selber wies hingegen darauf hin, dass mit einem breit angelegten «reshoring» Vorteile von effizienten, international diversifizierten Wertschöpfungsketten zunichtegemacht würden, die Resilienz durch eine forcierte Inlandausrichtung geschwächt und Gegenmassnahmen durch Handelspartner und damit Einbussen bei der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit riskiert würden.25 Dennoch beschloss die US-Regierung zusätzlich zum CARES Act am 6. August einen «Executive Order», welcher gezieltes «reshoring» der pharmazeutischen Industrie zum Ziel hat.

EU Die Covid-19-Krise hat den gegenwärtigen Überlegungen zur strategischen und technologischen Unabhängigkeit der EU weiter Auftrieb verliehen. In einer von Frankreich und Deutschland gemeinsam erarbeiteten Initiative26 wurde vorgeschlagen, die Resilienz sowie die wirtschaftliche und industrielle Autonomie der EU zu stärken.

24 25

26

Information Technology & Innovation Foundation, Juni 2020, www.itif.org > Publications > 2020 > 06 > 15.

U.S. Chamber of Commerce, April 2020, Learning the Right Lessons: Safeguarding the U.S. Supply of Medicines and Medical Products, www.uschamber.com > Issue brief > Learning the right lessons safeguarding the US supply of medicines and medical products.

Initiative franco-allemande pour la relance européenne face à la crise du coronavirus, Mai 2020, www.elysee.fr > Emmanuel Macron > 2020 > 05 > 18 > Initiative franco-allemande pour la relance européenne face à la crise du coronavirus.

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Dazu würden dem Gesundheitssektor umfangreiche Mittel zur Verfügung gestellt.

Zudem ist eine EU-Pharmastrategie in Planung. Um die gefühlten Abhängigkeiten zu verringern, muss aber erst ein Konsens zur EU-Handelspolitik gefunden werden, die im Berichtsjahr Gegenstand einer öffentlichen Konsultation war.

Der Kommissar für Handel schlägt eine «offene strategische Autonomie» vor: Diversifizierung der Wertschöpfungsketten, Lagerhaltung von bestimmten Gütern (1 % der in die EU importierten Güter stammt nur aus einem Land27) und stärkere Verpflichtung für das Festsetzen von internationalen Handelsregeln gemäss den Werten und Regeln der EU.Die industriellen Kreise waren an der Ausarbeitung der Industriepolitik beteiligt und befürworten sie. Businesseurope rief jedoch dazu auf, eine Abschottung der Wirtschaft zu vermeiden.28 Die Industrie unterstützt das Programm zur Belebung des Binnenmarktes, den Wiederaufbauplan und die Mehrheit der vorgeschlagenen Massnahmen, um ein Level Playing Field zu gewährleisten, insbesondere gegenüber China.

Mit dem Ziel, den gegenseitigen Marktzugang zu konsolidieren und zukunftsfähig zu machen, haben die Schweiz und die EU ein institutionelles Abkommen (InstA) verhandelt (vgl. Ziff. 3.3).

1.3.3

Stärkung der Versorgungssicherheit der Schweiz

Die Covid-19-Krise führte auch in der Schweiz zu Diskussionen über die Versorgungssicherheit. Seit April sind zur Bedeutung der internationalen Wertschöpfungsketten für die Schweiz, den daraus möglicherweise entstehenden Abhängigkeiten sowie allfälligen Lösungsansätzen mehrere parlamentarische Vorstösse eingereicht worden.29 Die parlamentarischen Vorstösse zu diesem Thema betreffen vor allem den Gesundheitsbereich, insbesondere die Pharmaindustrie, Impfstoffe, medizinische Schutzausrüstung und Ethanol.

Die Diskussion über die Auswirkungen und den möglichen Handlungsbedarf hinsichtlich der Versorgungssicherheit aufgrund der Covid-19-Krise bekräftigte den Bundesrat in seiner Wirtschafts- und Aussenwirtschaftspolitik: Sein Ziel bleibt, die Schweiz als attraktiven Wirtschaftsstandort und zuverlässige Handelspartnerin zu positionieren und für entsprechende Rahmenbedingungen zu sorgen. Dazu gehören offene Märkte und ein regelbasiertes internationales Handelssystem (vgl. Ziff. 1.2.2). Zum

27

28

29

European Centre for International Political Economy, Cernat Lucian, Guinea Oscar, Juli 2020, On ants, dinosaurs and how to survive a trade apocalypse, www.ecipe.org > Blog > How survive trade apocalypse.

Businesseurope, Juni 2020, Smart technological sovereignty: how it could support EU competitiveness, www.businesseurope.eu > publications > smart technological sovereignty, how it could support EU-competitiveness.

Z. B. Po. Reimann Lukas 20.3433 «Auslandabhängigkeit vermindern, souveräner und krisenresistenter werden» vom 6. Mai 2020; Mo. Mitte-Fraktion 20.3245 «Essentielle Güter ­ wirtschaftliche Abhängigkeit verringern» vom 4. Mai 2020; Mo. Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit SR 20.3166 «Erhöhung der Versorgungssicherheit bei Medikamenten und Impfstoffen» vom 29. April 2020; Mo. Minder Thomas 20.3906 «Schweizer Landesversorgung in sehr grossen Krisen sicherstellen» vom 19. Juni 2020.

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anderen tragen die Resilienz von Wertschöpfungsketten sowie ein spezifischer Fokus auf «lebenswichtige Güter» zur Versorgungssicherheit bei.

Wirtschaftliche Landesversorgung Grundsätzlich ist die Versorgung des Landes mit Gütern und Dienstleistungen Sache der Wirtschaft. Erst wenn diese die Versorgungsfunktion nicht mehr selber wahrnehmen kann, greift der Staat lenkend ein (Grundsatz der Subsidiarität).

Für die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern30 bei schweren Mangellagen ist die Organisation der Wirtschaftlichen Landesversorgung, zu der auch das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) gehört, verantwortlich. Die Pflichtlagerhaltung ist ein wesentliches Instrument zur Vorbereitung auf schwere Mangellagen bei lebenswichtigen Gütern. Die betroffenen Wirtschaftszweige haben die Möglichkeit, zur Umsetzung der Pflichtlagerhaltung privatrechtliche Pflichtlagerorganisationen zu gründen und sogenannte Garantiefonds einzurichten, welche Beiträge der Importeure oder Erstinverkehrbringer einnehmen und die Kosten der Pflichtlagerhaltung der Unternehmen decken.

Im Fall einer unmittelbar drohenden oder bereits bestehenden schweren Mangellage kann der Bundesrat einzelne Unternehmen dazu verpflichten, die Lagerhaltung an lebenswichtigen Gütern zu verstärken. Die Freigabe von Pflichtlagerbeständen kann mittels Verordnung des WBF erfolgen. Zudem hat der Bundesrat im Rahmen des geltenden Rechts die Möglichkeit, Massnahmen hinsichtlich essentieller Güter, etwa für den Schutz der öffentlichen Gesundheit, zu ergreifen, wie er es zu Beginn der Covid19-Krise tun musste (vgl. Ziff. 1.2).31 Resilienz der Wertschöpfungsketten Die schweizerische Wirtschaft ist stark in grenzüberschreitende Liefer- und Produktionsketten eingebunden (vgl. Ziff. 1.1.2). Die Pandemie hat gezeigt, dass diese internationale Arbeitsteilung in einer Krise mit globalen Auswirkungen betriebs- und volkswirtschaftliche Risiken beinhalten kann. Es ist primär im Interesse der Unternehmen, ihre Produktionsstrukturen krisenfest zu gestalten.

Die Möglichkeiten von Unternehmen zur Steigerung der Resilienz von Wertschöpfungsketten können sich je nach Branche und Produkten stark unterscheiden. Auf eine gestärkte Resilienz der Lieferketten kann beispielsweise mit einer geographischen Diversifizierung oder einer raschen Substituierbarkeit der
Lieferketten hingewirkt werden. Auch eine Verkürzung von Wertschöpfungsketten durch Zusammenlegung einzelner Wertschöpfungsstufen kann Risiken reduzieren ­ soweit geeignete Anbieter für mehrere Produktionsschritte gefunden werden können oder diese selbst durchgeführt werden können. Eine weitere Möglichkeit ist der Aufbau von Lagern.

30

31

Zu den «lebenswichtigen Gütern» in Pflichtlagerhaltung gehören: Konsumierbare Nahrungsmittel sowie vor dem Konsum zu verarbeitende Produkte, Dünger und Futtermittel, Energieträger und Arzneimittel. In ergänzender Pflichtlagerhaltung befinden sich Melasse, gewisse Medizinprodukte, Uranbrennelemente sowie Kunststoffgranulate für die Verpackungsindustrie.

Vgl. Ip. 20.3403 Addor «Massnahmen zur Versorgung mit wichtigen medizinischen Gütern zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie» vom 6. Mai 2020; Mo. 20.3906 Minder «Schweizer Landesversorgung in sehr grossen Krisen sicherstellen» vom 19. Juni 2020.

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Die Unternehmen sind am besten in der Lage, allfälliges Verbesserungspotenzial in der Organisation ihrer Lieferketten gemäss den spezifischen Bedürfnissen und Risiken zu identifizieren und umzusetzen. Sie tragen dadurch zur Versorgungssicherheit der Schweiz bei. Staatliche Massnahmen oder Anordnungen sind dabei nicht angemessen. Sie würden die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gefährden oder gar kontraproduktiv wirken. Dies gilt insbesondere auch für eine allfällige staatlich angeordnete Rückführung von Produktionsprozessen in die Schweiz (vgl. dazu auch die unter Ziff. 1.2.1 erwähnte Studie der OECD). Indem sich der Bundesrat für offene Märkte einsetzt sowie Informationen über drohende Risiken zur Verfügung stellt, steht er den Unternehmen stützend zur Seite.

1.4

Fazit

Im Rückblick funktionierten die globalen Wertschöpfungsketten für die Schweiz im Berichtsjahr auch während der Covid-19-Krise insgesamt gut. Die geographische Diversifizierung der Wirtschaft, das diplomatische Kontaktnetz sowie etablierte Beziehungen der Schweiz zu ihren Handelspartnern in allen Regionen der Welt waren zentral, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Krise abzufedern. Zusammen mit den Leistungen der Landwirtschaft, der einheimischen Produktion und des funktionierenden Detailhandels trugen sie dazu bei, dass die Schweiz keine anhaltenden Versorgungsengpässe erlitt.

Weltweit, und auch in der Schweiz, ist es indes zu Diskussionen über die Versorgungssicherheit und die Rolle der internationalen Wertschöpfungsketten gekommen.

Diese reihen sich ein in bereits seit längerem zu beobachtende Tendenzen hin zu einer Beschränkung des internationalen Handels, industriepolitischen Eingriffen und Versuchen, internationale Produktionsprozesse in nationale Volkswirtschaften zurückzuführen. Forderungen nach einer Verminderung der Abhängigkeit vom Ausland haben durch die aktuelle Krise zusätzlichen Auftrieb erhalten.

Dabei gerät leicht in Vergessenheit, dass die internationalen Liefer- und Wertschöpfungsketten auf der Grundlage möglichst offener Märkte und international vereinbarter Regeln ­ und der daraus resultierenden Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit in allen Lagen ­ dem Wohlstand der Schweiz zugrunde liegen. Das Extrem einer autarken Produktion von Waren entlang der gesamten oder weiten Teilen der Wertschöpfungskette wäre gerade im Hochpreis- und Hochlohnland Schweiz mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden. Die so produzierten und exportierten Güter wären darüber hinaus im internationalen Handel weit weniger wettbewerbsfähig.

Insgesamt ist zu erwarten, dass sich bereits in den vergangenen Jahren immer deutlicher abzeichnende protektionistische und industriepolitische Tendenzen im internationalen Umfeld der Schweiz fortsetzen werden. Es ist darüber hinaus absehbar, dass die Covid-19-Krise und der mit ihr verbundene Einbruch der weltweiten Wirtschaftsleistung diese Tendenzen in vielen Teilen der Welt verstärken werden. Damit wird die sehr wettbewerbsfähige, exportorientierte Schweiz mit ihrem kleinen Binnenmarkt stärker unter Druck geraten. Diesen Tendenzen zu folgen,
ist für sie selbst nicht ratsam. Offene Märkte und internationale Vernetzung ­ gerade auch digital, wie die Krise verdeutlicht hat ­ sind, gemeinsam mit angemessenen und gezielten staatlichen 33 / 76

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Massnahmen im öffentlichen Interesse, die Basis für eine nachhaltige Erholung und stärken die Resilienz der schweizerischen Wirtschaft.

Eine globale Krise kann nur auf globaler Ebene dauerhaft überwunden werden. Der Bundesrat wird sich deshalb dafür einsetzen, auf der multilateralen Ebene das regelbasierte Handelssystem zu erhalten und weiterzuentwickeln sowie die Zusammenarbeit in weiteren Gremien wie der OECD insbesondere aber auch mit den Nachbarstaaten und der EU zu stärken (vgl. Ziff. 3-5). Zugleich wird die Schweiz ihre Verantwortung in der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit wahrnehmen, so dass ­ im direkten Interesse der Schweiz ­ auch die Entwicklungsländer die Krise gesundheitspolitisch wie wirtschaftlich bewältigen können (vgl. Ziff. 7).

2

Wichtige binnenwirtschaftspolitische Entwicklungen mit Bezug zur Aussenwirtschaft

Binnenwirtschaftspolitik und Aussenwirtschaftspolitik sind eng miteinander verflochten. Wirtschaftspolitische Entwicklungen in der Schweiz können direkte Auswirkungen auf ihre internationalen Beziehungen haben ­ und umgekehrt. Dies zeigt sich im Berichtsjahr insbesondere im Bereich der internationalen Investitionen, bei den Anliegen der Konzernverantwortungsinitiative, der geplanten Aufhebung der Industriezölle und den potentiellen Auswirkungen der Fair-Preis-Initiative.

2.1

Investitionskontrollen

Für den Wirtschaftsstandort und damit den Wohlstand der Schweiz sind grenzüberschreitende Investitionen von zentraler Bedeutung. Die Schweiz zählt zu den grössten Empfängerinnen von Direktinvestitionen weltweit, der Bestand der ausländischen Direktinvestitionen in der Schweiz belief sich 2019 auf rund 1 370 Milliarden Schweizerfranken. Die offene Politik der Schweiz gegenüber Investitionen aus dem Ausland sichert den schweizerischen Unternehmen einen ausreichenden Zufluss von Kapital und trägt so zur Wertschöpfung und der Schaffung und dem Erhalt von Arbeitsplatzen bei. Zudem sind ausländische Direktinvestitionen ein wichtiger Faktor im Wissenstransfer in die Schweiz. Gleichzeitig ist die Schweiz eine der grössten Direktinvestorinnen der Welt und profitiert von Investitionen im Ausland. Der Bestand der schweizerischen Direktinvestitionen im Ausland betrug 2019 1 445 Milliarden Schweizerfranken.

Im Berichtsjahr beauftragte das Parlament den Bundesrat, gesetzliche Grundlagen für eine Kontrolle von ausländischen Investitionen zu schaffen.32 Die Debatte im Parlament anlässlich der Motion 18.3021 Rieder hat gezeigt, dass das Parlament eine zielgerichtete, griffige und administrativ schlanke Investitionskontrolle wünscht. Der

32

Motion 18.3021 Rieder «Schutz der Schweizer Wirtschaft durch Investitionskontrollen», vom Ständerat am 17. Juni 2019 und vom Nationalrat am 3. März 2020 angenommen.

