^^iveizeri^i.^ uudesblatt.

#ST#

Jahrgang V. Band II.

^ro.

Dienstag, den 5. Juli 1853.

Man abonnirt ausschließlich beim nächstgelegenen Postamt. Preis

für das Jahr 1853 im ganzen Umfange der Schweiz portofrei

.^rrn. 4. 40 Centimen. Inserate sind frankirt an die Expedition einznfenden. Gebühx 15 Centimen per Zeile oder deren Ranm.

#ST# Bericht des

schweizerischen Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im

Jahr 1852.

III.. Abtheiluug.

Geschästskreis des Justiz und Polizeidepartements.

Obwol die Angelegenheiten im Bereiche dieses De^ parlementes , weit entfernt sich vermindert zu haben, in bedeutendem Maße zugenommen haben, so dürfen wir doch nur das Wichtigere und was unumgänglich noth^

wendig ist, um den Gang der Verwaltung begreiflich zu .machen, hervorheben.

.Buudesblatt Jahra.. V. Bd. II.

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552 A. Geseze bung.

In diesem Iahre wurden die von der Bundesversassung zur Ausübung der Rechtspflege geforderten Ge...

seze vollständig erlassen und andere nothwendig gewordene gesezgeberische Verfügungen getroffen. Da die Vorschläge zu diesen Gesezen vom Departement oder unter seiner .Leitung ausgearbeitet, durch den Bundesrath mit den Botschaften, welche die daherigen Motive aus einander sezten, der Bundesversammlung vorgelegt und von dieser nach reifen Beratungen mit vermiedenen Abänderungen angenommen wurden, so beschränken wir uns auf die

Aufzählung derselben, um die gesezgeberische Arbeit des Jahres anzugeben.

Es find dieß 1) das eidgenössische S t r a f g e f e z , das den 4. Hornung 1853 angenommen wurde , dessen Ausarbeitung aber , die bis in den Frühling des Iahres

1849 hinaufreicht, im Mai und Iuni 1852 durch eine Kommission von Sachkundigen unter dem Präsidium des Departementsvorstehers stattgefunden hat. Der Entwurf und die ihn begleitende Botschaft wurden vom Bundesrath den 1. Iuli 1852 beschlossen und der Bundesversammlung im Laufe desselben Monats vorgelegt (Bundesblatt von 1852, IV. Jahrgang, II. Band, Seite

555 ss.). Diese Angaben haben zum Zwek, die Thatsache zu bestätigen, daß die Bestimmungen des Entwurfes das selbsteigene Werk der Bundesbehörden ist und daß, in Widerspruch mit dem, was oft gesagt worden ist, das Ausland keinen Einfluß auf den Inhalt des Gesezes aus-

geübt hat.

2) Das Bundesgesez über die Auslieferung .oon V erbrechern o d e r Ange schuld igten zwischen den Kantonen, vom 24. Juli 1852.

553 3) Der V e r t r a g zwischen der schweizerischen EidGenossenschaft und Bayern über g e g e n s e i t i g e A u s Lieferung von Verbrechern, abgefchlossen den 28.

Inni 1851 und genehmigt den 16. Iuli und 10. August

1852.

4) DerBefchluß, welcher während weitern 3 Iahren als provisorisches Gesez den Gesezesentwurf über das Verfahren bei dem Bundesgericht in bürgerlichen Rechtsstreitigsten aufrecht hält, vom 26. Iuli 1852.

5) Bundesgesez, betreffend die Umwandlung der in v e r s c h i e d e n e n B u n d e s g e s e z e n in alter Währung ausgedrü kten Anfäze in n e n e W ä h -

rung, vom 11. August 1852.

Um dieses Gesez zu redigiren, mußte das Departe^ ment alle Beschlüsse, Reglemente und Verordnungen, welche von derTagfazung erlassen, sowie die eidgenössischen Konkordate , welche unter dem alten Bunde vor der Inkrafttretung der gegenwärtigen Bundesverfassung (21. November 1848) abgeschlossen worden, einer Durchficht unter^ worfen, um die alten Bestimmungen, welche noch in Kraft bestehen und die, welche abgeschafft find, anzumerken.

Die umständliche Aufzählung diefer zwei Kategorien von Verfügungen findet fich in der Botschaft (Manufkript), welche den Gefezesvorfchlag begleitete. Diefe Arbeit kann mit Erfolg zu Rathe gezogen werden, wenn es sich darum handeln wird, die Bestimmungen des alten fchweizerischen Staatsrechtes, welche in Kraft bleiben können, in eine Sammlung zu vereinigen.

6) B e f o n d e r e V e r f a h r u n g s w e i f e bei der I... Bollzi.^ V e r f o l g u n g der U e b e r t r e t u n g e n des G e s e z e s h-.^ und der V e r o r d n u n g e n über die Maße und ^..^.^^ Gewichte.

554 Jt^dem der Bundesrath von den ^Befugnissen, die ihm

a. der Art. 31 des Gesezes vom 30. Juni 1849 über ^das Verfahren bei Uebertretnngen fiskalischer und

polizeilicher Bundesgeseze , b. der Art. 13 des Bundesgesezes über Maß und Gewicht vom 23. ^Dezember 1851 übertragen , Gebrauch machte , hat er .beschlossen , daß

bis auf ^eitere Verordnung die Artikel 9, 10, 11 und 12 des Gesezes von 1849 , betreffend "Strasankündung", unter seiner Oberaufsicht von der obern Verwaltungsbehörde des .betreffenden Kantons angewendet werden sollen. Diese Ausnahme von der allgemeinen ^Regel, nach der die Anwendung dieser Artikel der obern Verwaltungsbehörde des Bundes zusteht, liegt nicht nur im Geiste des Gesezes über Maß und Gewicht, welches besonders die Kantonsregierungen mit der eigentlich so geheißenen Vollziehung betraut hat, sondern fie wird auch, in Betracht, daß die Bundesbehörde zur Unter^ suchung der sehr zahlreichen Uebertretungen des Gesezes und der Reglemente über Maß und Gewicht nicht genügen würde , um zu sehen , ob esstatthaftsei , der Anzeige Folge zu geben, oder auf der verwirkten Strafe einen Nachlaß eintreten zu lassen, oder die Angelegenheit den Gerichten zu überweisen , durch die Notwendigkeit geboten. ^Ueberdieß hat der Bundesrath die hiezu nöthigen Angestellten nicht. Wolverstanden aber , daß er den Gebrauch der Befugnisse, um die es fich handelt, über^ wachen und , wenn Nachläsfigkeit oder Mißbrauch ein.^ tritt, kraft des Art. 90, .Ziffer 2 der Verfassung einschreiten wird , um Abhilfe .zu treffen. Die Motive zu dieser Entschließung find auf umständliche Weise in einem .Berichte aus einander gesezt, der das Justiz- und Polizei^

555 departement unterm 21. August 1852 dent Bundesrath vorgetragen und im Schreiben, das der Bundesrath in Uebereinstimmung damit an die Regierung von BaselStadt den folgenden 13. September in Erwiderung auf die von diefer Regierung den 27. Mai vorher an ihn gestellten Fragen gerichtet hat. Die vom Departement des Innern entworfene Vollziehungsverordnung. über Maß und Gewicht, in welcher die besondern Bestimmungen sich finden, konnte vom Bundesrathe erst am 6. April 1853 erlassen werden^

Um uns so viel möglich an der durch Art. 25 des b. Verwal^ Gesezes über die Organisation und den Geschäftsgang ^^..^ des Bundesrathes aufgestellten Reihenfolge zu halten, chung der al bringen wir hier alles an, was nicht unter die nach- ^.^(^

stehenden Kategorien III, VI und VII^ fällt.

ldesvexfassuna ung der Bu

7) Der Bundesrath hat der Bundesversammlung ^^ vorgeschlagen, für die ganz oder theilweife revidirten Allgemeinen, Verfassungen folgender Kantone die Garantie auszu- ^^..^ sprechen: .

Departement übertragen i^

a. Von Zürich vom 7. Oktober 1851;

^x Ka^

b. ,, Aargau vom 11. März 1852; c. " Graubünden von 1814 und1852.

verfassungen.

Die eidgenössische Garantie wurde ausgesprochen für die. Verfassungen der Kantone Zürich (theilweise revidirt) und Aargau (ganz revidirt).

Sie wurde der Verfassung von Graubünden verweigert, weil dieselbe verschiedene Bestimmungen enthält, die mit der Bundesverfassung im Widerfvruche stehen, und weil sie nicht in allen ihren Theilen der Annahme des Volkes unterworfen wurde.

556 8) Auch der Kanton Schafshausen hatte seine neue Verfassung, die vom Verfassungsrathe den 5. April 1852 die Zustimmung erhalten und vom Volke angenommen worden, dem Bundesrath mit dem Gesuch um die

eidgenösfifche Gewährleistung übermittelt. Allein da der Art. 75 dieser Verfassung nicht in Uebereinftimmung war mit dem Art. 6 Litt. c der Bundesverfassung, indem die erforderliche Mehrheit der Bürger, welche,. um eine Revifion verlangen zu können, aus ^ der stimmfähigen Bürger, nicht aber bloß ans der abfoluten Mehrheit bestehen muß, so hat der Bundesrath der Regierung von Schaffhaufen erwidert , daß er ihre Verfassung der Bundesversammlung so lagen nicht zur Garantie vorlegen könne, bis man die Beschränkungen, welche der Art. 75 enthält, entfernt hätte.

I... Politische 9) In Folge von Reklamationen , die dem Bunnnd .......lizeil.che de^^e zugekommen find , mnßte derselbe sich mit ^osse^ ^ ^^ ^^ ^ ^ nichtgenferschen Beamten schaff .^d Angestellten der Eidgenossenschaft, die im Kanton Genf ihr Amt verwalten, gehalten seien, eine Gebühr für die Aufenthaltsbewilligung, fo wie die Fremdensteuer .^zu bezahlen, die auf den Personen lastet, welche Nichtangehörige der Gemeinde find, wo fie fich aufhalten.

Nach Anhörung der Regierung von Genf hat der Bundesrath den 23. Inni 1852, in Uebereinstimmung mit dem Vorschlage des Departements, einen allgemeinen Beschloß folgenden Inhaltes gefaßt:

1) Nach Art. 6 des Gesezes vom 23. Dezember 1851 über die politischen und polizeilichen Garantien zu Gunsten der Eidgenossenschaft , dahin lautend : "Die ,,eidgenösfischen Zentralbeamten bedürfen als folche an

557 ,,dem Orte ihrer Amtsverrichtung keiner Niederlassungs,,bewilligung," find diefe Beamten und Angestellten nicht gehalten, für diefe Bewilligungen eine Gebühr zu bezahlen, wenn diefelbe nämlich keine S t e u e r , fondern eine Kanzlei f p o r t e l ist, und weil man nicht verpflichtet werden kann, für Akten, welche man weder zu begehren noch entgegen zu nehmen braucht, eine Gebühr zu entrichten.

2) Da das Gefez vom 23. Dezember.. 1851 über die .Garantien feine Wirkfamkeit vom 27. November 1848 an äußert, fo haben die obgedachten Beamten und Angestellten, welche eine Gebühr für eine Niederlassungoder Aufenthaltsbewilligung bezahlen mußten, das Recht,.

die Rükerstattung derselben von der Kantonalverwaltung.

die folche bezogen hat, zu verlangen.

3) In Beziehung auf die an die Gemeinde zu entrichtende Fremdensteuer oder jede andere in Nr. 5 des Art. 41 der Bundesverfassung erlaubte Leistung an Gemeindelasten sind die eidgenössischen Beamten und Angestellten der Zentralverwaltung, welche nicht Bürger des Kantons find, in dem sie ihre Amtsverrichtungen aus-.

üben, gehalten, solche zu bezahlen, vorausgesezt jedoch.

daß diese Beamten und Angestellten den Bürgern des Kantons, wo sie wohnen, gleichgehalten werden.

4) Die Departement des Bundesrathes haben alle eidgenössischen Beamten und Angestellten , die zu ihrer Verwaltung gehören, von diesem Beschlusse in Kenntnis zu sezen.

Denjenigen, die im Kanton Genf ihr Amt verrichten, ist noch beizufügen, daß fie gehalten seien, an di.. Gemeinde , in welcher fie wohnen , die Fremdenfteuer zu bezahlen, falls sie sich nicht in dem im Art. 3 des gen...

^ serfchen Gesezes vom 20. Hornung 1850, die fragliche Steuer betreffend , vorgesehenen Ausnahmsfalle befinden.

Als zeitweiliger Aufenthalt gilt derjenige, welcher nach Art. 5 dieses Gesezes den Zeitraum von drei Monaten nicht überschreitet..

^. Gemischte I0) Es kam nur ein einziger, etwas erheblicher Fall von Oppofition vor, den eine katholische Gemeinde gegen die Hei^ath eines ihrer Bürger mit einer Person proteo stantischer Konfesfion machte. Das Motiv, welches ans der Verschiedenheit des Glaubensbekenntnisses hergeleitet wurde und das auch das eigentliche war, weil man es vor dem Bundesgesez vom 3. Dezember 1850 über die gemischten Ehen eingestanden hatte , wurde später durch andere Vorwände ersezt, wie z. B. die Erzeugung unehelicher Kinder, obwol fie unter Eheversprechen empfangen wurden, und die Weigerung, die vor der Verheirathung gebornen Kinder als Gemeindsbürger anzuerkennen.

Der Bundesrath hat diese beiden Fragen getrennt.

Indem er das der Heirath entgegen gestellte Hinderniß aufhob, hat er den Entscheid der Frage, welcher Gemeinde die vo^.. der Trauung gebornen Kinder angehören,^ ob derjenigen des Vaters, weil fie durch die nachherige VereheEichung legitimirt feien, oder der der Mutter, welcher fie zugesprochen worden waren, der kompetenten Behörde .überlassen.

11) Der Bundesrath hat die Beschwerden gegen die .Weigerung der Kantone oder der Gemeinden, eine Heirath zu bewilligen fo oft als außer seiner Kompetenz

liegend, beseitigt, als der Widerstand auf gefezliche, ^er .Religion fremde Gründe geflitzt war , selbst dann , .wenn die Verlobten verschiedenen christlichen GlaubensBekenntnissen angehörten.

559 12) Dagegen hat die Bundesbehörde die Beschwerden in Erwägung gezogen, welche gegen die Heirathsgebühren erhoben wurden, die höher waren, als Konkordate oder Geseze es gestatten.

13) Mit Zuschrift vom 30. Iänner fuchte Herr Ge- d. .fremde neral Düfour um die Ermächtigung nach, den Grad eines Orben.

Großoffiziers der franz. Ehrenlegion, zu welchem er vom Präfidenten der franzöfifchen Republik befördert worden sei, und zu welchem Orden er seit 40 Iahren gehöre, indem er alle untern Grade desselben durchlaufen habe, annehmen zu dürfen, indem er bemerkt, daß diefer Orden lediglich eine Ehrenauszeichnung und mit keinerlei Verpflichtungen oder Einkünften verbunden sei.

Hierauf gestüzt hat der Bundesrath unterm 2. Hornung 1852 folgenden Befchluß gefaßt: ,,Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t h ,

in Erwägung: ,,1) daß eidgenössische Offiziere nicht in diejenige Klasse "von Militärbeamten gehören, denen nach Art. 12 ,,der Bundesverfassung die Annahme von Orden un,,tersagt wird, weil die gedachten Bestimmungen sich ,,nur auf eigentliche ständige und befoldete Militär"stellen beziehen, eine Kategorie, zu welcher die Of"fiziere, die nach den in der Schweiz herrschenden "Begriffen keinen Beamtenftand ausmachen , nicht zu "rechnenfind; ,,2) daß auch die Eigenschaft des Herrn Generals "Düfour, als Leiter der topographischen Arbeiten, "denselben nicht als Beamten qualifizirt, da er hie"für keinen Gehalt , fondern nur eine billige Ent"schädigung für Mühewalt und Auslagen bezieht;

560 ,,3) daß Herr Düfour bereits früher Offizier der fran"zöfifchen Ehrenlegion war, somit dessen Ernennung ,,zum Großoffizier lediglich als eine Rangserhöhung

"zu betrachten ist ; ,,4) daß mit der Ernennung zu diesem Range keinerlei "Penfion verbunden ist, fondern die Verleihung jenes ,,Ordens bloß als Ehrenfache betrachtet werden muß, ,,ohne daß ihm besondere Verpflichtungen dadurch "auferlegt werden,

beschließt: "Es stehe der Annahme des erwähnten Ordens kein ,,Hinderniß entgegen."

e. Verbotene Werbungen.

14) Nur zwei Kantone haben der Bundesbehörde S.^f^^e gege^ Individuen übermittelt, die schuldig waren, sür fremden Kriegsdienst Rekruten geworben zu haben. Es find dieß: S o l o t h n r n mit zwei Urtheilen und einer Untersuchung gegen ein nicht hinlänglich überwiesenes Individuum, St. G a l l e n mit 35 Urtheilen gegen Werben und 4 Verhöre mit angeworbenen Individuen.

15) Die St. Gallischen Behördenhaben, in Betracht der zu überwindenden Schwierigkeiten , eine

des größten Lobes würdige Thätigkeit entfaltet. Nicht ohnt. Interesse wird man einige Erläuterungen lesen, die dem schweizerischen Departemente vom Polizeidepartement des Kantons St. Gallen am 20. Ianuar 1852 mitgetheilt wurden. Obwol es fich um Thatsachen handelt, die im Iahre 1851 stattgefunden haben, so find diefe Angaben nichts desto weniger an ihrem Plaze, da sie Licht über den Stand der Dinge verbreiten.

,,Im Iahr 185l, fagt das St. Gallische Departement, hatte die Polizei viel zu kämpfen , um jenem Bundesbeschlösse Geltung zu verschaffen, der die Anwerbung für

.

56.^

den fremden Kriegsdienst verbietet. Die Nähe des Werbdepot in Feldkirch, ein für den Landbau ungünstiges Iahr und der ungewöhnlich starke Durchzug fremder, sehr oft arbeitslofer Gefellen begünstigten die Werbversuche im Kanton selbst, die nur mit vieler Anstrengung bemeistert wurden, da die Werber nie geständig waren und jedesmal nach Vorschrift unserer Kantonalgefezgebung ein doppelter Zeugenbeweis erforderlich ist, bevor zur gerichtlichen Einleitung und Bestrafung gefchritten werden kann.

"Seit derAufhebung des Werbdepot in Como drängten Werber und Rekruten aus den Kantonen Freiburg, Bern, Bafel, Aargau, Zürich, Schasshaufen, Thurgau, Luzern, Unterwalden, Schwyz und Appenzell I.-Rh.

gegen und durch unfern Kanton, der mancherlei Seeund Bergronten zu nächtlichen Durchzügen und eine Rheingränze von mehr als 20 Stunden bot, auf welcher bald da, bald dort ein Schiffmann für eine heimliche Ueberfahrt bestochen werden konnte. Selbst österreichische Schiffchen kamen bei Nacht auf gegebene Zeichen zur Abholung der Rekruten an das fchweizerischeUfer. InAppenzell I.-Rh. wurden ganze Schaaren geduldet, bis wieder irgend ein neuer Weg durch unsern Kanton zur Weiterreife aufgefunden war. Nicht ohne befondern Kostenaufwand mußten wir auf verschiedene Routen nachtliche Wachen stellen, und gleichwol gelang es manchem kleinen Transport, durchzuschlüpfen. Ohne wesentliche Erfolge nahmen wir die Mithilfe der Polizei von Glarns, Appenzell A.-Rh. und Graubünden in Anspruch.

Zuweilen wurde von den Werbern die Post benuzt, zu deren polizeilicher Beaufsichtigung wir weder Beruf noch Auftrag hatten. Einige in Verdacht gekommene Landj.äger mußten entfernt werden.

^62 "Mit all' diesen Schwierigkeiten kämpfend, gelang es unfern im Ganzen treuen und thätigen Landjägern dennoch, an 23 verschiedenen Pläzen im Kanton 138 Rekruten und 31 Werber und Rekrutenführer, zusammen 169 Personen im Laufe des Iahres (1851) aufzugreifen und zurük.

zu weifen. Auch diefes war bei der Entfernung der Rheingränze und im obern Theile des Kantons wegen der Ueberfahrt über den Wallenfee mit Kosten verbunden, die m.^n aber hierorts nicht fcheuen zu sollen glaubte, um einem Bundesbeschluß Ansehen zu verschassen.

"Die Gerichte haben bis Ende des vorigen Iahres

(1851) 31 eingeleitete Werber abgewandelt und mit Fr. 50 bis Fr. 140 bestraft. Mehrere Fälle find noch anhängig , deren Erledigung in Bälde folgen wird.

"In unfern Bestrebungen wurden wir von der Polizeidire^tion des Kantons Zürich wesentlich unterstüzt.^ J.n einer Zuschrift vom 29. Iänner 1852 fügt das ^..olizeidepartement von St. Gallen bei, daß das Groß-

herzogthum Baden, welches der Schweiz, hinfichtlich der Flüchtlinge, schlechte Nachbarschaft vorgeworfen, gegen diefelbe, bezüglich der Anwerbungen für fremden Kriegsdienst, fich übel benehme, indem die Werber auf badischem Gebiete Depots errichten und dort mittels von Behörden ausgestellten Zeugnissen oder Vorweifen, ohne Hinderniß durchziehen dürfen, und daß die Werber erklären, fie haben nicht mehr nöthig, in die Schweiz zu gehen, weil man ihnen genug .Leute zuführe.

16) Untersuchungen wegen verbotener Werbungen wurden angehoben in Genf, im Monat September 1852; allein der Bundesrath hat keine Kenntniß von dem da^ herigen Refultate erhalten.

17) Auch die Behörden des Kantons W a a d t ha^ben Thätigkeit gegen die verbotenen Werbungen entwikelt.

^ 18) Ueberdieß hat der Bundesrath aus sichern Ouel-

len Mittheilungen erhalten, hinsichtlich der Werbungen in verschiedenen Kantonen, unter andern in den Kantonen Freiburg und Wallis , ferner solche , welche die Bureaux oder Depots zur Anwerbung von Schweizern in St. Gingolph , Nantua und Pontarlier , so wie die Werbungen auf verschiedenen Punkten der französischen Gränze, namentlich auf den Linien Genf, Waadt, ^uenburg und ^dem bernischen Iura berühren , endlich bestimmte Indizien von der Mitwirkung verschiedener Per-

sönlichkeiten z. B. des Exbifchofs Marilley an den ^ver-^ botenen Werbungen.

^Der Bundesrath hat bei der franzöfischen Regierung

gegen die hinterlistige .Anwerbung eines Iünglings von .Delsberg und wegen der an ^der Neuenburgergränze geschehenen Anhäufung von einigen Trümmern der holsteinischen Armee, die für den römischen Dienst bestimmteren, Beschwerde erhoben. ^Die fardinifche Regierung ^hat aus eigenem Antriebe ^den General von Kalbermatten , der im Chablais die ^Anwerbungen für Rom leitete, aus ihrem Gebiete verwiesen und der Intendent von Domo ^Ossola ließ Werber und Rekruten , .welche von Wallis kamen, zurük marschiren.

Auf die dem Bundesrathe zugekommenen Ausschlüsse, und anderer ^Umstände wegen, sand es derselbe nicht .sur nöthig, ^diesen Erkundigungen weitere Folge zu geben, ^als die Ueberwachung und Veröffentlichung durch gegenwärtiges Aktenfiük. Vor der Jnkrafttretnng des eidgenösfischen Strafgesezes ^war die Bestrafung in den Kantonen, welche eine Verfolgung entweder nicht eintreten lassen wollten oder nicht konnten, unmöglich. Die Präventivmaßregeln treffen auf sehr große Schwierig.keiten, vorzüglich in den gedachten ^Kantonen, und es.

.564 gäbe schwerlich eine andere Abhilfe als durch die Absendung von eidgenössischen Kommissären, eine Maßregel jedoch, zu der man sich nicht gerne entschließt.

