BBl 2021 www.bundesrecht.admin.ch Massgebend ist die signierte elektronische Fassung

21.049 Botschaft zur Änderung des Gentechnikgesetzes (Verlängerung des Moratoriums zum Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen) vom 30. Juni 2021

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Gentechnikgesetzes.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

30. Juni 2021

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Guy Parmelin Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2021-2311

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Übersicht Seit 2005 besteht in der Schweiz ein Moratorium zum Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen in der Land- und Waldwirtschaft sowie im Gartenbau. Das Moratorium wurde aufgrund der angenommenen Volksinitiative «für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft» eingeführt. Mit der vorliegenden Änderung des Gentechnikgesetzes will der Bundesrat das Moratorium bis zum 31. Dezember 2025 verlängern.

Ausgangslage Seit 2005 hat das Parlament das Moratorium für das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) dreimal verlängert, das letzte Mal von 20172021. Es besteht derzeit nach wie vor kein politischer Konsens, das Moratorium aufzuheben und für den Anbau von GVO eine tragfähige, austarierte Regulierung zu erlassen. Die jüngsten Entwicklungen der Gentechnologie können zu Innovationen führen, die zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen; sie können auch zu einer höheren Komplexität der Materie und zu neuen Risiken führen. Zwar unterliegen neue gentechnische Verfahren der Gentechnikgesetzgebung, es stellen sich aber vermehrt regulatorische Anwendungsfragen und neue Herausforderungen für die Gewährleistung der Warenflusstrennung und Wahlfreiheit der Konsumentinnen und Konsumenten. Diesen Herausforderungen adäquat zu begegnen und gleichzeitig die nötige Rechtssicherheit zu schaffen, erfordert zusätzliche Zeit.

Inhalt der Vorlage Vor diesem Hintergrund schlägt der Bundesrat vor, das bestehende Moratorium bis zum 31. Dezember 2025 zu verlängern. Dazu soll Artikel 37a des Gentechnikgesetzes (GTG, SR 814.91) entsprechend angepasst werden. Die Verlängerung des Moratoriums erlaubt es zu prüfen, wie rechtliche Fragen im Bereich der neuen gentechnischen Verfahren zu beantworten sind. Im zu erarbeitenden Bericht in Erfüllung des Postulats Chevalley 20.4211 «Gentechnikgesetz: Welcher Geltungsbereich?» wird der Bundesrat eine diesbezügliche Auslegeordnung vornehmen. Die Entwicklungen in der Europäischen Union in Bezug auf die neuen gentechnischen Verfahren werden ebenfalls integraler Bestandteil des Berichts sein.

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Am 27. November 2005 haben Stimmbevölkerung und Stände mit der Volksinitiative «für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft» einer neuen Verfassungsbestimmung (Art. 197 Ziff. 7 BV1) zugestimmt, welche die schweizerische Landwirtschaft während fünf Jahren für gentechnikfrei erklärte und für diese Dauer Teile des Gentechnikgesetzes vom 21. März 20032 im Ausserhumanbereich (Gentechnikgesetz, GTG; SR 814.91) ausser Kraft setzte. Dieses Moratorium untersagte bis zum 27. November 2010 insbesondere das Einführen und Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten vermehrungsfähigen Pflanzen, Pflanzenteilen und Saatgut, welche für die landwirtschaftliche, gartenbauliche oder forstwirtschaftliche Anwendung in der Umwelt bestimmt sind, sowie von gentechnisch veränderten Tieren, welche für die Produktion von Lebensmitteln und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen bestimmt sind3.

Die Forschung wurde dabei explizit vom Moratorium ausgenommen. Sowohl Versuche mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in geschlossenen Systemen als auch Freisetzungsversuche mit GVO waren unter den Voraussetzungen des Gentechnikrechts zulässig. Dadurch sollte die Erforschung der Risiken und des Potenzials von GVO im Hinblick auf ein allfälliges Auslaufen des Moratoriums ermöglicht werden.

Das Moratorium sollte auch dazu dienen, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu sammeln und optimale Bestimmungen zum Schutz der herkömmlichen Landwirtschaft zu erlassen4.

Entsprechend dem Volksinitiativtext liess die Verfassungsbestimmung offen, ob bei einer «gentechnikfreien» Landwirtschaft auch Futtermittel, Dünger, Pflanzenschutzmittel und Tierarzneimittel unter das Moratorium fallen sollten. Der Bundesrat ging davon aus, dass dies nicht der Fall war. Mit dem Moratorium wollten die Initiantinnen und Initianten in erster Linie der schweizerischen Landwirtschaft eine Profilierung und Positionierung als Erzeugerin von Produkten ohne GVO ermöglichen und der mehrheitlich ablehnenden Haltung in der Bevölkerung gegenüber gentechnisch veränderten Lebensmitteln Rechnung tragen.

Vor dem Ablauf des Moratoriums nach Artikel 197 Ziffer 7 BV beschlossen die Räte am 19. März 2010, über eine Änderung des GTG das Moratorium um drei Jahre, d.h.

bis zum 27. November 2013, zu verlängern. In seiner materiellen Tragweite wurde das Gesetz jedoch unverändert belassen (vgl. Art. 37a GTG). Der Wortlaut der Bestimmung wurde lediglich von Unklarheiten befreit und mit der Terminologie sowie 1 2 3

4

SR 101 SR 814.91 Das Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Wirbeltiere ist ausser für Forschung, Therapie und Diagnostik grundsätzlich und in allen Anwendungsbereichen verboten (Art. 9 GTG).

Vgl. Botschaft vom 18. Aug. 2004 über die Volksinitiative «für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft», BBl 2004 4937, 4941.

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der Systematik des Gentechnikgesetzes in Einklang gebracht, und das Verbot für den Anbau und das Inverkehrbringen wurde ersetzt durch ein Verbot für das Erteilen von Bewilligungen für das Inverkehrbringen von GVO zu landwirtschaftlichen, gartenbaulichen oder waldwirtschaftlichen Zwecken.

Seither hat das Parlament das Moratorium zweimal verlängert: Im 2013 wurde es im Rahmen der Agrarpolitik 2014­2017 um vier Jahre, bis zum 27. November 2017 verlängert5. Die Verlängerung wurde mit der ablehnenden Haltung der Bevölkerung gegenüber GVO sowie mit der gentechnikfreien Schweiz als Qualitätsmerkmal für die schweizerische Landwirtschaft begründet. Im 2017 verlängerte das Parlament das Moratorium wiederum um weitere vier Jahre, bis zum 31. Dezember 2021. Dabei lehnte es eine vom Bundesrat vorgeschlagene Anpassung des GTG, welche die Einführung von sogenannten GVO-Anbaugebieten sowie die Konkretisierung der Bestimmungen zur Koexistenz von GVO- und Nicht-GVO-Kulturen in der Landwirtschaft vorsah6, deutlich ab. Stattdessen wurde das Moratorium nach intensiver Diskussion im Rahmen der Agrarpolitik 2018­2021 mit den gleichen Argumenten erneut verlängert7. Zugleich strich das Parlament den während des Moratoriums 2014­2017 in Artikel 37a GTG festgehaltene Auftrag an den Bundesrat, während der Dauer des Moratoriums die nötigen Ausführungsbestimmungen für die Koexistenz zu erlassen.

