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Bericht des Bundesrates zu den systemrelevanten Banken Evaluation gemäss Artikel 52 des Bankengesetzes vom 4. Juni 2021

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Bericht zur Evaluation gemäss Artikel 52 des Bankengesetzes.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

4. Juni 2021

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Guy Parmelin Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2021-1901

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Bericht 1

Einleitung

1.1

Kontext

Wie die globale Finanz- und Wirtschaftskrise von 2007/08 gezeigt hat, kann eine Notlage oder ein Ausfall einer systemrelevanten Bank (Systemically Important Bank, SIB) aufgrund von deren Grösse, Marktbedeutung und Vernetzung zu erheblichen Verwerfungen im Finanzsystem und zu negativen gesamtwirtschaftlichen Folgen führen. Ein betroffener Staat wird deshalb eine SIB, die zu gross zum Scheitern (too big to fail, TBTF) ist, im Krisenfall kaum sich selbst überlassen, sofern die Weiterführung systemrelevanter Funktionen nicht gesichert ist. Diese implizite Staatsgarantie führt zu ungerechtfertigten Marktverzerrungen. Das oberste Ziel staatlicher Massnahmen im Rahmen der Regulierung systemrelevanter Banken ist es, die Wahrscheinlichkeit einer staatlichen Intervention mit möglichen Kostenfolgen für die Steuerzahlerin und den Steuerzahler wesentlich zu minimieren.

Für die Schweiz, die im internationalen Vergleich und im Verhältnis zur Grösse des Landes sehr grosse Finanzinstitute beheimatet, ist die Problematik bezüglich SIBs eine besondere Herausforderung.

Die Schweiz setzte deshalb ­ gestützt auf Empfehlungen der Expertenkommission vom 30. September 20101 zur Limitierung von volkswirtschaftlichen Risiken durch Grossunternehmen ­ vergleichsweise schnell eine Gesetzesvorlage (Stärkung der Stabilität im Finanzsektor; too big to fail2) um. Die entsprechenden Bestimmungen des Bankengesetzes (BankG)3 sind seit dem 1. März 2012 in Kraft.

Der Bundesrat revidierte diesen Regulierungsansatz per 1. Juli 20164, und die angepassten Anforderungen sind von den systemrelevanten Banken seit Beginn des Jahres 2020 vollständig zu erfüllen. Die Revision führte insbesondere für die beiden international tätigen systemrelevanten Banken (Global Systemically Important Banks, G-SIBs) Credit Suisse und UBS zu einer deutlichen Erhöhung der Anforderungen an Umfang und Qualität der Eigenmittel. Damit erfüllt die Schweiz die internationalen Standards betreffend die verlustabsorbierenden Mittel, namentlich die Vorgaben des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht (BCBS) betreffend die Mindestkapitalanforderungen, den Eigenmittelzuschlag des Financial Stability Board (FSB) für G-SIBs sowie den Mindeststandard für verlustabsorbierende Mittel des FSB (Total Loss Absorbing Capacity, TLAC), der seit dem 1. Januar 2019 einzuhalten ist und
sich am 1. Januar 2022 noch einmalig erhöht. Insgesamt wurden damit die Grundlagen gelegt, um für die Schweizer G-SIBs (Credit Suisse und UBS) kapitalseitig die Widerstandsfähigkeit zu stärken.

1

2 3 4

Vgl. Schlussbericht der Expertenkommission vom 30. Sept. 2010 zur Limitierung von volkswirtschaftlichen Risiken durch Grossunternehmen; abrufbar unter: https://jus.swissbib.ch/Record/102733619.

AS 2012 811 SR 952.0 AS 2016 1725

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Per 1. Januar 2019 passte der Bundesrat die regulatorischen Anforderungen für die drei inlandorientierten systemrelevanten Banken Postfinance, Raiffeisen und Zürcher Kantonalbank an.5 Seit diesem Zeitpunkt müssen die drei inlandorientierten SIBs ­ wie die G-SIBs ­ ebenfalls, aber in beschränktem Umfang, zusätzliche verlustabsorbierende Mittel halten respektive etappenweise bis zum Jahr 2026 aufbauen (Goneconcern-Mittel).

Per 1. Januar 2020 stellte der Bundesrat unter anderem klar, dass die beiden Stammhauseinheiten der G-SIBs, die die grössten operativen Einheiten der jeweiligen Finanzgruppen darstellen, weiterhin den besonderen Anforderungen an zusätzliche verlustabsorbierende Mittel unterstellt sind. Zudem legte der Bundesrat fest, wie die Höhe der Anforderungen bestimmt wird.6 Der Schweizer TBTF-Regulierungsansatz zielt darauf ab, die Widerstandsfähigkeit der systemrelevanten Banken, insbesondere durch entsprechende Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen, zu stärken sowie die Abwicklungsfähigkeit (resolvability) der systemrelevanten Banken sicherzustellen. Ferner gehört zu einer effektiven TBTF-Regulierung auch ein spezifischer rechtlicher Rahmen zur Bankeninsolvenz.

1.2

Auftrag gemäss Artikel 52 BankG

Gemäss Artikel 52 BankG prüft der Bundesrat alle zwei Jahre die Bestimmungen für SIBs im Hinblick auf die Vergleichbarkeit und den Grad der Umsetzung der entsprechenden internationalen Standards im Ausland. Er erstattet der Bundesversammlung jeweils darüber Bericht und zeigt den allfälligen Anpassungsbedarf auf Gesetzes- und Verordnungsstufe auf. Der dritte Evaluationsbericht7 wurde vom Bundesrat am 3. Juli 2019 zuhanden des Parlaments verabschiedet.

1.3

Inhalt des Berichts

Der vorliegende Bericht ist wie folgt aufgebaut: Kapitel 2.1 nimmt einen Vergleich des Schweizer Ansatzes mit relevanten Jurisdiktionen vor. Die Kapitel 2.2 und 2.3 zeigen den Handlungsbedarf zu punktuellen Aspekten des Schweizer Ansatzes auf.