19. Ein Fall von einer Präventivmaßregel, die von einem Kantone gefaßt wurde, verdient erwähnt zu werden. Mit Zuschrift vom 29. Dezember 1851 ließ die Regierung von Bern den Bundesrath wissen, daß ein dortfeitiger Bürger, Namens Eida..n, sich darüber

beklagt habe, daß er den 22. des vorhergehenden Aprils zu Rothenthurm verhaftet und durch die Polizei aus dem Kanton Schwyz ausgewiesen worden ^fei, weil er im Verdachte war, als wolle er fich für fremden Kriegsdienst anwerben lassen; daß diefer bernerische Bürger

aber im Befize eines den 22. April 1848 ausgestellten und durch die österreichische Gesandtschaft am 19. April 1851 ^egalifirten Heimathscheines sei. Die Berner Regierung fügte bei, daß, wenn die vom Beschwerdeführer behanpteten Thatfachen fich als wahr herausstellen follten, fie verlangen müßte, daß derartigen ungefezlichen Verhaftungen und entehrenden Transporten ein Ende gemacht würde.

Die Regierung von Schwyz, welche über diese Beschwerde vernommen wurde, stattete einen Bericht ab, aus dem hervorging, daß die Reise des Eidam wirklich den Zwek hatte, fich für einen verbotenen Dienst anwerben zu lassen. Indem der Bundesrath eine Abfchrift von diesem Berichte der Regierung des Kantons Bern übermittelte, machte er in seiner Antwort vom 20. Iänner 1852 die Bemerkung, daß er mit all' feiner ihm zu Gebote stehenden Kraft auf dem Wege der Präventivpolizei das Gesez gegen die verbotenen Werbungen beobachten lassen müsse und daß die Regierung von Bern

selbst, in Ansehung der Unzulänglichkeit der Strafbe-

565 stimmungen in den kantonalen Gefezgebnngen, ihre Mitwirkung auf diesem .Wege zugesagt habe; daß es daher am Orte war, den Angeworbenen heimzufchiken und auf polizeilichem Wege die Führer und die Rekruten transportiren zu lassen, und daß im besondern Falle Eidam, wenn er auch nicht als Führer der Rekruten erschien, nichts desto weniger durch das angegebene Ziel seiner Reise bewiesen, daß er gesucht habe, fich den Verordnungen der Behörde zu entziehen.

20) Die französische Gesandtschaft beschwerte fich darüber, daß die Regierung des Kantons Genf die Vol^ ziehung eines schiedsrichterlichen Urtheiles, das zu Gunsten einiger Franzosen erlassen wurde, verweigert habe. Wir erwähnen dieses Falles, weil nach dem Vertrage vom 18. Iuli 1828 in einem der beiden Länder rechtskräftig erlassene Urtheile im andern vollzogen werden müssen.

In Bezug auf das einzuschlagende Verfahren hat der Bundesrath die Anficht aufgestellt, daß der Inhaber eines rechtskräftigen Urtheils die Ausstellung des Vollziehungsbefehls von der kompetenten Behörde des Landes verlangen müsse, in dem das Urtheil seine Vollzie.hnng finden soll; sollte der Vollziehungsbefehl einem Vertrage zuwider verweigert werden, fo kann der Inhaber des Urtheils die Unterftüzung feiner Regierung

nnter Uebermittlung des Urtheils und der Vollziehungsverweigerung verlangen; diese müsse dann die Aktenstüke auf diplomatischem Wege der Regierung des andern Staates zustellen und ihre Beschwerde begründen. Da im fraglichen Falle diefes Verfahren nicht beobachtet worden oder wenigstens keine Beweife hiefür vorlagen, so mußte der Bundesrath bis auf Weiteres feine Da.^wifchenkunft ablehnen.

f. Anwende ^r ^r^ lln .^^u^ a ^. ....^ ^ lizei.

566 21) Andererseits hat der französische Minister der auswärtigen Angelegenheiten den Geschäftsträger in Paris durch ein Kreisfchreiben vom 10. Februar 1852 von den Bedingungen in Kenntniß gefezt, welche die von ausländifchen Behörden an franzöfifche Tribunale gerichteten R o g a t o r i e n in C i v i l f a c h e n zu erfüllen haben.

Da diefes Aktenstük im Bundesblatt (IV. Iahrgang (1852), I. Band, Seite 134 der deutschen und S. 148 der franz. Ausgabe) eingerükt ist, fo verweifen wir darauf, ohne jedoch zu unterlassen, die Aufmerkfamkeit auf folgende zwei Stellen des Kreisschreibens zu richten .

"Die meisten dieser Rogatorien bestehen bloß in Begehren um einfache Auskunftertheilungen, welche man viel ge-

eigneter und gewiß weit leichter auf gewöhnlichem diplo-

..iI. Prüfung der Verträge zwischen den Kantonen. .

matifchem Wege sich verschaffen könnte, ohne zur eigene lichen Form des Rogatoriums greifen zu müssen."

,,Das Rogatorium ist, ich wiederhole es, ein Akt, wovon man nur einen mäßigen Gebrauch machen soll, und ohne unabänderliche Gränzen, innerhalb welcher man sich desselben bedienen muß, ziehen zu wollen, glaube ich dennoch, daß man nur dann zu dem Ersuchfchreiben feine Zuflucht nehmen sollte, wenn jeder andere Weg nicht zum Ziele führen würde, wie z. B. wenn es fich darum handelt, eine Untersuchung e i n z u l e i t e n , um Verh ö r e aufzunehmen, einen Eid s c h w ö r e n zu lassen, e i n e Erklärung e n t g e g e n zu n e h m e n , o d e r A k t e n s t ü k e zu verifiziren."

22) Der Bundesrath hatte nur zwei Verträge zwischen den Kantonen zu prüfen. Es find die zwischen den Kantonen Zürich und Schaffhaufen i. I. 1851 abgeschlossenen und 1852 genehmigten Verträge, von denen der eine

die Gränzlinie bestimmt und den Lauf des Rheines zwi-

567 schen Flaach und Rüdlingen regelt, der andere die Ausübung der Schissfahrt innerhalb diefer beiden Orte betrifft. Da diefe Verträge zu keiner Beschwerde und keinem Einwurfe Veranlassung gaben , so hat der Bundesrath dieselben am 21. Inni genehmigt.

23) Die erheblichste der Beschwerden, welche ge- lll.Maßxege.

gen die verfassungsmäßige Ordnung . eines Kantons -^r.^ .^ während des Iahres 1852 vor die Bundesversammlung ^^^ gebracht wurden, ist die sogenannte Pofieur-Petition, sungs.^.g...

unterzeichnet von drei Bürgern des Kantons Freiburg, Re-^ des welche sich die Bevollmächtigten des Freiburgervolkes ^^ ^r nannten und verlangten, daß die Verfassung dieses ..^ ^.^ .Kantons der Genehmigung des Volkes unterworfen und a. Vor .^ wenn fie nicht die Mehrheit auf fich vereinigte, revidirt Bundesver..

würde^

fammlnng ge brachte Ange

Da der Bericht des Staatsrathes von Freiburg und legenheiten.

die Botschaft des Bundesrathes über diesen Gegenstand in das Bundesblatt (IV. Iahrgang, 1852, H. Band Seite 619 und 63l der deutfchen und Seite 609 und 620 der französischen Ausgabe) eingerükt find und die Bundesverfammlung die Frage berathen hat, so beziehen

wir uns lediglich auf diefe Aktenftüke.

24) Es ist hier nur einer Petition diefer Kategorie b. An den zu erwähnen, weil der Bundesrath ihr keine Folge ge- Bundesrath geben hat.

^^ ^ ^ ^ schweren une Unterm 31. Ianuar 1852 schrieb Herr Ioel Cher^ Begehren.

buliez dem Bundespräfidenten : "Ich habe die Ehre, Ihnen eine an den Bundesrath gerichtete Petition mit 901 Unterschriften zuzustellen, die das Begehren enthält, daß die Anklagen auf Hochverrath, welche gegen Bürger des Kantons Genf ge.^ richtet find und denen Regierungsmaßregeln und Reden Bnndesbtatt. Iabrg.v. Bd.ll 47

568 in amtlicher Stellung gehalten einen Schein von Wirklichkeit haben geben können, gerichtlich behandelt werden..

"Die Unterzeichner derselben wagen die Hoffnung auszusprechen, daß der hohe Bundesrath diesen Schritt günstig ausnehmen werde, durch den sie ihren glühenden Eifer, das heilige Band, welches uns an das gemeinschaftliche Vaterland fesselt , vor allen Angriffen zu bewahren und heute enger denn je zu gehen, haben bezeugen wollen.

Folgendes ist der Tert dieses in mehreren Exemplaren autographirten und mit Unterschriften versehenen

Aktenstükes.

An den Präfidenten und die Mitglieder des Bundesrathes in Bern.

"Hochgeachtete Herren !

"In Ansehung des Artikels 104 der Bundesverfassung, der sagt: ,,das Asfisengericht mit Zuziehung von Geschwornen, welche über die Thatfrage absprechen, urtheilt: ,,".... über Fälle von Hochverrath gegen die Eidgenossenschaft . . . ."".

"In Ansehung des (im Bund erwähnten) vom Staatsrath von Genf an den Bundesrath gerichteten Schreibens, enthaltend die Auseinandersezung der Motive für die Piketfiellnng von mehreren Bataillonen der

Miliz.

"In Ansehung mehrerer neulich in der ,, Revue d....

Genève" erschienenen Artikel, einem Blatte, von dem der Staatsrath von Genf mehrmals erklärt hat, daß er dessen Verantwortlichkeit übernehme; ,,In Betracht, daß es von Wichtigkeit ist, die gefährliche Unbestimmtheit, welche bei derartigen, gegen eine ganze Klasse von Bürgern gerichteten Anklagen herrscht, ein Ende zu machen;

569 "In wendig

Betracht, daß es in dieser Angelegenheit nothentweder Schuldige oder Verläumder geben

muß, und daß es für die ganze Schweiz wichtig ist, die Wahrheit zu erfahren ; "nehmen die unterzeichneten Bürger des Kantons.

Genf die Freiheit, fich mit dem Begehren an Sie zu wenden, daß der Generalanwalt der Eidgenossenschaft beauftragt werde , eine gerichtliche Untersuchung anzuheben, damit die Verschwörer, wenn solche existiren, bekannt und bestraft werden, oder daß im umgekehrten Falle die Verläumdung auf amtlichem Wege konstatirt und als folche erklärt werde, und zwar vor der ganzen Schweiz, in deren Augen die Unterzeichneten vor Allem die schweizerischen Gefühle von Vaterlandsliebe und Rechtlichkeit , die den Kanton Genf immer ausgezeichnet haben, unangetastet erhalten wollen.

"Genehmigen Sie, Hochgeachtete Herren, den Aus.druk unserer ehrfurchtsvollen und offenen Ergebenheit.

Genf, den 15. Ianuar 1852.

(Folgen die Unterschriften.)

Nachdem der Bundesrath einen ersten Bericht angehört hatte, beschloß er am 27. Februar 1852, in den Gegenstand nicht eintreten zu wollen, sondern beauftragte das Departement, in Form eines Befchlusses die Motive dieser Entscheidung zu redigiren. Das Departement hatte schon damals fühlbar gemacht, daß es zu viele Anstände in der von den Bittstellern verlangten Untersuchung sehe, besonders in der ungemeinen Ausdehnung, welche die Regierung von Genf ihr geben zu wollen scheinen die verlangte Untersuchung würde nicht nur eine RiesenProzedur, die Iahre lang dauerte, nothwendig machen.

und der Eidgenossenschaft ungeheure Summen kosten,.

sondern man konnte voraussehen, daß sie zu seinem

570 Resultate führen und die Schweiz in Verwiklungen stürzen würde, deren Tragweite schwer vorauszusehen war.

In den Umständen, in welchen fich damals die Schweiz dem Auslande gegenüber befand, und in Ansehung des Zufiandes der Gemüther in Genf sah das Departement

keine Dringlichkeit in dieser Angelegenheit. Erst am 10.

Iänner 1853, um die rükständigen Sachen ins Reine zu bringen, wurde die verlangte Redaktion dem Bundesrathe vorgelegt, der fie dann wie folgt angenommen hatt "In Erwägung: 1) Daß es Sache der kompetenten Behörde ist, zu untersuchen, ob hinreichender Grund vorhanden fei, jemanden wegen Hochverrats vor die Gerichte zu stellen, daß aber der Bundesrath im fraglichen Falle keine hinreichenden Motive finde, einen folchen Beschluß zu fassen; 2) daß, wenn fich die Petenten durch Angrisse der Presse an ihrer Ehre verlezt finden, es ihnen und keineswegs den Behörden obliege, eine Injurien...lage zu erheben.^ Da die Petition offenbar der Ansdruk einer augenbliklichen Aufgeregtheit war, welche durch den Verlauf der Zeit ihre ganze Bedeutung verloren hatte, so beschloß der Bundesrath, die Petition ad acta zu legen, ohne den Unterzeichnern zu antworten, mit Vorbehalt jedoch, ihnen den Beschluß mitzuteilen, wenn fie später eine Antwort verlangen sollten.

25) Diese Thätigkeit umfaßt : .IV. Bundes1) Die .gerichtlichen Strafuntersuchungen: rechtspsiege, in A. im ^Bereiche der. eidgenöffischen Gefchwornen; Bundesrathe^ ^ ^ betreffend die Uebertretungen der fiskalischen

.^....^

...

u n d p o l i z e i l iche n B un d e s g e fe z e ;

571 C. die administrativen Disziplinarfälle.

2) Die Zivilprozesse.

a. Thätig^ ^ Staats-

3) Die Unterfuchungen und Prozesse in Beziehung ^^ auf die Heimathlosen.

Wir können nichts Besseres thun, als auf den Bericht des G e n e r a l a n w a l t s vi.rweifen, der am Schlnsse als I. Beilage sich findet. Man wird daraus die zahlreichen Fälle vorfehen, die dieser Beamte behandeln mußte.

26) Einige Kantone haben Fristen verlangt, um die b. Wahl der Wahl der eidgenössischen Geschwornen mit anderen Ope- ^id^össisch^ rationen zu vereinigen und dadurch zu zahlreiche Wahl- .^..^^ verfammlungen zu vermeiden; was der Bundesrath, unter Vorbehalt einer al.lfällig nöthig werdenden außerordentlich.... Einberufung, gewährt hat.

27) In Uebereinstimmung mit dem Beschluß der c. .^ochver..

Bundesversammlung vom 12^22. Dezember 18.^1, wodurch rathsp^ozeß, der Bundesrath beauftragt wurde, für die möglichst baldige ^^..^

Vollziehung des Tagfazungsbefchlusses vom 14. Februar ..h.^^.

1848 bezüglich des Hochverrathsprozess^s gegen die Mit- Sonderbnnd^.

glieder des ehemaligen Sonderbundskriegsrathes zn for- ^rie.^rath^.

gen, hat der Bundesrath am 9. Iänner 1852 an die Regierung des Kantons Luzern ein Schreiben des Inhalts erlassen, fie möge beförderlichst im Sinne des Bundesbeschlusses ihren Bericht erstatten. Unterm 19..

antwortete die Regierung von.Luzern, daß sie das Obergericht eingeladen habe, ohne Verzug Bericht zu erftatten, und daß der mit der Angelegenheit speziell betraute Untersuchungsrichter versprochen habe, die Prozedur fpäteftens den 24. desselben Monats abzuliefern..

In Antwort auf eine Recharge, die der Bundesrath am 17. April an die Regierung von Luzern erließ^

.572 übermittelte diese unterm 28. einen Bericht mit dem Begehren, der Bundesversammlung vorzuschlagen, dass der Entscheid des Prozesses dem Bundesgerichte übertragen werde. Allein da die Tagsazung und auch die Bundesversammlung zu wiederholten Malen verlangt haben, daß die Sache durch die luzernischen Gerichte beurtheilt ..verde, da das Bundesstrafgesez noch nicht bestehe, und die Prozedur schriftlich eingeleitet war, so konnte der Bundesrath dem Begehren von Luzern nicht entsprechen, und hat in diesem Sinne am 3. Mai 1852 der Regierung geantwortet. Endlich hat die Regierung von Luzern, in Erwiderung auf eine neue und dringende Einladung, die der Bundesrath den 12. Mai 1853 an sie richtete, geantwortet, daß die Angelegenheit den

..). Mai 1853 vor das Kriminalgericht gebracht und ....hne Zweifel erledigt würde.

Allein der Bundesrath

hat im Augenblike, da der gegenwärtige Bericht abgefaßt wurde, noch keine offizielle Mittheilnng vom Urtheil ergalten.

d. Ausliefe2.....) Der Regierung von Bern wurde geantwortet, rungen und dass, da der Vertrag mit den Vereinigten Staaten von Andere Akten. Amerika noch von seiner Seite ratifiât worden, man die Auslieferung des Pitt Schneider nicht verlangen könne; zu gleicher Zeit theilte man ihr die schwer zu erfüllenden und sehr lästigen Bedingungen mit, um

gegen diesen Flüchtling einen Zivilprozess mit dem Zwek

V.Vollziehung

anhängig zu machen, daß er die mitgenommene Summe zurük erstatte.

2.)) Das Urtheil, welches am 3. Iuli 1852 in der

Der Urtheile des Bundesge- Angelegenheit der Frau Dupré, geborne Michaud in Bundesgerichts, der Bülle,. durch das Bundesgericht, an welches die BundesVergleiche und versammlung den Fall gewiesen hatte, erlassen wurde, Schiedsrichter- bestimmte, daß der Art. 3 des Dekrets des Großen Rathes sischen Urtheile.

573 von Freiburg, in. so weit er die Verwaltung und die Nuznießnng des Vermögens der besagten Frau betreffe, so wie die Urtheile, welche fich auf diefes Dekret bafiren,

keine Wirkung haben soll; dieses Urtheil, sagen wir, hat seine Vollziehung erhalten.

30) Der Staatsrath des Kantons .^reiburg beschwerte fich darüber, daß troz des erlassenen und vom Bundesgericht bestätigten Urtheiles und troz der wiederholten ohne Antwort gebliebenen Begehren , die Regie-

rung von Wallis die Summe von 14,315 Fr. 55 Rp.

noch nicht bezahlt habe, eine Summe, die sie dem Kauton Freiburg für das Gebäude zu zahlen hat, welches die Ursulinerinnen zu Sitten besessen und das an den

freiburgifchen Fiskus übergegangen war ; zu gleicher Zeit .ersucht^ er den Bundesrath, für die Vollziehung forgen zu wollen.

In Anfehung des Art. 187 des Bundesgesezes über das Verfahren beim Bundesgerichte bei bürgerlichen RechtsHeiligkeiten, dahin lautend: "Wenn das Urtheil auf Bezahlung einer Geldfumme oder Leistung einer Kaution geht, so ist der Rechtstrieb (die Betreibung) eingetreten nach den Gefezen des Kantons, in welchem der Debitor wohnt^, mußte der Bundesrath die Regierung von .^reiburg auf das vorgeschriebene Verfahren hinweisen, allein

in Anfehung des Art. 191 desfelben Gesezes hat er fich die Ergreifung der nöthigen Maßregeln vorbehalten, um den Kanton Wallis zu zwingen, wenn er der Anwen-

dung des Art. 189 Hindernisse in den Weg legen würde.

Es wurde in diefem Sinne an die Regierungen der beiden Kantone geschrieben und diejenige von Wallis auf dringende Weife eingeladen, ihre Schuld abzutragen.

Der Bundesrath hat über den Erfolg dieser Beschlüsse noch keine Antwort erhal.en.

574 Vl. Prüsnng Wenn wir nur einer geringen Anzahl von Beschwer^.on Kompe.. .-.e.. ..^ Streitfragen erwähnen , fo hat dieß feinen ten^reitigke^ ^..^ .^. ^^ ^,.^ ^ ^ .^ ^ derse^ ten der Kan^

tone mit den verringert hat, fondern dartn, daß dte ubrtgen entweder Bu..desbehör- kein hinreichendes allgemeines Interesse darbieten oder den feli.st; ...on ^ ^ ^.^ -^ aual.^e Verhältnisse beziehen, die .^den^ .^ ^ srüh^r.i Geschäftsberichten erörtert wurden.

^nen über die Wir bemerken auch, daß die Mehrzahl der Beschwerden Erfüllung als unbegründet abgewiesen werden mußten, was beweist,

st^aspolizeili^er und zivil- .

.^ ..^ . . . .^^ . . .^^^^e.^ .

. .^.^ ^e^ ^ ^^ ^^.. ^^ ( xechilicher ..^on- ^^ Bundesverfassung eindringen.

fänden bei ^^ ^^^ ^ kantonales Gesez, wonach kantonsder verlangen fremde Kläger in Civilprozessen zur Kaution angehalten .^o^ziehung werden, wurde unter Berufung auf Art. 48 der Bun-

xech.skräftigex ^..^^^ reklamirt, weil dadurch die Gleichheit der ^..ivilurtheile, ^ . . . . . . .

^. .

^.

fo wie bei Schweizerburger vor dem Gefez verlezt werde.

^restanlean^ Der Bundesrath fand, daß solche Geseze der Bun^Gl ^chb ^ desoerfassung nicht widersprechen , in so fern unter im Gebiete der kantonsfremden Klägern diejenigen verstanden werden, Gesezgebung welche außer dem Kantone wohnen, mithin auch die ....d des P^ K an ^ ^ ^ ^ ü r g e r ^ die sich ^ diesem Falle befinden.

^sses.

b. persönliche 32) Der Art. 50 der Bundesverfassung lautet: Forderungen. ^De^ aufrecht stehende schweizerische Schuldner, welcher

Aveste.

^^ ^-.^ ^^...^ ^^ ^..^ ^ü.. . persönliche Ansprachen

vor dem Richter seines Wohnorts gesucht, und ^s darf daher für Forderungen auf das Vermögen eines solchen außer dem Kanton, in welchem er wohnt, kein Arrest gelegt werden," stößt immer noch auf Schwierigkeiten, indem hie und da die Tendenz fich kund gibt, den Kreis der perfönlichen Forderungen oder Klagen zu beschränken, oder sich auf ein fingirtes Domizil zu beziehen, oder aus

der Bezeichnung des Ortes der Vollziehung eines Ver-

575

trages auf die Kompetenz des dortigen Richters zu schließen. In einem folchen Streitfalle hat der Bundesrath erklärt, daß alle persönlichen Zivilklagen unter den Art. 50 der Bundesverfassung fallen, daß der miethweife Befiz eines Lagerungsplazes für Waaren und die Bestellung eines Mandatoren für einzelne Geschäfte kein Domizil begründen, und daß in der Bezeichnung eines

Ortes für die Vertragserfüllung nicht die Anerkennung

des dortigen Gerichtsstandes liege, wenn über den Vertrag felbst ein Prozeß entsteht.

33) Mehrfache Reklamationen find wieder eingegan- c. Gemeinde gen über den Gerichtsstand bei Steuerforderungen der ^u.^ Gemeinden an ihre auswärts niedergelassenen Bürger.

Wir haben unsere Anficht hierüber schon in früheren Berichten ausgesprochen ; allein eine gleiche Streitfrage zwischen den Regierungen von St. Gallen und Thurgau hat Veranlassung gegeben, diesen Gegenstand in seinen allgemeinen Beziehungen einläßlich zu erörtern und wir fügen daher diese Schlußnahme bei, ungeachtet fie erst im Iahr 1853 erfolgte.

Eine Frage, welche fchon wiederholt in einzelnen An- Kompetenz..

wendungen behandelt wurde, hat nun die Regierung Konsiikt zwlvon Thurgau gegenüber derjenigen von St. Gallen in s^ ^ ^ ihrer allgemeinen Bedeutung angeregt, nämlich die Be- ^. ....^ ^..

fieurung außer dem Heimathskantone wohnender Bürger. gan^ entschi...

Mit Zuschrift vom 17. März v. I. hat die Regie- ^ ^uiBu rung von Thurgau Folgendes vorgestellt: Nach den thur- ^.^.^ ^^^l^ ^.^^^.

gauifchen Gesezen feien auch die abwefenden (außer dem Kanton befindlichen) Bürger verpflichtet, in einem gewissen Umfang zu den Auslagen ihrer Heimathsgemeinde in Kirchen-, Schul- und Armen fachen beizutragen und viele Gemeinden seien durch die steigenden Ausgaben genöthigt worden, von diesen Gesezen Gebrauch zu

^76 machen. Nun seien sehr viele Thurgauer im Kanton St. Gallen niedergelassen, welche sich der Besteurung widersezen und glauben berechtigt zu sein, den Entscheid der St. Gallischen Gerichte anzurufen, während hingegen die thurgauische Regierung in der Anficht stehe, daß, wenn die Besteuerten die geforderte Steuer qualitativ oder quantitativ beftreiten wollen, sie den Rekurs . an die thurgauischen Administrativbehörden nach Maßgabe der dortigen Geseze zu ergreifen haben. In der dießfalls gepflogenen Korrespondenz habe jedoch die Regierung von St. Gallen den Saz ausgestellt, daß die Schweizer für Steuern, wie für andere persönliche Ansprachen, am Orte ihres Wohnfizes und nach den dortigen Gesezen belangt werden müssen. Gegenwärtig lie-

gen zwei derartige Spezialfälle vor: 1) Die

Gemeinde Wuppenau habe auf ein neues

Schulhaus 3725 fl. 15 kr. verwendet, und als fie 25 im Kanton St. Gallen wohnhafte Bürger für ihren gefezlichen Beitrag belangt, sei der Streit an den dortigen Civilrichter verwiesen worden.

