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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Entwurf zu einem Bundesgesetz über Rohrleitungsanlagen zur Beförderung flüssiger oder gasförmiger Brenn- oder Treibstoffe (Vom 28. September 1962)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren !

In der Volksabstimmung vom 5.März 1961 ist der Bundesbeschluss vom 14. Dezember 1960 über die Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel 26bis mit 644 797 Ja gegen 257 847 Nein und von allen Ständen angenommen worden (BB1 1961, I, 657). Dieser neue Artikel hat folgenden Wortlaut : «Die Gesetzgebung über Eohrleitungsanlagen zur Beförderung flüssiger oder gasförmiger Brenn- oder Treibstoffe ist Bundessache.» Heute beehren wir uns, Ihnen Botschaft und Entwurf zu einem in Ausführung dieses Verfassungsartikels zu erlassenden Bundesgesetz zu unterbreiten.

I. Die Entwicklung der Energiewirtschaft 1. Der Energieverbrauch

Technischer Fortschritt und Energiebedarf stehen in engem Zusammenhang. Die wirtschaftliche Entwicklung hat einen stark anwachsenden Energieverbrauch und strukturelle Verschiebungen zwischen den einzelnen Energieträgern zur Folge. Die Tabelle l vermittelt einen Überblick über die Anteile der bedeutsamsten Rohenergieträger an der Bedarfsdeckung auf der Welt, in Europa (ohne Sowjetunion), in der Sowjetunion, in den Vereinigten Staaten von Amerika und in der Schweiz. Im Weltmaßstab betrachtet, ist wichtigster

Tabelle l Verbrauchte Menge Ilcgion

Jahr

Flüssige Feste Brennstoffe Brennstoffe Mio t

!

Mio t

Brdgas Mio m 3

Anteile in Prozent ·) HydroelekFlüssige Feste trizität Brennstoffe Brennstoffe Mia kWh

Erdgas

Hydroelektrizität

%

%

%

%

177 332 687

73,72 62,59 52,29

19,50 25,39 31,14

5,60 10,39 14,58

1,18 1,63 1,99

Welt

1937 1950 1960

1361 1569 2213

277 489 1014

Europa1)

1937 1950 1960

645 650 801

40 66 210

5827 10488 51073

65 113 234

90,98 86,07 70,70

7,41 11,27 24,06

0,49 0,83 2,70

1,12 1,83 2,54

UdSSR

1937 1950 1960

129 232 391

29 41 118

4827 11652 99763

4 13 51

76,09 78,98 63,99

21,90 18,10 25,18

1,71 2,39 9,81

0,30 0,53 1,02

USA

1937 1950 1960

437 451 356

158 294 454

203 480 395 024 803 317

46 98 154

56,74 41,69 24,57

26,67 35,30 40,70

15,86 21,90 33,27

0,73 1,11 1,46

Schweiz )

1937 1950 1960 1961

4,7244) 4,074) 3,944) 3,60 )

0,39 1,06 3,75 4,08

5,29 9,89 17,76 18,82

77,15 55,26 30,60 26,86

10,58 24,77 49,32 52,35

3

·

172 293 433 977 1 028 762

--

--

*) Europa ohne UdSSR.

2 ) Berechnet auf Grund des physikalischen Energieinhalts.

3 ) Grundlage für Kohle und flüssige Brennstoffe: Importierte Mengen.

4 ) Kohle und Brennholz zusammen.

Kohle allein: 1937 3,49 Millionen Tonnen; 1950 2,67 Millionen Tonnen; 1960 2,71 Millionen Tonnen; 1961 2,37 Millionen Tonnen.

12,27 19,97 20,08 20,79

792

Rohenergieverbrauch in der Welt und in verschiedenen Regionen

793 Energieträger unstreitig immer noch die Kohle; ihr Anteil ist aber rückläufig.

In raschem Vordringen sind dagegen die flüssigen Brennstoffe und das Erdgas.

In Europa deckt die Kohle heute ebenfalls noch weit mehr als die Hälfte des gesamten Energieverbrauchs; auch hier ist aber ihr Anteil rückläufig. Der wachsende Bedarf wird vorwiegend durch flüssige Brennstoffe und Erdgas gedeckt. Entgegen den noch vor fünf Jahren gehegten Erwartungen vermochten die herkömmlichen Energieträger den Mehrbedarf ohne weiteres zu befriedigen.

Da dies sogar zu teilweise sinkenden Preisen möglich war, wird die in Atomkraftwerken erzeugte elektrische Energie voraussichtlich noch während mehrerer Jahre teurer zu stehen kommen als solche, die in konventionellen thermischen Kraftwerken gewonnen wird. Es darf daher angenommen werden, dass Erdöl sowie in vermehrtem Mass auch Erdgas noch weiter steigende Bedeutung erlangen.

In der Schweiz steht einer Eückbildung des Kohlenverbrauchs eine ständige Zunahme des Verbrauchs von aus Wasserkraft gewonnener elektrischer Energie gegenüber. Bei den flüssigen Brenn- und Treibstoffen ist besonders im Laufe des letzten Jahrzehnts ein gewaltiger Aufschwung zu verzeichnen. Die Gründe dafür liegen in der Motorisierung und in der Tatsache, dass das Heizöl .als bequem zu handhabender Brennstoff auch preislich immer besser mit der Kohle zu konkurrieren vermag.

2. Die Einfuhr flüssiger Brenn- und Treibstoffe Die Tabelle 2 gibt einen Überblick über die Entwicklung der Einfuhr flüssiger Brenn- und Treibstoffe seit dem Jahre 1930: Einfuhr flüssiger Brenn- und Treibstoffe in 1000 Tonnen Tabelle 2 ·Jahr

1930 1935 1940 1945 1950 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961

Flüssige Brennstoffe

Treibstoffe

') *)

') *)

146 19 663 1187 1679 1670 1955 '1941

2388 2473

138 11 394 705 829 878 998 1122 1365 1605

Zusammen

265 418 284 30 1057 1892

2508 2548 2953 3063 3753 4078

a ) Für die Jahre 1930 und 1935 ist eine genaue Aufteilung nach Brennund Treibstoffen nicht möglich.

794 Aus diesen Zahlen gebt hervor, dass die Einfuhr flüssiger Brenn- und Treibstoffe im Jabre 1961 fast viermal grösser war als im Jahre 1950 und rund fünfzehnmal grösser als im Jabre 1930. Im Jahre 1961 deckten die flüssigen Brenn- und Treibstoffe mit 52 Prozent erstmals mehr als die Hälfte unseres gesamten Rohenergieverbrauchs.

1961 stammten die von der Schweiz eingeführten flüssigen Brenn- und Treibstoffe aus Erdölraffinerien in folgenden Ländern : Herkunft der im Jahre 1961 eingeführten flüssigen Brenn- und

Treibstoffe

Tabelle 3 Land

Italien Bundesrepublik Deutschland B elgien · Luxemburg Frankreich Niederlande Föderation Westindien Übrige Länder Total

. . . .

1000 t

%

1696 917 442 366 263 247 147 4078

42 22 11 9 6 6 4 100

Über die ursprüngliche Herkunft des Eohöls bestehen keine amtlichen Zahlen, da für die Handelsstatistik als Erzeugungsland dasjenige Land zu verstehen ist, in welchem das öl raffiniert wurde.

3. Der Standort der Raffinerien Die gewaltige Zunahme des Mineralölverbrauches hat zur Folge, dass die Kapazität der Raffinerien in Europa erweitert werden muss. Bis vor wenigen Jahren wurde das nach Westeuropa eingeführte Rohöl im allgemeinen in der Nähe der Entladehäfen verarbeitet. Die im Binnenland liegenden Konsumzentren werden oft über weite Entfernungen durch die Binnenschiffahrt, die Eisenbahn und den Lastwagen mit den Mineralölprodukten versorgt. Durch die starke Zunahme des Verbrauches wurde diese Standortstruktur problematisch.

In den USA ist beispielsweise etwas mehr als 70 Prozent der Raffineriekapazität konsumorientiert.

Wichtig für die Standortwahl der Raffinerien ist der Umstand, dass die Transportkosten im Verhältnis zum Rohstoffpreis der Mineralölprodukte bedeutend sind. Daher sollte der Standort der Rohölverarbeitung so gewählt werden, dass die Belastung der Fertigprodukte mit Transportkosten möglichst niedrig gehalten werden kann. Für den Transport von Rohöl in grossen Mengen

795 zwischen zwei gegebenen Punkten erweist sich die Bohrleitungsanlage als billiges Verkehrsmittel. Der Wissenschaftliche Beirat beim Verkehrsministerium der Bundesrepublik Deutschland hat in einem Gutachten über Mineralölfernleitungen vom 28. November 1959 die relativen Selbstkosten des Eohöl-Knotenpunktverkehrs für Ölleitung, Eisenbahn und Tankschiff bei einem Beschäftigungsgrad von 70 Prozent und einer Beförderungsweite von 300 Kilometern wie folgt berechnet : Vergleich der Selbstkosten des Rohöltransportes (Eohölleitung mit 70 cm Durchmesser und 300 km Beförderungsweite in Luftdistanz = 100) Tabelle 4 Transportmittel

Vollkosten

Grenzkosten ')

Ölleitung Durchmesser 70 cm 60 cm . .

50 cm . .

Eisenbahn (ölzug, 20 Wagen, 1200 Tonnen netto) Tankschiff, Khein ab Botterdam (Typ G.Koenigs, 900 Tonnen netto)

100 110 125 333

181

330

206

Aus dieser Aufstellung geht hervor, dass die Transportkosten bei Eohrleitungen mit abnehmendem Durchmesser anwachsen. Infolgedessen ergeben sich bei Eohrleitungen für Erdölprodukte, die wegen der geringeren zu transportierenden Mengen allgemein kleinere Durchmesser auf weisen, Kosten, die diejenigen des Bahn- und Schiffstransportes erreichen oder sogar übersteigen können.

Über die absolute Höhe der Selbstkosten beim Transport durch Eohrleitungen äusserte sich Ingenieur Charreton von der Compagnie Française des Pétroles in Nr. 2/1960 des Schweizerischen Archivs für Verkehrswissenschaft und Verkehrspolitik wie folgt : Jährliehe Beförderungsmeng in Millionen Tonnen

Selbstkosten pro Tonnen. kilometer in Kappen

2i/2

1,3 1,0 0,7 0,4

4y2

7 25

Vergleichsweise seien noch die Selbstkosten der Nord-West-Ölleitung, welche Wilhelmshaven mit Köln verbindet, bei einer Transportmenge von jährlich *) Die sogenannten « Grenzkosten» - d.h. jene Kosten, die zusätzlich für einen bestimmten Transport aufgewendet werden müssen - wurden ermittelt, weil ein altes Verkehrsmittel beim Aufkommen eines neuen Verkehrsmittels sich auf kurze oder mittlere Sicht mit Frachten begnügen kann, die nahe bei diesen Kosten liegen.

796 10,4 Millionen Tonnen den Frachtsätzen der Deutschen Bundesbahn und der Binnenschiffahrt gegenübergestellt : Selbstkosten Rohrleitung

Pfennig pro Tonnenkilometer

0,75

Frachtsätze Deutsche Binnenschiff Bundesbahn

3,12

2,60

Diese kurzen Ausführungen zeigen, dass es offenbar billiger ist, den Rohstoff - der heute bei der Raffination zu rund 90 Prozent in das Gewicht der Fertigprodukte eingeht - in grossen Mengen möglichst nahe an die Schwerpunkte des Konsums heranzubringen, als die zahlreichen im Verarbeitungsprozess anfallenden Produkte mit differenzierten Transportmethoden von den Seehäfen über weite Distanzen in das Innere Europas zu befördern.

Neben diesen Erwägungen sprechen für die Wahl der Konsumzentren als Standort für die neuen Raffinerien noch weitere Faktoren. In den letzten Jahren hat der Verbrauch von schwerem Heizöl immer mehr zugenommen. Der Transport dieses Brennstoffes ist aber mit gewissen Schwierigkeiten verbunden, weil er beim Erkalten zähflüssig wird und dann nur noch schwer vom Transportgefäss gelöst werden kann. Schliesslich ist noch zu beachten, dass bei der Rohölverarbeitung eine Anzahl von Nebenprodukten anfällt, die nur bei niedrigster Transportkostenbelastung einer wirtschaftlichen Verwertung zugeführt werden können. Das gilt insbesondere für Nebenprodukte, die in der Petrochemie verwendet werden.

Alle diese Gründe führten schliesslich dazu, dass in den letzten Jahren im Innern Westeuropas in der Nähe der grossen Konsumzentren Raffinerien entstanden oder im Entstehen begriffen sind. Auf das in diesem Zusammenhang in Westeuropa" im Aufbau begriffene Rohrleitungsnetz für den Transport von Rohöl haben wir bereits in unserer Botschaft vom 23. August 1960 über die Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel betreffend Rohrleitungsanlagen zur Beförderung flüssiger oder gasförmiger Brenn- oder Treibstoffe (BB1 1960, II, 745) aufmerksam gemacht.

4. Die Auswirkungen auf die traditionellen Verkehrsträger Die soeben geschilderte Entwicklung in der Standortwahl der Raffinerien hat auch die Schweiz berührt. Wie Ihnen bekannt ist, wird gegenwärtig in der Rhoneebene bei Collombey. eine Raffinerie mit einer Kapazität von ungefähr 2 Millionen Tonnen Rohöl pro Jahr gebaut. Zur Diskussion stehen ferner die Erstellung einer Raffinerie im schweizerischen Mittelland sowie der Bau einer Topping-Anlage oder einer Teilraffinerie im sankt-gallischen Rheintal. Die sich abzeichnende Entwicklung dürfte zur Folge haben, dass die Einfuhr von Mineralölprodukten zu einem bedeutenden Teil durch die Einfuhr von Rohöl ersetzt wird. Für die Einfuhr von raffinierten Produkten werden gegenwärtig folgende Verkehrsmittel benützt :

797.

Anteil der verschiedenen Verkehrsmittel an der Einfuhr flüssiger Brenn- und Treibstoffe im Jahre 1961 Tabelle 5 Transportmittel

Rheinschiffahrt

Eisenbahn Lastwagen Total

1000 t

%

1895 1927 256 4078

47 47 6 100

Diese Transporte gelangten über die nachstehenden Grenzübergänge in die Schweiz : Basel Südgrenze (Iselle, Pino, Chiasso, Tirano) übrige Grenzpunkte (geschätzt)

2 062 000 Tonnen l 589 000 Tonnen 427 000 Tonnen

Von den mit der Rheinschiffahrt über Basel eingeführten flüssigen Brennund Treibstoffen sind im Jahre 1961 43 Prozent mit der Eisenbahn und 57 Prozent mit Lastwagen ins Innere unseres Landes weiterbefördert worden.

