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Schweizerisches Bundesblatt.

47. Jahrgang. III.

Nr. 23.

29. Mai 1895.

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Druck und Expedition der Buchdruckerei Stämpfli & Oie. in Sem.

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Bericht der

Kommission des Ständerates über

die Geschäftsführung des Bundesrates und des Bundesgerichts im Jahre

1894.

(Vom 3. Mai 1895.)

Tit.

Wir beehren uns, Ihnen folgende Bemerkungen zum Geschäftsbericht des Bundesrates und des Bundesgerichts vorzulegen.

Bundesblatt. 47. Jahrg. Bd. III.

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I. Geschäftsführung des Bundesrates.

A. Finanz- und Zolldepartement.

A. Finanzverwaltung.

1. Finanzbureau.

Gesetzgebung.

Die Frage der Ausführung des Art. 39 der Bundesverfassung beaw. die G r ü n d u n g e i n e r B u n d e s b a n k hat im Jahre 1894 wesentliche Fortschritte gemacht.

Nachdem am 24. Januar 1894 der Entscheid des Bundesrateg zu gunsten der reinen Staatsbank gefallen, wurde vom Finanzdepartement ein bezüglicher Gesetzesentwurf ausgearbeitet und am 24. Mai dem Bundesrate vorgelegt. Das sämtliche Aktenmaterial gelangte dann in der Dezembersession zur Austeilung an die Bundesversammlung.

In der diesjährigen Märzsitzung kam dann die Angelegenheit im Nationalrate zur Behandlung und fiel der Entscheid grundsätzlich zu gunsten der reinen Staatsbank. Die Detailberatung wurde auf die Junisession verschoben.

Postulate.

In Ausführung des sub 23. Dezember 1892 von der Bundesversammlung aufgestellten sogenannten ,, G l e i c h g e w i c h t s p o s t u lats" 1 kamen der definitive Bericht des Bundesrates und die Specialberichte der einzelnen Departemente den eidgenössischen Räten im Dezember 1894 zu.

Der Bericht regt eine Reihe von Ersparnissen an, verbunden mit dem Begehren um größere Zurückhaltung im allgemeinen, ohne bestimmte Anträge zu stellen.

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Die nationalrätliche Kommission, bei der die Priorität steht, hat die Angelegenheit bereits behandelt und darüber einen gedruckten Bericht nebst bestimmten Anträgen d. d. 12. Februar 1895 abDieser Gegenstand hat nun allerdings mit Rucksicht auf das günstige Rechnungsresultat pro 1894 etwas an aktuellem Interesse verloren. Ihre Kommission ist aber der Ansicht, daß die zuständigen Bundesbehörden durch genanntes Resultat -- hauptsächlich herbeigeführt durch die a u ß e r o r d e n t l i c h h o h e n Zolleinnahmen -- sich nicht sollen beeinflussen lassen, sondern vielmehr sich bestreben, durch weise Zurückhaltung in den Ausgaben das finanzielle Gleichgewicht thunlichst zu fördern bezw. zu erhalten.

Anleihen von 20 Millionen Franken.

Die wesentlichsten Bedingungen des mit einem Konsortium von 8 schweizerischen Bankfirmen abgeschlossenen A nleihensVertrages sind folgende: Das Finanzdepartement begab dem genannten Konsortium, teilweise fest, teilweise auf Option, das Anleihen à SVa'Vo verzinslich a'100 8 /
Das ganze Anleihen wurde mit Prospekt vom 1. März 1894 zur öffentlichen Zeichnung zum Preis von 101 Va % mit Zinsverrechnung aufgelegt und 17fach überzeichnet.

MUnzwesen.

a. Internationaler Münzvertrag.

Die Verhältnisse lassen eine Revision, vielleicht auch eine Auflösung der lateinischen Münzkonvention in absehbarer Zeit nicht' als ausgeschlossen erscheinen und da gehen wir mit dem hohen Bundesrat einig, daß man auf eine solche Eventualität hin zeitig nach den verschiedenen Gesichtspunkten, die da in Betracht fallen können, sich orientiere und rüste.

b. Münzeählungsbilder.

Daß eine Eingabe einer Aktiengesellschaft betreffend Anfertigung m e t a l l e n e r zum Schulunterricht bestimmter Münzbilder (wenn auch mit gewissen Kautelen umgeben), als einen Eingriff ins Münzregal darstellend und zu Mißbrauchen führend, abgelehnt wurde, ist gewiß vollständig richtig.