Gemäss Artikel 7 GTG darf mit GVO nur so umgegangen werden, dass sie die GVOfreie Produktion und die Wahlfreiheit der Konsumentinnen und Konsumenten nicht beeinträchtigen. Ebenso muss verhindert werden, dass GVO sich in die Umwelt ausbreiten und den Menschen, die Tiere oder die Umwelt gefährden können oder die biologische Vielfalt beeinträchtigt wird (Art. 6 GTG).

Seit Inkrafttreten des GTG im Jahr 2004 haben sich die Gentechnologie und damit die Möglichkeiten zur Veränderung des Erbgutes von Organismen in raschem Tempo weiterentwickelt. Dies einerseits dank neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Aufbau und Funktionsweise einzelner Gene sowie der Gesamtheit der Gene (Genom) und andererseits aufgrund der Fortschritte in der Digitalisierung (z.B. Datenverarbeitung, Modellierung, Automatisierung, maschinelles Lernen). Mit Verfahren wie z.B.

CRISPR/Cas (siehe auch Kap. 1.2) hat sich die technische Entwicklung in den letzten Jahren
nochmals stark beschleunigt.

GVO, die aus neuen gentechnischen Verfahren hergestellt werden und mit denen in der Umwelt umgegangen werden soll (z.B. Saatgut), können momentan mangels ausreichender Daten und Erfahrungswerten die Auswirkungen a) auf die Gesundheit von Mensch und Tier, b) auf die Umwelt sowie c) auf die Wahlfreiheit der Konsumentinnen und Konsumenten nicht abschliessend beurteilt werden. Mit der Verlängerung des Moratoriums (Art. 37a GTG) wird auch für die nächsten vier Jahre die Gentechnikfreiheit als Qualitätsmerkmal der Schweizer Landwirtschaft, den Schutz der Umwelt sowie den Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten gewährleistet und damit der

5 6 7

Fassung gemäss Anhang Ziff. 7 des BG vom 22. März 2013, in Kraft seit 1. Nov. 2013 (AS 2013 3463; BBl 2012 2075).

BBl 2016 6521 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 16. Juni 2017, in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2017 6667; BBl 2016 6521).

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noch mehrheitlich ablehnenden Haltung der Bevölkerung entsprochen. Zudem können in dieser Periode zusätzliche Daten zu Produkten, die aus neuen gentechnischen Verfahren hergestellt werden, generiert und Erfahrungen gewonnen werden.

Der Kontext, u.a. die Risikowahrnehmung von GVO in der Bevölkerung, hat sich seit dem Entscheid im 2016 zur letzten Verlängerung des Moratoriums nicht verändert8.

Es besteht nach wie vor ein grosses Interesse an einer GVO-freien landwirtschaftlichen Produktion und Umwelt in der Schweiz. Die Verlängerung des Moratoriums ermöglicht es, den Weiterentwicklungen der Gentechnik sowie möglicher internationaler rechtlicher Entwicklungen, insbesondere in der EU, gerecht zu werden. Vor diesem Hintergrund ist die Verlängerung des Moratoriums um weitere vier Jahre gerechtfertigt. Diese Verlängerung erlaubt dem Bundesrat eine Auslegeordnung zu machen, wie die rechtlichen Fragen zu den neuen gentechnischen Verfahren zu beantworten sind.

1.2

Neue gentechnische Verfahren

Unter den neuen gentechnischen Verfahren wird eine Reihe von Techniken zusammengefasst, deren gemeinsamer Nenner die gezielte Veränderung des Genoms ist. Mit diesen Verfahren ist es möglich, das Genom in einer Art und Weise zu verändern, dass mit den aktuellen Nachweismethoden im Produkt keine Rückschlüsse mehr auf die verwendete Technik möglich sind ­ zurück bleiben einzig Veränderungen des Erbguts, respektive Mutationen. Dies wird als Genomeditierung bezeichnet. Der 2012 publizierte Nachweis, dass sich eine in Bakterien natürlich vorkommende Genschere (das sogenannte CRISPR/Cas9-System) so umprogrammieren lässt, dass sie an einer bestimmten präzisen Stelle im Genom das Erbgut durchschneidet und die gewünschten Änderungen einfügt, hat zu einer rasanten Anwendung der Genomeditierung in allen Bereichen der Gentechnologie geführt. Rasch wurden die Verfahren der Genomeditierung für verschiedene Anwendungen und unterschiedliche Organismen weiterentwickelt. In den USA und in Südamerika werden seit etwa zehn Jahren mit diesen Verfahren hergestellte Pflanzen angebaut und vermarktet. Es besteht die Erwartung, dass beispielweise mittels CRISPR/Cas hergestellte Pflanzensorten mit höherer Krankheitsresistenz, neuen Qualitätseigenschaften und anderen neuen Merkmalen in absehbarer Zukunft für die Anwendung im Feld geschaffen werden.

Die Genomeditierung eröffnet in den verschiedenen Anwendungsbereichen neuartige Möglichkeiten in Bezug auf die Eigenschaften von GVO, Präzision, die Eingriffstiefe, die Übertragbarkeit und die Anwendungsziele. Damit stellen sich verschiedene Fragen zu der Biosicherheit, aber auch ethische und gesellschaftliche Fragen, besonders bei Anwendungen bei Mensch und Tier. Im Unterschied zu herkömmlichen gentechnischen Verfahren ist es mit den neuen gentechnischen Verfahren möglich, gleichzeitig mehrere gezielte Änderungen im Genom vorzunehmen. Dabei können sich die Art der Eingriffe und der neuen Eigenschaften sowie die daraus resultierenden Risiken je nach Organismengruppe (z.B. Bakterien, Pflanzen, Insekten, Wirbeltiere) und Anwendungsgebiet unterscheiden. Für solche neuen Kombinationen von Änderungen 8

Siehe dazu etwa Univox-Umfrage https://gfs-zh.ch/wp-content/uploads/2016/04/ Univox_Umwelt-2015.pdf; Smartvote Resultate 2019: Verlängerung GVO Moratoriums https://smartvote.ch/de/group/2/election/19_ch-nr/home.

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und der daraus resultierenden Merkmale fehlen aktuell für eine Risikoanalyse ausreichende wissenschaftliche Daten sowie Erfahrungswerte und Vergleichsgrössen.

Eine besondere Herausforderung ist die Nachweisbarkeit von Veränderungen im Erbgut mittels neuen gentechnischen Verfahren. Mit der klassischen Gentechnik (Transgenese) werden fremde Gene an einer oder mehreren zufälligen Stellen in ein Genom eingeführt. Das eingeführte Gen und die Integrationsstelle sind somit einzigartig und damit eindeutig identifizierbar. Dies ermöglichte es, Nachweisverfahren zu entwickeln, die eine Nachweissicherheit von 99.9 Prozent aufweisen. Bei den punktuellen, durch Genomeditierung eingebrachten kleinen Veränderungen ist es mit den herkömmlichen Methoden nicht möglich, das angewendete gentechnische Verfahren zu identifizieren9. Ein genetisch nahezu identisches Produkt mit ähnlichen Eigenschaften könnte auch ohne gentechnische Verfahren, beispielsweise in der Pflanzenzüchtung durch konventionelle Züchtung oder spontane Mutationen, erzeugt worden sein.