2') Das. nämliche habe stattgefunden bei einer Armensteuer im Betrage von 18 fl., welche die evangelifche Gemeinde Romanshorn von einem ihrer Bürger in St. Gallen gefordert habe.

Die thurgauische Regierung glaube nun, daß ihre Kirchen-, Schul- und Armenvorsteherschaften nicht angehalten werden können, vor den St. Gallischen Gerichten zu beweisen, daß ihre Mitbürger steuerpflichtig seien und zu gewärtigen, ob jene Gerichte die Anwendbarkeit der thurgauischen Steuergefeze auf Niedergelassene im Kanton St. Gallen anerkennen wollen oder nicht. Denn ganz abgesehen vom Erfolge müßten jene thurganifchen .Behörden wegen unbedeutender Steuerquoten eine Menge

577 weitläufiger und kostspieliger Prozesse im Kant. St. Gallen anheben, wodurch sie gezwungen würden, entweder lieber auf die Befteurung zu verzichten, oder bei einem

zufälligen spätern Anlaß ihr Recht geltend zu machen.

Allen diesen Uebelständen könnte abgeholfen werden, wenn die Regierung von St. Gallen in folchen Fällen der Exekution den Fortgang gestatten würde, sofern die besteuerten Niedergelassenen nicht bescheinigen, daß sie an die kompetenten obern thurgauischen Behörden Rekurs ergriffen haben.

Die Regierung von Thurgau schließt die Beschwerde mit der Erklärung, daß fie bezweke, eine prinzipielle Entscheidung über die Frage hervorzurufen, ob die Heimathsbehörde eines auswärts Niedergelassenen kompetent sei, Anstände, betreffend Kirchen-, Schul- und Armensteuern zu entscheiden; im bejahenden Falle stelle sie dann zugleich das Gesuch , daß den Stenersorderungen in den erwähnten zwei Spezialfällen weitere Vollziehung verschafft werden möchte.

Diese Beschwerde wurde der Regierung von St. Gallen mitgetheilt und von derselben am 15.,,21. Dezember 1852 sehr einläßlich erwidert. Wir fassen das Wesentliche dieses Berichtes mit Nachfolgendem zusammen: Die thurgauische Regierung begründe ihre Anschauungsweise auf den Art. 3 der Bundesverfassung und leite aus diesem die Befugniß her, bei streitigen Steuerforderungen auch über die Gränze ihres Kantons hinaus verbindliche Entscheidungen zu fassen. Diefe Anficht könne die Regierung von St. Gallen nicht theilen, auch bestehe dort mit einer einzigen Ausnahme, bezüglich auf neue Kirchenbauten, der Grundfaz, daß der Niedergelassene gleich dem Ortsbürger am Niederlassungsorte steuerpflichtig sei. Im Allgemeinen betrachte fie den

578 Niedergelassenen in Stenerfachen als den Gesezen des Wohnorts unterworfen und eine Besteuerung desselben für Zweke des Heimathskantons oder der Heimathsgemeinde.

als von der Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit des Niederlassungskantons abhängig. Die Kantone seien allerdings souverän, aber nnr innerhalb der Schranken des Bundes und nur neben einander, jeder auf feinem Gebiete, so daß das nämliche Hoheitsrecht gegenüber der gleichen Person oder Sache nur von e i n e m Kanton, nicht von z w e i e n zugleich ausgeübt werden könne; eine doppelte Iurisdiktion über denselben Gegenstand sei nicht gedenkbar. Das Gleiche müsse anch im Bundesstaate gelten ; der Bürger des zu einem Einen und Ganzen gewordenen Bundesstaates könne rükfichtlich der gleichen Pflicht nicht doppelt verbunden sein.

Durch Art. 41, Ziff. 4 und 5 der Bundesverfassung, fei das Besteurnngsrecht gegenüber von Niedergelassenen dem Niederlassungskanton eingeräumt, auch gebe es wol keinen Kanton , welcher nicht für Kantonalzweke die Niedergelassenen so gut wie die Bürger bestenre , und umgekehrt habe wohl kein Kanton je prätendirt, seine in andern Kantonen niedergelassenen Bürger für beimische Kantonalzweke mit Staatssteuern zu verfolgen.

Der gleiche Grundsaz müsse aber auch bei Gemeindesteuern gelten.

Nun sei bereits dargethan , daß dem Niederlassungskanton das Besteurungsrecht gegen Niedergelassene zustehe, und zwar unzweifelhaft auch in Gemeindefachen, theils durch gleichförmige Belastung der selben mit den Ortsbürgern, theils durch Auflegung von Leistungen, welche nicht größer sein dürfen, als diejenigen der Niedergelassenen des eigenen Kantons ; und selbst die Beschränkung, daß dieselben in eigentlichen Gemeinde fachen von vorherrschend privatrechtlicher Natur nicht

579 .nitstimmen dürfen, bestätige nur die Regel. Diese Befugniß der Besteuerung Niedergelassener sei auch wiederholt vom Bundesrathe anerkannt worden und der Kanton Thurgau übe dieses Recht unbedingt aus.

Uebrigens liege dieses Recht in der Natur der Sache ; denn dem Niedergelassenen stehe die Kirche und Schule offen und die Polizei schüze ihn und sein Eigenthum.

Umgekehrt sei es den natürlichen Verhältnissen zuwider, einen Bürger über die Gränzen seines Kantons hinaus zu belangen für Anstalten und Einrichtungen , welche ihm zur Zeit nur der Niederlassungsort darbiete und die ihm nur dort von Nuzen fein können. Auch der Umstand ändere hieran nichts, daß ein abwesender .Bürger stets heimkehren und in der Noth Unterftüzung verlangen könne; denn es liege eben in der Idee des Bürgerrechts, daß der Bürger jederzeit und auf so lange ..r wolle, auf fremden Boden und unter fremde Gesezgebung ziehen könne; inzwischen fei das Bürgerrecht als schlafend anzusehen und der heimathliche Staat verzichte durch die Gestattnng der auswärtigen Niederlassung auf die Anwendung und Konkurrenz seiner Geseze. Nach dem positiven Wortlaute der Bundesverfassung bestehe die Idee des schweizerischen Bürger- und Niederlassung^ rechtes darin, daß ersteres fich über die ganze Schweiz ^rstreke und daß lezteres in einer freien, unbelasteten Niederlassung und an jedem Orte des Vaterlandes bestehe und den Niedergelassenen politisch dem Ortsbürger ^gleich stelle. Daher gebe es, abgesehen von GenossenVerhältnissen, neben derjenigen am Niederlassungsorte .keine andere Ausübung von Bürgerrechten , solglich ^auch keinen Zwang zu anderweitiger Erfüllung von Bürgerpflichten. Von einer freien unbelästigten Nie.^erlassung könne nur dann die Rede fein , wenn

580 einerseits der Wegzug vom Heimathsorte frei und unbelästigt fei und andererseits der Niedergelassene neben Pflichten , welche er am Niederlassungsorte zu tragen habe, nicht gleichzeitig und fortlaufend einen Tribut an feine Heimath bezahlen müsse. Diese doppelte Belastung wäre weit schlimmer als alle Erhöhung der Niederlassungsgebühren , und das allgemeine Schweizerbürgerrecht und die Niederlassnng wäre keine Wahrheit , wenn der Niedergelassene stets einen nachjagen^ den Standes- oder Ortsherrn hinter sich zu fürchten und von dortiger Gerichtsbarkeit abhängige Gebühren zu entrichten habe.

Umgekehrt bleibe die kantonale Souveränetät. in ihrer ganzen Fülle, wenn fie so weit reiche als ihr Territorinm. Daß fie nicht weiter reiche, liege auch im Art. 43.

der Bundesverfassung, wonach kein Kanton einen Bürger des Bürgerrechts verlustig erklären könne, auch wenn derselbe jeder Leistung an seine Heimath entginge. Ein Ansfluß der Staatshoheit bestehe vielmehr darin, jeden Uebergriff eines andern Staates zurük zu weifen. Dürfe der Staat den Niedergelassenen besteuern, fo müsse er ihn auch, gleich dem Bürger, vor fremden Lasten fchüzen:. er müsse ihn nach Art. 41, Ziff. 4 der Bundesverfassung feinen Gesezen gemäß behandeln und könne folglich kein fremdes Gefez auf ihn anwenden lassen. Hiemit stehe im Einklang der Art. 50 der Bundesverfassung, der unverkennbar den Grundsaz enthalte, daß jeder Einwohner, Nieder^ gelassene oder Bürger mit seiner Person und seinem Gesammtvermögen unter der Gefezgebung und Jurisdiktion des Wohnortes stehe. Nun könne es keinem Zweifel unterliegen, daß Steuern, welche nicht besonders auf liegendem Gute haften , unter die persönlichen Ansprachen gehören. Der Richter anderswo habe selbst

581 keine Befugniß , für eine Steuer einen momentanen Arrest zu legen, geschweige denn fich die Competenz in der Hauptsache anzumaßen.

Wenn nun auch jedem Kanton die volle Souveränetät über feine Niedergelassenen zustehe, fo verstehe es fich, daß er mehr oder weniger darauf verzichten und durch Konkordate feine Rechte freiwillig beschränken könne..

Wo aber solche fehlen, sei jeder Kanton Herr in seinem Haufe. St. Gallen fei bisher keinem Konkordate beigetreten, welcher das Territorialrecht befchränke. Dennoch werden auswärtige Steuerforderungen nicht durch allgemeine Verordnungen auf dem Adminiftrativwege unbedingt ab-, fondern an den Richter gewiefen, weil kein Gesez solche Ansprachen unbedingt verbiete; weil ferner eine finguläre Bestimmung des Gemeindesteuergefezes für einen Fall (bei neuen Kirchenbauten) eine beschränkte Besteurung auswärts wohnhafter Bürger gestatte, ^besonders aber, weil das Gesez über den Zivilprozeß jede Frage über Steuerpflicht und Steuerbetrag

dem gewöhnlichen Richter zuweise. Die Regierung sei daher nach Art. 48. der Bundesverfassung verpflichtet gewesen, die fraglichen Forderungen gerade fo zu behandeln, wie fie Forderungen des eigenen Fsnanzdepartements behandelt habe. Wenn aber Thurgau für alle Kirchen-, Schul- und Armenkorporationen das Besteurungs- und Indikaturrecht verlange , fo zeige gerade

der Umfang dieses Begehrens dessen Unstatthaftigkeit; denn das Doppelsteuern für Kirchen-, Schul- und Ar.menzweke müsse äußerst drükend werden und das Wegziehen sowol, als das anderwärtige Fortkommen sehr erschweren. Endlich seien noch einige spezielle Momente der Gesezgebung geeignet, diese Anschauungsweise beson^ ders zu unterstüzen, nämlich :

582 a. Die Bundesgesezgebung gestatte ganz ausnahmsweise in einem einzelnen Falle die Exterritorialität eines Niedergelassenen, nämlich für die Mitglieder des Bundesrathes; hier werde ausdrüklich bestimmt,

daß dieselben im Heimathskanton politisch berechtigt und verpflichtet seien , namentlich stenerpflichtig.

Diese Ausnahme bestätige also die Regel.

b. Nach Art. 144 und 145 des Bundesgesezes über die Militärorganisation sei die Militärftener, fo

wie der persönliche Militärdienst am Riederlassnngsorte zu leisten, was der Natur der Sache vollständig entspreche.

c. Der nämlichen natürlichen Richtung seien diejenigen Kantone gefolgt, welche in jüngerer Zeit ihre nieder-

gelassenen Militärpflichtigen günstiger behandelt haben.

In St. Gallen wie anderswo haben die Kantone, nicht ohne ihre Belästigung, in den Beiträgen,

welche sie den Milizpflichtigen leisten , den frühern Unterschied zwischen Bürgern und Niedergelassenen aufgehoben. Die gleiche Gewalt der Umstände und Prinzipien werde fich weiter in dieser Richtung geltend machen und allmählig die Schranke beseitigen, welche alt hergebrachte Gewohnheiten zwischen Bürgern und Niedergelassenen aufgerichtet hatten.

Wenn alle Kantone fich entschlossen haben, die Niedergelassenen in jeder Hinficht den Bürgern gleich zu stellen, fo werde eine reiche Ouelle internationaler Streitigkeiten verfiegen, eine mächtige Scheidewand zwischen Bürgern und Bürgern sallen, die Administration der Kantone und Gemeinden an Einfachheit gewinnen und das schweizerische Bürgerrecht erst seine rechte Bedeutung erhalten.

583 Schließlich spricht die Regierung von St. Gallen die Erwartung aus, daß der Bundesrath, ungeachtet einiger entgegen stehender Entscheidungen in Spezialfällen, in nochmaliger Erwägung der wichtigen, allgemeinen Verhältnisse den Grundfaz anerkenne, daß das Souveränetätsrecht der Kantone fich nicht über ihr Gebiet hinaus erstreke, fondern vielmehr das Recht der Besteurung der Niedergelassenen die simultane Ausübung des gleichen Rechtes ab Seiten anderer Kantone ausschließe, und daß mithin das Begehren von Thurgau abzuweisen sei.

So weit die Darstellung der beiden Kantonsregierungen.

Der Beurtheilung dieser entgegen stehenden Ansichten müssen wir einige allgemeine Bemerkungen voraus sanken.

Obwol eine allgemeine, prinzipielle Entscheidung der Streitfrage, wie fie von Thurgan gewünfcht wird, als Bedürfniß erscheint, zumal der fragliche Gegenstand schon wiederholt zwischen andern Kantonen zu Erörterungen führte und noch führen wird, fo liegt es nicht in unferer konstitutionellen Stellung, mit rechtlicher Wirkung eine allgemeine Norm aufzustellen; wir haben es bloß mit der Entscheidung der konkreten, streitigen Fälle zu zu thun, und auch diese Entscheidung hat nur dann rechtlichen Bestand, wenn sie von den beteiligten Kautonen oder Privaten nicht vor eine höhere Instanz gezogen wird. Und wenn auch die Motive unserer Entscheidungen ganz allgemeiner Natur sind und somit der Anschein einer prinzipiellen Lösung gewähren, fo bleiben sie gleichwol nur eine unverbindliche Anschauungsweise unserer Behörde. Immerhin kann es nur erwünscht fein, wenn dieser Fall die Einleitung zu einer definitiven Entscheidung bildet, mag fie in diesem od..r jenem Sinne ausfallen.

Bundesblatt. Jahrg. v. Bd. II.

4^

5.^4 ^n so wenig liegt es in unserer Stellung, aus allgemeine Gründe der Zwekmäßigt^it näher einzutreten.

Es ist in dieser Hinficht manches schöne Wort gesprochen worden, das gewichtig in die Wagschale sa.len dürfte, wenn ^s sich um Einführung neuer Bundes- und Kantonali^.stitutionen handeln würde. Allein wir haben es nur mit dem Bestehenden Rechte zu thun und utit den Verhältnissen , wie fie in ihren .Licht^ und Schattenseiten vor uns liegen.

Zur Sache selbst übergehend, ha^en wir schon in mehreren Spezialfällen unsere Anficht dahin ausgesprochen, daß eine Gemeinde, welche nach den Steuergesezen ihres Kantons einen abwesenden Bürger befieure, denselben an seinem Domizil belangen müsse, daß abt.r der leztere^ wenn er die Steuerpflicht grundsazlich befreite, fich an die kompetenten obern Behörden seiner Heimath zu wenden habe. Wir werden bei der Erörterung des Art. 50 der Bundesverfassung auf diesen Saz und das dadurch bedingte Verfahren zurük kommen. ^s ist nun diese Anficht, welche auf dem Prinzip de.s Art. 3 der Bundesverfassung beruht, von einem doppelten Gesichtspunkte aus bestritten worden, weil nämlich die Souveränetät d.es Kantons einerseits durch die Bestimmung gen der Bundesverfassung und andererseits durch das Gebiet des Kantons beschränkt werde. Wir müssen dieses grundsäzlich und im Allgemeinen zugeben, kommen aber nicht auf die Schlußfolgerung , daß alle diese Beschrankungen auf ein reines Territorialsystem der Kan^ tone führen , vielmehr halten wir dafür, diese Beschränk kungln greifen mehrfach in einander auf Kosten des.

ei.ren wie des andern Systems und die Grundidee der Bundesverfassung über die Coexistenz der Kantone in dem Bunde sei die: Politische Einheit des Bundes nach

585 außen, verbunden mit möglichster .Freiheit der kantona-

len Entwiklung, fo weit diefe nicht speziell durch den Bund beschränkt ist.

Wenn nun vermiedene Kantone auf Grundlage des Art. 3 der Bundesverfassung ein Steuersystem aufgestellt haben, wonach die Gemeinden berechtigt werden,..

auch ihre abwesenden Bürger für gewisse Steuern in Mitleidenschaft zu ziehen, so srägt sich vor Allem: ist dieses Hoheitsrecht der Kantone, die Steuergeseze auf alle ihre Bürger auszudehnen, durch die Bundesverfassung beschränkt? Großes Gewicht legt hier die Regierung von St. Gallen vor Allem auf den Art. 4l, Ziff. 4 und 5 der Bundesverfassung. Dieser enthält aber keinen Widerspruch mit Art. 3. Niemand bezweifelt, daß der Niederlassungskanton nicht befugt sei, seine Steuergesezgebung auf die Niedergelassenen anzuwenden und Thurgau petitionirt nicht, daß St. Gallen die thurgauischen Niedergelassenen mit den dortigen Steuern verschone. Die St. Gallische Souveränetät, alle Personen und Sachen zu besteuern, die innerhalb seiner Kantonsgränzen find, steht also nicht im Mindesten in.

Frage. Allein im Art. 41 ist nichts enthalten, das den.

Niedergelassenen außer jeden Verband mit seinem Heimathskanton stellt und ihn jeder Verpflichtung gegen denselben entledigt. Eine solche .Folgerung ist nur aus dem St. Gallischen Gesezgebungssystem herein getragen und liegt durchaus nicht im Art. 41 der Bundesverfassung. Vielmehr bestimmt dieselbe ausschließlich und ohne alle Rüksicht auf den Heimathskanton das Verhältniß des.

Niederlassungskantons zu dem Niedergelassenen und zwar so, daß diesem Kanton zu Gunsten des leztern eine Reihe von Beschränkungen auferlegt werden. Wenn im Eingang des Artikels vom Recht der freien Rieden

586 lassung gesprochen wird, so weiß wol jedermann, daß dieser Ausdruk gebraucht wurde, im Gegenfaz des frühern Zuftandes, nach welchem die Kantone die Niederlassung überhaupt verweigern oder mit beliebigen Taren, Kautionen u. s. w. beschweren konnten. Anders verstanden wäre der Artikel keine Wahrheit; denn es gibt keine k o s t e n f r e i e Niederlassung. Iener Ausdruk will also offenbar nichts anderes sagen , als daß jedem Schweizerbürger unter den im Art. 41 enthaltenen Bedingungen die Niederlassung frei flehe.

Wenn nun die St. Gallische Souveränität in Bezug auf das Steuerwesen nicht im Mindesten beeinträchtigt wird , so mag man es auf der andern Seite als einen Uebelfiand betrachten , daß dieselben Personen für gewisse Steuern doppelt in Anspruch genommen werden.

Würde es sich um eine eidgenössische Steuer handeln, so wäre es allerdings eine Unmöglichkeit, diese bei der gleichen Person an zwei Orten zu erheben; allein es handelt sich . um Ausflüsse rein kantonaler Gesezgebnngen und es ist daher die im St. Gallischen Berichte ausgesprochene Anficht, daß die Bürger des zu einem Einen und G a n z e n g e w o r d e n e n BundesM a a t e s hinsichtlich der gleichen Pflicht nicht doppelt verbunden sein können, nur relativ richtig, d. h. hinsichtlich der Pflichten gegen den Bund. Die Schweiz ist in Be.zug auf ihren innern Organismus nichts weniger als "ein Eines und Ganzes", sondern ein Fünfundzwanzigfaches, das nur in einigen speziellen Beziehungen unter gemeinsamen Grundsäzen und Regeln steht, und es muß namentlich hervorgehoben werden, daß mit .Ausnahme der Zölle der Bund keinerlei Abgaben erhebt ...tnd daß die ganze Steuergesezgebung Sache der Kan...one ist, welche also in dieser Hinficht unter dem Schuze

587 des Art. 3 der Bundesverfassung stehen, sofern nicht andere Artikel den leztern beschränken. Wurde nun die Möglichkeit, für gewisse Steuern an zwei Orten belangt werden zu können, allerdings als ein Uebelftand anerkannt, so erfordert die Billigkeit, auch die Kehrfeite zu betrachten. Während, wie wir bereits bemerkt haben, durch das thnrgauische Begehren weder die St. Gallischeu Steuergeseze, noch die St. Gallischen Bürger irgendwie berührt und beeinträchtigt werden, hat das Begehren St. Gallens umgekehrt zur Folge, daß es sehr tief in die Gefezgebung anderer Kantone eingreift und diefelben zwingen will, sie in Steuerfachen abzuändern und das St. Gallische System zu adoptiren.

Eben so tief greift es in den Gemeindehaushalt anderer Kantone ein, so weit dieser sich auf Kirchen-, Schulund Armenzn.eke bezieht. So lange das Gemeindewefen auf den Grundlagen beruht, die in einem großen Theile der Schweiz seit Iahrhunderten herkömmlich find, und so lange die Kantone befugt find, die Niedergelassenen im Verarmungsfalle heim zu schiken, so lange hat das schweizerische Bürgerrecht nicht die hohe und universelle Bedeutung , welche ihm in dem Berichte der Regierung von St. Gallen beigemess..n wird , und es muß daher als gerecht und biitig erscheinen, wenn die Steuergesezgebung der Kantone für gewisse bleibende Zweke und Anstalten, deren unentgeltiche Benuzung den Bürgern oder ihren Descendenten zu allen Zeiten offen steht, dieselben theilweise in Mitleidenschaft zieht, wo fie auch sich aufhalten mögen. Die n a c h j a g e n d e n H e r r e n , deren der St. Gallische Bericht erwähnt, würden wol von selbst verschwinden, wenn es keine f o r t j a g e n d e n Herren gäbe, oder mit andern Worten, wenn die Behörden des Domizils die Niedergelassenen, nachdem fi..:

588 dieselben besteuert, so lange fie etwas besaßen, nicht heimschiken würden, sobald fie verarmt find. Wegen des Schuzes der Personen und des Eigenthums ist es

sehr natürlich und billig, die allgemeinen Staats- und Gemeindesteuern am Niederlassungsorte zu bezahlen, und unseres Wissens fällt es auch keinem Kanton ein, etwas Abweichendes festzustellen. Die Armensteuern aber dieuen nur zur Unterstüzung der Armen, und hier finden die Schweizerbürger das Aeqnivalent und die Hilfe in der Noth nur in der Heimath. Ebenfo pflegen die außerordentlichen Auslagen für den Bau neuer Kirchen und Schulhäuser auf alle Bürger vertheilt zu werden, wo fie wohnen mögen, weil diese Anstalten auch künftigen Generationen dienen sollen und ein bleibendes Eigenthum der Gemeinde bilden, welcher auch die abwesenden Bürger angehören.

Das eigentümliche dieses Verhältnisses ist so einleuchtend, daß auch St. Gallen troz des Territorialsystems in Bezug auf Kirchenbauten ein ähnliches Gefez hat, wie

dasjenige, gegen welches dieser h. Stand fich dem Kan..on Thurgau gegenüber beschwert, und wenn diefes Ge.-

sez auch nicht fo weit geht, fo läßt fich prinzipiell alles dagegen anführen, was die Regierung von St. Gallen gegen Thurgau angeführt hat.