Kapitel 3 fasst die Beurteilung und den Handlungsbedarf zusammen.

5 6 7

AS 2018 5241 AS 2019 4623 BBl 2019 5385

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2

Überprüfung der Regulierung systemrelevanter Banken

2.1

Beurteilung des Schweizer Ansatzes im internationalen Vergleich

Im Rahmen der Grundlagenarbeiten für den vorliegenden Bericht wurde zum einen die Umsetzung der geltenden internationalen Standards in der Schweiz überprüft, zum anderen wurde das Schweizer Regime für SIBs mit den entsprechenden regulatorischen Massnahmen in ausgewählten Jurisdiktionen verglichen. Speziell fokussiert wurde dabei auf die USA, das Vereinigte Königreich (UK) und die EU, da diese Jurisdiktionen wichtige Finanzmärkte und SIBs mit vergleichbaren Strukturen wie in der Schweiz beheimaten. In ihnen zeichnet sich ein längerfristig stabiler Regulierungsrahmen ab. Der Vergleich fokussiert auf die Anforderungen für G-SIBs, da die internationale Vergleichbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit bei diesen Banken besonders wichtig und das Verlustpotenzial und die Gefährdung der Finanzstabilität besonders hoch sind.

Der internationale Vergleich erfolgt anhand von drei Themengebieten: 1)

Prudenzielle Anforderungen: Diese haben die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Banken zum Ziel. Sie umfassen insbesondere die Kapital- und Liquiditätsanforderungen.

2)

Anforderungen an die Stabilisierungs- und Abwicklungsplanung: Diese Anforderungen zielen auf die Sicherstellung der Sanier- und Liquidierbarkeit.

Sie betreffen Vorkehrungen für den Krisenfall zur Stabilisierung einer Bank, zur Weiterführung systemrelevanter Funktionen im Notfall und zur Abwicklung einer Bank.

3)

Rechtlicher Rahmen für Bankensanierung und Bankeninsolvenz: Dieser ist eminent, um insbesondere systemrelevante Banken und Bankengruppen in einem geordneten Verfahren entweder sanieren oder abwickeln zu können.

2.1.1

Prudenzielle Anforderungen

Die Schweiz legt ein starkes Gewicht auf eine erhöhte Widerstandsfähigkeit durch prudenzielle Anforderungen. Für SIBs sollen im Vergleich zu anderen Banken höhere Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen gelten (vgl. Art. 9 BankG, Besondere Anforderungen).

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Die Eigenmittelanforderungen werden nachfolgend sowohl bezüglich der Messgrösse risikogewichtete Aktiven (Risk Weighted Assets, RWA) als auch bezüglich der ungewichteten Verschuldungsquote (Leverage Ratio, LR) verglichen (vgl. Grafiken 1 und 2, siehe Glossar am Schluss des Berichts für die Abkürzungen und Fachbegriffe).

Grafik 1: Internationaler Vergleich der risikobasierten Eigenmittelanforderungen für die Schweizer G-SIBs und vergleichbare Banken in der EU, dem UK und den USA8.

8

Dargestellt sind die Anforderungen an die konsolidierte Bankengruppe gemäss nationalem Recht der jeweiligen Jurisdiktion.

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10%

9%

8%

7%

6%

5%

AT1-Minimum (1.5%)

4%

AT1-Minimum (1.5%)

T1-Puffer (2%) T1-Puffer (0.8%)

T1-Puffer (0.5%) 3% CET1-Puffer (2%)

CET1-Puffer (1.9%)

CET1-Minimum (1.5%)

CET1-Minimun (1.5%)

AT1 -Minimum (0.8%)

CET1-Puffer (0.8%)

2%

T1-Minimum (3%) 1%

T1 Minimum (3%)

CET1 Minimum (2.3%)

T1 Minimum (3%)

0%

Total Tier 1

TLAC (inkl. Pufferanforderungen)

Grafik 2: Internationaler Vergleich der Anforderungen an die Leverage Ratio für die Schweizer G-SIBs und vergleichbare Banken in der EU, dem UK und den USA.

Die Grafiken zeigen einen Vergleich der internationalen Standards (BCBS-Standard9) mit den Anforderungen für G-SIBs in der Schweiz, in den USA, im UK und in der EU anhand von Beispielbanken, die mit den beiden Schweizer Grossbanken vergleichbar sind (EU: Deutsche Bank; UK: Barclays; USA: Morgan Stanley). Zu den Grafiken gilt es Folgendes anzumerken:

9

­

Dargestellt sind die Anforderungen in ihrer voraussichtlich finalen Fassung.

­

Die Säulen zeigen die Anforderungen an die Eigenmittel zur ordentlichen Weiterführung (Going-concern-Eigenmittel). Die schwarzen Punkte veranschaulichen die gesamthaft verlustabsorbierenden Mittel (TLAC, bestehend aus Going-concern-Eigenmitteln und zusätzlichen verlustabsorbierenden Mitteln [Gone-goncern-Mitteln]).

­

Der internationale BCBS-Standard wird für Banken mit vergleichbarem Geschäftsmodell und in vergleichbarer Grösse von UBS und Credit Suisse gezeigt.

Abrufbar unter: www.bis.org > Committees & associations > Basel Committee on Banking Supervision > Basel Framework.

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­

Die TLAC-Anforderung (mit Puffer) für RWA-Quote und LR für Credit Suisse und UBS zeigt die Anforderung nach voller Gewährung des Rabatts auf den Gone-concern-Anforderungen bei Verbesserung der Abwicklungsfähigkeit (vgl. hierzu auch Kapitel 2.2). Die UBS hat gegenwärtig eine leicht tiefere Pufferanforderung als die Credit Suisse zu erfüllen (Grund: geringerer Marktanteil an inländischem Kredit- und Einlagengeschäft).