28 c. Münzkommissariat.

Es wird vom Finanzdepartement auf die U n z u l ä n g l i c h k e i t des M ü n z g e b ä u d e s -- wie wir glauben mit Grund -- aufmerksam gemacht. Die Verhältnisse haben sich seit der Übernahme des Gebäudes im Jahre 1848 vollständig geändert; es mangelt an Raum, namentlich seitdem auch Gold zur Ausmünzung gelangt.

Außerordentliche Prägungen wie die diesjährige von 3 Millionen Silberscheidemünzen müssen ins Ausland vergeben werden.

Auch die Verlegung eines Teils der Postwertzeichenfabrikation in das Münzgebäude nimmt viel Raum weg, und sollte erst der Fall der Einführung der Goldwährung und allfällig die Anfertigung von Nolenformularen für eine künftige Bundesbank in Betracht kommen, so erscheinen die dermaligen Lokalitäten wirklich ungenügend.

Der Bundesrat hat Studien für einen Neubau -angeordnet; zur Deckung der Kosten würde der Münzreservefonds herangezogen.

2. Finanzkontrolle.

Die schon im vorjährigen Bericht betonte Verschärfung der Kontrolle auf den verschiedenen Verwaltungsgebieten kam dies Jahr zur vollen Anwendung.

Bezüglich der Revision der Rechnungen sind den einzelnen Abteilungen bestimmte Termine gestellt ; die Kassenuntersuchungen fanden regelmäßig statt, ebenso die Verifikation der Inventarbestände, Wertschriften, Specialfonds, Depots, Kautionen.

Wechsel.

Der Bestand variiert, je nach den Verhältnissen und Bedürfnissen, zwischen 18/4 -- 6*/2 Millionen jederzeit leicht realisierbarer Werte. Durchschnitts-Diskonto2 1/%/o.

3. Banknotenkontrolle.

Mit 1. Juli 1894 ist die B a n k i n Z ü r i c h definitiv aus der Reihe der Emissionsbanken ausgeschieden ; die Gesamtzahl auf Ende 1894 beträgt 34. Eine Veränderung bezw. Erhöhung der Emission hat einzig bei der E r s p a r n i s k a s s a U r i stattgefunden (Fr. 500,000).

Näheres über Kapital, Notenemission, Form der Garantie der Emissionsbanken enthält dus dem Geschäftsbericht beigefügte Tableau.

Das Gleiche gilt bezüglich der wöchentlichen Bankausweise.

29 Wirtschaftliche Erscheinungen.

Der durchschnittliche veröffentlichte Diskontosatz betrug im Berichtsjahr 3,17 °/o gegen 3Vs °/o im Vorjahr.

Eine dem Bericht beigefügte Tabelle erzeigt für die uns hauptsachlich in Betracht fallenden Länder pro 1894: 2 J /2 °/o für Frankreich, 3,12 °/o für Deutschland, 3 °/o für Belgien und 2,12 % für England.

Inspektionen und Beziehungen zu den Banken.

Erstere wurden in bisheriger Weise vollzogen, die Beziehungen zwischen Inspektorat und Banken werden als angenehme bezeichnet.

Eigentliche Rekurse oder Beschwerden sind keine zu registrieren.

Leider war der bisherige verdiente Inspektor durch dauernde Krankheit genötigt, seine Entlassung einzureichen. An seine Stelle wurde Herr A. Sandoz, bisheriger Adjunkt, gewählt.

4. Staatskassa.

Der Rückschub der italienischen Silberscheidemünzen wurde in prompter und glücklicher Weise durchgeführt. Wenn auch zu Anfang der Operation verschiedene Reklamationen namentlich wegen ungenügender Auswechslung laut wurden, so haben sich die Anordnungen des Departements alsdann nach verschiedenen Richtungen sowohl bezüglich Zahlungsannahme als Auswechslung etc. als praktisch erwiesen und war mit dem Endtermin für die Auswechslung die Säuberung eine sozusagen vollkommene.

Der Gesamtbetrag der abgeschobenen Münzen beläuft sich auf Fr. 17,518,579. 50. Der Gegenwert wurde nach Übereinkunft prompt regliert und dadurch unserm Lande eine effektive Mehrcirkulatiou an G o l d von rund 8'/2 Millionen Franken zugeführt.

