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Aus den Verhandlungen des schweizerischen Bundesrathes.

(Vom 28. November 1853.)

Die Regierungen der Kantone Bern, Appenzell Außer- und Inner'Rhoden und Genf, so wie die ..perren Nationalräthe .·£. Stockmar in Pruntrut, Fr. Lambelet und Konsorten im Kanton Neuenburg, Müller-Käser in Bern und die Hilfsgesellschaft in Trogen richteten an den schweiz. Bundesrath das Gesuch um Aufhebung des Eingangszolles auf Getraide und Mehl.

Derselbe hat nun nach angemessener Prüfung der Sache, die Gesuche mit folgendem Schreiben abgelehnt:

Tit.

Bern, den 28. November 1853.

Sowol in Folge mehrerer« an uns gelangten Eingaben, als auch im Hinblik auf die Wichtigkeit der Sache selbst haben wir die Frage einer reiflichen Prüfung unterworfen, ob unter den obwaltenden Umständen der fchweizerische Eingangsjoll auf Getraide, Hülfenfrüchte. Reiß und Mehl fufpendirt werden soll.

Die Schweiz erzeugt von den 12 Millionen Zentnern Getraide, die sie jährlich bedarf, auch in guten Iahren nur etwa Dreiviertheile selbst, und führt daher jährlich gegen drei Millionen Zentner an Getraide, Mais, Reiß,

Mehl u. dgl, ein. Die diesjährige Mißernte, welche

durchschnittlich um den vierten Theil hinter einer gewöhn* lichen Mittelernte zurükblieb, macht nun aber eine fiärkere Einfuhr nöthig. Diefe Mehreinfuhr kann in Betracht des, bei Mißwachs immer höheren Preises des Getraides, so wie des Umstandes, daß die Obst- und Kartof«.

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selenite im Allgemeinen in der Schweiz gut ausfiel und

einen ziemlichen Theil des Getraidedefizits dekte, auf eine Million Zentner angeschlagen werden. Von dieser Million fällt der vierte Theil auf das Bedürfniß des Iahres 1853 und die andern drei Viertheile auf das Jahr 1854. Die Erfahrung der lezten Monate zeigt

nun, daß die Einfuhr wirklich in diesem Verhältniß zugenommen hat, und daß es dazu keiner außerordentlichen Mittel bedurfte, auch ist wirklich das Mehrbedürfniß nicht von fo großem Belang, daß, zur Dekung desfelben, außerordentliche Mittel nothwendig fcheinen. Allerdings find die Preise des Getraides ziemlich gestiegen, allein

die Ursache diefes Auffchlags ist nicht nur in dem wirklich kleinern Vorrath desselben zu suchen, fondern großentheils in der plöjlichen und gemeinfamen größeren Nachfrage, welche dann die Befizer von Getraide veranlaßte, ihre Vorräthe vom Markte fern zu halten, und gleichzeitig die Spekulation anreizte, fich auf diesen Zweig zu werfen. Ein Steigen der Preise war daher ganz natürlich. Die Erfahrung aller Zeiten lehrt nun aber, daß wenn einmal eine gewisse Aengstlichkeit in Lebensrnittelfragen fich des Publikums bemächtigt hat, jede Maßregel der Regierungen vielmehr dazu dient, diefe Aengstlichkeit zu vermehren als sie zu befchroichtigen. So ist man gewohnt, in einer Abschaffung der. Eingangszölle auf das Getraide, oder in Erfchwerungen der Ausfuhr desselben, die Anficht der Regierung zuerkennen, daß wirklich ein großer Mangel an diesen wichtigen Bedürfnissen herrsche oder bevorstehe. Die Beforgniß vermehrt fich daher, die Käufer werden eifriger, die Verkäufer zurükhaltender und die Preise steigen noch mehr in die Höhe.

Schon die hievor entwikelten Gründe mußten es dem Bundesrathe bedenklich erscheinen lassen, in die Sache

639 einzugreifen; allein es traten noch andere triftige Gründe dazu.

