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Aus den Verhandlungen des Schweizerischer Bundesrathes.

Am 21. dieß lag dem Bundesrathe der vom schweiz.

Konsul in Livorno, Herrn F e h r * S c h m ö l e , eingesandte und vom 1. März d. I. datirte Iahresbericht von 1852 .»or, aus welchem Folgendes veröffentlicht wird: "Das Iahr 1852 war für Toskana in merkantilischer Beziehung nicht zum Vortheil, fondern eher zum Nachtheil des Handels. Dazu trug befonders der im lezten .Jahre zur Ausführung gebrachte Anschluß der Herzog.thümer Parma und Modena an das österreichische Zoll·system bei, wodurch Livorno einen bedeutenden Theil seines Verschleißes im Allgemeinen, besonders aber von schweizerischen und englischen Manufaktur- und Kolonialwaaren verlor.

,,Da die eigene "p and els m arine noch feine Untcrstüzung erhalten hat, während der früher so bedeutende englische Kornhandel eben so wenig wieder zu erlangen sein wird, als derjenige der Berberei, Kleinasiens und der griechischen Inseln, die immer mehr durch Produzenten und Konsumenten direkt ausgebeutet werden, so verliert Livorno leider mit jedem Iahr und tritt von seiner Stellung als Primarhafen des Mittelmeeres immer mehr zurük.

,,Allgemeine Nachhilfe verspricht fich die toskanische Regierung von dem Anschluß an das österreichische Zollsystem, nebst der Anknüpfung unserer Eisenbahnen an die loinbardifchen und römischen ; aber wenn auch das - Resultat den sanguinischen Hoffnungen entsprechen sollte, was keineswegs verbürgt werden möchte, so wäre es fchiverlich zum Vortheil der Schweizerprodufte.

en ,,Schon im verwichenen Monat Mai delretirte der Großherzog die Ausdehnung und Verbesserung des der-selben sehr bedürftigen Hafens von Livorno und berief dazu den bekannten Herrn Poirel, Ingénieur en chef du conseil des ponts et chaussées de France, dem ziemlich ausgedehnte Vollmachten bewilligt wurden. Nach einem später etwas modifizirten Plane wurden die Vor.» arbeiten fogleich mit großer ...thätigkeit begonnen. Kurz darauf ließ man jedoch etwas nach, fei es wegen den durch die toskanischen Ingenieurs in den Weg gelegten Schwierigkeiten, sei es an Mangel an disponiblen Geldern.

,,Die Regierung dekretirte deßhalb die Emission von 3 Millionen Renten à 3 % zur ..Bestreitung obiger, nebfi anderer Staatskosten und Rembonrsirung der bisher be-.flehenden Staatsschulden. Sie firirte auf den 20. De* ze'mber die Annahme von Geboten für den Dritttheil der* selben, oder 1 Million Rente, fand aber über und zu dem geheim gehaltenen Minimum von 65 % bloß für L. 149,100 Rente, oder L. 4,970,000 Nominalwerth , Nehmer ,, und auch fpäter nur unbebeutenden Abfaz zu 65--65»/2,

bis fie selbige jüngst dem Hause Rothschild zu unbekannt

gebliebenen Konditionen übergab, wahrscheinlich nur in Kommission gegen darauf zu leistende Vorfchüsse.

"Dieses neue Anleihen erzeugte ein etwelches Sinken aller fremden Sourfe, nicht aber Mangel an Geld, da.,.:,, wenn nicht eben immer häufig, doch nie fehlend war» Die hiesige Bank bedang vom 1. .Ianuar bis 6. Oktober 1852 5 % ,, 8. Oktober ,, 9. Dezember ,, 4 ,, nachher wieder .

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. 5,, "Auch im verwichenen Iahre bewies sich Livorno'....

-Handelsstand im Allgemeinen als folid und beinahe nur

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im Manufakturwaarengeschäft zeigten sich einige Falli·mente als gewohnliche, unausweichliche Folge der in diefem Cache an Unbemittelte im Allgemeinen etwas zu leicht bewilligten großen und langen Kredite.

,,Für die Eisenbahn von Livorno nach Piacenza mit einer Verzweigung bis zum Po, an deren Herstellung ·Defierreich auf das Eifrigste trieb, erhielt eine Gesellschast, die in Florenz ihren Siz aufgeschlagen, im April und Iuni 1852 von den betheiligten Regierungen von ·.Defierreich, Rom, Parma, Modena und Toscana eine Konzession für 80 Iahre mit [nachfolgenden Verträgen,.

nämlich :

1) Ernennung einer internationalen Kommisfion zur Beaufsichtigung und zur Vertretung der Regierungen.

2) Die fünf Regierungen garantiren auf dem Herstellungskapital von 75 Millionen Franken für die ersten 50 Betriebsjahre 5%Zinsen, und von dem allenfalls überschießenden Nettoertrag fällt die eine Hälfte den Aktionären, die andere den obigen Re* giernngen zu. .

3) Vom 51. bis [zum 80. Betriebsjahre verfällt jede Garantie und der Nettoertrag gehört bis auf 5 % den Aktionären, vom Ueberschuß dagegen die Hälfte jenen Regierungen.