Dagegen machte sich vorerst zeitweise und dann ziemlich dauernd ein Mangel an andern Silberscheidemünzen bemerkbar, abgesehen von den 3 Millionen neuer Prägung. Das Finanzdeparlement verschaffte sich aus den Unionsstaaten weitere ca. 3 Millionen schweizerische und belgische Silberscheidemünzen, wodurch dem laufenden Bedürfnisse so ziemlich Genüge geleistet werden konnte.

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5. Wertschriftenverwaltung.

Neuanlagen.

Bei der das ganze Jahr anhaltenden Geldabondanz war es keine leichte Arbeit, den Gegenwert des 20 Millionen Anleihens -- das bekanntlich die Bestimmung hat, die v e r f ü g b a r e n Mittel des Bundes zu vermehren -- in erstklassige Papiere, deren Erträgnisse auch die Verzinsung des emittierten Anleihens decken, anzulegen.

Es ist dies der Finanzverwaltung gelungen und es gebührt ihr dafür Anerkennung.

Wertschriftenverkehr und -Verwaltung.

Bekanntlich wurden im Laufe des Jahres 1894 große Konversionen vollzogen, was auch bei der Bundesverwaltung bedeutende Mutationen im Gefolge hatte und auf das Zinserträgnis drückte. Immerhin ist der mittlere Wertschriftenertrag dato noch cirka 3!/2 %. Andere Konversionen sind in Sicht, obgleich zur Stunde noch volkswirtschaftliche Bedenken denselben entgegenstehen.

Im Laufe des Jahres 1894 hat mit Rücksicht auf die vermehrlen Wertschriftenbestände -- durch eine außerhalb der Bundesverwaltung bestellte fachmännische Kommission -- ein eingehender Untersuch stattgefunden, der die Bestände als den gesetzlichen Vorschriften entsprechend, durchweg gut, zweckmäßig und rationell verteilt, auch billig inventarisiert bezeichnet.

Die weiteren Unterabteilungen dieses Abschnittes geben zu keinen Bemerkungen Anlaß, ebenso die einzelnen Rubriken in dem Abschnitte ,, M ü n z v e r w a l t u n g " .

B. Zollverwaltung.

I. Allgemeine Bemerkungen und Gesamtergebnisse.

Über erstem Punkt ist nichts weiteres zu bemerken, bezüglich der Gesamtergebnisse verweisen wir auf Ziffer III.

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II. Gesetze, Verordnungen, Verträge.

A. Zollwesen.

Mit dem 1. Januar 1894 ist das neue Zollgesetz vom 28. Juni 1893 in Kraft getreten, ebenso mit Gültigkeitsdauer auf ein Jahr die bezügliche Vollziehungsverordnung.

Bezüglich des l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n G r e n z v e r k e h r e wird auf möglichst genaue Beobachtung des Art. 3 a des Zollgesetzes hingearbeitet.

Um den V e r e d l u n g s v e r k e h r auf Grund der Bestimmungen des neuen Zollgesetzes zu ordnen, wurde ein neues Regulativ erlassen.

Die Verhandlungen wegen Errichtung von Z o l l ä m t e r n im I n n e r n sind im Berichtsjahr -- soweit die Verhältnisse es gestatetten -- wesentlich gefördert worden.

Nach durchgeführten eingehenden Untersuchungen über den ,, T a r a z u s c h l a g " ist unterm 23. Oktober 1894 mit Inkrafttreten auf 1. Januar 1895 eine neue Verordnung erlassen worden.

D a s neue a l p h a b e t i s c h e V e r z e i c h n i s z u m Z o l l t a r i f ist in deutscher Sprache auf 1. Juni 1894 fertiggestellt worden, dasjenige in französischer Sprache wird im Laufe des Jahres 1895 erscheinen, das italienische baldmöglichst.

Die mit S p a n i e n auf 1. Januar 1894 in Kraft getretene Handelsübereinkunft gab bezüglich des Imports spanischer Weine zu besondern Maßregeln Veranlassung.

Der schweizerisch-norwegische H a n d e l s - und N i e d e r l a s s u n g s v e r t r a g trat mit I.August 1894 in Kraft.

III. Zolleinnahmen.

Die E i n n a h m e n betrugen Fr. 41,200,000 rund, Fr. 2,800,000 mehr als 1893 und Fr. 4,200,000 mehr als budgetiert, was wesentlich zu dem günstigen Rechnungsergebnis pro 1894 beigetragen hat.

