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schweiz. Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Beschwerden des Grotti» vereins.

(Vom 13. Heumonat 1853.)

Tit.

Der schweizerische Nationalrath hat ben 7. Juli ver.-flossenen Iahres dem 'Bundesrath Beschwerden der Sektionen des G r ü t l i v ereins in G e n f , W i n t e r t h u r , g l e n r i e u r , V i v i s , M u r t e n u . S c h a f f h a u f e n gegen den durch den Regierungsrath des Kantons Bern unterm 16. Juni 1852 erlassenen Beschluß übermittelt, der die Auflojung des schweizerischen Grütlivereins im ganzen Kanton Bern und die Ausweisung der Mitglieder dieses Vereins, welche dem Kantone fremd und in demselben nicht formlich niedergelassen find , »erfügte. Mit dieser Mittheilung war die Einladung verbunden:

139 a. die eingelangten Beschwerden dem Regierungsrathe des Kantons Bern ,,zur Beantwortung zu übermachen und ihn zu ersuchen, sämmtliche Aftenstüfe einzusenden, auf welche gestüzt er seinen Beschluß erlassen habe; b. ein Gutachten über diese Angelegenheit dem Nationalrathe noch im Laufe der gegenwärtigen Seffion vorzulegen.

Den 8. Iuli übermittelte der Bundesrath diefe 'Petitionen dem Regierungsrathe des Kantons Bern und richtete an denselben die vom Nationalräthe ausgesprochene Einladung. Zwei andere Vorstellungen vom provisorischen Zentralfornite des Grütlivercins und von der Sektion Morsee, welche auf die gleiche Angelegenheit Bezug hatten und die der Nationalrath den 14. Iuli erhielt, wurden ebenfalls dem Regierungsrath von Bern durch das eidg. Iustij- und Polizeidepartement den 15. Iuli zugesteUt, in dem es fich auf die Zuschrift des Bundesraihes vom 8. gl. M. bezog.

Der Rcgierungsrath bezog fich in feiner Antwort bis auf einen gcraissen Punkt und unter gewissen Vorausfczungen auf die Zuschrift, die er den 27. Iuli in Folge der Zustellung der verschiedenen Beschwerden der Sektionen des ©rüllivereins und anderer im Kanton wohnender Schweizer gegen das Auflosungsdekret vom 16.

Iuni durch das schweizerische Iustiz- und Polizeidepartement den 25. und 30. Inni, den 2., 5. und 6. Iuli an den Bundesrath erlassen hatte. Wir süaen daher auch dicfe Antwort bei, welche die andere ergänzt.

Ans natürlicher Folgerichtigkeit muß matt den an die Bundesversammlung gerichteten Petitionen oder Beschwerden auch die beifügen, welche der Bundesrath sowol

140 von den bernifchen als auch von den außerkantonalen Sektionen erhielt, damit die .Bundesverfammlung das Ganze der Angslegenheit, deren verschiedene Theile unter fich zusammenhängen, umfassen kann.

Folgendes ist der Wortlaut des in Frage stehenden Beschlusses : ,,Der R e g i e r u n g s r a t h des K a n t o n s B e r n ,

,,Nachdem fich aus einer durch Befchimpfnngen der Re# gierung von Seite mehrerer Mitglieder des fog. schweb z e r i s c h e n G r ü t l i v e r e i n s in Thun veranlaßtcn Untersuchung ergeben : ,,1) daß dieser Verein eine Menge kommunistischer und sozialistischer Bücher und Flugschriften hält, welche den vorgefundenen Korrefpondenzen zufolge zur Verbreitung im Volke bestimmt find, welche als Zwek des Vereins bezeichnet erscheint; ,,2) daß den in den Vereinsprotokollen eingetrageneu Zentralberichten zufolge, der Verein fich seit längerer Zeit offener Feindseligkeit gegen die bestehende StaatsOrdnung und ihre Träger, somit geheimer Wühlerei

gegen die öffentlichen Zustände überhaupt hingegeben hat;

,,3) daß der Verein den Korrefpondenzen zufolge auch mit gleichartigen a u s w ä r t i g e n , diefelben Tendenzen verfolgenden Gefellfchaften Verbindungen unterhalten hat ; 4) daß ein Kopierbuch des Vereins, dessen Existenz hergestellt ist, bei Seite geschafft und der Einficht der Polizeibehörde entzogen worden ist; erwägend, daß durch den lezterwähnten Umstand der Verein fich des Charakters eines öffentlichen Vereins be* geben hat, und daß sich aus dem ganzen Sachverhalt ergibt, daß der schweizerische Grütliverein statt

14l des anerkannten Zwekes wissenschaftlicher Ausbildung und gemeinnüziger .-Thätigkeit oder n e b e n demselben gemeingefährliche Grundsäze im Volke verbreitet, und sich politischer Wühlerei hingegeben hat ; in Anwendung des §. 78 der Staatsverfassung, und auf den Antrag der Iustiz- und Polizeidirektion

" b e schl i e ß t : ,,Art. 1. Der sog. s c h w e i z e r i s c h e G r ü t l i v e r e i n ist im ganzen Umfange des Kantons Bern aufgehoben und für die Zukunft unterfagt.

,,Art. 2. Iede fernere Zusammenkunft oder Verhandlung des f c h w e i z e r i f c h e n G r ü t l i v e r e i n s ist als Störung der öffentlichen Ordnung erklärt, und es ist gegen die Theilnehmer nach Vorschrift des Strafgefezes einzuschreiten.

,,Art. 3. Kantonsfremde, welche nicht formlich angesessen find , und dem fchweizerifchen Grütliverein angehurt haben, oder sich von nun an einer Widerhandlung gegen diefcn Beschluß fchuldig machen, find überdieß von Polizei wegen aus dem Kanton fortzuweifen.

,,Art. 4. Sämmtliche Polizeibehörden des Kantons, insbesondere aber die Direktion der Iuftiz- und Polizei und die Zentralpolizei, so wie die Regierungsstatthalterämter find mit der fofortigen Vollziehung und strengen Handhabung diefes Befchlusscs beauftragt.

" B e r n , den 16. Inni 1852.

,,(Folgen die Unterschriften.),, Aus den Antworten der Regierung von Bern geht nun im Allgemeinen und vor Allem aus hervor, daß fie das Eintreten auf die Sache felbst, so wie die vom h.

Nationalräthe verlangte Einsendung der fachbezüglichen Akten verweigert, indem fie den Petitionen verschiedene

142 Einreden formeller Natur entgegenstellt, ganz besonders aber fich darauf stüzt, daß die Bundesbehörden nicht kompetent seien, auf diesen Gegenstand einzutreten. Hierdurch wird die Sache vorläufia, auf einen ganz andern Standpunkt gebracht, der verfassungsgcinäß auch eine andere Art der Behandlung zur Folge hat. Es entsteht nämlich eine Kompctenjstreitigkeit im Sinne des Art. 74, Ziff. 17 a dey Bundesverfassung über ./ie Frage, ob der vorliegende Gegenstand in den Bereich da1 Bundes- oder Kantonalfouveränetät gehöre, und diefe Streitigkeit muß nach Art. 80 der Bundesverfassung durch die vereinigte Bundcsverfammlung entschieden werden. Erst wenn diese sich für die Kompetenz des Bundes ansfprechen würde, find dann die verschiedenen formellen und materiellen Fragen, zu welchen die Petitionen und die Berichte der Regierung von Bern Veranlassung geben, auf dem gewohnten Wege, nämlich in den beiden gesezgebenden Räthen getrennt zu behandeln. In diesem Falle aber müßte wol der Gegenstand vor Allem ans wieder an die Regierung von Bern zurüfgennesen werden, um ihr Gelegenheit zu geben, auf die Sache fclbst einzutreten und die betreffenden Akten beizulegen. ..Denn bei Behandlung derartigerstaatsrechtlicherFragen zwischen Bund und Kantonen ist nirgends die Esentualmaxirne vorgefchrieben, wie im Zivilprozcß, und wenn ein Kanton zuerst die Kompetenz des Bundes bestreiten will, fo kann man wol strengrechtlich nicht von ihm fordern, daß er sich zugleich auf die Sache fclbst einlasse.

Da nun die Prüfung aller andern Fragen zuerst die Kompetenz vorausfezt, die Entscheidung hierüber ober nicht uns zusteht, so glEuben wir iu diesem Stadium der Angelegenheit unser Gutachten auf die Kompetenz« frage befchränken zu müssen, und erlauben uns hierüber folgende Betrachtungen:

143 Im Bericht der Regierung von Bern wird folgendes Raisonnement geführt: Die Bnndesöerfassnng bestimmt im Art. 3: ,, D i e ,, K a n t o n e sind s o u v e r a i n , so weit ihre Souveränetat ,,nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist, und ü b e n ,,als s o l c h e alle R e c h t e a u s , w e l c h e n i c h t d e r "--Bundesgewalt ü b e r t r a g e n sind.

,,Ufber das Vereinsrecht enthält dieselbe nichts als "die Vorschrift im Art. 46 : ""Die Bürger haben das Recht, Vereine zu bilden, ,, ,, s o f e r n solche w e d e r i n i h r e m Z w e k e noch i n ",,den d a f ü r b e s t i m m t e n M i t t e l n r e c h t s w i d r i g ,, ,, o d e r s t a a t s g e f ä h r l i c h f i n d , lieber den Mißbrauch ""dieses Rechts trifft die Kantonalgesezgcbung die er",,forderlichen Bestimmungen.""

,,Hienach ist die rechtliche Stellung der Kantone den ,,Vereinen gegenüber klar und unzweifelhaft. Ihre Sou,,verainetät ist durch nichts beschränkt, als durch die ,,Garantie des Vercinorechtes in obigen Schranken. ..Die "Bundesbehörde hat daher unstreitig die Befugniß, dar,,über zu wachen, daß dieses Recht in feiner grundfäz"lichen Geltung unverlczt bleibe; aber weiter geht ihre ,,Berechtigung nicht. Alles Ucbrige ist den Kantonen "überlassen. Ihnen steht namentlich die ganze G e s e z ,, g e b u n g über das Vereinsraesen, ihnen auch aus,,schließlich die Vereins p o liz ei ju. Wird der von uns "unterm 16. Inni erlassene Beschluß gegen den soge,,nannten Grüllivercin darnach benrtheilt, so leuchtet ,,von selbst ein, daß von einer Verlezung des G r u n d "sazes des Vereinsrechtes durch denselben nicht die Rede ,,sein kann, im Gegentheil, durch die Art und Weife, "wie er einen bestimmten Verein, b e s t i m m t e r U r s a c h e n ,,wegen, der Wohlthat dieses Grundsazes verlustig er-

144 ,,klärt, anerkennt er denselben und ertheilt ihm gewisser,,maßen eine neue Sanktion. Freilich wird nun aber die "Richtigkeit oder doch Hinlänglichkeit dieser Motiöe in //Zweifel gezogen und a u f d i e f e m Wege die Verfügung ,,felbst angefochten, und zwar aus dem doppelten Stand"punkte der Bundesverfassung und der eigenen Kantons,,verfassung.

"Allein nach dem Gefagten können wir, vorerst den ,,Gejtchtspunkt der Bundesöerfassung im Auge haltend, "dem h. Bundesrathe die Sefugniß zu einer C-ntscheidung " h i e r ü b e r unmöglich zuerkennen. So sehr wir einver"standen find, daß jede das Vereinerecht im G r u n d . « ,, f a z e verlezende Maßnahme vor das Forum der Bnn"desbehörden gehöre, fo entschieden müssen wir nmge* ,,kehrt dafür halten, daß da, wo eine s o l c h e nicht ,,vorliegt, vielmehr ein spezieller Akt der Vereinspolizei ,,in Frage steht, die Erörterung desselben lediglich dem ,,betreffenden Kanton zukomme."

