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Botschaft zur Aufhebung des Bundesgesetzes über die Dauer und die Kosten der Niederlassungsbewilligung

vom $ November 1978

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, Wir unterbreiten Ihnen den Antrag, das Bundesgesetz über die Dauer und die Kosten der Niederlassungsbewilligung aufzuheben und ersuchen um Zustimmung.

Wir versichern Sie. sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

1.November 1978

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ritschard Der Bundeskanzler: Huber

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Übersicht Arri 1. Januar 1979 tritt der revidierte Artikel 45 der Bundesverfassung in Kraft.

Damit wird sich jeder Schweizer Bürger in Zukunft an jedem Orte des Landes ohne Einschränkungen niederlassen können.

Das Bundesgesetz vom 10. Dezember 1849 beschränkt die Höchstgebühr für die Niederlassungsbewilligung auf 6 Franken. Es stützt sich auf den bisherigen Artikels der Bundesverfassung, der dem Artikel 41 der Verfassung von 1848 entspricht. Das Bundesgesetz hat im neuen Niederlassungsartikel keine klare Verfassungsgrundlage mehr. Die darin festgelegten und nie geänderten Maximalgebühren könnten nicht mehr erhöht werden, obwohl sie den heutigen Verhältnissen nicht mehr entsprechen. Das Bundesgesetz soll deshalb aufgehoben werden, was auch einem allgemeinen Wunsche der interessierten kantonalen und kommunalen Amtsstellen entspricht.

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Botschaft I

Allgemeiner Teil

II

Ausgangslage

III

Die Verfassungsgrundlage

Am 10. Dezember 1849 haben die eidgenössischen Räte nach Einsicht in den Bericht und Antrag des Buridesrates das Bundesgesetz über die Dauer und die Kosten der Niederlassungsbewilligung gutgeheissen. Wie dem Ingress zu entnehmen ist, stützt sich das Bundesgesetz auf Artikel 41 der Bundesverfassung. In der Tat enthielt schon die Bundesverfassung von 1848 den Auftrag an den Gesetzgeber, die Dauer der Niederlassungsbewilligung und das;Maximum der dafür den Kantonen zu entrichtenden Kanzleigebühren zu bestimmen.

Die Verfassungsrevision von 1874 brachte einen neuen Niederlassungsartikel; Die Bestimmungen des bisherigen Artikels 41 wurden teilweise in den neuen Artikel 45 übernommen. Absatz 7 der neuen Verfassungsbestimmung beschränkte allerdings die Gesetzgebungskompetenz in der Weise, dass nurmehr das Maximum der für die Niederlassungsbewilligung zu entrichtenden Kanzleigebühr bestimmt werden konnte. Artikel l des Bundesgesetzes von 1849, der eine Mindestdauer der Bewilligung von vier Jahren vorsah, musste i daher mit der Annahme der neuen Verfassung als aufgehoben betrachtet werden. Das fragliche Bundesgesetz enthält deshalb heute allein Bestimmungen über die Höchstgebühren. Nur der Titel des Gesetzes erinnert noch an die Verfassung von 1848.

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Die Revision von Artikel 45 B V

Im Herbst 1965 beantragte Nationalrat Waldner in einer Einzelinitiative die Streichung der Absätze 2-5 von Artikel 45 der Bundesverfassung (Einschränkung der Niederlassungsfreiheit). Die zur Beratung dieser Initiative eingesetzte nationalrätliche Kommission hiess im Verlaufe ihrer Sitzungen die; Zielsetzung der Initiative grundsätzlich gut, schlug aber eine andere Formulierung von Artikel 45 vor und beantragte gleichzeitig die Revision von Artikel 48 der Bundesverfassung. Nachdem die eidgenössischen Räte am 16. September 1974 bzw. am 27. November 1974 die Vorschläge der Kommission einstimmig gutgeheissen hatten, wurde der neue Niederlassungsartikel Volk und Ständen am 7. Dezember 1975 in folgender Fassung zur Abstimmung unterbreitet: Art. 45

Jeder Schweizer kann sich an jedem Orte des Landes niederlassen.

Die Vorlage wurde vom Volk und von allen Ständen angenommen. Der Bundesrat beschloss am 16. Januar 1978, den neuen Verfassungsartikel auf den 1. Januar 1979 in.Kraft zu setzen.