Zurzeit können erst vereinzelt gewisse Anwendungen der neuen gentechnischen Verfahren sehr aufwendig und nur mit hohen Kosten nachgewiesen werden. Mit dem aktuellen Stand der Nachweistechniken stellt sich daher für den Vollzug die Herausforderung, die Rückverfolgbarkeit, die Kennzeichnung, die Kontrolle und, falls unterschiedliche internationale Regulierungen bestehen, die gegenseitigen Anerkennungsstandards sicherzustellen.

Die neuen gentechnischen Verfahren kommen in weiten Bereichen der Forschung und Entwicklung, insbesondere auch bei der Pflanzenzüchtung, zum Einsatz. Die Schweiz ist im Saatgutbereich in hohem Masse von im Ausland entwickelten Sorten abhängig (insbesondere aus der EU, mit der es im Rahmen des bilateralen Landwirtschaftsabkommens10 eine gegenseitige Anerkennung von Nicht-GVO-Sorten gibt). Aus diesen Gründen ist es wichtig, sowohl eine einheitliche Definition für Produkte zu haben, die mittels Gentechnik hergestellt wurden und damit unter den Anwendungsbereich des GTG fallen, als auch über entsprechende Methoden für die Nachweis- oder Rückverfolgbarkeit zu verfügen.

Eine nachhaltige und ressourceneffiziente Entwicklung der Landwirtschaft könnte mittel- bis langfristig durch Kulturpflanzen, welche z.B. Trockenheit besser tolerieren können oder
gegen Pilzkrankheiten resistent sind, ergänzt werden. Mittels der neuen gentechnischen Verfahren könnten gegebenenfalls Pflanzen hergestellt werden, welche für die Nahrungsmittelproduktion rascher an die Herausforderungen des Klimawandels angepasst werden können11 und welche den Konsumentinnen und Konsumenten einen Mehrwert bringen könnten. Die wissenschaftlichen Daten für eine Risikobeurteilung sind derzeit allerdings noch unzureichend.

9

10 11

Bundesinstitut für Risikobewertung: Fragen und Antworten zum Genome Editing und CRISPR/Cas9, www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zum_genome_ editing_und_crispr_cas9-199684.html.

SR 0.916.026.81 Siehe auch IPCC Special report on climate change and land, ch. 5; www.ipcc.ch/srccl/.

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1.3

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

In der Antwort auf die Motion 19.4050 «Genomeditierung zugunsten der Umwelt ermöglichen» hielt der Bundesrat fest, dass die neuen gentechnischen Verfahren in technischer und rechtlicher Hinsicht als Gentechnik gelten. Er lehnt es zum heutigen Zeitpunkt ab, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, um gewisse genomeditierte Pflanzen von der Anwendung des GTG auszunehmen12.

Wie in der Definition von Artikel 5 Absatz 2 GTG festgehalten, findet durch die neuen gentechnischen Verfahren ein Eingriff ins Genom statt, wie er unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt. Vom Anwendungsbereich des Gentechnikrechts ausgenommen sind nach geltendem Recht Organismen, die mittels Mutagenese ­ ein Verfahren, in dem die Mutationsrate im Erbgut eines Organismus durch die Behandlung mit Chemikalien oder Bestrahlung erhöht wird ­ hergestellt wurden13. Unter die Ausnahmeregelung fallen jedoch nur diejenigen Verfahren und Produkte, die aufgrund der vorhandenen Erfahrungswerte bereits zum Zeitpunkt ihres Erlasses als sicher galten (sog. history of safe use). Für die Genomeditierung und genomeditierte Organismen sind noch zu wenig Daten und Erfahrungswerte vorhanden, die einen Ausschluss dieser Produkte aus dem Gentechnikrecht rechtfertigen könnten.

In einem Aussprachepapier vom 18. November 2018 hatte der Bundesrat eine Prüfung der bestehenden Rechtsgrundlagen hinsichtlich einer risikobasierten Anpassung des Gentechnikrechts in Aussicht gestellt14. Diesem Auftrag sind das Eidgenössisches Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) und Eidgenössisches Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) in der Zwischenzeit nachgekommen. Das Ergebnis hat gezeigt, dass die bestehenden Gesetzesgrundlagen genügend Flexibilität bieten, um die Prinzipien des GTG für die neuen gentechnischen Verfahren risikobasiert zu gewährleisten. Erleichterungen oder Ausnahmen sind vor dem Hintergrund (noch) fehlender Daten und Erfahrungswerte zu den neuen gentechnischen Verfahren zum jetzigen Zeitpunkt nicht gerechtfertigt.

Allerdings wurde im Rahmen der Prüfung der bestehenden rechtlichen Grundlagen Handlungsbedarf identifiziert: Aktuell sind auf Verordnungsstufe bestimmte gentechnische Verfahren beschrieben oder benannt. Aufgrund der Entwicklung neuer gentechnischer
Verfahren besteht ein gewisser Regelungsbedarf auf Verordnungsstufe.

Des Weiteren sind aktuelle Vollzugsfragen im Bereich der neuen gentechnischen Verfahren zu beantworten, beispielsweise die Nachweis- oder Rückverfolgbarkeit oder das Monitoring in der Umwelt.

Diskussionen mit verschiedenen Anspruchsgruppen haben ergeben, dass aufgrund der stark divergierenden Meinungen derzeit eine Konsensfindung beim Regulierungsum-

12

13 14

Siehe Antwort des Bundesrates auf die Motion 19.4050 FDP-Liberale Fraktion vom 27.11.2019: www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20194050.

Siehe Anhang 1 Abs. 3 Bst. a der Freisetzungsverordnung vom 10. September 2008 (SR 814.911) und der Einschliessungsverordnung vom 9. Mai 2021 (SR 814.912).

Neue gentechnische Verfahren: Bundesrat prüft Anpassung der rechtlichen Regelung (admin.ch).

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fang und der -dichte unmöglich ist. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die Stakeholder derzeit Chancen und Risiken von Produkten aus neuen gentechnischen Verfahren ­ inklusive deren Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Praxis ­ teilweise nicht oder nicht ausreichend abschätzen können und künftige Entwicklungen von Produkten aus neuen gentechnischen Verfahren sowie deren Regulierung in anderen Ländern, insbesondere in der EU, noch abwartend beobachten möchten. Eine Berücksichtigung der europäischen Entwicklung, auch hinsichtlich zukünftiger Anpassungen der bestehenden Regulierungen, liegt im Eigeninteresse der Schweiz, auch wenn die Gentechnikgesetzgebung keinen bindenden völkerrechtlichen Verpflichtungen unterliegt.