Wir wollen uns hier nun. einen Augenblik aufhalten und die Beweissührung des Regierungsrathcs durchgehen.

Wenn wir wie jedermann mit ihm übereinstimmen, ,,daß die Kantone sonöerän find, in so w e i t i h r e S o n v e r ä n e t ä t n i c h t durch d i e B u n d e s v e r f a f f u n g b e f c h r ä n k t ist und daß sie als solche alle R e c h t e ausüben, w e l c h e n i c h t d e r B u n d e s g e w a l t ü b e r ' ' t r a g e n f i n d " (Art. 3 der Bnndesöerfassung), fo konnten wir doch die Folgerungen, welche er hieraus ableitet, nicht zulassen und zwar aus dem einfachen ©runde, daß hier, was die Vereine betrifft, die S o u v e r ä n e t ä t d e r K a n t o n e durch die . - B u n d e s v e r f a s s u n g b e f c h r ä n k t ist und diese über diesen Hauptpunkt sehr ausgedehnte R e c h t e d e r B u n d e s g e w a l t ü b e r t r a g e n hat.

145 Und in der Wirklichkeit begreift der Art. 46 der Bundesverfassung nicht so wenig in sich, als man vorgeben will: ,, D i e B ü r g e r h a b e n d a s R e c h t , V e r e i n e zu b i l d e n , " -- das ist die Regel, das ist, was den ganzen vorliegenden Fall betrifft. Folgendes ist die Beschränkung: ,, s o f e r n s o l c h e w e d e r in i h r e m Z w e k e noch i n d e n d a f ü r b e s t i m m t e n M i t t e l n r e c h t s w i d r i g o d e r s t a a t s g e f ä h r l i c h sind." Dieses darf aber nicht vovausgcsczt oder bloß angeführt, fondern muß bewiesen werten. Ucberdicß: ,,die Kantonalgefezgebung trifft die erforder lichen Bestimmungen über den Mißbrauch dieses Rechtes."

Daraus folgt, daß die Regierungen der Schweiz, sowol die der Kantone als die Bundesregierung, nichts vorkehren dürfen, weder dem ©rundsaze noch der That nach, was einen Angriff aus den Bestand eines Sa eins enthalten w ü r d e , so lang als mon ihm nicht mit Recht etwas Unerlaubtes oder Gefährliches für den Staat im Zmck oder in den Mitteln vorwerfen kann.

Daher muß sich die K a n t o n a l g e s e z g e b u n g auf d i e U n t e r d r ü k u n g d e r M i ß b r a u c h e i m Vereinsrecht beschränken5 sie kann unter keinem Titel Präv e n t i »maßregeln feststellen, und die zur UiUcrdrükung der Mißbrauche erforderlichen Bestimmungen dürfen ihr Ziel nicht überschreiten. Die Kantone find daher in diefem Theile der ©efezgebnng nicht ganz souverän ; sie dürfen über diesen Gegenstand nicht festsezen, was ihren Regierungen für gut scheint; die Bundesverfassung hat ihre Souvcrainetät über diesen Punkt beschränkt und, wie wir sehen werden, der Bundcsgewalt Recht und Pflicht übertragen, darüber zu wachen, daß die Kantonalgefejgebung ihre Befugnisse nicht überschreite.

Auf gleiche Weise verhält es fich mit den Polizeimaßregeln. Die kantonalen Behörden können unter dem

146 Vorwande, daß ein Verein unerlaubt oder gefährlich für den Staat sei, denselben durchaus nicht unterdrüken oder Maßregeln unterwerfen, die einer Unterdrükung gleich kämen. Diefer unerlaubte Charakter oder diese Gefahr für den Staat muß hinlänglich hergestellt sein, und in den auf die Auflösung des Vereines bezüglichen Maßregeln müssen die durch die Verfassung und die kantonale Gesezgcbung »orgefchriebcnen Grundsäze, sowol was die Kompetenz als was das Verfahren betrifft, beobachtet werden. Die Gewalt der kantonalen Polizei ist somit, hinsichtlich der Vereine, befchränkt und nötigenfalls der Kontrole der Bundesgewalt unterworfen.

Diefe Kontrole wird im Allgemeinen auf folgende Weife ausgeübt.

Wenn ein Verein oder ein in irgend einem Kanton wohnhafter Schweizerbürger, gestüzt auf das in nnbeschränfter Weise garantirle Petitionsrccht, an die Bnndesbehörde eine Beschwerde richtet über diese oder jede Maßregel, die diese oder jene Regierung gegen den und den Verein oder die und die Sektion gefaßt hat und dieselbe als Eingriff in das durch die Verfassung gewährleistete Vereinsrccht darstellt oder über ein kantonale...Gesez Beschwerde führt, das über die Unterdrükung der Mißbräuche hinauôgehe, fo ist das erste, was die Bundesbehörde zu thun hat und auch thnt, daß fie dicfe Beschwerde der Regierung, gegen die sie gerichtet ist, mittheilt, damit fie ihre Bemerkungen über ihren Inhalt einreiche und diese Regierung ist gehalten, fich darüber auöznsprechen, indem sie von den Motiven ihres Beschlusses Kenntnisj giebt.

Nach Anhörung des Beschwerdeführers und der Regierung entscheidet die Bundesbehörde über den Fall.

Wf.in fie findet, die Beschwerde sei unbegründet oder

147 an die unrechte Behörde gerichtet, so weist fie diefelbe ab und das Gesez oder d.e .Eaßregel der kantonalen Regierung bleibt ausrecht nh.'t..ri. Wenn aber die Bundcsbehörde die Beschwerde ga:...; oder theilweise wol begründet findet, so entscheidet fie darnach und die kantonale Behörde wird eingeladen, ihrem Gefeze oder ihrer Maßregel keine Folge zu geben oder fie zu modifiziren.

Wenn der Bundesrath entschieden hat, so kann fowol von Seite der Regierung als des Beschwerdeführers Berufung an die Bundesversammlung stattfinden ; wenn es aber die Bundesversammlung ist, welche entscheidet, fei es unmittelbar oder auf Befchwerde gegen einen Beschluß oder eine Maßregel des Bundesrathes, so hat der Entscheid der Bundesversammlung volle Rechtskraft.

Wir fügen noch bei, daß der Bundesrath und die Bundesverjammlung von fich aus eben fo gut als auf Beschwerde hin handeln können, wenn fie finden, daß der Erlaß einer Kantonalrcgicrung einen Angriff auf ein durch die Bundesverfassung gewährleistetes Recht (z. B. das Vereinsrecht) enthalte.

Diese Verfahrungsweisc, einfach und natürlich, von den Bnndesbehörden alle Tage in Anwendung gebracht, aus dem Wesen der Bundeseinrichtnngen, namentlich aus der Garantie der verfassungsmäßigen Rechte der ...Bürger hervorgehend, ist ausdrüklich durch die Bundesvcrfassung selbst, besonders durch die Art. 5, 46, 47, 90, Nr. 2 und 74, Nr. 8 und 15, vorgeschrieben.

Der Art. '5 begreist mit der Gewährleistung der Befugnisse der kantonalen Behörden auch die der versassnngsrnäßigen Rechte der Bürger.

Der Art. 46 gewährleistet das Vereinsrecht innerhalb der schon angeführten Schranken.

148 Der Art. 90 Nr. 2 bestimmt, daß der Bundesrath für B e o b a c h t u n g der V e r f a s s u n g (d. h. der Bundesverfasjung und der garantirten Kantonalverfassungen), der Gcfcze und Beschlüsse des Bundes, so wie der Vorschriften eidgenössischer Konkordate zu wachen hat; er t r i f f t z u r H a n d h a b u n g d e r s e l b e n v o n fich a u s oder auf e i n g e g a n g e n e Beschwerde die erf o r d e r l i c h e n V e r f ü g u n g e n . Diejj bedeutet mit andern Worten, daß, wran er bemerkt, daß ein Gesej oder durch die Regierung eines Kantons erlassene Maßregeln einen Eingriff in ein durch die Bundesverfassung gewährleistetes Recht enthalten, z. B. wenn ein Verein ohne hinlängliche Motive aufgelöst worden, oder daß, wenn eine in diefem Sinne an ihn gerichtete Beschwerde begründet ist, der Bundesrath nach Anhörung dieser Regierung je »ach der Natur des Falles entscheiden kann und muß, es sei diesem Geseze oder diesen Maßregeln nicht Fol.je zu geben, oder fic seien abzuändern, oder ihre Vollziehung aufzuschieben, oder irgend etwas anderes vorzukehren.

Allein man kann gegen diese Entscheidung, sei es von Seite der Kantone als von Seite der Büxger, Beschwerde erheben. Dieses ist durch Art. 74, Nr. 15, vorgeschrieben.

Hinwieder kann dann die Bundesversammlung von fich aus oder auf direkte Beschwerde diejenigen Maßregeln erlassen, die sie nothivcndig erachten wird, "um der Bundesverfassung Beachtung zu verschaffen und die durch die E i d g e n o f s e n f c h a f t garant i r t e n R e c h t e zu f c h ü z e n " (z. B. das Vereinsund das Petitionsrecht), wie di'eß der Art. 74, Nr. 8 der Bundesverfassung enthält. Die Bundesversammlung ist daher berechtigt, die Motive, welche die Regierung von

149 Bern geleitet haben, zu prüfen, in Erwägung zu ziehen und zu würdigen, um ihrerseits das Gutfindende zu entscheiden, nämlich um den Beschluß vom 16. Iuni zu kasfiren oder abändern zu lassen, als auch um die Beschwerden abzuweisen, wenn fie findet, dieselben seien unbegründet oder an die unrichtige Behörde gerichtet.

Wenn es anders wäre, wenn die Bundesbehörde die Motive einer kantonalen Maßregel, über welche die Bürger sich beschweren, nicht würdigen könnte, so wärm die den Schweizerbürgern durch verschiedene Artikel der Bundesverfassung verheißene und zugesicherte Grantie ein leeres Wort; denn das richtige oder unrichtige einer Maßregel liegt in den Motiven resp. in den guten oder schlechten Gründen, welche fie veranlaßt haben. Der Bnndesbehörde die Angabe der Motive verweigern, heißt ihr das Recht bestreiten, die Motive zu würdigen und folglich auch das Recht, die ..-Beschwerden gegen die Erlasse der kantonalen Behörden zu prüfen, fo wie das Petitionsrecht und die verfassungsmäßigen Befugnisse der Bundesbehörden. Eine Kantonalrcgierung, die den den Bürgern durch die Bundesverfassung garantirten Rechten fcindlich wäre, könnte dieselben ungestraft mit güßen treten, indem fie der Bundesbehörde erwidern würde: ,,Sobald wir das P r i n z i p des Vereins- oder eines andern Rechtes nicht angegriffen haben, und die von uns angeordneten Maßregeln für die und die Vereine aus besondern Gründen bestimmt sind, so haben Sie sich weder in unsere Gesezgebung, noch in unsere Polizei über die Vereine zu mischen; wir haben daher Ihnen die Motive, welche uns bestimmt haben, nicht anzugeben und Sie haben solche auch nicht zu würdigen ; wir find auf dem .Gebiete unserer Souveränetät und es bleibt Ihnen daher nichts übrig, als die Beschwerden abzuweisen."