,,Die Unternehmer schlössen nun in England ein 5Ojähriges Anleihen von 35 Millionen Franken à 4 o/O (vielleicht auch nur in Schienen und andern Materialien zahlbar) und haben bloß für 40 Millionen Franken wirkliche Aktien ausgegeben, auf denen fie, nebst dem eveniuellen Mehrertrag 5 % während dem 33au 5'/2 % snr die ersten 18iBetriebsund 5 % für die spätern 32J Jahre

613 »trsprochen, !da die Ersparniß von 1 % Per Iahr auf den 35 Millionen nicht nur obige Differenzen, sondern auch einen Amortisationssond zur Tilgung der 3f> Milïiontn inner 50 Iahren liefert.

,,Dieser gut und lokend ausgearbeitete Plan fand günfiige Aufnahme und die Aktien genossen gleich etwas Agio, find aber seitdem aus 1--3 % unter pari gefallen. An der Ausführung wird stark getrieben und es foll die ganze Streke in 4 Iahren dem Verkehr eröffnet werden.

,,Bei der Linie von Florenz bis zur Gränze gegen Rom gab die Regierung, nach sehr heftigen Debatten, nicht wie erwartet wurde jener bis Siena bereits eroffneten, fondern einer etwas kürzern, noch gar nicht angefangenen (über Arezzo den Vorzug, für welche fie schon im Sommer 1852 eine Zinfengarantie von 3 % verordnete. Verschiedene Gesellschaften unterhandelten um die Uebernahme; aber alle fcheiterten vor der auf bloß 16 Millionen Lire verbrechenden zu niedern Zinsengarantie, und es kam noch nichts zu Stande.

"Auf der längst schon eröffneten Bahn von Florenz nach Livorno zeigte sich ungefähr der frühere Verkehr, jedoch mit etwelcher Verminderung des Personentrans.portö und nur kleiner Vermehrung desjenigen der Waaren.

Sezterer erlangte noch nicht die erwartete Ausdehnung, weil die nach vielen Schwierigkeiten durch die Regierung zugestandene Hebung der großen Zeitverfäumniß und Extrakosten, mittels Erbauung einer eigenen Mauthund Waarenstation, wegen den durch den neuen Hafenbau wahrscheinlich nöthigen Veränderungen etwas aufgeschoben worden. Deren Aktien stiegen von dem niedrig* sten Stand von 52 % bis auf 90 %, und schwanken nun zwischen 85 und 90%, obwol die Dividende der lezten Iahre schon 41/2 % des Nominalwerthes überstieg.

Bradesblatt Jahrg. v. ..»d. i 54

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,,An der zweiten Linie von Slorenz * Livorno über Diftoia und Lueca, in welche bei Pistoja die lombardischc Bahn nun einmünden soll, fehlte bloß noch die Streke »on Pistola bis Peseta. Die Unternehmer konnten nicht mehr die nothigen Mittel finden; aber sie wurden durch die Regierung unterftüzt und die Vollendung dürfte nicht mehr ferne sein.

. ,,Aus Vorstehendem erhellt schon, daß Livorno's Ver* schleiß nach den benachbarten Herzogthümern und dem Kirchenstaate stark abgenommen, während er nach der Berbern; und Levante gleich unbedeutend geblieben ift, was leider besonders den schweizerischen Manufakturen zum Nachtheil gereichte, die auch in Toskana selbst durch die Ausdehnung der Sandesindustrie immer mehr Boden verlieren.

,,Nach unfern gedrukten Baumwollenstoffen zeigte fich in der ersten Hälfte des Iahres ziemlich lebhafte Srage, und wenn die Zufuhren nicht bedeutender waren, so ijl dieß einzig den vom Iahr 1851 gebliebenen starken Vor* täthen zuzuschreiben.

,,Der Verschleiß von glatten und gestikten Mousselines erlitt keine Veränderung; derjenige unserer Seinwand ver« liert immer mehr, und unser Rothgarn scheint die Konïurrenz des Rheinpreußischen nicht aushalten zu können.

,,Glatte Seidenstoffe fanden noch regelmäßigen Absa§ für Schirme, und Atlas auch für Damtnkleider, wogegen, die sogenannten N o u v e a u t é s durch die franzofischen und selbst durch die Kreselder verdrängt worden find.

,,Der Verschleiß unserer .f>Sute und unseres Seders soll Out gewesen sein, so wie derjenige der Uhren, weniger bagegen jener von Stroh»aaren, von denen sich die SUPdr etwas ahgewandt hat.

615 ,,Schweizerkäse hatten ebenfalls weniger Absaz; Milchjuker, Ertrait d'Absynthe, sogenannte Champagnerweine, chemische Produkte und Holzfchnizwaaren dagegen den gewöhnlichen.

,,In den Exporten Livorno's nach der Schweiz ist keine Veränderung zu berichten.

,,Die Mißverhältnisse der Posttaxen wurden theilweis..: durch die neuen Verträge der Schweiz mit Sardinien Und Oesterreich gehoben; aber es brauchte mehrere Monate, bis die Beobachtung der neuen Bestimmungen der* selben erlangt werden konnte, was heute noch nur un.« vollständig geschieht, und es bleiben die Taren zu denjenigen anderer Länder immer noch etwas hoch."

98ahlen des Bundesrathes.

A. Zollbeamter :

1. April, Herr Louis Edouard R i l l i e t , von Genf, zum Inspektor der Gränzwachen im VI.

schweiz. Zollgebiete. Iahresgehalt gr. 2400.

B. 'Postbeamter: 1. April, |>errFerdinand£olenstein,inBruggen, zum $osthalter daselbst. Iahresgehalt .Jr. 400.

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