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Bundesgesetz betreffend

die Übertragung der Oberaufsicht über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen an das Bundesgericht.

(Vom 28. Juni 1895.)

Die Bundesversammlung der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t , in Ausführung der Artikel 64 und 114 der Bundesverfassung ; in Abänderung des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 liber Schuldbetreibung und Konkurs*) und des Bundesgesetzes vom 22. März 1893 über die Organisation der Bundesrechtspflege**); nach Einsicht der Botschaft des Bundesrates vom 3. Mai 1895, beschließt: A.

Abänderungen am Bundesgesetze Über Schuldbetreibung und Konkurs.

Art. 1. Die in den Artikeln 15, 19, 28 und 334 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs dem Bundesrate übertragenen Befugnisse und Obliegenheiten gehen an das Bundesgericht über.

*) Siehe eidg. Gesetzsammlung n. F., Bd. XI, Seite 529.

**) Siehe eidg. Gesetzsammlung n. F., Bd. XIII, Seite 455.

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B.

Abänderungen am Bundesgesetze Über die Organisation der Bundesrechtspflege.

Art. 2. Artikel l des ßundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege erhält folgende Fassung: 1. Das Bundesgericht besteht aus sechzehn Mitglieder» und neun Ersatzmännern. Dieselben werden von der Bundesversammlung gewählt. Bei der Wahl soll darauf Bedacht genommen werden, daß alle drei Nationalsprachen vertreten seien (Art. 107 der Bundesverfassung).

Art. 3. Artikel 6 wird durch die nachstehenden Bestimmungen ersetzt: 6. Die Kanzlei des Bundesgerichts besteht aus folgenden Beamten: 1. drei Gerichtsschreibern; 2. drei Sekretären; 3. einem Archivar.

Es werden ferner Kanzlisten (Kopisten) und zur Bedienung des Gerichtes Weibel angestellt.

Wenn die Geschäfte es erforderlich machen, könne» mit Genehmigung der Bundesversammlung weitere Sekretärer sowie auch ein zweiter Archivar angestellt werden.

Wenigstens einer der Gerichtsschreiber oder der Sekretäre soll der italienischen Sprache angehören.

Art. 4. Artikel 16 erhält folgende Fassung: 16. Das Bundesgericht bestellt aus seiner Mitte zwei Abteilungen von je sieben Mitgliedern.

Der Präsident führt in der einen, der Vizepräsident in der andern Abteilung den Vorsitz.

Art. 5. Als Artikel 16bls wird folgende Bestimmung aufgenommen :

605 16biB. Das Bundesgericht bestellt überdies eine Schuldbetreibungs- und Konkurskammer, bestehend aus dem Vizepräsidenten als Vorsitzendem und zwei weitern Mitgliedern.

Art. 6. Artikel 17 erhält folgenden zweiten Absatz: Ebenso hat in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, wenn das Gesetz vom Bundesgericht oder dessen Präsidenten spricht, die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer oder ihr Präsident zu handeln.

Art. 7'. Absatz l des Artikels 19 erhält folgende Fassung : Das Bundesgericht wählt je auf 1. Januar für die Dauer von zwei Jahren die Mitglieder seiner beiden Abteilungen, der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer, der Anklagekammer, der Kriminalkammer, des Bundesstrafgerichts und des Kassationshofes, sowie die Präsidenten der Anklagekammer und des Kassationshofes.

Art. 8. Artikel 20 erhält folgende Fassung: 20. Jede Abteilung des Bundesgerichts, sowie die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer wird, soweit nötig, der Kehrordnung nach, durch andere Mitglieder des Gerichts und, wenn dies nicht thunlich ist, aus der Zahl der Ersatzmänner ergänzt.

Zur Ergänzung der Strafgerichtsbehörden haben sich die ordentlichen Ersalzmänner nötigenfalls gegenseitig zu ersetzen.

Art. 9. In Artikel 21 wird ein dritter Absatz aufgenommen, folgenden Inhalts: Die Geschäftsordnung der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer wird vom Bundesgericht durch ein besonderes Reglement festgesetzt.

Art. 10. Artikel 25 erhält folgende Fassung: 25. Die Abteilungen des Bundesgerichts, die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer, sowie die Strafgerichtsbehörden müssen stets vollzählig besetzt sein.

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Art. 11. Absatz l des Artikels 36 erhält folgende Fassung : Die Verhandlungen vor dem Bundesgerichte, seinen Abteilungen und den Strafgerichtsbehörden des Bundes, sowie die gerichtlichen Beratungen und Abstimmungen sind öffentlich, mit Ausnahme der Beratungen und Abstimmungen der Schuldbetreibungs- und Koakurskammer, der Anklagekammer, der Geschwornen und des Bundesstrafgerichts.

Art. 12. Als Titel IV"« und Art. 196M» werden folgende Bestimmungen in das Gesetz eingeschaltet: IV*1". Rechtspflege

in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen.

196biB. Das Bundesgevicht übt im Gebiete des Schuldbetreibungs- und Konkurswesens die Befugnisse und Obliegenbeiten aus, welche ihm durch die Bundesgesetzgebung zugewiesen sind.

Für das Verfahren in Rekursfällen finden die Artikel 183 bis 187 entsprechende Anwendung, mit Ausnahme von Artikel 183, Absatz 2, und mit der Abweichung, daß der ßchuldbetreibungs- und Konkurskammer die Einholung von Vernehmlassungen (Art. 184) freigestellt ist.

C.

Übergangs- und Schlußbestimmungen.

Art. 13. Nach der Annahme dieses Gesetzes wird die Bundesversammlung die Wahl von zwei neuen Mitgliedern des Bundesgerichts vornehmen.

Die erste Amtsdauer der Gewählten beginnt mit dem Tage, an welchem dieses Gesetz in Kraft tritt, und endigt am 31. Dezember 1900.

Art. 14. Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer wird das erste Mal auf so lange bestellt, daß die Amtsdauer

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ihrer Mitglieder gleichzeitig mit der Amtsdauer der Mitglieder der beiden Abteilungen zu Ende geht.

Art. 15. Das der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer beizugebende Kanzlei personal wird vom Bundesgerichte vorerst provisorisch gewählt.

Das Gericht nimmt die definitive Besetzung der Kanzleistellen zu der ihm geeignet scheinenden Zeit vor. Die Amtsdauer der Gewählten läuft alsdann mit derjenigen der übrigen Beamten und Angestellten der Bundesgerichtskanzlei ab.

Art. 16. Mit dem Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes gehen sämtliche nach den bisherigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs bei dem Bundesrate anhängigen Geschäfte an das Bundesgericht über.

Art. 17. Der Bundesrat ist beauftragt, nach Maßgabe der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend Volksabstimmungen über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

Also beschlossen vom Nationalrate, B e r n , den 24. Juni 1895.

Der Präsident: Dr. Bachmann.

Der Protokollführer: Ringier.

Also beschlossen vom Ständerate, Bern-, den 28. Juni 1895.

Der Präsident: Jordan-Martin.

Der Protokollführer: Schatzmanil,

608 Der schweizerische Bundesrat

beschließt:

Das vorstehende Bundesgesetz ist zu veröffentlichen.

B e r n , den 13. Juli 1895.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident: Lachenal.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Note. Datum der Veröffentlichung: 17. Juli 1895.

Ablauf der Referendumsfrist: 15. Oktober 1895.

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Bundesgesetz betreffend die Übertragung der Oberaufsicht über das Schuldbetreibungsund Konkurswesen an das Bundesgericht. (Vom 28. Juni 1895.)

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17.07.1895

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