Nach dem Bau von Raffinerien in der Schweiz werden die bisherigen Verkehrsströme zwischen den ausländischen Raffinerien und den inländischen Verbrauchsorten eine Veränderung erfahren; das Rohöl wird durch Rohrleitungen von den Meerhäfen zu den inländischen Raffinerien transportiert, und von diesen aus besorgen Bahn und Lastwagen die Verteilung der Produkte.

Von dieser Strukturänderung werden die Rheinschiffahrt und die Umschlagsanlagen in den Rheinhäfen beider Basel am stärksten betroffen. Der Anteil der flüssigen Brenn- und Treibstoffe an der gesamten in den erwähnten Häfen gelöschten Gütermenge betrug im Jahre 1961 rund 30 Prozent. Sofern in der Schweiz drei Raffinerien gebaut werden, dürfte die Rheinschiffahrt einen grossen Teil dieser Transporte verlieren. Aber auch die Bisenbahnen und der Lastwagenverkehr würden in diesem Fall einen grossen Teil ihrer Transporte von den' Grenzübergängen nach den Konsumorten verlieren. Der Anteil des Mineralölverkehrs der Schweizerischen Bundesbahnen am gesamten Wagenladungsverkehr, ausgedrückt in Tonnenkilometern, beträgt rund 11 Prozent. An die Stelle dieser Verkehrsströme würden jedoch Transporte von den inländischen Raffinerien nach den Konsumorten treten. Diese neue Verkehrsaufgabe wäre von der Eisenbahn und dem Lastwagen zu bewältigen. Die Entfernungen dieser Transporte würden aber im Durchschnitt kürzer sein als die Entfernungen der gegenwärtigen Transporte zwischen Grenze und Verbrauchsort. Die Verkürzung der Transportdistanzen könnte zur Folge haben, dass sich der Lastwagen vermehrt in den Mineralöltransport einschaltet. Diese Verkehrsverluste dürften allerdings nach einer gewissen Zeit durch die Verbrauchszunahme kompensiert werden. Eine Bundesblatt. 114. Jahrg. Bd. II.

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798 Sonderstellung unter den Bahnen würde die Berner Alpenbahn- Gesellschaf t Bern-Lötschberg-Simplon (BLS) einnehmen. Diese Bahnunternehmung könnte ihre Verkehrsverluste wohl nur zu einem kleinen Teil durch Transporte von den schweizerischen Eaffinerien nach den Verbrauchsorten kompensieren.

Wie bereits hervorgehoben, würde der Bau von Raffinerien und Rohrleitungen in unserem Land insbesondere die schweizerische Rheinschiffahrt, die ihre Transportverluste nicht durch Inlandtransporte kompensieren könnte, vor bedeutende Anpassungsprobleme stellen. Solche Strukturänderungen sind eine Folge des technischen Fortschrittes. Ihre Auswirkungen dürfen daher in einer dynamischen Wirtschaft nicht überschätzt werden. Die betroffenen Unternehmungen können bereits heute ihre Geschäftspolitik der voraussichtlichen Entwicklung anpassen. Trotz gewisser Übergangsschwierigkeiten muss der volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Wert richtig eingesetzter Rohrleitungen anerkannt werden. An dieser Tatsache hat sich auch die staatliche Wirtschaftspolitik zu orientieren.

II. Die Entwicklung der Rohrleitungsprojekte in der Schweiz

In Ergänzung der Ausführungen in der Botschaft des Bundesrates vom 23.August 1960 betreffend den Erlass eines Verfassungsartikels über Rohrleitungsanlagen (BB11960 II, 745 ff.) sei kurz auf die Entwicklung der Pipelinoprojekte in der Schweiz hingewiesen.

Um zu verhindern, dass die Kantone von den ausländischen Initianten für den Bau von Erdölleitungen gegeneinander ausgespielt werden, fanden bereits am 24.Februar und 23.März 1960 Aussprachen zwischen Vertretern des Bundesrates und der interessierten Kantonsregierungen statt. Man kam dabei überein, dass Bund und Kantone keine Bindungen eingehen sollen, ohne sich vorher gegenseitig orientiert zu haben. Am 12. August 1960 unterzeichneten dann allerdings die Kantone Graubünden und Tessin mit der italienischen « Società nazionale metanodotti» (SNAM), Mailand, Vereinbarungen über die Erstellung einer Erdölleitung Genua-Schweiz-Süddeutschland, ohne dass der Bund zu diesen Vereinbarungen vorher hätte Stellung nehmen können. Am 13. Oktober 1960 erfolgte in Chur und mit Sitz daselbst die Gründung der «Oleodotto del Reno S.A.» oder «Rheinische Ölleitung AG». Am 26.Oktober 1960 schloss auch der Kanton St. Gallen mit der SNAM eine ähnliche Vereinbarung ab wie die Kantone Graubünden und Tessin. Als Gegenleistung für die Zulassung der Leitung und für das Recht auf unentgeltliche Benutzung des öffentlichen Grundes wurden den Kantonen bestimmte Bezugsrechte für Rohöl eingeräumt.

Die unterzeichneten Vereinbarungen wurden nach ihrer Kenntnisgabe an die Bundesbehörden von diesen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht geprüft. In der Öffentlichkeit wurde die Behauptung laut, bei den Vereinbarungen handle es sich um Staatsverträge, zu deren Abschluss kraft Bundesverfassung nur der Bund legitimiert sei, da der Vertragspartner eine kapitalmassig vom italienischen Staat beherrschte Aktiengesellschaft sei. Diese Be-

799 hauptung erwies sich aber als nicht haltbar, denn Staatsverträge können nur zwischen Subjekten des Völkerrechts abgeschlossen werden, was die S N AM natürlich nicht ist. Auch die Auffassung, dass grenzüberschreitende Bohrleitungen nur nach vorherigem Abschluss eines Staatsvertrages zwischen der schweizerischen und der betreffenden ausländischen Regierung erstellt werden dürfen, hielt einer Prüfung nicht stand. Der Bund kann grenzüberschreitende Rohrleitungen zum Gegenstand eines Staatsvertrages machen, der Abschluss eines solchen ist aber nicht Voraussetzung für den Bau einer derartigen Leitung.

Auch wenn die Vereinbarungen der Kantone mit der SNAM weder als solche noch in ihrem Inhalt dem Bundesrecht widersprachen, so erwiesen sich doch verschiedene Bestimmungen als unbefriedigend. Hauptobjekt des Anstosses war neben der unbeschränkten Dauer der eingeräumten Rechte die von den Kantonen zugestandene ausländische Kapitalmehrheit in der für den Bau und Betrieb der Rohrleitung auf schweizerisch-vorarlbergischem Gebiet vorgesehenen schweizerischen Gesellschaft.

Der Vorsteher des Post- und Eisenbahndepartementes lud deshalb die Kantone St. Gallen, Graubünden, Tessin und Wallis auf den 17. Januar 1961 zu einer Konferenz ein, an der die Vertreter des Bundes ihre Bedenken-vortrugen.

Die Kantonsregierungen wurden ersucht, in den Bewilligungen für den Bau der Rohrleitung, die gemäss den Vereinbarungen noch zu erteilen waren, die erreichbaren Verbesserungen der schweizerischen Position herbeizuführen. In einem Schreiben des genannten Departementes an die Kantone vom I.Februar 1961 wurden die beanstandeten Punkte wiederholt.

Ohne den Einwänden des Bundes voll Rechnung zu tragen, erteilten die Regierungen von Graubünden (am 15.Februar), St. Gallen (am 21.Februar) und Tessin (am S.März 1961) der Oleodotto del Reno S.A. die nachgesuchten Bewilligungen, die Regierung von Graubünden allerdings nur unter Vorbehalt der im kantonalen Rohrleitungsgesetz vom 26. Juni 1960 vorgesehenen Genehmigung durch den Grossen Rat. Diese erfolgte am S.März 1961, nachdem der Kleine Rat dem Bundesrat noch kurz Gelegenheit gegeben hatte, zum Inhalt der Bewilligung Stellung zu nehmen. In Abweichung von den Vereinbarungen wurde in den Bewilligungen verlangt, dass die schweizerisch-vorarlbergische Beteiligung an der Oleodotto del
Reno S.A. 50 Prozent betragen müsse. Bis zur Stunde ist dieses Beteiligungsverhältnis allerdings noch nicht hergestellt. Auch dauert der von uns ebenfalls beanstandete Zustand, dass in Italien wohnende italienische Staatsangehörige die Einzelunterschriftsberechtigung für diese schweizerische Gesellschaft besitzen, immer noch an.

Nach der Annahme des Rohrleitungsartikels der Bundesverfassung am . S.März 1961 fand am 28.März zwischen einer Delegation des Bundesrates unter dem Vorsitz des Bundespräsidenten und Vertretern der Kantone St. Gallen, Graubünden, Tessin, Waadt und Wallis eine weitere Konferenz statt, die einer Klärung der Standpunkte von Bund und Kantonen diente. Zur Gewährleistung einer einheitlichen und strengen Aufsicht über die Bauarbeiten wurden diese

800

Kantone im September 1961 vom Vorsteher des Post- und Eisenbahndepartementes nochmals zu einer Konferenz eingeladen, an der auch die Eidgenössische Materialprüfungs- und Versuchsanstalt (EMPA) sowie die vom Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein (SIA) eingesetzte Kommission, welche technische Eegeln für Pipelines ausarbeitet, vertreten waren und an der man sich auf ein gemeinsames Vorgehen verständigte.

Zur Zeit ist die Bohrleitung auf dem Gebiete des Kantons St. Gallen fertig verlegt. Die Aufsicht über die Bauarbeiten besorgte das kantonale Baudepartement, dem für bestimmte Fragen - Qualität des Bohrmaterials, der Schweissungen, der Isolation, Aggressivität der durchfahrenen Böden - die EMPA zur Seite stand. Die Kontrolle.-stellte höhere Anforderungen, als es der internationalen Norm entspricht, und führte anfänglich zu zahlreichen Beanstandungen der Schweiss- und Isolationsarbeiten. Eine grosse Anzahl von Bundnähten musste wieder aufgeschnitten und neu geschweisst werden. In der Folge hat sich die Qualität der Arbeit beträchtlich gehoben.

Auf Gebiet des Kantons Graubünden werden gegenwärtig in der Via Malaund in der Bofflaschlucht zwischen Thusis und Sufers Stollen für die Aufnahme der Leitung ausgebrochen. Mit dem eigentlichen Leitungsbau ist hier noch nicht begonnen worden. Im Kanton Tessin hat der Grosse Bat am 13. Juli dieses Jahres die zahlreichen gegen die staatsrätliche Baubewilligung und Anerkennung des öffentlichen Nutzens der Leitung eingereichten Beschwerden abgewiesen. Verschiedene Gemeinden und Private haben jedoch gegen den betreffenden Grossratsbeschluss beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde oder staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Ferner wurden zwei Beschwerden an den Bundesrat gerichtet. Diese Verfahren sind zur Zeit noch hängig. Am 17. September 1962 wurden ausserdem bei der Staatskanzlei des Kantons Tessin die erforderlichen Unterschriften für eine Initiative eingereicht, die den Erlass eines kantonalen Eohrleitungsgesetzes bezweckt. Dieses würde die Kompetenz zur Bewilligung von Pipelines in die Hand des Grossen Bates legen und sieht eine rückwirkende Anwendung auf die Pipeline Genua-Süddeutschland vor.

In der Magadinoebene ist ein Teilstück der Leitung bereits verlegt, aber von den Behörden noch nicht abgenommen worden.

Am 25.November 1960 wurde die
«Oléoduc du Bhône S.A.» mit Sitz in Collombey-Muraz (Wallis) gegründet. Sie bezweckt die Erstellung und den Betrieb des schweizerischen Teilstü'cks der Bohrleitung, welche in der Po-Ebene von der Leitung Genua-Ostschweiz-Süddeutschland abzweigt, durch den Strassentunnel des Grossen St. Bernhard nach Collombey führt und die dort in fortgeschrittenem Baustadium befindliche Erdölraffinerie mit jährlich 2 bis 3 Millionen Tonnen Bohöl versorgen soll. Die in der unteren Bhoneebene begonnenen Bohrverlegungsarbeiten, die vom Kanton Wallis ebenfalls in Verbindung mit der EMPA beaufsichtigt wurden, mussten unterbrochen werden, weil sich das Bohrmaterial für Feldschweissungen als ungeeignet erwies. Gegenwärtig sind die Verlegungsarbeiten im Val d'Entremont und oberhalb Martigny im Gange.

801 Als Abwehr gegen die Konkurrenz, welche der Bheinschiffahrt und den Basler Häfen durch die im Bau befindlichen Eohrleitungen erwachsen könnte, gründeten die Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft am 18.Oktober 1960 zusammen mit mehreren Tankreedereien und Umschlagsfirmen für flüssige Treib- und Brennstoffe die «Eheinische Pipeline-Transport AG» mit Sitz in Basel. Ihr Zweck ist die Planung, der Bau und Betrieb von Eohrleitungsarilagen von den Eheinhäfen beider Basel und von oberhalb Basels am Ehein gelegenen Häfen nach den wichtigen Verbrauchszentren der Schweiz zur Beförderung von flüssigen Treib- und Brennstoffen.

Eine Gruppe von Mineralölgesellschaften, die zusammen heute gut die Hälfte unseres Landesbedarfes an flüssigen Brenn- und Treibstoffen decken, trägt sich mit dem Gedanken des Baues einer gemeinschaftlichen Eaffinerie möglichst im Schwerpunkt des Verbrauchs im schweizerischen Mittelland. Für ihre Versorgung mit Eohöl würde eine Verbindungsleitung zu der soeben fertiggestellten sogenannten Südeuropäischen Pipeline Marseille-Karlsruhe errichtet.

Nähere Einzelheiten hierüber liegen aber noch nicht vor.

Neben den geschilderten Bauvorhaben für Ölleitungen besteht ein Projekt für ein grossangelegtes Bohrleitungsnetz zur Verteilung von Erdgas, das im Endausbau l Milliarde m8, entsprechend dem Heizwert von annähernd l Million Tonnen Heizöl, zu befördern vermöchte. Nachdem sich die Verhandlungen über den Bezug von Erdgas aus Lacq in Südfrankreich zerschlagen haben, richten sich die Hoffnungen nun auf einen Anschluss an die riesigen Erdgasvorkommen in der nördlichen Sahara, sofern es nicht gelingt, in der Schweiz selber diesen modernen und sich steigender Wertschätzung erfreuenden Energiespender zu erbohren. Neuerdings ist auch von einem Projekt die Eede, nach welchem Erdgas aus dem Mittleren Osten mittels einer Pipeline nach Westeuropa und hier auch nach der Schweiz transportiert würde.