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Kritische Würdigung der Ausgangslage

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Kritik der geltenden Regelung

Schon im Vorfeld der eidgenössischen Abstimmung zum neuen Verfassungsartikel konnte bei einzelnen kantonalen und kommunalen Verwaltungen eine gewisse Unsicherheit über die künftige Praxis hinsichtlich Aufenthalt und Niederlassung von Schweizer Bürgern festgestellt werden. Bemängelt wurde namentlich auch die überholte Gebührenregelung durch das Bundesgesetz von 1849. Der Regierungsrat des Kantons Zürich wies in einer formellen Eingabe vom 14. September 1977 darauf hin, dass das Gesetz durch die Geldentwertung seinen ursprünglichen Sinn verloren habe und die zugelassenen Maximalgebühren die Umtriebe der Gemeinden nicht einmal mehr annäherungsweise zu decken vermöchten. Das Gesetz sei weitherum in Vergessenheit geraten und die Kantone setzten die Gebühren vielfach nach eigenem Ermessen fest. Der Bundesrat werde deshalb ersucht, die Aufhebung oder Änderung des Gesetzes an die Hand zu nehmen.

Dieser praktischen Argumentation ist beizupflichten. Der Bundesrat hat zwar nicht untersucht, ob das fragliche Gesetz tatsächlich von einer Mehrheit von Kantonen nicht mehr beachtet wird. Da die auf 6 Franken angesetzte Maximalgebühr jedoch seit Erlass des Gesetzes nie angepasst worden ist, möchte er dies nicht ausschliessen. Die Anpassung des überalterten Erlasses oder seine Aufhebung drängt sich deshalb schon aus diesem Grunde auf.

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Rechtliche Folgen der Verfassungsrevision

Der bisherige Artikel 45 Absatz 7 der Bundesverfassung enthielt die ausdrückliche Gesetzgebungskompetenz zur Festlegung der für die Niederlassungsbewilligung zu entrichtenden Kanzleigebühr. Im neuen Niederlassungsartikel ist diese Gesetzgebungsbefugnis nicht mehr erwähnt. Es stellt sich deshalb die Frage, ob aus diesem reinen Grundrechtsartikel eine Gesetzgebungskompetenz, z. B. für die Festsetzung von Gebühren, abgeleitet werden kann. Die Rechtslehre hat sich mit dieser Frage nur wenig beschäftigt. Soweit sie es tut, wird abgelehnt, aus einem Grundrecht allein eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes abzuleiten (Aubert, La liberté d'opinion, ZSR NF 92 (1973) I 448; Schaumann, Der Auftrag des Gesetzgebers zur Verwirklichung der Freiheitsrechte, JZ 1970, 53). Dies hat zur Folge, dass das Bundesgesetz von 1849 im revidierten Verfassungsartikel keine neue Verfassungsgrundlage findet. Ebenso wenig könnte das Bundesgesetz geändert werden, ist doch auch für eine Gesetzesänderung eine Verfassungsgrundlage erforderlich.

Diese Rechtslage beantwortet die Frage, ob die Ausübung der Niederlassungsfreiheit unentgeltlich und eine Festsetzung der Höchstgebühren unzulässig sei, allerdings nicht. Die Materialien zum neuen Artikel 45 der Bundesverfassung lassen den Schluss zu, dass den Kantonen die Möglichkeit, Gebühren zu erheben, nicht genommen werden sollte. Der Verfassungsgeber betrachtete jedoch eine ausdrückliche Grundlage in der Verfassung als unnötig (BB1 1974 l 227). Schon die geltende Bundesverfassung enthält keine ausdrückliche Grundlage für die kantonalen Gebühren, sondern setzt die kantonale Kompetenz voraus. Sie ergibt sich 1484

denn auch nicht aus Artikel45, sondern aus Artikels der Bundesverfassung.

Über eine allfällige Unentgeltlichkeit und die zulässigen Höchstgebühren hätte demzufolge bei Aufhebung des Bundesgesetzes von 1849 das Bundesgericht auf Beschwerde wegen Verletzung der Niederlassungsfreiheit hin zu entscheiden.

Es muss in diesem Zusammenhang festgehalten werden, dass das Recht zur Niederlassung inskünftig nicht mehr vom Besitze einer Niederlassungsiew7/(gw;,g- abhängig gemacht werden darf. Die Niederlassungsfreiheit ist im neuen Verfassungsartikel als absolutes Grundrecht ausgestaltet. Begrenzungen der Niederlassungsfreiheit im Sinne des allgemeinen Polizeibegriffs bestehen nicht. Es wird daher zutreffender sein, in Zukunft z. B. vom Niederlassungsaw^wew zu sprechen.