Auch der Art. 43 der Bundesverfassung wurde gegen die thurgauifche Beschwerde erwähnt, indem fich daraus ergebe, daß niemand des Bürgerrechts verlustig erklärt werden könne, also auch dann nicht, wenn er allfällige Verpflichtungen gegen den Heimathskanton nicht erfülle.

.Ohne dieses bestreiten zu wollen, vermögen wir die Schlüsstgkeit und den Zusammenhang diefes Sazes mit der vorliegenden Frage nicht einzusehen. Denn aus der Unmöglichkeit, einem Bürger fein Bürgerrecht zu ent-

ziehen, folgt gewiß nicht, daß ein Kanton nicht befugt

^ sei, denselben für seine Verpflichtungen zu bangen und seine Gesezgebung auf ihn anzuwenden, so weit die bestehenden Bundeseinrichtungen dieses zulassen.

Im Fernern wurde des Art. 48 der Bundesversassung erwähnt, weil nach demselben die Regierung von St. Gallen fich verpflichtet gefühlt habe, die thu.rgauischeu Niedergelassenen wie die Kanton.sbürger zu behandeln. Wir haben bereits gezeigt, daß nichts entgegen stehe, die St. Gallischen Steuergeseze auf dieselben anzuwenden, und ebenso mag das dortige gerichtliche Verfahren Statt finden, in fo weit die St. Gallischen Gerichte zur Entscheidung kompetent find. Man muß aber nicht übersehen , daß es fich hier um eine Kompetenzfrage handelt, welche, wie alle Fragen dieser Art, ganz außer dem Bereich des Art. 48 liegen , welcher offenbar die Kompetenz voraus sezt.

Ein größeres Gewicht scheint die Regierung von St. Gallen auf den Art. 50 der Bundesverfassung zu legen, nach welchem der solvente seßhafte Schuldner für persönliche Forderungen an feinem Wohnort zu belangen fei. Wenn wir auch einerfeits anerkennen, daß Steuersorderungen in der Regel nicht dingliche Klagen feien,

und wenn wir keineswegs die Abficht haben, dieselben dem erwähnten Verfassungsgrundsaze und im vorliegenden Falle der Aktion der St. Gallischen Gerichte ganz zu entziehen, so hegen wir auf der andern Seite entschieden die Ueberzeugung, daß der Art. 50 fich auf

rein zivilrechtliche Fragen und Verhältnisse bezieht und keineswegs auf Fragen des öffentlichen Rechts. Hier handelt es fich aber nicht bloß darum, gegen Steuerforderungen Einreden zivilrechtlicher Natur aufzustellen und deren Beurteilung den St. Gallischen Gerichten zu unterwerfen, sondern die leztern sollen auch berechtigt

.59l) werden, über die rein staatsrechtliche Frage zu entscheid den, ob der Kanton Thurgau berechtigt fei, feine abwefenden Bürger mit einer Steuer zu belegen. In dieser und nur in dieser Beziehung bestreiten wir die Anwendbarkeit des Art. 50, weil damit die Kompetenz begründet werden will, über die Existenz und den Umsang des Besteurungsrechts anderer Kantone gegenüber seinen Angehörigen zu entscheiden. Aus dem Gesagten solgt daher , daß der Art. 50 auch bei Steuerforderungen keineswegs seine Bedeutung verliert, sondern sie namentlich in den zwei folgenden Beziehungen bei-

behält.

1) Die Heimathsgemeinde der besteuerten Bürger ist nicht berechtigt , zur Deknng der Steuer einen Arrest auf fein Vermögen zu legen, fondern fie muß ihn an seinem Wohnort, wie sür eine andere Schuldforderung belangen.

2) Im Fall der Bestreitung können alle Einreden, welche zivilrechtlicher Natur find, vom Gerichte des Wohnortes ausgetragen werden, z. B. die Einrede der Zahlung, Kompensation, Novation, Verjährung u. s. w. Dagegen hat das Gericht sich nicht zu befassen mit der Frage, ob die Besteurung grundfäzlich gerechtfertigt und der Steueransaz (Ver-

leger) richtig sei, weil die Beurtheilung dieser Fragen unzertrennlich ist von der Ausübung des Hoheitsrechts selbst und daher nicht der Entscheidung kantonsfremder Gerichte nach fremden Gesezen unterworfen werden kann.

Nach diesen Grundsäzen würde fich daher das Verfahren einfach so herausstellen : Wird der Besteuerte mit dem Rechtstriebe belangt, und will er die Steuer-

Pflicht an fich oder die ihm auferlegte Quote bestreiten,

591 so wendet er sich an die kompetente Oberbehörde feines Heimathskantons und verlangt eine Bereinigung darüber, die er dann derjenigen Behörde feines Wohnorts , welche die Exekution in Schuldfachen fufpendiren darf, zu diesem Behufe mittheilt. Anerkennt er dagegen die Steuerforderung an sich und will ihr lediglich anderweitige Einreden entgegen stellen, so hat er sich direkt an die leztere Behörde zu wenden und es tritt fofort das im Niederlassungskanton übliche Verfahren ein. Aus dem Gesagten geht alfo hervor, daß es sich nicht darum

handelt, die Gerichtsbarkeit des Wohnortes im Allgemeinen abzulehnen, sondern lediglich in Bezug auf die Frage des Befteurungsrechts, während die ganze zivilrechtliche Seite der Sache nach den von St. Gallen gewünschten Grnndsäzen behandelt wird.

Mit dem Gesagten glauben wir nachgewiesen zu haben, daß die angerufenen Artikel ^der Bundesverfafsung nicht geeignet sind, den Grundsaz des Art. 3 in der von St. Gallen bezeichneten Richtung zu beschränken.

Es wurde aber auch eingewendet, daß eine natürliche Beschränkung des Art. 3 in den Gränzen des Territoriums liege. Wenn wir nun auch grundfäzlich anerkennen, daß die Geseze eines Staates in der Regel für den Umfang feines Gebiets erlassen find, fo gibt es doch fast überall fowol Zivil- als andere Geseze, welchen der Bürger immer unterworfen bleibt, er mag sich aufhalten, wo er will, fo z. B. die Gefeze über den bürgerlichen Stand , Verheiratung und alles, was Bezug hat auf feine fortbestehende Verbindung mit der Heimath.

Ist es nun allerdings nicht immer möglich, solche Geseze in andern Staaten in jedem Augenblik und direkt zur Vollziehung zu bringen , so äußern sie immerhin ihre^ rechtliche Wirkung , indem der heimathliche Staat

592 zu denjenigen Vollziehungsmaßregeln greift, die in seinem Bereiche liegen, z. B. Nichtigkeitserklärungen, Arresten, Kontumazurtheilen u. s. w.. So wird wol auch der Kanton St. Gallen Heirathen für nichtig erklären, welche seine Bürger im Auslande nach dortigen Gesezen, aber mit Umgehung der heimatlichen Geseze und Behörden abgeschlossen haben. Man fieht also , daß es sich nicht

um die Frage handelt , ob solche Gefeze giltig seien..

sondern bloß, ob fie vollzogen werden können oder sollen.

Mit Beziehung auf unsere Schweiz als Bundesfiaat stellt fich daher die Frage so : Soll eine liquide Steuersorderung, die ein Kanton an seine Bürger in einem andern Kanton zu stellen hat, am leztern Ort verweigert werden können und zwar auch dann, wenn fie dem dortigen Steuersystem durchaus keinen Eintrag thut?

Wir halten dafür, diese Frage fei zu verneinen. Denn sobald man, wie oben angeführt wurde, die Berechtitigung jedes Kantons anerkennen muß, ein Steuergesez über seine Angehörigen nach seinem Gutfinden zu erlassen. so folgt aus dem Wesen des Bundesstaates und

speziell des Art. 49 der Bundesverfassung, daß die andern Kantone der Vollziehung keine Schwierigkeit entgegen sezen und die Frage des Besteurungsrechtes nicht dem Ermessen ihrer Gerichte anheim stellen können. Ein Steuerdekret, gegen welches kein Rechtsmittel ergrissen wurde, hat als solches, und abgesehen von andern, die Steuerfrage nicht berührenden Einreden , die Bedeutung

eines rechtskräftigen Urtheils , das im Heimathskanton ohne Weiteres vollziehbar wäre. Jener Art. 49 ist eine wesentliche Beschränkung des Territorialsystems , indem er liquiden Forderungen, welche auf kompetent erlassenen

Urtheilen beruhen, rechtliche Wirkung über das Gebiet des Kantons hinaus zufichert.

593 Es bleibt noch übrig, zwei spezielle Momente zu berühren, welche die Regierung von St. Gallen am Schluße ihres Berichtes angeführt hat.

1) Der Bundesrath, fo heißt es dort, habe durch ein besonderes Gesez eine gewissermaßen erterritoriale Stellung erhalten und namentlich auch in Steuersachen ; diese Ausnahme bestätige daher die Regel, welche nach der Anficht der Regierung von St. Gallen darin besteht, daß der Schweizerbürger nur am

Niederlassungsorte steuerpflichtig fei. Das zitirte Gefez ist aber feiner Entstehung und feinem ganzen Wesen nach so fingulär, daß ihm keine .allgemeine Regel gegenüber ste^t; dasselbe wäre gar nicht in der Kompetenz des Bundes gelegen, wenn es nicht in seinem Ursprung auf einem Vertrage beruht

hätte (Vergl. Bundesbefchluß vom 27. Nov. 1848), auch betrifft es in allen hier in Frage kommenden Beziehungen nur den Kanton Bern , als nunmehrigen Bundesfiz. Zudem besteht gar keine, diefer Ausnahme gegenüber stehende Bundesregel über die Besteurnng, fondern die Bundesverfassung stellt nur den Grund faz auf, daß die Kantone durch ihre Gesezgebung die Niedergelassenen nicht schlimmer stellen sollen als ihre Bürger. Endlich folgt aus der zitirten Ausnahme bloß, daß ohne das Gesez der Kanton Bern die erwähnten Beamten besteuern dürfte, keineswegs aber, daß nur Bern allein dieses thun dürfte und daß dieselben ohne dieses Gesez keinerlei Verpflichtungen mehr gegen ihren Heimathskanton hätten.

2) Noch wird das eidgenössische Militärgesez als Beifpiel aufgestellt, nach welchem die Militärpflicht und deren Erfaz am Niederlassungsorte zu leisten sei.

594 Allein nach unserer Anficht ist ein Schluß von dieser Institution auf die vorliegende Frage wegen enormer

Verschiedenheit der Verhältnisse logisch ganz unzuläßig. Vorerst besteht die Militärpflicht der Regel nach in persönlichen Leistungen , und wir möchten es daher fast eine physische Unmöglichkeit nennen, die militärpflichtigen Niedergelassenen zu jeder Uebung zuerst nach Hause zu schiken. Sodann aber ist die Militärpflicht vorherrschend eine Bundespflicht und

deßhalb das Militärwesen größtenteils zentralst, während das Besteurungsrecht umgekehrt, mit Ausnahme der zollartigen Gebühren , der kantonalen Hoheit überlassen blieb. Muß nun die persönliche Militärpflicht am Orte der Niederlassung geleistet werden, fo war es eine nothwendige Folge, daß auch die Steuer, welche in Ausnahmsfällen das Surrogat bildet, dort abzutragen ist.

Aus den entwikelten Gründen geht daher nnfer Beschluß dahin : Es sei das von der Regiernng von Thur-

gau hinsichtlich der beiden Spezialfälle gestellte Begehren begründet und den erwähnten Steuerforderungen die Vollziehung zu gestatten, in fo fern die Besteuerten fich nicht ausweisen, daß sie an die thurgauifchen Oberbehörden rekutrirt haben, und in fo fern sie nicht andere, von dem Besteuerungsrecht unabhängige, zivilrechtliche Einreden geltend machen.

VIl.Besorgnng

Diefes Kapitel ist im Grunde ziemlich komplex, denn

der eigentlichen es umfaßt unter anderm :

polizeilichen Geschäfte, be- 1) die Niederlassung der Schweizer treffend das .Niederlas-

sunswesen, das Vereins-

a. in andern Kantonen, b. im Auslande, in Kraft von Verträgen oder

auf andere ^

595 2) die Niederlassung von Fremden in der Schweiz, in Kraft von Verträgen oder auf andere Weife; 3) die Aufnahme und Wegweifung von Individuen, die sich niederlassen wollen oder niedergelassen haben;

xecht,diePrej die Heimath losen und Fremden. b a. Niederlas

4) den bloßen Aufenthalt; 5) die Durchreise;

fungswefen.

6) die mit der Niederlassung oder dem Aufenthalt zusammen hängende Ausübung von Rechten, nämlich

politische Rechte (für die Schweizer), .Betreibung von Gewerbe und Handel, Erwerbung von beweglichem und unbeweglichem Vermögen;

7) Lasten, wie z. B. Gebühren für die Niederlassungsoder Aufenthaltsbewilligung, für Ausübung gewisser Industriezweige, Abgaben, allfälliger Militärdienst.

Diese Angabe hat zum Zweke, die verschiedenen Beziehungen darzustellen, unter denen die Bundesverwaltung die ihr vorgelegten Fragen zu betrachten hat.. Die Fragen, welche die Schweizer im

Ausland und die Ausländer in der Schweiz betrifft, fallen eben sowol in den Geschäftskreis des

politischen Departements, als in den des Justizund Polizeidepartements.

Obgleich verschiedene Beschwerden erhoben wurden, besonders von Schweizern, die als Angehörige eines Kantons in einem andern niedergelassen find oder sich dort aufhalten, so haben wir doch aus den im Eingang des VI. Abschnittes über die Kompetenzkonflikte und andere Streitigkeiten angegebenen Gründen ziemlich wenig zu erwähnen.

34) Hinfichtlich der Verweigerung oder des Ent- aa. Niederl

zuges der Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung, lung oder enthal .nämlich Wegweifung aus dem Kantone, hat der Bundes- Schweizern rath den Grundsaz festgehalten, daß der Verlust der bür- andern als Heimathsfo tonen.

596 gerlichen Rechte und Ehren dazu genüge, auch wenn derselbe nur für eine bestimmte Zeit ausgesprochen fei.

.bb. Schweizer 35) Auf jede erhobene Beschwerde wurden die im Anlande. Schweizer vom Dienst in der Rationalgarde in Krankreich und in den sardinischen Staaten besreit.

36) Man hat im Berichte des politischen Departementes (Seite 47 ff.) bereits gesehen, wie die Schweizer, besondere die Handwerker, im Großherzogthum Baden behandelt werden, und aus welchen Gründen.

Wir fügen bei, daß die schweizerischen Handwerker in einigen Theilen Norddeutfchlands , vorzüglich in Sachsen, mit einer großen Strenge behandelt werden, und daß fie auf ihrer Reife jeder Art von Hindernissen ausgefezt find. Diese Plakereien haben überall dieselbe Ursache, nämlich die falschen Ansichten, welche eine übelwollende Presse über den Stand der Dinge in der Schweiz verbreitet hat. Man betrachtet diefe als einen Herd revolutionärer Propaganda, überfüllt von Fluchtlingen, welche Komplotte gegen die ausländischen Regierungen anzetteln und über zahlreiche, zu den ärgsten Umsturzlehren sich bekennende Arbeitervereine verfügen können.

Beschwerden werden nicht angehört. Wir hoffen aber, daß die Wahrheit sich Bahn brechen und daß, wenn diese Wolken zerstreut sind, die gegen die Schweizer ergriffenen ungewöhnlichen Maßregeln mit dem Schreken, der sie diktirt hat, wegfallen werden.

cc. Durchreife

37) .Das Großherzogthum Baden hat auch der

von einem Lan- Durchreife deutscher Arbeiter aus andern Staaten, die in de zum andern Rükkehr. ihre Heimath zurükkehren oder dahin geschikt werden, grosse

Schwierigkeiten entgegen gesezt. Es verlangt nämlich: a. daß fie mit Requifitorialbriefen von ihrer Regierung versehen seien, welche die Erlaubniß zu ihrer Heimkehr enthalten:,

597 b. daß fie hinlängliche Baarschaft für ihre Reise vorweifen.

Die Beschwerden haben zu keinem Resultate geführt, indem dre badische Regierung sagte, fie wolle fich vor fremden schüzen, die ihr zur Last fallen könnten.

38) Die nämliche Regierung fezt öfters auch der Rükkehr badischer Angehöriger in ihre Heimath Schwierigkeiten entgegen, weil die Gemeinden fie nicht anerkennen wollen, unter dem Vorwande, daß ihre Schriften nicht echt oder nicht hinreichend feien. Man gab jedoch

zulezt der Evidenz nach ; allein dieß alles führt zu Verzögerungen und Kosten.

39) Da die sardinische Gesandtschaft sich darüber dd. Jn ^

beschwert hatte, dass die im Kanton Waadt wohnhaften Schweiznieder sardinischen Angehörigen, entgegen dem Vertrage, der gelassene oder Militärsteuer unterworfen würden, und da die Regierung wohnhafte Frem von Waadt Bemerkungen im entgegengesezten Sinne einreichte, so erklärte der Bundesrath am 15. Dezember 1852, daß er die Beschwerde der sardinischen Gesandtschast aus den in ihrer Zuschrift entwikelten Motiven begründet gefunden habe und deshalb die Regierung von Waadt einladen wolle, .den Vertrag in dem von ihm aus einander gesezten Sinne anzuwenden.

Diese Vorstellungen berükfichtigend, antwortete der Staatsrath des Kantons Waadt unterm 14. Mai 1853 : "Ohne die Begründtheit der Entscheidung, die Sie in fraglicher Beziehung aussprechen zu müssen geglaubt haben, anzuerkennen und indem wir unsere Meinung beibehalten, daß der Vertrag mit Sardinien in dem Sinne ausgelegt werden müsse, daß die im Kanton Waadt niedergelassenen sardinischen Angehörigen die Militärstener zu bezahlen haben, so wollen wir dennoch im gegenwärtigen Momente keinen Konflikt vor der Bundes-

598 verfammlung erheben, fondern uns die Rechte des Kantons Waadt und die Beschlüsse vorbehalten, die unser Große Rath in dieser Angelegenheit fassen könnte; wir haben daher die Ehre, Sie, Herr Präsident, Herreu Bundesräthe, getrene liebe Eidgenossen, davon in Kenntniß zu fezen, daß wir für den Angenblik den Bezug der Militärsteuer von fardinifchen Angehörigen, die im Kanton Waadt niedergelassen find, einstellen werden."

Auf diese Weise ist der Zwist für den Augenblik.

wenigstens beendigt.

40) Der Bundesrath hat mehrere Petitionen erb. Vereins..

recht.

halten, welche gegen den Beschluß des Regierungsrathes aa. Schweizer von Bern vom 16. Inni 1852, betreffend den Grütlimische Bereine.

v e r e i n und einen Theil seiner Mitglieder, Beschwerde erhoben. Der Beschluß lautet wie folgt : "Der Regierungsrath des K a n t o n s Bern, "nachdem fich aus einer durch Befchimpfungen der "Regierung von Seite mehrerer Mitglieder des sogenann,,ten s c h w e i z e r i s c h e n G r ü t l i v e r e i n s in Thun ver,,anlaßten Untersuchung ergeben : "1) daß dieser Verein eine Menge sozialistischer "und kommunistischer Bücher und Flugschriften hält, "welche den vorgefundenen Korrespondenzen zufolge zur "Verbreitung im Volke bestimmt find, welche als Zwek "des Vereins bezeichnet erscheint; "2) daß den in den Vereinsprotokollen eingetrage"nen Zentralberichten zufolge der Verein sich seit län,,gerer Zeit offener Feindseligkeit gegen die bestehende "Staatsordnung und ihre Träger, somit geheimer WühAlerei gegen die öffentlichen Zustände überhaupt hingege"ben hat; .,3) daß der Verein den Korrespondenzen zufolge ,,auch mit gleichartigen auswärtigen, dieselben Tendenzen

599 "verfolgenden Gesellschaften Verbindungen .unterhalten ,,hat; "4)

daß ein Kopierbuch des Vereins, dessen Existenz

"hergestellt ist, bei Seite geschafft und der Einficht der "Polizeibehörde entzogen worden ist; "erwägend, daß durch den lezterwähnten Umstand "der Verein fich des Charakters eines öffentlichen Vereins "begeben hat, und daß fich aus dem ganzen Sachverhalt "ergibt, daß der s c h w e i z e r i s c h e G r ü t l i v e r e i n statt "des anerkannten Zwekes wissenschaftlicher Ausbildung "und gemeinnüziger Thätigkeit oder neben demselben "gemeingefährliche Gtnndsäze im Volke verbreitet und

"fich politischer Wühlerei hingegeben hat; in Anwendung "des §. 78 der Staatsverfassung, und auf den Antrag "der Iustiz- und Polizeidirektion,

"beschließt: "Art. 1. Der sogenannte s c h w e i z e r i sche Grütli" v e r e i n ist im ganzen Umfange des Kantons Bern auf"gehoben und für die Zukunft untersagt.

"Art. 2. Iede fernere Zusammenkunft oder Ver"handlung des s c h w e i z e r i s c h e n G r ü t l i v e r e i n s ist "als Störung der öffentlichen Ordnung erklärt, und es ist "gegen die Teilnehmer nach Vorschrift des Strafgefezes "einzuschreiten.

,,Art. 3. Kantonsfremde, welche nicht förmlich an,,gesessen find nnd dem s c h w e i z e r i s c h e n G r ü t l i v e r e i n "angehört haben, oder fich von nun an einer Wider"handlung gegen diesen Beschluß schuldig machen, find "überdieß von Polizei wegen ans dem Kanton fortzu"weifen.

"Art. 4. Sämmtliche Polizeibehörden des Kantons, "insbesondere aber die Direktion der Iuftiz und Polizei Bundesblatt. Jahre. v. Bd. II.

49

600 "und die Zentralpolizei, fo wie die Regierungsstatthal"terämter find mit der fofortigen Vollziehung und stren,,gen Handhabung dieses Befchlusses beauftragt."

Bern, den 16. Inni 1852.

(Folgen die Unterschriften.)

Die Bittsteller bestreiten die Thatfachen, auf welche der Befchluß gegründet ist und behaupten, daß der Art. 46 der Bundesverfassung und Art. 78 der Bernerverfassung, welch' beide das Vereinsrecht gewährleisten, verlezt worden feien.

Die Petitionen, welche dem Bundesrathe zugekommen find, zerfallen in zwei Kategorien : 1. In Petitionen, welche Ende Iuni und Anfangs Juli 1852 von den Sektionen des Grütlivereins und andern im Kanton Bern wohnenden Schweb zern direkt an ihn gerichtet wurden ; 2. in Petitionen, welche in den ersten vierzehn Tagen des Juli von den Sektionen G e n f , W i n t e r thur, Fleurier, V i v i s , Murten, S c h a f f h a u f e n , M o r f e e und vom pr o v i f o r i f c h e n Z e n t r a l k o m i t e des Grütlivereins an den Nationalrath gerichtet waren und von diefer Behörde dem Bundesrathe am 7. und 14. Juli 1852 mit der Einladung übermittelt wurden : aa. die eingelangten Beschwerden dem Regierungsrathe de.s Kantons Bern zur Beantwortung zu übermachen und damit die Einladung zu verbinden, fämmtliche Akten, auf deren Grundlage.

der Beschluß, über welchen Beschwerde geführt wird, gefaßt wurde, einzufenden; bb. ein Gutachten , betreffend die Erledigung dieser Beschwerden , dem Nationalrath noch im Laufe der.. gegenwärtigen Sesfion (1852) vorzulegen.

^ Der Regierungsrath , dem diese beiden Kategorien von Petitionen Ende Inni und Anfangs Iuli übermittelt worden waren, hat an den Bundesrath zwei Ant-.

worten erlassen : a. die vom 27. Inli 1852, betreffend die an den Bundesrath gerichteten Petitionen;

b. die vom 9. August desselben Iahres, bezüglich der an den Nationalrath gerichteten Petitionen.

In der ersten Antwort war der Regierungsrath vorzüglich darauf bedacht , den Bundesbehörden das Recht zu bestreiten, die Motive seines Beschlusses, ob gut oder übel begründet, zu prüfen und zu beurtheilen, in Betracht, fagte er, daß er das Vereinsrecht im Grundsaze geachtet habe und daß der Beschluß als polizeiliche Maßregel im Bereiche der Kantonalsouveränetät liege. Indessen sowol der öffentlichen Meinung wegen, als ganz besonders aus Achtung vor der hohen Bun.desbehörde, gebe er einige Aufschlüsse, die seinen Beschlnß rechtfertigen können.

