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Bundesratsbeschluß über

den Rekurs des Franz Isenmann, von Guttannen, in Bern, gegen eine Schlußnahme des Regierungsrates des Kantons Bern vom 17. Oktober 1894, betreffend Verweigerung der Bewilligung zur Aufstellung und zum Betrieb einer fahrbaren Holzsäge- und Holzspaltmaschine mit Petrolmotor in den Straßen der Stadt Bern.

(Vom 30. April 1895.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t .

hat

über den Rekurs des Franz I s e n m a n n , von Guttannen, in Bern, gegen eine Schlußnahme des Regierungsrates des Kantons Bern vom 17. Oktober 1894, betreffend Verweigerung der Bewilligung zur Aufstellung und zum Betrieb einer fahrbaren Holzsäge- und Holzspaltmaschine mit Petrolmotor in den Straßen der Stadt Bern ; auf den Bericht seines Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt: A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Am 23. Mai 1894 richtete Franz Isenmann in Bern an die Polizeidirektion der Stadt Bern die Anfrage, ob er für die Aufstellung und den Betrieb einer fahrbaren Säge- und Spaltmaschine für Brennholz einer Konzession bedürfe.

919 Unter Hinweis darauf, daß diese durch einen Petroleummotor betriebene Maschine bei cirka 3 in. Länge, 1,20 m. Breite und 2 m.

Höhe nur wenig Raum einnehme, dabei aber io etwa 2 Stunden 3 Ster Brennholz zersäge und spalte, machte der Fragesteller aufmerksam, daß gleiche Maschinen seit längerer Zeit in Schaffhausen, St. Gallen, Winterthur, Chur, Rapperswyl, Zürich (an letzterem Orte 7 Stück) und anderwärts in Gebrauch seien.

II.

In ihrer Rilckäußerung vom 8. Juni teilte die städtische Polizeidirektion dem Franz Isenmann mit, daß sie im Einverständnis mit der Poiizeikommission die Erteilung der nachgesuchten Bewilligung ablehnen müsse, weil durch den Betrieb fraglicher Maschine eine größere Anzahl Holzhauer brotlos würden, und namentlich auch, weil diesem Unternehmen verschiedene Bedenken polizeilicher Natur entgegenstehen, z. B. Verkehrsstörungen in den engen und bereits vom Tramway in Anspruch genommenen Straßen, Gefahr für die Pferde wegen des durch den Petroleummotor verursachten Geräusches u. s. f.

III.

Der Gemeinderat der Stadt Bern bestätigte unterm 11. Juli die Verfügung der städtischen Polizeidirektion, mit der Begründung, daß er sich nicht veranlaßt finden könne, durch Erteilung einer solchen Bewilligung ein Monopol zu gunsten eines Einzigen und infolgedessen eine empfindliche Beeinträchtigung der Erwerbsverhältnisse einer bedeutenden Anzahl von Arbeitsleuten herbeizuführen, abgesehen von den unvermeidlichen Verkehrsstörungen in den engen Gassen Berns und von den weiteren Nachteilen, wie Petrolgeruch und Scheuwerden der Pferde infolge des Geräusches der Maschine.

In dem vom Gemeinderate dieafalls bei der städtischen Poli/.eidirektion eingeholten Berichte gelangte die letztere Behörde zu dem eventuellen Antrag, es sei für den Fall, daß die Angelegenheit zu gunsten des Gesuehstellers entschieden werden sollte, die Konzession zum Betriebe nur unter der Bedingung zu erteilen, daß dieselbe bei eintretenden Verkehrs- oder sonstigen Störungen ohne Entschädigung jederzeit aufgehoben werden könne.

IV.

Auch die von Isenmann gegen den Beschluß des Gemeinderates an das Regierungsstatthalteramt Bern weitergezogene Beschwerde hatte keinen bessern Erfolg, indem diese Amtsstelle den Gemeinderat

920 von Bern endgültig zur Lösung der vorliegenden Frage kompetent erklärte, gestützt auf § 6 der städtischen Straßenpolizeiverordnung vom 7. Juni 1880 und nach § 4 A der städtischen Marktordnung vom 11. August 1879, sowie unter Hinweis auf Art. 3 des Straßenpolizeigesetzes vom 21. März 1834.

V.