1.4

Ergebnisse der Vernehmlassung15

Die Vernehmlassung dauerte vom 11. November 2020 bis zum 25. Februar 2021. 274 Vernehmlassungsadressatinnen und -adressaten wurden eingeladen, sich zur Vorlage zu äussern. 119 haben eine Stellungnahme eingereicht, davon haben drei ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet. Von den 116 Vernehmlassenden unterstützen 80 Prozent den Vorschlag, das Moratorium zu verlängern. 11 Prozent der Vernehmlassenden lehnen das Moratorium ab, 9 Prozent vertreten weitere Positionen.

25 Kantone haben sich zur Vorlage geäussert. Alle stimmen der Verlängerung des Moratoriums zu. Der Kanton St. Gallen nimmt dabei jedoch die neuen gentechnischen Verfahren aus.

Sechs von acht politischen Parteien (Umweltfreisinnige St. Gallen, SP, SVP, EVP, Die Mitte, Grüne) haben sich für die Verlängerung des Moratoriums ausgesprochen.

Die FDP. Die Liberalen lehnen die Verlängerung des Moratoriums ab. Die Grünliberalen fordern, dass das Moratorium zwar für «klassische» GVO verlängert werden soll, lehnen aber die Anwendung des Moratoriums für neue gentechnische Verfahren ab.

Auch die überwiegende Mehrheit der landwirtschaftlichen-, lebensmittelproduzierenden- und verarbeitenden Organisationen, der Detailhandel und die Konsumentenverbände unterstützen die Verlängerung des Moratoriums. SWISSCOFEL (Verband des Schweizerischen Früchte-, Gemüse- und Kartoffelhandels) hat sich neutral in Bezug auf die Verlängerung des Moratoriums geäussert.

Natur-, Umwelt-, Landschafts-, Tierschutz-, humanitäre Organisationen und die Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich EKAH unterstützen die Verlängerung des Moratoriums.

Auf Ablehnung stösst die Verlängerung des Moratoriums bei den Wirtschafts- und weiteren Fachorganisationen, mit Ausnahme von Pharmasuisse. Die Eidgenössische Fachkommission für biologische Sicherheit EFBS lehnt die Verlängerung des Moratoriums ebenfalls ab.

15

Die Resultate der Vernehmlassung werden im Vernehmlassungsbericht veröffentlicht: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > UVEK.

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Die Forschungsorganisationen, die Schweizerischen Akademien der Wissenschaften und der Schweizerische Nationalfonds SNF, die Schweizer Universitäten und Innosuisse haben sich mit dem Hinweis, dass der Entscheid über das Moratorium nicht auf naturwissenschaftlichen Kriterien beruhe, nicht explizit zur Frage des Moratoriums geäussert. Agroscope lehnt die Verlängerung des Moratoriums explizit ab. Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) unterstützt hingegen die Verlängerung des Moratoriums.

Die geäusserten Meinungen zu den neuen gentechnischen Verfahren gehen weit auseinander. Sie reichen von einer grundsätzlichen Ablehnung über den Wunsch hin zu einer differenzierteren Regelung bis zu einem Paradigmenwechsel bei der Gentechnikregulierung. Aus den geäusserten Meinungen lässt sich kein Konsens erkennen.

Hingegen verlangt rund die Hälfte der Vernehmlassungsteilnehmenden eine Klärung der offenen Fragen während der Zeit der Verlängerung.

1.5

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 202016 zur Legislaturplanung 2019­2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 202017 über die Legislaturplanung 2019­2023 angekündigt.

Das Moratorium läuft per Ende 2021 aus. Der Erlass der Änderung des Gentechnikgesetzes ist angezeigt, um den Herausforderungen der Gentechnologie auch in Zukunft adäquat begegnen zu können.

1.6

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Es sind keine parlamentarischen Vorstösse zu erledigen. Derzeit sich in Bearbeitung befindende Vorstösse sind:

16 17

­

Motion 19.4050 FDP-Liberale Fraktion «Genomeditierung zugunsten der Umwelt ermöglichen» vom 18. September 2019. Der Bundesrat hat diese Motion am 27. November 2019 zur Ablehnung empfohlen. Die Behandlung in den Räten steht noch aus.

­

Motion 19.4225 Aebi «Verlängerung Gentech-Moratorium» vom 26. September 2019. Der Bundesrat hat die Motion am 11. November 2020 zur Annahme empfohlen. Der Nationalrat hat sie am 17. Juni 2021 angenommen.

­

Postulat 20.4211 Chevalley «Gentechnikgesetz. Welcher Geltungsbereich?» vom 25. September 2020. Der Nationalrat hat das Postulat angenommen.

­

Interpellation 21.3358 Eymann «Rechtsunsicherheit bei innovativen Verfahren zur Pflanzenzüchtung» vom 18. März 2021. Im Rat noch nicht behandelt.

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Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Das schweizerische Gentechnikrecht ist weitgehend identisch mit demjenigen der EU (Richtlinie 2001/18/EG18). Im Unterschied zur Schweiz kennt das EU-Recht jedoch kein Moratorium, sondern sieht die Möglichkeit spezifischer nationaler Einschränkungen vor. Gestützt auf eine Ergänzung der Richtlinie 2001/18/EG (Art. 26ter)19 und vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Haltung der Bevölkerung in den europäischen Ländern ist es den EU-Mitgliedstaaten seit 2015 erlaubt, den Anbau von gewissen GVO, die in der EU zugelassen wurden, auf ihrem Hoheitsgebiet einzuschränken (sog. «Opt-out»-Möglichkeit). Dabei sieht das EU-Recht ein abgestuftes Verfahren vor: In einem ersten Schritt besteht im europäischen GVO-Zulassungsverfahren die Möglichkeit, dass Mitgliedstaaten mittels Rücksprache erreichen, dass der Antragsteller seine Zulassung für diesen Mitgliedstaat einschränkt oder gänzlich darauf verzichtet. In einem zweiten Schritt, nach einer erteilten Anbauzulassung auf EU-Ebene, können nur diejenigen Mitgliedstaaten Anbauverbote aussprechen, die dies schon in der ersten Phase versucht haben und mit ihren Anträgen beim Zulassungsinhaber nicht durchgedrungen sind. Die Verbote müssen von den Mitgliedstaaten begründet werden. Zulässige Gründe sind gemäss Artikel 26ter Absatz 3 der Richtlinie 2001/18/EG: a) umweltpolitische Ziele; b) Stadt- und Raumordnung; c) Bodennutzung; d) sozioökonomische Auswirkungen; e) Verhinderung des Vorhandenseins von GVO in anderen Erzeugnissen; f) agrarpolitische Ziele; g) öffentliche Ordnung. Diese «Optout»-Möglichkeit der EU-Mitgliedstaaten ist demnach einzelfallspezifisch, sie bezieht sich auf den Anbau einzelner auf EU-Ebene zugelassener GVO-Produkte. Das Moratorium in der Schweiz hingegen bezieht sich auf das Verbot für die Bewilligungserteilung zwecks Inverkehrbringens aller GVO-Produkte zu landwirtschaftlichen, gartenbaulichen oder waldwirtschaftlichen Zwecken und bereits auf das Bewilligungsverfahren.