Die G e s a m t a u s g a b e n betrugen Fr. 3,650,000 gegen budgetierte Fr. 3,927,000. Die Ausgabenersparnis rührt hauptsächlich von der Ereditrestanz für Zollrückvergütungen auf Futtermitteln her. Gesamteinnahmen daher Fr. 41,970,000 und Reinerträgnis Fr. 37,820,000.

Mit Ausnahme des Zollgebietes Basel verzeichnen sämtliche übrigen Zollgebiete Mehreinnahmen, wozu jedenfalls der Konsumartikel Vieh wesentlich beitrug.

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IT. Personalbestand der Zollverwaltung.

Derselbe erzeigt für 1894 eine Vermehrung von 74 Mann, wovon 39 für den Grenzschutz.

VII. Grenzschutz.

Bestand auf Ende 1894: 729 (eidgenössische und kantonale) gegenüber 690 Mann auf Ende 1893.

Die begonnene Reorganisation des Grenzbewachungsdienstes ist im Berichtsjahr weiter gefördert worden ; das provisorisch erlassene Grenzwachtreglement hat sich bewährt und soll nun definitiv angenommen werden. Die Bekleidungs- und Bewaffnungsfrage, sowie die Kasernierung der Mannschaft haben ihren Forlgang genommen.

Dem Schmuggel wird möglichst wirksam entgegengetreten.

X. Handelsstatistik.

Die Ziffern für 1894 waren bei Abgabe des Departementalberichts noch nicht abgeschlossen, sie sollen aber in allernächster Zeit erscheinen.

Nach provisorischer französischer Publikation ist der französische Absatz nach der Schweiz noch immer im Zurückgehen, während unsere Ausfuhr nach Frankreich seit Februar 1892 sich ziemlich gleich geblieben ist. Der Absatz nach den Vereinigten Staaten wird eine Abnahme von cirka 10 Millionen aufweisen.

Die schweizerische Einfuhr von Lebensmitteln und Rohstoffen hat jedenfalls im Jahr 1894 (namentlich Vieh) bedeutend zugenommen.

B. Departement des Innern.

I. Centralverwaltung.

1. Referendnmsangelegenheiten ; eidgenössische Wahlen und Abstimmungen.

Der Nationalrat unterbreitete gegen Ende des letzten Jahres dem h. Bundesrate zur Berichterstattung ein Gesuch des Vereins schweizerischer Geschäftsreisender, dahingehend, ,,es möchte durch zweckentsprechende Anordnungen bei eidgenössischen Abstimmungen

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von ihrem Wohnort entfernt sieh aufhaltenden Schweizerbürgern die Möglichkeit der Stimmabgabe geboten werden"1. So sehr wir den Grundsatz aufrecht zu erhalten wünschen, daß jedem stimmfähigen Schweizerbürger die Ausübung des Stimmrechts ermöglicht werJe, so dürfte es doch gerechtfertigt erscheiueu, dem Art. 3 des Bundesgesetzes vom 19. Juli 1872 auch den Geschäftsreisenden gegenüber keine andere Auslegung zu geben, als im Kreisschreiben des Bundesrates vom 16. Oktober 1894 bereits niedergelegt ist, welches besagt, ,,daß jeder Schweizerbürger sein Stimmrecht da auszuüben habe, wo er als Ortsbttrger oder als Niedergelassener oder Aufenthalter wohnt, und es daher nicht zulässig sei, daß sie, wenn sie nur zufallig und vorübergehend verweilen, zur Stimmabgabe zugelassen werden11. Damit stehen im Einklang die bundesrätlichen Entscheide von 1890 und Mai 1894.

4. Archire und Münzsammlung.

Der Bericht spricht rückhaltlos seine Unzufriedenheit aus darüber, daß das Genei-alregister zu der Sammlung der altern eidgenössischen Abschiede im Jahre 1894 nicht, wie vom Bearbeiter in Aussicht gestellt worden, zur Drucklegung gelangt ist. Was im letzten Jühr nicht zur Ausführung kam, wird 1895 nachholen.

Nähere Erkundigungen aus jüngster Zeit haben nämlich ergeben, daß das Sach- und Ortsregister druckfertig erstellt und dus Personenregister über die Hälfte vorgeschritten ist und bereits Unterhandlungen über den Druck angebahut sind.

