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Bericht und Antrag der

nationalräthlichen Kommission zur Vorprüfung des Staatsvertrags mit Bauern über Regelung der Schifffahrtsverhältnisse ans dem Bodensee

und Rhein, d. d. 2. Mai 1853.

(Vom 8. Juli 1853.)

Tit.

Der Staatsvertrag zwischen der Eidgenossenschaft und dem Königreich Bayern über Regelung der Schiff» fahrtsyerhältnisse auf dem Bodenfee und auf dem Rhein, negozirt am'2. Mai l. J. von dem Vorstand des eid* genösfifchen Zolldepartements, Namens des Bundesrathes, mit dem bei der Eidgenossenfchaft beglaubigten Minister Sr. Majestät des Königs von Bayern, welchen Sie, Xit., zur Vorprüfung an eine Dreierkommisfion gewiesen haben, ist eine neue, erfreuliche Frucht unserer neuen Bundeseinrichtungen, namentlich der Zentrali« firung des schweizerischen Zollwesens.

Vor der Bundesverfassung von 1848 war es -- man wird sich dessen noch wol erinnern -- eine Danaiden* arbeit, die schweizerischen Seen von den Schiffer- und Schifffahrtsmonopolen, den privilegirten Vorladungsrechtfamen, den Abfahrtsgebühren u. s. w. zu befreien.

Solches war zumal der Fall auf dem Bodensee, dessen Schissfahrtsverhältnisse durch den vorliegenden Staatsvertrag geregelt, d. h. von den alt hergebrachten Hemmnissen und Gebühren befreit werden follen.

Dem Kanton St. Gallen, um die bundesräthliche Botschaft mit diefen geschichtlichen Momenten zu ergän.»

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Jen, als er im Jahre 1838 die groge der Errichtung eines schweizerischen Dampfschisfes in Erörterung zog, aber, Übel berathen, von der Gründung einer schweije* rischen Dampsschifffahrt damals bedauerlicher Weise ab--, strahirte, -- drang sich bei diesem Anlasse die Hübet-« jeugung von der Rothwendigkeit auf, für die Befreiung der Schifffahrt auf dem Bodensee die erforderlichen Schritte zu thun.

Die St. Gallische Kantonsregierung eröffnete daher mit den Nachbarstaaten O e f i e r r e i c h , B a y e r n , Württ e m b e r g und B a d e n , so wie mit dem eidg. Mitstaube ...Churgau zu diesem Zwefe Unterhandlungen für gänzliche greigebung der Schifffahrt, mit Aufhebung der

lästigen Abfahrtsgebühren. Mit dem Kanton Thur.-.

gau (Verordnung v.7. Mai 1838), so wie mit Oester.» reich und Württemberg kamen fofort Konvenien zu Stande, kraft welcher in den respektive« Häfen und Schisssländen am Bodenfee unter den genannten kontrahirenden Staaten und dem Kanton St. Gallen die Schifffahrt freigegeben und alle Abfahrtsgebühren, weß Namens immer, aufgehoben wurden.

Auf diesen Konvenien beruht auch heute noch die praxis, nach welcher in F r i e d r i c h s h a s e n und Bregeuz von den schweizerischen Schiffen und in Rorschach, ..Romanshorn und U t t w y l von den württembergischen und österreichischen Schissen keinerlei Abfahrtsgebühren bezogen werden.

Das Großherzogthnm Baden wies das St. Gallische Anfinnen für feinen Hafen in Konstanz wegen des dor* tigen Wasseriolles und der Rheinzölle unbedingt von der ..pand, und B a y e r n berief sich auf das Monopol der alten mächtigen Schiffergilde in Lindau, welche es Bundesblatt. Jahrg. V. Bd. IlI.

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ihm nicht erlaube, in den St. Gallischen Antrag ein* Üugehen. . . . . : ' Als St. Gallen sich dadurch in seinen Bemühungen nicht abhalten ließ und Bayern erneuert anging, zu Auf-

