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zu 19.443 Parlamentarische Initiative Erneuerbare Energien einheitlich fördern.

Einmalvergütung auch für Biogas, Kleinwasserkraft, Wind und Geothermie Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates vom 19. April 2021 Stellungnahme des Bundesrates vom 1. Juni 2021

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates vom 19. April 20211 betreffend die parlamentarische Initiative «Erneuerbare Energien einheitlich fördern. Einmalvergütung auch für Biogas, Kleinwasserkraft, Wind und Geothermie» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

1. Juni 2021

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Guy Parmelin Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates (UREK-N) beschloss am 26. Oktober 2020, der von Nationalrat Bastien Girod eingereichten parlamentarischen Initiative 19.443 «Erneuerbare Energien einheitlich fördern. Einmalvergütung auch für Biogas, Kleinwasserkraft, Wind und Geothermie» Folge zu geben. Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates (UREK-S) stimmte diesem Beschluss am 14. Januar 2021 zu. In der Folge arbeitete die UREK-N eine Vorlage aus, nahm diese am 19. April 2021 an und unterbreitete am 21. April 2021 ihren Bericht und Erlassentwurf dem Bundesrat zur Stellungnahme bis am 4. Juni 2021.

Die UREK-N übernahm in ihrer Vorlage wesentliche Teile des Vorentwurfs des Bundesrates zur Revision des Energiegesetzes vom 30. September 20162 (EnG), zu welchem das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) vom 3. April bis zum 12. Juli 2020 ein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt hatte. Nach Kenntnisnahme der Vernehmlassungsergebnisse hat der Bundesrat am 11. November 2020 die Eckpunkte seiner Vorlage zur Revision des EnG beschlossen und kommuniziert. Er wird seinen Gesetzesentwurf demnächst dem Parlament unterbreiten; dies zusammen mit der laufenden Revision des Stromversorgungsgesetzes vom 23. März 20073 (StromVG) im Rahmen eines Mantelerlasses mit dem Titel «Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien».

Der Erlassentwurf der UREK-N umfasst damit lediglich einen Teilaspekt des umfassenden Revisionspakets des Bundesrates. Verschiedene Massnahmen, die für die Stärkung der Stromversorgungssicherheit der Schweiz oder für die Integration der erneuerbaren Energien ins Netz und damit für ein sicheres Stromnetz von Bedeutung sind, sind im Erlassentwurf der UREK-N nicht enthalten. Die wesentlichsten Unterschiede zwischen dem Erlassentwurf der UREK-N und den EnG-Änderungen, die der Bundesrat beantragt, bestehen in den Bereichen Wasserkraft und Biomasse. So sieht die UREK-N eine Verlängerung der Subventionierung der bestehenden Grosswasserkraft mittels Marktprämie vor. Ausserdem will die Kommission den Grundversorgern weiterhin ermöglichen, jeglichen in der Schweiz aus erneuerbaren Energien produzierten Strom zu Gestehungskosten an ihre Kundinnen und Kunden in der Grundversorgung zu verkaufen
(Art. 6 Abs. 5bis StromVG). Im geltenden Recht ist diese als Übergangslösung eingeführte Möglichkeit bis Ende 2022 befristet. Für Biomasseanlagen verlangt die UREK-N ­ zusätzlich zu den Investitionsbeiträgen ­ Beiträge an die Betriebskosten. Zu den weiteren Abweichungen gehört, dass die UREK-N im Unterschied zum Bundesrat keine Anpassungen bei den Zubau- und den Verbrauchsrichtwerten vorsieht.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat ist erfreut, dass die UREK-N den gesetzgeberischen Handlungsbedarf zum weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien bestätigt. Aus Sicht des Bundesrates ist der Erlassentwurf der UREK-N aber nicht ausreichend, um die Stromversorgungssicherheit längerfristig zu stärken und um die erneuerbaren Energien effizient und sicher in das Stromsystem zu integrieren. Hierfür sind weitergehende Massnahmen notwendig. Dies gilt umso mehr, als nach dem Entscheid des Bundesrates vom 26. Mai 2021 bezüglich Beendigung der Verhandlungen für ein institutionelles Abkommen mit der EU ein Stromabkommen bis auf weiteres nicht mehr absehbar ist.

Der Gesetzesentwurf des Bundesrates wird deshalb insbesondere eine Erhöhung der Zubauziele sowie die Unterstützung des Zubaus von spezifisch im Winter abrufbaren Wasserkraftkapazitäten beinhalten. Dies beinhaltet auch eine Erhebung des im StromVG angelegten Netzzuschlags zugunsten des Ausbaus von Speicherkraftwerken. Als weitere Säule zum Erhalt einer hohen Stromversorgungssicherheit wird der bundesrätliche Entwurf die Einrichtung einer Energiereserve vorsehen. Diese für die Stromversorgungssicherheit zentralen Aspekte fehlen im Erlassentwurf der UREK-N ebenso wie Massnahmen für eine Verbesserung der Energieeffizienz. Um den Übergang von einem zentralen zu einem stärker dezentral organisierten Stromsystem effizient und sicher zu gewährleisten, enthält der Gesetzesentwurf des Bundesrates zudem weitere wichtige Massnahmen. Dazu gehört insbesondere die Einführung klarer Regeln für den Einsatz von Flexibilität im Verteilnetz sowie die freie Wahl des Lieferanten für alle Endverbraucherinnen und Endverbraucher und damit die Grundlage für den Kauf und Verkauf von lokal erzeugtem Strom. Damit die Herausforderungen im Strombereich gesamtheitlich angegangen werden können, ist es aus Sicht des Bundesrates deshalb angezeigt, die parlamentarische Beratung auf der Grundlage seines Entwurfs zum Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien zu führen. Dies erlaubt eine möglichst kohärente Rechtsetzung. Der Bundesrat wird seinen Gesetzesentwurf voraussichtlich kurz nach der Sommersession 2021 verabschieden. Damit die Beratungen in der Kommission des Erstrates im dritten Quartal 2021 beginnen können, bittet der Bundesrat die Büros der eidgenössischen Räte,
in der Sommersession vorzeitig den Erstrat festzulegen und die zuständigen Kommissionen zu bestimmen.