Schliesslich wird heute in verschiedenen Gegenden der Schweiz eine Bationalisierung der Stadtgasversorgung durch Konzentration der Gasproduktion in wenigen Werken und regionalen Zusammenschluss der Verteilnetze mittels Stadtgas-Fernleitungen geprüft.

III. Die Gesetzgebung über Rohrleitungsanlagen im Ausland In Frankreich sind je nach der Natur der Eohrleitung verschiedene Ordnungen anwendbar: Private
Eohrleitungen unterstehen dem gemeinen Eecht.

Der Erwerb der Durchleitungsrechte hat freihändig zu erfolgen. Eohrleitungen, die ein Erdölvorkommen mit einer Eaffinerie verbinden, unterstehen dem Bergrecht (code minier). Der Inhaber einer Ausbeutungskonzession erhält für den Transport der Produkte, die Gegenstand der Konzession bilden, bis zur Eaffinerie die gleichen Eechte, wie der Staat sie besitzt (Expropriationsrecht). Die Gesellschaft Trapil, die durch ein Gesetz vom 2. August 1949 mit dem Bau und Betrieb der Fertigproduktenleitung Le Havre-Paris betraut wurde, hat zu diesem Zweck das Expropriationsrecht übertragen erhalten. Der Staat, der an

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der Gesellschaft beteiligt ist, verfügt über ein ausgedehntes Aufsichts- und Mitspracherecht. Weitere Leitungen von allgemeinem Interesse (z.B. die Leitung Laverà bei Marseille-Strassburg-Karlsruhe) unterstehen einer im Finanzgesetz von 1958 und in einem Ausführungsdekret hierzu vom 16. Mai 1959 aufgestellten Ordnung. Danach wird der Bau einer Eohrleitung bewilligt durch ein Dekret, das auf Antrag des Treibstoffministers, mit Gegenzeichnung durch den Finanzund den Transportminister und mit Zustimmung des Staatsrates (Conseil d'Etat), erlassen wird. Die Erstellung der Leitung hat den Charakter öffentlicher Arbeiten. Durch das Bewilligungsdekret werden die Rechtsform und die Statuten des Bewilligungsinhabers genehmigt. Die Tarife sind genehmigungspflichtig.

In Italien fehlt bis heute eine gesetzliche Regelung für Pipelines. Wissenschaft und Rechtsprechung haben sich damit geholfen, dass sie die Rohrleitungen als röhrenförmige Lagerstätten für Öl qualifizieren, die nach Artikel 11 des Petroleumdekretes von 1933 einer staatlichen Bewilligung bedürfen. Wenn die Rohrleitungen für gemeinnützig erklärt werden, kann zu ihren Gunsten enteignet oder zwangsweise ein auf die Dauer der Bewilligung begrenztes Recht zur Benutzung fremder Grundstücke eingeräumt werden. Bis jetzt bestehen keine Leitungen, welche Transporte für Dritte ausführen. Das ausgedehnte italienische Erdgasnetz wird von staatlich beherrschten Gesellschaften betrieben. Ein seit Jahren anhängiger Pipeline-Gesetzesentwurf sieht unter anderem das Konzessionssystem, die Erteilung des Enteignungsrechtes an die Beliehenen und das Heimfallsrecht zugunsten des Staates nach Ablauf der auf höchstens 50 Jahre zu erteilenden Konzession vor.

In Österreich fehlt ebenfalls ein Pipelinegesetz. Ob das Handels- oder das Verkehrsministerium zur Antragstellung zuständig ist, steht noch nicht fest.

Ein Gesetzesentwurf des Handelsministeriums sieht die Konzessionspflicht vor.

Eine Konzession darf neben andern Voraussetzungen nur dann erteilt werden, wenn der «Konzessionsverleihung nicht Interessen der österreichischen Volkswirtschaft entgegenstehen». Der Abschluss einer Versicherung und deren Höhe kann zur Voraussetzung einer Konzessionserteilung gemacht werden. Das Enteignungsrecht wird auf Antrag des Pipelineunternehmens erteilt, sofern das Handelsministerium
festgestellt hat, dass der Betrieb der Leitung einer im öffentlichen Interesse gelegenen Versorgung der Bevölkerung oder der Wirtschaft dienen soll. Auf Grund der heutigen Rechtslage unterstehen die Leitungen, die vom Inhaber einer Bergrechtskonzession gebaut und betrieben werden, dem Bergrecht. Für andere Rohrleitungen gilt die allgemeine Gewerbeordnung.

In der Bundesrepublik Deutschland befürwortet ein im März 1960 erschienenes Gutachten des «Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesverkehrsministerium» über Mineralölfernleitungen die Einführung der Genehmigungspflicht, was unserer Konzessionspflicht entspricht. Ob das Grundgesetz dem Bund das Gesetzgebungsrecht auf dem Gebiete der Rohrleitungen erteilt, ist umstritten. Die Länder nehmen die Gesetzgebungskompetenz für sich in Anspruch, olone aber bisher besondere Bestimmungen erlassen zu haben.

803

In Grossbritannien bestehen auch noch keine besonderen Eechtsvorschriften für Pipelines (ausgenommen für militärische). Im Frühjahr 1962 wurde dem Parlament ein Entwurf zu einem Rohrleitungsgesetz unterbreitet. Er sieht unter anderem vor: Der Bau einer über 10 Meilen langen Leitung bedarf einer Konzession des Energieministers, auf deren Erteilung kein Eechtsanspruch besteht. Die lokalen Planungsstellen sind zum Projekt anzuhören. Der zuständige Minister kann, um eine unnötige Vielzahl von Parallelleitungen zu verhindern, eine bestimmte Mindestkapazität der Leitung als Voraussetzung zur Erteilung der Konzession vorschreiben. Das Enteignungsrecht kann sowohl für die mehr, wie für die weniger als 10 Meilen langen Leitungen beansprucht werden. Der Energieminister entscheidet über ein derartiges Gesuch nach freiem Ermessen. Er ist ferner befugt, die nötigen Sicherheitsbestimmungen zu erlassen, im Einzelfall auch bezüglich der unter 10 Meilen langen Pipelines.

In Spanien erklärt ein Gesetz vom Jahre 1958 die Schürfung, Ausbeutung, Lagerung und Raffinierung von Kohlenwasserstoffen wie auch deren Transport durch Pipelines als von öffentlichem Nutzen. Der Inhaber einer Ausbeutungskonzession besitzt das Enteignungsrecht.

In den Vereinigten Staaten von Amerika sind alle Naturgaspipelines dem Bundesrecht unterstellt (Naturai Gas Act). Für die übrigen Pipelines (mit Ausnahme der Wasser- und Stadtgasleitungen) findet das Bundesrecht (Interstate Commerce Act) nur Anwendung, wenn sie dem öffentlichen Verkehr dienen und mehrere Gliedstaaten berühren oder die Landesgrenze überschreiten. Die «Interstate Commerce Commission» übt auf Bundesebene die Oberaufsicht aus.

Die erfassten Pipelinegesellschaften haben die Transporttarife nach bestimmten Gesichtspunkten festzusetzen, zu veröffentlichen und einzuhalten. Sonderrabatte, Dividenden und Gewinne dürfen pro Jahr einen bestimmten Prozentsatz des Wertes der Investitionen nicht überschreiten. Der öffentliche Verkehrsträger ist zur Ausführung von Transporten für Dritte verpflichtet, selbst dann, wenn er seine eigenen Transportbedürfnisse einschränken muss. In allen bundesrechtlich nicht erfassten Fällen liegt die Gesetzgebungskompetenz bei den Gliedstaaten. Während einige Gliedstaaten in besonderen Fällen die Erteilung einer Konzession oder Bewilligung vorsehen, besteht
auf Bundesebene keine Konzessions- oder Bewilligungspflicht. In der Eegel werden die Durchleitungsrechte freihändig erworben. Auf Bundesebene kann nicht um das Expropriationsrecht nachgesucht werden. Es ist aber möglich, durch den Gliedstaat das öffentliche Interesse an einer Leitung feststellen zu lassen, worauf ein Enteignungsverfahren für die Durchleitungsrechte eingeleitet werden kann. Das Ziel der auf das Jahr 1906 zurückgehenden bundesrechtlichen Ordnung in den Vereinigten Staaten ist, eine Ausnützung der monopolistischen Stellung der Rohrleitungsgesellschaften zu verhindern.

In Kanada fallen die mehrere Gliedstaaten berührenden und die grenzüberschreitenden Rohrleitungen unter die Gesetzgebungskompetenz des Bundes.

Alle übrigen Pipelines unterstehen der Gesetzgebung der Provinzen. Sowohl die Bundes- wie die Provinzialgesetzgebung sehen ein Regime vor, das unserer

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Konzessionspflicht entspricht. In der Konzession kann auch die Transportpflicht verankert werden.

Die Exekutivkommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hat sich ebenfalls mit der Organisation des Pipelinetransportes befasst und hat an ' die Eegierungen der Mitgliedstaaten bestimmte Empfehlungen gerichtet. Sie kommt zum Schluss, dass sich eine Kontrolle von Bau und Betrieb der Pipelines aufdränge, und postuliert ein Bewilligungssystem (das allerdings eher dem schweizerischen Konzessionssystem entspricht) für alle ein gewisses Ausmass erreichenden Leitungen. Für die Rohöl- und Naturgaspipelines dränge sich die Notwendigkeit verkehrskoordinatorischer Massnahmen nicht auf, da die traditionellen Transportmittel hier nicht konkurrenzfähig seien, wohl aber für Produktenleitungen. Um monopolistischen Entwicklungen zu steuern, sollte die Pflicht, für Dritte im Rahmen des technisch Möglichen zu transportieren oder ihnen Anschlussleitungen zu gestatten, mit der Bewilligung verbunden werden.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass mit Ausnahme von Frankreich noch kein westeuropäisches Land eine besondere Pipelinegesetzgebung besitzt. Dabei ist zu beachten, dass die französische Regelung aus Regierungsdekreten besteht.

Abgesehen von Grossbritannien ist die Rohrleitungsgesetzgebung selbst in Ländern, wo grosse Pipelines bereits in Betrieb sind, wie in der Bundesrepublik, den Niederlanden und Italien, noch nicht bis zu Vorlagen ans Parlament gediehen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass nach den im Ausland, namentlich in Westeuropa bestehenden oder angestrebten Ordnungen der Entscheid über die Zulassung oder Nichtzulassung von Pipelines ziemlich übereinstimmend ins freie Ermessen der Behörden gelegt ist.

IV. Grundzüge des vorliegenden Gesetzesentwurfes

In der Botschaft zum Verfassungsartikel haben wir die Gründe dargelegt, die für eine bundesrechtliche Ordnung der Rohrleitungsanlagen sprechen. Durch Annahme des Verfassungsartikels haben Volk und Stände dieser Auffassung zugestimmt.

1. Vorgeschichte

Am 18. Juli 1961 unterbreitete das Post- und Eisenbahndepartement mit Zustimmung des Bundesrates den Kantonsregierungen und interessierten Organisationen der Wirtschaft den Vorentwurf zu einem Bundesgesetz über Rohrleitungsanlagen zur Beförderung flüssiger oder gasförmiger Brenn- oder Treibstoffe. Die überwiegende Mehrheit der Kantone stimmte dem Entwurf zu oder beantragte nur Änderungen in einzelnen Punkten. Kritischer äussertcn sich die Kantone, deren Gebiet von den bekannten Rohrleitungsprojekten berührt wird, sowie Freiburg. Sie beanstandeten namentlich die im Vorentwurf in Aussicht genommene Anwendung des Gesetzes auf die von ihnen bereits bewilligton Rohrleitungen. Zum Teil beanspruchten sie für sich auch gewisse Vollzugskom-

805 petenzen. Die Stellungnahmen der Wirtschaftsverbände bildeten einen Fächer mit den verschiedensten Auffassungen. Sie variierten von der Zustimmung mit geringfügigen Abänderungsanträgen bis zum Begehren auf völlige Neugestaltung des Gesetzesentwurfs. Zwischen den verschiedenen vertretenen Meinungen bestanden teilweise unüberbrückbare Gegensätze.

Bei dieser Sachlage erachtete es das Post- und Eisenbahndepartement als zweckmässig, eine Expertenkommission mit der Ausarbeitung von Vorschlägen im Lichte der eingegangenen Vernehmlassungen zu betrauen. Als Vorsitzender der Expertenkommission amtete Herr Bundesrichter Dr. K. Schoch, der im Jahre 1960 die ständerätliche Kommission für den Bohrleitungsverfassungsartikel präsidiert und die Vorlage im Ständerat vertreten hatte. Weiter gehörten der Kommission Vertreter der Rechtswissenschaft, der Kantone und der Wirtschaft an. Bei der Auswahl der Experten wurde darauf geachtet, dass möglichst alle kritisch eingestellten Kreise in der Kommission vertreten waren. In gegen zwanzig Sitzungen der Gesamtkommission und der von ihr gebildeten drei Subkommissionen war es schliesslich möglich, zu einer weitgehenden Verständigung zu gelangen. Die Kommission fasste ihre Beratungsergebnisse in Thesen zusammen, die hernach als Grundlage für die Umarbeitung des Gesetzesentwurfs dienten. Der Ihnen unterbreitete Entwurf hält sich fast durchgehend an diese Beratungsergebnisse.

2. Geltungsbereich

Entsprechend dem Verfassungsartikel bezieht sich der Gesetzeseritwurf nur auf Kohrleitungen zur Beförderung flüssiger und gasförmiger Brenn- und Treibstoffe. Er teilt diese Leitungen in drei Gruppen ein: 1. grosse Leitungen, die sämtlichen Bestimmungen des Gesetzes unterstehen, einer Konzession des Bundes bedürfen und vom Bund beaufsichtigt werden; 2. mittlere Leitungen, die im wesentlichen nur den Haftpflicht-, Versicherungs- und Strafbestimmungen des Gesetzes sowie den vom Bundesrat zu erlassenden Sicherheitsvorschriften unterstehen, im übrigen aber einer Bewilligung des Kantons bedürfen und vom Kanton beaufsichtigt werden ; 3. kleine Leitungen, auf die das Gesetz überhaupt nicht anwendbar ist.

Die Abgrenzung zwischen der ersten und der zweiten Gruppe soll nach einem technischen Kriterium erfolgen, das unter den Erläuterungen zu Artikel l des Gesetzesentwurfes (Abschnitt VI hiernach) dargelegt wird. Daselbst wird auch ausgeführt, was für Leitungen die dritte Gruppe umfassen soll.