Was die Schweizer betrifft, deren Ausweisung aus dem Kanton durch den Art. 3 befohlen worden ist, so hält der Regierungsrath dafür, daß, da es sich um nicht n i e d e r g e l a s s e n e Schweizer im Kanton handle, der Art. 41 Ziffer 6 der Bundesversassung nicht verlezt..

worden sei und er schließt mit der Erklärung : "daß kein "Schweizerbürger aus andern Ständen, der auf dii..

"Eigenschaft eines N i e d e r g e l a f s e n e n im Kanton Bern.

"Anspruch hat, der Theilnahme am Grütliverein wegen.

"fortgewiesen werde, daß diese Maßregel vielmehr einzig ,,und ausschließlich gegen Personen in Anwendung "komme, deren Wegweisung begründet erscheinen würde,.

,,auch wenn fie am Grütliverein keinen Theil genommen "hätten."

602 In der zweiten, für den Nationalrath bestimmten .Antwort fezt der Regiernngsrath verschiedene Gründe für Nichteintreten entgegen, wie z.B. den Mangel an Rechts-

Fähigkeit und Befugniß, die Nichtbeglaubigung der Aechtheit der Unterschriften und Qualifikationen der PeRenten, die unanständige Sprache der meisten derselben "und, rührten die Beschwerden von öffentlich anerkann"ten Vereinen oder von beglaubigten Privaten her, denen ..,die Eigenschaft als Bewohner des Kantons Bern eine "Befugniß gäbe, über die Verwaltung desselben Rechen"schaft zu fordern, fo würden wir uns, sagt der Re,,gierungsrath, wie es in dem Erlasse vom 27. Iuli "über die an den Bundesrath gerichteten Eingaben aus "dem Kanton Bern geschehen ist , auch hier die ernsten "Fragen erlauben, einerseits, in wie fern es in der "Befugniß der hohen Bundesbehörden liegen könne, als "Appellationsinstanz über die Angemessenheit oder Be"gründtheit kompetenter Verfügungen zu erkennen, welche ,,von den Kantonsregierungen in ihrer verfassungsmäs"sigen Eigenschaft als o b e r s t e n P o l i z e i b e h ö r d e n "ausgegangen find, andererseits, ob nicht jedenfalls zu"nächst Beschwerdeführung bei dem Großen Rathe des "bethe.ligten Kantons einzutreten hätte." Ans diesen Gründen lehnt der Regiernngsrath des Kantons Bern jedes Eintreten auf jene Angaben entschieden ab, und fügt bei , " es werde nach dem Gesagten wol keiner "Erklärung bedürfen, wenn unter solchen Umständen ...uch "die Mittheilung der Akten unterbleibe " Das eidgenössische Iustiz- und Polizeidepartement hat über diese ganze Angelegenheit einen umständlichen .Bericht und ein Gutachten vorbereitet, die aber der Bundesrath noch nicht hat berathen können. Da die beiden .Kategorien der Petitionen den gleichen Zwek haben,

603 nämlich daß der Beschluß vom 16. Inni 1852 zurükgenommen oder demselben keine Folge gegeben werde, und weil dem Nationalrath ein Theil der Petitionen anhängig gemacht wurde, bevor der Bundesrath über die andern hätte entfcheiden können, fo steht die daherige Schlnßnahme jezt der Bnndesverfammlnng zu.

Aus diesem Grunde umfaßt der Bericht und das Gutachten die beiden Kategorien der Petitionen, die um fo mehr im Zufammenhange stehen, als fich die Regiernng von Bern in Betreff der zweiten Kategorie eventuell auf die Zufchrift vom 27. Iuli, welche die erste Abtheilung berührt,

bezieht.

Ans diefem Grunde beschränken wir uns auf die vorstehende Auseinandersezung.

41) Um die gleiche Zeit, nämlich am 1. Iuli, erhielt der Bundesrath eine Petition d. d. Freiburg den 27. Inni, und unterzeichnet ,,N am ens d e s K o mit e vor..

Pofieur von den Herren Ls. W u i l l e r e t und A. v on der W e i d , die unter Anderem auch Folgendes enthielt:.

"In der Sizung vom 15. d. M. hat der Große Rath des Kantons Freiburg nachstehenden Beschluß erlassen : "Die Auslösung des Aufregungskomite, bekannt unter dem Namen ,,Komite von P o f i e u x " , ist beschlossen worden. Der Staatsrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt."

Am folgenden Tage wurde dieser Beschluß auf folgende Weise abgeändert, refp. ausgelegt: "Das Pofieurkomite soll aufgelöst fein , fo weit es.

fich von den gefezlichen Wegen entfernt, Aufregung und Wirren hervorruft; aber feine Mitglieder follen in der Ausübung des Petitionsrechtes nicht mehr als die andern Bürger gehindert sein."

604 "Sämmtliche Mitglieder des Pofieuxkomite wurden im .Laufe der vorigen Woche nach einander vor den Präfekten des Bezirkes, in dem fie wohnen, befchieden und dann, .nachdem ihnen Kenntniß von den zwei vorhergehenden Beschlüssen gegeben worden, folgende Aufforderungen an fie gerichtet: 1) "sich innerhalb der Schranken des Petitionsrechtes

zu halten ; 2) "jeder Handlung, welche bezwekt, die verfassungsmäßige Ordnung des Staates zu stören und insbesondere jeder Organisation, welche denselben Zwek haben könnte, sich zu enthalten; 3) ,,fich aufzulösen, sobald die Petition, der zugestandene Zwek der Konstituirung als Komite, der Bundesv...rsammlung überreicht sein wird ; 4) "endlich erklärt der Präfekt, daß die Mitglieder des Komite von Pofieux für die entgegengesehen Handlangen, die fie begehen könnten, verantwortlich gemacht werden, und er ladet fie ein, ihre Unterschriften zur Bescheinigung der vorstehenden Mittheilungen und Aufforderungen dem vorgewiesenen Verbalprozeß beizufezen."

"Da die Herren Präfekten keine Bemerkung, keinen Vorbehalt, .auch nicht irgend eine Verwahrung annehmen wollten, so müssen wir fie nun an Sie, Herr Präsident, .Herren Bundesräthe, in Ihrer Eigenschaft als Hüter der .Freiheiten des Schweizervolkes richten.

Hierauf verwahren sich die Petitionärs förmlich

1) gegen die Bezeichnung alsAufregungskomitemit der Erklärung , daß sie alle Anstrengungen gema cht haben und noch machen, um die Bevölkerung in Ruhe, Frieden und Gesezlichkeit zu erhalten;

605 2) gegen die an sie erlassene Aufforderung, fich innerhalb der Gränzen des Petitionsrechts zu b e w e g e n und sich j e d e r O r g a n i f a t i o n zu e n t h a l t e n , in Betracht, daß die Volksverfammlung eine große Verbindung des Freibur-

ger Volkes beschlossen und das gewählte Komite beauftragt hat, thätig daran zu arbeiten. Die Unterzeichner berufen fich auf Art. 46 der Bundesverfassung, der das Vereinsrecht gewährleistet; 3) gegen die gemachte Aufforderung, fich aufzulösen, f o b a l d d i e P e t i t i o n der Bundesversammlung z u g e s t e l l t sein w e r d e .

Der Staatsrath des Kantons Freiburg, dem die Petition in Abschrift mitgetheilt worden, mit der Aufforderung Bericht zu erstatten, antwortete unterm 8. Iuli indem er eine Abschrist der Beschlüsse des Großen Rathes und des Kreisfchreibens an die Präfekten zustellte und

beifügte, daß jede weitere Aufklärung überflüssig fei, indem er in seiner Kompetenz gehandelt habe.

Troz der Unterschiede, die fich zwischen der Namens des Komite von Pofieur erlassenen Petition und denen des provisorischen Zentralkomite und der Sektionen des Grütlivereins finden, so haben diese Angelegenheiten nichts desto weniger einen Punkt gemeinschaftlich, nämlich das Verbot gegen organifirte Vereine von einer gewissen politifchen Bedeutung. Aus diesem Grunde hat der Bundesrath den Entscheid der Bundesverfammlung in der Grütlivereinsangelegenheit abwarten zu müssen geglaubt, um einen Entscheid in der vorliegenden Petition zu fassen. Es lag hierin um so weniger ein Nachtheil, als die Mitglieder des Pofieurkomite bei einer andern Gelegenheit erklärt haben, daß fie seit der erhaltenen

606 Aufforderung fich aufzulösen, aufgehört haben, sich zu vereinigen.

.bb. Fremdenvereine.

42) Wir haben demjenigen, was fich bezüglich der V e r e i n e f r e m d e r A r b e i t e r in der Abtheilung des

politischen Departements, Seite 51 und 52 findet, nichts beizufügen.

b. Die Presse.

43) Nur ein kantonales Gefez über die Presse wurde a. Genehmi- der Genehmigung des Bundesrathes unterworfen, es

gung kantonaler Geseze über ist dasjenige des Kantons Bern.

die Presse.

Am 2. Juni übersandte der Regierungsrath dieses Kantons dem Bundesrathe das G e s e z über den Mißbrauch der P r e s s e , über welches vom Großen Rathe in erster Berathung den 26. Mai 1852 abgestimmt worden, um dasselbe, gemäß des Art. 45 der Bundesverfassung zu genehmigen.

Da dieses Gefez im Großen Rathe sehr stark bestritten worden ist, indem es neue Bestimmungen, deren ein Theil der Versammlung die kantonale Versassnugsmäßigkeit abgesprochen hat, enthalte und sie unverträglich mit dem Art. 45 der Bundesverfassung, welcher die Preßfreiheit garantit, erklärte; da es fich um einen Vorgang von großer Konferenz für die Zukunft und für alle Kantone handelte, indem bisher kein Kantonalgefez über Preßfreiheit, ausgenommen dasjenige von Luzern, der bundesräthlichen Genehmigung vorgelegt worden; da es wahrfcheinlich war, daß die Entscheidung des Bundesrathes, welche sie anch fein mochte, auf dem Wege der Befchwerde vor die Bundesversammlung gebracht würde, und da es fich im Allgemeinen um eine Angelegenheit von hoher Wichtigkeit handelte, war das Departement der Justiz und Polizei, welchem das Gesez zur Prüfung und Antragftellung überwiefen wurde, vom Anfange an von der Verpflichtung durchdrungen, demselben eine ganz besondere Aufmerkfamkeit zu widmen.

607 Deßhalb richtete das Departement, um einen Vergleichungspunkt, eine Art annähernden Maßftabes der allgemeinen in der Schweiz in Preßfachen befolgten Praxis zu erhalten, unterm 2. Inni ein Kreisschreiben an die höhern Polizeibehörden der Kantone, in welchem es fie und ihre Geseze und andere die Presse betreffenden Beftimmungen ersuchte. Diese Geseze wurden durch einen Experten analysirt, summarisch zusammengefaßt und die einen mit den andern verglichen.

Diese vergleichende Arbeit hatte aber noch einen andern allgemeinen Zwek. Mit Ausnahme des luzernischen, von dem Bundesrathe den 26. Februar 1849 genehmigten Gesezes sind die Preßgeseze aller andern Kantone früher als die gegenwärtige Bundesverfassung, und einige find zu einer Epoche oder unter Einflüssen entstanden, welche der freien Meinungsänßernng feindselig waren.

Es war deßhalb zwekmäßig, dieselben früher oder später einer Kontrole zu unterwerfen und sich zu überzeugen, daß dieselben keine Widersprüche mit der Bundesverfafsung enthalten.

Am 19. Inni 1852 erhielt der Bundesrath und überwies dem Departement eine Denkschrist, betitelt.

V o r s t e l l u n g an den hohen Bnndesrath, betreffend das neue Preßgesez des Kantons Bern, datirt Bern den

16. Inni 1852 und unterzeichnet: Stämpfli, Advokat, Mitglied des Großen Rathes, welcher im Eingang der Schrift erklärt, daß er im Einverständnisse vieler gleichgesinnter Bürger handle.

Die Vorstellung entwikelt mehrere Einwendungen gegen das Gesez, unter andern: 1) Daß es nicht einer zweimaligen Berathung durch den Großen Rath unterworfen worden, wie es der §. 30 der bernifchen Versassnng vorschreibt;

608 2) daß es ein Gelegenheitsgesez sei; 3) daß es ein künstliches Zivilinteresse kreire; 4) daß die W ah l zwischen dem Zivil- und StrafBerichts sta nde, welche dem Kläger überlassen bleibt, dem §. 63 der bernischen Verfassung zuwider sei, welcher die Geschwornengerichte für Kriminal-, politische und Preßvergehen einsezt ; 5) daß die dem Kläger überlassene Wahl zwischen dem Gerichtsstand des O r t e s , wo eine Schrift herausgekommen und desjenigen, wo fie v e r b r e i t e t worden ist, den verfassungsmäßigen Bestimmungen widerspreche, kraft deren niemand seinem natürlichen Richter entzogen werden dürfe; überdieß sehr gefährlich sei und der Willkür und allen Arten von Mißbräuchen die Thüre öffne:,

6) daß die Beschränkungen, welche der Besugniß, die Wahrheit der angeführten Thatsachen zu b e w e i s e n , g e s e z t sind, einem Verbote fie anzuführen, d. h. der Zensur gleich kommen; 7) daß die Bestrafung desjenigen, welcher ehrverlezende Thatsachen veröffentlicht hat, selbst in dem Falle, wenn er auch keine Kenntniß von ihrer Falschheit hatte, und das Verbot, zu seiner Rechtfertigung die Quellen anzuführen, wo diese Thatsachen geschöpft worden find, die Veröffentlichung der Zeitungen mit solchen Schwierigkei..en und Gefahren umgeben , daß fie tatsächlich beinahe unmöglich werden; 8) daß dieCumulation der Strafen auf den Hera u s g e b e r , V e r f a f s e r , V e r l e g e r , Druker und V e r b r e i t e r , welche alle fünf bestraft werden können, im Falle fie an einer Veröffentlichung mitgewirkt haben, deren Strafbarkeit fie kannten, verbunden mit andern Bestimmungen, namentlich mit derjenigen, welche in einem zweiten Rükfalle die Befugniß, eine Zeitung herauszu-

609 geben auf zwei Iahre entzieht; daß diefe Bestimmungen und die oben angeführten fehr bald die Zensur zurükwünschen ließen, weil fie ein gelinderes Mittel darbietet, die Presse zu knebeln und fie zu unterdrücken.

Der Beschwerdeführer schließt in erster Linie dahin, daß der Bundesrath für einmal in die Materie des Gesezes nicht eintreten , fondern dasselbe an die Behörden des Kantons Bern znrükweifen möchte, damit es einer zweiten Berathung des Großen Rathes unterworfen .

werde; subfidiarifch dahin, daß das Gesez nicht genehmigt werde.

Das Departement übersandte, wie es ihm die Achtung für die Kantone und ihre Regierungen zur Pflicht

macht, die Denkschrift des Herrn Stämpfli dem Regiegierungsrathe. Indem er diesem mittheilte, daß er mit dem Vortrage über das bernische Preßgesez beauftragt sei, fügte der Vorsteher des Departements bei : "Wollen

Sie gefälligst mir zur Kenntnißgabe an den Bundesrath die Bemerkungen mittheilen, welche Sie über den Inhalt d i e f e r Denkschrift zu m a c h e n h a b e n k ö n n e n , die vom 16. Inni datirt ist und welche Sie angefchlossen finden. Genehmigen Sie ........ ..e."

Der Regierungsrath antwortete dem Departement nicht; aber unterm 7. Iuli schikte er dem Bundesrathe die Denkschrist zurük, mit einer R ü k e r ö f f n u n g begleitet, in welcher er durch Folgerungen, die er aus den Artikeln 3 und 45 der Verfassung gezogen, dem Bundesrathe das Recht bestreitet, in dem Gefeze irgend etwas anderes zu untersuchen als die Frage , ob dasselbe die Zensur oder irgend eine andere gleichbedentende Bestimmung enthalte, indem er es als eine Ueberschreitung der Bundesverfassung betrachte, wenn der Bundesrath über diese Frage hinausgehen oder fich auf

610 irgend eine Weise in die Gesezgebung über die Presse einmischen wollte. Bei diesem Stande der Dinge könne er nicht einsehen, wozu die Prüfung aller der Bemerkungen über die Form und den Inhalt, welche in der Vorstellung des Herrn Stämpfli enthalten seien, dienen solle.

"Die einzige Frage, sagt der Regierungsrath, ist, ob dieses Gesez etwas dem Grundsaze der Preßfreiheit Widerstreitendes enthalte ? Und diese Frage bedarf keiner Auseinandersezung, denn die oberflächlichste Prüfung genügt, um das Gegentheil erkennen zu lassen."

"Endlich können wir Ihnen nicht verhehlen, daß uns daran liegt, in keiner Weise zur Verzögerung der Sanktion des neuen Preßgesezes durch den Bundesrath beizutragen und daß es uns schmerzlich aufgefallen ist, drei volle Wochen nach erfolgter Mittheilung des vom Großen Rathe mit ungewöhnlicher Mehrheit angenommenen und von der öffentlichen Meinung des Kantons laut geforderten Geizes, dasselbe stati vom hohen Bundesrathe genehmigt, durch das Iustiz- und Polizeidepartement mit einer Beschwerde zurük zu erhalten."

"Wir erklären Ihnen demnach in aller Ehrerbietung, daß wir uns nicht in der Lage befinden, auf diese im Anschluß zurük folgende Beschwerde irgendwie einzutreten, zumal auch der Vorwurf der Verlezung der eigenen Kantonsverfassung zu augenfällig grundlos ist, um der Widerlegung zu bedürfen und gewärtigen im vollen Bewußtsein des Rechte, und jede Verantwortlichkeit ablehnend, die Entscheidung des hohen Bundesrathes über

Genehmigung oder Nichtgenehmigung des Gesezes."

Wir müssen hier drei Bemerkungen über Thatfachen machen : 1) das Gesez wurde keineswegs mit der Klage des Herrn Stämpfli an den Regierungsrath zurük ge-

611 schift. sondern es wurde dem leztern diese Klage allein übermittelt. 2) Der Art. 20 des Bundesgesezes über die Organisation und den Geschäftsgang des Bundesrathes fagt unter anderm : "Die Departement find befugt, mit schweizerischen R e g i e r u n g e n und d e r e n B e a m t u n g e n , so wie mit eidgenössischen Beamten in unmittelbaren Verk.hr zu treten, fo weit dieses zur Behandlung ihrer Geschäfte erforderlich ist. Alle Entscheide gehen jedoch von dem Bundesrathe als Behörde selbst aus."

3) Das Schreiben des Departements enthält keinerlei Entscheidung, fondern einfach die Bitte, der Regierungsrath möchte demselben seine Bemerkungen mittheilen, die er allfällig über den Inhalt der Denkschrift zu machen habe, ein Wunsch, der zum Zweke jener V o r b e r athung ausgedrükt wurde, mit welcher das Departement beauftragt war und welche der oben angeführte Art. 20

beabsichtigt.

Dieser Zwischenfall hat nicht dazu beigetragen, den Rapport und Antrag des Departements vorwärts zu

.bringen; denn es lag ihm ob, die Einwürfe des Regiernngsrathes zu untersuchen und allfällig zurük zu weisen.

In Ermanglung der Bemerkungen der bernischen

Regierung über Stämpfli's Denkschrift mußte das Departement die Verhandlungen des Großen Rathes über das bernische Preßgesez zu Rathe ziehen und studiren, um so weit als möglich das Für und Wider ken.nen zu lernen.

...Dieses Studium , dasjenige der vergleichenden Darstellung der kantonalen Preßgeseze, die Anzahl und die Schwierigkeit der zu behandelnden Fragen sowol, als andere dringende Angelegenheiten erlanbten dem Depar.temente nicht, vor dem Monat November die eigentliche .Redaktion des Rapports und Antrages zu beginnen.

612 Da erscheint das Kreisschreiben an die Mitglieder des Großen Rathes des Kantons Bern, welches ein V e r z e i c h n iß der Gefezentwürfe enthielt, die einer z w e i t e n B e r a t h u n g dieser Versammlung in der ordentlichen, am 22. November 1852 eröffneten Herbstfizung unterworfen werden follten. In diesem Verzeichnisse figurirte das Gesez über den Mißbrauch der Presse, das in erster Berathung am vorigen 26. Mai angenommen worden war.

Da diese zweite Berathung , wenn der Große Rath Zeit fände, fie vorzunehmen, die aus dem §. 30 der Berner Verfassung hergeleitete Einwendung heben würde, und da es möglich war, daß einige Abänderungen gemacht werden konnten, hatte das Departement, feine Untersuchungen stets fortfezend, die Redaktion seines Rapports und Antrages, in Erwartung dessen, was da kommen werde, sufpendirt.

Das Gesez wurde den 7. Dezember definitiv angenommen , ohne andere Abänderung als diejenige, welche den Artikel 48 (jezt 47) über die Inkrafttretnng betrifft.

Alfobald nahm das Departement die Redaktion jenes Rapports und Antrags wieder auf. .Aber daß das eid.genösfische Strafgefezbuch, welches ebenfalls Bestimmungen über die Presse enthält , vorher in der Sizung der am 10. Jänner 1853 eröffneten Bundesversammlung beraten werden sollte, hielt es das Departement. für zwekmäßig , das Schiksal dieses Gesezbuches abzuwarten, um die lezte Hand an seine Arbeit zu legen, damit es einen pofitiven und eidgenössischen Vergleichungspunkt so...

wol, als auch einen gesezlichen Maßstab der Strafen erhalte. Erst am 4. Februar 1853 wurde dieses Gesezbuch von der Bundesversammlung definitiv angenommen

613 Nun legte das Departement feinen Rapport und Antrag am 28. Februar 1853 dem Bundesrathe vor.

Dieser Rapport und Antrag enthält in umständlicher Weise : 1) Eine tatsächliche Auseinandersezung des Ganges, welchen diese Angelegenheit genommen hat, der Ursachen der Verzögerung und der Ansichten, welche das Departement leiteten. Hierbei weist das Departement mehrere unbegründete Vorwürfe, welche ihm gemacht worden sind , znrük.

2) Einen Ueberblik des Inhalts der Denkschrift des Herrn Stämpfli.

3) Eine Prüfung der von dem bernifchen Regierungsrathe gemachten Einwürfe, besonders der Beweisführung , durch welche diefe Regierung die Kompetenz des Bundesrathes auf die Frage der Zensur oder solcher Maßregeln, die diesem Institute gleichkommen,

zu beschränken sucht. Dieser Theil des Berichtes ist sehr aussührlich entwikelt.

4) Eine Untersuchung der von der v e r s a ffungsm ä ß i g e n Form hergenommenen Einwendungen.

(Diefes war vor der zweiten Berathung gefchrieben.)

5) Die verschiedenen Klassen der Fragen , welche sich das Departement bei der Prüfung der kantonalen Preßgeseze, die der bundesräthlichen Genehmigung untere worfen werden, gestellt hat, nämlich:

A. Ob das Gefez enthalte: a. Die Zenfur oder eine andere Maßregel, die diefem Institute gleichkommt; b. Repressivbestimmungen (Strafen, Gerichtsstand, Verfahren), welche eine Verlezung der durch Art. 45

614 der Bundesverfassung gewährleisteten Preßfreiheit enthalte, Bestimmungen, welche faktisch das Prin-

zip zerstören; c. Bestimmungen, welche mit andern Artikeln der gleichen

Verfassung im Widerspruch find ; ...l. Bestimmungen, entgegen den Gesezen und Beschlüssen des Bundes; e. Bestimmungen, entgegen bestehenden Verträgen; f. Bestimmungen , im Widerspruche mit der Kantonsverfassung (darin ist die Frage begriffen, zu sehen, ob das Gesez in den verfassungsmäßigen Formen zu Stande gekommen sei) ; g. allfällig , ob die Bestimmungen des Gesezes genügend find , das heißt , ob dieselben die Verpfiichtnng , den Mißbrauch der Presse zu unterd r ü k e n , welche durch den Art. 45, der die Freiheit gewährleistet, den Kantonen auferlegt ist, er-

füllen.

B. Ob es p a s s e n d sei, das Gesez zu genehmigen, oder ob es Gründe gebe, dasselbe im Interesse der Sicherheit der Schweiz und der Handhabung der Ruhe und Ordnung (Art. 90, Ziffer 9 und 10 der Bundesverfassung) zu vertagen.