­

Die endgültige MREL-Anforderung10 für die Deutsche Bank ist nicht veröffentlicht. Deshalb zeigen die Grafiken die internationalen TLAC-Anforderungen, welche auch ins EU-Recht übernommen wurden.

­

Die MREL-Anforderung (ausgedrückt als RWA-Quote) für Barclays entspricht den auf der Homepage der Bank of England (BoE) publizierten geschätzten künftigen Anforderungen für die grössten Banken. Die MRELAnforderung betreffend LR entspricht dem Minimum gemäss TLACStandard des FSB plus Pufferanforderung. Der Puffer wurde gemäss angekündigten internationalen Regeln berechnet (mit CET1-Qualität).

­

Die TLAC-Anforderung für Morgan Stanley berechnet sich aus der LongTerm-Debt-Anforderung (inkl. Puffer) plus der Summe der Anforderungen (inkl. Puffer) an CET1 und AT1.

­

Der Puffer von Morgan Stanley im risikogewichteten Regime setzt sich aus einem G-SIB-Puffer von 3 % und einem Stress-Puffer (Erklärung siehe weiter unten) von 5,7 % zusammen. Der Stress-Puffer anderer grosser US-Banken bewegt sich in einem Bereich von 2,5 % bis 6,6 %.

Der internationale Vergleich zeigt, dass die Schweizer Going-concern-Anforderungen für die beiden G-SIBs mit den entsprechenden Anforderungen im Ausland gleichwertig sind. Aus den Grafiken geht hervor, dass die Schweiz bei der RWA-Quote im Vergleich zu den übrigen Ländern die Anforderungen in ähnlicher Höhe festgesetzt hat; die US-Anforderungen gehen hier teilweise noch weiter. Die Anforderungen für die Schweizer Grossbanken rechtfertigen sich aufgrund der hohen Systemrelevanz dieser Institute für die Schweizer Volkswirtschaft. Diese drückt sich beispielsweise durch die Grösse dieser Banken im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP) aus. Die beiden Schweizer Grossbanken sind nämlich im Verhältnis zum BIP im internationalen Vergleich überdurchschnittlich gross, womit ein Ausfall einer Grossbank ein gesamtwirtschaftlich erhebliches Risiko für die Schweiz bedeuten könnte. So betrug 2019 beispielsweise das Gesamtengagement der beiden Grossbanken im Verhältnis zum BIP der Schweiz 125 % (Credit Suisse) und 121 % (UBS), während das Gesamtengagement der grössten amerikanischen Bank (JPMorgan Chase) im Verhältnis zum BIP der USA 16 % beträgt.

Im Bereich der Gone-concern-Anforderungen für G-SIBs erfüllt die Schweiz den internationalen TLAC-Mindeststandard. Der Vergleich zeigt, dass die anderen Länder unter Berücksichtigung der Pufferanforderungen teilweise ähnlich hohe oder höhere Anforderungen haben.

10

Die Erklärung der Bedeutung von «MREL» erfolgt weiter unten bzw. im Glossar.

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In den USA müssen G-SIBs und andere Banken mit einer Bilanzsumme von über 100 Mio. Dollar seit dem 1. Oktober 2020 im Bereich der Going-concern-Anforderungen neben einer CET1-Mindestanforderung von 4,5 % und einem allfälligen G-SIBZuschlag an CET1 auch die Anforderung an einen sog. Stress Capital Buffer (SCB) mit CET1 erfüllen. Dieser SCB beträgt mindestens 2,5 %. Er ersetzt den Kapitalerhaltungspuffer von 2,5 % und integriert die bisher separaten Anforderungen aus der jährlichen Kapitalbeurteilung (Comprehensive Capital Analysis and Review, CCAR) in die Gesamtanforderung. Ähnlich wie die bisherigen CCAR-Anforderungen wird auch der SCB basierend auf dem regulatorischen Stresstest und den geplanten Kapitalausschüttungen festgesetzt. Die Going-concern-Anforderungen in den USA setzen sich somit aus Mindest- und Pufferanforderungen aufgrund einer stichtagsbezogenen Momentaufnahme und Anforderungen basierend auf strengen sich auf eine bestimmte in die Zukunft gerichtete Zeitperiode beziehenden Stressszenarien zusammen. Durch die neue Ausgestaltung der stresstestbasierten Anforderung als Pufferanforderung und durch die transparente Kommunikation dieses Puffers sind die Kapitalanforderungen in den USA jetzt international besser vergleichbar.11 Das TBTF-Regime in der Schweiz kennt keine regulatorisch vorgegebenen Eigenmittelanforderungen, die aus Resultaten von Stresstests abgeleitet werden.

Die USA verfügen seit dem 1. Januar 2019 im Bereich der Gone-concern-Anforderungen über TLAC-Erfordernisse und Anforderungen an die langfristigen Verbindlichkeiten (Longterm Debt, LTD). Letztere sind sowohl in der Ausgestaltung als auch in der Höhe den Gone-concern-Anforderungen der Schweiz ebenbürtig: Die risikogewichteten LTD-Anforderungen betragen in den USA 6 % (plus einen grössenabhängigen G-SIB-Puffer von 1­3,5 %). Die ungewichteten LTD-Anforderungen betragen 4,5 %. Die entsprechenden Werte gemäss Schweizer Regeln betragen 10 % bzw.

3,75 % (nach Gewährung der Rabatte).

Das Vereinigte Königreich führt die Gone-concern-Anforderungen bis 2023 graduell mit den Mindestanforderungen für Eigenmittel und Verpflichtungen, dem Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities (MREL) ein. Die MREL basieren auf EU-Recht, zu dessen Umsetzung sich das UK grundsätzlich im Austrittsabkommen verpflichtet hat. Die MREL
setzen u. a. den TLAC-Standard des FSB um. Die MREL-Anforderungen gelten nicht nur für SIBs, sondern ebenfalls für elf weitere Banken.12 Die BoE hat vorläufige («interim») und endgültige MREL-Anforderungen publiziert. Diese liegen für systemrelevante UK-Banken über den Schweizer Anforderungen.