3. Konzession, Beivilligung, Erlaubnis Über den Inhalt der Begriffe «Konzession» und «Bewilligung» bestehen in Doktrin und Praxis Meinungsverschiedenheiten. Die landläufige Auffassung sieht den Unterschied darin, dass eine Bewilligung erteilt werden müsse, wenn die im Gesetz umschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind, während die Ertei-

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lung einer Konzession dem freien Ermessen der Behörde anheimgegeben sei.

Eine andere Auffassung stellt darauf ab, ob die Zulassung einer Tätigkeit ausschliesslich von polizeilichen oder auch von wirtschaftspolitischen Voraussetzungen abhänge. Sie bezeichnet als Bewilligung die Zulassung einer Tätigkeit nach ausschliesslich polizeilichen Erwägungen und als Konzession die Zulassung auf Grund einer wirtschaftspolitischen Überprüfung. Danach hält sich das Bewilligungssystem im Eahmen der Handels- und Gewerbefreiheit, während das Konzessionssystern einen Eingriff in dieses Freiheitsrecht darstellt. Eine dritte Auffassung möchte den Begriff der Konzession auf diejenigen Fälle beschränken, in denen eine dem Staate als Monopol oder Eegal vorbehaltene Tätigkeit einem Privaten zur Ausübung überlassen wird. Eine vierte Auffassung schliesslich möchte von Bewilligung dann sprechen, wenn dem Privaten lediglich ein Eecht zur Ausübung einer Tätigkeit eingeräumt wird, ein Recht, das er nach Belieben ausüben oder nicht ausüben darf. Demnach wird-durch die Bewilligung nur negativ festgestellt, dass kein öffentliches Interesse (polizeilicher oder wirtschaftspolitischer Natur) der privaten Tätigkeit entgegensteht. Als Konzession möchte diese Auffassung die Zulassung einer Tätigkeit dann bezeichnen, wenn das öffentliche Interesse positiv die Ausübung dieser Tätigkeit erfordert, wenn demzufolge dem Privaten nicht nur Eechte eingeräumt werden, sondern wenn er auch Pflichten, gewissermassen eine öffentliche Aufgabe zu übernehmen hat.

Wichtiger als die Bezeichnung des staatlichen Hoheitsaktes ist jedoch die möglichst genaue Umschreibung der für seine Erteilung geltenden Voraussetzungen und die klare Beantwortung der Frage, ob beim Vorliegen der Voraussetzungen die Behörde lediglich die Möglichkeit der Erteilung hat oder ob dem Gesuchsteller ein Eechtsanspruch auf Erteilung zusteht. In dieser Erkenntnis schlägt die Expertenkommission eine abschliessende Aufzählung der Verweigerungsgründe vor, die wir in Artikel 3 des Gesetzesentwurfes weitgehend übernommen haben. Ist keiner dieser Verweigerungsgründe gegeben, so besteht ein Eechtsanspruch auf Zulassung der Leitung. Nach dem ersten der vorstehend aufgeführten Unterscheidungsmerkmale zwischen Konzession und Bewilligung würde es sich somit um eine Bewilligung handeln. Einzelne
der vorgesehenen Verweigerungsgründe haben polizeilichen, andere wirtschaftspolitischen Charakter. Damit würde es sich nach dem zweiten Unterscheidungsmerkmal um eine Konzession handeln. Nach dem dritten wiederum liegt eine Bewilligung vor, weil dem Gesetz kein staatliches Monopol für den Bau und Betrieb von Eohrleitungsanlagen zugrunde liegt. Nach dem vierten schliesslich müsste man von Konzession sprechen, denn den Eohrleitungsinhabern wird eine Pflicht zur Betriebsbereitschaft und eine Transportpflicht auferlegt. Bei dieser Sachlage schlug die Expertenkommission die Einführung eines neuen Begriffes, nämlich «Erlaubnis» («permission») vor.

Mit diesem Vorschlag, einen dritten Begriff «Erlaubnis» einzuführen, können wir uns jedoch nicht befreunden. Er trägt nicht nur nichts zur Klärung bei, sondern verstärkt die jetzt schon bestehende Begriffsverwirrung. Er ist auch nicht sehr passend für die Bezeichnung des hier geregelten Eechtsinstitutes. Er

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erweckt den irrigen Eindruck, es liege eine blosse Polizeierlaubnis vor, die dem Bohrleitungsinhaber nur Bechte einräume. Der Begriff der Erlaubnis würde es ermöglichen, einem Entscheid in der Streitfrage Bewilligungspflicht/Konzessionspflicht auszuweichen. Anderseits trägt er aber zu einer Bechtsverwirrung bei, die wir nicht fördern möchten. Es kommt weniger auf die Bezeichnung des Zulassungsaktes als auf eine klare Umschreibung der Voraussetzungen für die Zulassung einer Bohrleitung an. Bei der Grenzziehung zwischen Konzession und Bewilligung überwiegen unseres Erachtens diejenigen Unterscheidungsmerkmale, die auf die Möglichkeit einer Abweichung von der Handels- und Gewerbefreiheit und auf die Möglichkeit einer Auferlegung von Pflichten zugunsten der Allgemeinheit abstellen, so dass uns der Begriff der Konzession hier als zutreffender erscheint.

4. Enteignungsrecht Das Enteignungsrecht kann nur erteilt werden für Leitungen, die im öffentlichen Interesse liegen. Jede andere Ordnung würde sich mit der Eigentumsgarantie in Widerspruch setzen, denn ein Eingriff in private Bechte ist nur im öffentlichen Interesse zulässig. Demgegenüber kann die Konzession nach den in Artikel 3 aufgezählten Voraussetzungen auch erteilt werden, ohne dass die Erstellung der Leitung vom öffentlichen Interesse positiv gefordert wird. Eine automatische Verknüpfung des Enteignungsrechts mit der Konzession, wie dies beispielsweise im Eisenbahngesetz vorgesehen ist, kommt deshalb hier nicht in Frage. Vielmehr ist von Fall zu Fall zu entscheiden, ob das Expropriationsrecht erteilt werden könne. Da die kantonalen Enteignungsgesetze an das öffentliche Interesse unter Umständen weniger weitgehende Anforderungen stellen-als das Bundesrecht, ist es denkbar, dass in einem bestimmten Fall zwar nicht die Voraussetzungen für die Erteilung des eidgenössischen, wohl aber des kantonalen Enteignungsrechts gegeben sind. Dem Ersteller .einer Bohrleitung soll es deshalb freigestellt sein, ob er sich um die Einräumung des eidgenössischen oder des kantonalen Enteignungsrechts bewerben will. Wünscht er das eidgenössische, so hat er das entsprechende Begehren gleichzeitig mit dem Konzessionsgesuch zu stellen. An die Erteilung des Enteignungsrechts können nämlich bestimmte, vorn öffentlichen Interesse geforderte Bedingungen oder Auflagen geknüpft
werden. Der Entscheid über die Einräumung des Enteignungsrechts und gegebenenfalls über die daran zu knüpfenden Bedingungen und Auflagen soll gleichzeitig mit dem Entscheid über das Konzessionsgesuch getroffen werden, denn es muss verhindert werden, dass auf Grund der Konzession mit dem Bau der Bohrleitung begonnen wird und dadurch die Berücksichtigung allfälliger Projektänderungen, die im Zusammenhang mit der Erteilung des Enteignungsrechts verlangt werden müssen, verunmöglicht wird.

Für die Durchführung des eidgenössischen Enteignungsrechts sieht der Gesetzesentwurf ein wesentlich vereinfachtes Verfahren vor, das sich an die im Nationalstrassengesetz vom S.März 1960 (AS 1960, 525) getroffene Ordnung

808 anlehnt. So sind alle Einsprachen gegen die Enteignung schon im aufsichtsrechtlichen Plangenehmigungsverfahren anzubringen. Ein besonderes enteignungsrechtliches Einspracheverfahren erübrigt sich dadurch, und das Enteignungsverfahren kann sich auf die Behandlung der angemeldeten Forderungen nach Artikel 30, Absatz l, Buchstabe c des Enteignungsgesetzes vom 20. Juni 1930 (BS 4,1133) beschränken. Dieses vereinfachte Verfahren kommt allerdings nur für Leitungen mit Bundeskonzession und mit eidgenössischem Enteignungsrecht in Frage. Wird für eine Leitung mit Bundeskonzession das kantonale Expropriationsrecht najhgesucht und erteilt, so richtet sich das Enteignungsverfahren nach dem betreffenden kantonalen Gesetz. Wird umgekehrt für eine Leitung mit kantonaler Bewilligung das eidgenössische Enteignungsrecht nachgesucht, was an sich nicht unzulässig ist, so richten sich die Voraussetzungen für die Erteilung desselben und das Verfahren nicht nach dem Rohrleitungsgesetz, denn die betreffenden Bestimmungen desselben sind auf Leitungen mit kantonaler Bewilligung nicht anwendbar, sondern nach dem Bundesgesetz über die Enteignung.

5. Haftpflicht und Versicherung Alle motorisch betriebenen Transportmittel unterstehen in der Schweiz wegen der besonderen Gefahren, die ihnen innewohnen, einer verschärften Haftung. Für die Eisenbahnen, Motorfahrzeuge, Luftfahrzeuge, ja nicht zuletzt auch für die elektrischen Leitungen gilt der Grundsatz der Kausalhaftung. Die Bohrleitungen bringen ebenfalls ihre spezifischen Gefahren mit sich. Bei den Ölleitungen ist es die Gefahr einer Verunreinigung ober- oder unterirdischer Gewässer, wobei unter Umständen ganze Trinkwasserversorgungen unbrauchbar werden können. Bei den Gasleitungen ist es die Gefahr, dass austretendes Gas mit der Umgebungsluft ein explosives Gemisch bildet, das sich durch den geringsten äusseren Anlass entzünden und, besonders wenn es in Gebäude eingedrungen ist, Verwüstungen anrichten kann. Nach nordamerikanischen Statistiken muss selbst bei neueren Pipelines pro 100 km Leitungslänge im Durchschnitt alle drei Jahre mit einem Leck gerechnet werden. Es erscheint daher gerechtfertigt, auch die Rohrleitungsanlagen für flüssige und gasförmige Brennund Treibstoffe einer Kausalhaftung mit nur beschränkten Entlastungsmöglichkeiten zu unterstellen. Da ausserdem
damit gerechnet werden muss, dass die entstehenden Schäden unter Umständen die finanzielle Leistungsfähigkeit der Eohrleitungsinhaber übersteigen, ist auch ein Versicherungs- bzw. Sichorstellungsobligatorium in Aussicht zu nehmen. Für die Einzelheiten der vorgeschlagenen Eegelung verweisen wir auf die Erläuterungen zu den betreffenden Gesetzesartikeln.

6. Das Übergangsrecht

Die Anwendung neuer Gesetze auf bestehende Rechtsverhältnisse wird gewöhnlich als Rückwirkung bezeichnet. Dabei muss man jedoch unterscheiden, ob das neue Gesetz in die Vergangenheit zurückwirkt, in der Vergangenheit

809 liegende Rechtsverhältnisse rückwirkend anders regelt, oder ob es Rechtsverhältnisse, die in der Vergangenheit begründet wurden, lediglich vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an, d.h. für die Zukunft, neu ordnet. Diese letztere Art der Anwendung neuer Gesetze auf bestehende Rechtsverhältnisse lässt sich oft nicht vermeiden. Unter bestimmten Voraussetzungen darf ein neues Gesetz in bestehende Rechtsverhältnisse eingreifen, nämlich dann, wenn der Eingriff durch wichtige öffentliche Interessen gefordert wird und wenn ihm nicht andere, noch wichtigere Interessen entgegenstehen. Geht ein notwendiger Eingriff in bestehende Rechte ausnahmsweise so weit, dass er den Tatbestand einer materiellen Enteignung im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erfüllt, so schuldet der Staat dem Betroffenen eine Entschädigung.

In Anwendung dieser Grundsätze erklärt der Entwurf in seinen Übergangsbestimmungen zunächst, dass das Gesetz vom Zeitpunkt des Inkrafttretens an, d.h. also für die Zukunft, unter gewissen Vorbehalten auch Anwendung finde auf Rohrleitungsanlagen, die sich im Bau oder Betrieb befinden. Durch diese Vorbehalte werden die durch kantonale Bewilligung oder Konzession begründeten wohlerworbenen Rechte in dem Sinne anerkannt, dass erstens für die betreffenden Leitungen keine Bundeskonzession eingeholt werden muss, dass zweitens die bestehenden Rechte und Pflichten gestützt auf das neue Gesetz nur aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses zuungunsten des Rohrleitungsinhabers abgeändert werden dürfen und dass drittens ein Anspruch auf Entschädigung eingeräumt wird, sofern ein Eingriff in seiner Wirkung einer Enteignung gleichkäme. Von der Rechtswissenschaft bisher unternommene Versuche, die Voraussetzungen eines solchen Entschädigungsanspruches zu umschreiben, haben sich als unmöglich erwiesen. Es besteht hierüber aber eine umfangreiche und ausgewogene Praxis des Bundesgerichts, so dass dieses im Einzelfall auch ohne nähere Anweisungen des Gesetzgebers in Anlehnung an die bisherige Praxis in der Lage sein wird, den allen Gesichtspunkten Rechnung tragenden Entscheid zu treffen. Dabei wird es auch darüber zu befinden haben, ob eine allfällige Entschädigung vom Bund, der den Eingriff vornimmt, oder vom Kanton, wenn dieser in letzter Stunde vor der Schaffung der Bundeskompetenz über
Rohrleitungsanlagen noch Rechte eingeräumt hat, zu leisten ist.

Die Expertenkommission wählte einen etwas anderen Weg für die Regelung des Übergangsrechts. Sie schlug vor, zunächst die durch kantonale Bewilligung oder Konzession begründeten wohlerworbenen Rechte anzuerkennen, um alsdann die Bestimmungen des Gesetzes, die auf bestehende Rohrleitungsanlagen anwendbar sein sollen, einzeln aufzuzählen. Eine nähere Betrachtung der nicht anwendbar erklärten Bestimmungen ergibt jedoch, dass es sich hier in der Hauptsache um solche handelt, die für bestehende Leitungen gegenstandslos sind, wie z.B. die Bestimmungen über die Konzessionierungsvoraussetzungen, das Konzessionierungs- und Plangenehmigungsverfahren, über die Enteignung, den Bau usw. Ihre Nichtanwendbarerklärung führt aber möglicherweise zu Unklarheiten, denn der Inhaber einer bestehenden Leitung will diese nachträglich unter Umständen umbauen oder auf gewissen Teilstrecken verlegen, so dass dann doch

810 wieder die Vorschriften über die Plangenehmigung, den Bau, vielleicht auch die Expropriation anwendbar sein müssen.