In der Folge beantragte der Bundesrat am 12. August, auch die Annahme der Motion 20.3461 UREK-N «Schutz kritischer Infrastrukturen».

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Bundesrat hat noch im Berichtsjahr mit der Umsetzung begonnen. Eine unnötige administrative Belastung der Unternehmen und Investoren soll vermieden werden.

Seit 2018 haben mehr als die Hälfte der OECD-Staaten einen sektorenübergreifenden Investitions-Screening-Mechanismus in Kraft; zehn Jahre zuvor war es lediglich ein Drittel der Staaten33. Verschiedene Staaten, darunter die USA, Deutschland, Frankreich, Österreich, Italien oder Japan, haben jüngst ihre Investitionskontrollen verschärft. In weiteren Staaten (u. a. Finnland, Korea, UK) sind Verschärfungen geplant oder in Umsetzung. Dänemark, Irland und Schweden prüfen derzeit die Einführung eines sektorenübergreifenden Investitions-Screening-Mechanismus, die Tschechische Republik ist dabei, einen solchen einzuführen. Die EU hat im Rahmen der Covid-19Krise ihren Mitgliedsstaaten empfohlen, Kontrollen in kritischen Sektoren zu verschärfen oder, falls noch nicht vorhanden, solche einzuführen.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass eine offene Politik gegenüber Investitionen aus dem Ausland gerade angesichts dieser Entwicklungen ein wichtiger Wettbewerbsund Standortvorteil der Schweiz bleibt.

2.2

Konzernverantwortungsinitiative

Am 29. November stimmte das Volk über die eidgenössische Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen ­ zum Schutz von Mensch und Umwelt» ab.34.

Der Bundesrat lehnte die Initiative vor allem ab, da die von der Initiative verlangte Unternehmenshaftung über geltende Regeln hinausgegangen wäre und den Unternehmensstandort Schweiz übermässig belastet hätte. Stattdessen setzte der Bundesrat auf ein international abgestimmtes Vorgehen und auf bestehende Instrumente, namentlich die Aktionspläne zur gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen und zu Wirtschaft und Menschenrechte35 (vgl. Ziff. 6.4.2. und 6.4.3). In der parlamentarischen Beratung zur Initiative engagierte sich der Bundesrat deshalb für einen indirekten Gegenvorschlag36 mit einer Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und zur Sorgfaltsprüfung betreffend Konfliktmineralien und Kinderarbeit. Am 19. Juni entschied das Parlament, dem Volk die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen37 und beschloss einen indirekten Gegenvorschlag38.

33

34 35 36

37 38

Vgl. OECD: Investment screening in times of COVID-19 and beyond, publiziert auf der Webseite der OECD: www.oecd.org > tackling coronavirus (COVID-19) > policy responses.

Vgl. www.konzern-initiative.ch www.csr.admin.ch und www.nap-bhr.admin.ch.

www.admin.ch > Dokumentation Medienmitteilungen > 14.8.2019 > Schweizer Unternehmen sollen über Einhaltung der Menschenrechte und Umweltschutzstandards berichten.

Vgl. SDA-Meldung vom 19.6.2020 unter www.parlament.ch > Services > News > Seiten > 2020.

Vgl. www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Amtliches Bulletin > Amtliches Bulletin: die Verhandlungen.

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Bei der Abstimmung am 29. November nahm die Mehrheit der Stimmberechtigten die Initiative an, allerdings wurde das Ständemehr nicht erreicht. Gemäss indirektem Gegenvorschlag des Parlaments werden grosse Publikumsgesellschaften und Finanzinstitute ähnlich wie in der EU über Umwelt- und Arbeitnehmerbelange, Menschenrechte sowie die Bekämpfung der Korruption berichten müssen. Weiter wird eine Pflicht zur Sorgfaltsprüfung und Berichterstattung für Unternehmen eingeführt, die Mineralien oder Metalle bestehend aus Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold aus Konfliktund Hochrisikogebieten in die Schweiz importieren oder hier bearbeiten. Dasselbe gilt für Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen anbieten, für die ein begründeter Verdacht besteht, dass sie unter Einsatz von Kinderarbeit hergestellt oder erbracht wurden. Als Sanktion für die Verletzung der Berichterstattungspflicht ist eine Busse von bis zu 100 000 Schweizerfranken vorgesehen. Sollte das fakultative Referendum dagegen ergriffen werden, wird das schweizerische Stimmvolk auch über den indirekten Gegenvorschlag abstimmen.

2.3

Aufhebung der Zölle auf Industriegüter

In Erfüllung des Postulats 14.3014 «Erleichterung der Zollabfertigung und Förderung von Parallelimporten dank Anerkennung weiterer Dokumente zur Erbringung des Ursprungsnachweises» der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 24. Februar 2014 hatte der Bundesrat 2016 einen Bericht über die Erleichterung von Parallelimporten vorgelegt und umfassende Massnahmen gegen die «Hochpreisinsel Schweiz» vorgeschlagen.39 Die vorgeschlagenen Massnahmen zielen auf den Abbau von Importhindernissen und erschweren damit die Marktsegmentierung durch ausländische Hersteller.

Im Rahmen dieser Massnahmen hatte der Bundesrat dem Parlament im November 2019 vorgeschlagen, die Zölle auf Importe von Industriegütern unilateral auf null zu setzen. Diese Massnahme würde die Preise von importierten Waren entsprechend senken. Die Wirtschaft käme dadurch in den Genuss günstigerer Vorleistungen und administrativer Entlastungen, was ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken würde. Neben der Aufhebung der Zölle enthält die Vorlage auch eine Vereinfachung der Zolltarifstruktur für Industrieprodukte. Der Nationalrat trat nicht auf die Vorlage ein, allerdings tat dies der Ständerat am 23. September und am 2. Dezember. Die vorberatenden Kommissionen haben sich für die Vorlage ausgesprochen, in der Frühjahrssession wird sich der Nationalrat erneut damit befassen.

2.4

Fair-Preis-Initiative

Die 2017 eingereichte Volksinitiative «Stop der Hochpreisinsel ­ für faire Preise (Fair-Preis-Initiative)» hat das Ziel, die «Hochpreisinsel Schweiz» zu bekämpfen.

39

Bericht des Bundesrates vom 22. Juni 2016 in Erfüllung des Postulats 14.3014, «Erleichterung der Zollabfertigung und Förderung von Parallelimporten dank Anerkennung weiterer Dokumente zur Erbringung des Ursprungsnachweises.

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Waren und Dienstleistungen sollen im Ausland zu den gleichen Preisen und Bedingungen beschafft werden können, wie durch dort ansässige Unternehmen. Wettbewerbsbeschränkungen von marktmächtigen Unternehmen sollen unterbunden werden. Zu diesem Zweck sieht die Initiative ein Vorgehen auf drei Ebenen vor: Erstens verlangt sie eine Anpassung des Kartellgesetzes40, damit neu auch so genannt «relativ marktmächtige» Unternehmen von der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle erfasst werden. Zweitens soll eine Regelung eingeführt werden, wonach relativ marktmächtige und marktbeherrschende Unternehmen die Belieferung im Ausland unter bestimmten Umständen verweigern dürfen (sog. Re-Import-Klausel). Drittens sieht die Initiative ein grundsätzliches Verbot des privaten Geoblockings vor.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die Forderungen der Initiative zu weit gehen. Zudem erklärte der Bundesrat in seiner Botschaft zur Fair-Preis-Initiative, dass die ReImport-Klausel gegen das Verbot mengenmässiger Beschränkungen und Massnahmen gleicher Wirkung in FHA der Schweiz (z. B. Art. 13 Abs. 1 FHA Schweiz-EU) verstossen könnte. Auch in der WTO könnten Klagen wegen eines Verstosses gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung nicht ausgeschlossen werden.

Der Bundesrat möchte gezielt gegen die Hochpreisinsel und die Abschottung des Schweizer Marktes vorgehen und unterbreitet deshalb einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative.41 Dem Nationalrat geht der indirekte Vorschlag des Bundesrates zu wenig weit. Er beschloss am 9. März, diesen im Sinne der Fair-Preis-Initiative abzuändern. Dabei übernahm er auch die eingangs skizzierte Re-Import-Klausel.

Am 2. Dezember befasste sich der Ständerat mit der Initiative. Das Differenzbereinigungsverfahren findet voraussichtlich in der Frühjahrssession 2021 statt. Die Behandlungsfrist des Parlaments endet am 23. August 2021.

3

Wirtschaftsbeziehungen mit der EU

Die EU ist der mit Abstand wichtigste Handelspartner der Schweiz. Die Handelsbeziehungen werden durch eine Vielzahl bilateraler Abkommen zwischen der Schweiz und der EU gefördert. Dank dieser Abkommen entfallen im gegenseitigen Handel für die meisten Güter neben Zöllen auch nicht-tarifäre (technische) Handelshemmnisse

40 41

SR 251 Botschaft vom 29. Mai 2019 zur Volksinitiative «Stop der Hochpreisinsel ­ für faire Preise (Fair-Preis-Initiative)» und zum indirekten Gegenvorschlag (Änderung des Kartellgesetzes), BBl 2019 4877, 4933.

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für Industrie42- und Agrarprodukte43, wie zum Beispiel mehrfache Prüfungen für Produktezulassungen, Zollvoranmeldungen44 und Kontrollen an der Grenze45. Darüber hinaus ermöglichen sie den transparenten und diskriminierungsfreien Zugang zu öffentlichen Beschaffungen46 sowie zu den Arbeitsmärkten47. Die bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU ermöglichen somit den Zugang zum EUBinnenmarkt gerade auch kleineren Schweizer Unternehmen, welche ohne diese ­ im Vergleich zu anderen FHA mit Drittstaaten zusätzlichen ­ Erleichterungen aufgrund der administrativen Kosten vom Handel mit der EU absehen würden.

3.1

FHA Schweiz­EU

Der Grundstein für die gegenseitige Marktöffnung zwischen der Schweiz und den EUMitgliedstaaten wurde mit dem FHA Schweiz­EU von 197248 gelegt. Es schafft eine Freihandelszone für industrielle Erzeugnisse und regelt den Handel mit landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnissen49. Industrieprodukte mit Ursprung50 im Gebiet der beiden Vertragsparteien können zollfrei gehandelt werden. Das FHA von 1972 verbietet darüber hinaus mengenmässige Handelsbeschränkungen und Massnahmen gleicher Wirkung.

Das FHA von 1972 ist ­ in Verbindung mit den weiteren bilateralen Abkommen Schweiz­EU ­ das bedeutendste FHA der Schweiz. Jedoch regelt es nicht alle Aspekte des Warenhandels und entspricht nicht dem Standard neuerer FHA, wie sie die Schweiz mit Drittstaaten ausserhalb der EU abgeschlossen hat. So enthält das FHA von 1972 beispielsweise keine Bestimmungen über die rechtlich verbindliche Beilegung von Streitigkeiten zwischen den Parteien oder die gegenseitige Ausnahme von Handelsschutzmassnahmen, die gegenüber Drittstaaten ergriffen worden sind.

42

43

44

45 46

47

48 49 50

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (SR 0.946.526.81).

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen (SR 0.916.026.81); Agrarabkommen.

Abkommen vom 25. Juni 2009 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Erleichterung der Kontrollen und Formalitäten im Güterverkehr und über zollrechtliche Sicherheitsmassnahmen ­ mit Anhängen (SR 0.631.242.05); Zollsicherheitsabkommen.

Zollsicherheitsabkommen und Agrarabkommen.

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens (SR 0.172.052.68).

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (SR 0.142.112.681).

Abkommen vom 22. Juli 1972 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (SR 0.632.401).

Protokoll Nr. 2 über bestimmte landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse (SR 0.632.401.2).

Präferenzieller Ursprung nach Massgabe des Protokolls Nr. 3 über die Bestimmung des Begriffs «Ursprungserzeugnisse» und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen (SR 0.632.401.3).

38 / 76

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Die EU wendet seit 2018 solche Schutzmassnahmen im Stahlsektor gegenüber Drittländern an. Davon sind einzig bestimmte Entwicklungsländer sowie die EWR-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein befreit, nicht aber die Schweiz. Die Schweiz intervenierte mehrmals und verlangte ebenfalls eine Ausnahme von den Schutzmassnahmen. Sie forderte, gestützt auf das FHA von 1972, dass die Schutzmassnahmen den bilateralen Handel zumindest nicht einschränken. Die EU begründete die Nichtgewährung einer Ausnahme der Schweiz mit dem Umstand, dass diese im Gegensatz zu den EWR-Staaten nicht Teil des Binnenmarktes sei und die Massnahmen gegenüber allen Handelspartnern angewendet werden. Die Schutzmassnahmen der EU im Stahlbereich gelten bis am 30. Juni 2021.

3.2

Gleichwertige Regeln in der Schweiz und der EU

Im Gegensatz zum FHA von 1972 basieren einige wichtige bilaterale Abkommen im Handelsbereich auf einer Übernahme oder Angleichung an das EU-Recht. Dies bedingt eine regelmässige Aktualisierung der Abkommen, um sie an die relevanten Rechtsentwicklungen auf beiden Seiten anzupassen.

Im Berichtsjahr standen beispielsweise die Vorbereitung einer Aktualisierung des Kapitels 3 des Zollsicherheitsabkommens (zollrechtliche Sicherheitsmassnahmen), Anhang I des Luftverkehrsabkommens (Flug- und Luftsicherheit und Flugbetrieb), des Landverkehrsabkommens (LSVA und viertes Eisenbahnpaket), Massnahmen im Zusammenhang mit Covid-19 sowie eine substantielle Aktualisierung des Kapitels «Medizinprodukte» des MRA an. Mit letzterer soll die revidierte Regulierung der Medizinprodukte in der EU berücksichtigt werden. Nach ihrer Verschiebung um ein Jahr aufgrund der Covid-19 Krise werden die revidierte Regulierung in der EU und die gleichwertige Revision des schweizerischen Medizinprodukterechts am 26. Mai 2021 in Kraft treten. Entsprechend wichtig ist eine Aktualisierung des MRA auf diesen Zeitpunkt hin.

Die Schweiz hat auch in Bereichen, die nicht von bilateralen Abkommen geregelt sind, ein Interesse an Regeln, die mit jenen unserer wichtigsten Handelspartner gleichwertig sind. Beispielsweise spielt die im Berichtsjahr abgeschlossene Revision des schweizerischen Datenschutzgesetzes (DSG)51 eine wichtige Rolle im Hinblick auf die anstehende Prüfung der Gleichwertigkeit des in der Schweiz geltenden Datenschutzniveaus durch die EU-Kommission. Diese unilaterale Anerkennung des Datenschutzes in der Schweiz ist Voraussetzung für die weitgehend ungehinderte grenzüberschreitende Übermittlung und Verarbeitung von Personendaten.

Im Berichtsjahr, kam der Europäische Gerichtshof (EuGH) zum Schluss, dass das bestehende Regelwerk für die Übermittlung von Personendaten zwischen der EU und den USA, der EU-US Privacy Shield, kein angemessenes Schutzniveau im Sinne von Artikel 45 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bietet.52 Die Schweiz, die

51 52

SR 235.1 EuGH, Urteil des Gerichtshofs (Grosse Kammer) vom 16. Juli 2020, Data Protection Commissioner gegen Facebook Ireland Ltd, Maximilian Schrems, Rechtssache C-311/18.

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über ein ähnliches Instrument verfügt wie die USA, verfolgt die Diskussionen zwischen der EU und den USA für ein überarbeitetes Privacy Shield, das den vom transatlantischen Datenaustausch betroffenen Wirtschaftsakteuren alle rechtlichen Sicherheiten garantiert, genau mit.