Der Einfuhrzoll auf das Getraide ist so gering, daß er auf den allgemeinen Preis des Brotes von keinem Einfluß sein kann. Der Zentner Getraide gibt minde* stcns 90 Pfund Mehl und dieses mindestens 112 Pfund ...Brot. Da nun der Eingangszoll auf das Getraide 15 Rappen per Zentner beträgt, so lasten auf den 112 Pfund Brot 15 Rappen, das ist kaum etwas mehr als Vs Rappen per Pfund. Es wird nun Niemand behaupten wollen, daß man das Pfund Brot, welches vor der Aufhebung des Getraidezolles um 23 Rappen verkauft wurde, nach dieser Aufhebung um 227/8 Rappen kaufen konnte. Dagegen käme das ganze Betressniß des Einfuhrjolles dem Spekulanten und Kornhändler zu gut, und dieser findet in feinem gewöhnlichen Gewinn fchon einen hinlänglichen Sporn zur Einfuhr von Getraide, fo daß er keiner weitern Aufmunterung dazu von Seite des Staates bedarf. Dazu kommt, daß der größte ..theil des Getraides nicht von Schweizern in die Schweiz eingeführt wird, sondern von Fremden. Diese bezahlen daher den Zoll, und eine Aufhebung desselben würde Niemanden weniger als sie bewegen, ihren Verkaufspreis herabzufezen. Dagegen dürfte leicht der Fall eintreten, daß eine hierfeitige Aufhebung des Getraidezolles, die Regierungen derjenigen Nachbarländer, aus denen das Getraide eingeführt wird, bewegen .würde, ansehnliche Ausgangszeile einzuführen, um der von uns gewährten, mehr ideellen als reellen Erleichterung, ein Gegengewicht entgegen zu stellen, das eine zu starke Ausfuhr zu verhindern im gall wäre. Gerade die Furcht vor solchen Ausgangszöllen hat zu großen eiligen Anläufen Anlaß gegeben und wefentlich zu Preisauffchlägen beigetragen.

640 Etwas bedeutender als auf dem Getraide, lastet der Zoll auf dem Mehl, obfchon auch da die Auflage nicht ganz einen halben Rappen vom Pfund beträgt ; allein «ine Aufhebung des Mehlzolles könnte ohne eine gleichzeitige Aufhebung des Getraidezolles nicht gerechtfertigt werden, und zudem kommt die Mehleinfuhr vorzüglich auf folche Theile der Eidgenossenfchaft, wo die Einwohner ohnehin einen fehr guten Verdienst haben, und in denen tnan eher den größten Ueberflnß als Mangel zur Schau trägt. Eine Aufhebung des Mehljolles kann fomit da nicht als ein Bedürfniß betrachtet werden.

Wenn nun alle diese Gründe, zu denen noch der weitere kommen mag, daß man die gewöhnlichen ötaatseinnahmen nicht ohne die größte Noth beeinträchtigen follte, gegen eine allgemeine Aufhebung der Getraiceund Mehlzölle unter den gegenwärtigen Verhältnissen sprechen, so entsteht die weitere Frage, ob nicht zu Gunsten der Regierungen und der gehörig afkreditirten Hilfsgefellschaften eine Ausnahme gemacht werden sollte, besonders von dem Gedanken ausgehend, daß dadurch einerseits dem Armen sein Brot wohlfeiler und zugängHcher gemacht, andererseits die Sust der Spekulanten zu übertriebenen Verkaufspreisen, etwas im Zaum gehalten werde.

Allein auch solche Konzessionen scheinen uns nicht zwekmäßig, am wenigsten jezt, wo der Markt ruhiger geworden ist, die Besorgnisse zu schwinden beginnen und die Preise sinken.

Es darf nämlich nicht aus der Acht gelassen werden,

daß der Kornhandel ein ziemlich gefährliches Geschäft ist, das allerdings, neben Ausfichten auf bedeutenden Gewinn, auch solche auf großen Verlust eröffnet. Er

641 ist aber ein sehr nothwendiges Geschäft und darf daher in seinen Operationen durch Regierungsverfügungen fo wenig als möglich gestört werden. Wäre es nun aber nicht eine Störung des Geschäftes und eine Abschrekung des Kornhändlers, wenn auf demfelben Markt, auf welchem er seine Einkäufe macht, ein Konkurrent, wie eine Regierung oder eine Hilfsgesellschaft, mit überwie* genden Kapitalien gegen ihn aufträte, und zwar mit der ausgesprochenen und anerkannten Abficht, die heimischen Verkaufspreise recht niedrig zu halten, und wenn dann diefer Konkurrent noch die besondere Begünstigung zollfreier Einfuhr genöjje? Gewiß würde mancher Kornund Mehlhändler durch eine folche Betrachtung von einem schwunghaften Betrieb seines Geschäftes abgehalten, und die Folge davon wäre nur ein neues Steigen der Preise an dem mit weniger Waare versehenen heimischen Markt. Dazu dürfte besonders jezt, nachdem die Preise von Korn und Mehl zu sinken beginnen, eine solche Maßregel durch den Vorwurf der Unbilligkeit gegen diejenigen Regierungen und Hilfsgesellschaften betroffen werden, welche ihre Einkäufe früher, bei höherem Preise machten, als die Ausfichten auf Mangel noch größer waren, und die zu jenem Preise auch i»ch die Eingangszeile bezahlten; erforderte die Gerechtigkeit nicht eine Rükzahlung dieser Zölle, und wohin würde und müßte dieses führen?

