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Note

des Schweizerischen Bundesrathes an das f. f.

Ministerium der auswärthigen A n g e l e g e n h'eiten, in W i e n .

(Vom 2. März 1852.)

Durch verehrliche Note der f. f. öfterr. Gesandtschaft in der Schweiz vom 19. Hornung d. I. hat der schweiz.

Bundesrath die offizielle Anzeige von der Ausweisung sämmtlicher Angehörigen des Kantons Teffrn aus der .Lombardie erhalten. Derfelbe wollte vorerst den Bericht des nach dem Kanton ÜEeffin abgeordneten Kommissärs abwarten, um über die Vollziehung dieser so auffallenden Maßregel, fo wie über die Mittel, die zur Hebung des eingetretenen Mißverhältnisses geeignet fein könnten, nähere Auffchlüsse fich z« verschaffen, und er gibtsichnunmehr die Ehre, feine Erwiderung einem k. k. Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten zustellen zu lassen.

Der schweiz. Bundesrath hat in seinen Antworten vom 3. Iänner und vorn 7. Hornung nachgewiesen, daß die Regierung des Kantons Tefstn die Entfernung siniger Kapuzinermönche, die als Glieder einer mit öffentlichen Funktionen betrauten Korporation unter fpezieller Aufsicht des Staates stehen, keineswegs nach bloßer Willkür, sondern auf Grund ihrer verderblichen Wirkfamkeit und ihrer staatsfeindlichen Tendenzen angeordnet und dadurch nur ein Recht ausgeübt hat, das von einer kaiscrl. Regierung in der Lombardie in zahlTeichen Fällen schon oft an Tefjtnern und andern Schwei_zern geltend gemacht worden ist. Nach diesen Erörte* rungen und nachdem der Regierung des Kantons Tessi«, ·ohne rechtlich dazu verpflichtet zu fein, und ohne Ver*

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mögen von den Ausgewiesenen bezogen zu haben, auf Verwendung des Bundesrathes hin sich selbst herbeigelassen hat, den Betreffenden eine angemessene Pension für drei Iahre zuzusichern, während in einem analogen Falle gefezlich mehr nicht als ein Viatieum gleich einer Pension von drei Monaten verheißen worden war, glaubte der Bundesrath sich der Erwartung hingeben zu dürfen, daß eine, k. k, Regierung sich überzeugen werde, der Kanton Tesfin habe den Forderungen der Billigkeit ein volles Genüge geleistet. Der waltende Anstand konnte nur noch das Mehr oder Weniger einer Geldentschädigung befchlagen.

Wegen eines solchen, im Grunde sehr unerheblichen Zwiespaltes, verschmäht es eine kaiserl. Regierung, die Unterhandlungen aus gütlichem Wege fortjusezen, oder die Reklamanten zunächst an den Richter zu weisen. Sie ergreift das Mittel der gehässigsten Repressalien. Sie entreißt viele Tausende, die an dem Vorgefallenen keine Schuld tragen, die auf den Schuz einer humanen Regierung vertrauten, aus ihren Geschäftsverbindungen heraus, schikt fie aus dem Sande, wo |sie ihren 33roderwcrb zu finden gewohnt waren, weg, ohne irgend eine Rükfichtaufjgage, Alter und Geschlecht der Schuldlosen, und weist fie, großen Theils aller Subfistenzmittel entblöst, einem Kantone zu, dem ohnehin aller Verkehr mit dem benachbarten Staate untersagt und die Zufuhr der nothwendigsten Lebensmittel abgeschnitten worden ist, was dem Bundesrathe Veranlassung zu einer besondern Reklamation, vom 22. Februar l. I. gegeben hat. Diese unerhörte Maßregel, die sich mit den sonst bewiesenen humanen Gesinnungen einer kaiserl. Regierung kaum vereinbaren läßt,, überschreitet in so auffallender Weise jedes Maß von Recht und Billigkeit, daß hierin nicht mehr eine einfache

585 Repressalie, fondern ein nicht nur gegen den Kanton Teffin, fondern gegen die ganze Eidgenossenfchaft gerichteter seindseliger Akt erkannt werden mujj. Der ...Bundesrath muß sein tiefes Bedauern darüber ansfprechen, daß durch folche feindselige Maßnahmen das früher bestandene gute Einvernehmen zwischen zwei befreundeten Staaten gestört und in der ganzen Eidgenossenschaft ein Mißtrauen gepflanzt worden ist, da.? nm so tiescrc Wurzeln fassen und um fo empfindlicher zum Nachtheil der beiderseitigen Bevölkerungen sich äußern muß, je länger der anormale Zustand fortdauern wird. Um fo entschiedener muß der fchweiz. Bundesrath die baldige Wiederherstellung der srüher bestandenen Verhältnisse verlangen und jede Verantwortlichkeit für allfällig weitere nachtheilige Verwikelungen von sich ablehnen.

Uebrigens benuzt der schweiz. Bundesrath diesen Anlaß, um einem hochpreislichen k. k. Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten die Versicherung ausgezeichnetster Hochachtung zu erneuern.

B e r n , den 2. März 1853.

Im Namen des fchweiz. Bundesrathes, Der Bundespräfident: Naeff.

Der Kanzler der Eidgenossenfchaft :

schieß.

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Note des schweizerischen Bundesrathes an das f. f. Ministerium der auswärthigen Angelegenheiten, in Wien. (Vom 2. März 1852.)

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02.04.1853

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