Die Europäische Kommission kam auch im Berichtsjahr nicht auf ihren Entscheid zurück, die mit Verweis auf das InstA (vgl. Ziff. 3.3) bis Ende Juni 2019 befristete Anerkennung der sogenannten Börsenäquivalenz nicht zu erneuern. Die vom Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) per 1. Juli 2019 aktivierte Massnahme zum Schutz der Schweizer Börseninfrastruktur sieht für ausländische Handelsplätze eine Anerkennungspflicht vor, wenn diese bestimmte Aktien schweizerischer Gesellschaften zum Handel zulassen oder den Handel ermöglichen wollen. Mit dem Austritt des UK aus der EU (vgl. Ziff. 5.2) wurde die Liste der betroffenen Handelsplätze am 1. Februar aktualisiert. Das UK wird seither getrennt von der EU gelistet.

3.3

Institutionelles Abkommen (InstA)

Mit dem Ziel, den gegenseitigen Marktzugang zu konsolidieren und zukunftsfähig zu machen, haben die Schweiz und die EU über ein InstA verhandelt.53 Dieses schafft für die Aktualisierungen der auf Rechtsharmonisierung basierenden Abkommen einheitliche Prozesse und damit Rechtssicherheit. Das InstA soll auf fünf bestehende 54 und allfällige künftige Marktzugangsabkommen anwendbar sein.

Im Hinblick auf eine mögliche Unterzeichnung des InstA suchte der Bundesrat im Berichtsjahr Klärungen für Bereiche, die für die Schweiz von besonderer Bedeutung sind: (i) die staatlichen Beihilfen, (ii) die Unionsbürgerrichtlinie55 sowie (iii) der Schutz der Lohn- und Arbeitsbedingungen in der Schweiz. Diese offenen Fragen konnten bis Ende des Berichtsjahres nicht geklärt werden.

3.4

Personenfreizügigkeit

Die schweizerische Bevölkerung stimmte am 27. September über die Volksinitiative "Für eine massvolle Zuwanderung (Begrenzungsinitiative)" ab. Volk und Stände folgten dem Anliegen der Initiative nicht. Sie verlangte das Ende der Personenfreizügigkeit mit der EU. Eine Annahme hätte schwerwiegende Folgen für die Arbeitsplätze und den Wohlstand in der Schweiz gehabt, und dies zu einem Zeitpunkt, in dem die Wirtschaft in besonderem Masse Stabilität und Perspektiven braucht.

Die Personenfreizügigkeit ermöglicht es schweizerischen Unternehmen, benötigte Fachkräfte rasch, flexibel und ohne übermässigen administrativen Aufwand aus der EU/EFTA zu rekrutieren. Dies steigerte massgeblich die Produktivität und damit die 53

54 55

Weiterführende Informationen sind auf der Website des EDA publiziert: www.eda.admin.ch > DEA > Verhandlungsthemen > Verhandlungen > Institutionelles Abkommen.

Personenfreizügigkeit, Landverkehr, Luftverkehr, MRA und Landwirtschaft.

Richtlinie 2004/38/EG.

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internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und damit des Wirtschaftsstandortes56. Andererseits stieg einhergehend mit einem starken Wirtschaftswachstum in der Schweiz insbesondere in den Jahren 2004 bis 2008 sowie 2010 bis 2013 die Zuwanderung 57 deutlich an. Im Vergleich zu 2013 reduzierte sich die Nettozuwanderung jedoch um rund die Hälfte und lag 2019 noch bei rund 30 700 Personen. Diese Nettozuwanderung lag unter dem langjährigen Durchschnitt.58 Zuwanderung ist mit Herausforderungen verbunden, die sich etwa auf den Arbeitsmärkten zeigen. Deshalb unterstützt und fördert der Bundesrat inländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gezielt59. Verschiedene Massnahmen zur Förderung des inländischen Arbeitskräftepotenzials zielen darauf ab, die Konkurrenzfähigkeit älterer Arbeitskräfte zu sichern, schwer vermittelbaren Stellensuchenden den Schritt in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen und in der Schweiz lebende Ausländerinnen und Ausländer besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Am 19. Juni genehmigten die eidgenössischen Räte das Bundesgesetz über Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose (ÜLG). Es wird am 1. Juni 2021 in Kraft treten.

Befürchtungen hinsichtlich Verdrängungseffekte auf den Arbeitsmärkten oder Lohneinbussen konnten auch in jüngsten Analysen im Rahmen des jüngsten Observatoriumsberichtes zum FZA60 nicht bestätigt werden. Vielmehr zeigen die ausgewerteten Daten, dass die Zuwanderung in enger Übereinstimmung mit dem Bedarf der schweizerischen Wirtschaft steht. Deren Fähigkeit, angesichts des strukturellen Mangels an inländischem Personal flexibel und unkompliziert ausländische Arbeitskräfte zu rekrutieren, erhöht ihr Arbeitskräfte- und damit das längerfristige Wachstumspotenzial.

Da die Zuwanderung in die Schweiz im Rahmen der Personenfreizügigkeit an der Nachfrage auf den Arbeitsmärkten ausgerichtet ist, ist die Erwerbsbeteiligung der zugewanderten Personen entsprechend hoch. Zudem zeigt sich, dass die zugewanderten Arbeitskräfte hinsichtlich ihrer Arbeitsleistung besonders flexibel sind. So leisten sie im Vergleich zu einheimischen Arbeitskräften häufiger Nacht- oder Abendarbeit.

Weiter sind sie weitaus häufiger in befristeten Arbeitsverhältnissen tätig. Damit verleihen sie Unternehmen und Branchen mit variabler, beispielsweise saisonal schwankender Nachfrage eine höhere Anpassungsfähigkeit und stärken das Produktionspotenzial und die Resilienz der Schweizer Volkswirtschaft gerade in Krisenzeiten.

56 57 58 59 60

Vgl. Bericht des SECO «Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen eines Wegfalls der Bilateralen I», 2015.

Zwischen 2004 und 2008 (bis zur Finanzkrise) oder 2010 bis 2013.

Vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 29. Juni 2020 «Personenfreizügigkeit im Jahr 2019: Arbeitsmarkt weiterhin ausgeglichen».

Vgl. Medienmitteilung vom 13. August 2020 «Bund und Kantone setzen Massnahmen zur Förderung der inländischen Arbeitskräfte um».

Vgl. Bericht des SECO «16. Bericht des Observatoriums zum Freizügigkeitsabkommen Schweiz­EU».

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3.5

Beitrag der Schweiz an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten

Seit 2007 unterstützt die Schweiz in dreizehn EU-Mitgliedstaaten Projekte im Umfang von bisher insgesamt 1, 302 Milliarden Schweizerfranken. Sie leistet damit einen Beitrag zum Abbau der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der EU.

Ausserdem profitiert die Schweiz langfristig von gestärkten bilateralen Beziehungen und einem sicheren und stabilen Europa. Der Abbau wirtschaftlicher und sozialer Ungleichheiten trägt entscheidend dazu bei. In den 2004 der EU beigetreten zehn Mitgliedstaaten wurden sämtliche Projekte unter diesem Erweiterungsbeitrag schon 2017 abgeschlossen, in Bulgarien und Rumänien im Dezember 2019. In Kroatien laufen Projekte bis 2024.

Das Parlament genehmigte am 3. Dezember 2019 einen neuen Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten. Wie der Erweiterungsbeitrag soll auch der zweite Schweizer Beitrag insgesamt 1, 302 Milliarden Schweizerfranken über zehn Jahre betragen. Inskünftig will die Schweiz auch EU-Mitgliedstaaten unterstützen, die von Migrationsbewegungen besonders betroffen sind. Das Parlament entschied allerdings auch, dass keine Verpflichtungen eingegangen werden, solange die EU diskriminierende Massnahmen gegen die Schweiz erlässt oder aufrechterhält.

Im Berichtsjahr wurden die Vorbereitungsarbeiten für den zweiten Schweizer Beitrag fortgesetzt. So wurden mit EU-Mitgliedstaaten technische Sondierungsgespräche geführt. Ebenfalls wurden Gespräche mit der EU zu einer rechtlich unverbindlichen Vereinbarung über die Parameter und Prinzipien des Beitrags geführt.

4

Internationale Organisationen

4.1

Welthandelsorganisation (WTO)

Mit den anhaltenden Spannungen in der internationalen Handelspolitik ist die WTO weiter gefordert, das multilaterale Handelssystem zu reformieren und an die sich verändernden Herausforderungen anzupassen. Die Covid-19-Krise hat die laufenden Reformbemühungen infolge der Einschränkungen des Handels im Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie sowie der Verschärfung industriepolitischer und protektionistischer Tendenzen in allen Teilen der Welt zusätzlich erschwert (vgl. Ziff. 1.3).

Die mit dem Argument der Versorgungssicherheit in vielen Staaten ergriffenen handels- und wirtschaftspolitischen Massnahmen stellten die WTO vor neue Herausforderungen. Die im Juni geplante zwölfte ordentliche WTO-Ministerkonferenz musste auf einen noch unbestimmten Zeitpunkt im kommenden Jahr verschoben werden.

Ebenso ist noch offen, wann der WTO-Generalrat formell über die Ernennung einer neuen WTO-Generaldirektorin befinden wird.

Am 2. Dezember 2020 hinterlegte die Schweiz bei der WTO die Ratifikationsurkunde für das revidierte WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA). Dieses tritt am 1. Januar 2021 für die Schweiz in Kraft, parallel zur Revision des schweizerischen Beschaffungsrechts.

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4.1.1

Verhandlungsfortschritte

Trotz der aussergewöhnlichen Umstände konnten im Berichtsjahr multilaterale und plurilaterale Verhandlungen meist mit digitalen Mitteln fortgeführt werden. Auf der multilateralen Ebene stand ein Abkommen über die Fischereisubventionen im Sinne des UNO-Nachhaltigkeitsziels 14.661 im Vordergrund. Die Verhandlungen sollen bis zur nächsten WTO-Ministerkonferenz abgeschlossen werden. Die plurilaterale Initiative über die Integration der KKMU in den Welthandel konnte mit einer Erklärung am 11. Dezember erfolgreich abgeschlossen werden.

Bei den übrigen plurilateralen Initiativen wurden die Arbeiten weitergeführt. Die Verhandlungen zum elektronischen Handel betreffen gemeinsame Prinzipen für die innerstaatlichen regulatorischen Rahmenbedingungen, den Marktzugang für relevante Dienstleistungen und Güter sowie die technische Unterstützung für Entwicklungsländer. Auch die Arbeiten zur innerstaatlichen Regulierung von Dienstleistungen sowie zur Investitionserleichterung wurden fortgesetzt.

Die Schweiz engagierte sich im Rahmen der sogenannten Ottawa-Gruppe, einer von Kanada angeführten Gruppe von Mitgliedern, welche die WTO-Reformen aktiv unterstützen. Der Schwerpunkt des von dieser Gruppe verabschiedeten Aktionsplans vom 16. Juni liegt bei der Verbesserung der Transparenz handelspolitischer Massnahmen in Krisenzeiten, Lehren aus der Covid-19-Krise, insbesondere beim Agrarhandel und der Nahrungsmittelsicherheit sowie bei der Erleichterung des Handels mit medizinischen Gütern. Zu Letzterem wurde im Berichtsjahr eine entsprechende Initiative in der WTO lanciert (vgl. Ziff. 1.2.1). Die Gruppe unterstützt auch die laufenden Arbeiten im Bereich Digitalisierung und E-Commerce aktiv. Eine Gruppe von 23 WTOMitgliedern62 einschliesslich der Schweiz erklärte am 17. November in der WTO ihre Absicht, Anfang 2021 Gespräche zum Thema Handel und ökologische Nachhaltigkeit aufzunehmen und deren Ergebnisse mit allenfalls konkreten Vorschlägen für neue Initiativen den Ministern anlässlich der 12. WTO-Ministerkonferenz zu unterbreiten.

In der zweiten Jahreshälfte nahm die Schweiz Verhandlungen über ein ACCTS zusammen mit Costa Rica, Fidschi, Island, Neuseeland und Norwegen auf. Dabei werden in einem kleineren plurilateralen Rahmen bestimmte Themen aufgenommen, die im multilateralen Rahmen bis anhin nicht konsensfähig waren. Es
handelt sich dabei um die Liberalisierung von Umweltgütern und -dienstleistungen, Disziplinen für Subventionen fossiler Energien sowie um Guidelines für Umweltlabels.

Mit der Zertifizierung der revidierten Verpflichtungsliste LIX­Schweiz­Liechtenstein wurde am 3. Juni das Verfahren zur Anhebung der schweizerischen Zolltarife

61

62

Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, Ziel 14.6: Bis 2020 bestimmte Formen der Fischereisubventionen untersagen, die zu Überkapazitäten und Überfischung beitragen, Subventionen abschaffen, die zu illegaler, ungemeldeter und unregulierter Fischerei beitragen, und keine neuen derartigen Subventionen einführen. Vgl. www.eda.admin.ch > Agenda 2030 > 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung.

Australien, Chile, Costa Rica, Europäische Union, Gambia, Fidschi, Island, Japan, Kanada, Korea, Liechtenstein, Malediven, Mexiko, Moldova, Montenegro, Neuseeland, Nordmazedonien, Norwegen, Senegal, Schweiz, Taiwan, Tschad und Vereinigtes Königreich.

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für gewürztes Fleisch unter Vorbehalt der parlamentarischen Genehmigung abgeschlossen (vgl. Ziff. 9.2.2). Der Bundesrat beschloss am 26. August, die revidierten Verpflichtungen per 1. Januar 2021 vorläufig in Kraft zu setzen63.

4.1.2

Streitbeilegung in der WTO

Aufgrund der weiterhin anhaltenden Blockade der Ernennung von neuen Mitgliedern im WTO-Berufungsorgan durch die USA ist dieses seit Dezember 2019 funktionsunfähig. Um dennoch eine abschliessende Klärung von Handelsstreitigkeiten zu ermöglichen und damit zur Rechtssicherheit im internationalen Handel beizutragen, haben die Schweiz und 18 weitere WTO-Mitglieder am 30. April eine vorläufige Vereinbarung getroffen (Multi-Party Interim Appeal Arbitration Arrangement, MPIA). Sie sieht ein Berufungsverfahren vor einem Schiedsgericht vor, welches sich auf die bestehenden WTO-Regeln stützt. Der Schweiz gelang es, einen Schweizer Schiedsrichter in den Schiedsrichterpool wählen zu lassen.64 Die Vereinbarung gelangt so lange zur Anwendung, bis das reguläre WTO-Berufungsorgan erneut funktionsfähig ist.

Dies bleibt die Priorität der Schweiz.

Das 2018 von der Schweiz im Rahmen der WTO-Streitschlichtung initiierte Spezialausschussverfahren (sog. Panelverfahren) gegen die US-Zölle auf Stahl und Aluminium ist noch im Gang.65 Auch die sechs parallel dazu von China, Indien, Norwegen, Russland, der Türkei und der EU gegen die amerikanischen Massnahmen lancierten Verfahren sind noch nicht abgeschlossen. Gleiches gilt für die Klagen der USA gegen die von fünf dieser Mitgliedstaaten ergriffenen Ausgleichsmassnahmen. Die Schweiz beteiligt sich als Drittpartei an diesen verschiedenen Verfahren. Zudem ist sie Drittpartei in zwei weiteren von der EU eingeleiteten Panelverfahren. Das eine betrifft von den USA erhobene Antidumping- und Ausgleichszölle auf reife spanische Oliven, das andere bestimmte Massnahmen der Türkei bezüglich Herstellung, Import und Vermarktung pharmazeutischer Produkte.