6) Eine sueeesfive Prüfung der 48 Artikel , aus welchen das Gesez besteht. Bezüglich der Artikel, gegen welche der Verfasser der Vorstellung Einwendungen erhob, resumirte das Departement dasjenige, was im Großen Rathe von den Anhängern und Gegnern des gesezes für und wider dasselbe gesagt worden ist und ließ darauf seine eigenen Betrachtungen folgen. Auch machte es über einige Artikel, namentlich über den dritten, Bemerkungen, welche fich nicht in der Denkschrift befinden.

Zugleich hatte da.... Departement die Bestim-

615 ntungen des neuen bernifchen Gesezes mit denjenigen anderer Kantone verglichen (einer Spezialarbeit entnommen). Es hat auch die entsprechenden Bestimmungen

des eidgenösfifchen Strafgefezbuches gegenüber gestellt.

7) Allgemeine Betrachtungen fowol bei Gelegenheit der Kompetenzfragen als der Artikel über die Gerichtsbarkeit und andere Fragen.

8) Anträge bezüglich einiger Artikel.

9) Anträge darüber , was an den Regierungsrath von Bern über die Bemerkungen , welche in feinem

Schreiben vom 7. Iuli und 13. Dezember 1852 und in demjenigen vom 2l. Februar 1853 enthatten find, zu antworten sei.

Obgleich dieser Vortrag des Departements ungefähr 220 Folioseiten einer ziemlich gedrängten Schrift enthält, fo ist dieser Umfang doch nicht außer Verhältnis

zu der beträchtlichen Anzahl und der Schwierigkeit der erörterten Fragen. Dieses Aktenftük enthält den Stoff von etwa 20 speziellen Gutachten, was für jedes der-

felben durchschnittlich nur 10 bis 12 Seiten beträgt.

Nach einer langen und reiflichen Berathung , die einige Sizungen dauerte , faßte der Bundesrath den 11. März 1853 einen Beschluß folgenden Inhalts: Der fchweizerifche Bundesrath, nach Einficht des vom Großen Rathe des Kantons Bern in seiner Sizung vom 7. Christmonat 1852 erlassenen Gesezes über den Mißbrauch der Pressen. u, nach Anhörung eines dießfälligen Berichtes feines Justiz- und Polizeidepartements,

in Berük sichtigung : 1) Daß nach Art. 27 des angeführten Gesezes, also lautend : Bundesblatt. Iahrg. V. Bd. II.

50

6l6 ,,Iedem durch die Presse Beleidigten oder Verleum"deten steht es frei, auf die öffentliche Bestrafung "seines Gegners zu verzichten und sich mit der im "vorhergehenden Artikel (26) genannten Privat"genugthuung , welche im Wege des Zivilprozesses "geltend zu machen ist, zu begnügen," entgegen dem Art. 63 der Kantonsverfassung von Bern jedes Preßvergehen der Kompetenz der Iury entzogen werden kann ; 2) daß im Uebrigen das Gesez keine Bestimmungen enthält, welche mit der Bundes- oder Kantonsversassung im Widerspruche stehen, beschließt: 1) Es wird dem vorstehend genannten Geseze, je-

doch mit Ausnahme des Art. 27 desselben, die im Art. 45 ^ der Bundesverfassung dem Bundesrathe vorbehalten...

Genehmigung ertheilt.

2) Es find dabei die Kompetenzen vorbehalten , welche das Bundesgefez vom 4. Hornung 1853, betreffend das Bundesstrafrecht der fchweizerifchen Eidgenossenschaft , den Bundesbehörden ertheilt.

3) Gegenwärtige Schlußnahme ist der Regierung des hohen Standes Bern zur Kenntniß zu bringen.

Bei der Uebermittlung diefes Beschlusses machte der Bundesrath den Regierungsrath mit den Ursachen der unfreiwilligen Verzögerung, welche diefe Angelegenheit erlitten, bekannt, indem er diejenigen aufzählte, die weiter oben angeführt find. Nach der Erklärung , daß die Mit-

theilung der Denkfchrift des Hrn. Stämpfli durch das Departement an den Regierungsrath im wohlwollenden Sinne geschehen fei, erinnert der Bundesrath daran, daß diese von Anfang an eingehaltene Verfahrungsart

617 durch den Art. 20 des Gesezes über die Organisation des Bundesrathes vorgeschrieben sei und daß die Bundesverfammlung, während der Sizung von I852, darauf drang, daß Klagen, welche Kantone betreffen, denfelben mitgetheilt werden follen.

44) Da das politische Departement auf den Seiten bb.Vons^

53, 54 und 55 feines Geschäftsberichtes die zwischen der ^.^^ französischen Gesandtschaft und dem Bundesrath gepflo- ^,^ gene Korrespondenz , die polizeilichen oder administrativen Maßregeln betreffend , um den Mißbräuchen der Presse gegen die Nachbarstaaten Gränzen zu sezen , behandelt hat, so verweisen wir auf das daselbst Gesagte.

45) Aber wir müssen hier ein anderes Begehren der französischen Gesandtschaft anführen. Es betrifft die

Pamphlete Viktor Hugo^s.

Anfangs Dezember übergab der franzöfifche Minister, Hr. v. Salignae^Fénelon, dem Bundespräfidenten eine Mitteilung, datirt vom 29. November 18.^2, wodurch er ihn benachrichtigte , daß eine große Anzahl von Pamphleten Viktor Hugo's durch die Schweiz nach Frankreich eingeschmuggelt würden. Diefe Propaganda , hieß es , sei zu Genf und Murten organifirt , wofichWinkelpressen befinden follten , die mit aller Sicherheit sowol die Werke dieses Schriftstellers als diejenigen des Hrn.

Eugen Sue vermehrten. Der Gesandte fügte hinzu ,^ die betreffende Industrie werde fchon seit mehr als sieben.

Monaten ohne das geringste Hinderniß betrieben und in^ dem erbemerkte, derartige Aufreizungen feien dem Neu^

tralitätsfystem der Schweiz zuwider, drükte Hr. v. Salignae-Fénelon die Hoffnung aus, die Bundesbehörde.

werde solchen Handlungen ein Ziel sezen. ^ Das Departement, dem diese Beschwerde am 3. De^

^18 ^ember zugewiefen wurde, legte den 8. dem Bundesrathe zwei völlig ausgearbeitete Entwürfe vor, nämlich : ^. Den Entwurf eines Kreisfchreibens an alle Kan-

tone , welches die wörtliche Abschrift des Schreibens des französischen Ministers enthielt und dieselben einlud, unverzüglich die betreffenden Nachforfchnngen und die allfällig notwendigen Maßregeln anzuordnen.

..). Den Entwurf eines Schreibens an den französischen Minister, um von demselben genauere und umstandlichere Nachweise zu begehren, um auf diefe Art bestimmtere Indizien , wo nicht unumstößliche Beweise der angezeigten Thatsachen zu erhalten. Auf dieses folgte eine Spezifizirung der gewünschten Nachweife und die Angabe dessen , was an die Kantone geschrieben worden , dann in Betreff Genfs und Murtens das , wovon weiter unten die Rede sein wird. Das Schreiben schloß damit, daß der Bundesrath den Wunsch aussprach: " i n n e r h a l b "der S c h r a n k e n der Bund e s v e r f a f f u n g und " d e r f c h w e i z e r i s c h e n G e s e z e über d i e P r e s s e .,znr gerichtlichen Verfolgung der Seine Majestät "den Kaiser der Franzosen und feine Regierung ver"lezenden Schriften beizutragen.^ Die beiden Entwürfe , fowol das Zirkular an die .Kantone , als das Schreiben an den Minister , wurden ^on dem Bundesrathe genehmiget. Da jedoch das Zir^ .kular einige Kantone nicht berühren konnte und man .vermeiden wollte , daß diefer Angelegenheit durch das

Publikum eine übertriebene Wichtigkeit beigelegt würde , so befchloß der Bundesrath, für den Angenbiik wenig^tens die Mittheilung des französischen Gesandten bloß ^en zwei speziell bezeichneten Kantonen zuzusenden und

619 beauftragte deßhalb das Departement, im Sinne seines Zirkularentwurfs an die Regierungen von Freiburg.

und Genf zu schreiben. Das Departement hatte aber die Ueberzeugung , daß man nicht dabei stehen bleiben könne und daß es unumgänglich nothwendig fei, das nämliche Schreiben an die Kantone der französischen Schweiz (Bern, W a a d t , N e u e n b u r g , Wallis), fo wie an T essin und an den an der französischen Gränze gelegenen Kanton B a f e l - S t a d t zu richten; es begehrte deßhalb den 10. Dezember von dem Bundesrathe die Ermächtigung , das nämliche Schreiben an die obern Polizeibehörden der genannten Kantone zu richten, was auch bewilligt wurde.

Die acht Schreiben, welche alle die Kopie des von dem Bundesrathe genehmigten Zirkularentwurfs und gleichlautend find , mit Ausnahme der Freiburg und Genf speziell betreffenden Punkte, wurden wie gewöhnlich an die Polizeidepartemente oder Direktionen der obgenannten Kantone gerichtet. Um die Nachforschungen nicht zu vereiteln , machte das Departement die Schreiben zu v e r t r a u l i c h e n Mittheilungen, bis zum Augenblike,.

wo dieselben veröffentlicht werden konnten.

Folgendes ist der Wortlaut diefes Kreisschreibens: "Confidentiell.

Bern, den 9./10. Dez. 1852..

"Das Iustiz- und Polizeidepartement der Schweizerischen Eidgenossenschaft "an das Departement (oder an die Direktion) der ...... (Es folgt der Titel der betreffenden Behörde).

"Der französische Gesandte hat unterm 3. diesel Monats dem Bundespräfidenten eine Note, datirt vom 22. des verflossenen Novembers, eingereicht, worin steht.

620 "daß eine große Anzahl von P a m p h l e t e n V i k t o r Hugo's durch die Schweiz nach Frankreich eingebracht würden; daß diese Propaganda, hieß es, zu Genf und Murten organifirt fei, wo sich, wie man behauptet, Winkelpressen befinden sollten , welche mit aller Sicher.heit die Werke dieses Anarchisten sowol als diejenigen des Hrn. Eugen Sue vermehrten; daß die fragliche InAustrie ohne irgend ein Hinderniß seit mehr als fieben Monaten betrieben werdet ,,Der Gesandte Frankreichs drükt dann die Erwarnung aus, daß die Bundesbehörde diesen Handlungen ein Ziel sezen werde.

"Da diese Angaben unbestimmt und mehr oder we.niger ungewiß waren, so verlangte der Bundesrath von dem Herrn Minister Frankreichs genauere und umstandSichere Nachweife, um bestimmte Indizien, wo nicht unumstößliche Beweise der angezeigten Thatfachen zu er.halten. Aber Angesichts der Wichtigkeit der Klage des französischen Gesandten und da es der Schweiz viel daran liegt, zu keinen begründeten Beschwerden einer befreundeten Macht Anlaß zu geben , mit welcher die guten Beziehungen, die im Interesse beider Länder bestehen, fortzusezen der Eidgenossenschaft angelegen ist, wartete der Bundesrath die verlangten Nachweise nicht ab, um Ihnen die oben kopirte Note mitzutheilen.

"Mein Departement wurde damit beauftragt, dieses zu thun und Sie zugleich zu ersuchen, sofort die geeigneten Nachforschungen anzuordnen,-um folgende ThatAachen zu entdeken:

1) Ob auf Ihrem Gebiete wirklich Winkelpresfen bestehen , welche die Werke Viktor Hugo's (wie ...Napoleon d er Kleine) und auch diejenigen Eugen Sue's vermehren?

62l 2) Ob diese fraglichen Werke in Ihrem Kantone öffentlich, in Uebereinstimmung mit den durch Ihre Geseze und Reglemente vorgeschriebenen Polizeiregeln, gedrukt worden find ..

3) Ob diese oder ähnliche andere Werke durch Ihren Kanton nach Frankreich gebracht worden, sei es, daß dieselben direkt aus Ihrem Kanton kommen, oder durch denselben gingen?

"Im Falle , daß die oben erwähnten Schriften durch Winkelpressen auf Ihrem Gebiete vermehrt worden sind, werden Sie gefälligst die Bestrafung diefes Aktes der Heimlichkeit nach Ihren Gesezen veranlassen.

"Ohne Zweifel ist es in erster Linie Sache der franzöfifchen Behörde, sich vor der Einfuhr von Schriften, welche fie für gefährlich erachtet, zu fchüzen:. aber dieses entbindet die schweizerischen Polizeibeamten nicht, so weit es von ihnen abhängt und innerhalb der Schranken ihrer Befugnisse zu wachen , daß ähnliche Werke nicht durch die Schweiz nach Frankreich gebracht werden, damit die Eidgenossenschaft oder einzelne Kantone nicht beständig angeklagt werden , der Herd der gegen die benachbarten Staaten gerichteten Umtriebe und Angriffe zu sein und selbst durch Zudrüken der Augen diese feindseligen Handlungen zu dulden und .zu begünstigen. Auch muß vermieden werden , der franzöfischen Polizei Vorwände zur Ergreifung von Gränzmaßregeln zu leihen , die für die Reifenden vexatorifch und dem Verkehre hin-

derlich find.

"Wollen Sie gefälligst mich so schnell als möglich von dem Ergebnisse der Maßregeln, die Sie oder die komp e t e n t e B e h ö r d e ergrissen haben, in Kenntniß sezen..

"Genehmigen Sie u. ...e."

"Der Vorstand des Departements : .

(Sig.) H. Druey."

622 Das Resultat der von den Kantonen angestellten Nachforschungen war überhaupt befriedigend. Mit Ausnahme Murtens, wo eine deutsche Ueberfezung der Schrift: "Napoleon der Kleine" erfchienen w.ar, wurde diefes Pamphlet sonst nirgends .in der Schweiz gedrukt, und die Buchhändler, welche dasselbe verkauften, hatten es aus dem Auslande erhalten. In Biel wurde die Bestellung einer Auflage, obfchon die Bedingungen vortheilhaft waren, nicht angenommen. Eben fo in Basel.

In Genf traf der Staatsrath, von einer preiswürdigen internationalen Fürforge beseelt, von sich aus Maßregeln, um den Druk der Broschüre Viktor Hugo's "Napoleon der Kleine", der in einigen Buchdrukereien dieser Stadt angefangen worden, aufhören zu machen und deren Wiederabdruk zu verhindern. Dazu gehörte eine heimliche Auflage des nämlichen Buches, die von einem regelmäßig in Genf niedergelassenen Franzosen unternommen worden; derselbe hatte die Kühnheit, .sich auf die zwifchen der Schweiz und Frankreich .bestehenden Verträge zu berufen und zu behaupten, das Verbot der Genfer Behörden könne ihn nichts angehen.

Diese Thatfachen wurden dem französischen Gesandten mitgetheilt und in einer ersten an ihn gerichteten und weiter oben unter Litt. bb. angeführten Antwort, liest man unter andern folgende .Stelle: "Zu Murten erschien neulich bei dem Buchdruker C. Br.yner eine Ausgabe von "Napoleon der Kleine"

in deutscher Sprache, die öffentlich angekündigt wurde.

Sobald das Iuftiz- und Polizeidepartement v.on dieser Thatfache Kenntniß erhielt, forschte es auf d.er Stelle nach, ob dieser Verleger vielleicht ein Ausländer sei, was dem Bundesrathe erlaubt hätte, gegen denselben die in seiner Kompetenz liegenden Maßregeln zu ergrei-

623

sen. Da aber Bryner ein Schweizer ist, könnte nur eine Klage .gemäß den Strafgefezen über den Mißbrauch der Presse im Kanton .Freiburg geführt werden.

46) Wir können nichts Besseres .thun, .als aus den d. Heimath umständlichen Bericht des Generalanwalts der Eidge- lose.

nossenfchaft über diefen wichtigen Theil feiner Geschäftssührnng verweisen, welcher weiter unten .als .II. Anhang

beigefügt ist.

Man wird daselbst einen Abriß der Heimathlosenangelegenheit seit den verschiedenen Konkordaten finden, in welchem der Generalanwalt die Unzulänglichkeit dieser unter den Kantonen abgeschlossenen Uebereinkünfte zur Hebung des Uebels, die traurigen .Folgen sowol der

durch den heiligen Stuhl vollzogenen kirchlichen Einseg-

nungen von Ehen, die aller zivilrechtlichen Bedingungen und Garantien ermangeln , als auch des Schiebens der Heimathlosen von einem Kanton in den andern , die Notwendigkeit des Bundesgesezes von 1849 und der Kreisschreiben über Vollziehung aus den Iahren 1850 und 1851 nachweist und sehr ausführliche Angaben mittheilt, welche er ans einer Menge mehr oder weniger alten Aktenstößen und aus den beträchtlichen Untersuchungen, die Hunderte von Heimathlosen umfassen, schöpfte, deren eine .große Anzahl auf .einem Punkte zusammengebracht, verhört und konfrontirt wurde, damit ihre widersprechenden Aussagen verglichen und aufgehellt, ih.re Lügen zerstört, ihre falschen Namen enthüllt, und ihre .wahren Charaktere als schweizerische oder fremde Heimathl.ose oder Vagabunden herausgefunden .werden konnten. Man kann daraus ersehen, welche Thätigkeit und Sorgfalt der Generalanwatt entwikelt hat.

Hier einige Ergebnisse der Vorarbeiten dieses Oberbeamten.

^24 Die Anzahl der Vagabunden, die fich für Heimathlose ausgaben, über welche der Bnn-

desrath im Iahr 1852 entschieden hat, beläuft fich auf 101 , nämlich auf eigentliche Heimathlose

.

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62

Auf Vagabunden, welche als Heimathlofe galten, aber die als Angehörige fchweizerifcher Kantone (13), oder eines fremden Landes er-

kannt wurden (26) . . . . . . . . .

39 101.

Die 62 Heimathlofen (6 Männer, 7 Frauen und 49 Kinder) find durch den Bundesrath denjenigen Kantonen, deren Angehörige fie zu sein scheinen, unter dem Vorbehalte der Berufung an das Bundesgericht, zugesprochen worden.

Diefe Individuen sind in 22 Entscheidungen begriffen, von welchen angenommen worden find . . . . . .

Rekurs eingelegt gegen . . . . . . .

bis jezt noch keine Entfchließung eingelangt bei

9 6 7

22.

Die Zahl der Verhöre mit Heimathlosen und andern Individuen beläuft fich während des Iahres 1852 auf 245.

Die Heimathlofen, bezüglich welcher Untersuchungen stattgefunden haben und deren Personenstand entdekt worden ist, belaufen fich auf 572, nämlich 302 Erwachsene und 270 Kinder; aber die Anzahl der Heimathlofen ist viel größer, indem man täglich folche entdekt, von denen man in frühern Akten keine Spur fand, entweder weil fie den Namen änderten, wie fie es fystematisch und wiederholt gethan, um die Behörden zu täuscheu, oder aus andern Ursachen.

625 Um dieser List und andern Berechnungen zu begegnen, nahm man Zuflucht zu der Photographirung der Heimathlosen, deren Portraite in mehrern Exemplaren den Kantonen übersendet wurden. Dieses Mittel hat eine große moralische Wirkung auf diefe Individuen hervorgebracht, die, indem fie sich verrathen glaubten, endlich geneigter wurden, die Wahrheit zu fagen.

Die durch die Untersuchung gegen ^ie Heimathlosen verursachten Kosten find im Allgemeinen der Eidgenossenschaft znr Last gefallen, vorbehalten den Rekurs an die Kantone, denen solche Individuen definitiv zugesprochen werden.

Aber die Untersuchungskosten bezüglich der Vagabunden find denjenigen Kantonen auferlegt worden, deren Angehörige oder Geduldete fi.. waren.

Die Unterhaltungskosten der Heimathslofen im Depot zu Bern, in welcher Stadt sie konzentrirt wurden, um einer gemeinschaftlichen Untersuchung und Konfrontation unterworfen zu werden, belaufen fich (Kleider und Anderes nicht gerechnet) auf Fr. 3683. 35 Rp.

Die Unt.'rst^zung aus der Bundeskasse, welche für Heimathlose, die auf Kantone ve.rtheilt oder in denfel-

ben geduldet find, bis zu einer endlichen Entscheidung angesprochen wurde, ist von dem Bundesrathe abgewiesen worden, der den Grundsaz festhielt, daß diefe Individuen den Kantonen, wo fie wohnen, zur Last fallen, vorbehalten, diefe Kosten allfällig dem Kanton aufzuerlegen, dem fie zugesprochen werden.

Der Bericht des Generalanwaltes enthält noch eine große Anzahl anderer wissenswerter Thatsachen.

Indem wir uns auf das berufen, was im Anfange .^ Auslän.^

des Geschäftsberichtes, Abtheilung des politischen De- aa. Po^ parlements, Seite 4 --47, gesagt ist, müssen wir hier ^.^

626 das bezeichnen, was spezieller der Vollziehung durch das Justiz- und Polizeidepartement angehört.

Diese Vollziehung begreift hauptfächlich in sich: 1) Die Aufficht über die Flüchtlinge; 2) die In t e rnirung dieser Fremden; 3) die E n t f e r n u n g derjenigen , deren Ausweisung aus der Schweiz vom Bundesrathe beschlossen worden ist; 4) die Nachfors c h u n g e n , welche zur Erlangung dieser Resultate nothw.'ndig find, so wie auch zur Untersuchung der von den Nachbarstaaten wegen der Anwesenheit kompromittirender Flüchtlinge in der Schweiz erhobenen Klagen, und der Komplotte und anderer Umtriebe , welche denselben zur Last gelegt werden; 5) die durch diese verschiedenen Maßnahmen verursachten A u s g a b e n .

47) Anfangs 1852 wurde der Bundesrath benach-

richtigt, daß eine gewisse Anzahl französischer Flüchtlinge, von denen die einen vor dem 2. Dezember 1851 in der Schweiz angekommen und deren Internirung mehrmals beschlossen worden, während die andern später angelangt waren, sich in den an Frankreich gränzenden Kantonen aufhielten. Dieses .war unter andern in den Kantonen Waadt nnd Neuenburg der Fall, hauptsächlich aber in Genf, welches der Mittelpunkt einer großen Bevölkerung und einer der Gränzorte ist, der mit benachbarten Departementen am meisten in Berührung kommt. Er erfuhr auch, es hielten fich im Kanton Genf mehrere deutsche Flüchtlinge auf, welche, obwol in einer großen Entfernung von der nördlichen Gränze, dennoch eine gewisse internationale Gefahr darboten, theils in Folge ihrer Anhäufung auf einem und demselben Punkte, was eine Art von Herd bildete und die Aufmerksamkeit der Nachbarstaaten auf die Schweiz lenkte, theils, weil diese Ausländer, die zu sehr kompromittirt waren, um in ihr

627 Vaterland zurükkehren zu können, von unruhigem Eharakter waren, fich gewöhnlich an öffentlichen Orten versammelten, um dort mehr oder minder exzentrische soziale und politische Fragen zu erörtern, was geeignet war,

das Land zu kompromittieren, theils weil einige derselben mit Agitationskomiteen außerhalb der Schweiz oder mit deren Emissären in Verbindung standen, theils auch weil der wahre Charakter gewisser Individuen, welche sich für Flüchtlinge ausgaben, wenigstens zweideutig war.

Der Bundesrath hatte überdieß Grund zu vermuthen, daß deutsche und französische Flüchtlinge, deren Answeisung aus der Schweiz schon früher angeordnet worden, fich noch in verschiedenen Kantonen insgeheim aufhielten.

Um den wahren Sachverhalt herzustellen, die Vollziehung seiner Beschlüsse zu überwachen und nöthigen Falls sür dieselbe zu sorgen, sandte der Bundesrath eidgenössische Kommissäre (siehe ihre Namen auf der 12.

Seite des Geschäftsberichts) in die Gränz.- oder Nachbarkantone Frankreichs.

Der Thätigkeit dieser Kommissäre, so wie derjenigen des eidgenössischen Iustiz- und Polizeidepartements und den von den obern Polizeibehörden der betreffenden Kantone von fich aus ergriffenen Maßregeln gelang es, die Anwesenheit einer gewissen Anzahl von Flüchtlingen, die unter die oben angeführten Kategorien gehörten, zu konstatiren. Diefelben mußten meistenteils aus der Schweiz entsernt werden, um sowol die internationalen Pflichten der Eidgenossenschaft zu erfüllen, als auch, um den Befehlen ihrer Behörden Achtung zu verschaffen.