150 Diese ist in übersichtlicher Darstellung die Argnmentatton der Regierung von Bern. Wir haben gesehen, daß die Grundlage unrichtig ist, weil die Bundesverfassung die Kantonalsouoeränetät beschränkt und der Bundesgewalt gerade da, wo fich die Regierung für unbeschränkt hielt, große Befugnisse gegeben hat. Und die Unterfcheidung zwischen der Unverlezlichfeit des P r i n z i p e s einerseits und von b e s o n d e r n M a ß r e g e l n andererseits, welche einen bezeichneten Verein aus bestimmten Ursachen treffen, ohne daß die Kantonalregierung von diesen Ursachen der Bundcsgewa.t Rechenscbast zu geben hätte, diese Unterscheidung, aus der die Argumentation des Regiernngsrathes beruht, ist nur eine Fiktion, ein bloßer Schein, der jeder Wirklichkeit ermangelt.

Ein Grundfaz ist nicht bloß eine abstrakte, leere Formel, er hat Wirklichkeit und Leben nur durch die Anwendung, durch ..thatfachen, welche ihm giilïe und Wirkung verleihen. Die Allgemeinheit ist ohne die Spezialitäten, woraus fie besteht, eine eitle Abstraftion ; ein ©rundsaz, der von den Thatsachen, die fich an ihn knüpfen, getrennt wird, ist ein Baum, der keine Fruchte trägt.

Das Recht wird nicht bloß dadurch verlezt, daß man im Allgemeinen, im Grundfaz die Auflösung der Vereine beschließt; man vernichtet es nicht weniger durch besondere Maßregeln in Bezug auf diefe oder jene Vereine, welche aus diesen oder jenen ©runden untcrdrükt werden, in so fern diese Gründe nicht gut und verfassungsmäßig find. Behaupten, daß man das Vereinsrecht achte, weil man seine Unterdrukung nicht im Grundsaze beschlossen, während man diefe und jene befondern Verbindungen aus Gründen, von denen man keine Rechenschaft gehtn will, auflöst, ist gerade, wie wenn man

15l sagen wollte, daß man das Leben einer Person im Grundsaze achte, indem man ihr zugleich die Nahrung entzieht.

Der bernische Regierungsrath stellt übrigens selbst alles, was seine Behauptung Widersprechendes und Zerstörendes in fich schließt, ans helle Licht, wenn er sie bis zu den lezten Konsequenzen verfolgt und fagt: "Im Gegentheil durch die Art und Weife, wie dieses Dekret (vom 16. Iuni) einen gewissen Verein, b e s t i m m t e r Ur f a c h e n wegen, der Wohlthat dieses Grundsazes verluftig erklärt, anerkennt es denselben und ertheilt ihm gewissermaßen eine genaue S a n k t i o n .

Welche Art, einen Grundsaz zu fanktioniren ! Man zerstört ihn im K l e i n e n und behauptet aber, man achte ihn im G r o ß e n . Dieses ließe fich begreifen, wenn man eine Pflanze von ihren Wurzeln, den Korper von seinen Gliedern, die Theorie von der Praxis, die Idee von der Wirklichkeit trennen würde; wenn man eine Form ohne Jnhalt, einen Grundsaz ohne feine Folgerungen, ein Recht ohne ..Ehatsachen oder Thatsachen ohne Recht zugäbe. Allein diese Abstraktion ist eben so s.enig Wahrheit als Leben.

Zur Unterstüjung seiner Behauptung und um zu beweifen, daß das den ..Öundesbchörden zugeschriebene Recht der Untersuchung und Entscheidung zur Bevogtung der Kantone führen würde, zeigt der bernische Regierungsrath durch verschiedene Beispiele die Gefahren an, die nach ihm ein derartiges Recht darbieten würde. Obwol diese Beispiele unter den äußersten und keineswcgs wahrscheinlichen Fällen gewählt find, so folgen wir ihm doch nichts desto weniger auf dieses Gebiet, wenn es auch nur zur Wiederherstellung der wahren Sachlage in der Frage wäre.


152 "In der That leuchtet es ein, wohin das entgegengcsezte Verfahren sühren würde: Konnte es dem hohen Bundesrathe zustehen, die Richtigkeit der Motive der Verfügung des Rcgiernngsrathesvon Bern vom 16. Juni zu prüfen und zu bcurtheilen, also möglicherweife dicfe Verfügung aufzuheben, weil die 3/iotive nicht begründet oder unzureichend seien, fo wäre der Regieruncisraih des Kantons Bern nicht mehr die o b e r s t e P o l i z e i b e h ö r d e desselben, sondern es wäre der Bundesrath, oder vielleicht gar die Bundesversammlung, die höchste Polizeiinstanz, und es würde nicht abzusehen fein, welche Verfügung polizeilicher, administrativer oder gerichtlicher Natur, die zu irgend welchem verfassungsmäßigen Rechte in Beziehung steht, nicht in ähnlicher Weife vor diese Instanz gezogen werden könnte. Wenn z. B. der Art. 72 der bernerfchen Staatsverfassung sagt: Die p e r f ö n l i c h e F r e i h e i t ist g e w ä h r l e i s t e t , so würde es nach der angedeuteten Anficht jedem Vaganten , der wegen Bettels aufgegriffen, oder jedem Verbrecher, der an polizeiliche Haft gebracht wird, zustehen, diese Behandlung unter dem ..Titel einer Verlezung des Prinzipcs der persönlichen Freiheit vor die Bundesbehörde zu bringen, und diefe wäre befugt, in einem Fall den Vaganten, im andern den Verbrecher in Freiheit sezen zu lassen, wenn sie fände, daß hier der Begriff des Verbrechens, dort derjenige der Vagantität zu weit ausgedehnt oder irrig angewendet worden sei. Eine folche Einrichtung, welche in ihren Konsequenzen zur eigentlichen B e v o g t u n g der K a n t o n e führen würde, wäre um fo ungehöriger und ungeheuerlicher, weil der Bund nichts von der

Verantwortlichkeit trägt, welche mit der Polizeigewalt der Kantone verbunden ist und weil der Garantie des

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Vereinsrechts eine andere Garantie entgegen steht, diejenige der Souveränetät der Kantone."

Um das Vorangegangene nach feinem wahren Gehalte zu würdigen, muß man zunächst unterscheiden zwischen dem g e w ö h n l i c h e n Z u s t a n d , dem gewöhnlichen Saufe der Dinge einerseits und den gewissermaßen a u s n a h m s w e i f e n F ä l l e n andererseits, welche die Dazwischenkunft der Buntesgernalt in Bezug auf eine durch eine Kantonsregierung gefaßte Maßregel nothwendig machen.

In der R e g e l find die Kantonsregierungen die o b e r s t e P o l i z e i b e h ö r d e ihres i'antons. Es geschieht nur auf eine B e s c h w e r d e hin kraft des durch die Bundesverfassung gewährleisteten Petitionsrechtes, oder bei einer offenbaren Verlezung der Verfassung, welche ein Einschreiten der Bundeöbehörde von sich aus erheischt, daß diese intervenirt, die Regierung fo* wol als die Beschwerdeführer vernimmt, prüft und entscheidet, ob die .-Beschwerden wol oder übel begründet seien.

Wir haben gesehen, daß, um die gute oder schlechte Begründung einer Beschwerde beurtheilen zu können, man die Motive der Maßregel, über die man sich beklagt, prüfen und würdigen müsse; ohne dieß wären das Petitionsrecht und alle andern verfassungsmäßigen Garantien ein todter Buchstabe.

Es ist wahr und folgt aus der Sache selbst, daß es bei dem durch die Bundesverfassung (Art. 90, Ziff. 2 und Art. 74, Ziffer 8 und 15) vorgeschriebenen Verfahren keine Polizei-, Verwaltungs.' und gerichtliche Maßregel in Bezug auf irgend ein verfassungsmäßiges Recht gibt, das nicht auf dem Wege der Beschwerde oder der Buude«blatt. Jahrg. v. Bd. III.

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154 Intervention von sich aus vor das Forum der Bundesbehorde gebracht werden konnte. Ss ist auch wol nothwendig, weil man ja die verfassungsmäßigen Rechte eben so gut durch eine spezielle Polizei-, Verwaltungs- oder gerichtliche Maßregel als durch einen allgemeinen und förmlichen Angriff auf den Gruudsaz verlezen, kann und weil die Bundesbehorde diesen Rechten Achtung verschaffen muß.

Allein dieß will nicht sagen, daß die Bundesbehörde das System ins Ungereimte treiben oder in die den Kantonsregierungen vorbehaltene Rechtsgcbicte Eingriffe thun dürfe. Die Regel bleibt natürlich die, daß dicBundes-behörden fich nicht mit Beschwerden gegen kantonale Geseze oder deren Anwendung durch die Behörden zu befassen haben. Wenn aber Befchwcrde geführt wird. Daß dadurch konstitutionelle Rechte »erlfzt werden, fo werden die Bundesbehoroen im Zweifel immer die Freiheit zu handeln, welche einem Kanton und seinen Behörden geJbührt, zu würdigen wissen. Sollten überhaupt Fälle, wie der von der Regierung von Bern bezeichnete, vorkommen, was immerhin fehr zu bezweifeln ist, fo müßten schon ganz bedeutende Gründe vorliegen, um darauf einzutreten und sie auch nur der betreffenden Kantonsregierung zur Berichterstattung mitzutheilen.

Es ist außer Zweifel, daß in diefen verschiedenen gällen hier wie überall bei der Anwendung der fchwcizerischen Institutionen die Glänze zwischen den Befug« nissen des Bundes und der Kantone oft schwer zu ziehen, unficher und der Anfechtung unterworfen ist. Allein es ist dieß kein Grund, um die der Bundesgewalt durch die Bundesverfassung übertragenen Befugnisse zu verkennen. Es mangelt übrigens nicht an Garantien gegen die Uebergriffe und Mißbräuche, die diese Gewalt fich

155 erlauben würde. Vorerst wissen die Bundesbehorden wol zu unterscheiden, besonders gegenüber der gefunden öffentlichen Meinung.

Sie kennen die den Kantonsregierungen schuldigen Rüffichtm ; fie wissen, daß man in einem Bnndesjiaat und nicht in einem Einheitsstaat lebt. Sie find auf kurze Zeit ernannt und verantwortlich, besonders der Bundesrath. Das Pelitionsrecht, die Presse, die Vereine und die Oessentlichkcit der parlamentarischen Verhandlungen würden im NothfaU dazu beitragen, sie in Schranken zu halten. Die Masse »on Geschäften und die Zeit würden ihnen nicht erlauben, fich ohne Nolh Untersuchungen hinzugeben, wenn fie auch dazu geneigt wären. Auch weit entfernt, fich in kleinliche, jänkifche Untersuchungen zu verlieren, find die Bundesbehörden genöthigt, fich an die.

hervorstechenden Seiten der Thatsachen, an die unbeflreitbaren Bestimmungen der Geseze zu halten. So find Eventualitäten, wenn nicht durchaus unmöglich, doch nicht wahrscheinlich und in der Praxis nicht ...u »ermuthen. Die Erfahrung von mehr denn 4 Iahren spricht dafür und die Beispiele, die man fürchtet, haben fich ungeachtet der großen Zahl von Beschwerden, die »orkamen und Untersuchungen nöthig machten, noch nicht

gezeigt.