Dass die UREK-N möglichst rasch Klarheit schaffen will, ob und wie es mit der Förderung einzelner erneuerbarer Energien weitergeht, ist nachvollziehbar. Die UREK-N sieht mit der Befristung bis 2030 aber eine vergleichsweise lange Geltungsdauer von acht Jahren vor. Im Sinne der von der Branche gewünschten Planungssicherheit ist auch der Bundesrat der Auffassung, dass möglichst bald Klarheit herrschen soll über die künftige Ausgestaltung der Förderung. Aus diesem Grund ist eine zügige parlamentarische Beratung des Bundesgesetzes über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien wichtig. Eine übergangsmässige Neuregelung, wie sie die UREK-N vorsieht, welche im Anschluss wiederum durch eine erneut befristete Regelung abgelöst wird, ist der Planungssicherheit indes nicht förderlich.

Für den Fall, dass der Nationalrat trotz der geäusserten Bedenken des Bundesrates auf die Vorlage der UREK-N eintritt, spricht sich der Bundesrat grundsätzlich für die Anträge der Kommissionsmehrheit aus. Allerdings spricht er sich aus den nachfolgend 3/4

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dargelegten Gründen gegen die Weiterführung der Marktprämie für die Grosswasserkraft und gegen die Verlängerung von Artikel 6 Absatz 5 bis StromVG aus und damit für die Annahme der entsprechenden Anträge der Kommissionsminderheiten. Die Anträge der Kommissionsmehrheit tragen in diesen Punkten nicht zu einer Stärkung des Zubaus bei, belasten aber ­ zu Ungunsten der anderen Verwendungszwecke ­ den Netzzuschlagsfonds beziehungsweise (im Fall von Art. 31 Abs. 3 EnG und Art. 6 Abs. 5bis StromVG) die Endverbraucherinnen und Endverbraucher in der Grundversorgung.

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Die Verlängerung der Marktprämie für die Grosswasserkraft (Art. 38 Abs. 2 E-EnG) führt dazu, dass auch weiterhin ein wesentlicher Teil der Mittel aus dem Netzzuschlag nicht für den eigentlich mit dem EnG angestrebten Zubau der Wasserkraft und der anderen erneuerbaren Energien eingesetzt werden kann. Damit wird eine Stärkung der Stromversorgungssicherheit verpasst. Als weiteres Förderelement dürfen die Marktprämienberechtigten ihre Gestehungskosten voll in die Tarife der Grundversorgung einrechnen (Art. 31 Abs. 3 EnG). Wenn das Marktprämienmodell verlängert wird, gilt auch dieses Förderelement weiter. Die Endverbraucherinnen und Endverbraucher in der Grundversorgung werden damit weiterhin jährlich schätzungsweise mit zusätzlich rund 20 Millionen Franken belastet. Zudem ist die Marktprämie EU-rechtlich problematisch.

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Die von der Kommission beantragte unbefristete Verlängerung von Artikel 6 Absatz 5bis StromVG ermöglicht es Verteilnetzbetreibern auch künftig und auf unbestimmte Zeit, inländisch produzierte Elektrizität aus erneuerbaren Energien zu den vollen Gestehungskosten, d. h. ohne Anwendung der Durchschnittspreismethode, an ihre gebundenen Kundinnen und Kunden zu verkaufen. Erfasst ist nicht nur die Eigenproduktion eines Grundversorgers, sondern auch dessen Beschaffung bei Dritten, etwa bei Produzenten ohne eigene Grundversorgung. Gleichzeitig können die Verteilnetzbetreiber ihre freien Kundinnen und Kunden mit zu Marktpreisen eingekauftem Strom beliefern.

Haushalts- und Gewerbekunden können somit mit zu relativ hohen Gestehungskosten produziertem Strom beliefert werden, ohne dass sie sich dagegen wehren können, während Grossverbraucher von den heute vergleichsweise tiefen Marktpreisen profitieren. Diese Regelung stellt eine versteckte Subventionierung inländischer Kraftwerke zulasten der Haushalte und der Gewerbekunden in der Grundversorgung dar. Diese werden aufgrund dieser Bestimmung jährlich schätzungsweise mit zusätzlich rund 70 Millionen Franken belastet. Artikel 6 Absatz 5bis StromVG verschärft damit die Ungleichbehandlung von Kundinnen und Kunden im Monopol und jenen im freien Markt weiter. Der Zubau wird damit nicht gefördert.

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Antrag des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt, nicht auf den Erlassentwurf der UREK-N einzutreten und die Thematik im Rahmen des Bundesgesetzes über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien zu behandeln.

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