4.2

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)

Am Ministertreffen, welches am 28. und 29. Oktober in virtuellem Format stattfand, standen die Bedingungen einer starken, resilienten, grünen und inklusiven wirtschaftlichen Erholung im Zentrum. Das Treffen baute auf drei ministerielle Roundtables auf, die zwischen Juni und September organisiert worden waren. Die Minister verabschiedeten eine Empfehlung über die Finanzkultur, welche die Förderung der Bildung im Finanzwesen zum Gegenstand hat. Zum ersten Mal seit vier Jahren wurde zudem eine Ministererklärung verabschiedet. Deren Prioritäten waren die wirtschaftliche Erholung post-Covid-19, der Erhalt von Arbeitsplätzen sowie die Einführung sauberer 63 64 65

Siehe zolltarifarischer Bericht 2020, Ziff. 9.2.3.

www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Internationale Organisationen / G20 > WTO > Die Schweiz und das Streitbeilegungssystem.

www.wto.org/french/tratop_f/dispu_f/cases_f/ds556_f.htm.

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Technologien und nachhaltiger Infrastrukturen sind. Die Minister brachten ihr Bekenntnis zu offenen Märkten sowie effizienten und transparenten multilateralen Institutionen zum Ausdruck. Ende November präsidierte die Schweiz das Treffen der Global Strategy Group (GSG), bei dem die Zukunftsvision der OECD (Vision Statement) gestützt auf das OECD-Übereinkommen angepasst wurde. Die Länder bekräftigten ihr Bekenntnis zu den demokratischen Werten, die auf Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte sowie den Grundsätzen einer offenen und transparenten Marktwirtschaft beruhen.

Nach 15 Jahren an der Spitze der OECD gab Generalsekretär Angel Gurria im Juli seinen Rücktritt im Juni 2021 bekannt. Am 28. Oktober stellte der Bundesrat die Kandidatur von Philipp Hildebrand vor. Als früherer Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) vertrat dieser die Schweiz in verschiedenen internationalen Organisationen wie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), OECD, Internationaler Währungsfonds (IWF) sowie dem Finanzstabilitätsrat (FSB). Die Nominierung des neuen Generalsekretärs ist für den 1. März 2021, mit Aufnahme der Funktion ab 1. Juni 2021 vorgesehen.

Im Berichtsjahr wurden die Arbeiten zur Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft an der OECD weitergeführt.66 Im Berichtsjahr konnte kein Ergebnis erzielt werden. Die OECD-Mitglieder streben eine konsensbasierte Lösung bis Mitte 2021 an. Die Schweiz befürwortet langfristige, breit abgestützte multilaterale Lösungen anstelle einer Vielzahl von unübersichtlichen nationalen Massnahmen. Sie spricht sich für nachhaltige und prinzipienbasierte Regeln aus, die Innovation und wirtschaftliches Wachstum fördern.

Das Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes hat der Schweiz auch bei der zweiten Runde der «Peer Review zum Informationsaustausch auf Ersuchen für Steuerzwecke» die Note «weitgehend konform» (largely compliant) erteilt. Der Bericht vom 6. April stellt deutliche Verbesserungen fest, namentlich hinsichtlich des Umganges mit Inhaberaktien und der Effizienz des Informationsaustausches.

Im Oktober legte die Schweiz einen Fortschrittsbericht zu dem 2018 im Rahmen der OECD-Konvention gegen Bestechung durchgeführten Peer-Review vor.67 Kritik erntete die Schweiz, die von der OECD ansonsten für die Umsetzung
der Konvention gelobt wurde, vor allem für den immer noch fehlenden Schutz von Whistleblowern in der Privatwirtschaft und die zu schwachen Sanktionen gegenüber juristischen Personen. Ausserdem wird die Empfehlung von 2009, die eine Ergänzung zur Konvention darstellt, überarbeitet, um sie zu präzisieren und zu aktualisieren.

66 67

www.sif.admin.ch > Finanzmarktpolitik und ­strategie > Digitalisierung des Finanzsektors > Besteuerung digitalisierte Wirtschaft.

Übereinkommen vom 17. Dezember 1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr (SR 0.311.21).

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4.3

Gruppe der 20 (G20)

Im Berichtsjahr nahm die Schweiz als Gast unter der Präsidentschaft Saudi-Arabiens an allen G20-Aktivitäten teil. Die Schweiz engagierte sich folglich vollumfänglich im Sherpa Track, bei dem es um die wirtschaftlichen, gesundheitlichen, sozialen und umweltbezogenen Aspekte der internationalen politischen Themen geht, die auf der Tagesordnung des G20-Gipfels stehen.

Besonders aktiv war die Schweiz im Bereich Handel und Investitionen. Diesbezüglich tritt sie für ein regelbasiertes multilaterales Handelssystem ein und beteiligt sich an den Bestrebungen der G20 für eine Reform der WTO. Gleichzeitig setzte sich die Schweiz für die Nachhaltigkeit im internationalen Handel ein. Ebenso wirkte sie auf einen offenen, freien, sicheren und regelbasierten digitalen Raum hin. Zudem brachte sie ihre Positionen hinsichtlich der Besteuerung der digitalen Wirtschaft im Finance Track ein, zu dem sie auch im Berichtsjahr eingeladen wurde. Bezüglich Arbeit und Beschäftigung setzte sich die Schweiz für ein koordiniertes Vorgehen zur Milderung der Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf Arbeitsmärkte ein, basierend auf internationalen Arbeitsnormen und einer starken Sozialpartnerschaft.

4.4

Internationale Arbeitsorganisation (IAO)

Der Fokus der IAO lag im Berichtsjahr auf den Massnahmen im Zusammenhang mit Covid-19. Dazu zählte die regelmässig aktualisierte Bewertung der globalen Auswirkungen von Covid-19 auf Volkswirtschaften und Arbeitsmärkte, mit aktuellen Schätzungen zu globalen Arbeitszeiteinbussen und Einkommensverlusten, zusammen mit politischen Empfehlungen zur Milderung der Auswirkungen und zur Unterstützung einer raschen Erholung. Die IAO verfasste diesbezüglich aber auch thematische Analysen, verbunden mit Empfehlungen an die Mitglieder.68 Das im Juli stattfindende Gipfeltreffen der IAO resultierte in einer gemeinsamen Erklärung der Mitglieder, die Covid-19-Pandemie als Ansporn für eine Verbesserung der weltweiten Arbeitsbedingungen zu nutzen. Die im Vorjahr verabschiedete Jahrhunderterklärung der IAO zur Zukunft der Arbeit soll hierfür als Basis und Richtlinie herangezogen werden.

5

Bilaterale Wirtschaftsabkommen

5.1

Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) und Freihandelsabkommen

Die Schweiz arbeitete im Berichtsjahr im Rahmen der EFTA weiter am Ausbau ihres Netzes an FHA. Allerdings mussten die meisten physischen Treffen abgesagt werden, so etwa mit Malaysia, Mercosur und der Südafrikanischen Zollunion. Wo dies möglich war, wurden Videokonferenzen abgehalten und die Arbeiten auf schriftlichem Weg vorangetrieben, so mit Chile, Indien und Vietnam. Die Auswirkungen der Covid68

www.ilo.org > Topics > COVID-19 and the world of work

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19-Pandemie führten aber in vielen Verhandlungsprozessen zu Verzögerungen.

Ebenso von der Krise betroffen waren mehrere geplante Treffen von Gemischten Ausschüssen. Auch hier konnten einzelne, etwa mit Südkorea und Singapur, als Videokonferenzen abgehalten werden (vgl. Ziff. 9.1.3). Andere Partner zogen eine Verschiebung vor, bis ein physischer Austausch wieder möglich ist.

5.1.1

Neue Freihandelsabkommen und laufende Verhandlungen

Seitdem die Verhandlungen des FHA EFTA-Mercosur im August 2019 in der Substanz abgeschlossen wurden, läuft die Klärung letzter substantieller Fragen und die rechtliche Bereinigung der Texte. Neben den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie führte auch der Regierungswechsel in Argentinien zu beträchtlichen Verzögerungen.

Mit dem Abkommen sollen mittelfristig rund 95 Prozent der Schweizer Warenexporte in die Mercosur-Märkte von Zöllen befreit werden. Angesichts der hohen Zölle, mit welchem die Mercosur-Staaten ihre Märkte schützen, beträgt das Zolleinsparungspotential für die schweizerische Wirtschaft rund 180 Millionen Schweizerfranken pro Jahr. Im Berichtsjahr wurde eine Umweltverträglichkeitsstudie zum FHA EFTAMercosur publiziert (vgl. Ziff. 6.3.3).

Das Referendum gegen den Bundesbeschluss vom 20. Dezember 2019 über die Genehmigung des Umfassenden Wirtschaftspartnerschaftsabkommens (CEPA) zwischen den EFTA-Staaten und Indonesien ist im Berichtsjahr zustande gekommen. Die Abstimmung findet am 7. März 2021 statt. Sofern die Stimmbevölkerung dem Abkommen zustimmt, werden mittelfristig rund 98 Prozent der schweizerischen Ausfuhren in das bevölkerungsmässig viertgrösste Land der Welt zollbefreit. Gleichzeitig hat der Bundesrat die Umsetzung der Nachhaltigkeitsanforderungen für präferenzielle Palmölimporte unter dem CEPA aufgegleist (vgl. Ziff. 6.3.2). Gegenüber Konkurrenten aus Volkswirtschaften, die kein Wirtschaftsabkommen mit Indonesien abgeschlossen haben, werden Schweizer Unternehmen Wettbewerbsvorteile erhalten, gerade da die indonesischen Zölle im internationalen Vergleich hoch sind. Die bestehende Diskriminierung gegenüber Unternehmen aus anderen Staaten, die bereits über Wirtschaftsabkommen mit Indonesien verfügen, zum Beispiel Australien und Japan, wird aufgehoben. Die Rechtssicherheit und Planbarkeit in den Wirtschaftsbeziehungen mit Indonesien werden verbessert, was neue Absatzchancen für Schweizer Unternehmen schaffen wird.

Im Berichtsjahr konnte die Schweiz auch ihren internen Genehmigungsprozess betreffend das FHA mit Ecuador abschliessen. Das Abkommen ist am 1. November in Kraft getreten. Die Verhandlungen mit Indien, Malaysia, Vietnam und Chile sowie die exploratorischen Gespräche über ein mögliches bilaterales Handelsabkommen mit den USA wurden im Berichtsjahr fortgesetzt
(vgl. Ziff. 9.1.2). Weiter genehmigte der Bundesrat am 15. Januar das Verhandlungsmandat für die Aufnahme, respektive Wiederaufnahme von Verhandlungen im Rahmen der EFTA mit Moldova und Thailand.

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5.1.2

Neues Modellkapitel über E-Commerce

Die Schweiz hat in der Vergangenheit im Rahmen der EFTA, wie auch in bilateralen FHA diverse Bestimmungen über E-Commerce verankert.69 Der elektronische Handel hat für die Wirtschaft an Bedeutung gewonnen, weshalb viele der weltweit abgeschlossenen Handelsabkommen heutzutage weitreichende Bestimmungen dazu enthalten70. Deshalb arbeiteten die EFTA-Mitgliedsstaaten seit 2019 an einem EFTAModellkapitel zum E-Commerce. Der EFTA-Rat hat den bevorstehenden Abschluss der Arbeiten am Ministertreffen vom 27. Oktober zur Kenntnis genommen. Das Kapitel soll Elemente enthalten, die gegenwärtig zum internationalen Standard in FHA zählen, insbesondere Bestimmungen zum grenzüberschreitenden Datenfluss, zum Schutz von Quellcodes, zum offenen Internet und zu elektronischen Zahlungsmöglichkeiten. Die Schweiz verfügt somit über ein weiteres Instrument, um ihre Interessen in einer zunehmend digital vernetzten Weltwirtschaft wahrzunehmen. Zu den Entwicklungen in der WTO zu dieser Thematik, vgl. Ziff. 4.1.1.

5.1.3

Transparenz hinsichtlich Freihandelsabkommen

Die EFTA-Staaten beschlossen im Berichtsjahr, die Transparenz im Zusammenhang mit den Verhandlungen zu Freihandelsabkommen generell und insbesondere im Bereich der Nachhaltigkeit zu erhöhen. Dazu gehören Massnahmen zur ausführlicheren Information über die Verhandlungsziele, den Verlauf und das Resultat von Verhandlungen. Um die Beteiligung aller Anspruchsgruppen zu fördern, wird das EFTASekretariat auf seiner Website eine Möglichkeit schaffen, damit alle Akteure ihre Beobachtungen und Vorschläge zur Umsetzung der Kapitel zu Handel und nachhaltiger Entwicklung einbringen können (vgl. auch Ziff. 6.3.1). Die Beteiligung der beratenden Ausschüsse der EFTA soll ebenfalls gestärkt werden, indem sie künftig regelmässig über die Treffen der Gemischten Ausschüsse und die Arbeiten zu Modellbestimmungen informiert werden.

5.1.4

Revidierte Regeln des Pan-Europa-Mittelmeer (PEM)-Übereinkommens

Das Regionale Übereinkommen vom 15. Juni 201171 über Pan-Europa-MittelmeerPräferenzursprungsregeln (PEM-Übereinkommen) sieht die sogenannte «diagonale Kumulation» vor, mittels derer Verarbeitungsschritte zwischen den 23 Mitgliedern

69

70

71

In den FHA der EFTA mit der Türkei, Zentralamerika (Costa Rica, Guatemala, Panama), Peru, dem Golfkooperationsrat (GCC) und Kolumbien sowie dem bilateralen FHA der Schweiz mit Japan.

Vgl. Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2019 einschliesslich Botschaften zu Wirtschaftsvereinbarungen sowie Bericht über zolltarifarische Massnahmen im Jahr 2019, Ziff. 1.2.5, S. 24. Zu den Verhandlungen über e-commerce in der WTO vgl. Ziff. 4.1.1.

SR 0.946.31

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der PEM-Zone kombiniert werden können.72 Im Rahmen der Revision des PEMÜbereinkommens strebten die Vertragsparteien des PEM-Übereinkommens eine umfassende Modernisierung und zahlreiche Vereinfachungen der Ursprungsregeln an.

Da aber auch im Berichtsjahr kein Konsens unter allen Vertragsparteien über die Revision des PEM-Übereinkommens gefunden werden konnte, haben sich die interessierten Vertragsparteien73 darauf geeinigt, die revidierten Regeln bis zum Inkrafttreten der Revision untereinander übergangsweise bilateral anzuwenden. Das revidierte Übereinkommen und seine übergangsweise bilaterale Anwendung werden der Bundesversammlung als Anhang zu diesem Bericht zur Genehmigung unterbreitet (vgl. Ziff. 9.2.1).

5.1.5

Studie über die Präferenznutzung

Seit 2019 werden mit FHA-Partnerstaaten systematisch Zolldaten ausgetauscht, welche die Analyse der Nutzung von FHA ermöglichen. Der Bundesrat hat im Berichtsjahr eine Studie zur Analyse der Nutzung von FHA veröffentlicht.74 Diese zeigt, dass die importseitigen Zolleinsparungen in der Schweiz 2018 dank der FHA 2,5 Milliarden Schweizerfranken betrugen. Dies entspricht einer durchschnittlichen Nutzungsrate der FHA von 73 Prozent bei den Importen. Bei den Exporten in die FHA-Länder, welche Daten zur Verfügung gestellt haben, lag die Nutzungsrate der FHA im Jahr 2018 bei 80 Prozent. Dies entspricht Zollersparnissen von 1,8 Milliarden Schweizerfranken. Basierend auf den Ergebnissen der Analyse wurden im Berichtsjahr Arbeiten zur Ermittlung der Gründe für nichtgenutzte Zolleinsparungen in FHA aufgenommen.