Im Laufe des Monats März war der Bundesrath im Falle, ausdrüklich die Ausweifung von etwa zwanzig .dieser Ausländer zu beschließen ; mehrere andere entfern.^en fich entweder freiwillig, oder um einem bestimmten

628 Befehle, das Land zu verlassen, zuvor zu kommen. Eine kleinere Anzahl Franzofen, die wenig kompromittirt waren und in den innern Kantonen Arbeit fanden, wurden internirt. Später fanden noch andere Internirungen statt, und es wurden einige Ausweisungsbefehle aus der Schweiz erlassen.

48) Wir geben hier das Verzeichniß der Flüchtlinge verschiedener Rationen, welche die Schweiz verlassen mußten, so wie jener, die im Laufe von 1852 internirt wurden.

A. Es haben die Schweiz v e r l a s s e n : 1) In Folge von im Iahr 1^52 erlassenen Aus^

weifungsbefchlüssen :

a. Franzosen . . . . . . . . 4 b. Deutsche und Oesterreicher . . 20 c. Italiener . . . . . . . . 2

26 2) In Folge früher erlassener Answeifungsbeschlüsse : a. Franzosen . . . . .

b. Deutsche und Oesterreicher

4 3

^^ 7 3) In Folge von durch das De^ partement ertheilten Weifungen, oder auch freiwillig: a. Franzofen . . . . . 72 b. Deutsche und Oesterreicher 46 c. Böhmen . . . . .

2 d. Ungarn . . . . . .

4 e. Lombarden . . . . .

8 f.

Römer

.

g. Toskaner h.

Pole

.

.

.

.

.

.

. . . . .

.

.

.

.

.

.

2

1 1

^^136

Uebertrag. 169

629

Uebertrag : 169 4) Früher internirte und später in ihr Land zurükgekehrte Flüchtlinge : a. Franzosen . . . . .

b . Deutsche

.

.

.

.

.

18 3

^^ 21 5) Ausgewiesene oder in ihr Land zurükgekehrte v o r g e b l i c h e Fluchtlinge (Ausreißer, Landstreicher oder

Spione): a.

b.

c.

d.

e.

f.

Franzofen . . . . . . .

Oefterreicher . . . .

Ungarn . . . . . .

Badenfer . . . . .

Andere Deutsche . . .

Italiener . . . . .

3 2 4 2 2 2

15 Gefammtzahl der wirklichen oder

vorgeblichen Flüchtlinge, welche die Schweiz im Iahr 1852 verlassen haben

.

.

.

.

.

.

.

.

.

205

B. Internirte Flüchtlinge: (Die weiter oben unter Ziff. 4 begriffen.)

a. Franzofen . .

b. Italiener . .

c. Pole . . .

angeführten nicht in. 15 .

3 .

1

19 Ungefähr zwei Dritttheile der unter den Ziffern 1^

2 und 3 angeführten Flüchtlinge haben sich nach England, die andern nach Amerika eingeschifft.

630 Außer den oben unter A. und B. angeführten 224 Flüchtlingen hielten fich während einiger Zeit in den an Frankreich gränzenden Kantonen , größtenteils im Kanton Genf, Hunderte von Emigranten auf, welche allmählig wieder in die benachbarten Departemente zurükkehrten, nachdem sie die Gewißheit erlangt, daß sie ohne Gefahr ihr Vaterland wieder betreten konnten.

49) Nachdem die e i d g e n ö s s i s c h e n K o m m i f f ä r e den Hauptzwek ihrer Sendung erreicht und einen allgemeinen Bericht darüber erstattet hatten, so ertheilte ihnen der Bundesrath, unter dem Ausdruke seiner vollkommenen Zufriedenheit, den 22. April 1852, einen Urlaub auf unbestimmte Zeit, um fie nötigenfalls von Neuem einberufen zu können. Glüklicherweife war diefes nicht nothwendig, da die Bundesbehörde in den Maßregeln, die fie ergreifen mußte, von den Kantonalbehörden kräftigst unterstüzt wurde.

50) Die N a c h f o r f c h u n g e n wurden dessen ungeachtet mit Thätigkeit fortgefezt, um zu erfahren, ob und bis zu welchem Punkte die Beschwerden oder Angaben der Nachbarstaaten gegründet seien, welche bald die Anhäufung von französischen Flüchtlingen in Genf, in den Kantonen Waadt und Nruenburg, im bernifchen Iura und in Bafel, bald die Anwesenheit Mazzini's und an-

derer Flüchtlingshäupter, hauptsächlich Ungarn und Lombarden, in diesen Kantonen und sonst in der Schweiz zur Anzeige brachten.

So sorgsältig diese Nachforschungen anch betrieben wurden, so führten sie doch keineswegs zur Entdekung der denunzirten Proskribirten. In mehreren Fällen hatte man Ursache zu glauben, daß die Polizei der Nachbarländer durch Agenten und andere Individuen, die ein Interesse haben mochten, fie zu hintergehen, irregeführt

l

631

worden fei. Der Bundesrath fezte die betreffenden Gesandtfchaften davon in Kenntniß.

51) Andere Thatsachen, auf welche die Bundesbehörde aufmerksam gemacht wurde, hatten entweder gar keinen Bestand oder entgingen den Nachforschungen der schwei-.

zerischen Polizei. Es handelte fich um an verschiedenen Orten der Schweiz gehaltene Winkelversammlungen von Flüchtlingen und andern Fremden, um geheime im Finstern wirkende Verbindungen (wie der T o d t e n b u n d , die Generalkommisfion der f r a n z ö s i s c h e n Solidarit a t , die wieder erwekten C a r b o n a r i , der e u r o p ä i s c h e d e m o k r a t i s c h e V e r e i n , welcher ursprünglich den Namen ,,Kinder des Un^glüks^führte und einen Neffen Kossuths zum Oberhaupt haben sollte), um Drohungen und selbst um eine Verschwörung gegen das Leben des Prinz^Präfidenten der französischen Republik. Keiner dieser Umtriebe konnte konstatirt werden. Man hat selbst Grund zu glauben, daß wenn fie wirklich stattgefunden haben, hinter einigen derselben andere Industrien verborgen waren.

52) Einer dieser Fälle verdient besonders hervorge^ hoben zu werden. In einer Note vom 30. November 1852 brachte der französische Gesandte zur Kenntniß des Bundesrathes, der deutsche K i n k e l habe einen neuen Plan vorgeschlagen, der von der revolutionären Partei angenommen worden fei, um die bestehenden Regierungen durch die Untergrabung der Grundlage ihrer Stärke, der f i n a n z i e l l e n Macht, zustürzen. Derselbe bestände in der Betreibung eines vollständigen Falschmünzersystems in einem großen Maßstabe, und laut mehreren von verschiedenen Seiten gleichzeitig erhaltenen Nachrichten hätte fich in der südlichen Schweiz der Kern einer Verbindnng zu diesem Zweke gebildet. Indem er den Bnndesrath auf diesen Punkt aufmerksam machte, drükte der Bnndesblatt. Jahra. V. Bd. 11.

51

632 Gefandte den Wunsch aus, man möchte ihn von dem Ergebnisse der deßhalb angeordneten Nachforschungen in Kenntniß sezen.

Der österreichische Geschäststräger hätte ebenfalls

ähnliche Anzeigen mitgetheilt.

Obfchon diese Angaben nicht so bestimmt waren, als es zu wünschen gewesen wäre, so glaubte der Bundesrath dennoch dieselben durch ein Kreisschreiben vom 8. ..Dezember den Kantonen mittheilen zu müssen, theils um die öffentlichen Kassen, die Anstalten und Privatperfonen vor dem falschen Gelde zu warnen, das man ihnen so wol in Papier als in Baarschaft anbieten könnte, theils auch um die notwendigen Nachforfchungen zur Entdekung und allfälligen Bestrafung d.^r angezeigten Handlungen anzuordnen und überhaupt um alle Thatfachen und Indizien zu fammeln, die Licht anf diese Unternehmungen werfen könnten.

Gleichzeitig wurden nmständlichere Nachweife von dem französischen Gesandten verlangt.

Die angestellten Nachforschungen führten zu keiner Entdekung.

53) Es ist hier der Ort, zwei Thatfachen zu besprechen, welche in einem ziemlichen Grade die öffentliche Aufmerksamkeit auf fich gezogen hatten. Die erste betrifft die Frau H e r z o g i n von O r l e a n s .

Als das fchweizerische Iustiz- und Polizeidepartement erfuhr, daß diese Fürstin auf der Reise sei^ um sich nach Baden im Kanton Aargau zu begaben, so schrieb es unterm 25. Inni an dasPolizeidepart...ment dieses Kantons: 1) Um anzufragen, ob die Herzogin schon ihre Wohnung in Baden oder Umgegend bestellt, oder ob sie ihre Ankunft auf eine bestimmte Weise habe ansagen lassen .

63^ 2) Um demselben verschiedene Betrachtungen üb.er di..^ Verlegenheiten ans einander zu.^ sezen, welche der Aufenthalt dieser Fürstin der Schweiz verursachen könnte , d......

diefelbe in ihrer Eigenschaft als Mutter und. Vormünder^ eines der franz. Kronprätendenten. einen hohen Einfluß auf eine der großen, der gegenwärtigen Regi.'r.un^ feindseligen Parteien ausübe, und um. deßhalb das aar.gauisch^ Polizeidepartement anzugehen, es möchte untersuchen., ob es nicht zwekmäßig wäre, wenn die Regierung dieses Kantons von sich aus einen Beschluß faßte, der Herzo^ gin von Orleans den Aufenthalt im Kanton zu untere sagen , welches Verbot ihr sogleich nach ihrer Ankunft und noch ehe fie die Badekur begonnen, die nicht ohn.^ große Gefahr für ihre Gefundheit und vielleicht selbst.

für ihr Leben unterbrochen werden könnte, mitgetheilt werden müßte. - Das Departement bemerkte übrigens,.

der Bundesrath selbst habe noch keinen Beschluß gefaßt..

Das aargauische Polizeidepartement antwortete den..

30. Iuni, die Herzogin von Orleans fei schon den 25..

in den Bädern von Baden angekommen, in Begleitung ihrer beiden Söhne ...und anderer Personen; ihr Auf.^ enthalt habe keinen andern Zwek, als denjenigen der Wiederherstellung ihrer Gesundheit; es befinde sich übri^ gens keine politische Notabilità in ihrem Gefolge un.^ man erwarte deren auch keine; bei so bewandten Umständen und aus verschiedenen andern Gründen fand die.

aarganifche Regierung, es fei nicht nothwendig, sich dem.

Aufenthalte der Herzogin zu Baden zu widerfezen.

Nachdem das Departement dem Bundesrath feine^ Korrespondenz mit der aargauifchen Behörde mitgetheilt und demselben verschiedene Betrachtungen für und wider,.

besonders bezüglich der Folgen für die Zukunft, vorgelegt hatte, entschied derselbe den 12. Iuli, "er sehe fick,.

^34 nicht veranlaßt, gegen den Aufenthalt der Herzogin von Orleans in Baden eine Verfügung zu erlassen.^ 54) Der andere Fall betrifft Herrn T h i e r s .

Als das Departement, welches von dem Bundesrathe speziell beauftragt worden, alle französischen Flüchtlinge, ^welche fich in den an Frankreich angränzenden oder be.nachbarten Kantonen anfhalten würden, interniren zu lassen, erfahren hatte, Herr Thiers, gewefener Volksrepräsentant, in Folge der Ereignisse des 2. Dezembers aus Frankreich verbannt, solle z..t Vivis ankommen, glaubte es, eine so hervorragende politische Notabilität .könne nicht unbemerkt bleiben. Dieser ehemalige Minister.präfident Ludwig Philipps, dessen systematische Feindseligkeit gegen den Präfidenten der franzöfischen Republik (jezigen Kaiser) offenkundig war, u.rd der eine so große Rolle in den Ereignissen vor dem 2. Dezember 1851 spielte, war am Morgen dieses Ta^es verhaftet und in das Gefängniß Mazas geführt worden, ans welchem er .zwar einige Tage später wieder entlassen wurde, bald darauf aber den Befehl erhielt, das französische Gebiet zu verlassen ; ein Polizeiagent begleitete ihn felbft bis nach Kehl.

Das schweizerische Iustiz- und Polizeidepartement schloß aus diesen Thatfachen und aus andern Umständen, .Herr Thiers gehöre in die Kategorie der französischen . Flüchtlinge, welchen der Aufenthalt in den Gränz- und Nachbarkantonen Frankreichs untersagt ist, und gab daher dem Polizeidepartement des Kantons Waadt durch ein Schreiben vom 22. Juni 1852 den Auftrag, Herrn ^hiers von^dem fo eben Gesagten in Ki.nntniß zu sezen .und ihm.. falls er ein politischer Verbannter fei, den .Befehl zu ertheilen, fich unverzüglich zu interniren.

Da es in der That im Bereiche der Möglichkeit lag,

.daß bei der politischen Stellung des Herrn Thiers eine

635 Aenderung bezüglich seiner Verbannung eingetreten sein konnte, obschon dieses durch keinen öffentlichen Akt bekannt geworden, so ermangelte das schweizerische Departement nicht, diese Vermnthung eventuell in sein Schrei-.

ben vom 22. Iuni an die waadtländische Behörde aufzunehmen. Es wurde deßhalb dem oben Angeführten beigefügt, daß für den Fall, wo Herr Thiers einwenden würde, er sei weder ein Flüchtling, noch ein Profkribir-.

ter, Verbannter oder politischer Emigrant, der Regierungsstatthalter anfragen folle, ob er ohne Gefahr nach Frankreich znrükkehren könne, d. h. ohne verhaftet und zu der Strafe verurtheilt zu werden, welche über die Verbannten verhängt ist, die ohne die Erlaubniß der kompetenten Behörde nach Frankreich zurukkehren. Itn Falle einer bejahenden ^Antwort von Seiten des Herrn Thiers, war das waadtländische Departement ersucht t.

"Bericht zu erstatten, damit das schweizerische Departement die Wahrheit derselben untersuchen und einen Cntscheid des Bundesrathes veranlassen könnet Herr Thiers antwortete unter Anderm : "er könne nach Frankreich zurükkehren, wann er wolle; man habe ihm selbst die Rükkehr schon angeboten, aber er habe fich geweigert, da man die nämliche Gunst den andern.

Franzosen nicht bewilligte, die, wie er, von dem nämlichen Dekrete einer einsweiligen Entfernung betroffen waren; -- er fei gewiß, der Präsident werde weder seine Entfernung noch feine Internirung begehren ; er habe nicht zu Genf bleiben wollen, gerade um Frankreich jeden Vorwand zu benehmen, die Schweiz zu belästigen ; er habe keine Verbindung mit der Familie Or^ leans gehabt, seitdem er England verlassen, und habe den Aufenthalt der Herzogin von Orleans erst zu Baden durch die Zeitungen erfahren.^

.

^

Nach Anhörung des umständlichen Berichtes und ^...utachtens, den das Departement dem Bundesrath bezüglich auf diese Angelegenheit vorlegte , beschloß dieser am

10. Iuli, ,,da^ er sich nicht veranlaßt finde, gegen .den Aufenthalt des Hrn. Thiers in Vevey einzuschreiten."

55) Die französische Regierung fuhr fort, die Durch.reise der Flüchtlinge^ die .ihr Gebiet betraten , um fich aus .der Schweiz an den Ort ihr..^ Bestimmung zu .be.^eben , zu erleichtern. Bloß um di.. Ueberwachung dieser fremden besser zu sichern., wnrden .^..m Abreiser von St.

.Louis auf drei bestimmte Tage im Monat festgesezt.

56) Dagegen verweigerte die belgische Regierung, aus Furcht, die über Antwerpen ^ur Einschiffung ge.wiesenen französischen Flüchtlinge mochten im Lande blei.ben, die Visa für die Reisepässe dieser Fremden, während

sie solche früher bewilligt hatte. Die Bedingungen, die ^.e später hieran knüpfte, konnte^ nicht angenommen .w.erden und die fraglichen Flüchtlinge schifften fich in Rotterdam ein.

57) Der mo.lus vivendi, für ^en man durch Korre^po.nd.enz im Oktober 1850 zwischen Sardinien und .d.er Schweiz übereingekommen ist und nach welchem kein ...s

dieser Länder in das Gebiet des andern politische Flüchtlinge ohne ausdrükliche Einwilligung einsühren durfte, ^vurde allgemein beobachte. Die Abweichungen, welche ^ie .und da vorkamen, fanden ohne Wissen der obern Polizeibehörden der beiden Länder statt, und erhobenen .Beschwerden ließ man .unmittelbar Recht angedeihen.

.^.8) Einige Flüchtlinge fuhren fort, die Erth eilung .....es B ü r g e r r e c h t s in einigen Kantonen zu verlangen.

Allein im Hinblik auf den zweiten Passus des Art. 43 ^der Bundesverfassung glaubte d.er Bundesrath, die Urtheile ^er Gerichte, welche die Flüchtlinge .ihres Gemeinde-

637 .oder Staatsbürgerrechtes verlustig erklärte, nicht als Entlassungsurkunde aus dem frühern Staatsverband ansehen zu können. Da diese Urtheile nicht notwendigerweise diesen Verlust nach fich ziehen und durch Ertheilung von Amnestie oder Gnade wirkungslos werden können, so erfüllen fie nicht immer den Zwek, den man sich vorgesezt hatte, nämlich zu verhindern , daß dieselben Individuen nicht zu gleicher Zeit zwei Staaten angehören. Der Entscheid der Bundesversammlung über diese Frage vom 3. Februar 1853 erkannte dem Bundesrath die Befugniß zu, auch andere Beweismittel für Entlassung aus dem Staatsverband zuzulassen, als formelle und persönliche Entlassungsurkunden. .

59) Die A u s g a b e n , welche durch die Flüchtlinge veranlaßt worden, waren einer der hauptsächlichsten Gegenstände, mit denen fich das Departement zu befassen hatte.

Die Bereinigung der Rechnungen für den Kantonen aaa.Entschädi-

schuldige Entschädigungen wegen des Unterhalles der gungen an die politischen Flüchtlinge in den Iahren 1849 und 1850 ist wie Kantone.

beendigt, da nur noch ein Einspruch des Kantons Thurgau wegen der Verminderung einer von ihm gestellten Entschädigungsfordernng , so wie die Forderungen des

Kantons Wallis, dessen Belege nicht früh genug eingekommen find, .um vor dem Schluß der eidgenössischen Rechnungen von 1852 untersucht werden zu können , erledigt werden müssen.

Diese Bereinigung hat viel Zeit erfordert , weil es fich um beträchtliche Summen und um die Untersuchung einer ungeheuren Menge von Zahlen und kleinsügigen Details hudelte, die fich über 14 Monate (vom Iuli

1849 bis 31. August 1850) erfirekten.

Eine. erste Untersuchung fand durch einen Experten statt, welcher den Auftrag erhalten hatte, nur die

^38 unbestreitbar zulässigen Forderungen anzuerkennen, d. h.

die Posten , welche in Uebereinstimm.^tng mit dem Buchstaben des Beschlusses der Bundesversammlung vom 8. August 1849 waren und alle Forderungen unentfchieden zu lassen, welche bestreitbar oder zweifelhaft erscheinen sollten.

Das Resultat dieser Untersuchungen hat dem Bundesrathe erlaubt ,. den Kantonen Abschlagszahlungen machen zu lassen , welche den offenbar zulässigen Forderungen nahe kommen, nämlich :

Fr.

a. W.

Rp.

n. W.

Fr.

Rp.

1) Für 1849 im März 1850 183,470. -- 267,8l1. 15 2) ,, 1850 " Febr. 1851 22,36l. 63 32,641. 27 Im Ganzen: 205,83 l^ 63 300,452. 42 Damals (im Februar 1851) beliefen sich die Ges a m m t f o r d e r u n g e n der Kantone zufammen a.

Fr.

W.

^p.

n.

Fr.

W.

Rp.

auf . . . . . . . 236,013. 17^ 344,508. 43 die zuläfsigen Fordederungen auf ...

208,628. 15 304,534. 51 die b e a n s t a n d e t e n oder näher zu untersuchen-

den auf . . . . .

27,385. 0.^

39,973. 92

Diefe verschiedenen Zahlen find nachher noch gestiegen, weilrükständig gebliebene Rechnungen, fo wie nachträgliche Forderungen einliefen.

Um die Rechnungen zu bereinigen, blieb dann noch eine ergänzende Revision zu machen übrig , welche alle noch nicht bezahlten Summen umfaßte. Um das Ganze der beanstandeten oder zweifelhaften Forderungen zu erfassen und auf diefelben die gleichen Grundfäze anzuwenden, mußte man sie je nach ihrem Gegenstande in Kategorien ordnen, nämlich:

639 aa. Kleidungen, Ausbesserungen, Fußbekleidung,

Wäsche; . bb. ärztliche Behandlung und Arzneien ; cc. verschiedene Lieferungen;

dd. Wohnung , Einkasernirung ; ee. Reifeunterstüzungen; ff. Transportkosten;

gg. polizeiliche und militärische Begleitungen, Sicherheitswachen und andere außerordentliche Kosten ;

hh. eidgenössische Agentschaften.

Indem diese ergänzende Revision fich auch mit den Zahlen und den Belegen zu befassen hatte, so hatte fie wesentlich zum Zwek, zu untersuchen, ob die geforderten und unentschieden gelassenen Forderungen nach dem Bun-

desbeschluß vom 8. August 1849 zulässig seien oder nicht, ein Beschluß, der einerseits nur Entschädigung für den

Unterhalt im Verhältniß von 35 Rp. a. W. vom Mann und vom Tag gewährt und andererseits im "Unterhalt", d. i. in den 35 Rp. Nahrung, Wohnung und allfällig auch Kleidung und ärztliche Behandlung der Flüchtlinge inbegriffen hat.

In den Entscheidungen, welche die eidgenösfische Verwaltung über die Forderungen der Kantone zu fassen berufen war, wurde diefelbe wesentlich durch folgende Erwägungen geleitet.

Zuerst und vor Allem durch den Grundfaz, welcher die zu lösenden Fragen b e h e r r s c h t e , daß durch den Beschluß vom 8. August 1849 die Eidgenossenschaft nicht alle durch die Flüchtlinge oder den Unterhalt derfelben verursachten Kosten auf fich nehmen, fondern nur für einen Theil an diese Kosten beitragen wollte, und daß dieser Theil durch den besagten Beschluß festgestellt wurde.

640 Dann mußte die eidgenössische Verwaltung als un-

zulässig betrachten: a. Alle Begehren, welche nicht hinlänglich fpezifizirt und belegt waren.

b. Die Begehren für Leistungen, die der Beschluß im Unterhalt inbegriffen hat (siehe eben), was auch auf Wäfche, das Fliken, die Fußbe^.eidung .e. anwendbar ist.

c. Andere als Unterhaltungskosten , die der Beschluß nicht entfchädigen will, z. B. die den aus dem betreffenden Kanton abreisenden Flüchtlingen verabfolgten Reifeunterstüzungen.

d. Die Unterhaltskosten nach dem 31. August 1850, dem Tage, von welchem an der Bundesrath die Ent-

schädigung aufhören ließ.

e. Die Unterhaltskoften, welche die eidgenössische Entschädjgungstare, 35 Rp. vom ^.ann und vom Tag überschritten.

f. Die Doppelanfäze.

g. Die Ausgaben, welche zu andern Rechnungen ge^hörten, in so fern es noch möglich war, dieselben auf jene Rechnungen nachzutragen, z. B. Truppenaufftellungen, Unterhalt der Pferde der Flüchtlinge, Gepäketransport, eidgenösfifche Agentschaften.

In der Anwendung dieser Regeln mußte man auf eine billige Weise folgenden Umständen Rechnung tragen: 1) Der Z e i t der Ausgabe , ob fie vor oder nachdem Beschluß gemacht worden sei^, ..tnter anderm noch, ob sie zur Zeit des massenhaften Andrangs der .Flüchtlinge an die Schweizergr..nze stattfand.

2) Ob es sich um Flüchtlinge aus der Durchreife handelte , welche von der Gränze kamen , um in andern Kantonen interniti oder ins Ausland ge-

641 wiesen zu werden, oder um Flüchtlinge , welche dem Kanton, der die Forderung stellt, z u g e t h e i l t oder in denselben internirt waren. In Bezug auf die erstern hat die Ausgabe einen eidgenössischen Eharakter annehmen können ; das leztere betrifft mehr den Transport und die Eskortirung.