Die Kantonsregierungen wissen hinlänglich, daß sie keine Gefahr laufen, u n t e r V o r m u n d s c h a f t gestellt zu werden und daß fie alle Mittel haben, fich davor zu schüzen. Was die Verantwortlichkeit betrifft, so ist klar, daß fie auf die Bundesbehörde fallen würde, wenn diese im Falle wäre, die Aenderung einer durch eine Kantons* rcgierung getroffenen Maßregel anzuordnen, um einer begründeten Beschwerde Recht zu verschaffen.

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...Der Regierungsrath des Kantons Bern erst daher im Jrrthum, wenn er in der Ueberzeugung, es fei durch den Beschluß vom 16. Inni 1852 der G r und saz desjBereinsrechtes nicht verlezt worden, mit Gewißheit voraussezt, die Bundesbehörde werde die an sie gestellte Anforderung, im speziellen galle zu interveniren, abweisen, weil, nach feiner Anficht, dieß in Uebereinstimmung mit dem bisher befolgten Verfahren liege. Nicht nur ist dieses Verfahren verschieden von dem, welches die Regierung von Bern voraussezt, fondern aus den schon angeführten Gründen kann sich die Ueberzeugung der Bundesbehörde über- die grage, ob der G r u n d saz des Vereinsrechtes durch den Beschluß vom 16. Iuni verlezt worden sei oder nicht, erst nach der Prüfung der .îhatsachen bilden, eine Prüfung, welche die Kompetenz des Regierungsrathes, einen derartigen Beschluß erlassen zu dürfen, eben fo gut in sich begreift, als die Motive, welche ihn veranlaßt haben.

(Da die Angelegenheit jezt vor die Bundesverfammlung gebracht ist, fo bezieht sich das, was fo eben erwähnt worden ist, auf diefelbe.)


oder nicht völlig Anwendung findet.

,,Nach Art. 41, sagt der bernersche Regierungsrath, ge,,währleistet der Bund allen Schweizern christlichen Be,,kenntnisses das Recht freier Niederlassung, mit der nähern ,,Bestimmung, daß der Niedergelassene polizeilich wegge,,wiesen werden könne, wenn er die bürgerlichen Rechte ,,und Ehren v e r l o r e n , oder wegen polizeilicher Ver-

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,,gehen o f t bestraft worden sei. Erfolgte nun in solchen "Fällen Beschwerdeführung bei dem h. Bundesrathe, so ,,hielt fich dieser mit Recht für befugt, zu unterfuchen, ,,ob der gerichtlichen Ausweisung der Verlust der Ehren,,fähigkeit oder eine wenigstens zweimalige Bestrafung ,,vorausgegangen fei, und wenn dieß nicht der gali war, ,,die Verfügung d e ß h a l b aufzuheben. Allein darauf ,,beschränkt fich die Einmifchung der Bundesbehörde; weiter ,,zu gehen und, wenn die Bedingung öfterer Bestrafung ,,oder des Verlusts der Ehrenfähigkeit nach den Gesezen ,,des betreffenden Kantons vorlag, auch zu untersuchen, ,,ob diese Gefezgebung verftändiß, oder die Ausweifungs,,maßregcl an fich wol motivirt fei, das hat der h.

"Bundesrath bis jezt fich nie erlaubt, und würde wol ,,anch von den Kantonen nicht zugestanden worden sein.

"Immer behielt die Ansicht ©eltung, daß es Sache der ,,kantonalen Gesczgcbung sei, zu bestimmen, unter welchen "Bedingungen der Verlust der Ehrensähigkcit eintrete, ,,wie es den Kantonen anheirnstche, innerhalb der bezeich,,nctcn Oränzen die Polizei nach ihrem Urtheil auszu,,üben."

In dem so eben Gesagten vertheicigt fich der bernische Regiernngsrath gegen Ansprüche, die gar nicht bestehen; denn der Bundesrath hat nie daran gedacht, ju untersuchen, ob die Gesejgebung, kraft welcher ein Kanton einen Angehörigen eines andern Schwcizerstaates wegweist, v e r n ü n f t i g oder unvernünftig fei; er hat den Kantonen die Ausübung der Polizei, wie fie folche innerhalb der von der Regierung von Bern angegebenen Schranken ansehen, nie bcftritten.

Im vorliegenden Fall will der Bundesrath gar nichts anderes und keine größere Kompetenz als diejenige.

158 welche die Regiiru;.ä von 33ern J. S. bei der Anwen* dung des Art. 41 der -.Bundesverfassung als zuloisfig an* erkennt; sie gestattet dort, daß die Bundesbchördcn in j e d e m S p e z i a i f a l l e fich ans den Akten und Motiven überzeugen, ob die Wegweisang eines Niedergelassenen oder die Verweigerung der Niederlassung begründet sei und daher das verfassungsmäßige Niedtrlassungsrecht nicht nur im Grundfaze, sondern in den einzelnen Fällen wirklich refpektirt werde. Das und nichts anderes verlangt der Bundesrath bezüglich der andern Artikel der Bundesverfassung, wenn er fich für die Kompetenz des Bundes ausfpncht. In Bezug auf Art. 46, wenn er eine Wahrheit sein foli, muß daher gewiß eben so gut, wie bei Art. 4l oder andern untersucht werden dürfen, ob das darin garantirte Recht wirklich anerkannt wtrde oder nicht. Allein hier wird jeder Aufschluß verroeigert.

Es genügt sagen zu können, daß jedesmal, wenn der Bundesbehörde Beschwerden gegen Maßregeln, welche die Kantonsregierungcn getroffen haben, eingereicht wurden, fie sich von den ©runden, welche diese Maßregeln motivirt haben, Rechenschaft geben ließ, fie prüfte, benrtheilte, und gemäß dieser Benrtheilung ihre Beschlüsse gefaßt hat. Jeder der die Bundesversammlung bildenden Räthe ist so mit Bezug aus alle Petitionen, groß oder klein, verfahren, die an sie gerichtet wurden, bei der Frciburger Angelegenheit eben sowol, wie bei der Beschwerde der Kinder D e s i n g y , und die in der Sache betheiligten Regierungen haben nicht die geringste Schwierigkeit erhoben, auf die Sache einzugehen und alle verlangten Aftenftüke und Erklärungen zu geben. Unter andern Bcifpielen kann man anführen die motivirte Aufhebung des Befehles, daß ein fchweizerifchcr Angehöriger, S t r ü b y , ans dem Kanten greiburg ausgewiesen werde, weil der Bundesrath fand.

159 die vom Staatsratlj dieses Kantons vorgegebenen Gründe seien nicht hinlänglich (Beschluß vom 19. gebr. 1849); die Verpflichtung, in die sich die Regierung von Waadt (den 26. Dez. 1849) versezt sah, einen Ausweisungs* befehl gegen einen Berner, Namens M ü l l e r , zu widerrufen, weil die Bundesbehörde erachtet hat, es liege keine hinlänglich bewiesene Uebertretung vor, welche jenem Individuum. zur Last gelegt werden könnte; der Befchluß vom 19. Sept. 1851, welcher die Befohoeerde des Solothnrnfrs, Nußbaum, wegen des Befehles, sofort den Kanton Bern zu verlassen, abwies, ein Beschluß, der dadurch motiairt war, daß man die von der Berner Regierung gegebenen umnändlichen Erklärungen für genügend erklärte. Das Bundesgericht ist nicht anders verfahren, als es den 3. Iuli 1852 fein Urtheil in der Angelegenheit Dupré-Michaud ausfällte, die ihm in Folge einer Beschwerde der Mad. Dupre geb. Michaud gegen die Entscheidungen der freiburgischcn Gerichte durch die Bundesversammlung zugewiesen worden war ; die Bcfchlüsse des Großen Rathes find eben so wol als die Entscheide des Staatsrathes und die Urtheile der Gerichte dieses Kantons einer sehr gründlichen und einläßlichen Prüfung, sornol in Bezug auf die Thatfachcn, als das Recht und die Verfassungsmäßigkeit durch das Bundesgericht unterworfen und schließlich kaffirt worden; gerniß, es war unmöglich, die Untersuchung über die Entscheide einer Regierung und der Gründe, welche fie motivirt haben, weiter zu treiben.

Somit find die Beifpiele, auf welche fich der bcrnifche Rcgierungsrath gestüzt hat, um der Bundesbehörde die Kompetenz zur Prüfung und Würdigung der Motive des Beschlüsse..!, welcher die Aufhebung des Grütlivereins

160 anordnete, zu bestreiten, weit entfernt seine Behauptungen zu unterstuzen; sie zerstören fie vielmehr.

Wir haben uns über die Einreden der Inkompetenz, die der Bundesbehörde durch den bernischen Regierungsrath entgegen gehalten worden find, verbreitet, wegen der ungeheuren Tragweite dieser Einwendungen, wenn sie zugelassen würden. In der That, die Regierung von Bern vindizirt für die kantonale Behörde, mit Ausschluß der Bundesregierung, alle Beschlüsse und Maßregeln, welche durch die Bundesverfassung garantirle Rechte betreffen, wie z. B die freie Niederlassung, das Vereinsrecht und die Freiheit der Presse für fo ange, als es fich nur um s p e z i e l l e M a ß r e g e l n , die aus fpejidlen ©runden gefaßt wurden, handle und das Recht nicht im G r u n d s a z oder auf eine allgemeine Weise angegriffen werde. Mit diesem System würde es keine durch die Bundesverfassung gewährleisteten Rechte mehr geben, die gegen die Streiche Stand halten würden, welche fantonale Behörden unten und oben, die dicfen Rechten feindlich gesinnt wären, gegen sie zu führen fuchten. Alle Male, wenn die Bundesbehörde, Maßregeln zu ergreifen .hätte, um den Rechten und Freiheiten des Volkes, fo wie den verfassungsmäßigen Rechten der Bürger Achtung zu verschossen, würde es »on der betheiligten Kantonsrcgierung abhängen, die Thätigkcit der -..Bundesbehorde aufzuhalten, indem fie verhindern würde, auf den Inhalt der Fragen selbst zu fchen uud zu beurtheilen.

Was würde Angesichts folcher Doktrinen aus den Artikeln der Bundeeoerfassung, welche der Bundesversammlun.a,, dem-Bundesrath oder dem Bundesgericht ein Recht zur Genehmigung, Kontrole, Entscheidung und Intervention in den kantonalen Angelegenheitrn beilegen ?

161 Die ganje Bundesregierung würde gelähmt, un«loglich gemacht, durch dieses System des U.tra-Kantonalicmus, das selbst den Erekutivbehörden von Theilen der Eidgenossenschaft erlauben würde, die im Interesse Aller gegen ihre besondere Gewalt angebrachter Schrankei. zu überschreiten und so illusorisch zu machen, die F r e i h e i t und Rechte des Volkes, die versass u n g s m i i ß i g e n Rechte d e r B ü r g e r , w i e d i e Rechte und --Befugnifse, welche das Volk den B e h ö r d e n ü b e r t r a g e n h a t , -- di e Rechte, w e l c h e der B u n d e s g c w a l t ü b e r t r a g e n s i n d , -- mit dem Zweke : die Unabhängigkeit des Vaterlandes nach Außen sicher zu stellen, Ruhe und Ordnung im Innern zu handhaben, die Freiheit und die Rechte der Eidgenossen zu schüzen und ihre gemeinsame Wohlfahrt zu vermehren (Art. 2, 3 u. 5 der --Bundesverfassung).