In seinem Grundsatzurteil vom 25. Juli 201820 hielt der Europäische Gerichtshof (EuGH) fest, dass Organismen aus neuen gentechnischen Verfahren aufgrund der statischen Rechtsauslegung den Anforderungen der Richtlinie 2001/18/EG unterliegen und damit gleich reguliert werden, wie die mit bisherigen gentechnischen Verfahren hergestellten GVO. In Frage stand, ob es sich bei
genomeditierten Organismen um GVO im Sinne der Richtlinie 2001/18/EG handelt und ob diese als neuartige Erzeugnisse einer gezielten Mutagenese ­ dank der Ausnahmeregelung der Richtlinie zur Mutagenese ­ aus ihrem Anwendungsbereich fallen. Der EuGH hielt dazu fest, dass auch Organismen, welche durch Mutagenese-Verfahren hergestellt werden, GVO im

18

19

20

Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlament über die absichtliche Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl. L 106 vom 17/04/2001, S. 5).

Geändert durch die Richtlinie (EU) 2015/412 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2015 zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG zu der den Mitgliedstaaten eingeräumten Möglichkeit, den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen Text von Bedeutung für den EWR, ABl. L 68 vom 13.3.2015, S. 1ff.

EuGH, Rs. C-528/16, Confédération paysanne u.a., ABl. C 328 vom 17.9.2018, S. 4ff.

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Sinne der Richtlinie sind. Der EU-Gesetzgeber habe die Mutagenese-Ausnahme ausdrücklich nur für solche Organismen geschaffen, «die mit herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandten und seit langem als sicher geltenden Verfahren/Methoden gewonnen werden»21. Eine solche sogenannte history of safe use hätten Produkte der neuen gentechnischen Verfahren derzeit nicht. Sie seien demnach als GVO im Sinne der Richtlinie zu qualifizieren und nicht in der Mutagenese-Ausnahme enthalten. Die auf dem Wege der gezielten Mutagenese entwickelten oder noch zu entwickelnden Sorten dürften folglich weiterhin nur zugelassen werden, wenn alle entsprechenden Massnahmen getroffen würden, um nachteilige Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu vermeiden22.

In ihrer Antwort auf eine Parlamentarische Anfrage, ob das sogenannte EpibreedVerfahren unter das GVO-Recht der EU falle,23 vertritt die EU-Kommission die Auffassung, dass Organismen aus neuen ungezielten Mutagenese-Verfahren unter die Richtlinie 2001/18/EG fallen, da die Technik zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie nicht bereits herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurde und auch nicht seit Langem als sicher gilt.24 Der EU-Rat hat die EU-Kommission beauftragt, bis Ende April 2021 einen Untersuchungsbericht zum Status neuartiger gentechnischer Verfahren im Rahmen des Unionsrechts vorzulegen und abhängig von den Resultaten erforderliche Massnahmen vorzuschlagen25. Die Europäische Kommission hat auf Ersuchen des Rates am 29. April 2021 eine Studie über neuartige gentechnische Verfahren veröffentlicht.26 In der Untersuchung wird klargestellt, dass diese Verfahren den Rechtsvorschriften für GVO unterliegen. Die Studie kommt zum Schluss, dass das derzeit geltende Gentechnikrecht aus dem Jahr 2001 für diese neuen Technologien Schwierigkeiten bei der Umsetzung und Durchsetzung in der EU birgt. Gemäss der Studie könnten solche Verfahren, bei denen es um die Veränderung des Genoms eines Organismus geht, das Potenzial haben, zur Erreichung des Ziele des «Green Deals» / der «Farm-to-Fork»Strategie für ein nachhaltigeres Lebensmittelsystem beizutragen. Einige Interessenträger, die zu dieser Studie beigetragen haben, sind jedoch der Ansicht, dass diese Vorteile hypothetisch und mit anderen Mitteln als der Biotechnologie zu
erreichen sind. Zudem wurden auch Bedenken gegenüber mit neuen Gentechnik-Verfahren (NGT) hergestellten Erzeugnissen und ihren derzeitigen und künftigen Anwendungen untersucht. Dazu zählten die möglichen Auswirkungen auf Sicherheit und Umwelt, z. B. auf die biologische Vielfalt, die Koexistenz mit einer ökologischen und GVOfreien Landwirtschaft sowie die Kennzeichnung. Die Kommission wird nun einen breit angelegten und offenen Konsultationsprozess einleiten, um politische Optionen 21 22

23 24 25 26

EuGH, Rs. C-528/16, Rz. 51, mit Hinweis auf Erwägungsgrund 17 der Richtlinie 2001/18/EG.

Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2002/53/EG des Rates vom 13. Juni 2002 über einen gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten, ABl. L 193 vom 20.7.2002, S. 1ff.

Parlamentarische Anfrage P-003885/2020 vom 1.7.2020: Fällt das Epibreed-Verfahren unter das GVO-Recht der EU?

Antwort von Stella Kyriakides im Namen der Europäischen Kommission vom 9.9.2020 auf die Parlamentarische Anfrage P-003885/2020.

Beschluss (EU) 2019/1904 des Rates, ABl. L 293 vom 14.11.2019, S. 103 f.

European Commission: Study on the status of new genomic techniques under Union law and in light of the Court of Justice ruling in Case C-528/16.

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für die Regulierung von mithilfe bestimmter NGT-Verfahren erzeugten Pflanzen zu prüfen. Auch in Norwegen, einem EWR-Mitglied, wird die rechtliche Einordnung der neuen gentechnischen Verfahren diskutiert27. Diese Auslegeordnung ist ebenfalls hängig.

International ist zwischen restriktiveren, eher gentechnikskeptischen Ländern (insbesondere europäische Staaten inklusive der EU), die einen verfahrensbezogenen Ansatz wählen, und jenen Staaten mit primär produktorientiertem Ansatz (USA, Argentinien, Australien, Kanada u.a.) zu unterscheiden. Der produktorientierte Regulierungsansatz sieht grundsätzlich für alle Produkte ­ ob konventionell oder gentechnisch hergestellt ­ das gleiche Zulassungsverfahren vor. Im Zentrum dieser Regulierung steht das Produkt und dessen neue Eigenschaften, unabhängig davon, wie dieses erzeugt wurde. Demgegenüber sieht die schweizerische und die EUGesetzgebung unterschiedliche Regulierungen für GVO und Nicht-GVO vor. Dies hat insbesondere Auswirkungen auf den Handel mit Ländern mit primär produktorientierter Regulierung. In diesen werden gewisse Produkte aus neuen gentechnischen Verfahren nicht als GVO zugelassen und gekennzeichnet.

3

Grundzüge der Vorlage

3.1

Die beantragte Neuregelung

Die beantragte Neuregelung sieht die Verlängerung des Moratoriums bis zum 31. Dezember 2025 im bestehenden Artikel 37a GTG vor. Die Bestimmungen des GTG gelten auch für Organismen und Produkte, die mit neuen gentechnischen Verfahren hergestellt wurden.

Der Forschungs- und Innovationsstandort Schweiz sowie die Qualitätsstrategie der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft sind von der Moratoriumsverlängerung wie bisher betroffen28.