Die übrigen Arbeiten im Bundesarchiv nehmen, trotz der Erkrankung des Unterarehivars, den regelmäßigen Fortgang, dank der energischen Thätigkeit des Vorstehers. Besondere Beachtung verdienen auch die emsigen und verständnisvollen Sammler in den Archiven des Vatikans zu Rom, in Paris und London, deren Werke für die Eidgenossenschaft einen Schatz bilden und eine Fundgrube der Geschichte sein werden.

5. Bibliothek.

Wir begrüßen den Beschluß des Bundesrates vom 1. Dezember 1893, dahingehend, daß die wichtigem eidgenössischen Publikationen den vaterländischen Bibliotheken gratis verabfolgt werden sollen.

Dadurch erst werden dieselben popularisiert, d. h. dem gesamten Schweizervolke zugänglich gemacht. Im Berichtsjahre kam der Beschluß zur Ausführung und wir hoffen, die Kantone werden dadurch zu Gegenleistungen sich verpflichtet fühlen und auch ihre bedeutendem Imprimale der eidgenössischen Bibliothek einverleiben.

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II. Vollziehung der Bundesverfassung und eidgenössischer Gesetze.

1. Freizügigkeit der Personen, welche wissenschaftliche Bernfsarten ausüben. Hedizinalprüfungen.

Der Bundesrat war in der Lage, über die Freizügigkeit der wissenschaftlichen Berufsarten in der Schweiz einen grundsätzlichen Entscheid zu fällen, der notiert werden muß. -- Ein im Kantou Nenenburg bereits am 11. April 1876 nach erfüllten Requisiten gesetzlich patentierter Fürsprech stellte an das Obergericht des Kantons Bern das Gesuch, in einem Strafprozesse als Verteidiger zugelassen ' zu werden, wurde aber wegen Mangel eines Examens angewiesen. Gegen diesen Entscheid ergriff der Fürsprech den Rekurs und der Bundesrat erklärte ihn für begründet, indem Rekurrent den zur Erwerbung eines Advokatendiploms vorgeschriebenen Erfordernissen Genüge geleistet und von der zuständigen Behörde des Kantons Neuenburg auch wirklich patentiert worden ist.

Der leitende Ausschuß für Medizinalprüfungen hat rechtzeitig von einer Maßnahme abstrahiert, welche, wenn sie eingeführt worden wäre, für die Großzahl der Medizinstudierenden von großem Nachteile gewesen wäre. Es war nämlich die Frage aufgetaucht, ob nicht zur Erlangung des Arztdiploms eine Assistentenstelle von mindestens einem Semester gefordert werden solle? Es ist zwar dermalen eine Überproduktion an Ärzten zu konstatieren und die Assistenz bei einem tüchtigen Chef in einem Spital ist für die Ausbildung des Arztes von eminentem Nutzen, allein die Patentierung würde dadurch vielfach ganz verunmöglicht, indem die Spitalärzte doch kaum von Bundes wegen verhalten werden können, sämtliche Studierenden der Reihe nach als Assistenten einzustellen und dadurch den Ruf ihrer Anstalt und die Pflege ihrer Kranken zu gefährden.

In gleicher Weise hat derselbe leitende Ausschuß das Interesse der Schweizer-Mediziner gewahrt, indem er die ausländischen Maturitätsausvveise in den Händen von Fremden nicht mehr anerkennt.

Es ist das der berechtigte Ausdruck der Reciprocität und im vitalen Interesse der Schvveizerbürger.

Anschließend an die Maturitätsprüfungen für angehende Ärzte, Zahnärzte und Apotheker kann Ihre Kommission nicht umhin, aufmerksam zu machen, daß von 57 Aspiranten 9 vom Examen weggeblieben, 30 dasselbe bestanden und 18 (31,5%) -- darunter 8 Ausländer -- abgewiesen worden sind. Es läßt dieses auf eine mangelhafte Vorbildung bei manchen jungen Leuten schließen.

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3. Gesundheitswesen.

Auf die Anzeigepflicht von gemeingefährlichen, epidemischen Krankheiten hält der h. Bundesrat strenge und macht davon die Ausrichtung der Beiträge an die Kosten abhängig. Wir glauben es gerade dieser Maßregel verdanken zu dürfen, daß die Pocken letztes Jahr nicht noch größere Verheerungen angerichtet haben und daß sie nicht bloß örtlich, sondern auch zeitlich auf die relativ kurze Zeit von einem halben Jahre beschränkt blieben. In der Stadt Bern traten sie zwar schon im März 1893 sporadisch in drei Fällen auf und zogen sich bis in den September 1894 hinein, und Biel lilt vom 13. Jaouai- bis 8. Juli 1894. Dagegen begegnen wir unter 149 Gemeinden 31, wo die Epidemie nur e i n e Erkrankung auf'weist.