Die Europäische Union entschied im Juni 2019 über die definitive Einführung ihrer MREL-Anforderungen. Diese wurden im Rahmen des sog. «Banking Package» verabschiedet, welches Anpassungen wichtiger Vorschriften der Bankenregulierung beinhaltete (z. B. der Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten

11

12

Das FRB (Board of Governors of the Federal Reserve System) veröffentlichte die CET1-Anforderungen der grossen Banken am 10. Aug. 2020, vgl.

www.federalreserve.gov > News & Events > Press Releases > 08/10/2020.

Vgl. Bank of England, Interim and end-state minimum requirements for own funds and eligible liabilities (MRELs), Jan. 2021; abrufbar unter: www.bankofengland.co.uk/ financial-stability/resolution/mrels.

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oder der Verordnung zum einheitlichen Bankenabwicklungsmechanismus). Die Anforderungen gelten in ihrer endgültigen Form ab dem 1. Januar 2024 für G-SIBs, aber auch für weitere Banken in Abhängigkeit von ihrer systemischen Bedeutung. Bis dahin kommen in der EU der TLAC-Standard des FSB und vorläufige MRELAnforderungen zur Anwendung. Die finalen MREL-Anforderungen in der EU sind gegenwärtig nicht bekannt. Es ist davon auszugehen, dass die MREL-Anforderungen im Durchschnitt höher als der TLAC-Standard ausfallen werden.13 Die EU entschied zudem, die Verschuldungsquote (Leverage Ratio) auf Mitte 2021 definitiv als bindende Anforderung einzuführen. Die zusätzlichen Leverage-Ratio-Puffer für G-SIBs gelten allerdings erst ab dem 1. Januar 2023. Bislang mussten die Banken in der EU über die Leverage Ratio nur Bericht erstatten, ohne dass sie für die Festsetzung der Mindesteigenmittelanforderung für eine Bank verbindlich war.

Betreffend Liquidität müssen alle Schweizer Banken seit dem 1. Januar 2019 die Mindestliquiditätsquote (Liquidity Coverage Ratio, LCR) gemäss BCBS-Standard zu 100 % einhalten. Zusätzlich müssen SIBs die besonderen Anforderungen des Schweizer Liquiditätsregimes für systemrelevante Banken erfüllen. Die geltenden Liquiditätsanforderungen für systemrelevante Banken befinden sich derzeit im Rahmen einer Revision der Liquiditätsverordnung (LiqV)14 in Überarbeitung (vgl. hierzu Kapitel 2.3).

In der Schweiz gelten ab dem 1. Juli 2021 zusätzlich zur LCR die ergänzenden Erfordernisse einer langfristigen, stabilen Finanzierung (Net Stable Funding Ratio, NSFR) gemäss Basel III. Die NSFR, auch strukturelle Liquiditätsquote genannt, dient der Optimierung der längerfristigen Finanzierung (mit einem Zeithorizont von einem Jahr). Konkret soll sie sicherstellen, dass die Vermögenswerte (Investitionen) einer Bank zumindest anteilig mit langfristig gesicherten (stabilen) Mitteln finanziert werden. Gemäss den Vorgaben des Basler Ausschusses hätten die Bestimmungen zur NSFR bereits per 1. Januar 2018 eingeführt werden sollen. Aufgrund von Verzögerungen bei der Einführung der NSFR in der EU und den USA wartete auch der Bundesrat mit der Umsetzung in der Schweiz bislang zu. Nachdem die USA und die EU die Einführung der NSFR schliesslich auf Mitte 2021 festgesetzt hatten, entschied auch der Bundesrat, die
NSFR auf den 1. Juli 2021 in Kraft zu setzen. 15 In Übereinstimmung mit den Basler Liquiditätsvorgaben müssen systemrelevante Banken in den USA eine LCR von 100 % erfüllen. Die für G-SIBs bindenden Liquiditätsvorschriften sind jedoch höher und orientieren sich am institutsspezifischen Nachweis, dass auch im Krisenfall ausreichend Liquidität vorhanden ist. Auch im UK wurde eine LCR-Anforderung von 100 % eingeführt. Den Banken werden regelmässig für nicht mit der LCR erfasste Risiken institutsspezifisch höhere Anforderungen in Form eines Säule-2-Zuschlags auferlegt. Die EU kennt ebenfalls eine LCR-

13

14 15

Vgl. Europäische Kommission / Europäische Zentralbank / Single Resolution Board, Monitoring report on risk reduction indicators, Nov. 2020, S. 34; abrufbar unter: www.consilium.europa.eu.

SR 952.06 Vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 11. Sept. 2020 «Bundesrat verabschiedet Umsetzung der Finanzierungsquote»; abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > 11.9.2020.

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Anforderung von 100 %. Überdies müssen die EU-Banken nachweisen, dass ihre Liquiditätsausstattung auch unter Stressbedingungen ausreichend ist.

Neben ausserordentlichen Liquiditätshilfen (Emergency Liquidity Assistance, ELA), die den Banken im Krisenfall von Zentralbanken weltweit zur Verfügung gestellt werden, stehen in den USA, im UK und in der EU ­ im Gegensatz zur Schweiz ­ weitere staatliche Unterstützungsmechanismen (Public Backstops) zur Verfügung, um die bei der Sanierung oder Abwicklung einer SIB benötigte Liquidität zu garantieren.