Die Verlängerung des Moratoriums um weitere vier Jahr erlaubt es zu prüfen, wie aktuelle rechtliche Fragen zu den neuen gentechnischen Verfahren zu beantworten sind. Im zu erarbeitenden Bericht in Erfüllung des Postulats Chevalley 20.4211 «Gentechnikgesetz: Welcher Geltungsbereich?» wird der Bundesrat eine diesbezügliche Auslegeordnung vornehmen. Die Entwicklungen in der Europäischen Union in Bezug auf die neuen gentechnischen Verfahren werden ebenfalls integraler Bestandteil des Berichts sein.

3.2

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Die Verlängerung des GVO-Moratoriums ist eine Weiterführung des Status quo und benötigt keine Abstimmung von Aufgaben und Finanzen.

27 28

The Norwegian Biotechnology Advisory Board ­ The Gene Technology Act ­ Final statement (4.12.2018). www.bioteknologiradet.no/english/ www.qualitaetsstrategie.ch/de/

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3.3

Umsetzungsfragen

Die Umsetzung der Moratoriumsverlängerung bedarf keiner neuen bzw. besonderen Massnahmen. Die Anpassung der Regelung im GTG in zeitlicher Hinsicht entspricht materiell dem bisher geltenden Recht und bedeutet, dass die zuständigen Bundesbehörden für den Anbau von GVO bis zum 31. Dezember 2025 keine Bewilligungen erteilen dürfen.

4

Erläuterungen zum Artikel 37a GTG

In Artikel 37a GTG soll einzig der Zeitraum für das Moratorium bis zum 31. Dezember 2025 verlängert werden. Die bestehende Regelung bleibt somit in materieller Hinsicht unverändert, d.h. für das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten vermehrungsfähigen Pflanzen und Pflanzenteilen, gentechnisch verändertem Saatgut und anderem pflanzlichen Vermehrungsmaterial sowie gentechnisch veränderten Tieren zu landwirtschaftlichen, gartenbaulichen oder waldwirtschaftlichen Zwecken, dürfen bis zum Ablauf des Moratoriums keine Bewilligungen erteilt werden.

Vom Moratorium weiterhin nicht betroffen sind Tätigkeiten im geschlossenen System (Labor, Gewächshaus etc.), Freisetzungsversuche sowie die Anwendungsbereiche Arzneimittel, Futtermittel, Lebensmittel und Dünger. Die Forschung und Entwicklung in den vom Moratorium betroffenen Bereichen kann also auch während des Moratoriums stattfinden.

Die angepasste Regelung wird erst nach Ablauf des bis am 31. Dezember 2021 geltenden Moratoriums in Kraft treten können.

5

Auswirkungen

5.1

Auswirkungen auf den Bund

Es sind von der Vorlage keine direkten Auswirkungen auf den Bund zu erwarten.

5.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Es sind von der Vorlage keine finanziellen oder personellen Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden, urbane Zentren, Agglomerationen oder Berggebiete zu erwarten.

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5.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Durch die Verlängerung des Moratoriums bleiben die Vorschriften über das Inverkehrbringen von GVO für die bestimmungsgemässe Verwendung in der Umwelt bis zum 31. Dezember 2025 ausser Kraft. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen keine Bewilligungen für das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Pflanzen und Pflanzenteilen, gentechnisch verändertem Saatgut und anderem pflanzlichem Vermehrungsmaterial sowie gentechnisch veränderten Tieren zu landwirtschaftlichen, gartenbaulichen oder waldwirtschaftlichen Zwecken erteilt werden. Das Moratorium hatte bisher keine erkennbaren Auswirkungen auf die schweizerische Volkswirtschaft, was mitunter auch am generellen Desinteresse am Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in der Landwirtschaft im gesamteuropäischen Kontext liegen dürfte.

Schweizer Land- und Forstwirtschaft Von der Moratoriumsverlängerung ist die Schweizer Landwirtschaft direkt betroffen.

Die bäuerlichen Organisationen möchten zumindest in den kommenden Jahren ohnehin auf einen Anbau und Einsatz von GVO verzichten. Zudem stossen die im Ausland verfügbaren Produkte aus GVO in der Schweiz derzeit nicht auf Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten oder Landwirtinnen und Landwirte. Im Weiteren liegt derzeit kein Gesuch für eine Bewilligung für das Inverkehrbringen von gentechnisch verändertem Saatgut in der Schweiz vor, sodass für den Zeitpunkt des Ablaufs des verlängerten Moratoriums nicht mit einer zugelassenen GVO-Sorte zu rechnen ist.

Das Einreichen eines Bewilligungsgesuchs ist auch während des Moratoriums möglich. In der Schweiz sind gemäss Artikel 9 GTG die Herstellung von gentechnisch veränderten Wirbeltieren, ausser für Zwecke der Forschung, Therapie und Diagnostik an Menschen oder Tieren, verboten; solche Wirbeltiere dürfen somit, unabhängig vom Moratorium, nicht für landwirtschaftliche Zwecke erzeugt oder in Verkehr gebracht werden. Nach Ansicht von betroffenen Verbänden und Betrieben hat sich das bestehende Moratorium für sie sowohl auf dem Schweizer Markt als auch beim Export als vorteilhaft erwiesen, weil es Vertrauen in die Schweizer Produkte geschaffen habe und der Verzicht auf GVO in der Landwirtschaft von vielen Kundinnen und Kunden als Qualitätsmerkmal gesehen wird. Dabei ist aber zu bemerken, dass die Branche derzeit freiwillig auf den Import zugelassener GV-Futtermittel
verzichtet29. Durch den Druck auf die Landwirtschaft, nachhaltiger zu produzieren und durch sich wandelnde klimatische Bedingungen könnte sich aber das Interesse an der Pflanzenzüchtung mit neuen gentechnischen Verfahren künftig ändern. Aufgrund der dem Wald zugewiesenen Funktionen und der Art und Weise, wie er bewirtschaftet wird, hat der Einsatz von GVO im Wald in der Schweiz kein Interesse geweckt. Folglich hat das Moratorium auch keine Auswirkungen auf die Forstwirtschaft.

Andere betroffenen Branchen, inklusive private Forschung und Entwicklung Zu den von einer Moratoriumsverlängerung ebenfalls unmittelbar betroffenen Kreisen zählen auch Pflanzenzüchtungs- und Saatgutunternehmen, die GVO-Produkte in ih-

29

www.qualitaetsstrategie.ch/images/charta/charta_d.pdf.

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rem Angebot haben. Es handelt sich dabei um wenige international tätige Grossunternehmen. Mit signifikanten wirtschaftlichen Einbussen müssen diese Unternehmen im Falle einer Moratoriumsverlängerung nicht rechnen, weil der Schweizer Markt im globalen Vergleich klein ist. Auswirkungen könnte die Verlängerung auch auf Pflanzenzüchtungs- und Saatgutunternehmen haben, die an der Anwendung neuer gentechnischer Verfahren interessiert wären.

KMU der übrigen Biotechnologiebranche sind von einer Verlängerung kaum direkt betroffen, da sie im grünen Gentechnikbereich (Pflanzenbiotechnologie) nicht tätig sind. Einzelne Verbände und Firmen in der Lebensmittel- und Futtermittelbranche (Bäckereien, Fleischfachverband, Gastrosuisse) haben bereits bei den bisherigen Verlängerungen des Moratoriums befürchtet, dass im Falle eines Anbaus von GVO in der Schweiz aufgrund der GVO-skeptischen Kundschaft für ihre Produkte Marktnachteile entstehen könnten.