Endlich dürften die Fragen aufgeworfen werden, ob eine folche Begünstigung der Regierungen und -ipilfsgefellfchaften auch mit den Bestimmungen der Bundesverfassung im Einklang wäre, welche alle Schweizer »or dem Gesez gleich gehalten wissen will, ohne Ansehen der Personen, und wo die Gränze zu ziehen sei zwischen Hilfsgesellschaften, Konsumvereinen und Privaten.

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Sine solche Lösung ist inzwischen für einmal um so weniger nothig, als schon die früher entwifelten Bedenken hinreichen, um die Anficht festzustellen, daß wenigstens für einmal der Zeitpunkt nicht vorhanden fei, in welchem besondere zollamtliche Erleichterungen sür den Verkehr mit Lebensmitteln nothwendig oder nur rathsam seien.

Dabei behalten wir uns indessen vor, jederzeit und bei veränderten Umständen auf diese Frage zurük zu kommen.

(Schlußformel.)

(Vom 30. .....ìovember 1853.)

Auf den Antrag des schweiz. Post- und Baudepartnnents hat der schweiz. Bundesrath beschlossen: Das Postdepartement wird ermächtigt: a. zur Einführung eines einfpännigen Lokalkurses zwischen Assoltern und Zug, mit Beginn des künftigen Iahres j

b. zur Einführung eines einfpännigen sokalkurses zwifchen Baden und Dägerfelden über Lengnau, auf den Beginn des künftigen Iahres; c. zur Erweiterung des Sommerlokalkurfes zwischen St. Gallen und Rorschach zum ordentlichen Iahreskurse ; d. zur Errichtung eines ....Oiessageriedienstes zwischen Pruntrut und Montbelliard, noch im Saufe diefes Jahres; e. zur Ausdehnung des fünfmal wöchentlichen Lokalknrfes zwischen Zürich und Wetzikon zu einem täg» lichen Dienste, noch im Laufe diefes Iahres;

643 f. zur Ausdehnung des viermal wöchentlichen .üokal* kurses zwischen Zürich und Bauma zu einem tag-

lichen Dienste, aus den Beginn des künftigen Iahres;

g. zur Ausdehnung des Briefpostdienstes zwischen Lausanne und Iougne bis Pontarlier, noch im Laufe diefes Iahres ; it. zur Errichtung eines Eitwagcndienstes zwifchen Basel und Schaffhausen längs dem linken Rheinufer, aus den nächsten Sommer; i. zur Errichtung eines zweiten Eilwagenkurses zwifchen St. Eroir und La Chaux-de'sonds mit Influenzkurs zwischen Les Ponts und Loele, auf den nächsten Sommer ; k. zur Erstellung eines einfpännigen Lokalkurses zwischen Brunnadern und St. Gallen über Mogelsberg, aus den nächsten Sommer;

l. zur Einführung eines einspännigen Lokalkurfes zwischen Langenthal und SolothurH über Herzogenbnchfee, auf den nächsten Sommer; m. zur Erstellung einer Fahrpostverbindung zwifchen Hinweil und Schirmensee über Bubikon und Dürnten, auf den Beginn des künftigen Iahres; n. zur Errichtung einer Nachtpost zwifchen Glarus und Wädcnfchwejl über Lachen, auf den nächsten Sommer.

Unterm 29. d. M. machte die Regierung des Kan* tons Waadt die Anzeige, daß durch dessen Großen Rati) sub 22. dicß Herr Gustav I a e e a r d , Adsokat in Lau* fanne, zum Mitglied des fchweiz. Ständerathes gewählt worden sei.

Bundesblatt. Jahrg. v. Bd. III.

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644 Sßahlen des schweiz. Bundesrathes.

(30. November 1853.)

Postbeamter: Zum Kommis auf dem Hauptpostbüreau Zürich: Herr Jakob H n r t e r , Komptorist in Neuenburg, mit einer Jahresbefoldu»g von ijr. 840.

Zollbeamter: Zum Adjunkten für die Hauptzollstätte der deutschen Bahn in Basel: Herr Johann Rolli von Bety (Bern), bisheriger provisorischer Kontroleur in Koblenz (Aargau) ; Jahresgehalt gr. 16OO.

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