Das Ziel ist es, Rahmenbedingungen für die weitere Verbesserung der Nutzung der FHA zu schaffen.

5.2

Handelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich

Nach dem Austritt des UK aus der EU am 31. Januar 2020 galt bis am Ende des Berichtsjahres eine Übergangsperiode, während der das UK seitens der Schweiz weiterhin wie ein Mitgliedstaat der EU zu behandeln war; die bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU blieben auch auf das UK anwendbar. Um die bestehenden gegenseitigen Rechte und Pflichten so weit als möglich auch darüber hinaus zu sichern, hat die Schweiz im Rahmen ihrer Strategie «Mind the gap» eine Reihe neuer bilateraler Abkommen mit dem UK in den Bereichen Handel, Migration, Mobilität von Dienstleistungserbringern, Strassen- und Luftverkehr sowie Versicherungen abgeschlossen.

72

73

74

www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Internationaler Warenverkehr > Politik im Bereich Ursprungsregeln.

Die revidierten Regeln werden von der Schweiz, ihren EFTA-Partnern, der EU, den Westbalkanstaaten, der Türkei und den meisten Mittelmeer-Partnerländern (MED) bilateral und übergangsweise angewendet.

www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaftspolitik > Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Freihandelsabkommen > Nutzung der Freihandelsabkommen.

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Das Handelsabkommen vom 11. Februar 2019 übernimmt einen Grossteil der handelsrelevanten Rechte und Pflichten der bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU und überträgt diese auf das Wirtschaftsverhältnis zwischen der Schweiz und dem UK. Es überführt unter anderem das Freihandelsabkommen75, das Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen76, das Betrugsbekämpfungsabkommen77, das MRA78, das Agrarabkommen79 sowie das Abkommen über Zollerleichterungen und Zollsicherheit80. Einige der überführten Bestimmungen beruhen allerdings auf der Harmonisierung oder der Anerkennung der Gleichwertigkeit der Vorschriften zwischen der Schweiz und der EU81 (vgl. auch Ziff. 3.2). Diese wären unter dem Handelsabkommen Schweiz­UK als anwendbar erklärt worden, wenn sich die EU und das UK ebenfalls auf eine entsprechende Harmonisierung geeinigt hätten. Vor diesem Hintergrund führten die Schweiz und das UK den Dialog im Handelsbereich auch im Berichtsjahr fort.

Der Bundesrat wird das am 24. Dezember zwischen dem UK und der EU abgeschlossene Handels- und Kooperationsabkommen auf mögliche Auswirkungen auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und dem UK hin prüfen und die weiteren Gespräche zwischen dem UK und der EU eng verfolgen.

Die im Handelsabkommen replizierten bilateralen Abkommen Schweiz­EU sind auf die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU ausgerichtet und liegen in Folge des Wegfallens der erwähnten Bestimmungen der Bilateralen Abkommen in den betreffenden Bereichen unter dem Standard moderner Freihandelsabkommen. Im Einklang mit der bundesrätlichen Strategie «Mind the gap» sehen eine Überprüfungsklausel im Handelsabkommen sowie ein zwischen dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und dem britischen Departement for International Trade (DIT) abgeschlossenes Memorandum of Understanding vom 14. Januar 2019 Gespräche über ein neues oder modernisiertes Handelsabkommen vor. Entsprechende Gespräche sind für 2021 vorgesehen.

75 76

77

78

79

80

81

Abkommen vom 22. Juli 1972 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (SR 0.632.401).

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens (SR 0.172.052.68).

Abkommen vom 26. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren andererseits zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen (SR 0.351.926.81).

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (SR 0.946.526.81).

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen (SR 0.916.026.81).

Abkommen vom 25. Juni 2009 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Erleichterung der Kontrollen und Formalitäten im Güterverkehr und über zollrechtliche Sicherheitsmassnahmen ­ mit Anhängen (SR 0.631.242.05).

Abkommen über Zollerleichterungen und Zollsicherheit, gewisse Sektoren des Agrarabkommens, darunter der Anhang «Veterinärabkommen», und gewisse Sektoren des MRA.

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Darüber hinaus streben die Schweiz und das UK eine engere Zusammenarbeit im Bereich der Finanzdienstleistungen an. Dies bekräftigten der Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) und der britischen HM Treasury in einem am 30. Juni unterzeichneten Joint Statement82. Ein Abkommen soll den grenzüberschreitenden Marktzugang für Finanzdienstleistungen im Versicherungs-, Banken-, Asset Management- sowie Kapitalmarktinfrastrukturbereich auf Basis der gegenseitigen Anerkennung der Regulierungs- und Aufsichtsrahmen ermöglichen.

5.3

Investitionsschutzabkommen

Es liegt im Interesse der Schweiz, günstige Rahmenbedingungen für ausländische Investitionen zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Dazu tragen die bilateralen ISA bei, genau wie die FHA, die den Marktzugang gewähren. Die ISA bieten den Investoren dank der darin enthaltenen Garantien und der Umsetzungsmechanismen zusätzliche Rechtssicherheit und Schutz vor politischen Risiken.83 Vor diesem Hintergrund erneuert die Schweiz, die momentan über 111 geltende ISA verfügt, ihr Netz von ISA fortlaufend. Sie tut dies durch den Abschluss neuer oder die Modernisierung bestehender Abkommen durch Bestimmungen zum Investitionsschutz. Im Berichtsjahr konnten die Verhandlungen zur Revision des ISA mit der Slowakei in der Substanz abgeschlossen werden. Die Verhandlungen zur Revision des ISA mit Indonesien sind gut vorangekommen. Eine Übersicht über die laufenden Verhandlungen findet sich unter Ziff. 9.1.4.

Weiter beteiligte sich die Schweiz an Verhandlungen zur Aktualisierung des Vertrages über die Energiecharta84. Der 1998 in Kraft getretene Vertrag ist ein sektorielles Investitionsschutz- und Transitabkommen zwischen 53 Staaten. Die Verhandlungen zielen darauf ab, die Schutzstandards des Vertrags zu aktualisieren und ihn an neue Gegebenheiten (Klimawandel, erneuerbare Energien etc.) anzupassen.

5.4

Doppelbesteuerungsabkommen

Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) vermeiden die Doppelbesteuerung von natürlichen und juristischen Personen mit internationalen Anknüpfungspunkten im Bereich der Einkommens- und Vermögenssteuern. Sie sind ein wichtiges Element zur Förderung internationaler Wirtschaftsaktivitäten. Die Schweiz zählt derzeit DBA mit über 100 Staaten und ist bestrebt, dieses Netz weiter auszubauen. Im Berichtsjahr unterzeichnete die Schweiz Änderungsprotokolle zu bestehenden DBA mit Liechtenstein, Malta und Zypern.

82 83 84

Vgl. Medienmitteilung vom 30. Juni 2020 «Die Schweiz und das Vereinigte Königreich streben eine engere Zusammenarbeit für Finanzdienstleistungen an».

Vgl. dazu auch «Die Entwicklungen im internationalen Investitionsschutz als Chance nutzen», Schwerpunktkapitel im AWB 2017 (BBl 2018 821).

Vertrag über die Energiecharta (SR 0.730.0).

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Mit dem in diesem Zusammenhang zentralen OECD/G20-Projekt BEPS («Base Erosion and Profit Shifting») soll verhindert werden, dass multinationale Konzerne ihre Gewinne in steuergünstige Länder verschieben oder sich gar ganz der Besteuerung entziehen. Die Gewinne sollen am Ort besteuert werden, wo sie erzielt wurden.

Für DBA, die nicht direkt durch das BEPS-Übereinkommen vom 1. Dezember 2019 geändert werden, schlägt der Bundesrat jeweils die bilaterale Anpassung des jeweiligen DBA vor. Damit sollen die relevanten Aspekte des BEPS-Übereinkommens und insbesondere die abkommensbezogenen Mindeststandards umgesetzt werden. Eine Übersicht über die laufenden Verhandlungen findet sich unter Ziff. 9.1.5.

5.5

Gemischte Wirtschafskommissionen

Um die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen der Schweiz zu stärken, führte die Schweiz im Berichtsjahr auf verschiedenen Stufen zahlreiche Wirtschaftsmissionen, Arbeitsgespräche und gemischte Wirtschaftskommissionen durch (vgl. Ziff. 9.1.6).

Diese Wirtschaftsdialoge sind ein wichtiges Instrument zur Wahrung der aussenwirtschaftlichen Interessen der Schweiz im kontinuierlichen Kontakt mit den wichtigsten Partnerstaaten. Infolge der Einschränkungen durch die Covid-19-Pandemie fanden im Berichtsjahr einige dieser Austausche im digitalen Format statt.

6

Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle Unternehmensführung

6.1

Umsetzung der Agenda 2030

Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der UNO bildet einen weltweiten Referenzrahmen für die nationalen und internationalen Bestrebungen, um die grossen globalen Herausforderungen wie Umweltschädigung, soziale Ungleichheit oder Gesundheitsrisiken zu bewältigen. Das Kernstück der Agenda 2030 bilden die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG).

Der Bundesrat misst der Agenda 2030 grosse Bedeutung zu und fokussierte im Berichtsjahr seine Bestrebungen zur Umsetzung der Agenda 2030 insbesondere in den Bereichen Konsum und Produktion, Klima, Energie und Biodiversität sowie Chancengleichheit. Im Berichtsjahr begann die Vernehmlassung zur Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030. Die Strategie wird zudem durch einen grundsätzlich auf vier Jahre angelegten Aktionsplan konkretisiert. Dieser wurde ebenfalls im Berichtsjahr erarbeitet. Ziel des Aktionsplans ist es, ausgewählte Stossrichtungen der Strategie Nachhaltige Entwicklung in konkrete Massnahmen zu überführen.

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6.2

Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Entwicklung

Die Agenda 2030 und ihre 17 Sustainable Development Goals (SDGs) sind für den Bundesrat hinsichtlich der Umsetzung der Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit 2017­2020 (IZA-Botschaft 2017­2020) sowie der Ausarbeitung der zukünftigen Botschaft zur Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021­2024 (IZAStrategie 2021­2024, vgl. Ziff. 7) massgeblich.

Bisherige Erfahrungen und eine Evaluation zur Dauerhaftigkeit von Projekten im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit flossen in die Ausarbeitung der IZA-Strategie 2021­2024 im Berichtsjahr ein. So wird die politische Kohärenz zwischen wirtschafts-, sozial- und umweltpolitischen Aspekten laufend verbessert.

Die Schweiz setzt sich für eine nachhaltige Entwicklung in ihren Partnerländern ein und leistet damit einen Beitrag zur ihrer Sicherheit, ihrem Wohlstand, ihrer Unabhängigkeit, zum Schutz des Klimas und der Umwelt sowie zur Steigerung der Resilienz gegenüber Schocks und Krisen. Dabei achtet sie darauf, dass ihre Partner aus dem Privatsektor Standards für eine nachhaltige Entwicklung, wie zum Beispiel die Umsetzung der OECD Leitsätze für multinationale Unternehmen oder die Einhaltung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, einhalten.

6.3

Nachhaltigkeit und Freihandelsabkommen

6.3.1

Überwachung der Umsetzung und Transparenz

Die EFTA-Staaten veröffentlichten im Berichtsjahr einen Bericht85 über ihre Erfahrungen mit dem Einbezug der Modellbestimmungen zu Handel und nachhaltiger Entwicklung in EFTA-FHA. Weiter definierten sie Prioritäten für die Zukunft. Unter anderem sollen die Bestrebungen zur Überwachung der Einhaltung der entsprechenden Verpflichtungen in FHA verstärkt und systematisiert werden. Um Synergien zu nutzen, wollen sich die EFTA-Staaten dabei zukünftig vermehrt auf die bestehenden Kontrollmechanismen internationaler Gremien stützen, auf die im EFTA-Modellkapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung verwiesen wird. Diesbezüglich werden die Schweiz und ihre EFTA-Partnerländer prüfen, ob direkte Kontakte zu den Sekretariaten der IAO und relevanter multilateraler Umweltabkommen hergestellt werden könnten. Zugleich stärken die EFTA-Staaten ihre Kontakte zu ihren Botschaften in den Partnerländern sowie zu den beratenden Ausschüssen der EFTA. Ausserdem wurden im Berichtsjahr innerhalb der EFTA Massnahmen erarbeitet, um die Transparenz im Zusammenhang mit den Verhandlungen zu FHA insbesondere im Bereich der Nachhaltigkeit zu erhöhen (vgl. Ziff. 5.1.3).

85

www.efta.int > Global Trade Relations > About FTAs > Trade and Sustainable Development in EFTA's FTAs.

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6.3.2

Palmölimporte unter dem Wirtschaftspartnerabkommen EFTA-Indonesien

Im Rahmen des zwischen den EFTA-Staaten und Indonesien abgeschlossenen CEPA wurden die präferenziellen Palmölimporte aus Indonesien an bestimmte Nachhaltigkeitsbedingungen geknüpft. Die innerstaatliche Umsetzung wird in einer Verordnung geregelt. Der Verordnungsentwurf86 sieht vor, dass bei Importeuren, die ein Lieferkettenzertifikat einer anerkannten Standardorganisation vorweisen können, der Nachhaltigkeitsnachweis als erbracht gilt. Die vom Bundesrat anerkannten Standardorganisationen wurden mittels einer sogenannten Benchmarkingstudie ermittelt. 87 Präferenzielle Importe innerhalb der gewährten Kontingente müssen zudem in normierten 22-Tonnen-Tanks erfolgen. Somit ist sichergestellt, dass die Herkunft des Palmöls entlang der Lieferkette rückverfolgt werden kann.

6.3.3

Umweltverträglichkeitsprüfung zum FHA EFTA-Mercosur

Im Rahmen des Aktionsplans «Grüne Wirtschaft» des Bundesrates gab das SECO in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) und dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) eine Umweltverträglichkeitsprüfung zum Abkommen mit den Staaten des Mercosur in Auftrag. Diese wurde im Juni publiziert.88 Die Studie analysiert mögliche Auswirkungen auf die Umwelt in der Schweiz und in den MercosurStaaten, die aufgrund allfälliger Veränderungen der bilateralen Handelsströme durch das FHA entstehen könnten. Die Studie kommt zum Schluss, dass die Umweltauswirkungen gering ausfallen dürften. So wären die Treibhausgasemissionen 2040 durch das Abkommen in der Schweiz um 0.1 % höher als ohne FHA, in den Mercosur-Staaten um 0.02 %. Global blieben die Treibhausgasemissionen damit fast unverändert (+0.0004 %). Gemäss den Modellrechnungen wäre 2040 die mit dem FHA verbundene Abholzung in den Mercosur-Staaten um 0.02 % bis höchstens 0.1 % höher. Auch in anderen Bereichen, wie der Luft- und Wasserverschmutzung sowie des Artenschutzes, werden die potenziellen Umweltrisiken als gering beurteilt. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass das Abkommen den Handel mit umweltintensiven Produkten nur beschränkt betrifft und die bestehenden Handelsflüsse mit solchen Produkten nur geringfügig ändern dürfte.

86 87 88

www.seco.admin.ch > Das SECO > Vernehmlassungen.

www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Freihandelsabkommen > Partner weltweit > Indonesien > Palmöl.

www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Freihandelsabkommen > Partner weltweit > MERCOSUR > Umweltverträglichkeitsstudie.