Weiter sah die Expertenkommission in den Übergangsbestimmungen vor, das Departement könne im Eahmen des vorliegenden Gesetzes ohne Entschädigungspflicht Massnahmen anordnen, die dazu bestimmt sind, ein sicherheitstechnisches Ungenügen der Anlagen zu beheben, wobei diese Massnahmen in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen müssen. Diese Bestimmung wäre aber zu eng. Zwingende Gründe des öffentlichen Interesses können auch andere Anordnungen als nur solche sicherheitspolizeilicher Natur gebieten. Man denke an die Erfordernisse der Landesverteidigung, der Unabhängigkeit und Neutralität des Landes und ähnliche. Wir haben deshalb auf die Übernahme dieses Vorschlages der Expertenkommission zugunsten des allgemeiner gefassten unseres Entwurfes verzichtet.

In bezug auf die Einzelheiten des Übergangsrechts verweisen wir auf die Erläuterungen zu den Artikeln 48 bis 50 hiernach.

7. Technische Vorschriften Auf anderen Gebieten, so namentlich im Elektrizitätsrecht, hat es sich sehr bewährt, dass die für den Bau und Betrieb massgebenden technischen Vorschriften nicht im Gesetz selber aufgestellt, sondern in Verordnungen des Bundesrates verwiesen wurden. Es ermöglicht dies die laufende Anpassung der Vorschriften an die zu erwartende rasche technische Entwicklung. Auf Anregung unseres Post- und Eisenbahndepartementes hat der Schweizerische Ingenieurund Architektenverein eine Kommission von Fachleuten eingesetzt, welche unter dem Vorsitz von Herrn Dipl. Ing. W. Bänninger, Direktor der Elektrowatt, technische Vorschriften für den Bau und Betrieb von Eohrleitungsanlagen ausarbeitet. Selbstverständlich wird den interessierten Behörden und wirtschaftlichen Organisationen noch Gelegenheit geboten, sich zum Entwurf dieser Vorschriften zu äussern. Es besteht die Absicht, sie nach Inkrafttreten des Eohrleitungsgesetzes in eine bundesrätliche Ausführungsverordnung zu übernehmen.

V. Die Verfassungsmässigkeit des Gesetzesentwurfes

Nach Artikel 43 des am I.Dezember 1962 in Kraft tretenden neuen Geschäftsverkehrsgesetzes vom 23.März 1962 (AS 1962, 773) haben sich die Botschaften zu Gesetzesentwürfen auch über die Verfassungsmässigkeit dieser Entwürfe auszusprechen. Die verfassungsrechtliche Grundlage des vorliegenden Gesetzesentwurfes bildet der am 5.März 1961 angenommene Bohrleitungsartikel (Art. 26Ws) der Bundesverfassung. Daneben werden im Ingress des Gesetzesentwurfes aber auch die Verfassungsartikel 23 als Grundlage für die Vorschriften über das Enteignungsrecht, 24iuater als solche für die in Artikel 51 des Gesetzesentwurfes vorgesehene Änderung des Gewässerschutzgesetzes, 64 als

811 Grundlage für die zivilrechtlichen und 64bls als Grundlage für die strafrechtlichen Bestimmungen angerufen. Was namentlich die Frage der Verfassungsmässigkeit der in Artikel 3 des Gesetzesentwurfes vorgesehenen nicht rein polizeilichen Voraussetzungen für die Konzessionserteilung anbetrifft, haben wir schon in der Botschaft zum Verfassungsartikel ausgeführt, dass der gewählte Wortlaut auch die Möglichkeit einer Abweichung von der Handels- und Gewerbefreiheit einräume. Der Bohrleitungsartikel ist gleich redigiert wie die Verfassungsartikel über das Eisenbahnwesen, die'Schiffahrt, die Luftschiffahrt und die Atomenergie. In allen diesen Fällen war es nie zweifelhaft, dass die Verfassung dem Gesetzgeber nicht nur die Möglichkeit einer polizeilichen Begelung der betreffenden Materie, sondern auch das Eecht einräumt, die Konzessionspflicht einzuführen.

In der Botschaft zum Atomenergieartikel wie auch in derjenigen zum Bohrleitungsartikel wurde dies ausdrücklich festgehalten (BB1 1957, I, 1157 bzw.

BB1 1960, II, 757 f.), und es ist in der parlamentarischen Diskussion unbestritten geblieben.

VI. Erläuterungen der einzelnen Bestimmungen Artikel l umschreibt den sachlichen Geltungsbereich des Gesetzes. Der in der Verfassungsbestimmung enthaltene Begriff der «flüssigen oder gasförmigen Brenn- oder Treibstoffe» bedarf einer Erläuterung. Eine abstrakte Definition erweist sich aber als unmöglich. Absatz l erwähnt die beiden hauptsächlich in Frage kommenden Stoffe, nämlich Erdöl und Erdgas, und überlässt es im übrigen zur Ermöglichung einer raschen Anpassung an geänderte Verhältnisse der Vollziehungsverordnung, die weiteren Brenn- und Treibstoffe, die unter das Gesetz zu fallen haben, zu umschreiben.

Das Gesetz soll nicht nur auf die eigentlichen Bohrleitungen, sondern auch auf die für ihren Betrieb notwendigen oder doch zweckmässigen Pump- und Kompressorenstationen, Druckreduzier- und Abzweigstationen, Ausgleichstanks, unterirdischen Speicher (insbesondere für Erdgas) und dergleichen anwendbar sein. Sie bilden mit der Bohrleitung zusammen eine technische und wirtschaftliche Einheit.

Die Absätze 2 und 3 von Artikel l unterscheiden zwei Kategorien von Leitungen: Solche, die sämtlichen Bestimmungen des Gesetzes unterstehen, und solche, auf die nur einzelne Bestimmungen zur Anwendung kommen (vgl. auch die
Ausführungen unter Abschnitt IV, 2 hievor). Zur ersten Kategorie (Abs. 2) gehören zunächst einmal die grösseren Leitungen, die eigentlichen Pipelines (Buchstabe a). Nach dem Vorschlag der vom Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein eingesetzten Kommission, welche technische Begeln für den Bau von Bohrleitungsanlagen ausarbeitet, beabsichtigen wir, die Umschreibung dieser grösseren Leitungen wie folgt vorzunehmen: Leitungen, bei denen der höchste im normalen Betrieb auftretende Druck 5 kg/cm2 und bei denen zugleich das Produkt aus Aussendurchmesser (in cm) und diesem Druck (in kg/cm2) den Wert 200 (kg/cm) übersteigt. Diese technische Formel, die übrigens

812 auch von der Expertenkommission als geeignetes Abgrenzungskriterium betrachtet wird, eignet sich jedoch nicht zur Aufnahme ins Gesetz. Ihre Verweisung in die Vollziehungsverordnung ist auch angezeigt, um eine auf Grund der Erfahrungen später sich allenfalls als notwendig erweisende Ausdehnung oder Einschränkung ohne Änderung des Gesetzes vornehmen zu können. Leitungen, welche die Landesgrenze kreuzen, sollen auch dann voll dem Bundesgesetz und der Bundesaufsicht unterstehen, wenn sie dieses technische Kriterium nicht erfüllen (Buchstabe fe). Eine Ausnahme kann gemacht werden zugunsten der Verteilleitungen für Stadtgas im engeren Wirtschaftsgebiet des Gasversorgungsuntern ehmens. Solche grenzüberschreitende Gasleitungen bestehen seit Jahrzehnten an verschiedenen Orten. Sofern sie jedoch unter den Begriff der grossen Leitungen gemäss Buchstabe a fallen, sollen sie selbstverständlich voll dem Gesetz unterstehen.

Für die kleineren Leitungen, die nicht von Absatz 2 erfasst werden, verweist Absatz 3 auf den IV. Abschnitt des Gesetzes, der die für sie geltende Ordnung enthält. Das Wesentliche ist, dass sie einer Bewilligung des Kantons bedürfen und der Aufsicht des Kantons unterstehen.

Absatz 4 von Artikel l schliesslich gibt dem Bundesrat die Möglichkeit, von der er selbstverständlich Gebrauch machen wird, Leitungen von geringer Länge, beispielsweise solche, die Bestandteil einer Tankanlage bilden, vom Gesetz auszunehmen. Die Gesetzgebungshoheit des Bundes erstreckt sich nicht auf die Tanks. Das vorliegende Gesetz kann sich mit ihnen nur befassen, soweit sie für den Betrieb der Eohrleitung notwendig oder mindestens zweckmässig sind.

Soweit der Tank die Hauptsache, die Eohrleitung nur ihm zudienende Nebensache ist, kann er dem Kohrleitungsgesetz nicht unterstellt werden. Es wäre in diesem Fall aber auch nicht gerechtfertigt, die kurze ihm dienende Eohrleitung, die viel weniger Gefahren in sich birgt als der Tank selber, der verschärften Haftpflicht und dem Versicherungsobligatorium des Eohrleitungsgesetzes zu unterstellen. Die Fälle, in denen solche einer andern Einrichtung dienende, nur kurze Bohrleitungen vom Gesetz ausgenommen werden können, sind so vielgestaltig, dass es sich ebenfalls als zweckmässig erweist, im Gesetz lediglich eine bestimmte Eichtlinie aufzustellen und die nähere Umschreibung
in die Vollziehungsverordnung zu verweisen. Damit die vom Gesetz ausgenommenen Leitungen mit Bezug auf den Schutz ober- und unterirdischer Gewässer dennoch einer gesetzlichen Eegelung unterstehen, soll durch die Übergangsbestimmungen (Art. 51) das Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung eine entsprechende Ergänzung erfahren.

Wie aus dem Gesagten hervorgeht, überlässt das Gesetz es dem Bundesrat, die Einzelheiten der Abgrenzung der verschiedenen Kategorien von Bohrleitungen voneinander festzulegen. Da sich diese Abgrenzung nicht aus der Natur der Sache ergibt, sondern weitgehend Ermessensfrage ist, erscheint es als zweckmässig, allfällige Anstände über die Frage, welcher Kategorie eine bestimmte Eohrleitung zugehört, ebenfalls durch den Bundesrat entscheiden zu lassen (Abs. 5).

813 Artikel 2 statuiert die Konzessionspflicht für Bau und Betrieb von Rohrleitungsanlagen. Dass diese Tätigkeit nicht einfach unter Auferlegung bestimmter polizeilicher Vorschriften freigegeben werden kann, sondern eines staatlichen Zulassungsaktes bedarf, ist unbestritten. Der Streit geht lediglich um die Frage, ob die Bewilligungspflicht oder die Konzessionspflicht die angemessene Lösung sei. Hiefür verweisen wir auf die Ausführungen über «Konzession, Bewilligung, Erlaubnis» unter Abschnitt IV, 3 hievor.

Artikel 3 zählt die Gründe, die zur Verweigerung der Konzession oder zur Aufnahme einschränkender Bestimmungen in dieselbe führen können, abschliessend auf. Buchstabe a bis d entsprechen wörtlich den Vorschlägen der Expertenkommission.

Buchstabe a erwähnt neben rein polizeilichen Gründen im engeren Sinn (Gefahr für die Sicherheit von Personen und Sachen, für die Eeinheit der Gewässer) auch die Gefahr einer wesentlichen Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes.

Buchstabe b verlangt eine Rücksichtnahme auf bestehende und geplante öffentliche Werke. Zu denken ist hier an Strassen, Eisenbahnen, Flugplätze, öffentliche Hochbauten, Kraftwerke mit den zugehörigen Stauseen und Druckleitungen, nicht zuletzt aber auch an militärische Anlagen usw. Unter geplanten Werken sind nur solche zu verstehen, die schon eine gewisse Konkretisierung erfahren haben und mit deren Verwirklichung mit einiger Wahrscheinlichkeit gerechnet werden kann. Es genügt nicht, dass über ein solches Werk nur vage Vorstellungen bestehen. Mit der «Störung» eines öffentlichen Werkes sind lediglich räumliche Kollisionen gemeint, nicht wirtschaftliche Störungen, die beispielsweise dadurch entstehen können, dass einer Eisenbahn Verkehr entzogen wird.

Buchstabe c verlangt eine Berücksichtigung der Bedürfnisse der Orts- und Regionalplanung, die nicht durch die Erstellung von Rohrleitungen durchkreuzt werden sollen.

Buchstabe d dient der Wahrung der aussenpolitischen Interessen des Landes.

Die Erwähnung der Sicherheit des Landes besagt, dass die Rohrleitungsanlagen keinerlei Einrichtungen oder Massnahmen der Landesverteidigung beeinträchtigen dürfen. Die Unabhängigkeit und Neutralität der Schweiz können beispielsweise betroffen sein, wenn eine Leitung militärischen Zwecken einer einzelnen Mächtegruppe zugute kommt. Eine dem
Gesamtinteresse des Landes widersprechende wirtschaftliche Abhängigkeit kann sich ergeben, wenn eine Rohrleitung zu einer Verlagerung des Grossteils der Bezüge einer bestimmten Ware auf ein einzelnes Land führt.

Buchstabe e verweist auf die Nationalitätsanforderungen von Artikel 4, deren Erfüllung ebenfalls eine Voraussetzung für die Konzessionserteilung ist.

Buchstabe / enthält eine Generalklausel, eine Art Sicherheitsventil, um andern, im einzelnen nicht umschreibbaren oder voraussehbaren unerwünschten Folgen einer Rohrleitung begegnen zu können. Die Aufnahme einer solchen Generalklausel ins Gesetz war in der Expertenkommission ausserordentlich umBundeablatt. 114. Jahrg. Bd. II.

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814 stritten. Die Kommission stimmte schliesslich einer Bestimmung folgenden Wortlauts zu : «f) wenn die Leitung keinen Vorteil für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes oder eines einzelnen Landesteils verspricht, oder wenn andere zwingende Gründe des öffentlichen Wohls entgegenstehen und diese Gründe eindeutig höher zu werten sind als das Landesinteresse an einem möglichst weitgehenden freien Wettbewerb auf dem Bnergiemarkt und in der Verkehrswirtschaft.» Diese Formulierung impliziert derart weitgehende, aber auch sich widersprechende Zielsetzungen, dass wir ihr nicht zustimmen können. Einerseits geht es zu weit, wenn die Zulassung ausschliesslich vom Vorliegen allgemein wirtschaftlicher Vorteile abhängig gemacht wird und damit das Vorliegen bloss einzelwirtschaftlicher Vorteile keine Berücksichtigung findet. Anderseits unterstellt der zweite Teil der Kommissionsthese eine wirtschaftspolitische Zielsetzung, die vor allem auf dem Gebiete des Verkehrs, zum Teil aber auch in der Energiewirtschaft, in einem gewissen Widerspruch zur Wirklichkeit steht. Die Kommission war sich weitgehend einig, dass-ausser den unter den vorhergehenden Buchstaben von Artikel 3 aufgezählten Gründen auch andere vorliegen können, die im öffentlichen Interesse zu einer Ablehnung der Rohrleitung führen müssen. Die in der Kommission geäusserte Befürchtung, die Bohrleitungen könnten bei einem allgemein formulierten Vorbehalt des öffentlichen Interesses aus energie- oder verkehrspolitischen Rücksichten allzusehr behindert werden, ist jedoch nicht gerechtfertigt. Wir haben bereits im ersten Abschnitt der Botschaft darauf hingewiesen, dass die schweizerische Energiewirtschaft trotz des starken Ausbaues unserer Wasserkräfte zu weit überwiegenden Teilen auf die Einfuhr von Brenn- und Treibstoffen angewiesen ist. Es liegt im Interesse unseres Landes, wenn die Versorgung mit diesen Energieträgern reichlich und zu vorteilhaftesten Bedingungen erfolgt. Eine restriktive Konzessionierungspolitik widerspräche diesen Eiteressen. Auch die Erfordernisse der Verkehrskoordination können nicht so verstanden werden, dass die Entwicklung eines neuen Verkehrsträgers, die sich als unaufhaltsam und gesamtwirtschaftlich richtig erweist, gehemmt werden sollte. Wir sind deshalb der Auffassung, dass eine einfache Formulierung des allgemein
wirtschaftlichen Vorbehalts durchaus genügt.