Öffentliche Forschung Obwohl das Moratorium die Forschung nicht direkt tangiert, ging der Bundesrat in der Botschaft über die Volksinitiative «für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft» 2004 davon aus, dass der Forschungsstandort Schweiz indirekt international an Ansehen verlieren könnte, die Investitionen der Wirtschaft in die entsprechende Forschung reduziert werden und unsichere Perspektiven für die Forschenden zu einem Wissensverlust durch Abwanderung der Forschenden führen könnten.30 In seiner Botschaft vom 1. Juli 2009 hat der Bundesrat ausführlich dargelegt, dass gentechnische Forschungstätigkeiten in der Schweiz durch das Moratorium keinen Schaden genommen, sondern seit dessen Einführung insgesamt eher noch zugenommen haben31. An dieser Einschätzung haben auch die Ergebnisse des Nationalen Forschungsprogrammes über «Nutzen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen» (NFP 59, 2007­2011) nichts geändert. Auf dem seit 2014 betriebenen, europaweit einzigartigen geschützten Versuchsfeld (protected site) bei Agroscope in Zürich Reckenholz werden regelmässig Freisetzungsversuche mit GVO-Pflanzen durchgeführt (bisher wurden insgesamt acht Versuche mit Sommerund Winterweizen, Gerste, Kartoffeln, Äpfeln und Mais bewilligt)32. Auch hier ist durch das Moratorium kein signifikanter Rückgang von Freisetzungsversuchen feststellbar. Die dort
durchgeführten Versuche dienten bisher mehrheitlich der Grundlagenforschung. Die Versuche leisten zudem auch einen Beitrag zur Biosicherheitsforschung. Bisher wurden in der Schweiz keine Bewilligungen für Freisetzungsversuche mit Pflanzen aus neuen gentechnischen Verfahren beantragt.

Mit Ausnahme der Freisetzungsversuche findet die gentechnische Forschung im geschlossenen System (Laboratorien, Gewächshäuser, Produktionsanlagen) statt. Alle

30 31 32

BBl 2004 4937, 4947 f.

BBl 2009 5435, 5454 ff.

Register des BAFU zu Freisetzungsversuchen mit GVO: www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/biotechnologie/fachinformationen/ freisetzungsversuche/freisetzungsversuche-mit-gentechnisch-veraendertenorganismen--g.html.

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Forschungsprojekte mit GVO müssen nach Artikel 8 und 9 der Einschliessungsverordnung33 vom 9. Mai 2012 der Kontaktstelle Biotechnologie des Bundes gemeldet und von den Bundesämtern für Gesundheit und für Umwelt und weiteren Fachstellen überprüft werden. Die Zahl der pro Jahr eingegangenen Meldungen und Bewilligungsgesuche mit GVO bewegt sich seit Jahren auf hohem Niveau. Es ist kein negativer Effekt des Moratoriums für gentechnische Forschungstätigkeiten in geschlossenen Systemen festzustellen.

5.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten von Produkten aus der Land-, Waldwirtschaft und des Gartenbaus müssen für den Fall einer Verlängerung des Moratoriums keine wirtschaftlichen Folgen befürchten. Die von ihnen in Umfragen immer wieder gewünschte Qualitätscharta der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft wird weitergeführt. Gleichzeitig bleibt während des Moratoriums die Einfuhr bewilligter GVO-Lebens- und Futtermittel rechtlich zulässig.

5.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Artikel 6 Absatz 1 und 3 GTG hält fest, welche Gefährdungen und Beeinträchtigungen für Mensch und Umwelt vermieden werden müssen. Durch das Bewilligungsverbot für Produkte für den land- und waldwirtschaftlichen sowie gartenbaulichen Anbau von GVO bis Ende 2025 werden diese Anforderungen per se eingehalten. Die Verlängerung des Moratoriums ermöglicht es zudem, das GVO-Monitoring während der Zeit der Moratoriumsverlängerung weiterzuentwickeln, insbesondere im Hinblick auf den Nachweis jener schwer identifizierbaren GVO-Produkte aus den neuen gentechnischen Verfahren34.

Der Entwicklung neuer Nachweisverfahren für diese Produkte muss hohe Priorität eingeräumt werden, damit der Vollzug des GVO-Monitorings mit verhältnismässigem Aufwand gewährleistet werden kann. Die Bundesverwaltung unterstützt diese Bestrebungen aktiv durch finanzielle Unterstützung von Forschungsprojekten an öffentlichen Institutionen und durch inhaltliche Zusammenarbeit mit diesen Institutionen.

33 34

SR 814.912 Information des BAFU zum Monitoring von GVO: www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/biotechnologie/fachinformationen/ monitoring-gentechnisch-veraenderter-organismen.html.

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6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit

Materiell stützt sich die Vorlage auf Artikel 120 Absatz 1 BV, wonach der Mensch und seine Umwelt vor Missbräuchen der Gentechnologie geschützt sind. Das Moratorium hat zum Ziel, Menschen, deren Eigentum und die Umwelt vor Missbräuchen der Gentechnologie zu schützen. Es handelt sich um ein befristetes und partielles Verbot, das fast ausschliesslich die Landwirtschaft betrifft. Der Schutz vor Missbrauch bedeutet nicht nur, dass GVO weder gesundheits- noch umweltgefährdend sein dürfen, sondern auch, dass das Nebeneinander der landwirtschaftlichen Produktion mit und ohne GVO jederzeit gewährleistet sein muss. Im Gegensatz zu einem generellen Verbot wahrt die zeitlich befristete und sachlich eingeschränkte Moratoriumsverlängerung bis zum 31. Dezember 2025 den verfassungsrechtlichen Rahmen.

Formell stützt sich die Vorlage auf Artikel 120 Absatz 2 BV, der dem Bund die Kompetenz gibt, Vorschriften über den Umgang mit Keim- und Erbgut von Tieren, Pflanzen und anderen Organismen zu erlassen. Als wichtige rechtsetzende Bestimmung ist das Moratorium in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen (Art. 164 Abs. 1 BV).

Das Gentechnikgesetz ist aufgrund seines regulativen Bezugspunktes ­technische Verfahren der Gentechnologie ­ das richtige Gefäss für die Verlängerung des Moratoriums. Als bis 31. Dezember 2025 befristetes Verbot, Bewilligungen für das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Pflanzen und Pflanzenteilen, gentechnisch verändertem Saatgut und anderem pflanzlichem Vermehrungsmaterial sowie von gentechnisch veränderten Tieren zu landwirtschaftlichen, gartenbaulichen oder waldwirtschaftlichen Zwecken zu erteilen, schränkt das Moratorium die Wirtschaftsfreiheit nach Artikel 27 BV ein.35 Diese Einschränkung ist unter den Voraussetzungen von Artikel 36 BV zulässig. Artikel 37a GTG stellt die erforderliche gesetzliche Grundlage zur Einschränkung von Grundrechten dar (Art. 36 Abs. 1 BV). Da das Verbot insbesondere zum Schutz der Produktion von Erzeugnissen ohne GVO erlassen wird, liegt ein hinreichendes öffentliches Interesse für die Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit vor (Art. 36 Abs. 2 BV). Diese Einschränkung ist aufgrund des befristeten und nur partiellen Verbots verhältnismässig (Art. 36 Abs. 3 BV).