Die vom Regierungsstatthalteramt Bern angerufenen Artikel und Paragraphen lauten wie folgt: § 6 der Polizei ver o r d n u n g b e t r e f f e n d die ö f f e n t lichen Straßen, Plätze, Wege und Anlagen vom 1. J u n i 1880: ,,Es ist verboten, ohne polizeiliche Bewilligung oder Anweisung öffentlichen Grund und Boden dauernd zu Privatzwecken zu verwenden oder durch Aufstellen, Ablegen, Stehenlassen oder Aushängen von Gegenständen irgend einer Art den öffentlichen Verkehr oder den freien Zutritt in öffentliche oder Privatgebäude, sowie zu den Löschgerätschaften zu hindern."

§4 der M a r k t o r d n u n g f ü r die Stadtgemeinde Bern v o m 11. A u g u s t 1879: ,,Für das Verfügungsrecht über Grund und Boden, bezw. dessen Luftraum, zum Markt- oder Hausierverkehr gelten folgende Regeln : ,,A. Aller ö f f e n t l i c h e Grund und Boden unterliegt der freien Verfügung der Ortsbehörde.

"Für dessen Benutzung zum Feilbieten von Waren oder zum Betrieb eines Hausiergewerbes, sowie zum daherigen Aufstellen von Wagen, Ständen, Buden, Tischen, Gestellen u. dgl. ist ein Platzgeld zu bezahlen.a Art. 3 des S t r a ß e n p o l i z e i g e s e t z e s v o m 21. M ä r z 1834: ,,Die Bahn der Straßen und Wege soll auf keine Weise durch fremdartige Gegenstände wie Holz, Steine, Fuhrwerke aller Art etc.

verstellt werden."

VI.

Nun wurde Isenmann bei der Regierung des Kantons Bern vorstellig. Aber auch diese Behörde fand nach Anhörung ihrer Direktion des Innern, daß die Kompetenz des Gemeinderates zum Erlaß der angefochtenen Verfügung unzweifelhaft ausgedrückt sei in Art. 4 der durch das Gemeindegesetz vom 6. Dezember 1852

92t 'bestätigten Verordnung vom 12. November 1832 über die Ortspolizei {§ 7), welche Verordnung in Art. 4 den Gemeinderäten u. a. auch die Aufsicht über die Straßen und öffentlichen Plätze zuweist, und ferner in den citierten §§ 6 und 4 der oben angeführten Verordnungen.

Abgesehen von diesen Vorschriften sei es selbstverständlich und liege in der Natur der Sache, daß kein Privater ein förmliches Recht darauf habe, für den Betrieb seines Gewerbes den Grund und Boden der öffentlichen Straßen und Plätze dauernd in Beschlag au nehmen, daß er folglich hierfür einer Bewilligung oder Zustimmung der mit der Straßen- und Verkehrspolizei beauftragten Behörde bedürfe und daß ihm diese Bewilligung oder Zustimmung verweigert werden könne, wenn Bedenken betreffend Störung des Verkehrs und der Straßenpolizeiordnung obwalten. Nach der Ansicht der Regierung sind solche Bedenken im vorliegenden Falle in hohem Grade vorhanden. Sie hat deshalb mittelst Schlußnahme vom 17. Oktober 1894 die Verfügung des Gemeinderates von Bern für materiell wie formell berechtigt erklärt und es abgelehnt, weiter in diese Angelegenheit einzugreifen.

VII.

G-egen den Entscheid des Regierungsrats des Kantons Bern vom 17. Oktober 1894 ergreift Herr Fürsprecher Fritz Meyer in Bern, namens des Franz Isenmann, mittelst Eingabe vom 15. November den staatsrechtlichen Rekurs an den Bundesrat und beantragt, es sei jener Beschluß als dem in Art. 31 der Bundesverfassung gewährleisteten Grundsatz der Gewerbefreiheit widersprechend aufzuheben und die Regierung von Bern einzuladen, dafür zu sorgen, ·daß dem Rekurrenten die nachgesuchte Bewilligung durch die kompetente Behörde erteilt werde.