2.1.2

Anforderungen an die Stabilisierungs- und Abwicklungsplanung

In Einklang mit international etablierten Standards des FSB16 für die Abwicklung von Finanzinstituten verfügt auch die Schweiz über Anforderungen in Bezug auf die Notfall-, Stabilisierungs- und Abwicklungsplanung. In der Notfallplanung müssen die systemrelevanten Banken den Nachweis erbringen, dass sie ihre systemrelevanten Funktionen in der Schweiz auch im Insolvenzfall ohne Verzug weiterführen können.

In der Stabilisierungsplanung (Recovery-Plan) legen die Banken dar, mit welchen Massnahmen sie sich im Krisenfall selber stabilisieren können. Der von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) zu erstellende Abwicklungsplan (Resolution-Plan) zeigt, wie eine von ihr angeordnete Sanierung oder Liquidation der Bank durchgeführt werden kann. Die Banken müssen dafür die Voraussetzungen für ihre Abwicklungsfähigkeit (resolvability) schaffen.

Diese Anforderungen beeinflussen, insbesondere zur Sicherstellung eines umsetzbaren Notfallplanes, auch die Organisation der Banken. So haben heute beide Schweizer G-SIBs je eine Holding-Gesellschaft an der Spitze. Zusätzlich haben beide Banken je eine Schweizer Bank als hundertprozentige Tochtergesellschaften ihrer Stammhäuser gegründet, in die sie u. a. die für die Schweiz systemrelevanten Funktionen übertragen haben. Schliesslich haben beide G-SIBs Servicegesellschaften gegründet, die das Erbringen wesentlicher Dienstleistungen auch in der Sanierung und Abwicklung gewährleisten sollen. Die FINMA beurteilt die Abwicklungsfähigkeit der systemrelevanten Banken in regelmässigen Abständen und legt die Resultate seit 2020 in einer Resolution-Berichterstattung dar.17 Auch die USA verfügen über Anforderungen an die Abwicklungsplanung. Systemrelevante Banken müssen ihre Abwicklungspläne (Resolution Plans, auch bekannt unter dem Begriff Living Wills) den Aufsichtsbehörden einreichen. Die Abwicklungspläne müssen die Strategie der Bank für eine schnelle und geordnete Abwicklung im Falle einer wesentlichen finanziellen Notlage oder eines Ausfalls beschreiben. Die Abwicklungspläne der Banken und allfällige von den Aufsichtsbehörden festgestellte Mängel werden veröffentlicht. Die Banken sind verpflichtet, festgestellte Mängel innert Frist 16

17

FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, Okt. 2011; abrufbar unter: www.fsb.org > Work of the FSB > Market and Institutional Resilience > Post-2008 financial crises reforms > Effektive Resolution regimes and policies.

Vgl. Resolution-Bericht 2021; abrufbar unter: www.finma.ch > Durchsetzung > Recovery und Resolution > Resolution-Berichterstattung 2021.

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zu beheben. Die USA verfügen ­ anders als die Schweiz ­ über strikte Vorschriften in Bezug auf die Art und Weise, wie die Banken organisiert sein müssen. So dürfen risikoreiche Tätigkeiten (z. B. der Eigenhandel) nicht innerhalb der Bank, die gleichzeitig auch das Depositengeschäft betreibt, ausgeführt werden. Ausländische Banken mit Aktiven von mehr als 50 Milliarden US-Dollar müssen ihre Tochtergesellschaften in den USA unter dem Dach einer Zwischenholding (Intermediate Holding Company, IHC) organisieren. Dies betrifft namentlich auch die US-Tochtergesellschaften von Credit Suisse und UBS. Diese IHCs unterliegen u.a. Vorschriften zu Kapital, Planung, Liquidität und Stresstests wie gleichartige amerikanische Banken.

Das Vereinigte Königreich verfügt über ein sog. Resolvability Assessment Framework, d. h. über Leitlinien zur Beurteilung der Abwicklungsfähigkeit.18 Darin legt die BoE ihren Beurteilungsansatz dar und merkt auch an, dass sie über die Abwicklungsfähigkeit der einzelnen Banken öffentlich Bericht erstatten wird. Die Banken sind verpflichtet, der BoE erstmals im Oktober 2021 ihre Einschätzung zu ihrer Abwicklungsfähigkeit einzureichen. Sie müssen unter anderem darlegen, welche Hindernisse für ihre Abwicklungsfähigkeit (z. B. aufgrund der Organisationsstruktur) sie bei sich festgestellt haben und wie sie diese zu beseitigen gedenken. Die Banken müssen künftig ­ erstmals im Juni 2022 ­ überdies eine Zusammenfassung ihrer Einschätzung veröffentlichen. In struktureller Hinsicht müssen die Banken zudem im UK das Depositen- und Kreditgeschäft vom Investment Banking und vom internationalen Geschäft trennen und innerhalb der Finanzgruppe in einer separaten Einheit ansiedeln (sog. ring-fenced banks).

In der EU ist das Single Resolution Board (SRB) die zentrale Abwicklungsbehörde innerhalb der Bankenunion. Das SRB ist damit auch zuständig für die Abwicklungsplanung der Banken. Das SRB veröffentlichte im Frühling 2020 seine Anforderungen an die Abwicklungsfähigkeit der Banken.19 Der Geltungsbereich dieser Anforderungen erstreckt sich grundsätzlich auf die von der EZB überwachten Banken und Bankengruppen. Die Banken werden die Anforderungen graduell bis Ende 2023 zu erfüllen haben. Die Abwicklungsbehörden (SRB und nationale Behörden) in der EU können von den Banken Anpassungen in ihrer
Organisationsstruktur verlangen, falls sie dort Hindernisse in der Abwicklungsfähigkeit feststellen. In der EU sind keine weitergehenden verbindlichen Regeln zur Organisationsstruktur vorgegeben, wie das etwa in den USA oder im UK der Fall ist.