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6.3.4

Arbeitsdialoge

Die Schweiz führte im Berichtsjahr mit China, Myanmar, Indonesien und Vietnam Aktivitäten im Bereich Arbeit und Beschäftigung durch, die auf Memoranda of Understanding (MoU) basieren. Die MoU institutionalisieren einen regelmässigen, hochrangigen Dialog zwischen den Arbeitsmarktbehörden und Sozialpartnern der Schweiz und den genannten Ländern. Sie tragen zur Umsetzung der sozialen Aspekte der Nachhaltigkeitskapitel in den FHA der Schweiz bei und entsprechen den Prinzipien der Strategie der Schweiz bei der IAO. Im Berichtsjahr fanden mehrere hochrangige virtuelle Treffen mit den Partnerbehörden statt, um die Auswirkungen der Massnahmen zur Bewältigung der Covid-19 Pandemie auf die Arbeitsmärkte zu erörtern.

Dieser institutionalisierte Austausch nutzt Synergien mit bestehenden Projekten der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit im Bereich Arbeit und Beschäftigung in den erwähnten Ländern und trägt zu deren Umsetzung bei. So finanziert die Schweiz beispielsweise die beiden Projekte der IAO Better Work, in Partnerschaft mit der Internationalen Finanzkorporation (IFC), und Sustaining Competitive and Responsible Enterprises (SCORE) (vgl. Ziff. 7).

6.4

Verantwortungsvolle Unternehmensführung

Der Bundesrat hiess am 15. Januar die aktualisierten Aktionsplänen zur gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen 89 und zu Wirtschaft und Menschenrechte90 für die Legislaturperiode 2020­2023 gut (vgl. Ziff. 6.4.2. und 6.4.3). Mit diesen aufeinander abgestimmten Aktionsplänen fördert er die Umsetzung der verantwortungsvollen Unternehmensführung (Corporate Social Responsibility, CSR) als Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung.

Die eidgenössische Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen ­ zum Schutz von Mensch und Umwelt» scheiterte am 29. November am Ständemehr (vgl. Ziff. 2.2). Damit tritt der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments in Kraft, sofern dagegen nicht das Referendum ergriffen wird. Gemäss dem indirekten Gegenvorschlag soll für Unternehmen künftig eine Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie zur Durchführung einer Sorgfaltsprüfung betreffend Konfliktmineralien und Kinderarbeit bestehen.

6.4.1

Nationaler Kontaktpunkt für die OECD-Leitsätze

Der Nationale Kontaktpunkt (NKP) für die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen spielt eine zentrale Rolle bei der Förderung der verantwortungsvollen Unternehmensführung.91 Im Berichtsjahr förderte der NKP den Bekanntheitsgrad der

89 90 91

www.csr.admin.ch www.nap-bhr.admin.ch www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaftspolitik > Wirtschaftliche Zusammenarbeit> Wirtschaftsbeziehungen > NKP.

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OECD-Leitsätze und der darin enthaltenen CSR-Sorgfaltsprüfung an verschiedenen Veranstaltungen und einem neuen Auftritt in den sozialen Medien.92 Im Berichtsjahr erhielt der Nationale Kontaktpunkt (NKP) vier Anfragen zur Aufnahme einer Mediation unter anderem betreffend die BKW Energie AG und die UBS Group AG. Zudem führte er in einem im Dezember 2019 eingereichten Fall betreffend Lafarge-Holcim Vermittlungen durch.93 Aus Sicht der schweizerischen Unternehmen ist ein gut funktionierendes und international abgestimmtes NKP-Netzwerk der 49 Unterzeichnerstaaten wichtig, um möglichst gleiche Bedingungen im internationalen Wettbewerb zu schaffen. Die Schweiz beteiligt sich daher inhaltlich und finanziell an den OECD-Arbeiten zur Stärkung der NKP. Nach der Teilnahme an den Peer Reviews von Belgien, den USA und dem UK nahm die Schweiz im Berichtsjahr an der Überprüfung des koreanischen NKP teil. Im Juni stellte der NKP anlässlich des OECD Global Forum on Responsible Business Conduct seine Mediationspraxis vor. Diese wurde auch in einer OECD-Publikation zum 20-jährigen Jubiläum des internationalen NKP-Netzwerks anhand des FIFAFalls gewürdigt.94

6.4.2

CSR-Aktionsplan des Bundesrates

Der CSR-Aktionsplan 2020­2023 konzentriert sich auf sechzehn Massnahmen zur Förderung der Nachhaltigkeitsberichterstattung und Sorgfaltsprüfung auf Unternehmensebene, der Multistakeholder-Initiativen und der Angleichung von CSRInstrumenten an die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen.

Im Berichtsjahr überprüfte die OECD die Abstimmung verschiedener privater CSRInitiativen im Textil- und Rohstoffsektor mit den OECD-Leitfäden zur Sorgfaltsprüfung.95 Dabei zeigte sich, dass die Vorgaben der meisten Initiativen an die OECDInstrumente angeglichen sind. Das reduziert Umstellungskosten insbesondere bei global tätigen Schweizer KMU, die sich häufig an privaten Standards orientieren.

Zur Förderung der Transparenz hat sich der Bundesrat in der parlamentarischen Debatte zum indirekten Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative für eine Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung über die Achtung der Menschenrechte, die Korruptionsbekämpfung und den Umweltschutz eingesetzt (vgl. Ziff. 2.2). Im Finanzsektor haben sich auf Einladung des Bundes rund 140 Finanzinstitute wie Pensionskassen, Versicherungen und Banken freiwillig bereit erklärt, ihre Anlagen auf die Klimaverträglichkeit zu testen.96

92 93

94 95 96

www.linkedin.com > Nationaler Kontaktpunkt OECD-Leitsätze; www.csr.admin.ch > Veranstaltungen.

www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Nationaler Kontaktpunkt der Schweiz > Statements zu konkreten Fällen.

www.mneguidelines.oecd.org > National Contact Points.

www.mneguidelines.oecd.org > Due Diligence > Garment and Footware > Access the alignment assessments.

www.bafu.ch > Themen > Klima > Fachinformation > Klima und Finanzmarkt.

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Der CSR-Aktionsplan des Bundesrates 2020­2023 erlaubt es, die entsprechenden vielschichtigen Aktivitäten der Bundesverwaltung noch zielgerichteter zu koordinieren sowie die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen als umfassendsten international abgestimmten CSR-Verhaltenskodex zu positionieren. Er trägt dazu bei, schweizerische Unternehmen als verantwortungsvolle und wettbewerbsfähige Akteure langfristig zu stärken.

6.4.3

Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte

Der Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) 2020­2023 wurde auf der Grundlage einer externen Evaluation und unter Einbezug der Interessengruppen (Wirtschaftsverbände, Zivilgesellschaft, Wissenschaftskreise) erarbeitet.

Der aktualisierte NAP umfasst 35 Schlüsselmassnahmen, ein Kapitel zur Verantwortung der Unternehmen und Unterstützungsmassnahmen wie Tools, Broschüren, Ratschläge sowie Multistakeholder-Initiativen, die den in der Schweiz niedergelassenen und/oder tätigen Unternehmen bei der Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte helfen sollen. Prioritäre Massnahmen sind 1) die Kommunikation (Stärkung des Dialogs mit dem Privatsektor, Schaffung eines nationalen Forums), 2) die Unternehmensförderung (gezielte Unterstützung von KMU, Austausch von Best-Practices, Aufbau von Fachwissen in den Schweizer Botschaften) und 3) die Politikkohärenz (Sensibilisierung bundesnaher Unternehmen, stärkere interdepartementale Zusammenarbeit).

6.4.4

Rohstoffbericht des Bundesrates

Nach einem ersten Grundlagenbericht Rohstoffe97 verabschiedete der Bundesrat im November 2018 einen neuen Bericht98 mit sechzehn Empfehlungen. Er hielt fest, dass die Schweiz weiterhin ein wichtiger Handelsplatz für Rohstoffe darstellt, dessen Position jedoch von anderen Handelsplätzen unter Druck steht. Es bestehen weiterhin Herausforderungen etwa in Bezug auf die Nachhaltigkeit sowie die Einhaltung der Menschenrechte. Der Grundlagenbericht hält hierzu Empfehlungen fest Der Bundesrat beauftragte die interdepartementale «Plattform Rohstoffe»99, die Umsetzung der Empfehlungen zu koordinieren und bis Ende Jahr über die Fortschritte zu berichten.

Diese Arbeiten verzögerten sich allerdings in einigen Bereichen wegen Covid-19. Die interdepartementale «Plattform Rohstoffe» wird dem Bundesrat im ersten Halbjahr 2021 Bericht erstatten.

97 98 99

Vgl. Medienmitteilung vom 27. März 2013 unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen> Der Bundesrat veröffentlicht den «Grundlagenbericht Rohstoffe».

www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Rohstoffe.

Unter Leitung von EDA, EFD und WBF.

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7

Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit

Die Schweiz richtet ihre internationale Zusammenarbeit gemäss IZA-Botschaft 2017­ 2020 vom 17. Februar 2016100 und IZA-Botschaft 2021­2024 vom 19. Februar 2020101 im Einklang mit der Legislaturplanung des Bundesrats 2019­2023 und der Aussenpolitischen Strategie der Schweiz 2020­2023 aus. Sie ist kohärent mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und der Addis Ababa Action Agenda der Vereinten Nationen sowie mit der Aussenwirtschaftsstrategie und der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 (vgl. Ziff. 6.2). Vor diesem Hintergrund engagierte sich die Schweiz im Berichtsjahr auch im Entwicklungshilfeausschuss der OECD (Development Assistance Committee, DAC) für die Festigung der Richtlinien zur Erhöhung der Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung und zur Stärkung der Effizienz der Entwicklungszusammenarbeit.

7.1

Wirksamkeitsüberprüfung der internationalen Zusammenarbeit 2017­2020

Am 19. Februar legte der Bundesrat dem Parlament im Rahmen seines Schlussberichts Rechenschaft zur Umsetzung der IZA-Botschaft 2017­2020 ab.102 Die Ziele wurden mehrheitlich erreicht. Die Programme der Entwicklungszusammenarbeit, der humanitären Hilfe und der Friedensförderung haben insgesamt die angestrebte Wirkung erzielt. Der Beitrag der IZA an die Reduktion von Armut, die Schaffung wirtschaftlicher Perspektiven, den Schutz der Umwelt und der Förderung des Friedens dient auch der Sicherheit und dem Wohlstand der Schweiz.

In der Botschaftsperiode wiesen die Projekte der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz insgesamt eine Erfolgsquote von 88 Prozent auf (Anzahl evaluierter Projekte: 72). Dies ist eine Verbesserung um fünf Prozent im Vergleich zur vorangehenden Botschaftsperiode. Beispielsweise wurden über 65 000 Arbeitsplätze geschaffen, 845 000 Produzentinnen und Produzenten ausgebildet und 21,3 Milliarden Kilowattstunden Energie aus erneuerbaren Energien erzeugt. Vier unabhängige thematische Portfolioevaluationen haben die Relevanz, Effektivität, Effizienz und Nachhaltigkeit des SECO im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit bestätigt.103 Aus der IZA-Botschaft 2017­2020 wurden unter anderem folgende Lehren gezogen: Eine stärkere geografische und thematische Fokussierung kann die Wirksamkeit der IZA erhöhen; die global spürbaren Auswirkungen des Klimawandels erfordern einen verstärkten Fokus auf die Umsetzung von sektorübergreifenden Projekten; eine grössere Flexibilität beim Einsatz finanzieller Mittel erlaubt, auch mit Ländern im Bereich Migration zusammenzuarbeiten, die keine Schwerpunktländer der IZA sind, aber in denen komplementär zur schweizerischen Migrationspolitik gewirkt werden kann.

100 101 102

BBl 2016 2333 BBl 2020 2597 www.seco-cooperation.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen> Bilanz 2017­2020: Die internationale Zusammenarbeit der Schweiz wirkt.

103 www.seco-cooperation.admin.ch > Dokumentation > Berichte> Unabhängige Evaluationen.

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Die gezielte Nutzung neuer Technologien und der Digitalisierung eröffnet innovative Ansätze für die IZA. Zudem sollen vermehrt wissenschaftliche Studien und Wirkungsanalysen in der IZA gefördert und mit deren Resultaten Projekte und Programme optimiert werden. Die Erkenntnisse aus dem Schlussbericht flossen in die Erarbeitung der neuen IZA-Strategie 2021­2024 im Berichtsjahr ein.

7.2

Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021­2024

Die IZA-Strategie 2021­2024 beschreibt die Ausrichtung der humanitären Hilfe, der Entwicklungszusammenarbeit, inklusive der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit, sowie der Friedensförderung und der menschlichen Sicherheit der Schweiz in den Jahren 2021­2024. Der Bundesrat verabschiedete die entsprechende Botschaft am 19. Februar zuhanden des Parlaments. Im Berichtsjahr verabschiedeten Nationalund Ständerat die Strategie einschliesslich der fünf Rahmenkredite jeweils mit deutlicher Mehrheit und folgten dabei dem Vorschlag des Bundesrates. Zur besseren Unterstützung von privatwirtschaftlichen Initiativen verabschiedetet der Bundesrat im Berichtsjahr zudem die neuen strategischen Ziele 2021­2024 für die bundeseigene Entwicklungsfinanzierungsgesellschaft SIFEM.

Der Bundesrat legt in der IZA-Strategie 2021­2024 folgende vier Ziele fest: (i) zu nachhaltigem Wirtschaftswachstum, zur Erschliessung von Märkten und zur Schaffung von menschenwürdigen Arbeitsplätzen beitragen; (ii) den Klimawandel und dessen Auswirkungen bekämpfen sowie die natürlichen Ressourcen nachhaltig bewirtschaften; (iii) Leben retten, eine hochwertige Grundversorgung sicherstellen ­ namentlich Bildung und Gesundheit ­ sowie zur Verminderung der Ursachen von Flucht und irregulärer Migration beitragen; (iv) Frieden, Rechtsstaatlichkeit und Geschlechtergleichstellung fördern. Zudem soll unter anderem das Potenzial des Privatsektors und der Digitalisierung noch stärker genutzt werden.

Der Fokus der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz liegt auf der Förderung zuverlässiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen und der Unterstützung innovativer, privatwirtschaftlicher Initiativen. Zudem fördert die Schweiz die Integration ihrer Partnerländer in das internationale Handelssystem. Zur Verbesserung der Integration in grenzüberschreitende Wertschöpfungsketten unterstützt die Schweiz Partnerländer bei der Implementierung internationaler Vereinbarungen und Standards im Bereich des Warenverkehrs und trägt damit etwa zur Verringerung handelshemmender Zollprozeduren bei. Diese Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeit hat im Kontext der Covid-19-Krise und ihrer Überwindung an Bedeutung gewonnen.

Darüber hinaus fördert die Schweiz im Rahmen ihrer Aktivitäten die verantwortungsvolle Unternehmensführung und die Ausbildung von
Fachkräften.

Geografisch wird die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit des WBF ihr Engagement in ihren 13 Partnerländern (darunter auch Peru und Kolumbien) fortführen, die vor grossen entwicklungspolitischen Herausforderungen stehen und in denen die Schweiz aussenwirtschaftliche Interessen hat. Daneben kommt die Expertise des WBF in der wirtschaftlichen Entwicklungspolitik auch in ausgewählten Globalprogrammen und Komplementärmassnahmen zur Anwendung.

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7.3

Multilaterale Zusammenarbeit

Den multilateralen Entwicklungsbanken kommt bei der Umsetzung der IZA-Strategie 2021­2024 eine wichtige Rolle zu, da sie aufgrund ihrer Grösse und Reichweite eine Wirkung erzielen können, die einzelne Geber nicht erreichen.