Zur Begründung seines Rekurses führt Isenmann in erster Linie an, daß der Wortlaut des § 6 der städtischen Straßenpolizeiverordnung von den Gemeindebehörden der Stadt Bern falsch ausgelegt werde. Wenn der in Rede stehende Paragraph bestimme, daß der öffentliche Grund und Boden ohne polizeiliche Bewilligung nicht d a u e r n d in Anspruch genommen werden dürfe, und damit bezwecke, daß nicht der öffentliche Verkehr und der Zutritt zu den Gebäuden gehindert werde, so können hier nach der Ansicht des Rekurrenten nur Verkehrshinderungen durch ständige Anlagen im engern Sinne des Worts gemeint sein, so z. B. die Aufstellung von Automaten, Reklamesäulen, von ständigen Verkaufsbuden auf öffentlichen Plätzen etc., nicht aber Maschinen wie diejenige des Rekurrenten, welche jeden Augenblick an einen andern Ort verbracht werden kann und zu ihrer Aufstellung nur etwa 4 m 2 ßundesblatt. 47. Jahrg. Bd. II.

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922 Raum beansprucht. Bei der geringen Breite der Maschine (l m. 20) kann deren Aufstellung in den Straßen einer Stadt wie Bern nicht als verkehrshindernd bezeichnet werden. In Zürich, Glarus, Biel etc., wo die Maschine seit längerer Zeit funktioniert, giebt es engere Straßen als in Bern, und doch ist dort bis jetzt dadurch keine Verkehrsstörung hervorgerufen worden.

Was sodann den vom Regierungsstatthalteramt Bern angexogenen § 4 A der Marktordnung für die Stadt Bern betrifft, so erblickt Rekurrent darin mehr eine Bestimmung fiskalischen Charakters als eine polizeiliche Bestimmung. Die Marktordnung regelt die Verfügung über öffentlichen Grund und Boden einzig und allein in Bezug auf den Marktverkehr.

In keinem Falle, behauptet der Rekurrent, kann der Gebrauch der fraglichen Maschine als Hausiergewerbe aufgefaßt werden. Denn Art. 3, Ziffer 4, des bernischen Gesetzes über den Marktverkehr und den Gewerbebetrieb im Umherziehen (Hausieren) vom 27, November 1877 bestimmt: ,,Unter den Begriff des Gewerbebetriebes im Umherziehen fällt: ,,Der Betrieb eines Handwerks im Umherziehen (Sieb-, Wannund Korbmacher, Strohflechter, Sägenfeiler, Kesselflicker, Scherenschleifer, Zinngießer, Glaser u. s. w.).tt Der Inhaber der Maschine wird aber nicht, wie die soeben erwähnten ambulanten Handwerker, von Haus zu Haus seine Dienste anbieten, sondern seine Maschine nur dort aufstellen und in Betrieb setzen, wo man ihn bestellt.

Ebenso erseheint dem Rekurrenten die Berufung auf Art. 3 des zwar noch geltenden Straßenpolizeigesetzes vom Jahr 1834 nicht stichhaltig, indem dieser Artikel nur im Einklang mit Art. 31, litt, e, der Bundesverfassung noch zu Recht bestehen könne.

Nach all dem Gesagten unterliegt es für den Rekurrenten keinem Zweifel, daß die Frage, ob für die Gemeinde Bern Réglemente bestehen, auf Grund welcher ihm die Ausübung seines Gewerbes verboten werden könne, zu verneinen und deshalb auch das Argument der Regierung von Bern, das sich auf Art. 4 des Gemeindegesetzes vom 6. Dezember 1852 stützt, als hinfällig anzusehen sei.

Um die Bedenken des Regierungsrates betreffend den durch die Holzsäge- und Spaltmaschine verursachten Rauch, Dunst und das Scheuwerden der Pferde zu entkräften, wird auf die bei den Akten liegenden Zeugnisse der Stadtpolizeibehörden von Zürich, Glarus und Biel verwiesen. Zudem macht sich der Rekurrent anheischig, seine Maschine, auf welchem Platze es auch sei, vor einem

923 oder mehreren durch die kompetente Behörde zu ernennenden Experten in Funktion treten zu lassen, um die Nichtigkeit aller in Bezug auf den Betrieb derselben erhobenen Einwände darzuthun.

Es wird im fernem namentlich auch darauf hingewiesen, daß in weit höherem Maße als bei dieser Holzzerkleinerungsmaschine den Asphaltlegern aus den zuletzt namhaft gemachten Gründen die Aufstellung ihrer Asphaltkochkessel in den Straßen der Stadt untersagt werden müßte.