Mit den Worten «zwingende Gründe des öffentlichen Interesses» wird deutlich genug zum Ausdruck gebracht, dass sich die Konzessionsbehörde bei der Anwendung dieser Bestimmung Zurückhaltung aufzuerlegen hat.

Als weitere Voraussetzung für die Zulassung einer Rohrleitungsanlage nannte die Expertenkommission noch die Übernahme der Verpflichtung durch den Gesuchsteller, im Rahmen des technisch Möglichen und des wirtschaftlich Zumutbaren Transporte für Dritte auszuführen. Es scheint uns jedoch richtiger, diese Verpflichtung nicht als Konzessionsvoraussetzung, sondern als eine gesetzliche Pflicht der Rohrleitungsunternehmen auszugestalten (Art. 13).

Absatz 2 von Artikel 3 bringt zum Ausdruck, dass die vorangehende Aufzählung der Konzessionsverweigerungsgründe abschliessend ist, und dass aus

815 anderen Gründen eine Konzession weder abgelehnt noch mit einschränkenden Bestimmungen versehen werden kann. Hierzu drängt sich jedoch der Vorbehalt auf, dass Bedingungen und Auflagen, die dem Vollzug der übrigen Tîundesgesetzgebung dienen, möglich sein müssen. Wir denken dabei z.B. an die Auferlegung der Pflicht des Konzessionärs, bei grenzüberschreitenden Leitungen die von der Zollverwaltung als nötig bezeichneten Eäumlichkeiten und Einrichtungen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen und zu unterhalten, an Auflagen, durch welche eine Behinderung der späteren Schiffbarmachung hiefür vorgesehener Gewässerstrecken vermieden werden soll, an Auflagen, die der Wahrung des Telegraphen- und Telephonregals des Bundes dienen, an Auflagen im Interesse des Vollzuges des Kriegsvorsorgegesetzes usw.

Artikel 4 entspricht wörtlich dem Vorschlag der Expertenkommission. Es liegt ihm folgende Überlegung zugrunde. Wird eine Kohrleitungsunternehmung kapitalmässig von einer ausländischen Gesellschaft beherrscht, so besitzt die betreffende ausländische Eegierung das Eecht, dieser Unternehmung gegenüber der Eegierung des Staates, in dem die Leitungsunternehmung tätig ist, ihren diplomatischen Schutz angedeihen zu lassen. Um solche immer unerwünschte ausländische Interventionen zugunsten von Unternehmungen, die in der Schweiz Eohrleitungen betreiben, im vorneherein auszuschliessen, verlangt Artikel 4, Absatz l eine schweizerische Kapitalmehrheit. Absatz 2 schafft die Möglichkeit einer gewissen Lockerung dieser strengen Anforderungen, wenn mehrere ausländisch beherrschte Unternehmen, die verschiedenen Staaten angehören, sodass keine einseitige Abhängigkeit besteht, gemeinsam eine Leitung bauen wollen.

In Artikel 5 stellte sich die Frage, ob das Post- und Eisenbahndepartement zum Entscheid über die Konzessionsgesuche zuständig erklärt und gegen seine Entscheide die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht vorgesehen werden solle. Das hat sich jedoch aus verschiedenen Gründen als praktisch nicht durchführbar erwiesen. Beim Entscheid sind in weitgehendem Masse auch Fragen zu beurteilen, die in der Zuständigkeit anderer Departemente liegen: Prägen der Unabhängigkeit und Neutralität (Politisches Departement), des Gewässerschutzes (Departement des Innern), der Sicherheit des Landes (Militärdepartement), der
wirtschaftlichen Abhängigkeit (Volkswirtschaftsdepartement) usw. Im Falle von Differenzen in der Beurteilung eines Gesuches durch die verschiedenen Departemente hätte dann doch der Bundesrat entscheiden müssen.

Auch wenn der formelle Entscheid vom Post- und Eisenbahndepartement ausgegangen wäre, so hätte eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde alsdann materiell zur Folge gehabt, dass das Bundesgericht über einen Entscheid des Bundesrates zu befinden hätte. Abgesehen davon hätte es das Bundesgericht mit Eecht abgelehnt, beispielsweise die Frage zu entscheiden, ob eine Konzession aus Gründen der Unabhängigkeit und Neutralität des Landes habe abgelehnt oder mit Bedingungen und Auflagen habe versehen werden dürfen. Die Verantwortung für die Beurteilung aussenpolitischer Fragen darf nicht zwischen Bundesrat und Bundesgerieht aufgespalten werden. Schliesslich kommt noch dazu, dass über die Erteilung des Enteignungsrechts unter allen Umständen der Bundesrat be-

816 finderi soll. Wäre das Departement Konzessionsbehörde, so hätten zwei verschiedene Instanzen über die Erteilung der Konzession und die Erteilung des Enteignungsrechts für eine und dieselbe Leitung zu urteilen. So blieb nur dio Lösung, den Entscheid über die Konzessionsgesuche in die Hand des Bundesrates zu legen.

In Artikel 6 bedarf lediglich der zweite Satz von Absatz l einer Erläuterung.

Die Erteilung, des Enteignungsrechts ist nur möglich, wenn die Leitung im öffentlichen Interesse liegt (vgl. Art. 10). Zur Wahrung dieser öffentlichen Interessen müssen deshalb unter Umständen an die Erteilung des Enteignungsrechts noch andere Bedingungen geknüpft werden als diejenigen, die nach Artikel 8 mit der Erteilung der Konzession verbunden werden können. So ist es denkbar, dass eine Leitung nur dann als im öffentlichen Interesse liegend betrachtet werden kann, wenn zur Ermöglichung von Transporten für Dritte eine etwas andere Linienführung oder ein grösserer Durchmesser als im Projekt vorgesehen gewählt wird. Es müss deshalb verhindert werden, dass mit dem Bau der Leitung in der projektierten Form begonnen und das Begehren um Erteilung des Enteignungsrechts erst später gestellt wird, denn dadurch würde der Entscheid über die mit dem,Enteignungsrecht zu verbindenden Bedingungen unter Umständen in unzulässiger Weise präjudiziert. Um dem Bundesrat zu ermöglichen, den Entscheid über das Enteignungsrecht in völliger Freiheit zu treffen, schreibt Artikel 6 'infolgedessen vor, dass das Begehren um Erteilung des Enteignungsrechts gleichzeitig mit dem Konzessionsgesuch zu stellen sei.

Artikel 7. Um dem Leitungsinhaber in allen Fällen zu ermöglichen, die Anlagen während der Dauer der Konzession abzuschreiben, wurde eine Verhältnismassig lange Maximaldauer, nämlich 50 Jahre, vorgesehen. Es soll dies auch den Industrien, die zum Brennstoffbezug an eine solche Leitung angeschlossen werden, ein Disponieren auf längere Sicht gestatten. Nach Ablauf der Geltungsdauer ist eine Erneuerung der Konzession natürlich immer möglich, wenn dann die Voraussetzungen für die Erteilung noch erfüllt sind.

Artikel 9. Es besteht ein öffentliches Interesse daran, dass Konzessionen, die nicht innert bestimmter, in der Konzession selbst festzusetzender Frist ausgenutzt werden, verfallen (Abs. l, Buchstabe o). Diese Fristen können
verlängert werden, wenn ihre Einhaltung aus triftigen Gründen nicht möglich war. Desgleichen soll die Konzession aufgehoben werden können, wenn der Betrieb längere Zeit eingestellt war (Abs. 2, Buchstabe d). Musste der Betrieb aber unabhängig vom Willen des Konzessionärs eingestellt werden, beispielsweise weil infolge internationaler Verwicklungen kein öl zur Beförderung in der Leitung erhältlich war, so soll die Aufhebung der Konzession natürlich unterbleiben. Die anderen Beendigungsgründe des Artikels 9 scheinen uns keiner Erläuterung zu bedürfen.

Absatz 3 ist der entsprechenden Bestimmung im Bundesgesetz vom 28. Dezember 1959 über die friedliche Verwendung der Atomenergie und den Strahlenschutz (Art. 9, Abs. 5; AS 1960, 541) nachgebildet. Im Streitfalle entscheidet das Bundesgericht nach Artikel 110 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1948

817 über die Organisation der Bundesrechtspflege (BS 3, 531), was unseres Er'achtens im Gesetz nicht gesagt zu werden braucht.

Artikel 10.'Mit Bezug auf das Bnteignungsrecht verweisen wir auf unsere Ausführungen unter Abschnitt IV, 4 sowie zu Artikel 6 hievor.

Artikel 11. Der Sinn von Artikel 26bls der Bundesverfassung und des vorliegenden Gesetzesentwurfes ist es, den Bund über die Zulassung von Eohrleitungen entscheiden zu lassen. Diese Kompetenzübertragung auf den Bund wird aber illusorisch, wenn die Kantone die Möglichkeit haben, den Bau einer Leitung, die der Bund konzessioniert hat, durch Verweigerung der Kreuzung mit öffentlichen Verkehrswegen zu verhindern. Artikel 11 verknüpft daher mit der Konzession einen Anspruch auf Kreuzung von Verkehrs wegen. Gegenüber den Eisenbahnen besteht ein solcher Anspruch schon auf Grund von Artikel 31 des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957 (AS 1958, 335). In Abweichung von der dortigen Eegelung halten wir aber dafür, dass die Bahnunternehmung in allen Fällen Anspruch auf eine Vergütung für die Benützung ihres Eigentums durch die Eohrleitungsanlage haben soll.

Artikel 12. Da die Eohrleitungsinhaber verpflichtet sind, unter gewissen Voraussetzungen auch Transporte für Dritte durchzuführen (Art. 13), sind die Eohrleitungsanlagen dauernd in betriebsbereitem Zustand zu erhalten.

Durch Artikel 13 sollen einerseits die Ausnützung einer monopolistischen Stellung des Bohrleitungsinhabers und anderseits der Bau unnötiger, parallel verlaufender Leitungen verhindert werden. Der gleiche Grundsatz ist auch in den Vereinigten Staaten von Amerika verwirklicht und gab dort sogar den Anstoss zum Erlass einer Pipelinegesetzgebung im Jahre 1906.

Zur Beurteilung von Streitigkeiten aus der Anwendung dieses Artikels wären die ordentlichen Gerichte kaum geeignet. Auch wäre es nicht zweckmässig, die Aufsichtsbehörde über die Transportpflicht und ein Gericht über die zu leistende Entschädigung befinden zu lassen, denn beide Fragen hängen eng zusammen. Wir sehen deshalb die einzige befriedigende Lösung in der Einsetzung einer Kommission von Fachleuten, welche beide Fragen zu entscheiden hat.

Auch die Elektrizitätsgesetzgebung statuiert einen Anspruch auf Mitbenützung elektrischer Leitungen (Art. 43, Abs. 2 des Elektrizitätsgesetzes vom 24. Juni 1902; BS 4, 766), der dort
mit Hilfe des Enteignungsrechts erzwungen werden kann. Diese Lösung halten wir aber für die Mitbenutzung einer Eohrleitungsanlage nicht für zweckmässig, weil auch die Schätzungskommission sich für die Festsetzung der Entschädigung schwerlich eignet. Wie die Erfahrung bei den elektrischen Leitungen zeigt, werden die Leitungsinhaber allein schon durch das Bestehen eines gesetzlichen Anspruchs auf Mitbenützung der Leitung veranlasst, diese Mitbenützung zu gestatten. Streitfälle mussten bisher von den Behörden nie entschieden werden.

Artikel 14. Artikel 676, Absatz l des Zivilgesetzbuches stellt die gesetzliche Vermutung auf, dass die Leitungen Zugehör des Werkes sind, .von dem sie ausgehen, und damit auch dem Eigentümer dieses Werkes gehören. Diese Ordnung

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ist für Rohrleitungen im Sinne des vorliegenden Gesetzesentwurfs namentlich dann unerwünscht, wenn eine Bohrleitung von einem im Ausland befindlichen Pumpwerk ausgeht. Artikel 14 stellt deshalb die Vermutung auf, dass die Rohrleitung im Eigentum des Konzessionärs stehe.

Artikel 15. Eine Vorschrift, die Rohrleitungsanlage bei Beendigung der Konzession in ihrer ganzen Länge zu beseitigen, ist nicht erforderlich. Artikel 15 beschränkt sich deshalb darauf, die Beseitigung zu verlangen, soweit hiefür ein öffentliches Interesse besteht. Das wird z.B. der Fall sein bei oberirdisch verlegten Leitungen, namentlich bei oberirdischen Kreuzungen mit Gewässern.

Selbstverständlich haben diese Beseitigung und die Wiederherstellung des früheren Zustandes auf Kosten des Konzessionärs zu erfolgen.

Artikel 16. Auf Grund einer ihm durch das Elektrizitätsgesetz vom 24. Juni 1902 eingeräumten Kompetenz hat der Bundesrat die. Kontrolle der Starkstromanlagen dem Schweizerischen Elektrotechnischen Verein übertragen. Diese Lösung hat sich bewährt. Wir möchten deshalb auch im vorliegenden Gesetz die Möglichkeit vorsehen, gewisse Kontrollfunktionen über die Rohrleitungsanlagen ausser an die Kantone an private Fachverbände zu delegieren (Abs. 1).

In Absatz 2 denken wir vorab an die Rohrleitungen, die der Füllung und Entleerung der Tankanlagen der Armee dienen. Es ist angezeigt, dass sie der Aufsicht des Bundes unterstellt werden können. Diese Möglichkeit soll aber auch für Tankanlagen der Bundesbahnen, der PTT-Betriebe usw. bestehen.