Der Bundesrat beantragte am 19. Februar beim Parlament, Verpflichtungskredite für die Kapitalerhöhungen zweier Unterorganisationen der Weltbankgruppe (WBG), der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD) und der Internationalen Finanz-Corporation (IFC), sowie der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) zu genehmigen. Insgesamt bewilligte das Parlament am 16. Dezember Kreditbeschlüsse über 2 759,2 Millionen Schweizerfranken, wovon 297,4 Millionen Schweizerfranken effektiv an die Banken ausbezahlt werden; beim Rest handelt es sich um Garantiekapital und Währungsreserven. Die WBG und die AfDB gehören zu den prioritären multilateralen Organisationen der IZA der Schweiz, sind zentrale Akteure für die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sowie wichtige Stützen einer tragfähigen Weltwirtschaftsordnung. Sie unterstützen Entwicklungsländer durch die Vergabe von Krediten und technischer Unterstützung.

Die Kapitalerhöhungen erlauben es beiden Institutionen, angesichts des enormen Bedarfs an Entwicklungsfinanzierung in Schwellen- und Entwicklungsländern ihr Finanzierungsvolumen zu erhöhen. Sie werden begleitet von Reformbestrebungen, die eine strategische Überprüfung der Ausrichtung sowie Effizienzsteigerungen von WBG und AfDB einschliessen. Die Schweiz beteiligt sich aktiv. In der AfDB wurde etwa eine Agenda zur Verbesserung institutioneller Aspekte beschlossen.

Weiter hat die Schweiz im Rahmen der Umsetzung der IZA-Botschaft 2017-2020 beschlossen, sich mit Zuschüssen an der Finanzierung der Internationalen Entwicklungsorganisation der Weltbank (International Development Association, IDA) (683 Mio. CHF), des Afrikanischen Entwicklungsfonds (AfDF) (196 Mio. CHF), sowie des Green Climate Fund (GCF) (150 Mio. US-Dollar) zu beteiligen.

8

Exportkontrolle, Sanktionen und Rüstungspolitik

8.1

Exportkontrolle

Während sich die Exportkontrolle üblicherweise mit der Ausfuhr potentiell gefährlicher Güter befasst, standen im Berichtsjahr Massnahmen zur Sicherstellung der inländischen Versorgung mit bestimmten Waren im Vordergrund (vgl. Ziff. 1.1.2).

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8.1.1

Verordnung über die Ausfuhr und Vermittlung von Gütern zur Internet- und Mobilfunküberwachung

Am 19. Juni genehmigte die Bundesversammlung eine Änderung des Güterkontrollgesetzes (GKG)104, mit welcher der Bundesrat beauftragt wurde, die Verweigerung der Bewilligung der Ausfuhr oder der Vermittlung von Gütern zur Internet- und Mobilfunküberwachung auf Verordnungsstufe zu regeln. Der Bundesrat erliess am 25. November eine Verordnung über die Ausfuhr und Vermittlung von Gütern zur Internet- und Mobilfunküberwachung (VIM)105. Die Bewilligung zur Ausfuhr oder Vermittlung solcher Güter ist demnach zu verweigern, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die auszuführenden oder zu vermittelnden Güter von der Endempfängerin oder dem Endempfänger zur Repression missbraucht werden. Die Verordnung tritt am 1. Januar 2021 in Kraft.

8.1.2

Sanktionsmassnahmen

Gestützt auf das Bundesgesetz über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen.106 (Embargogesetz) sind gegenwärtig 24 Sanktionsverordnungen sowie die Verordnung über den internationalen Handel mit Rohdiamanten («Kimberley-Prozess»)107 in Kraft. Im Berichtsjahr wurden die Listen der sanktionierten natürlichen und juristischen Personen in den Anhängen der Verordnungen rund 45 Mal angepasst (vgl. Ziff. 9.1.8), um den Änderungen der Sanktionslisten des UNO-Sicherheitsrates bzw. der EU Rechnung zu tragen.108 Am 24. Juni erliess der Bundesrat aufgrund der anhaltenden Beeinträchtigung der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit in Nicaragua eine neue Verordnung über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in diesem Land109. Am 11. Dezember weitete der Bundesrat die Sanktionen gegenüber Belarus aus und beschloss gegenüber 15 Personen, darunter Präsident Alexander Lukaschenko, Finanzsanktionen sowie ein Ein- und Durchreiseverbot. Gleichzeitig wurde ein Embargo für Rüstungsgüter und Güter, die zur internen Repression verwendet werden können, in die Verordnung übernommen. 110 Des Weiteren wurde die Verordnung über Massnahmen gegenüber Jemen111 angepasst.

104 105 106 107 108

SR 946.202 SR 946.202.3 SR 946.231 SR 946.231.11 Stand 15. November waren 2082 natürliche und juristische Personen mit Sanktionen belegt.

109 SR 946.231.158.5 110 SR 946.231.116.9 111 SR 946.231.179.8

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8.1.3

Swiss Humanitarian Trade Arrangement

Der Zahlungsmechanismus zur Lieferung von humanitären Gütern in den Iran, das Swiss Humanitarian Trade Arrangement (SHTA), trat am 27. Februar in Kraft. Das SHTA wurde von der Schweiz in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen in den USA und in Iran sowie ausgewählten Schweizer Banken und Unternehmen erarbeitet. Ziel des SHTA ist die Schaffung eines zuverlässigen und transparenten Zahlungskanals für Schweizer Exporteure und Handelsfirmen im Nahrungsmittel-, Pharma- und Medizinaltechnikbereich.

Die erste reguläre Transaktion im Rahmen des SHTA erfolgte jedoch erst Ende Juli, da sich die Umsetzung des SHTA aufgrund der Covid-19-Pandemie verzögert hatte.

Per Ende November belief sich der Gesamtwert der durchgeführten Transaktionen auf rund 4 Millionen Schweizerfranken.

8.1.4

Extraterritoriale Auswirkungen von US-Sanktionen

Schweizer Unternehmen waren im Berichtsjahr erneut von den Auswirkungen der Wirtschaftssanktionen der USA betroffen. Beispielsweise trafen die von den USA Ende 2019 erlassenen Sanktionen im Zusammenhang mit dem Pipelineprojekt Nord Stream 2 im Berichtsjahr auch schweizerische Unternehmen. Die mit der Aktivierung von Titel III des Helms-Burton Act von den USA 2019 erfolgte Verschärfung der Sanktionen gegenüber Kuba führte ebenfalls zu Unsicherheiten. Der Bundesrat steht mit den US-Behörden in Kontakt und informiert sich laufend über die Position der EU und anderer Staaten hinsichtlich dieser Entwicklungen.

8.1.5

Kimberley Prozess

Der Kimberley Prozess (KP) ist ein internationales Zertifizierungssystem für Rohdiamanten, um den Handel mit sogenannten Konfliktdiamanten zu unterbinden. Er zählt 56 Teilnehmer (die EU-Mitgliedstaaten werden durch die EU-Kommission vertreten).

Aufgrund der Covid-19-Pandemie konnten im Berichtsjahr weder das Intersessional Meeting noch die Plenarversammlung des KP stattfinden. Die Schweiz wirkte in verschiedenen Arbeitsgruppen mit. In ihrem jährlichen Bericht legte sie Rechenschaft über ihre Umsetzung des Zertifizierungssystems ab112.

112

www.kimberleyprocess.com > en > documents.

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8.2

Rüstungskontrollpolitik

8.2.1

Volksinitiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten»

Am 29. November lehnte das Volk die Volksinitiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten» ab. Damit folgte das Volk der Empfehlung des Bundesrates und des Parlaments, welche die Initiative ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung empfohlen hatten. Die Initiative sah vor, dass die Finanzierung der Hersteller von sämtlichem Kriegsmaterial verboten werden sollte, einschliesslich das Halten von Aktien oder Fonds-anteilen von Kriegsmaterialproduzenten.

In der Schweiz gilt bereits seit 2013 ein Finanzierungsverbot für verbotenes Kriegsmaterial (atomare, biologische und chemische Waffen sowie für Streumunition und Anti-Personenminen).

8.2.2

Volksinitiative «Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer»

Der Bundesrat empfiehlt die am 16. Juli 2019 zustande gekommene Volksinitiative «Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer (Korrektur-Initiative)» zur Ablehnung.

Zwar kann er die Kernanliegen des Initiativkomitees nachvollziehen, eine Verankerung des Initiativtextes auf Verfassungsstufe scheint ihm aber nicht angemessen.

Der Bundesrat bereitet einen Gegenvorschlag vor, der die Bewilligungskriterien in der Kriegsmaterialverordnung (KMV)113 in das Kriegsmaterialgesetz (KMG)114 überführt, jedoch ohne die Ausnahme in Artikel 5 Absatz 4 KMV. Diese wurde aufgrund der Motion 13.3662 «Benachteiligung der Schweizer Sicherheitsindustrie beseitigen» der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats (SiK-S) 2014 eingeführt und ermöglicht die Bewilligung der Ausfuhr von Kriegsmaterial nach Ländern, welche die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen ­ wenn ein geringes Risiko besteht, dass das auszuführende Kriegsmaterial zur Begehung von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen eingesetzt wird. Somit wären Kriegsmaterialausfuhren in Länder, die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen, wieder generell ausgeschlossen. Ebenso soll eine Ausnahmeregelung geschaffen werden, die es dem Bundesrat bei ausserordentlichen Umständen ermöglicht, von den Bewilligungskriterien abzuweichen, sollte dies die Wahrung der aussen- oder sicherheitspolitischen Interessen des Landes erfordern.

Der Bundesrat wird die Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer» im März 2021 verabschieden. Die Volksabstimmung wird voraussichtlich im Jahr 2022 stattfinden.

113 114

SR 514.511 SR 514.51

63 / 76

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9

Beilagen zum AWB

9.1

Beilagen zur Kenntnisnahme

9.1.1

Verhandlungsthemen in der WTO

(Stand 31. Dezember 2020) Themen

Gegenstand/Mandat der WTO

FischereiSubventionen

Subventionen, die zur ÜberfiMultilaterale Verhandlunschung sowie zu illegaler, nicht gen machten im Berichtsgemeldeter und unregulierter jahr Fortschritte.

Fischerei beitragen / Ministerbeschluss 2017, Sustainable Development Goals (SDGs).

Landwirtschaft

Inlandstützung und weitere Themen im Bereich Agrarhandel / Agrarabkommen 1994.

KKMU

Förderung der Teilnahme Weit fortgeschrittene von Kleinst-, kleinen und mittle- plurilaterale Diskussionen ren Unternehmen im internatio- zur Identifikation möglicher nalen Handel / Ministererklärung Massnahmen und Vereinba2017.

rungen.

Handel und Investitionen

Erleichterung von ausländischen Plurilaterale Verhandlungen Direktinvestitionen / Ministerer- machten substanzielle klärung 2017 Fortschritten

Elektronischer Handel

Erleichterung des elektronischen Fortführung der 2019 Handels und Anerkennung von lancierten plurilateralen innerstaatlichen Regulierungen / Verhandlungen.

Ministererklärung von 2017.

Innerstaatliche Regulierungen im Bereich von Dienstleistungen

Lizenzierungsanforderungen Plurilaterale Verhandlungen und -prozesse, Qualifizierungs- machten substanzielle anforderungen und -prozesse, Fortschritten.

technische Standards / GATS 1994 und Ministererklärung 2017.

64 / 76

Format und Stand der Verhandlungen; Bemerkungen

Das Interesse einer grossen Mehrheit der Mitglieder bleibt in diesem Bereich anhaltend hoch. Derzeit keine formellen Verhandlungen.

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9.1.2

Laufende Verhandlungen zu Freihandelsabkommen

(Stand 31. Dezember 2020) Partner

Gegenstand der Verhandlung

Verhandlung seit / Anzahl Runden

Bemerkungen

Chile

Revision des FHA von 2003115

2019 / 2

Modernisierung/Weiterentwicklung des bestehenden Abkommens. Neu: Einschluss von Kapiteln über Handel und nachhaltige Entwicklung, Finanzdienstleistungen und Handelserleichterungen.

Indien

Neues FHA

2008 / 17

Verhandlungen fortgeschritten. Kontakte auf Stufe Chefunterhändler und Experten. Differenzen beim Marktzugang für Güter, bei den Dienstleistungen, bei geistigem Eigentum und bei den Ursprungregeln. Keine Verhandlungsrunde seit September 2017.

Malaysia

Neues FHA

2014 / 9

Wiederaufnahme der Verhandlungen.

Differenzen namentlich beim Marktzugang im Güterbereich, insbesondere für Landwirtschaftsprodukte, sowie beim geistigen Eigentum und öffentlichen Beschaffungswesen. Jüngste Verhandlungsrunden im Februar 2020.

2017 / 10

Verhandlungen 2019 in der Substanz abgeschlossen. Rechtliche Bereinigung läuft. Datum für die Unterzeichnung nach offen.

Mercosur116 Neues FHA

Mexiko

Revision des 2016 / 4 FHA aus dem Jahr 2000117

Modernisierung/Weiterentwicklung sämtlicher Bereiche des bestehenden Abkommens. Neu: Einschluss eines Kapitels über Handel und nachhaltige Entwicklung sowie über Handelserleichterungen.

Differenzen insbesondere beim Marktzugang für Landwirtschaftsprodukte.

Keine Verhandlungsrunde mehr seit Juni 2017. Beide Seiten bestätigten im

115 116 117

SR 0.632.312.451 Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay.

SR 0.632.315.631.1

65 / 76

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Partner

Gegenstand der Verhandlung

Verhandlung seit / Anzahl Runden

Bemerkungen

Berichtsjahr das grundsätzliche Interesse an einer Weiterführung der Verhandlungen.

SACU118

Revision des 2018 / 6 FHA aus dem Jahr 2006119

Überarbeitung betreffend Warenverkehr, Zollaspekte und den Einschluss eines Kapitels über Handel und nachhaltige Entwicklung.

Vietnam

Neues FHA

Substanzielle Differenzen namentlich beim Martzugang für Industrie- und Landwirtschaftsprodukte, beim öffentlichen Beschaffungswesen und beim geistigen Eigentum. Keine Verhandlungsrunde mehr seit Mai 2018, aber anhaltender Austausch auf Stufe Chefunterhändler und Experten.

9.1.3

2012 / 16

Treffen von Gemischten Ausschüssen unter bestehenden Freihandelsabkommen

(Stand 31. Dezember 2020) Partner

Abkommen

Treffen

Beschlüsse, Bemerkungen

Singapur

FHA EFTASingapur

5. Treffen, 15. Oktober

Keine Beschlüsse.

118 119

Diskussion über eine Aktualisierung des Abkommens. Beide Seiten waren sich einig, dass eine Modernisierung im Bereich der Ursprungsregeln und der Einschluss von neuen Kapiteln über Handelserleichterungen und digitaler Handel wünschenswert sind. Für die EFTAStaaten ist ein neues Kapitel über nachhaltige Entwicklung ebenfalls eine Priorität. Singapur zeigte sich hier zurückhaltend.

Südafrikanische Zollunion: Botswana, Eswatini, Lesotho, Namibia, Südafrika.

SR 0.632.311.181

66 / 76

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Partner

Abkommen

Treffen

Beschlüsse, Bemerkungen

Südkorea

FHA EFTASüdkorea

7. Treffen, 5. Juni

Beschluss zur Aktualisierung auf das Harmonisierte System 2017.

Diskussion über die Umsetzung des FHA, insbesondere im Dienstleistungsbereich.

Diskussion über eine Aktualisierung des Abkommens. Die EFTA-Staaten legten vorgängig eine entsprechende Prioritätenliste vor (Marktzugang, TBT, neues Kapitel über Nachhaltige Entwicklung).