Zum Schlüsse glaubt Rekurrent sich über die Befürchtung dar Behörden, als würde durch die Erteilung der nachgesuchten Bewilligung einem Einzelnen ein Monopol zum Schaden der übrigen, gewöhnlichen Holzhauer, d. h. einer ganzen Klasse ärmerer Leute, geschaffen, hinwegsetzen zu können, da ihm nicht verweigert werden könne, was andern erlaubt sei.

vm.

Der Regierungsrat des Kantons Bern beruft sich in seiner Vernehmlassung vom 12. Dezember 1894 zunächst auf die Begründung seiner Schlußnahme vom 17. Oktober. Dort, hat er der Behauptung des Rekurrenten, es sei eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit in der gesetzliehen Behandlung der Bürger, wenn die Erlaubnis zürn Holzsägen und Spalten in den Straßen der Stadt ihm verweigert, den gewöhnlichen Hol/hackern aber gewährt werde, entgegengehalten, daß ihm nicht das Holzsägen und Spalten an sich verboten werde und ebensowenig die Verwendung von Petrolrnotoren, Bandsägen u. s. w. für diese Thätigkeit, sondern lediglieh das Aufstellen und der Betrieb dieser maschinellen Einrichtungen m i t t e n i m S t r a ß e n v e r k e h r .

Hiermit glaubt die Regierung die Berufung des Rekurrenten auf das Prinzip der Gewerbefreiheit widerlegt zu haben. Diese Freiheit ist, sagt sie, so wenig als irgend eine andere unbegrenzter Natur, sondern sie ist beschränkt und muß beschränkt sein durch die Rücksichten der öffentlichen Ordnung und also unter anderm auch der Straßeupolizeiordnung. Dies ist der Grund, warum Art. 31, litt, e, der Bundesverfassung gegenüber dem Prinzip der Gewerbefreiheit Verfügungen über Ausübung der Gewerbe und Benutzung der Straßen ausdrücklich vorbehält und gestattet. Allerdings dürfen solche Verfügungen den Grundsatz der Gewerbefreiheit selbst nicht verletzen. Dies ist aber nach der Ansicht der Regierung in der vorliegenden Sache nicht der Fall, weil dem Rekurrenten nicht der Betrieb seines Gewerbes an sich verwehrt ist, sondern bloß eine bestimmte verkehrsstörende und straßenpolizeiwidrige Art der

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Ausübung desselben. Aus gleichen Gründen ist schon vor längerer Zeit den Schweinemetzgern das Schlachten auf öffentlicher Straße verboten worden.

Daß, führt die Regierung weiter aus, die Gemeindebehörde von Bern, gestützt auf ihre straßenpolizeilichen Kompetenzen, zur Entscheidung in dieser Angelegenheit zuständig war, hat der Petent selbst schon durch Stellung seines Gesuches an diese Behörde anerkannt. Allein er legt in seinem Rekurse ein Hauptgewicht darauf, es sei vom Gemeinderate die betreffende Reglementsvorschrift (§ 6 der Gemeindepolizeiverordnung vom 7. Juni 1880) falsch angewendet worden, indem diese bloß untersage, ohne polizeiliche Bewilligung öffentlichen Grund und Boden d a u e r n d in Anspruch zu nehmen, während der Betrieb seiner Maschine eben nicht eine dauernde, sondern bloß eine vorübergehende Benutzung des öffentlichen Grundes und Bodens erfordere. Dieser Einwand ist in doppelter Hinsicht unrichtig. Erstlich würde aus einer solchen Auslegung des Wortes ,,dauernd1* folgen, daß z. B. auch die vorübergehende Errichtung von Marktbuden, das gewerbsmäßige Aufstellen und Fahren von Droschken u. a. m. keiner polizeilichen Bewilligung bedürfte, was gewiß niemand wird behaupten wollen, Dadurch, daß der Rekurrent mit seiner Maschine von morgens bis abends in den Straßen der Stadt herumfahren und dann dieselbe wiederum stundenlang vor den Häusern stehen lassen will, beansprucht er zwar nicht eine im buchstäblichen Sinne des Wortes permanente, aber doch eine dauernde, weil Tag um Tag fortgesetzte Benutzung des öffentlichen Straßenbodens, und dies darf er gemäß der obenerwähnten Vorschrift nur mit polizeilicher Bewilligung.