Was die weitere Geltung des Bundesgesetzes von 1849 betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass dieser Erlass in Kraft bleibt, selbst wenn angenommen werden müsste, dass er mit Bezug auf den neuen Niederlassungsartikel verfassungwidrig ist. Ein einmal erlassenes Gesetz behält grundsätzlich seine Geltung, es sei denn, es werde im formell vorgeschriebenen Verfahren abgeändert oder aufgehoben.

Verzichtet man auf eine Aufhebung, bliebe das Gebührengesetz demzufolge bindendes Bundesrecht, an das die Kantone sich halten müssten.

Zusammenfassend darf gesagt werden, dass die durch den neuen Niederlassungsartikel der Bundesverfassung entstandene Rechtslage die bundesrechtliche Festsetzung von Höchstgebühren als fragwürdig erscheinen lässt. Das Bundesgesetz von 1849 würde zwar seine Geltung behalten, könnte jedoch nach herrschender Lehrmeinung nicht mehr geändert werden, wodurch die Kantone auf alle Zeit an die darin festgesetzten Höchstgebühren gebunden wären. Bei Aufhebung des Gebührengesetzes jedoch stünde es den Kantonen, unter Vorbehalt eines anderslautenden bundesgerichtlichen Entscheides, grundsätzlich frei, die seit 130 Jahren geltenden Höchstgebühren den heutigen Verhältnissen anzupassen. Bei Würdigung der gesamten Umstände drängt sich nach Auffassung des Bundesrates auch aus rechtlichen Gründen die Aufhebung des Bundesgesetzes von 1849 auf. Der Bundesrat ist überzeugt, dass die Kantone in Anbetracht der grundlegenden Bedeutung des Niederlassungsrechts, von der Möglichkeit, die Gebühren anzuheben, wenn überhaupt, nur massvoll Gebrauch machen werden.

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Ergebnis von Konsultationen

Wie erwähnt (vgl. Ziff. 121), wurden bereits vor der Volksabstimmung über den neuen Artikel 45 der Bundesverfassung die Aufhebung; des Gebührengesetzes gefordert und Fragen über die künftige Gestaltung der Niederlassungspraxis aufgeworfen. Um die Bedürfnisse von Kantonen und Gemeinden kennen zu lernen, wurden im Frühling dieses Jahres verschiedene Experten zu einer Aussprache eingeladen. Unter dem Vorsitz des Direktors der Eidgenössischen Polizeiabteilung nahmen an dieser Tagung Vertreter der Schweizerischen Staatsschreiberkonferenz, der Konferenz der kantonalen Aufsichtsbehörden im Zivilstandswesen, des Schweizerischen Verbandes der Bürgergemeinden, des Schweizerischen Verbandes der Einwohner- und Fremdenkontrollchefs, des Schweizerischen Verbandes der Zivilstandsbeamten sowie der Vereinigung kantonaler Fremdenpolizeichefs der Schweiz teil. Dabei wurde der einhellige Wunsch nach Aufhebung des Bundesge1485

setzes von 1849 geäussert. Nachdem der Heimatschein im neuen Niederlassungsartikel der Verfassung nicht mehr ausdrücklich erwähnt wird, wünschten die Experten ferner, dass in einem bundesrechtlichen Erlass Vorschriften über den Nachweis des Schweizer Bürgerrechtes aufgestellt würden. Diesem Wunsch wird der Bundesrat mit einer Verordnung über den Heimatschein Rechnung tragen, wozu er gestützt auf das Bürgerrechtsgesetz zuständig ist.

Nachdem in Fachkreisen einhellig die Aufhebung des Gebührengesetzes gewünscht wird, und die Aufhebung keine Rechte oder Pflichten der Kantone berührt noch sonstwie von erheblicher politischer, kultureller, wirtschaftlicher oder finanzieller Tragweite ist, konnte auf die Durchführung eines allgemeinen VernehmlassungsVerfahrens verzichtet werden.