Mit dem System des bernischen Regicrungsrathes würde man der Eidgenossensd.-c.ft die Mittel entziehen, ihren Z.rek zu erreichen, was ohne Zweifel bald eintreten würde, wenn es den Kantonsbehorden gestattet wäre, fich den eidgenössischen Garantien und Vorschriften zu entziehen, indem man die Grundsiize ihres ©ehalts entblöst und fie zu einem todten Buchstaben macht. Dieß hieße die Grundlage des Bundeögebäudes erschüttern, das auf der Fundamentatbestimmung beruht, daß die Kantone fouverän find, so w e i t ihre N e u t r a l i t ä t nicht durch die B u n d e s v e r f a s s u n g b e s c h r ä n k t ist, und daß fie als solche alle d i e Rechte ausübe, welche nicht der B u n d e s g e w a l t ü b e r t r a g e n find (Art. 3 der Bundesverfassung). Diese Uebertragnng von mehreren Rechten, welche früher von den souveränen Kantonen ausgeübt wurden, an die Bundesgewalt, hat gerade deßhalb stattgefunden, daß der Bund den im Art. 2 der Verfassung festgestellten Zwek erfüllen könne.

162 Das System bestehen lassen, gegen das wir imo mit all' unfern Kräften erheben müssen, hieße den nntrn tìund auflöfen, welcher die Volferschaften der zwei und zwanzig souveränen Kantone in den Schweizerbund v e r e i n i g t hat (Art. 1 der Bundesverfassung) um zum alten Bundesvertrage zurük zu kehren, wo, mit Ausnahme von Krisen, welche Maßregeln des öffentlichen Wohles erforderlich machten, der Eidgenossenfchaft gewöhnlich vor den Kantonen verschwand, ein Umstand, der das Ausland ermuthigte, der Schweiz den Charakter e i n e r N a t i o n abzustreiten.

Dicfes Umkehren der gegenfeitigen Stellung der Zentral- und der kantonalen Regierungen läßt fich nicht erklären, als mit der -.Soraussczung, daß der bernische Regierungerath die Tragweite des fundamentden Untcrschiedes zwischen den Grundlagen der jczigen Bundes* verfassung und denen des Bundes von 1815 nicht hinlänglich bemessen hat Der Unterschied der E n t s t e h u n g trägt viel, wenn nicht beinahe Alles bei, zu den Bef u g n i f s e n , mit denen man eine Regierung ansehen kann und muß.

Was die Kantone der Eidgenossenschaft, die durch eine Tagsazung, nur ausgehend von den Regierungen ohne Verhältniß zu der Bevölkerung, und durch ein Bundesdirektorium, ernannt durch die Regierung eines einzigen Kantons (den Vorort), geleitet war, niemals abgetreten haben würden und nicht abtreten konnten, das konnten und mußen fie, wie sie auch im Iahr 18-18 thaten, der Eidgenossenschaft abtraten, die regiert wird: 1) durch eine Versammlung, zusammengesezt a. aus den Abgeordneten des Schweizcrvolkes, die direkt aus dem allgemeinen Stimmrechthervorgegangen waren; b. aus den Repräsentanten der Kantone; 2) durch einen Bundesrath

163 (leitende und vollziehende Behörde), ernannt durch die die ganze fchweizerische Nation vorstellende Bundesverfammlung ; 3) was die Rechtspflege betrifft, durch ein Bnn# desgericht.von demselben Ursprünge. Während der Vertrag von 1815 auf dem Vorrecht und dem aristokratischen Prinzip beruhte, hat die Serfassung von 1848 das gemeine Recht und die Demokratie zur Grundlage.

Diese wesentlichen Unterschiede erklären, warum man Befugnisse z en t r a li [ i r t e und zentralifiren mußte, auf welche die Kantone fonst mit Recht fo eifersüchtig waren ; sie haben begriffen, daß, um den Theil der Souveränetät, den fie fich vorbehalten, zu bewahren und die Freiheit und Unabhängigkeit des Vaterlandes zu schüzen, es unumgänglich geworden, der Bundesgewalt Rechte zu übertragen, ohne welche ihre Thätigkeit unmöglich, ihre Einfcjung lächerlich oder gefährlich gewesen wäre.

Dieß erklärt, warum die Bundesversammlung viel weitere Gemalten hat, als die Tagfazung, warum der Bundesrath mit weit beträchtlichen. Befugnissen au.?a.erüstet ist als der Vorort, warum man ein Bundesgericht mit einer anders ausgedehnten Kompetenz einsezte, als sonst die eidgenössischen Schiedsrichter hatten.

Dicß erklärt auch, warum Befugnisse, die der Tagsazung angehörten, nicht auf die Bundesöerfammlung, sondern auf den Bundesrath übergegangen find, wie z. B. die Ernennung der schweizerischen Geschäftsträger und Konsuln im Ausland, der eidgenöffischen Obersten und Majore, die Maßregeln, betreffend die Fremden, welche die Sicherheit der Schweiz gesährden, die Genehmigung der kantonalen Geseze, welche der Sanktion

des Bundes unterstellt find, nämlich über das Militärwesen, die Handel« und Gewerbspolizei, die Straßen·Polizei, die Erhebung von Verbrauchssteuern, die Presse,

164 so wie die Verträge der Kantone unter (ich oder mit den fremden Staaten, wenn keine Bcfchwerden erhoben werden.

Allein bei all' dieser Ausdehnung der Gewalten des Bundesrathes hat die jezige Bundesverfassung wol Sorge getragen, den Kantonen wie den Bürgern Garantien gegen die Mißbrauche, die dieser Rath von seinen Befugnissen machen , gegen jeden Ucbcrgriff auf die Kantonssouöeränetät, gegen Willkür, Ungercchtigkeit, Irrthümer, die er begehren könnte, zugeben. Die erste diefer Garantien liegt im Art. 74 der Bundesverfassung, der die Gewalten der Bundesvcrfammlung bestimmt, namentlich in Ziffer 15, kraft welcher die Kantone und die Burger bei diefer Verfomrnlung gegen Beschlüsse und Maßregeln des Bundesrathes Beschwerde führen können, die Ziffer 14, welche der Versammlung erlaubt, kraft der Oberaufsicht, welche sie über die Verwaltung und Rechtspflege des Bundes ausübt, von sich aus einzufchreiten.

Dieser Art. 74, Ziffer 14 und 15 und der Art. 90, Ziffer 2, welche den Bundesrath ermächtiget, die für die Aufrechihaltung der Verfassung und der Geseze nöthigen Maßregeln vorzuschreiben, wurden unter Beziehung des einen auf den andern erlassen, nämlich der erste zur Beschränkung des zweiten, indem, wenn man zu oben angedeutetem Zweie dem Bundesrath die Kraft zum Handeln verleihen mußte, es andererseits nicht wcniger nothwendig war, gegen feine Entscheidungen einen freien Zutritt bei der höchsten Behörde der Eiogenossenschaft zu öffnen, um ihn in den gehörigen Gränzen zu halten.

Andere Garantien, die sich über die ganze eidge* nosfische Regierung erstreken, liegen in der Verpflichtung

165 des Bundesrathes, jedes Iahr laut Art. 90, Ziffer 16 über feine Verwaltung der Bundesverfammlung einen Bericht zu erstatten, welchen diefe prüfen muß; in der Verantwortlichkeit der Angestellten der Eidgenossenschaft (Art. 110); in der Preßfreiheit (Art. 45), dem Ver-

einsrechte (Art. 46), dem Petitionsrechte (Art. 74); in

der Oeffentlichkeit der parlamentarifchen Verhandlungen und Abstimmungen (Art. 82 der Verfassung) und des gerichtlichen Verfahrens (Art. 79 und 181 des Gefezes über Zivilprozedur und Art. 48 der Kriminalprojednr), in der eidgenösfischen Iury, welche über alle politischen Vergehi-n, wozu auch die Preßvergehen gezählt werden, zu urtheilen hat (Art. 24 und 104 der Verfassung). Fügen wir noch hinzu, die kurze Dauer der eidgenöffifchen Beamtungen (Art. 65, 84 und 96 der Verfassung), das allgemeine Stimmrecht (Art. 62 und 63), die Wählbarkeit aller Bürger (Art. 64) und das System zweier Kammern (Art. 60).

Die eidgenöffische Verfassung' muß in ihrem Ganzen betrachtet werden und man darf nie die Verordnungen, welche andern das Gegengewicht bilden, überfehen. Wenn diefer oder jener Kanton irgend eine Befchränkung feiner Sonveränetät bedauern zu können glaubt, fo findet er eine Entschädigung in andern Beschränkungen, welche andere Schweizerkantone besonders betreffen. Es ist wol einleuchtend, daß wenn die eidgenöffifchen Schranken auf einem Punkte, z. B. hinsichtlich des Vereinsrechtes in einem Kantone überschritten würden, dasselbe bald in andern Kantonen bezüglich auf andere Punkte erfolgen würde, hier betreffend die Presse, dort das Militär, anderswo Verbrauchssteuern, in einem andern Orte betreffend die freie Niederlassung, im fünften Kanton die gemischten Ehen, im sechsten das Petitionsrecht, im

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siebenten den freien Verkehr, die Handels- und Gewerbssreiheit, in andern Gegenden der Schweiz die Gleichheit der Gefezgebung, da betreffend die höhere Polizei hinsichtlich der Fremden, wel;te die Sicherheit der Schweiz kompromittiren, dort die Iesuiten und ihre affilirtcn Orden oder die Militärkapitulationen und die verbotenen Werbungen: fo wahr ist es, daß jedem Kanton fein eigenes Interesse gebietet, bei sich die Beschränkungen, welche ihm vielleicht für den Augenblik schwer sallen mögen, zu achten, damit auch anderswo die Schranken, auf die er Gewicht legt, geachtet werden. So verbindet und unterstüzt sich alles gegenseitig in der BundEsverfassung, und fo wirkt ein Angriff auf e i n e ihrer Verordnungen auf die andere zurük.

Man begeht alfo wenigstens einen Anachronismus, wenn man gegen die" gegenwärtige Bundesregierung wieder Einwendungen, Beschränkungen, Klageabwei* sungsgesuche. Inkompetenzeinreden hervorruft, welche unter dem Bund von 1815 an ihrem Plaze waren, unter der Bundesverfassung von 1848 aber weder Grund noch Sinn mehr haben. Ieder muß feine Stellung zu schüzen wissen. Wenn auch der Bundesrath sich gewissenhaft in den ihm von der Verfassung bestimmten Gränzen bewegen und sich jeder Usurpation enthalten muß, fo ist es eben fo gut feine Pflicht, diejenigen Vollmachten, welche ihm eben diese Verfassung im Interesse der Schweiz verliehen, unantastbar aufrecht zu halten. Die Kantonalregierungen werden ihrerseits, wenn sie auch denjenigen Theil der Sonöeränetät, welchen die Kantone sich durch den Art. 3 der Bundesverfassung vorbehalten haben, aufrecht halten und nötigenfalls vertheidigen, die Gewalt zu achten wissen, welche das Schweizervolk durch den nämlichen dritten Artifel, in Ucbereinstimmung mit den Kantonen, den Bundesbehorden übertragen hat.

167 Aus diesen Gründen wird beantragt: 1) Die h. Bundesversammlung wolle die Bundesbehörden für kompetent erklären, über die beiden Beschwerden, betreffend die Aufhebung der Sektionen des Grüllivereins im Kanton Bern und die Wegweisung derjenigen Mitglieder, welche nicht förmlich niedergelassen find, einzutreten.

2) Dieser Beschluß sei dem Bundesrathe mitzutheilen, um den Gegenstand, nach .Kalfaabe des Beschlusses des h. Nationalrathes vom 7. Iuli v. I., in weitere Behandlung zu nehmen.