3) Den V e r h ä l t n i s s e n , welche die Maßregel, welche Grund der Ausgabe war, veranlaßt oder noth-

wendig gemacht haben ; nämlich ob diese Verhältnisse allen Kantonen gemein gewesen seien oder nur den betroffen hatten, welcher fie fassen musste; mit andern Worten: ob jene Verhältnisse die unmittelbare unausweichliche Folge einer ausnahmsweisen Stellung waren.

4) Der eidgenössischen B e h ö r d e n oder der kantonalen,

welche die Ausgabe befohlen oder gebilligt hat.

So

find die Befehle, welche durch die eidgenössischen Kommissäre oder die Kommandanten der eidgenössischen Truppen gegeben worden, ein bestimmendes Motio für die Zulassung einer Forderung gewesen, unter Vorbehalt jedoch, den Entschädigungstarif zu mäßigen und zu würdigen.

5) D e n R e i s e u n t e r s t ü z u n g e n , welche von den Kantonen den ihnen zugeheilten Flüchtlingen bewilligt worden waren, und von denen die einen in ihre Heimath zurükgekehrt , die andern in ein anderes Land ausgewandert find. Diese Ausgaben bleiben zu Lasten der Kantone , welche dieselben bewilligt hatten und zwar einmal, weil der Beschluß vom 8. August derartige Forderungen stillschweigend ausschließt , sodann weil die Abreise dieser Fremden im Vortheile der Kantone gelegen war , welche fie nicht mehr unterstüzen mußten, und endlich weil von

642 denjenigen Kantonen, welche derartige Unterstüzungen verabfolgen ließen, einige für beträchtliche Summen, nich .s gefordert haben und es ungerecht wäre, einige Kar.tone günstiger zu behandele als die andern.

Da... Interesse, welches die Eidgenossenschaft bei der Abreife diefer Fremden hatte, wurde durch die betätlichen Ausgaben, die ihr in diefer Beziehung zufielen , hinlänglich aufgewo^en ( fiehe unten

Nr. 64).

Die nachträgliche Revision hat folgende Resultate ergeben : neue Fr. Rp.

G e s a m m t f o r d e r u n g e n (fowol frühere

als nachträgliche) der Kantone . . . 356,083. 33 Zugestandene Forderungen, in Folg.. der

ersten Verifikation . Fr. 304.534. 51^ Jn Folge der nachträg^ 326,253. 96 lichen Revision . . ,, 21,719. 45^ Schuldig gebliebene Summen . . . . . . Fr. 326,253. 96 Abgewiesene Forderungen . . . . . 29,829. 37 Summe, welche den Gefammtforderungen

gleich kommt . . . . . . . . . 356,083. 33 An die Kantone b e z a h l t e Summen: auf Rechnung in den Jahren 1850 und

1851 . . . . . . . . . . . 300,452. 42 für Saldo nach dem Budget von ...852 25,801. 54 Total der an die Kantone bezahlten Ent-

^ schädigungen . . . . . . . . . 326,253. 96

643 neue Fr. Rp.

Die von Wallis reklamirten und noch nicht reglirten Entschädigungen betragen

2,612. 15

Ein abgezogener und von T h u r g a u rekla-

mirter Betrag ist . . . . . . . .

229. 73

Wenn man zu obiger Summe, welche an

die Kantone für 1849 und 1850 (und an Basel-Stadt für 1851) bezahlt wor-

den ist . . . . . . . . . . . 326,253. 96 diejenige hinzufügt, die kraft des Bnndesbeschlnsses vom 21. Dezember 1849 für

die Verpflegung der italienischen

Flüchtlinge in den Jahren 1848 und

1849 an Luzern , Uri , Graubünden , Tessin und Genf bezahlt worden ist, näm-

lich Fr. 26,801. 29 a. W. . . . . 39,121. 84 so bilden die an die Kantone bezahlten Entschädigungen eine Totalsumme von . 365,375. 80.

Wir

müssen bemerken, daß in der Summe

von

Fr. 25,801. 54 n. W , welche für Saldo an die Kantone bezahlt wurde, sich die Summe von Fr. 1659. 011/.. a. W.

oder Fr. 2421. 66 n. W. inbegrissen findet, welche an .Basel-Stadt für Verpflegung und Einquartirnng und an-

dere im Jahr 1851 gemachte Ausgaben für Flüchtlinge bezahlt werden mußte, welche von dem Departement oder den Kantonen nach Bafel geschikt und von dem eidgenöfsifchen Agenten in das Depot gebracht wurden, bis er sie auf den Weg nach ihrem Vaterlande befördern oder nach England oder Amerika fenden konnte. Diefe

ausschließlich für den eidg. Dienst gemachten Ausgaben hätten unmittelbar von dem Agenten bezahlt werden sollen,

644 statt daß sie von der Regierung von ..^asel. Stadt vorgeschossen t.nd dann zurükgefordert worden. Diese Kosten, welche der Eidgenossenschaft zur Last fallen, sind die wirkliche Ausgabe und nicht allein 35 Rapp. n für einen Mann und Tag, die zurükbezahlt werden mu^.te.

Man hat auf die gleiche Weife ^ie in diesem Kantone für die Flüchtlinge vom 1. Augn^ 1849 hinweg und während des Jahres 1850 gemachten Ausgaben behandelt.

Der Gr.tnd davon war dieser, daß Basel- Stadt von jenem Zeitpunkte an durch die Eidg^nssenschaft in eine völlige A.tsnahmsstellung, wie kein anderer Kanton sich in einer folchen befand, verfezt worden ist.

Taufende von Flüchtlingen, nämlich in. Jahr 1849: 4,339 ,, ,, ,, 1^50. ^97 5,236 (ohne diejenigen zu zählen, welche in den Jahren 1851 nnd 1852 in der oben beschriebenen Weise im Depot sich befanden), waren nicht Bafel zugetheilt, fondern auf andere Kantone vertheilt oder in denselben ^..duldet; so mußten die Unkosten, welche ihr kürzerer oder .^än^erer Ausenthalt in dieser Stadt verursachte, auf die Eidgenossenschaft allein fallen , wenn man dieselben nicht verh.^tnißmäßig auf die Kantone vertheilen wollte.

Dagegen wurde der Stand Bas.... - Stadt für alle Flüchtlinge, welche sich während des Monats Juli 184.^ daselbst aufhielten, nur auf dem Fuße von 35 Rappen

entschädigt, da Basel-Stadt damals, wo diese Fremden unmittelbar aus Deutschland kamen und in Massen drangen, sich in der ganz gleichen Lage besand, wie dere, namentlich die nördlichen Grän^kantone. Aus sem Grunde wurde alles, was von diesem Stande

einandiesür

645 den genannten dert worden, ausgenommen eidgenössischen

Monat über die eidgenössische Taxe geforvon der reklamirten Summe abgezogen, die Besoldung der ausschließlich für den Dienst verwendeten Landjäger.

60) Aber gegenüber den an die Kantone bezahlten 1^. ^^ Entschädigungen hatte die Eidgenossenschaft bezüglich der ^^.^ Flüchtlinge noch andere Ausgaben zu bestreiten.

BundesverwalUnter diese Zahl gehören znerst diejenigen, welche ^ ^^ ^u^.^n.

für die A b r e i s e jener Fremdlinge und was sich auf diefelbe bezieht, gemacht wurden. Da beinahe alle diese Flüchtlinge der Existenzmittel entbehrten , oder sie nur in unzureichendem Grade in baar besaßen, mußte die Eidgenossenfchaft ihre Reisekosten zu Wasser und Land, vorzüglich außer der Schweiz, tragen. Es handelte sich 1849 größtentheils um Badenser, Bayern, Pfälzer,^ Hessen und andere Dentsche, welche entweder unmittelbar, oder auf dem Rheine und den elsäßischen Eisenbahnen nach ihren Ländern zuxükkehxten ; es sind diese diejenigen., welche verhältnißmäßig am wenigsten kosteten. Jm. nämlichen Jahre wurden ebenfalls mehrere Flüchtlingsführer nach England und Amerika fpedirt. Jn den Jahren 1851 und 1852 fanden die überseeischen Reisen am häusigsten statt.

Jm Jahr 1850 verreiste, außer den vielen Flüchtlingen, die sich nach Hanse begaben,^ eine beträchtliche Anzahl nach andern entsernten Ländern.

Während dieser vier Jahre hatte die Bundeskasse ebenfalls verschiedene Unkosten für Verpflegung, Bewachung, Transport, Eskorten und Depot der Flüchtlinge an die Kantonspolizeidirektionen zu bezahlen, wenn ^besondere Maßregeln bezüglich von Flüchtlingen genommen werden mußten, die sich den Befehlen der Behörde zu ^entziehen suchten, oder wenn solche außerhalb des Kantons, der sie

l

. 646 geduldet hatte , die Visirung ihrer Papiere durch die Gesandtfchaften der Länder, durch welche sie reisen mußten, abzuwarten hatten.

Endlich mußte man die Agenten und andere speziell in eidgenössischen Dienst gerufene Angestellte entschädigen und besolden.

Diese verschiedenen Ausgaben, welche von dem Deparlement direkt gemacht oder zurük befahlt wurden, oder von dem eidgenössischen Agenten in Basel , oder dem schweizerischen Geschäftsträger in Par^ , oder durch die eidgenössischen Konsuln in Havre, Brüssel und Rotterdam, betragen wie folgt:

Jm ,, " "

ccc. Eidge.

Jahr " " "

1849 . . Fr. n.W. 8,506. 95 1850 . . ,, " ,, 87,114. 15 1851 . . " " " 7,980. 66 1852 . . " " " 2l,576. 97 Fr. n. W. 125,178. 73.

6l) Obgleich die Kosten für die eidgenössischen Kom-

Iossische Kom^ missäre in der Abtheilnng des politischen Departements, m.ssar.ate.

^ ....^ ^.^^ ....^ ^ Rech^u^e... erscheinen, so müssen nichts desto weniger zu den obigen Ausgaben diejenigen der Kommissariate, welche entweder ausschließlich oder

größtenteils durch die politischen Flüchtlinge veranlaßt worden sind, beigefügt werden. Sowol im Tefsin, als an der nördlichen Gränze, zu Genf und in andere Frankreich angxänzenden odex benachbarten Kantonen haben derartige Kommissariate während der Jahre 1849, 1850,

1851 und 1852 im Ganzen gekostet d.e Summe Fr. n. W. 38,320. 62 zu welcher hinzukommt, was das eidg. Kommissariat für die Fluchtlinge im Kanton Tessin im Jahr

. 1848 gekostet hat, nämlich . . . . . . 4,979. 04 Fr. n. W. 43,299. 66

647 62) Die eidgenössischen Truppenaufgebote in den Iah- ddd. Trugen..

ren 1848 und I849 find größtenteils unmittelbar oder angebote.

mittelbar durch den Eintritt und den Aufenthalt der Flüchtlinge in der Schweiz veranlaßt worden. Aber da diefe Bewaffnungen auch die Bewachung der Gränze und die Sicherheit der Schweiz in andern Beziehungen zum Zw..k hatten, ist es fehr fchwierig, den Theil dieser Kosten zu bezeichnen, welcher auf die Abtheilung der

politischen Flüchtlinge gebracht werden soll. Wir beschränken uns daher daranf, dasjenige anzugeben, was sich unbestreitbar auf diese Fremden bezieht, nämlich im

Iuli 1849 die nördliche Gränzbewachung bei dem massenhaften Eintritte der Flüchtlinge. Mit Inbegriff des Büsingerhandels kommt die Totalausgabe aufFr. l,403,740.

20 Rp. n. W. zu stehen, wovon ohne l.lebertreibnng

zwei Dritttheile, nämlich Fr. 936,000 n. W. den Flüche lingen zugeschrieben werden dürfen.

63) Außer den oben aufgezählten Ausgaben gibt es eee. Andere noch andere, die auch nur annähernd zu schäzen schwierig Unkosten.

ist, weil langwierige und umständliche Nachfuchungen gemacht werden müßten, indem sie fich in den verfchiedenen Rubriken der Rechnungen befinden. Dergleichen Ausgaben find z. B. die Entschädigungen der Experten, sowol um die Kontrolen der auf die Kantone vertheilten oder von denselben geduldeten Flüchtlinge zu führen, als auch um die Beschlüsse, bezüglich der Polizei über diefe Flüchtlinge vorzubereiten, oder die durch die Kantone für die Verpflegung der Flüchtlinge eingereichten Rechnungen zu verifiziren. Iedenfalls belaufen sich diese Ausgaben auf einige tausend Franken.

64) Die Rekapitulation der oben stehenden Ziffern fff. Rekapitn.

stellt folgende Gesammtsumme dar : lation.

Bundesblatt. Iahrg. v. Bd ll.

52

648 Fr. n. W. Rp.

a. Entschädigung an die Kantone (.^r. 59) 365,375. 80 b. Ausgaben des schweizerischen Departe-

ments (Nr. 60) . . . . . . . 125,178. 73 c. Eidgenössische Kommissariate (Nr. 61) 43,299. 66 533,854. 19 d. Truppenaufgebote (Nr. 62), na.nlich annähernd die unzweifelhaft durch die Flüchtlinge verursachten Militärkosten. 936,000. -e. Andere Kosten (Nr. 63) wenigstens

5,145. 81

Gesamtsumme der Ausgaben, welche der Eidgenossenschaft verursacht .vur-

den . . . . . . . . . . . 1,475,000. -f. Unabhängig von diesen Kosten gibt es solche, welche auf den Kantonen, Gemeinden, Korporationen und Privaten lasteten.

Ohne daß durch diese die Daten geliefert werden, ist es unmöglich, jene zu schäzen. Alles, was man darüber sagen kann, ist, daß die Ziffei derselben fich sehr

hoch beläuft!

So übermäßig diefe Ausgaben, besonders für die Schweiz fein mögen, fo find fie dessen ungeachtet nicht außer Verhältniß zu dem Zweke, den man erreichte.

Man hat vollkommen fowol dem Afylrecht und der Menschlichkeit, als auch den internationalen Pflichten und der Sicherheit der Schweiz Genüge gethan. ^ Nachdem man während mehreren Monaten den Massen der Proskribirten Gastfreundschaft gewährt hatte, entfernte man von dem Gebiete Taufende von Fremden, von denen uiehrere die Eidgenossenschaft im Aus- und im Inlande schwer kompromittirt hätten, und die früher oder fpäter

649 als Heimathlose oder in einer andern Beziehung dem Lande zur Last fallen konnten. Man follte fich selbst Glük wünschen, daß diese moralischen und materiellen^ Vortheile keine größern Opfer erheifchten. Was find 125,000 Franken, um die Abreise von zahlreichen Flüchtlingen zu erleichtern und zu beschleunigen; ja was find

selbst 500 und so viel 1000 Franken, um die Reisekosten und die Ausgaben der eidgenössischen ^Kommissariate zu bestreiten, im Vergleich mit den Millionen, welche man .hätte bezahlen müssen, wenn man bei Unterlassung der ergriffenen Maßregeln in die Notwendigkeit (und fie wäre unvermeidlich^ gewesen) versezt worden wäre, Truppen in großer Anzahl und auf lange Zeit aufzubieten. Man kann weiter oben, unter Nr. 62, theilweife sehen, was dieses kostet.

65) Obgleich die Ausreißer, die Vagabunden, die hh. Andere Landstreicher und andere Fremde, deren Charakter un- ^.ud^ bekannt oder ungewiß ist, dem kantonalen Geschästskreis angehören , so ist die eidgenöffifche Behörde nichts desto weniger ziemlich häufig in den Fall gekommen, fich mit ihnen zu beschäftigen, nämlich um die wahre Eigenschaft von Fremden, welche die Zentralpolizeidirektionen ihr als politische Flüchtlinge oder unter einem andern Namen zuschikten, zu erforschen und allfällig um den Kreisfchreiben Achtung zu verschaffen, welche die Kantone einladen, Fremden dieser Klassen keinen Eintritt in die^ Schweiz zu gestatten, noch weniger fie andern Kantonen.

znzuweisen und sie für die Nichtbeobachtung diefer Vor.schriften verantwortlich zu machen.

66) Gewisse geheime Agenten des Auslandes haben unfere besondere Aufmerksamkeit um fo mehr in Anspruch.

genommen, weil sie die Maske des Profkribirten ange.nommen hatten. Drei Individuen diefer Art wurden.

650 durch die eidgenössische Behörde aus der Schweiz verwiesen.

cc. Preußische

67) Unter Berufung auf dasjenige, was sich in der

nnd sächsische Abteilung d^ politischen Departements^ Seite 49, .^0, Arbeiter.

.^ ^ .^ ^.^ ....^ ^ Insti^ ...^ Polizeidepartement noch Folgendes beifügen : a a a. In Betreff der Pr enßen. Da einige Kantone, namentlich solche, wo sich viele dieser Arbeiter befanden, Erläuterung über den Sinn des Kreisschreibens vom 12. Oktober 1852 verlangten, antwortete ihnen das Departement, daß dasselbe nicht die Einladung enthalte, fie aus der Schweiz zu entfetnen, sondern eine F r a g e , nämlich zu wissen, welche Maßregeln fie genommen haben oder zu nehmen beabsichtigten, um zu verhindern, daß die preußischen Arbeiter nicht Heimathlose würden, da die Angelegenheit, in ihrem gegenwärtigen Stande, in den kantonalen Gtschäftskreis gehöre.

68) b h b . In Betreff partement, welches in seinem tober 1852 die Kantone von des Königreichs Sachsen in verschiedene Nachweise gab,

der S..chfen. Das DeKreisschrei...en vom 12. Okdem Verbot der Regierung Kenntn.ß sezte und ihnen lenkte ihre Aufmerksamkeit

^Ill. .^andha- aus die Unzulänglichkeit der Reisepässe und Wander^.^we^si^ bücher, welche von deutschen Behörden. den Arbeitern .^dex Bexech- ausgestellt werden, die fich in die Schweig begeben und .Bn^liegt. ^ w^lch^n fie bisweilen fich zu entledigen suchen.

a. Bundessiz.

69) Es ist hier nichts zu bemerken.

l.... Formular

70) Diese Angelegenheit, welche sich auf die Voll-

dex .^eimath- ^ehuug des Konkordats vom 10. Jn^ 1819, betreffend Scheine.

^ Niederlassungsoerhältniß unter den Eidgenossen bezieht, ist gegenwärtig schwebend und gehört dem Geschäfts-

berichte für 1853 an.

651 71) Solche wurden in einer gewissen Anzahl an Flucht- c. Eidgenöslinge, welche nach England und Amerika verreisten, er- sische Reise-

theilt.

^

72) Die verlangten Nachforschungen und Mittheilnn- IX. Ve.schlegen , welche dieser Abtheilung angehören , sind entweder denes.

a Nachforvon dem Auslande an die Schweiz, oder von dieser an schungen und das Ausland, oder vom Innern der Schweiz sür das Mitteilungen.

Jnnere gerichtet worden. Sie haben sehr verschiedene Angelegenheiten zum Gegenstand , wie allgemeine Fragen sowol über Geseze und Reglemente, als über spezielle Rechtslagen ; sie betreffen Personen , Ehen , Tod - und Erbfälle, Kundmachnngen, Ersuchen um richterliches Verfahren, Signalemente und Verfolgungen, Auslieferungen, Beschwerden und materielle Gegenstände. Wenn es sich um einfache oder genug erörterte Angelegenheiten handelt, findet die Mittheilung und Ueberfendung direkt durch den Bundesrath statt; wenn aber dabei eine genauere Untersuchung notwendig ist, werden sie an das Justizund Polizeidepartement zur Untersuchung und Antragstellung überwiesen. Diese sraglichen Nachforschungen und Mittheilungen sind sehr zahlreich.

73) Diese Begutachtungen werden verlangt, wenn es sich mehr oder weniger um Rechtsgegenstände, wie Prozesse handelt, oder wenn staatsrechtliche Fragen inbegriffen sind , oder eigentliche Polizeimaßregeln.

b. Begntachtung von Angegegenheiten, die andere Deparimente be..

Es sanden im Laufe des Jahres vermiedene solcher treffen.

Begutachtungen statt.

74) Die Vergleichung des Budget und der Rech- c. Rechnungs..

nungen sür den Dienst dieses Jahres findet sich in der wesen.

Abtheilung des Finanzdepartements auf Seite 369 bis

372.

[

d. Einladung gen der Bundesversamm..

lnng.

aa. Liquidation der Rechnungen über die anßex..

ordentlichen, von den Flücht.

lingen veran.

laßten Ansgaben.

I^b. Konkordat, betreffend ein allgemeines

Wechfelrecht.

e. Anzahl der

Schxeiben des Departements.

652 75) Man hat oben (Nr. 59) gesehen , daß dieser Einladnng in Genüge geleistet worden ist.

76) Da die Regierung des Kantone Bern die Initiative zur Entwersung eines Konkordats , betreffend das Handelsrecht, ergriffen hat, so wünschte der Bundesrath die Konferenzen der Kantone über diesen Gegenstand abzuwarten.

.^ 77) Die Anzahl der Schreiben ..'es schweizerischen Justiz- und Polizeidepartements während des Jahres 1852 weisen solgende Ziffern nach: 1. E m p f a n g e n e B r i e f e , betreffend

die politischen Flüchtlinge . . . 1,170^ 2,320 andere Geschäfte . . . . ^1,150^ 2. A u s g e f e r t i g t e B r i e f e , betreffend

die Flüchlinge .

.

.

.

. 1,190^ 1,990

andere Geschäfte . . . .

3.. K r e i s f c h r e i b e n , betreffend

die Flüchtlinge .

.

8)

andere Angelegenheiten .

.

.

4) B e r^i ch t e r st a t t u n g e n un^ A n t r ä g e an den Bundesrath , be-^

15l

anglich der Flüchtlinge .

.

.

.

.

Buchhaltung

.

.

.

.

anderer Gegenstände . . .

5) R e c h n u n g s w e s e n

.

.

.

800l

.

.

.Ausfertigung der monatlichen Rechnungen an das Finanzdepartement .

8 0.

254l

23

334

13 12

6) A u s g e f e r t i g t e R e i s e p ä s s e für politische Flüchtlinge . . . . . 157 Gesamtsumme der Sch.iftstüke: 4,837

653 Diesen Ziffern muß das Kopiren der ausgefertigten Briefe , Kreisfchreiben und mehrerer Rapporte und^ Anträge beigefügt werden; bezüglich anderer Rapporte befchränkte man sich darauf, im Protokoll Vormerkung davon zu nehmen.

78) Da Hr. Migy feine Entlassung von der Stelle l^Pers^.ch.^ eines Generalanwaltes der Eidgenossenschaft nahm, so wurde aa. Anwalt er durch Hrn. Advokat A mi e t von Solothurn ersezt.

s^

79) Hr. Paul Wulliemoz aus dem Kanton Waadt, der seit dem Monat August 1850 die Stelle eines De- ^^.^ partementssekretärs provisorisch auf eine sehr befriedigende .ue^ Weife verfehen hatte , wurde von dem Bundesrathe, nach einer erfolgten Ausfchreibung, definitiv zu dieser Stelle ernannt.

Neben dem Sekretär beschäftigt das Departement zeitweise einen Kopisten, der monatlich entschädigt wird, aber dieses Personal ist unzureichend , um alle Schreibereien, besonders aber die Registraturen der Protokolle, von Tag

zu Tag auszufertigen.

80) Außer der eidgenössischen Agentschaft in Basel für die Abreife der Flüchtlinge, beschäftigte das Departement ^. ^^ Experten hauptsächlich sür die nachträgliche Revision der ^..^^ Rechnungen über Entschädigung der Kantone und für die vergleichende Darstellung der kantonalen Preßgeseze.

Dieses ist die Uebersicht der Geschäfte, welche sich auf die Amtstätigkeit des schweizerischen Justiz- und Polizeidepartements während des Jahres 1852 beziehen. Wie .man sich überzeugen konnte, umsassen sie sehr verschiedene, mehrentheils verwikelte, schwierige und delikate Fragen, von denen die einen dringender Natur waren, die andern längere Zeit bedursten.

(Die Beilagen zu diesem Berichte solgen in nächster Nummer.)

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des schweizerischen Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahr 1852

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1853

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

30

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

05.07.1853

Date Data Seite

551-653

Page Pagina Ref. No

10 110 127

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