Sodann ist hervorzuheben, daß jene Vorschrift, vielleicht eben um einer solchen buchstäbelnden Auslegung des Begriffes ,,dauernd"1 den Faden abzuschneiden, nicht nur verbietet, ohne polizeiliche Bewilligung öffentlichen Grund und Boden dauernd in Anspruch zu nehmen, sondern im gleichen Satze ferner auch: ,,durch Aufstellen, Ablegen, Stehenlassen oder Aufhängen von Gegenständen irgend eiuer Art den öffentlichen Verkehr oder den freien Zutritt in öffentliche oder Privatgebäude zu hindern".

Auch die Berufung des Gemeinderates auf die Marktordnung vom 11. August 1879 ist nach dem Erachten der Regierung nicht so unangemessen, als es der Rekurrent darstellen möchte. Deon
abgesehen davon, daß die Einengung des Straßenverkehrs durch seine Maschine gerade an Markttagen besonders störend erscheinen kann, ist das Aufstellen und Hinleihen derselben selbst nichts anderes, als eine besondere Art des Feilbietens einer Ware. Die Marktordnung von Bern gilt aber nicht nur für Markttage im engern

925 Sion des Wortes, sondera für jede Art des öffentlichen Feilhaltens in den Straßen überhaupt, auch außerhalb der Dauer von Märkten (§ l, Abs. 3).

Im weitern erblickt die Regierung in den beigebrachten amtlichen Zeugnissen aus Zürich, Glarus und Biel, welche zur Not beweisen, daß der Betrieb der in Frage liegenden Maschine in den genannten Ortschaften bis jetzt zu keinen wesentlichen Klagen wegen Verkehrsstörung oder Belästigung des Publikums Anlaß gegeben hat, noch gar keine Gewähr dafür, daß dies überall und allezeit so sein und bleiben werde.

Neben die bereits erörterten polizeilichen Gründe für Verweigerung der Bewilligung stellt die Regierung übrigens als nicht zu unterschätzendes Moment noch das sieherheitspolizeiliche. Unter Hinweis auf zwei kürzlich im Kanton Bern vorgekommene Unfälle macht sie darauf aufmerksam, daß die Petrolmotoren durchaus nicht als unschuldige Maschinen anzusehen seien und daß sowohl bei schlechter Beschaffenheit des Motors als auch bei unvorsichtiger, nicht sachkundiger Behandlung desselben gefährliche Explosionen stattfinden können. Mit Rücksicht hierauf sind die Petrolmotoren, als den Dampfmotoren analoge und mit permanentem Feuer, sowie mit leicht brennbaren und explosionsfähigen Stoffen operierende Maschinen, dem kantonalen Gewerbegesetze vom 7. November 1849 unterstellt, und es kann gemäß diesem Gesetze die Aufstellung und Verwendung solcher Motoren in Häusern und Werkstätten an sichernde Bedingungen geknüpft, ja unter ungünstigen Verhältnissen ganz verboten werden. Aber noch weit mehr muß dieses Verbot für die Aufpflanzung, die Cirkulation und den Betrieb solcher Motoren in den volksbelebten Gassen einer Stadt gerechtfertigt sein.

Die Regierung glaubt in Vorstehendem zur Genüge dargethan zu haben, daß die von ihr bestätigte Verfügung des Gemeinderates von Bern keine willkürliehe, sondern eine gewerbepolizeilich wie straßenpolizeilich wohl motivierte sei, und daß folglich von Verletzung des Grundsatzes der Gewerbefreiheit hier nicht die Rede sein könne.

Die Befürchtung des Gemeinderates, es möchte der vom Petenten beabsichtigte Geschäftsbetrieb zu einem Monopol ausarten und auf diese Weise eine Menge kleiner Gewerbsleute um ihr tägliches Brot bringen, erscheint freilich der Regierung nicht ausschlaggebend, viel weniger aber noch geeignet, das bezügliche Gesuch zu empfehlen.

926 Zum Schlüsse beantragt der Regierungsrat, es sei gestützt auf seine Ausführungen der Rekurs des Franz Isenmann als unbegründet abzuweisen.

IX.