Bern, den 13. Heumonat 1853.

Im Namen des schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Naeff.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

schieß.

168

K o n $ e ssi o n des

Kantons Aargan für die schweizerische Nor$ost-> bahngesellschast.

(Vom 27. Brachmonat 1853.)

Der GroßeRath des Kantons Aargau, nachdem eine Eisenbahn von der Kantonsgränze bei Dietifon bis Baden, kraft der von dem Großen Rathc der schweizerischen Nordbahngesellschaft unter dem 3. Iuli 1845 ertheilten Konzesfton, ausgeführt und im Iahre 1847 dem Betriebe übergeben worden, diefe Eisenbahn aber mittlerweile ungünstiger Verumständungen willen nicht fortgeführt werden konnte, und da sich unter der Vorausfezung der Verschmelzung der schweizerischen SRordbahngefellschaft mit der Zürich«Bodenfee-Eiscnbahngefellschaft zu einer vereinigten schweizerischen Nordostbahngcsellschaft, fowie im "pinblike auf die veränderten gegenwärtigen Verhältnisse überhaupt die Vereinbarung einer neuen Konzesfion als nothwendig herausstellt, für den gali, daß die Fnfion zwischen der Nordbahngefellfchaft und der Zürich-BodenfeesEisenbahngesell«1 schaft wirklich ins Leben treten sollte,

beschließt: §.1. Es wird der Nordostbahngefellfchaft eine Konzesfion für den Betrieb der bereits erstellten Eifenbahn »on der Kantonsgränze bei Dietifon bis Baden und sür den Bau und Betrieb

16>

1) einer Eisenbahn von Baden nach Aarau, und 2) einer Eisenbahn von Baden an den Rhein nach 0 Koblenz, unter den in den nachfolgenden Paragraphen enthaltenen Bedingungen ertheilt.

Sollte die Nordofibahngeseflschaft die Bahn von Koblenz nach Kaiseraugst fortsezen, oder überhaupt zur Erzielung einer Verbindung von Zürich mit Basel einen andern Weg als denjenigen über Koblenz einschlagen wollen, so hat fie die Ermächtigung hieju bei dem Großen Rathe einzuholen.

...Sei E r t h ei lu n g d ie se r Konzession bleibt übrigens, ge* maß §. 2 des Bundesgesezes über den Bau und Betrieb »on Eisenbahnen im Gebiete der Eidgenossenschaft vom 28. Iuli 1852, die Genehmigung der schweizerischen Bundesversammlung vorbehalten.

§. 2. Die Konzession wird für 99 auf einander folgende Iahre, vom 1. Mai 1858 an gerechnet, ertheilt.

Nach Ablauf dieses Zeitraume.? soll die Konzession nach einer dannzumal zu treffenden Uebereinkunft erneuert werden, wenn fie nicht in golge mittlerweile eingetretenen Rükkaufes erloschen ist.

§. 3. Der Kanton Aargau verpflichtet fich, während der nächsten 15 Iahre, vom Tage der Ertheilung dieser Konzession an gerechnet, Eisenbahnen in gleicher Richtung, wie die den Gegenstand der gegenwärtigen Konzesjïon bildenden, weder selbst auszuführen, noch eine Konzesfion für solche zu ertheilen.

§. 4. Der Kanton Aargau verpflichtet sich, falls es fich um Verleihung einer Konzession für Ausführung einer Zweigbahn oder einer gortsezung der vorläufig nach Aarau geführten Bahn in westlicher Richtung hanBundecib'.!«. $<·*<*. v. «8b. in.

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170 dein follte, bei übrigens gleichen Bedingungen der Nord-» ostbahngefellfchaft den Vorrang vor allen Bewerbern einzuräumen.

§. 5. Das Domizil der Gefellfchaft ist in Zürich.

Die Gesellschaft kann jedoch für Verbindlichkeiten, welche in dem Kanton Aargau eingegangen worden oder in demselben zu erfüllen find, in Aaran belangt werden, und sür dingliche Klagen gilt der Gerichtsstand der gelegenen Sache.

§. 6. Die Statuten der Nordostbahngesellschaft unterliegen der Genehmigung des Regierungsrathes und können nach erfolgter Gutheißung nur mit Einwilligung dieser Behörde abgeändert werden.

§. 7. Die Bahn von Baden nach Aarau soll bei Brugg und Senzburg vorbei nach Aarau, woselbst der Bahnhof auf dem obern Plateau anzulegen ist, die Bahn von Baden nach Koblenz nach demjenigen ..Iraee erbaut werden, welches in den dem Großen Rathe bel)ufs Erwirkung der Konzession vom 3. Iuli 1845 vor* gelegten Plan eingezeichnet worden.

Die ÜJlordostbahngesellschaft hat übrigens vor dem ...Beginne der Bauarbeiten einen Plan über die den Bahnen zu gebende Richtung und über die Anlegung der Bahnhöfe dem Regierungsrathe zur Genehmigung vorzulegen und ist verpflichtet, auf das Begehren des -Leztern Modifikationen in dem Plane vorzunehmen, soweit die dadurch veranlaßten Mehrausgaben sür die .Linie von Baden nach Aarau den Gesamintbetrag von gr. 120,000 und für die Linie von Baden nach Koblenz denjenigen von Fr. 80,000 nicht übersteigen.

Die Stationsorte, sowie die in Folge der Erstellung der Eisenbahn erforderlich werdenden Veränderungen von Straßen und Gewässern werden von der Nordostbahn- 5

171 gesellschaft im Einverständnisse mit dem Regierungsrathe bestimmt.

Abweichungen von den einmal genehmigten Haupt* richtungen der Bahnlinien dürfen nur mit Bewilligung des Regierungsraths stattfinden; vorbehalten die Bestimmung von §. 1, Lemma 2.

§. 8. Binnen einer Frist von 12 Monaten, von dem Zeitpunkte der Genehmigung gegenwärtiger Konzesfion durch die Bundesversammlung an gerechnet, hat die Gesellschaft den Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahnlinie von Baden nach Aarau zu machen, widrigenfalls die gegenwärtige Konzession für diese Bahnlinie als erloschen zu betrachten ist.

Binnen 4 Iahren, von dem Zeitpunkte der Genehmigung gegenwärtiger Konzeffion durch die Bundesversammlung an gerechnet, soll die Eisenbahn von Baden bis Aarau vollendet und dem Betriebe übergeben werden..

Sollte dieser Verpflichtung innerhalb der anberaumten grifi nicht nachgekommen werden, so wird der Große Rath unter billiger Berükfichtigung aller hiebei in 93etracht kommenden Verhältnisse, der Gesellschaft einen angemessenen Endtermin anfezen.

Wenn die Gesellschaft nicht binnen 4 Iahren, von dem Zeitpunkte der Genehmigung gegenwärtiger Kon»esfion durch die Bundesversammlung an gerechnet, den Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahnlinie von Baden nach Koblenz macht, so erlischt die Konzession für diese Bahnlinie und es steht dann für die leztere der Gesellfchaft lediglich ein Prioritätsrecht

im Sinne des §. 4 z«.

Sollte übrigens innerhalb dieser Frist von 4 Iahren die Erstellung der Eifenbahnlinie von Baden nach Koblenz von anderer Seite her unternommen werden wollen, so

172 hat der Regierungsrath die Nordostbahngesellschast hievon zu benachrichtigen, und die leztcre binnen einer -Jrist von 6 Monaten, von dem Zeitpunkte dieser Anzeige an gerechnet, sich zu erklären, ob sie den Bau der Bahn von Baden nach Koblenz unter den in dieser Konzession enthaltenen Bedingungen selbst übernehmen oder auf die Konzession für die Eifenbahnlinie von Baden bis Koblenz verzichten wolle. Im erstern Falle ist der Bau binnen 6 Monaten nach erfolgter Erklärung der Nordostbahngesellschaft in Angriff zu nehmen.

§. 9. Die Gefellschaft hat auf ihre Kosten die geeigneten Vorkehrungen zu treffen, damit die Kommunikaiion zu Land und zu Wasser, bestehende Wasserleilungen u. dgl. weder während des Baues der Bahn noch fpäter durch Arbeiten zu dem Zweke der Unter* holtung derfelben unterbrochen werden. Für nnvermeidliche Unterbrechungen ist die Zustimmung der betreffenden ·Behörde erforderlich.

Gerüste, Brüken und andere ähnliche Vorrichtungen, wiche behufs Erzielung einer folchen ungestörten Verbindung zu zeitweiligem Gebrauche errichtet werden, dürfen dem Verkehre nicht übergeben werden, bevor die betreffende Behörde sich von ihrer Solidität überzeugt und in golge dessen ihre Benuzung gestattet hat. 2)ie dießfällige Entscheidung hat jeweilen mit thunlichster Beforderung zu erfolgen. Dabei liegt jedoch immerhin, falls in Folge ungehöriger Ausführung solcher Bauten Schaden entstehen sollte, die Pflicht, denselben zu ersezen, der Gesellschaft ob.

§. 10. Es bleibt der Gefellschaft überlassen, die Bahn ein- oder zweifpurig zu erstellen. Sollte der Re" gierungsrath die Anbringung eines zweiten Geleises in golge gesteigerter grequenj oder im Interesse der Sicher-

173 heit des Betriebes für notwendig halten, die Gesellschaft aber dieselbe verweigern, so wäre ein daheriger Konflikt schiedsgerichtlich auszutragen.

§.11. Die Bahn ist sammt dem Materiale und den Gebäulichkeiten, welche dazu gehören, auf das beßte, namentlich aber auch in einer, volle Sicherheit für ihre Benuznng gewährenden Weise herzustellen und sodann fortwährend in untadelhaftem Zustande zu erhalten.

§. 12. Die Bahn darf dem Verkehre nicht übergeben werden, bevor der Regierungsraih in Folge einer mit Rüfjtcht auf die Sicherheit ihrer Benuzung vorgenommenen Untersuchung und Erprobung derselben in allen ihren Bestandtheilen die Bewilligung dazu er-» theilt hat.

Auch nachdem die Bahn in Betrieb gefezt worden, ist der Regierungsrath jederzeit befugt, eine solche Untersuchung anzuordnen. Sollten fich dabei Mängel herausstellen, welche die Sicherheit der Benujung der Bahn gefährden, fo ist der Regierungsrath ermächtigt, die fofortige Beseitigung solcher Mängel von der Gesellschaft zu fordern und, falls von der leztern nicht entsprochen werden wollte, selbst die geeigneten Anordnungen zur Abhülfe zu treffen.

§. 13. Die Eisenbahnunternehmung unterliegt, mit Vorbehalt der in dieser Konzessionsurkunde enthaltenen Beschränkungen, im Uebrigen gleich jeder andern Privatunternehmung den allgemeinen Gesezen und Verordnungen des Landes.

§. 14. Die Nordostbahngesellschaft als folche ist sowol für ihr Vermögen als für ihren Erwerb in Folge des Betriebes der Bahn von der Entrichtung aller Kantonal- und Gemeindesteuern befreit.

174 In dieser Steuerfreiheit find jedoch die Steuerbdträge an die gegenseitige Brandverficherung nicht: inbegriffen.

Ebenso findet diese Bestimmung auf Gebäulichfeiten und Liegenfchaften, welche sich, ohne eine unmittelbare und nothwendige Beziehung zu der Eisenbahn zu haben, in dem Eigenthume der Gesellschaft befinden möchten, keine Anwendung.