2.1.3

Rechtlicher Rahmen für Bankensanierung und Bankeninsolvenz

Der im vorangehenden Kapitel erwähnte Standard des FSB zum Sanierungs- und Abwicklungsregime und die dazugehörenden Ausführungsbestimmungen enthalten auch Vorgaben zu den Zuständigkeiten der Abwicklungsbehörde und zu den Regeln der Bankensanierung und -insolvenz. Die Abwicklungsbehörde für Banken in der 18 19

Bank of England, The Bank of England's approach to assessing resolvability, A Policy Statement, Juli 2019; abrufbar unter: www.bankofengland.co.uk.

SRB, Expectations for banks, März 2020; abrufbar unter: https://srb.europa.eu/en/node/962.

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Schweiz ist die FINMA. Das Bankengesetz regelt das Sanierungsverfahren für Banken nur in den Grundzügen, die Details finden sich in der Bankeninsolvenzverordnung-FINMA vom 30. August 201220. Materiell erfüllen die Schweizer Regeln zur Bankensanierung und -insolvenz sowie die Kompetenzen der FINMA als Abwicklungsbehörde die Vorgaben des FSB-Standards. Zur Stärkung der Rechtssicherheit will der Bundesrat vor allem diejenigen Instrumente neu auf Stufe Gesetz verankern, die wie etwa die Kapitalmassnahmen (beispielsweise ein Bail-in) besonders stark in die verfassungsmässig geschützten Rechte von Eignern und Gläubigern der Bank eingreifen. Der Bundesrat verabschiedete die entsprechende Botschaft21 zur Revision des Bankengesetzes am 19. Juni 2020. Die parlamentarischen Beratungen begannen in der Wintersession 2020 und werden voraussichtlich in der Sommer- oder Herbstsession 2021 abgeschlossen.

In Umsetzung der FSB-Standards ist im UK die BoE die Abwicklungsbehörde, in der EU das SRB (zusammen mit den nationalen Behörden) und in den USA die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) und weitere Behörden (vgl. dazu etwa im UK den «Bank Recovery and Resolution Order 2014»22, in der EU die Richtlinie 2014/59/EU23 zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und in den USA die Bestimmungen zur «Orderly Liquidation Authority» als Teil des als Reaktion auf die Finanzkrise erlassenen «Dodd-Frank-Act»24).

2.1.4

Beurteilung der Widerstandskraft der Schweizer SIBs im Lichte der Covid-19-Pandemie

Die Covid-19-Pandemie löste im Februar und März 2020 auf den Finanzmärkten Turbulenzen aus. Aufgrund der Unsicherheit über den Verlauf der Pandemie und der Auswirkungen auf die Wirtschaft erfolgten teilweise markante Preisanpassungen (z. B.

brach der Swiss Market Index von ca. Mitte Februar 2020 bis Mitte März 2020 um rund 30 % ein). Weltweit flüchteten die Investoren in sichere Anlagen, und die Nachfrage nach Liquidität schnellte hoch. Diesem sog. Liquiditätsstress begegneten die Zentralbanken weltweit mit diversen Massnahmen. Gleichzeitig ergriffen die Zentralregierungen weitgehende fiskalische Massnahmen zur Stützung der Wirtschaft. Auf diese Weise konnten die Märkte beruhigt werden.25 Die Schweizer SIBs befanden sich zu Beginn der Pandemie aufgrund der verbesserten Widerstandskraft in einer vorteilhaften Ausgangslage. Die im Nachgang der Finanzkrise eingeleiteten TBTF-Reformbestrebungen haben sich bewährt.26 Die Schweizerische Nationalbank (SNB) kommt im Finanzstabilitätsbericht 2020 zum Schluss, die 20 21 22 23 24 25 26

SR 952.05 BBl 2020 6359 Abrufbar unter: legislation.gov.uk.

ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 190 12 USC §§ 5381­5394; abrufbar unter: uscode.house.gov.

Siehe für eine ausführliche Analyse: FSB, Holistic Review of the March Market Turmoil, Nov. 2020; abrufbar unter: www.fsb.org > Publications.

FSB, COVID-19 Pandemic: Financial Stability Implications and Policy Measures Taken, Report submitted to the G20 Finance Ministers and Governors, 15. Juli 2020; abrufbar unter: www.fsb.org > Publications.

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heutige Höhe der TBTF-Anforderungen im Kapitalbereich sei notwendig, um eine angemessene Widerstandskraft der beiden Schweizer G-SIBs sicherzustellen.27 Die FINMA sieht u.a. in den während der letzten Jahre aufgebauten Liquiditäts- und Kapitalpolstern den wesentlichen Grund, weshalb die Schweizer Finanzinstitute die ersten Auswirkungen der Krise gut abfedern konnten.28 Der beobachtete Liquiditätsstress auf den internationalen Finanzierungsmärkten war allerdings auch für die grössten Schweizer Institute eine Herausforderung und unterstreicht die Bedeutung der noch zu finalisierenden besonderen TBTF-Anforderungen im Liquiditätsbereich.

2.1.5

Beurteilung der Regulierung durch den Internationalen Währungsfonds

Der Internationale Währungsfonds (IWF) unterzieht die Finanzsektoren seiner Mitgliedstaaten im Rahmen seines Financial Stability Assessment Program (FSAP) einer regelmässigen umfassenden Überprüfung. 2019 erfolgte eine solche für den Finanzsektor der Schweiz. Der IWF hielt seine Beurteilung und seine Empfehlungen in einem zusammenfassenden veröffentlichten Bericht und diversen detaillierteren technischen Darstellungen fest.29 Der IWF würdigt positiv, dass die G-SIBs seit Beginn der Finanzkrise (2007) in Bezug auf ihre Bilanzsumme um einen Drittel geschrumpft sind. Auch wenn die Schweiz in den letzten Jahren das TBTF-Regime gestärkt hat (z. B. mittels höherer Anforderungen an die Verschuldungsquote als von den internationalen Standards verlangt), stellt der IWF fest, dass die Sanier- und Liquidierbarkeit der Banken noch zu verbessern ist. Gemäss IWF sollte die Beseitigung von Hindernissen für die Abwicklungsfähigkeit der G-SIBs (u. a. die Liquiditätsausstattung für den Fall einer Sanierung oder Abwicklung) prioritär angegangen werden.