hebung der Abfahrtsgebühren und des Verladungspri-

vilegiums Hand zu bieten, machte die königl. bayersche Regierung im Iahre 1841 das ganz ungenügende Angebot, den Rorschacher Schiffern zu gestatten, eben so viel Ladung aus dem Hafen von Lindau abfuhrgebührenfrei verfchiffen zu dürfen, als die Lindauerschiffer in freier Sadungskonknrrenz mit jenen aus dem Hafen von Rorfchach verfchiffen wurden. Die St. Gallische Regierung konnte sich natürlich nicht entschließen, zu einem, dem Prinzip der Freigebung der Schifffahrt fo wenig entsprechenden und zudem ohne belästigende Kontrole nicht ausführbaren Einverständniß Hand zu bieten. Sie beschränkte sich darauf, der bayerschen Regierung die Annahme der ursprünglichen, auf grundsäzliche Befreiung des Uferverkehrs abzielenden Vorschläge neuerdings dringend anzuempfehlen. Dabei blieb es jedoch, bis die neue Bundesverfassung und der Art. 8 des Bundesgesezes über das zentralisirte Zollwesen vom 30. Brachinonat 1849 zuerst B a d e n , dann B a y e r n aus ihrer alten Stellung, bezüglich der Rheinzölle und der Abfahrtsgebühren auf dem Bodenfee, heraus nothigte und für Anträge, wie sie ihnen 1838 von St. ©allen gemacht worden waren, entgegenkommlicher und bereitwilliger machte. Der Art. 8 des eben allegirten Bundesgefezes ·statuirte nämlich, daß die Gebühren für den Transport zu Wasser nach den gleichen Tarifen bezogen werden sollen, wie sie für den Transport zu Land gelten, mit Ausnahme der Streken, für welche bestehende Verträge mit dem Auslande erst nach -einer erforderlichen Unterhandlung abgeändert werden können.

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So wurde ein neuer schweizerischer Gränzzoll auf den Gränzwasserfiraßen eingeführt,* keineswegs aber der alt-hergebrachte Rheinzott anfänglich kumulativ auch von S c h w e i z e r s c h i f f e n bezogen, bald aber durch einen Erlaß des Bundesrathes (v. 12. Ianuar 1850) Schweizerschisse und Schweizerflöße, wenn fie von Schweizern geführt wurden, von der Entrichtung der a l t e n Rheinz o l l e befreit und nur angehalten, die im neuen Bundesgefez über das Zollwesen aufgestellten Zollgebühren zu bezahlen. Hinwieder verpflichtete man alle auswärtigen Floße und gahrüeuge, nicht nur den neuen Zoll, sondern auch die bisherigen alten Zölle zu bezahlen. .

Sogleich reklamirten die Führer und Eigner nicht nur der österreichischen und württembergischen, sondern, auch der b a y e r s c h e n Schiffe mit Berufung auf reziproke Behandlung der schweizerischen Schiffe aus ihrem respektiveu Territorium, und der Bundesrath befreite auch fie provisorisch »on der Bezahlung der alten Rhein* W*.

Bald zeigte es fich jedoch,, daß man gegenüber von B a y e r n , das den Verladungszwang fortübte und die Abfahrtsgebühren fortbezog, während solches in österreichischen und württembergischen Häfen und Landungs»läzen nicht mehr der Fall war, zu "freigebig gewesen war., Was St. Gallen 1838 anstrebte, aber nicht ausführte, das unternahm Schosshausen im Iahr 1851, nämlich die G r ü n d u n g einer schweizerischen Dampf-; s c h i f f f a h r t auf dem B o d e n s e e . Der schaffhau* fischen Dampfschifffahrt.?gefeUfchaft mußte nun Alles daran liegen, das Verladungsrecht in Lindau, das indessen mittelst Auslöfung aus den Händen der Schisserzunft in diejenigen der dortigen Speditore« übergegangen war, frei gegeben zu sehen und eben so von der Bezahlung

240 der dortigen Abfahrtsgebühfe« befreit z« werden.

Als

dieselbe ein dießfälliges Gesuch an Lindau stellte und abschlägigen Bescheid erhielt, schritt sie zu Repressalien, gab bayerschen Schiffern in Schaffhausen ebenfalls keine Rükfracht und wandtfc sich zudem an den Bundesrath, der sich dann um Abhülfe dießfälliger Befchwerden an Bayern mit der ausdrüklichen Drohung wandte: m a n w e r d e s c h w e i z e r i s c h e r Seits d e n n u r p r o v i sorisch e i n g e s t e l l t e n Bezug der alten Rhein.zolle neben u n d k u m u l a t i v m i t d e m n e u e n G r ä n z z o l l gegen bayersche A n g t h ö f i o e sortait w i e d e r e i n t r e t e n lassen, wenn den hierseits ge* stellten Begehren nicht entsprochen werde. .$abei war natürlich verstanden, daß St. Gallen, welches , als Bauern in das 1838 ihm gemachte Anerbieten der Besreinng der Schifffahrt nicht einging, von den bayerfchen Dampfschiffen dann gegenrechtlich auch eine Absuhrgebühr zu beziehen anfieng, von diesem Bezug abstrahire, in fo fern im Hafen zu Lindau keine Abfahrtsi* gebühren mehr bezogen würden. Das Gleiche war mit ähnlichen Gebühren verstanden, welche in Stein bezogen wurden.

Als diese Drohung gegenüber d'en Monopolifien in

Lindau fruchtlos blieb, schritt der Bundesrath zur Aus*

führrnig derselben und befahl, von nun an von b a y e r fchen Schiffen neben dem neuen Zoll auch die alten Rheinzölle wieder zu beziehen.