Artikel 17. Unter wichtigen Rechtsgütern sind die in Artikel 3 aufgeführten öffentlichen Interessen zu verstehen, insbesondere auch die Belange des Staatsschutzes.

Artikel 21. Während das Konzessionsgesuch lediglich von generellen Plänen begleitet sein muss, ist im Plangenehmigungsverfahren ein detailliertes Ausführungsprojekt einzureichen.

Artikel 22 und 23. Neben dem Plangenehmigungsverfahren vor den Bundesbehörden ist kein Raum mehr für ein kantonales Plangenehmigungs- oder Baubewilligungsverfahren. Die Kantone haben deshalb in ihrer Stellungnahme gemäss Artikel 22, Absatz 3 alle Bemerkungen anzubringen, zu denen ihnen das Projekt unter dem Gesichtspunkt von Artikel 3 oder unter dem Gesichtspunkt der kantonalen (insbesondere bau- und feuerpolizeilichen) Gesetzgebung Anlass gibt. Bei der
Plangenehmigung wird der Bund auf die kantonale Gesetzgebung Rücksicht nehmen, soweit die Zweckbestimmung des vorliegenden Gesetzes dies gestattet. Ist die Plangenehmigung erfolgt, so kann auf Grund der kantonalen Gesetzgebung der Ausführung des Projektes nichts mehr entgegengehalten werden, was Artikel 23, Absatz 3 zum Ausdruck bringen will. Unter Umständen wird sich eine mündliche Verhandlung über die Einsprachen als zweckmässig erweisen. Auch ohne besondere gesetzliche Ermächtigung ist das Departement selbstverständlich berechtigt, eine solche durchzuführen.

Artikel 24 sieht die Möglichkeit der Einführung eines vereinfachten Plangenehmigungsverfahrens für Leitungen von nur lokaler Bedeutung vor. Werden von der Leitung beispielsweise nur wenige Grundeigentümer betroffen, so wird

819 man auf eine öffentliche Planauflage verzichten und sich mit einer persönlichen Benachrichtigung begnügen können. Es ist aber selbstverständlich, dass Kanton, Gemeinde und betroffene Grundeigentümer sich immer müssen äussern können, bevor die Plangenehmigung ausgesprochen wird.

Zu Artikel 26 verweisen wir auf die Ausführungen zum Enteignungsrecht unter Abschnitt IV, 4 hievor.

Artikel 27. Soweit für die Kreuzung oder Parallelführung einer Bohrleitung mit Strassen, Eisenbahnen, Gewässern, andern Leitungen und dergleichen eine Genehmigung der Aufsichtsbehörden dieser letzteren erforderlich ist, soll der Ersteller der Bohrleitung der Pflicht enthoben sein, auch diesen Aufsichtsbehörden eine Planvorlage einzureichen. Vielmehr ist es Sache der Behörde, welche das Plangenehmigungsverfahren für die Bohrleitung durchführt, die Stellungnahme der Aufsichtsbehörden der andern betroffenen Anlagen einzuholen. Im Falle von Meinungsdifferenzen der verschiedenen betroffenen Amtsstellen entscheidet nach einem allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsatz die nächsthöhere Behörde, der beide Amtsstellen gemeinsam unterstehen. Die Zusammenarbeit der verschiedenen beteiligten Amtsstellen wird in der Ausführungsverordnung zu regehi sein, wie Artikel 52, Ziffer l ausdrücklich vorschreibt.

Artikel 28 befasst sich mit Bauvorhaben Dritter, welche die Sicherheit einer Bohrleitungsanlage beeinträchtigen können.

Artikel 29 regelt die Tragung der besonderen Kosten, die beim Zusammentreffen von Bohrleitungen mit andern Anlagen entstehen. Nach dem Grundsatz der Priorität'sollen sämtliche Kosten vom neu Hinzutretenden getragen werden.

Diese Bestimmung ist aber dispositives Becht. Auf vertraglichem Wege kann selbstverständlich eine andere Kostentragung vereinbart werden. Streitigkeiten aus der Anwendung dieser Bestimmung werden am zweckmässigsten durch die zuständige Schätzungskommission entschieden, und zwar auch dann, wenn das Enteignungsrecht nicht erteilt wurde.

Artikel 81. Wenn eine der Voraussetzungen für die Betriebsaufnahme nachträglich wieder dahinfällt, so hat der Bohrleitungsinhaber den Betrieb von sich aus einzustellen. Er darf nicht abwarten, bis die Aufsichtsbehörde ihn dazu auffordert.

Artikel 32. Beim Undichtwerden einer öl- oder Gasleitung ist es wichtig, dass sehr rasch gehandelt wird, um das Entstehen
oder die Ausbreitung eines Schadens zu verhindern (Abs. 1). Die Bohrleitungsunternehmen müssen zu diesem Zwecke über die erforderlichen Alarmtrupps verfügen (Art. 30, Buchstabe V).

Ausserdem haben die Kantone eine jederzeit erreichbare Alarmstelle (beispielsweise das kantonale Polizeikommando) zu bezeichnen, welche bei Leitungsbrüchen, Bränden und dergleichen vom Bohrleitungsinhaber zu benachrichtigen ist, an die sich aber auch Privatpersonen wenden können, wenn sie Unregelmässigkeiten bemerken (Art. 32, Abs. 2). Diese Alarmstelle wird alsdann über die allfällige Aufbietung der zuständigen Gewässerschutzfachleute, Feuerwehren, Polizeiorgane usw. entscheiden.

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Artikel 33. Wie schon unter Abschnitt IV, 5 hievor ausgeführt, lassen die besonderen Gefahren für die Umgebung, welche den Eohrleitungsanlagen innewohnen, es angezeigt erscheinen, für sie eine verschärfte Kausalhaftung einzuführen. Die Werkeigentümerhaftung nach Artikel 58 des Obligationenrechts genügt nicht in allen Fällen, da sie den Nachweis einer fehlerhaften Anlage oder eines mangelhaften Unterhaltes voraussetzt. Es wäre aber sicher unbillig, wenn der betroffene Grundeigentümer oder Inhaber einer Wasserversorgung den durch eine Eohrleitung verursachten Schaden selbst zu tragen hätte, sofern ihm dieser Nachweis nicht gelingt. Absatz l statuiert deshalb den Grundsatz, dass der Inhaber der Anlage für den Schaden haftet, der durch deren Betrieb verursacht wird. Steht die Anlage nicht im Betrieb, so soll er nach ähnlichen Grundsätzen haften wie ein Werkeigentümer. Da der Inhaber der Anlage, der den Betrieb führt, eher als der Eigentümer in der Lage ist, einen Schaden zu verhindern, soll er in erster Linie als der Haftpflichtige erklärt werden. Um aber zu verhindern, dass der Eigentümer durch Gründung einer wenig finanzkräftigen Betriebsgesellschaft sich der Haftpflicht zu entziehen sucht und dem Geschädigten dann keine genügende Deckung zur Verfügung steht, ist es angezeigt, den Eigentümer solidarisch mithaften zu lassen.

Absatz 2 zählt sodann die Haftbefreiungsgründe auf. Um die verschärfte Kausalhaftung nicht zu verwässern, ist hier Zurückhaltung zu üben. In Anlehnung an das Bundesgesetz über die friedliche Verwendung der Atomenergie und den Strahlenschutz wird nicht von höherer Gewalt, sondern von'ausserordentlichen Naturvorgängen gesprochen. Es wird damit zum Ausdruck gebracht, dass Lawinenniedergänge, Steinschlag, Erdrutsche, mit denen im Gebirge immer gerechnet werden muss, nicht zur Haftbefreiung führen sollen. Ungerecht wäre es dagegen, den schuldlosen Leitungsinhaber haften zu lassen für Schäden, die durch kriegerische Ereignisse oder durch grobes Verschulden des Geschädigten verursacht wurden. Diese beiden Tatbestände werden daher ebenfalls als Befreiungsgründe aufgeführt. Der Bohrleitungsinhaber mag es als hart empfinden, dass er auch dann haften soll, wenn der Schaden durch grobes Verschulden eines Dritten verursacht wurde. Es wäre aber ausgesprochen unbillig, in einem solchen Falle
den Grundeigentümer, der von der Leitung überhaupt keinen Nutzen hat, den Schaden tragen zu lassen. In der Eegel - z.B. Beschädigung der Leitung durch-grobe Fahrlässigkeit eines Bauunternehmers oder seines Personals bei Grabarbeiten - wird der Leitungsinhaber auf den Verantwortlichen Bückgriff nehmen können. Ist dieser nicht in der Lage, den ganzen Schaden zu decken, oder ist der Verantwortliche - man denke an Sabotage - gar nicht bekannt, so ist ein solcher Eückgriff allerdings nicht möglich. Die Haftung des Leitungsinhabers in diesem Fall ist aber nach dem Grundsatz, wer den Nutzen hat, soll auch den Schaden tragen, immer noch billiger, als wenn der Geschädigte leer ausgeht.

Weitere Einzelheiten der Haftpflicht brauchen nicht geregelt zu werden. Es genügt hiefür die in Artikel 34 vorgenommene Verweisung auf das Obligationenrecht.

821 Artikel 35. Da nicht nur mit grossen, finanzkräftigen Rohrleitungsunternehmen zu rechnen ist, erweist es sich als zweckmässig, eine obligatorische Haftpflichtversicherung vorzuschreiben. Die schweizerischen Versicherungsgesellschaften erklären sich allerdings nicht imstande, sich zur Versicherung der gesamten Haftpflicht, wie sie in Artikel 33 geordnet ist, verpflichten zu können.

Sie möchten die Möglichkeit haben, Schäden, die durch grobes Drittverschulden verursacht wurden, von der Versicherung auszunehmen. Um diesem Umstand, aber auch der Entwicklung der Versicherungsmöglichkeiten in der Zukunft Rechnung zu tragen, beschränkt Artikel 35, Absatz l das Versicherungsobligatorium auf die «versicherbaren Risiken». Dieses Auseinanderfallen von Haftpflicht und Versicherungsdeckung hat die Expertenkommission lange beschäftigt. Sie prüfte verschiedene Lösungsmöglichkeiten, um die Lücke in- der Versicherungsdeckung schliessen zu können. Die eine Lösung hätte darin bestanden, die Haftpflicht den Versicherungsmöglichkeiten anzupassen. Danach müsste der Rohrleitungsinhaber also von der Haftung befreit werden, wenn der Schaden durch grobes Verschulden eines Dritten verursacht wurde, ohne dass ihn selbst oder eine Person, für die er verantwortlich ist, ein Verschulden trifft. Diese Lösung müsste aber abgelehnt werden aus den Gründen, die zu Artikel 33 dargelegt worden sind. Eine andere Möglichkeit hätte darin bestanden, einen «Fonds für nicht versicherbare Rohrleitungsschäden» ähnlich dem «Fonds für Atomspätschäden» des Atomenergiegesetzes zu schaffen. Dieser Fonds wäre durch Beiträge der Rohrleitungsinhaber zu speisen. Es würde aber selbst bei Verhältnismassig hohen Beiträgen sehr lange dauern, bis der Fonds eine Höhe erreicht hätte, die die Deckung eines grösseren Schadens gestattet. Es besteht deshalb die Gefahr, dass mit diesem Fonds nur eine scheinbare Sicherheit geschaffen würde. Abgesehen hievon würde die Schaffung des Fonds ungezählte organisatorische und verfahrensmässige Probleme stellen. Nach reiflicher Prüfung gelangte die Kommission deshalb zur Verwerfung dieser Lösung. Wir haben uns auch in diesem Punkt wie übrigens bei sämtlichen Bestimmungen des Abschnittes «Haftpflicht und Versicherung» den Überlegungen und Anträgen der Kommission angeschlossen.

Absatz 2 schreibt die Mindestbeträge vor,
die zu versichern sind. Dabei ist davon auszugehen, dass Leitungen für flüssige Brenn- und Treibstoffe wegen der Möglichkeit der Gewässerverschmutzung grössere Gefahren mit sich bringen als Gasleitungen. Deshalb sieht der Entwurf unterschiedliche Versicherungssummen für die beiden Arten von Leitungen vor. Die Versicherungssummen dürfen nicht so hoch sein, dass die Prämien für den Betrieb einer Leitung prohibitiv wirken. Es ist nicht der Sinn des Versicherungsobligatoriums, dafür zu sorgen, dass jeder denkbare Schaden durch die Versicherung gedeckt ist. Der Zweck des Obligatoriums ist vielmehr, dafür zu sorgen, dass niemand durch einen Rohrleitungsschaden in eine Notlage gerät. Dieser Zweck kann mit Versicherungssummen von 10 Millionen Franken bei Leitungen für flüssige und 3 Millionen Franken bei Leitungen für gasförmige Brenn- oder Treibstoffe ohne Zweifel erreicht werden. Grössere Schäden sind beispielsweise denkbar, wenn durch einen öl-

822 leitungsbruch die Wasserversorgung einer Großstadt verseucht und damit unbrauchbar gemacht wird, so dass vielleicht in grosser Entfernung eine neue Wasserfassung erstellt werden muss. Auf einen solchen Extremfall braucht aber die Versicherungspflicht nicht zugeschnitten zu werden. Einmal wird durch die technischen Vorschriften dafür gesorgt werden, dass Gefährdungen von Wasserfassungen soweit irgend möglich vermieden werden. Sodann besteht nach Artikel 35, Absatz 3 die Möglichkeit, im Einzelfall durch die Konzession eine höhere Versicherungssumme vorzuschreiben, sofern das öffentliche Interesse dies erheischt, und schliesslich ist nicht ausser acht zu lassen, dass der Gesetzesentwurf nicht die Haftpflicht als solche, sondern nur die Versicherungspflicht auf einen bestimmten Betrag beschränkt. Soweit der Schaden die durch die Versicherung gebotene Deckung übersteigt, haftet der Leitungsinhaber unbeschränkt.

Eine weitere Frage ist die, ob für kleinere Leitungen niedrigere Versicherungssummen vorgesehen werden können. Wir möchten diese Frage verneinen.

Bei einer kurzen Leitung mag die Schadenhäufigkeit kleiner sein als bei einer langan. Die Grosse eines allfälligen Schadens ist aber von der Länge der Leitung unabhängig. Auch ein geringer Durchmesser oder geringer Betriebsdruck schliessen den Eintritt eines grossen Schadens nicht aus. Eine Abstufung der vorzuscbrf ibenden Versicherungssummen nach der Länge, dem Durchmesser oder dem Betriebsdruck der Leitung ist daher nicht angebracht. Die unterschiedlichen Eisiken werden aber bei der Festsetzung der Versicherungsprämien zu berücksichtigen sein, ähnlich wie bei der Motorfahrzeughaftpflicht bei gleicher vorgeschriebener Versicherungssumme für einen hochpferdigen Wagen eine höhere Prämie zu leisten ist als für einen Kleinwagen. Immerhin gestattet Absatz S, durch die Konzession nicht nur höhere Versicherungssummen zu verlangen, sondern auch niedrigere zuzulassen.