Mit Rücksicht darauf, daß die Regierung von Bern in ihrer Vernehmlassung ein neues Moment -- das* sicherheitspolizeiliche -- zur Begründung ihres Abweisungsantrages aufgenommen hat, ist dem Rekurrenten Gelegenheit gegeben worden, sich hinsichtlich der Bedenken betreffend die Explosionsgefahr der Petroleummotoren auszusprechen. Er thut die« in seiner Replik vom 2. März 1895, indem er an der Hand einer Anzahl Zeugnisse von Maschinenfabriken und Industriellen nachweist, daß speciell bei dem in Frage liegenden System ,,Grnom u , welches der Rekurrent gebrauchen will, bei einiger Vorsicht jede Feuers- oder Explosionsgefahr absolut ausgeschlossen ist.

Was die vom Regierungsrat berührten, jüngst im Kanton Bern vorgekommenen 2 Unfälle anbetrifft, bringt der Rekurrent Bescheinigungen zu den Akten, wonach der erste Unfall dui-ch einen B e n z i n motor herbeigeführt, während beim zweiten infolge unvorsichtigen Ausschüttens von Petroleum ein Haus, in dem allerdings ein Petrolmotor aufgestellt war, niedergebrannt ist.

Rekurrent macht zum Schlüsse noch darauf aufmerksam, daß, wenn man auch etwelche Explosionsgefährlichkeit der Petrolmotoren annehmen könnte und deshalb deren Gebrauch in den Straßen und in der Umgebung der Stadt Bern verbieten wollte, mit viel mehr Grund der Betrieb der Dampf- und Lufttramways, das Aufstellen von Dampfauftau- und von Dreschmaschinen mit Motorea aller Art verhindert werden müssen.

X.

Die Regierung von Bern weist hinwiederum in ihrer Duplik vom 22. März darauf hin, daß die vom Rekurrenten produzierten Zeugnisse größtenteils von Verfertigern und Verkäufern von Petrolmotoren herrühren, so daß dieselben keineswegs als unparteiisch gelten können. Die Petrolinotoren stehen nicht nur im Kanton Bern, sondern auch anderswo sowohl wegen ihrer nachbarbelästigenden Eigenschaften, als auch namentlich wegen ihrer Explosionsgefährlichkeit unter besonderer polizeilicher Aufsicht und dürfen folglich selbst in Häusern, geschweige denn auf offener Straße, nicht ohne behördliche Bewilligung aufgestellt und betrieben werden. So hat erst jüngsthin die Regierung des Kantons Zürich die Petrolmotoren

927 der gleichen Kontrolle unterstellt, wie die Dampfmaschinen und daher sämtliche Besitzer von Petrolmotoren verpflichtet, dieselben der periodischen Inspektion durch die Ingenieure des schweizerischen Uampfkesselvereins zu unterstellen.

Befremdlieh erscheint sodann der Regierung das Argument des Rekurrenten, es komme seinem Petrolmotor das gleiche Recht zu, auf öffentlicher Straße zu funktionieren, wie der Dampfstraßenbahn in Bern. Nachdem nun einmal die Straßenbahnen konzessioniert sind und funktionieren, ist nach Ansicht der Regierung diese Thatsache kein Grund dafür, auch noch weitere mehr oder weniger gefährliche und belästigende Maschinen in den Straßen cirkulieren und betreiben zu lassen, sondern vielmehr ein ganz bestimmter Grund dagegen, und zwar deswegen, weil jedes Ding in der Welt, und so auch die private Benutzung der öffentlichen Straße ihr festes, nicht überschreitbares Maß hat. Mit Ausnahme derjenigen Geschäfte, welche ihrer Natur nach nicht anders als auf öffentlicher Straße ausgeübt werden können, d. h. der Transportund Verkehrsgeschäfte, haben die Gewerbetreibenden keinen Anspruch, ihr Gewerbe auf öffentlichem Grund und Boden auszuüben.

Zu jenen Geschäften, bei denen eine Ausnahme gemacht werden muß, gehören aber die mechanischen Holzscheitereien nicht.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: 1. Zu den in Art. 31, litt, e, der Bundesverfassung gegenüber dem Grundsatze der Handels- und Gewerbefreiheit vorbehaltenen Verfügungen über Ausübung von Handel und Gewerben zählen in erster Linie solche Verfügungen, die vom Standpunkte öffentlicher Interessen ans erlassen werden, und unter diesen nehmen wieder die zum Schutze der öffentlichen Sicherheit erlassenen polizeilichen Verfügungen die erste Stelle ein.