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Besonderer Teil

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Die Form der Aufhebung

Das Bundesgesetz vqm 10. Dezember 1849 ist seiner Rechtsnatur nach ein formelles Bundesgesetz, was aus seinem Titel und seiner unbefristeten Geltungsdauer hervorgeht. Unerheblich ist, dass seither durch die Verfassungsrevision von 1874 und den Erlass von gesetzlichen Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren neue formelle Anforderungen an Bundesgesetze gelten. Massgeblich ist vielmehr, dass dieses Bundesgesetz nach den damals geltenden Vorschriften als Gesetz erlassen worden ist und diesen Rechtscharakter bis heute erhalten hat.

Das sogenannte Prinzip der normativen Äquivalenz verlangt, dass Erlasse mindestens durch Erlasse gleicher Stufe aufgehoben werden müssen. Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass das Bundesgesetz von 1849 nur vom Bundesgesetzgeber, dem Parlament, durch einen Erlass auf gleicher Stufe, d. h. in Form eines Bundesgesetzes aufgehoben werden kann.

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Das Inkrafttreten

Der Entwurf sieht vor, dass das Gebührengesetz rückwirkend auf den 1. Januar 1979 aufgehoben werden soll. Dies rechtfertigt sich in Anbetracht des Umstandes, dass der neue Artikel 45 der Bundesverfassung ebenfalls auf diesen Zeitpunkt in Kraft treten wird. Die gleichzeitige Inkraftsetzung gewährleistet einen nahtlosen Übergang der Niederlassungsregelung und vermeidet allfällige Unsicherheiten, indem Kantone und Gemeinden bereits mit der Veröffentlichung der Botschaft von diesem Termin Kenntnis erhalten. Rechte Einzelner werden durch die rückwirkende Aufhebung nicht berührt. Die rechtlichen Voraussetzungen für das rückwirkende Inkrafttreten, wie sie das Bundesgericht durch seine Rechtssprechung umschrieben hat, sind somit gegeben (vgl. Imboden/Rhinow, Schweizerische Verwaltungsrechtssprechung, Bd. I).

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Finanzielle und personelle Auswirkungen

Mit der Aufhebung des Bundesgesetzes von 1849 erhalten Kantone und Gemeinden grundsätzlich die Möglichkeit, höhere Gebühren als bisher vorzusehen. Eine

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finanzielle Mehrbelastung entsteht weder für Bund, Kantone noch Gemeinden.

Auch personelle Auswirkungen sind mit der Aufhebung des Bundesgesetzes nicht verbunden.

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Verfassungsmässigkeit

Es wird bewusst darauf verzichtet, im Ingress des Entwurfes zur Aufhebung des Bundesgesetzes von 1849 eine kompetenzbegründende Bestimmung zu erwähnen.

Ganz abgesehen von der zeitlichen Überschneidung der alten und neuen Niederlassungsregelung - im Zeitpunkt der voraussichtlichen Verabschiedung der Aufhebung des Bundesgesetzes dürfte bereits die neue Niederlassungsregelung gelten - steht die Aufhebung im Widerspruch zum bisherigen Absatz 7 des zurzeit noch geltenden Artikel 45 der Bundesverfassung. Fragwürdig wäre aber auch eine Abstützung auf den neuen Niederlassungsartikel. Wie wir in Ziffer 122 ausgeführt haben, lässt sich die Festsetzung von Maximalgebühren durch den Bundesgesetzgeber kaum auf die neue Verfassungsbestimmung abstützen. Das gilt auch für die Aufhebung des Gebührenerlasses. Die Aufhebung durch den Gesetzgeber (vgl.

Ziff. 21) erfolgt daher im allgemeinen Rahmen, der ihm in Artikel 85 der Bundesverfassung zugewiesenen Aufgaben. Diese kompetenzbegründende Bestimmung braucht im Ingress nach ständiger Praxis nicht erwähnt zu werden.

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Bundesgesetz

Entwurf

über die Dauer und die Kosten der Niederlassungsbewilligung Aufhebung vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 1. November 1978 1), beschliesst :

Art. l Das Bundesgesetz vom 10. Dezember 18492) über die Dauer und die Kosten der Niederlassungsbewilligung wird aufgehoben.

Art. 2 1 Die Aufhebung dieses Gesetzes untersteht dem fakultativen Referendum.

2 Sie tritt rückwirkend auf den 1. Januar 1979 in Kraft.

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D BEI 1978 II 1481 2) BS l 271

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft zur Aufhebung des Bundesgesetzes über die Dauer und die Kosten der Niederlassungsbewilligung vom 1. November 1978

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1978

Année Anno Band

2

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48

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78.069

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28.11.1978

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