Da für die Versicherungsgesellschaften kein Kontrahierungszwang besteht, sieht Absatz 4 die Möglichkeit vor, von der Versicherungspflicht zu entbinden, wenn auf andere Weise gleichwertige Sicherheit geleistet wird. Es ist hier namentlich an die Hinterlegung von Wertschriften, an Bankgarantien und ähnliches zu denken.

Absatz 5 entbindet den Bund und die Kantone als Inhaber von Eohrleitungsanlagen
von der Versicherungspflicht, denn ihre Zahlungsfähigkeit steht ausser Zweifel, Die Artikel 36 bis 39 geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Sie sind gleich oder ähnlich formuliert wie die entsprechenden Bestimmungen anderer neuerer Gesetze, so z.B. des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1958 (AS 1959, 679).

Artikel 40. Der normale Gerichtsstand für Zivilklagen ist der Sitz des Beklagten. Wer durch eine Bohrleitung beispielsweise auf seinem Grundstück einen Schaden erleidet, soll aber nicht gezwungen sein, allenfalls in einem andern Kan-

823 ton oder gar in einem andern Sprachgebiet klagen zu müssen. Als weiteren Gerichtsstand sieht deshalb Artikel 40 den Ort des Schadeneintrittes vor.

Die Artikel 41-43 umschreiben die besondere Ordnung, denen die Bohrleitungen unterstehen, deren geringer Durchmesser und Betriebsdruck es nicht rechtfertigen, dass sämtliche Bestimmungen des Gesetzes auf sie angewendet werden. Ihre beschränkte räumliche Ausdehnung macht das Bundeskonzessionsverfahren entbehrlich. Da aber auch sie grundsätzlich die gleichen Gefahren mit sich bringen wie grössere Leitungen, können ihre Erstellung und ihr Betrieb nicht einfach freigegeben werden. Vielmehr sollen sie einem kantonalen Bewilligungsverfahren unterliegen. Die Kantone brauchen zu diesem Zwecke keine eigenen Bohrleitungsgesetze zu erlassen, sondern sie handeln einfach in Vollziehung des Bundesgesetzes. Die von ihnen zu erteilende Bewilligung ist eine eigentliche Polizeierlaubnis. Sie kann nur aus den vom Gesetz aufgezählten Gründen, die keine wirtschaftspolitischen Elemente enthalten, verweigert werden. Letztinstanzliche kantonale Entscheide über die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen können nach Artikel 125, Absatz l, Buchstabe b des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1948 über die Organisation der Bundesrechtspflege (BS 3, 531) mit Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat weitergezogen werden. Da sich gegenwärtig die Frage einer Ausdehnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit generell in Prüfung befindet, sind wir der Meinung, dass im vorliegenden Fall von der gesetzlichen Ordnung, die die Beschwerde an den Bundesrat vorsieht, nicht abgegangen werden sollte, sondern dass es der in Vorbereitung befindlichen Eevision des Organisationsgesetzes überlassen werden muss, im Eahmen einer Gesamtlösung allenfalls die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die kantonalen Entscheide über Bewilligungsgesuche für Eohrleitungsanlagen einzuführen.

Auch die Aufsicht über die Leitungen mit kantonaler Bewilligung ist Sache der Kantone. Der Bund übt hier lediglich ein Oberaufsichtsrecht aus, das ihm gestattet, einzuschreiten, wenn ein Kanton seiner Auf sichtspf licht nicht voll nachkommen sollte.

Die Leitungen mit kantonaler Bewilligung sind im übrigen nach den vom Bundesrat zu erlassenden sicherheitstechnischen Vorschriften zu erstellen, zu unterhalten und zu betreiben. Diese
Vorschriften werden gegenüber den Vorschriften, wie sie für die Leitungen mit Bundeskonzession gelten, alle jene Erleichterungen aufweisen, die wegen des geringeren Durchmessers und Betriebsdruckes zulässig erscheinen.

Da -- wie ausgeführt -- auch diese Leitungen grundsätzlich die gleichen Gefahren in sich bergen wie die unter der Bundesaufsicht stehenden Leitungen, müssen die Haftpflicht- und Versicherungsbestimmungen des Bundesgesetzes auf sie vollumfänglich zur Anwendung kommen. Eine generelle Herabsetzung der Versicherungssummen rechtfertigt sich nicht. Selbst eine sehr kleine Eohrleitungsanlage kann eine öffentliche Wasserversorgung in einer Art und Weise verseuchen, dass sie unbrauchbar wird und durch eine neue ersetzt werden muss.

Die Kantone haben aber die Möglichkeit, durch die Bewilligung im einzelnen

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Fall eine niedrigere Versicherungssumme vorzuschreiben. Es ist durchaus in Ordnung, wenn die Kantone von dieser Möglichkeit immer dann Gebrauch machen, wenn keine grösseren Schäden gewärtigt werden müssen.

Weiter sind auf die Leitungen unter kantonaler Aufsicht nur noch die Strafbestimmungen und die Vorschrift über Verwaltungsmassnahmen (Abschnitt V) des Gesetzesentwurfes anwendbar.

Artikel 44 und 45. Bei den Strafbestimmungen haben wir uns bemüht, nur ein Minimum an neuen Straftatbeständen zu schaffen. Das Strafmass hält sich im Rahmen analoger Tatbestände. Eine Strafe für Widerhandlungen gegen Einzelverfügungen der Aufsichtsbehörde ist nicht angedroht, weil hier mit der allgemeinen Ungehorsamsbestimmung des Strafgesetzbuches vom 21. Dezember 1937 (Art. 292; BS 3, 203) auszukommen'ist.

» Artikel 46. Diese Bestimmung legt die Verfolgung und Beurteilung grundsätzlich in die Kompetenz der Kantone, ermächtigt aber den Bundesrat, einzelne Fälle an das Bundesgericht zu weisen. Diese Möglichkeit soll dem Bundesrat vorbehalten bleiben, insbesondere im Hinblick auf Fälle der Nichterfüllung von konzessionsmässigen Bedingungen und Auflagen, die zum Schütze der Sicherheit des Landes, der Unabhängigkeit oder Neutralität der Schweiz oder zur Vermeidung einer dem Gesamtinteresse des Landes widersprechenden wirtschaftlichen Abhängigkeit aufgestellt worden sind (Art. 45, Ziff. l, letzter Absatz) .

Artikel 47 regelt die sogenannte Ersatzvornahme. Ihr wichtigstes Anwendungsgebiet dürften die Massnahmen sein, die bei Rohrleitungsbrüchen zur Verhinderung, Eindämmung oder Beseitigung eines Schadens zu treffen sind. Hier ist vor allem wichtig, dass rasch gehandelt wird, kommt es doch unter Umständen auf Minuten an.

Zu den Artikeln 48 bis 50, die das Übergangsrechtregeln, ist in Ergänzung der Ausführungen unter Abschnitt IV, 6 hievor noch folgendes zu bemerken. Artikel 48, Absatz l hält fest, dass das Gesetz vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens unter Vorbehalt der folgenden beiden Artikel auch anwendbar ist auf Rohrleitungsanlagen, die sich im Bau oder Betrieb befinden. Absatz 2 stellt sodann den sich aus der Eigentumsgarantie ergebenden Grundsatz auf, dass der Inhaber Anspruch auf eine Entschädigung hat, wenn eine Massnahme im Sinne der nachfolgenden beiden Artikel einer Enteignung gleichkommt. Der Entscheid über
Entschädigungsansprüche steht dem Bundesgericht zu, das auch darüber zu befinden hat, von wem die Entschädigung zu leisten ist.

Artikel 49 befasst sich mit den Rohrleitungsanlagen, die auf Grund einer kantonalen Bewilligung oder Konzession erstellt worden sind. Die durch die kantonale Bewilligung oder Konzession begründeten wohlerworbenen Rechte werden in folgendem Sinne anerkannt: Der Inhaber ist während ihrer Geltungsdauer, höchstens aber während 50 Jahren, von der Einholung einer eidgenössischen Konzession befreit ; seine durch den Kanton eingeräumten Rechte und Pflichten dürfen nur aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses zu seinen Un-

825 gunsten abgeändert werden ; im Falle von Artikel 48, Absatz 2 hat er Anspruch auf eine Entschädigung.

Die Expertenkommission hatte vorgeschlagen, die in Artikel 4 enthaltene Vorschrift, dass das Kapital der Bohrleitungsgesellschaften mehrheitlich schweizerischer Herkunft sein müsse, auf die im Besitze einer kantonalen Bewilligung oder Konzession befindlichen Gesellschaften nicht anwendbar zu erklären. Für diese Gesellschaften sollte nach Auffassung der Expertenkommission lediglich die Verpflichtung gelten, dass die Aktien auf den Namen lauten müssen, und dass ohne Zustimmung des Departements keine Schweizern gehörenden Aktien an Ausländer verkauft werden dürfen. Aus den zu Artikel 4 erwähnten Gründen messen wir indessen einer schweizerischen Beherrschung derjenigen Gesellschaften, die in unserem Lande grenzüberschreitende Pipelines betreiben, so grosse Bedeutung bei, dass wir uns mit der Befreiung der bestehenden Gesellschaften von dieser Verpflichtung nicht abfinden können. Wenn eine solche schweizerische Beherrschung im Interesse unserer Unabhängigkeit und Neutralität notwendig ist - und wir sind der Meinung, dass dies zutrifft -, dann müssen sich auch die bestehenden Gesellschaften entsprechend einrichten. Es scheint uns ein unerträglicher Gedanke, dass diese Gesellschaften auf alle Zeiten von der Erfüllung einer Verpflichtung befreit sein sollen, die zur Vermeidung der Einmischung von ausländischen Eegierungen in unsere inneren Verhältnisse aufgestellt werden muss. Artikel 49, Absatz 2 verlangt deshalb, dass sich die bestehenden Gesellschaften innert zwei Jahren vom Inkrafttreten des Gesetzes an den Nationalitätsvorschriften des Artikels 4 anzupassen haben. Sollten sie der Auffassung sein, dass dadurch wohlerworbene Bechte verletzt werden, so hätten sie die Möglichkeit, nach Artikel 48, Absatz 2 beim Bundesgericht auf Leistung einer Entschädigung zu klagen.

Artikel 50 befasst sich sodann mit den bestehenden Eohrleitungsanlagen, für die keine kantonale Bewilligung oder Konzession erteilt wurde, wobei eine blosse Ermächtigung zur Benutzung der öffentlichen Strassen und Plätze durch die Eohrleitung nicht als Bewilligung oder Konzession in diesem Sinne betrachtet werden kann. Derartige Leitungen beruhen nicht wie die von Artikel 49 erfassten auf einem besonderen Eechtstitel. Der Entwurf
verlangt deshalb, dass für sie innert drei Monaten vom Inkrafttreten des Gesetzes an ein Bewilligungsbzw. Konzessionsgesuch gestellt wird. Um aber dem Umstand Eechnung zu tragen, dass Bau und Betrieb solcher Leitungen bisher ohne besondere staatliche Erlaubnis zulässig waren, schreibt Absatz 3 vor, dass die Bewilligung oder Konzession zu erteilen ist, "sofern nicht zwingende Gründe des öffentlichen Interesses entgegenstehen. Auch hier besteht nach Artikel 48, Absatz 2 Anspruch auf eine Entschädigung, wenn die Verweigerung der Bewilligung bzw. Konzession oder die Auferlegung neuer Pflichten in ihrer Wirkung einer Enteignung gleichkommen. Da die Prüfung und Erledigung der Gesuche natürlich eine gewisse Zeit beanspruchen, können Bau und Betrieb der Anlage auf Grund von Artikel 50, Absatz 2 bis zum Entscheid weitergeführt werden, sofern nicht - weil z.B. Gefahr im Verzüge ist - die zuständige Behörde eine gegenteilige Verfügung trifft.

826 Artikel 51. Das Gewässerschutzgesetz vom 16.März 1955 (AS 1956, 1583) sieht in Artikel 4, Absatz 4 vor, dass für die Lagerung flüssiger Stoffe, wie öl, Benzin und dergleichen in Tanks die zum Schütze von Gewässern nötigen baulichen und technischen Vorrichtungen zu erstellen seien. Die Beförderung in Leitungen wird durch diese Bestimmung nicht erfasst. Damit die vom Rohrleitungsgesetz auf Grund von Artikel l, Absatz 4 ausgenommenen Leitungen ebenfalls einer Vorschrift mit Bezug auf den Schutz der Gewässer unterstehen, empfiehlt es sich, Artikel 4, Absatz 4 des Gewässerschutzgesetzes entsprechend zu ergänzen. Bei dieser Gelegenheit wäre auch beizufügen, dass diese Einrichtungen regelmässig zu kontrollieren seien.

Artikel 52, Absatz l beauftragt den Bundesrat mit dem Erlass der erforderlichen Ausführungsvorschriften. Es mag auffallen, dass in Ziffer 4, die dem Bundesrat die Kompetenz zur Gebührenfestsetzung erteilt, von den sogenannten Transitgebühren nicht die Rede ist. Die Rechtslage ist nämlich so, dass Abgaben, die bei Transitleitungen auf der vom Ausland durch unser Land nach dem Ausland transportierten Menge flüssiger oder gasförmiger Stoffe erhoben würden, nicht als Gebühren, sondern als Steuern zu qualifizieren wären, denn es steht ihnen keine Gegenleistung des Staates gegenüber, für die die Gebühren das Entgelt darstellen würden, es sei denn, man betrachte die Zurverfügungstellung des schweizerischen Hoheitsgebietes für diese Transporte als eine Gegenleistung, was nicht sehr überzeugend erscheint. Der Bund ist aber nur zur Erhebung derjenigen Steuern zuständig, die die Bundesverfassung ausdrücklich erwähnt.

Absatz 2 trägt dem Umstand Rechnung, dass die Kantone nach dem Gesetzesentwurf beim Vollzug mitzuwirken haben.

Wir empfehlen Ihnen den Gesetzesentwurf zu Annahme.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 28.September 1962.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : P. Chaudet Der Bundeskanzler : Ch. Oser

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Entwurf zu einem Bundesgesetz über Rohrleitungsanlagen zur Beförderung flüssiger oder gasförmiger Brenn- oder Treibstoffe (Vom 28. September 1962)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1962

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

43

Cahier Numero Geschäftsnummer

8562

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

25.10.1962

Date Data Seite

791-826

Page Pagina Ref. No

10 041 875

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