Der Bundesrat geht mit dem IWF einig, dass das Fehlen eines Regelwerks für die Anforderungen an die Liquiditätsausstattung für den Abwicklungsfall ein Hindernis für die Sicherstellung der Abwicklungsfähigkeit darstellt. Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD), die FINMA und die SNB sind derzeit daran, eine entsprechende Vorlage auszuarbeiten (vgl. hierzu Kapitel 2.3).

27 28 29

SNB, Bericht zur Finanzstabilität 2020, S. 6; abrufbar unter: www.snb.ch > Publikationen > Bericht zur Finanzstabilität 2020.

FINMA, FINMA-Risikomonitor 2020, S. 3; abrufbar unter: www.finma.ch > Dokumentation > FINMA-Publikationen > Berichte > Risikomonitor.

Vgl. International Monetary Fund, IMF Country Report No. 19/183, Switzerland Financial Sector Assessment Program, Juni 2019; abrufbar unter: www.imf.org > Publications.

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Beurteilung Die international vergleichende Analyse unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und der Beurteilung des IWF hat gezeigt, dass der Schweizer Regulierungsansatz grundsätzlich mit den internationalen Entwicklungen im Einklang steht. Es ist deshalb aus heutiger Sicht keine grundlegende Anpassung des Schweizer Regulierungsansatzes notwendig. Über anstehende Anpassungen der TBTF-Regulierung geben die nachfolgenden Abschnitte Auskunft.

2.2

Rechtliche Verankerung des Anreizsystems zur globalen Abwicklungsfähigkeit

Im Evaluationsbericht vom 3. Juli 2019 zu Artikel 52 des Bankengesetzes und in seinen Erläuterungen zur Änderung vom 27. November 201930 der Eigenmittelverordnung (ERV) äusserte der Bundesrat seine Absicht, das sog. Rabattsystem voraussichtlich ab 2022 abzuschaffen. Unter dem Rabattsystem erhalten heute die Grossbanken Rabatte auf den Anforderungen an ihre Gone-concern-Mittel, wenn sie ihre globale Abwicklungsfähigkeit mit grosser Wahrscheinlichkeit verbessern. Die Rabatte waren in der Vergangenheit effektiv, verlieren aber mit Erreichen des Maximalrabatts ihre Anreizwirkung, weshalb die Anreize künftig anders gesetzt werden sollen. Eine Arbeitsgruppe des EFD und der FINMA ist daran, hierfür entsprechende Anpassungen auf Verordnungsstufe zuhanden des Bundesrates vorzubereiten.

2.3

Besondere Liquiditätsanforderungen für SIBs

Die im letzten Evaluationsbericht vom 3. Juli 2019 angekündigte Analyse des EFD in Zusammenarbeit mit der FINMA und der SNB zeigte, dass die derzeit geltenden besonderen Anforderungen für SIBs die vom Bankengesetz (Art. 9 Abs. 2 Bst. b BankG) geforderte, eindeutig höhere Liquiditätsausstattung im Vergleich zu den nicht systemrelevanten Banken nicht zu gewährleisten vermögen. Die von den SIBs angeforderte Liquidität würde somit voraussichtlich nicht genügen, um den Liquiditätsbedarf im Fall einer Stabilisierung (going concern) oder Abwicklung (gone concern) zu decken.

In diesem Sinne werden derzeit die besonderen Liquiditätsanforderungen für SIBs im Rahmen einer LiqV-Revision überarbeitet. Die revidierte LiqV soll demnach zusätzlich zu höheren Liquiditätsanforderungen während der Stabilisierungsphase auch die Anforderungen an die Liquiditätshaltung einer SIB in der nachgelagerten Abwicklungsphase umfassen. Im Fokus der Arbeiten steht dabei die Identifikation eines Konzeptes, das unter Berücksichtigung der Empfehlungen des FSB31 eine angemessene

30 31

AS 2019 4623 Vgl. FSB, Guiding principles on the temporary funding needed to support the orderly resolution of a global systemically important bank, 18. Aug. 2016, und FSB, Funding strategy elements of an implementable resolution plan, 21. Juni 2018; abrufbar unter: www.fsb.org > Publications.

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ex-ante-Schätzung des für die Sanierung oder Abwicklung notwendigen Liquiditätsbedarfs sicherstellt. Dabei wird das Liquiditätsprofil der SIBs berücksichtigt. Der notwendige Liquiditätsbedarf soll von den SIBs sowohl für die Gruppe als Ganzes als auch einzeln für ihre wesentlichen operativen Einheiten gehalten werden. Für ein international abgestimmtes Schweizer Liquiditätsregime werden im Rahmen der LiqV-Revision die Liquiditätsregulierungen der USA, des UK und der EU in einer Gesamtschau berücksichtigt.

Das EFD erarbeitet zusammen mit der FINMA und der SNB eine Vorlage zuhanden des Bundesrates zur Anpassung der in der LiqV verankerten besonderen Liquiditätsanforderungen für SIBs. Die Vernehmlassung zur Revisionsvorlage der LiqV wird bis Ende 2021 eröffnet.

3

Zusammenfassung

Der Bundesrat ist überzeugt, dass die im internationalen Vergleich und relativ zur Grösse des Landes sehr grossen systemrelevanten Banken eine zentrale Bedeutung für die Finanzstabilität der Schweiz haben. Diese Stabilität kann durch eine in Notlage geratene systemrelevante Bank besonders gefährdet werden. Die heutige Kalibrierung der TBTF-Anforderungen stellt eine angemessene Widerstandskraft der SIBs sicher.