Dieses energische Einschreiten und der Umstand, daß inzwischen auch B a d e n für angemessen erachtet hatte, mit der Eidgenossenschaft (am 27. Iuli 1852) einen Staatsvertrag über gegenseitige Zollfreiheit auf kurzen Stiren und Ermäßigung der beidseitigen Schiffsahrtsabgaben auf der Rheinstreke von Konstanz bis Basel

241 abzuschließen, so daß eine baldige Aufhebung der alten Rheinzölle für b a d i f c h e Schisse in Ausficht stand, machte sich dann Bayern ebenfalls geneigt und bereit, mit der Eidgenossenschaft über Beilegung und Regliruug der streitigen Schifffahrtsverhältnisse auf dem Bodensee und Rhein in Unterhandlung zu treten.

Das, Tit., ist der geschichtliche Hergang über die Veranlassung und Entstehung eines Vertrags, dessen Inhalt Ihnen durch die verlesene Botschaft des Bundesrathes Artikel für Artikel erörtert und gerechtfertigt worden ist. In diefer einfachen Erzählung des geschichtlichen Hergangs liegt auch der beste Beweis für die nmfichtige und energifche Weife, mit welcher der Bundesrath, beziehungsweise das betreffende Departement, die fachbezüglichen Unterhandlungen mit der Krone Bayern in Fluß gebracht hat. Die Art, wie die Unterhandlungen geführt und zu einem befriedigenden Abschlüsse gebracht worden find, »...rdient ebenfalls vollkommene An* erkennung.

Grundfäzliche, so wie wechselseitige Erläuterungen, Defiderien über die bessere Unterhaltung der Rekwege (Leinpfade) , die Erhöhung der Brüken in Diejjenhofen und Stein, die Vergrößerung des Hafens in Rorschach u. dgl. wurden zwekmäßig in ein Konferenzprotokoll aufgenommen, urkundlich gefertigt und von den beidseitigen Unterhändlern ebenfalls unterzeichnet. Dasselbe kann neben Anderm nur dazu beitragen, allfälligen ü-OHeverständnissen oder Unficherheiten in der Vollziehung vorzubeugen, oder wo solche eintreten, fie bald und ohne Schwierigkeit zu beseitigen.

Durch den vorliegenden Staatsvertrag, so wie denjenigen mit Baden vom Iuli 1852 ist für die Befreiung der verkehrsreichen Wasserstreken des Bodensees und des

242 Rheins von veralteten hergebrachten Hemmnissen, Gebühren und Ungebühren, Süddeutschland gegenüber.

Wesentliches geleistet und damit auch der schweizerische .Verkehr um ein Beträchtliches mehr erleichtert. Ihre 'Kommission bedauert nur, daß bei olle dem der unnach-

barliche Mauthkordon Deutschlands gegen die Schweiz nach wie vor bleibt, zumal die Befreiung von Sandund Wasserstraßen von alten Verkehrshindernissen erst dann ihre wahre Bedeutung und wohlthätige Folge erhält, wenn möglichst freie Ein-, Aus- und Durchfuhr von Land zu Land waltet.

Ihre Kommiffion erblikt aber immerhin in dem vorliegenden Staatsvertrag einen großen und wesentlichen Fortschritt zu Gunsten des freien, internationalen Ver* kehrs und stellt Ihnen, einig gehend mit der Botschaft des --Bundesrathes, nachstehenden Befchlussesantrag : Die B u n d e s v e r s a m m l u n g d e r schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t ,

nach Einficht und Prüfung des am 2. Mai diefes Iahres von beiderseitigen Bevollmächtigten unterhan# delten und unterzeichneten Staatsvertrags zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich .Bayern, betreffend die Regelung der Schifffahrtsver. hältnisse auf dem Bodenfee und >em Rheine, so wie des

diesem Vertrage beigefügten Separatprotokolls, beschließt:

Art. 1. Der oben genannte Staatsvertrag ist seinem ganzen Inhalte nach genehmigt.

Art.; 2. Der Bundesrath ist beauftragt, diefen Vertrag im Namen der schweizerifchen Eidgenossenfchaft zu

243 rotifiziren und denselben in Vollziehung zu feztn, sobald die Ratifikationen ausgewechselt sein werden.

Also beschlossen zu Bern u. s. ».

(Folgen die Unterschristen.)

Mit diesem Bericht und Antrag verbindet Ihre Kom* misfion, Tit., den Ausdruk ausgezeichneter Hochachtung.

Bern, den 8. Iuli 1853.

Die.Mitglieder der Kommission: ,<·."' >.

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HnngerMhler, Berichterstatter.

@tehelin, Oberst.

3t. 9t.
Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht und Antrag der nationalräthlichen Kommission zur Vorprüfung des Staatsvertrags mit Bauern über Regelung der Schifffahrtsverhältnisse auf dem Bodensee und Rhein, d. d.

2. Mai 1853. (Vom 8. Juli 1853.)

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06.08.1853

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236-243

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