§. 15. Gegenstände von naturhistorifchem, anti(luarischem, plastischem, überhaupt wissenschaftlichem Werthe, als z. B» gofjtlien, Petrefaktcn, Mineralien, Münzen u. s. f., welche beim Bau der Bahn gefunden werden dürften, find und bleiben Eigenthum des Staates.

§. 16. Die Handhabung der Bahnpolizei liegt zunächst der Gefellfchaft ob. Dabei bleiben jedoch der Polizeidirektion , beziehungsweise dem Regierungsrathe, die mit der Ausübung ihres Oberauffichtsrechtes verbundenen Befugnisse in vollem Umfange vorbehalten.

Die nähern Vorschriften, betreffend die Handhabung der Bahnpolizei, werden in einem von der Gefcllfchaft zu erlassenden, jedoch der Genehmigung des Regierungsrathes zu unterlegenden Reglemente aufgestellt.

§. 17. Die Beamteten und Angestellten der Gesellschaft, welchen die Ausübung der Bahnpolizei übertragen wird, find von der zuständigen Behörde für getreue Pflichterfüllung ins Handgelübde zu nehmen.

Während fie ihren Dienstverrichtungen obliegen, haben fie in die Augen fallende Abzeichen zu tragen.

Es steht ihnen die Bcfugniß zu, folche, welche den Bahnpolizeivorfchriften zuwider handeln sollten, im Betretungsfalle sofort festzunehmen. Sie haben dieselben

175 dann jedoch sofort an die betreffenden Vollziehungsbeamteten, welche die weiter erforderlichen Maßregeln ergreifen werden, ab juliefern..

Wenn die Polizeidirektion die Entlassung eines Bahnpolizeiangejtellten wegen Pflichtverlezung verlangt, so muß einem folchen Begehren, immerhin jedoch unter Vorbehalt des Rekurses an den Regierungsrath entsprochen werden.

§. 18. Bei der Wahl von Angestellten, welche be# hufs Erfüllung ihrer Dienfiverrichtungen ihren Wohnfiz auf dem Gebiete des Kantons Aargau aufschlagen müssen,

ist bei gleicher ...tüchtigkeit den Bewerbern, die entweder Bürger des Kantons Aargau oder in diesem Kantone niedergelassene Schweizcrbürger find, der Vorzug zu geben.

§. 19. Wenn nach Erbauung der Eisenbahn neue

Strfltjen, Kanäle oder Brunnenleitungen, welche die Bahn kreuzen von Staats- oder Gemeindswegen ange-

legt werden, so hat die Gesellschaft für die daherige Inanspruchnahme ihres Eigenthums, so wie für die Vermehrung der Bahnwärter und .-.Bahnwarthäuser,

welche dadurch nothwendig gemacht werden dürfte, keine Entschädigung zu fordern.

Dagegen fällt die Herstellung

so wie die Unterhaltung auch derjenigen Bauten, welche in Folge der Anlage solcher Straßen, Kanäle u. s. f.

zu dem Zwcke der Erhaltung der Eisenbahn in ihrem

unverkümmcrten Bestände erforderlich werden, ausschließlich dem Staate, beziehungsweife den betreffenden Gemeinden zur Last.

§. 20. Die Fahrten auf der Eifenbahn sollen so zahlreich sein, daß mindestens zwei Male täglich von einem Endpunkte der Bahn zum andern gefahren werden kann.

176 §. 2l. Die ..Jîordostbahn- und die Zentralbahngesell--' schaff haben sich behufs Grüielung einer angemessenen Coinzidenz der Fahrten auf der Ost - Westbahn, so weit der Kanton Aargau dabei betheiligt erscheint, zu verständigen. IedenfaUs wird der Zentralbahngefeilschast das Recht des Anschlusses an die der Nordostbahngesellfchaft eonzedirte Bahn eingeräumt.

Kann eine Vereinbarung nicht erzielt werden, so steht dem Regierungsrathe das Entscheidungsrecht zu.

§. 22. Der Transport auf der Eisenbahn findet vermittelst Perfonenzugen und je nach Bedürfniß auch vermittelst Waarenzügen statt.

§. 23. Die Personenzüge sollen mit einer miltlern Geschwindigkeit von mindestens 5 Wegstunden in einer Zeitstunde transportirt werden.

§. 24. Waaren, welche mit den Waarenzügen transportirt werden sollen, find spätestens innerhalb der nächsten 2 ..Cage nach ihrer Ablieferung auf die Bahnstation, den Ablieferungstag selbst nicht eingerechnet, zu fpediren, es wäre denn, daß der Versender eine längere Frist gestatten würde.

Waaren, die mit den Perfonenzügen transportirt werden follen, sind, wenn nicht außerordentliche Hindernisse eintreten, mit dem nächsten Zuge diejer Art zu befördern. Zu diefem Ende hin müssen sie aber mindestens eine Stunde vor dem Abgange desfelben auf die Bahnstation gebracht werden.

§. 25. gür die Beförderung der Perfonen vermittelst der Personenzüge werden mindestens 3 Wagenklassen aufgestellt.

Die Wagen fämmtlicher Klassen müssen zum Sizen eingerichtet und mit Fenstern versehen sein.

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Ss sollen auch mit den Waarenzügen Personen be# fordert werden können.

§. 26. Die Gesellschaft wird ermächtigt, für den Transport von Personen »ermittelst der Personenzüge Taren bis auf den Betrag folgender Ansäze ju b«# ziehen : Jn der 1. Wagenklasse bis auf Fr. 0,50 per Schw. Stunde der Bahnlänge.

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Kinder unter 10 Jahren zahlen in allen Wagenklas* sen die Hälfte.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Billets auf Hin* und Rükfahrt, am gleichen Tage gültig, eine Ermäßi.« gung von 20 Prozent auf obiger ..tare eintreten zu lassen. Auf Abonnementsbillets für wenigstens zwölfmalige Benuzung der gleichen Bahnstreke während drei Monaten ist ein weiterer Rabatt einzuräumen.

Für das ©epäk der Passagiere, worunter aber k[eines Handgepäk, das kostenfrei befördert werden soll, nicht verstanden ist, darf eine Taxe von höchstens Fr. 0,12 per Zentner und Stunde bezogen werden.

Die Taxe für die mit Waarenzügen beförderten Personen foU niedriger fein als die für die Reisenden mit den gewöhnlichen Personenzügen festgesezte.

§. 27. Für den Transport von Vieh mit Waarenzügen dürfen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansäze bezogen werden:

gür Pferde, Manlthiere und Esel das Stük bis auf.

Fr. 0,80 per Stunde.

gür Stiere, Ochfen und Kühe das Stük bis auf 5r. 0,40 per Stunde.

178 .5ür Kälber, Schweine, Schafe, Ziegen und Hunde das Stuf bis auf Fr. 0,15 per Stunde.

Die ...laxen sollen sur den ...transport von Herden, welche mindestens einen ...transportwagen füllen, angemessen ermäßigt werden.

§. 28. Die höchste Taxe, die für den ...transport .eines Zentners Waare, vermittelst der gewöhnlichen Waarenzüge per Stunde bezogen werden darf, beträgt

gr. 0,05.

Für den Transport von baarem Gelde soll die ..laxe so berechnet werden, daß sür Fr. 1OO0 per Stunde höchstens gr. 0,05 zu bezahlen find.

§. 29. gür Wagen sezt die ©eseUschast die Trans·porttaxe nach eigenem Ermessen fest.

§. 30. Wenn Vieh und Waaren mit Perfonenzügen transportirt werden sollen, so darf die Tare für Vieh bis auf 40% und diejenige der Waaren bis auf 100 % der gewöhnlichen Taxe erhöht werden.

Für Traglasten mit landwirthschaftlichen Erzeugnissen, welche von den mit einem Personenzuge reisenden ...trägern in demselben Zuge, wenn auch in einem andern Transportwagen mitgenommen und am Bestimmungsorte sogleich wieder in Empfang genommen werden, ist jedoch nicht diese erhöhte, sondern nur die gewöhnliche Waarentaxe zu bezahlen.

Die Gesellschaft ist berechtigt, zu bestimmen, daß Waarenfendungen bis zu 50 Pfund stets mit den Personenzügen befördert werden follen.

§. 31. Bei der Berechnung der Taxen werden Bruchtheile einer halben Stunde für eine ganze halbe Stunde, Bruchtheile eines halben Zentners für einen ganzen halben Zentner, Bruchtheile von gr. 500 bei

179 Geldsendungen für volle Fr. 500 angeschlagen, und überhaupt nie weniger als gr. 0,25 sür eine zum Transporte aufgegebene Sendung in Anfaz gebracht.

§. 32. Die in den vorhergehenden Artikeln aufge·stellten Taxbestimmungen beschlagen bloß den Transport auf der Eisenbahn felbst, nicht aber denjenigen nach den Stationshäusern der Eisenbahn und von denselben hinweg.

§. 33. Die Eisenbahnverwaltung soll mit Beziehung auf die Taren niemanden einen Vorzug einräumen, den sie nicht überall und jedermann unter gleichen Urnständen auch gewährt.

§. 34. Wenn die Bahnnnternehmnng 3 Iahre nach einander einen 10 % übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist der Betrag der Transporttaren, der laut den Bestimmungen dieser Konzessionsurkunde in dem von der Gesellschaft aufzustellenden Tarife nicht überschritten werden darf, gemäß einer zwischen dem Regierungsrathe und der Gesellschaft zu treffenden Vereinbarung herabzufezen. Kann eine solche Verständigung nicht erzielt werden, fo tritt schiedsgerichtliche Entscheidung ein.

§. 35. Die Gesellschaft ist verpflichtet, Militär, welches im Kantonaldienste steht, fo wie dazu gehörendes Kriegsmaterial auf Anordnung der zuständigen Militärstelle um die Hälfte der niedrigsten bestehenden Taxe durch die ordentlichen Perfonenzüge zu befördern.

Iedoch haben die betreffenden Kantone die Kosten, welche durch außerordentliche Sicherheitsmaßregeln für den Transport von Pulver und Kriegsfeuerwerk veranlaßt werden, zu tragen und für Schaden zu haften, der durch Beförderung der lezterwähnten Gegenstände ohne Verfchuldung der Eisenbahnverwaltung oder ihrer Angestellten verursacht werden sollte.

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§. 36. Die Gesenfchaft ist verpflichtet, auf Anordnung der zuständii'jfn Polizeistclle folche, welche auf Rechnung des Kantons Aargau polizeilich zu trans-portiren find, auf der Eisenbahn zu befördern.

Die Bestimmung der Art des Transportes, so wie der für denselben zu entrichtenden .îaren bleibt späterer Vereinbarung vorbehalten. Immerhin sollen die Taren möglichst billig festgesezt werden.

§. 37. Zur Sicherung des Bezuges der Kon fumosteuern für geistige Getränke wird die Bahnverwaltung im Einverständnisse mit den betreffenden Behörden die geeigneten Vorfehrungen treffen.

§. 38. So weit der Bund nicht bereits von dem Rüffaufsrechte Gebrauch gemacht oder von demfelben Gebrauch machen zu wol f en erklärt hat, ist der Kanton Aargau berechtigt, die len Gegenstand der gegenwärtigen Konzession bildenden Eifenhahnen fammt dem Material, den Gebäulichkeiten und den Vorräthen, welche

dazu gehören, mit Ablauf des 30., 45., (ìo., 75., 90.

und Ö9 Iahres, vom 1. Mai 1858 an gerechnet, gegen Entschädigung on sich zu ziehen, falls er die Gestllfchaft jcweilen 4 Iahre und 10 Monate zum Voraus hieson benachrichtigt hat. Von diesem Rüfkaufsrechte darf jedoch nur Gebrauch gemacht werden, falls die ganze Bahn auf dem aargauischen, zürchcrifchen und thurgauischen Gebiete der Gesellschaft abgenommen wird.