Somit befanden sich auch die beiden international orientierten G-SIBs zu Beginn der Covid-19-Pandemie in einer vorteilhaften Ausgangslage, um die Herausforderungen des schwierigen Umfelds zu meistern und die Realwirtschaft zu unterstützen. Jüngste Ereignisse im Zusammenhang mit hohen Zahlungsausfällen in den G-SIBs sowie die im anhaltenden Niedrigzinsumfeld weiterhin grossen Herausforderungen an das Risikomanagement und die Profitabilität unterstreichen die Wichtigkeit der erhöhten Widerstandskraft der systemrelevanten Banken.

Der Schweizer Ansatz zur Entschärfung der Problematik systemrelevanter Banken, der verschiedene Massnahmen kombiniert und über die Jahre weiterentwickelt wurde, wird im internationalen Vergleich als angemessen beurteilt. Eine grundsätzliche Neuausrichtung drängt sich daher nicht auf.

Der Bundesrat kommt zum Schluss, dass bei der rechtlichen Verankerung des Anreizsystems im Zusammenhang mit der globalen Abwicklungsfähigkeit noch Handlungsbedarf besteht. Im Nachgang zur laufenden Bankengesetzrevision wird das EFD dem Bundesrat entsprechende Anpassungen auf Verordnungsstufe (insbesondere Bankenverordnung und ERV) unterbreiten. Zudem sieht der Bundesrat Handlungsbedarf im Bereich der besonderen Liquiditätsanforderungen für SIBs. Eine Arbeitsgruppe bestehend aus EFD, FINMA und SNB bereitet in diesem Zusammenhang eine Vorlage für die Anpassung der LiqV vor.

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Anhang

Glossar und Abkürzungen AT1

Additional Tier 1, zusätzliches Kernkapital. Stellt bilanztechnisch Fremdkapital dar, trägt Verluste nach dem CET1.

BCBS

Basel Committee on Banking Supervision, Basler Ausschuss für Bankenaufsicht. Das BCBS ist der wichtigste globale Standardsetter für die Bankenregulierung. Sein Mandat besteht darin, die Regulierung, die Aufsicht und angemessene Praktiken von Banken weltweit zu stärken, um die Finanzstabilität zu erhöhen.

CET1

Common Equity Tier 1, hartes Kernkapital. Beispiel: einbezahltes Gesellschaftskapital (z. B. Aktienkapital).

FSB

Financial Stability Board, Finanzstabilitätsrat. Das FSB wurde durch die G20 auf deren Gipfel im Jahr 2009 gegründet. Es überwacht das globale Finanzsystem und gibt u. a. die Bankenregulierung betreffende Empfehlungen heraus.

Going concern

Für Schweizer SIBs gemäss ERV «Eigenmittel zur ordentlichen Weiterführung der Bank», die eine Teilanforderung von TLAC.

Gone concern

Für Schweizer SIBs gemäss ERV «zusätzliche verlustabsorbierende Mittel», die andere Teilanforderung von TLAC.

Gesamtengagement

Summe der Bilanz- und Ausserbilanzpositionen gemäss dem BCBS-Standard für die Berechnung der Verschuldungsquote.

G-SIB

Global systemically important bank, international tätige systemrelevante Bank. Als solche durch das FSB identifiziert. In der Schweiz sind dies UBS und Credit Suisse.

LCR

Liquidity Coverage Ratio, Quote für kurzfristige Liquidität oder Mindestliquiditätsquote. Mit ihr soll sichergestellt werden, dass Banken genügend qualitativ hochwertige, liquide Vermögenswerte halten, um den Nettomittelabfluss jederzeit decken zu können, der in einem durch Ab- und Zuflussannahmen definierten Stressszenario mit einem Zeithorizont von 30 Kalendertagen (30-Tage-Horizont) zu erwarten ist.

LR

Leverage Ratio, Verschuldungsquote. Sie stellt das Kernkapital (T1) dem Gesamtengagement gegenüber.

MREL

Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities, Mindestanforderung an Eigenmittel und anrechenbare Verbindlichkeiten im UK und in der EU. Entspricht weitestgehend dem TLAC-Standard des FSB.

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NSFR

Net Stable Funding Ratio, strukturelle Liquiditätsquote oder Finanzierungsquote. Sie zielt darauf ab, eine langfristig stabile Finanzierung innerhalb eines Zeithorizontes von einem Jahr zu gewährleisten, indem die Banken den Anreiz erhalten, eine übermässige Fristentransformation zu vermeiden.

Pufferanforderung

Anforderung, die über die Mindestanforderung an Eigenmittelgemäss dem BCBS-Standard hinausgeht.

RWA

Risk-weighted Assets, risikogewichtete Aktiven. Die RWAQuote bezeichnet den Anteil der Eigenmittel an den RWA.

SIB

Systemically Important Bank, systemrelevante Bank. Hierzu gehören die G-SIBs (siehe dort) und die drei inlandorientierten systemrelevanten Banken Zürcher Kantonalbank, Raiffeisen und Postfinance.

T1

Tier 1, Kernkapital. Setzt sich zusammen aus CET1 und AT1.

T2

Tier 2, Ergänzungskapital. Stellt bilanztechnisch Fremdkapital dar, trägt Verluste nach CET1 und AT1.

TLAC

Total Loss Absorbing Capacity, gesamte Verlusttragfähigkeit.

Umfasst sämtliches Eigen- und Fremdkapital, das im Falle einer Sanierung oder Liquidierung einer international tätigen systemrelevanten Bank zur Verlusttragung und Rekapitalisierung beigezogen werden kann. Das Kapital setzt sich aus Mitteln zur ordentlichen Weiterführung (going concern) und Mitteln zur Sanierung oder Abwicklung (gone concern) einer Bank zusammen. Das FSB hat 2015 einen internationalen Standard («TLAC-Standard») herausgegeben.

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