Südkorea zeigte sich zurückhaltend.

EU

FHA Schweiz- 64. Treffen, EU, Unteraus- 27. Oktober schuss für Zollfragen

EU

Keine formellen Beschlüsse.

Gespräche über Themen im Zollbereich.

FHA Schweiz- 67. Treffen, Keine formellen Beschlüsse.

EU 26. November

9.1.4

Laufende Verhandlungen über Investitionsschutzabkommen

(Stand 31. Dezember 2020) Partner

Gegenstand der Verhandlungen

Verhandlung seit / Bemerkungen Anzahl Runden

Bahrain

Neues ISA

2018 / 0

Verhandlungsbeginn ursprünglich geplant für 2019, auf Wunsch der bahrainischen Behörden vertagt. Im Jahr 2020 war keine Verhandlungsaufnahme möglich.

Kolumbien Revision des ISA

­

Revision des ISA von 2006120.

Indien

2017 / 4

120 121

Neues ISA

Verhandlungsbeginn geplant im Frühjahr 2021.

Das ISA aus dem Jahr 1997121 wurde durch Indien gekündigt, ausser Kraft seit dem 6. April 2017.

SR 0.975.226.3 AS 2002 2037

67 / 76

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Partner

Gegenstand der Verhandlungen

Verhandlung seit / Bemerkungen Anzahl Runden

Seit April 2017 fanden 3 Verhandlungsrunden statt.

Indonesien Neues ISA

2018 / 5

Das ISA aus dem Jahr 1974122 wurde durch Indonesien gekündigt, ausser Kraft seit dem 8. April 2016.

Zwischen 2010 und 2013 fanden Verhandlungen statt, die dann aber nicht weitergeführt wurden. 2018 wurden neue Verhandlungen aufgenommen; die 5. Runde fand im Februar 2020 statt.

Anschliessend wurden 2 Videokonferenzen abgehalten, um die offenen Verhandlungspunkte zu diskutieren.

Malaysia

Mexiko

Slowakei

122 123 124 125

Revision des ISA

2016 / 1

Revision des ISA

2017 / 2

Revision des ISA

2018 / 5

AS 1976 1954 SR 0.975.252.7 SR 0.975.256.3 SR 0.975.274.1

68 / 76

Revision des ISA aus dem Jahr 1978123.

Wird parallel zum FHA verhandelt, deshalb keine Verhandlungsrunde zwischen 2017 und 2019. Ende Februar 2020 fand eine Standortbestimmung statt.

Revision des ISA aus dem Jahr 1995124.

Wird parallel zum FHA verhandelt, deshalb keine Verhandlungsrunden seit 2017.

Revision des ISA aus dem Jahr 1990125.

Verhandlungsbeginn im Februar 2018; 4. Runde fand im Mai 2019 statt. Ende April 2020 einigte man sich via Videokonferenz betreffend die offenen Verhandlungspunkte. Zurzeit finden Konsultationen zwischen der Slowakei und der EU-Kommission statt.

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Partner

Gegenstand der Verhandlungen

Verhandlung seit / Bemerkungen Anzahl Runden

Südafrika

Neues ISA

­

Das ISA aus dem Jahr 1995126 wurde durch Südafrika gekündigt, ausser Kraft seit dem 1. November 2014.

Zurzeit ist Südafrika nicht bereit, Verhandlungen aufzunehmen.

9.1.5

Laufende Verhandlungen über Doppelbesteuerungsabkommen

(Stand 31. Dezember 2020) Partner

Gegenstand Verhandlung seit / Bemerkungen der Verhandlungen Anzahl Runden

Angola

Neues DBA 2020 / 1

Armenien

Revision des 2018 / 1 DBA

Revision des DBA von 2006.

Neues DBA 2017 / 3

Verhandlungen sind abgeschlossen.

Genehmigungsprozess läuft.

Äthiopien

Verhandlungen sind abgeschlossen.

Genehmigungsprozess läuft.

Bosnien und Neues DBA 2013 / 1 Herzegowina Costa Rica

Neues DBA 2006 / 2

Deutschland

Revision des 2014 / 10 DBA

Revision des DBA von 1971.

Estland

Revision des 2017 DBA

Revision des DBA von 2002.

Indien

Revision des ­ DBA

Revision des DBA von 1994.

Revision des ­ DBA

Revision des DBA von 1988.

Indonesien

126

Aufnahme von Verhandlungen in Vorbereitung.

Derzeit ist Indonesien nicht bereit Verhandlungen aufzunehmen.

AS 1999 629

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Partner

Gegenstand Verhandlung seit / Bemerkungen der Verhandlungen Anzahl Runden

Israel

Revision des 2011 /3 DBA

Revision des DBA von 2003.

Japan

Revision des 2017 / 1 DBA

Revision des DBA von 1971.

Kamerun

Neues DBA 2018 / 2

Kanada

Revision des 2017 / 1 DBA

Verhandlungen sind abgeschlossen.

Genehmigungsprozess läuft.

Revision des DBA von 1997.

Verhandlungen sind abgeschlossen.

Genehmigungsprozess läuft.

Kenia

Neues DBA 2019 / 2

Kolumbien

Revision des 2011 / 1 DBA

Revision des DBA von 2007.

Lettland

Revision des 2017 DBA

Revision des DBA von 2002.

Libyen

Neues DBA 2007 / 2

Verhandlungen zurzeit eingefroren.

Malaysia

Revision des ­ DBA

Revision des DBA von 1974.

Nigeria

Derzeit ist Malaysia nicht bereit Verhandlungen aufzunehmen.

Neues DBA 2017 / 3

Nordmazedo- Revision des 2019 / 1 nien DBA

Revision des DBA von 2000.

Russland

Revision des DBA von 1995.

Revision des 2017 DBA

Ruanda

Neues DBA 2017 / 1

Senegal

Neues DBA 2008 / 2

Serbien

Revision des 2017 DBA

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Verhandlungen sind abgeschlossen.

Genehmigungsprozess läuft.

Verhandlungen sind abgeschlossen.

Genehmigungsprozess läuft.

Revision des DBA von 2007.

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Partner

Gegenstand Verhandlung seit / Bemerkungen der Verhandlungen Anzahl Runden

Singapur

Revision des 2018 / 1 DBA

Revision des DBA von 2011.

Slowakische Republik

Revision des 2017 DBA

Revision des DBA von 1997.

Slowenien

Revision des 2017 DBA

Revision des DBA von 1996.

Spanien

Revision des 2020 / 1 DBA

Revision des DBA von 1966.

Sri Lanka

Revision des 2017 / 2 DBA

Revision des DBA von 1983.

Südafrika

Revision des 2009 / 2 DBA

Revision des DBA von 2007.

Syrien

Neues DBA 2005 / 1

Verhandlungen zurzeit eingefroren.

Simbabwe

Neues DBA 1999 / 2

Verhandlungen sind abgeschlossen.

Zuwarten auf die Bereitschaft Südafrikas zur Unterzeichnung.

Tadschikistan Revision des 2015 DBA

Revision des DBA von 2010.

Tunesien

Revision des 2017 DBA

Revision des DBA von 1994.

USA

Revision des ­ DBA

Revision des DBA von 1996.

Revision des 2015 DBA

Revision des DBA von 1996.

Vietnam

Verhandlungen sind abgeschlossen.

Genehmigungsprozess läuft.

Zur Zeit sind die USA nicht bereit Verhandlungen aufzunehmen.

71 / 76

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9.1.6

Wirtschaftsmissionen, bilaterale Austausche und Gemischte Wirtschaftskommissionen

Wichtigste Missionen und bilaterale Austausche des WBF-Vorstehers und der SECO-Staatssekretärin in der Schweiz und im Ausland Partner

Format, Ort und Datum

China

Arbeitstreffen des WBF- und des EFD-Vorstehers mit dem 1. Vize-Premier Han (Rüschlikon, 20. Januar).

Ägypten

Wirtschaftsmission des WBF-Vorstehers (Kairo, 2.­5. Februar).

Frankreich

Arbeitsbesuch des WBF-Vorstehers bei Wirtschafts- und Finanzminister Le Maire (Paris, 21. Februar).

Deutschland

Arbeitsbesuch des WBF-Vorstehers bei Wirtschaftsminister Altmaier (Berlin, 6. Juli).

Mexiko

Videokonferenz der SECO-Staatssekretärin mit der Vize-Ministerin für Aussenhandel de la Mora Sánchez (6. Juli).

Italien

Arbeitstreffen der SECO-Staatssekretärin mit dem Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten und internationale Kooperation Scalfarotto (Bern, 7. Juli).

Gemischte Wirtschaftskommissionen Partner

Dialogrunde, Ort und Datum

Frankreich

1. Tagung, Paris, 21. Februar.

Indien

17. Tagung, Bern, 2.­3. März.

Österreich

Bilaterale Gespräche, Wien, 7. September.

USA

15. Tagung, Videokonferenz, 23. September.

Indonesien

8. Tagung, Videokonferenz, 13. Oktober.

Deutschland

42. Tagung, Videokonferenz, 20.­21. Oktober.

Südafrika

9. Tagung, Videokonferenz, 11. November.

Mexiko

10. Tagung, Videokonferenz, 26. November.

Moldawien

7. Tagung, Videokonferenz, 17. Dezember.

72 / 76

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9.1.7

Ausfuhren im Rahmen des Güterkontrollgesetzes

Vom 1. Oktober 2019 bis 30. September 2020 wurden gestützt auf die Güterkontrollverordnung vom 3. Juni 2016127 und die Chemikalienkontrollverordnung vom 21. August 2013128 die nachfolgend aufgeführten Gesuche behandelt; detaillierte Aufstellungen der erteilten Bewilligungen und Ablehnungen können auf der Website des SECO129 konsultiert werden: Güterkategorie

Anzahl

Wert in Mio. CHF

Anhang 2, Teil 1 GKV ­ Liste der Nukleargüter

11

1

Anhang 2, Teil 2 GKV ­ Liste der Dual-Use-Güter

1323

332,5

Anhang 3 GKV ­ Liste der besonderen militärischen Güter

194

43,4

Anhang 5 GKV ­ Güter, die nicht international abgestimmten Ausfuhrkontrollen unterliegen

109

8,6

42

0,5

7

138

949

285

OGB

113

­

AGB

47

­

GAB

2

­

Abgelehnte Gesuche

2

1,5

Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ) ­ Chemikalien mit ziviler und militärischer Verwendungsmöglichkeit Bewilligungen nach Art. 3 Abs. 4 GKV Einfuhrzertifikate Generallizenzen

127 128 129

SR 946.202.1 SR 946.202.21 www.seco.admin.ch > Exportkontrollen.

73 / 76

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9.1.8

Sanktionsmassnahmen: Anhangs- und Verordnungsänderungen130

Änderung vom

Verordnung, Anhang

3. Januar

SR 946.206 Verordnung vom 7. August 1990 über Wirtschaftsmassnahmen gegenüber der Republik Irak, Anhang.

15. Januar

SR 946.231.154.1 Verordnung vom 22. November 2017 über Massnahmen gegenüber der Republik Mali, Anhang.

16. Januar

SR 946.203 Verordnung vom 2. Oktober 2000 über Massnahmen gegenüber Personen und Organisationen mit Verbindungen zu Usama bin Laden, der Gruppierung «Al-Qaïda» oder den Taliban, Anhang 2.

5. Februar

SR 946.203, Anhang 2.

7. Februar

SR 946.231.12 Verordnung vom 22. Juni 2005 über Massnahmen gegenüber der Demokratischen Republik Kongo, Anhang 1.

10. Februar

SR 946.231.176.72 Verordnung vom 27. August 2014 über Massnahmen zur Vermeidung der Umgehung internationaler Sanktionen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine, Anhang 3.

19. Februar

SR 946.203, Anhang 2.

24. Februar

SR 946.203, Anhang 2.

26. Februar

SR 946.231.12, Anhang 1.

26. Februar

SR 946.231.149.82 Verordnung vom 30. März 2011 über Massnahmen gegenüber Libyen, Anhang 2.

26. Februar

SR 946.231.172.7 Verordnung vom 8. Juni 2012 über Massnahmen gegenüber Syrien, Anhang 7.

2. März

SR 946.209.2 Verordnung vom 19. März 2002 über Massnahmen gegenüber Simbabwe, Anhang 2.

5. März

SR 946.203, Anhang 2.

25. März

SR 946.203, Anhang 2.

1. April

SR 946.231.176.72, Anhang 3.

22. April

SR 946.231.123.6 Verordnung vom 14. März 2014 über Massnahmen gegenüber der Zentralafrikanischen Republik, Anhang.

130

Im Zeitraum vom 1. Januar bis 27. November 2020.

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Änderung vom

Verordnung, Anhang

29. April

SR 946.231.143.6 Verordnung vom 11. November 2015 über Massnahmen gegenüber der Islamischen Republik Iran, Anhang 7.

6. Mai

SR 946.231.123.6, Anhang.

6. Mai

SR 946.231.157.5 Verordnung vom 17. Oktober 2018 über Massnahmen gegenüber Myanmar, Anhang 1.

12. Mai

SR 945.231.127.6 Verordnung vom 18. Mai 2016 über Massnahmen gegenüber der Demokratischen Volksrepublik Korea, Anhang 1.

22. Mai

SR 946.203, Anhang 2.

27. Mai

SR 946.231.179.8 Verordnung vom 5. Dezember 2014 über Massnahmen gegenüber Jemen.

24. Juni

SR 946.231.158.5 Verordnung vom 24. Juni 2020 über Massnahmen gegenüber Nicaragua.

25. Juni

SR 946.231.172.7, Anhang 7.

6. Juli

SR 946.231.143.6, Anhang 6.

6. Juli

SR 946.231.178.5 Verordnung vom 28. März 2018 über Massnahmen gegenüber Venezuela, Anhang 1.

17. Juli

SR 946.203, Anhang 2.

29. Juli

SR 946.231.123.6, Anhang.

6. August

SR 946.231.123.6, Anhang.

12. August

SR 946.231.149.82, Anhang 3 und 5.

20. August

SR 946.231.12, Anhang 1.

11. September

SR 946.203, Anhang 2.

25. September

SR 946.231.176.72, Anhang 3.

5. Oktober

SR 946.231.149.82, Anhang 3 und 5.

9. Oktober

SR 946.203, Anhang 2.

75 / 76

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Änderung vom

Verordnung, Anhang

12. Oktober

SR 946.231.116.9 Verordnung vom 28. Juni 2006 über Massnahmen gegenüber Belarus, Anhang.

14. Oktober

SR 946.231.149.82, Anhang 3 und 5.

14. Oktober

SR 946.231.176.72, Anhang 3.

27. Oktober

SR 946.231.149.82, Anhang 3 und 5.

29. Oktober

SR 946.231.172.7, Anhang 7.

3. November

SR 946.231.12, Anhang 1.

11. November

SR 946.231.121.8 Verordnung vom 4. Dezember 2015 über Massnahmen gegenüber Burundi, Anhang.

18. November

SR 946.231.172.7, Anhang 7.

27. November

SR 946.231.143.6, Anhang 6.

27. November

SR 946.231.178.5, Anhang 1.

2. Dezember

SR 946.206, Anhang.

11. Dezember

SR 946.231.116.9 Verordnung vom 11. Dezember 2020 über Massnahmen gegenüber Belarus (Totalrevision)

9.2

Beilagen zur Genehmigung Teil II:

76 / 76

Beilage nach Artikel 10 Absätze 2 und 3 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über aussenwirtschaftliche Massnahmen (zur Genehmigung).