§. 39. Kann eine Verständigung über die zu leistende Entschädigungssumme nicht erzielt werden, so wird die leztere schiedsgerichtlich bestimmt, gür die Ansmittlung der zu leistenden Entschädigung gelten folgende Bestimmungen :

181 a. Im galle des Rükfauses im 30., 45. und 60 Jahre ist der 25fac.he Werth des durchschnittlichen Reinerträges derjenigen 10 Jahre, die dvm Zeitpunkte, in welchem der Kanton Aargau den Rükkauf erklärt, unmmittelbar vorangehen, im Falle des Rükkaufs im 75. Iahre der 22y2fache und im galle des Ruf-

kaufes im 90. Iahre der 20fache Werth diefes Rein-

ertrages zu bezahlen, immerhin jedoch in der Mei.nung, daß die Entschädigungssumme in keinem Falle weniger als das ursprüngliche Anlagekapital betragen darf. Von dem Reinertrage, welcher bei dieser Berechnung zu Grunde zu legen ist, sind übrigens Summen, welche auf Abfchreibungsrechnnng getragen oder einem Reservefond einverleibt werden, in Abzug zu bringen.

b. Im Falle des Rükkaufes im 99. Iahre ist die muthmaßliche Summe, welche die ErsteDung der Bahn und die Einrichtung derselben zum Betriebe in diesem Zeitpunkte kosten würde, als Entschädigung

zu bezahlen.

c. Die Bahn fammt Zubehörde ist jeweilen, zu welchem Zeitpunkte auch der Rükkauf erfolgen mag, in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte diefer Verpflichtung kein Genüge gelhan werden, so ist ein verhältnißmäßiger Betrag von der Rükkaufssumme in Abzug zu bringen. Streitigkdtcn, die hierüber entstehen möchten, sind schiedsgerichtlich auszutragen.

§. 40. ....'·.ach Vollendung der ...Bahn ist eine Rechnung über die gefammten Kosten sowol der Anlage derselben als auch ihrer Einrichtung zum Betriebe theils dem Archive des Standes Aargau, theils demjenigen der Gesellschaft einzuverleiben.

182 Wenn später entweder weitere Bauarbeiten, welche nicht bloß zur Unterhaltung der Bahn dienen, ausge* führt werden, oder das Betriebsmaterial vermehrt wird, so find auch Rechnungen über die dadurch veranlaßten Kosten in die beiden erwähnten Archive niederzulegen.

In diese den Archiven einzuverleibenden Rechnungen ist jeweilen die Anerkennung der Richtigkeit derselben sowol von Seite des Regierungsraihes als auch von Seite der Gesellschaft einzutragen.

§. 41. Die Gesellschaft ist verpflichtet, alljährlich den Iahresbericht ihrer Direktion eine Ueberficht der Iahresrechnung und einen Auszug aus dem Protokolle über die während des betreffenden Iahres von der Generalverfammlung gepflogenen Verhandlungen dem Regierungsrathe einzusenden.

§. 42. Außer den in den Artikeln 10, 34 und 39 vorgesehenen Fällen find im Weitern alle Streitigkeiten privatrechtlicher Natur, welche sich auf die Auslegung dieser Konzessionsurkunde beziehen, schiedsgerichtlich auszutragen.

§. 43. gür die Entscheidung der gemäß den Bestimmungen dieser Konzesfionsurkunde auf schiedsgericht-

lichem Wege auszutragenden Streitfälle wird das Schiedsgericht jeweilen fo zufammengefezt, daß jeder Theil zwei Schiedsrichter erwählt und von den Leztern ein Obmann bezeichnet wird. Können fich die Schiedsrichter über die Person des Obmanns nicht vereinigen, fo bildet das Bundesgericht einen Dreiervorfchlag, aus welchem zuerst der Kläger und hernach der Beklagte je einen der Vor* geschlagenen zu streichen hat. Der Uebrigbleibende iji

Obmann des Schiedsgerichtes.

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§. 44. Sobald die Fusion zwischen der Nordbahn-.1 gesellschaft und der Zürich-Bodensee-Eisenbahngesellfchaft ins Leben tritt, erwächst die gegenwärtige Konzession in Kraft, und es ist die am 3. Iuli 1845 von dem Großen Rathe der Nordbahngesellschaft ertheilte Konzesfion als aufgehoben zu betrachten.

§. 45. Der GefeUschaft steht das Recht nicht-zu, ohne Ermächtigung des Großen Raihes diese Konzesfionsakte an eine andere Gesellschaft zu übertragen.

§. 46. Der Regierungsrath ist mit den in Folge der Ertheilung dies..r Konzesfion erforderlichen Vorkehrungen beauftragt.

Gegeben in Aarau, den 27. Brachmonat 1853.

Der Präfident des Großen Rathes : &. Jäger.

Die S e k r e t ä r e :

Bnrli, Fürsprech.

Dr. A. (griörnonn.

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Entwurf eines Beschlusses.

betreffend

d i e E i s e n b a h n e n i m K a n t o n -îlargan.

(Vom Bundesrathe durchbcrathen am22..peumonat 1853.)

...Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgeuossenschast, nach ßinficht einer vom großen Rathe des Kantons Aargau der schweizerischen Nordostbahngescllschaft für den Betrieb der bereits erstellten Eisenbahn von der Kantonsgränze bei Dietifon bis Baden, und für den Bau uno Beirieb 1) einer Eisenbahn von Baden nach Aarau, und 2) einer solchen von Baden an den Rhein nach Koblenz, ertheilten Konzession, vom 27. Brachmonat 1853 ; und eines Berichtes und Antrages des schweizerischen Bundesrathes ;

in Anwendung des Bundesgesezes vom 28. Heu» monat 1852, beschließt:

Es wird dieser Konzession unter nachstehenden Bedingungen die Genehmigung des Bundes ertheilt : Art. 1. In Erledigung von Art. 8, Lemma 3 des Bundesgesezes über den Bau und Betrieb von Eisen-

195 bahnen wird dem Bundesrathe vorbehalten, fur den regelmäßigen periodischen Personentransport, je nach dem Ertrage der Bahn und dem finanziellen Einflüsse des Unternehmens auf den Postertrag, eine jährliche Konzesfionsgebühr, die den Betrag von Fr. 500 sür jede im Betriebe befindliche Wegstreke von einer Stunde nicht übersteigen soll, zu erheben. Der Bundesrath wird jedoch von diesem Rechte so lange keinen Gebrauch machen, als die Bahnunternehmung nicht mehr als 4 % nach erfolgtem Abzuge der auf Abschreibungsrechnung getragenen oder einem Reservefond einverleibten Summen abwirft.

Art. 2. Der Bund ist berechtigt, die Eisenbahn in ihrer ganzen Ausdehnung, von der Kantonsgränze bei Dietikon bis Aarau, so wie derjenigen an den Rhein nach Koblenz, sammt dem Material, den Gebäulichkeiten und den Vorräthen, welche dazu gehören, mit Ablauf des 30., 45., 60., 75 , 90 und 99. Iahres, vom 1. Mai 1858 an gerechnet, gegen Entschädigung an fich zu ziehen, falls er jeweilen 5 Iahre zum Voraus den Rükkauf er#

klärt hat.

Kann eine Verständigung über die zu leistende Entschädigungefumme nicht erzielt werden, fo wird die leztere

durch ein Schiedsgericht bestimmt.

Dieses Schiedsgericht wird so zusammengesezt, daß jeder Theil zwei Schiedsrichter erwählt und von den lcztern ein Obmann bezeichnet wird. Können fich die Schiedsrichter über die Person des Obmanns nicht vereinigen, so bildet das Bundesgericht einen Dreieröorschlag, aus welchem zuerst der Kläger und hernach der Beklagte, je einen der Vorgeschlagenen zu streichen hat.

Der Uebrigbleibende ist Obmann des Schiedsgerichtes.

Für die Ausmittlung der zu leistenden Entschädigung gelten folgende Bestimmungen: ..Bundesbiatt. sahr«. V. Bd. III.

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186 a. Im Falle des Rüffaufes im 30., 45. und 60. Iahre ist der 25fache Werth des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen 10 Iahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Bund den Rükfanf erklärt, unmittelbar vorangehen ; im Falle des Rüffaufes im 75. Iahre der 22'/,fache, und im Falle des Rükkaufes im 90.

Iahre der SOfache Werth dieses Reinertrages zu bezahlen, immerhin jedoch in der Meinung, daß die Entschädigungssumme in keinem Falle weniger als das ursprüngliche Anlagekapital betragen darf. Von dem Reinertrage, welcher bei diefer Berechnung zu Grunde zulegen ist, find übrigens Summen, welche auf Abfchreibungsrechnung gelragen oder einem Reservefond einverleibt werden, in Abzug zubringen.

i). Im Falle des Rüffaufes im 99. Iahre ist die muthmaßliche Summe, welche die Erstellung der Bahn und die Einrichtung derselben zum Betriebe in diesem Zeitpunkte kosten würde, als Entschädigung zu bezahlen.

c. Die Bahn fnmmt Zngehor ist jeweilen, zu welchem Zeitpunkte auch der Rükkanf erfolgen mag , in vollkommen befriedigentem Zustande dem -.Bunde abju* liefern. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge gcthan werden, so ist ein vcrhältnißmäßiger Betrag von der Rükkaussfumme in Abzug zu bringen.

Streitigkeiten, die hierüber entstehen möchten, find durch das oben erwähnte Schiedsgericht auszutragen.

Art. 3. Binnen einer Frist von 12 Monaten, von dem ..Tage dieses Beschlusses an gerechnet, ist der Anfang mit den Eroarbeiten für die Erstellung der Bahnlinie von Baden nach Aarau, und binnen 4 Iahren, vom Datum dieses Befchlusses an gerechnet, für diejenige

187 von Baden an den Rhein nach Koblenz zu machen und zugleich genügender Ausweis über die gehörige Fortführung der Bahnunternehmung zu leisten, in der Meinung, daß widrigenfalls mit Ablauf jener Frist die Genehmigung des Bundes für die vorliegende Konîesfion erlischt.

Art. 4. Es sollen alle Vorschriften des Bundesgesezes über de" Bau und Betrieb von Eisenbahnen, vom 28. Heumonat 1652, genaue Beachtung finden und es darf denfelben durch die Bestimmungen der vorliegenden Korjession in keiner Weise Eintrag geschehen.

Jm Befondern soll den Befugnissen, welche der Bundesverfammlung, gemäß Art. 17 des erwähnten Bundesgesezes zustehen, durch die im Art. 3 der Konzession enttyaUenen Bestimmungen über die Errichtung von Eisen* bahnen in gleicher Richtung nicht vorgegriffen sein.

Art. 5. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung und Üblichen Bekanntmachung dieses Beschlusses beauftragt.

Also den gesezgebenden Räthen der Eidgenossenschaft vorzulegen beschlossen,

B e r n , den 22. Heumonat 1853.

Im Namen des schweii. Bundesrathes, Der ...Bundespräsident:

Naeff.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

·Schieß.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des schweiz. Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Beschwerden des Grütlivereins. (Vom 13. Heumonat 1853.)

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1853

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3

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34

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30.07.1853

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138-187

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10 001 198

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