Es ist durch die bundesrechtliche Praxis von jeher den Kantonen (Gemeinden) in dieser Richtung die Befugnis zuerkannt worden, durch Gesetze, Verordnungen, Réglemente Verfügungen zu treffen, durch welche die Handels- und Gewerbefreiheit mehr oder weniger erheblich eingeschränkt wird, sofern nur die Verfügung den Grundsatz selbst, den Art. 31 der Bundesverfassung gewährleistet, nicht beeinträchtigt.

In der Anwendung und Vollziehung dieser Bestimmungen hat die Bundespraxis den kantonalen und kommunalen Behörden und Beamten insoweit freie Hand gelassen, als zur wirksamen Geltend-

928 machung derselben, zur Erreichung ihres an sich erlaubten Zweckes,, erforderlich erschien. Vorbehalten wurde jedoch stets die gleichmäßige Anwendung in allen gleichartigen Fällen und die Gleichbehandlung der Bürger wurde geradezu als ein Element der Handelsund Gewerbefreiheit anerkannt.

(Man vergleiche diesfalls namentlich den Bundesratsbesehluß.

vom 4. Juli 1893 in Sachen Brugger contra Regierung von Freiburg; Bundesbl. 1893, III, 723 ff., insbesondere 738 ff.)

2. Von diesem Standpunkte aus könnte allerdings in Zweifel gezogen werden, ob die Schlußnahmen der bernischen Gemeindeund Kantonsbehörden gegenüber dem Rekurrenten bundesrechtlich unanfechtbar seien ; denn es ist aus den Akten keineswegs ersichtlich, daß der Rekurrent mit seiner Maschine das Holzzerkleinerungsgeschäft in einer das Publikum und den Verkehr in den Straßen Berns mehr belästigenden oder hemmenden Weise betreiben würde, als es die Holzsäger und Holzspalter thun, und es scheint auch nach den vorliegenden Zeugnissen und c'en bisherigen Erfahrungen eine Explosions- und Feuersgefahr bei dem vom Rekurrenten beabsichtigten Gebrauche eines Petrolmotore nicht vorhanden zu sein oder doch durch Anwendung einer sachverständigen Kontrollegänzlich verhütet werden zu können.

Allein diese zu gunsten des rekuri en tischen Begehrens sprechenden Momente müssen zurücktreten vor der Erwägung, daß der Rekurrent den Rechtsanspruch erhebt, sein Gewerbe auf einem öffentlichen Grund und Boden zu betreiben, der zu etwas ganz andertn bestimmt ist als zur Holzscheiterei, dessen Benutzung z,u andern als dem Verkehr dienenden privatgewerblichen Zwecken von der Behörde nicht gestattet zu werden braucht und nur ausnahmsweise, auf beliebigen Widerruf, dazu eingeräumt wird, wie z. B. den Holzhackern.

3. Unter diesen Umständen ist dem Rekurrenten nicht eia Recht versagt worden, das unter den gleichen thatsächlichen Voraussetzungen anderen zuerkannt wird ; es ist vielmehr anzuerkennen, daß die Kantons- bezw. Gemeindebehörden im vorliegenden Falle innerhab der Schranken ihrer Kompetenz gehandelt und keine Beeinträchtigung des Grundsatzes der Handels- und Gewerbefreiheit sich haben zu Schulden kommen lassen.

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Demnach wird beschlossen: 1. Der Rekurs ist unbegründet und wird daher abgewiesen.

2. Dieser Beschluß ist der Regierung des Kantons Bern, für sie selbst und die Gemeindebehörden der Stadt Bern, sowie, zu Händen des Rekurrenten, dem Herrn Fürsprecher Fritz Meyer in Bern mitzuteilen.

B e r n , den 30. April 1895.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Eiugier.

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Bundesratsbeschluß über den Rekurs des Franz Isenmann, von Guttannen, in Bern, gegen eine Schlußnahme des Regierungsrates des Kantons Bern vom 17. Oktober 1894, betreffend Verweigerung der Bewilligung zur Aufstellung und zum Betrieb einer fahrbaren H...

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1895

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20

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08.05.1895

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918-929

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