Das ist dei- Erfolg der gewissenhaften Durchführung des eidgenössischen Gesetzes. Wenn der Bund dadurch auch eine Summe von Fr. 82,181. 64 und die Kantone eine solche von Fr. 83,552. 89 zur Bekämpfung der Pocken verausgabten, so ist das versehwindend klein zu dem, was das gesamte Volk durch Verhütung der Ausbreitung an barem Geld erspart und was es gewonnen durch Erhaltung von Gesundheit und Leben. -- Wir fügen dieser Anerkennung nur noch den Wunsch bei, es möchte mit der Anzeige von Pockenerkrankungen zugleich die Mitteilung verbunden werden, ob die Befallenen Geimpfte oder Ungeimpfte sind. Besonders interessant und wichtig wäre eine bezügliche Antwort betreffend die 47 im Jahre 1894 an Pocken Verstorbenen, und das Volk würde vielleicht aufmerksam auf den Erfolg der Schutzpockenimpfung, der ihm sonst vielfach unbekannt bleibt.

A b s o n d e r u n g s h ä u s e r . Dem Berichte entnehmen wir, daß der Bundesrat im letzten Jahre Fr. 51,149. 94 an die Desinfektionsapparate und an 9 Absonderungshäuser resp. Desinfektionsanstalten Fr. 79,818. 30 Subvention zugesichert hat. Der Voranschlag für dieselben belief sich auf Fr. 405,155. Alle diese Anstalten werden von Hauptorten oder größern Ortschaften ausgeführt.

Wir vermissen auf dieser Liste jene kleinen Ortschaftea, welche als Grenzstationen, Ausgangspunkte von Eisenbahnen und wichtigem Verkehrsadern Absonderungshäuser nicht weniger nötig hätten, als die Städte. Es ist kein Zweifel, daß diese nur durch finanzielle Rücksichten an der Ausführung derartiger Projekte gehindert sind.

Es wäre daher sehr zu wünschen, daß ihnen durch reichliche
Unterstützung unter die Arme gegriffen werden könnte, und daß der Bundesrat auf Mittel und Wege bedacht wäre, denselben entgegenzukommen und die Erstellung von Absonderungshäusern zu ermöglichen.

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Es ist Ihnen bekannt, daß eine R e v i s i o n des E p i d e m i e n g e s e t z e s angestrebt wird in dem Sinne, daß auch die Diphtherie unter die gemeingefährlichen, ansteckenden Krankheiten zu subsumieren sei, und der Bundesrat stellt) im Berichte in Aussicht, die Räte um die zur Erhebung Über Ätiologie und Verbreitung dieser Krankheit nötigen Mitte] angehen zu müssen. Die Diphtherie hat einen so heimtückischen, für die Kinderwelt peruiciösen Charakter und ist in neuerer Zeit so allgemein verbreitet, daß dein Begehren nicht wohl eine abschlägige Antwort erteilt werden darf.

IV. Ausstellungen und Kongresse im In- und Auslande.

Das Berichtsjahr war besonders reich an internationalen, wissenschaftlichen Kongressen und der Bundesrat sah sich bewegen, mehrere derselben zu beschicken. Daß er von einer Abordnung an den Kongreß für Ausbreitung des Hochschulunten-ichts in London und an denjenigen betreffend Volksernährung in Antwerpen abstrahierte, war jedenfalls gerechtfertigt. Es tritt gar oft nicht klar zu Tage der Nutzeffekt dieser kostspieligen Missionen.

V. Werke der öffentlichen Gemeinnützigkeit.

4. Hebung der Kunst. Erhaltung vaterländischer Altertümer.

A. Hebung und Förderung der Kunst.

Es gehört zu den Aufgaben des Kulturstaates, daß er, besonders wenn seine finanziellen Kräfte es erlauben, wie dieses bei der schweizerischen Eidgenossenschaft der Fall ist, die freien Künste auf diese oder jene "Weise unterstützt. Der Bund erfüllt diesen Beruf, indem er die Staatsgebäude nicht nur zweckmäßig, sondern auch den Gesetzen der Schönheit gemäß erstellen und ausschmücken läßt; er unterstützt die Malerei, indem er Werke einheimischer Künstler erwirbt; er subventioniert vaterländische Denkmäler, und selbst die Zeugen der Geschichte und der Kultur früherer Jahrhunderte sucht er auf sehr anerkennenswerte Weise zu erhalten.