6.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

6.2.1

Welthandelsorganisation (WTO)

Der Bundesrat hat das Verhältnis des Moratoriums zum Regelwerk der WTO bereits in seinen Botschaften vom 18. August 200436, 1. Juli 200937 und 29. Juni 2016 ausgeleuchtet. Er kommt dabei zum Schluss, dass nicht abschliessend beurteilt werden

35 36 37

Siehe Botschaft über die Volksinitiative «für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft», BBl 2004 4937, 4951.

BBl 2004 4937, 4948 f.

BBl 2009 5435, 5458 f.

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könne, ob das Moratorium für gentechnisch verändertes pflanzliches Vermehrungsmaterial in der Landwirtschaft mit den relevanten WTO- Abkommen (insbesondere GATT und TBT-Abkommen, allenfalls SPS-Abkommen) vereinbar sei oder nicht.

Die bisherige WTO-Rechtsprechung betreffend GVO-Massnahmen38, ist nicht unbedingt und unmittelbar auf das schweizerische Moratorium übertragbar. Dieses bezieht sich einzig auf das Inverkehrbringen, d.h. insbesondere den Anbau von gentechnisch verändertem pflanzlichem Vermehrungsmaterial. Es bezieht sich nicht allgemein auf GVO, wie dies beim ursprünglichen Moratorium auf dem Gebiet der heutigen Europäischen Union der Fall war, in dessen Zusammenhang die zuständige WTOSondergruppe im Jahr 2006 zwei Verletzungen des WTO-Rechts konstatiert hat.

Wie bereits die vorangehenden Moratoriumsverlängerungen wurde seitens der Schweiz die mit dieser Vorlage vorgeschlagene Verlängerung in der WTO notifiziert und begründet. Als Reaktion darauf haben die USA und Kanada auf die ihrer Ansicht nach bestehende Nichtkonformität mit dem WTO-Recht und den protektionistischen Charakter der Verlängerung des Moratoriums hingewiesen.

6.2.2

Europäische Union

Wie bereits in den Botschaften vom 18. August 200439 und 1. Juli 200940 und in Kapitel 2 ausführlich erläutert, entspricht das schweizerische Moratorium grundsätzlich nicht dem geltenden EU-Recht. Die Richtlinie 2001/18/EG sieht Entscheidungen über das Inverkehrbringen von gentechnisch verändertem pflanzlichem Vermehrungsmaterial nach fallweiser Prüfung vor. Obwohl einige Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen von GVO auf ihrem Hoheitsgebiet verbieten, kennt die EU seit 2004 kein faktisches GVO-Zulassungsmoratorium mehr. Allerdings ist es den EU-Mitgliedstaaten seit 2015 erlaubt, sich aus anderen Gründen als Gesundheits- und Umweltrisiken, etwa aus sozio-ökonomischen Überlegungen, einzelfallspezifisch für nationale Anbauverbote der in der EU zugelassenen GVO auszusprechen («Opt-out»).

Das zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft (heute EU) abgeschlossene bilaterale Abkommen vom 21. Juni 1999 über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Landwirtschaftsabkommen)41 steht einer Moratoriumsverlängerung nicht im Weg: Gemäss dessen Anhang 6 ist der bilaterale Verkehr von Saatgut zwar grundsätzlich liberalisiert, genetisch veränderte Sorten sind von den diesbezüglichen Bestimmungen jedoch ausdrücklich ausgenommen (Anhang 6 Art. 5 Abs. 4).

38 39 40 41

BBl 2009 5435, 5458 BBl 2004 4937, 4950 f.

BBl 2009 5435, 5459 SR 0.916.026.81

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6.2.3

Cartagena-Protokoll

Das Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit vom 29. Januar 2000 42 regelt in erster Linie Aspekte des grenzüberschreitenden Verkehrs von GVO43. Das Protokoll von Cartagena und die Cartagena-Verordnung vom 3. November 200444 sollen gewährleisten, dass die gentechnisch veränderten lebenden Organismen, die für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt eine Gefahr bilden können, sicher transportiert und genutzt werden. Gesuche um Ein- oder Durchfuhrbewilligungen für GVO kann die Schweiz als Vertragspartei entweder nach ihrem eigenen rechtlichen Regelwerk, das mit dem Protokoll vereinbar ist, oder nach einem vom Protokoll vorgegebenen Verfahren behandeln (vgl. Art. 9 Ziff. 2 Bst. c und Ziff. 3, Art. 10 und Art. 14 Ziff. 4 des Protokolls). Für diese Einfuhren werden wissenschaftliche Risikobeurteilungen durchgeführt, in denen auch das Vorsorgeprinzip berücksichtigt werden kann (vgl. Art. 1 und 10 Ziff. 6 sowie Anlage III des Protokolls).

Somit kann sich die Schweiz beim befristeten Bewilligungs- und Einfuhrverbot von lebendigen gentechnischen Pflanzen, Pflanzenteilen und Saatgut auf das Vorsorgeprinzip berufen. Die Weiterführung des Moratoriums hat daher keinen Einfluss auf das Cartagena-Protokoll.

6.3

Erlassform

Die Umsetzung der Vorlage erfolgt durch die Anpassung des Artikels 37a GTG. Als wichtige rechtsetzende Bestimmung ist die Verlängerung des Moratoriums auf Gesetzesstufe zu erlassen (Art. 164 Abs. 1 BV). Das Moratorium wurde ursprünglich aufgrund einer Volksinitiative in der Verfassung verankert (Art. 197 Ziff. 7 BV). Die Verfassung soll aber nach Möglichkeit nicht mit Regelungen von bloss temporärem Bestand belastet werden. So wurde bereits bei der ersten Verlängerung des Moratoriums 2004 das Gentechnikgesetz als richtiges Gefäss für die Moratoriumsregelung gewählt. Daran wird für die erneute Verlängerung festgehalten.

6.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit der vorgesehenen Anpassung von Artikel 37a GTG werden weder neue Subventionsbestimmungen (die Ausgaben über einem der Schwellenwerte nach sich ziehen) geschaffen, noch neue Verpflichtungskredite beschlossen.

42 43 44

SR 0.451.431 Vgl. Botschaft über die Volksinitiative «für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft», BBl 2004 4937, 4951.

SR 814.912.21

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6.5

Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz

Die Verlängerung des Moratoriums betrifft weder die Aufgabenteilung noch die Aufgabenerfüllung durch Bund und Kantone.

6.6

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Die Verlängerung des Moratoriums betrifft die Subventionsgesetzgebung nicht.

6.7

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die Vorlage enthält keine Bestimmungen zur Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen.

6.8

Datenschutz

Die Verlängerung des Moratoriums hat keine Auswirkungen auf den Datenschutz.

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