Hingegen können wir nicht übersehen, daß die schweizerische Presse sich hie und da sehr verschieden geäußert hat über den Wert der erworbenen Kunstgegenstände. Wie weit diese Aussetzungen berechtigt sind, entzieht sich dem Urteile Ihrer Kommission, indem uns die 1894 von der Kunstkommission erworbenen Gemälde der Ausstellung durchaus unbekannt sind.

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VI. Polytechnische Schule.

Das eidgenössische Polytechnikum in Zürich hat einen europäischen Ruf und mit vollem Recht wenden die Bundesbehördea dieser Lehranstalt alle Aufmerksamkeit zu, um sie nicht nur auf der bisherigen Höhe der Wissenschaft zu erhalten, sondern einen stetigen Fortschritt konstatieren zu können. Es ist daher jedenfalls nur zufällig, wenn die Frequenz der Berichtsperiode gegenüber dem Vorjahre um 5 Studierende abgenommen hat. Zwei Dinge aber rufen unserer Aufmerksamkeit, nämlich die Thatsache, daß 1894 die Ingenieurschule 21 neueintretende'Zöglinge weniger zählte als 1892/1893, und die chemisch-technische Abteilung 14, und zweitens, daß die Zahl der immatrikulierten Ausländer auf 309 Köpfe gesunken, d. h. um 39 zurückgegangen ist. Über die Ursache dieser Erscheinung giebt der Bericht keinen Aufschluß. Mutmaßlich ist sie begründet durch die Schwierigkeiten, welche im Auslande für die Aufnahme in den öffentlichen Dienst allen jenen bereitet werden, welche ihre Bildung an einer fremden Anstalt sich geholt haben.

Dagegen sind die Schweizer um so zahlreicher in die Linie gerückt, und mit 34 Mann haben sie so ziemlich die Lücken ausgefüllt.

Mindestens ist es für die Schweiz eine Ehre, daß diese eidgenössische Schule besonders ab selten ihrer Bürger von Jahr zu Jahr stärker besucht wird, und der schweizerische Charakter der Anstalt wird um so mehr und gewiß nicht zu deren Nachteil zur Geltung kommen.

3. Lehrerschaft.

Seit Jahren hat sich das Bedürfnis fühlbar gemacht, am Polytechnikum auch der Hygieine etwelche Aufmerksamkeit zuzuwenden, indem der bezügliche Unterricht an Docenten anderer Fächer übertragen wurde. Wenn sie auch ein specifìsch medizinisches Fach ist, so steht sie doch in so intimen Beziehungen zu zahlreichen, technischen Disciplinen, weil diese vielfach die ausführenden Organe der erstem sind, daß die Errichtung eines eigenen Lehrstuhles ein Gebot der Notwendigkeit ist. Der Bundesrat hat daher in lobenswerter Anerkennung dieses Bedürfnisses eine besondere Professur für Hygieine und Bakteriologie errichtet und eine solche für technische Chemie.

4. Unterricht.

Einem fernem Erfordernisse der Gegenwart, wo die Elektricität dem Dampfe die Oberherrschaft über die Maschine abzuringen strebt, sind die Behörden entgegengekommen, als sie die angewandte Elektrotechnik als neues Unterrichtsfach dem Lehrplau am Polytechnikum einfügten. Dadurch wird unsere höhere Lehranstalt denjenigen des Auslandes auf diesem Gebiete ebenbürtig ausgestattet.

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IX. Abteilung Bauwesen.

L Oberbauinspektorat, C. Allgemeines Wasserbauwesen.

3. Subventionen von Korrektionen und Verbauungen durch den Bundesrat.

a. Im Berichtsjahre sicherte der Bundesrat dreizehn Kantonen an ihre auf Fr. 1,421,668. 07 veranschlagten Kosten für Wasserbauten Fr. 586,650. 96 Subvention zu uud bezahlte an 18 Kantone zu gleichem Zwecke eine halbe Million und aus der Hülfsmillion Fr. 14,584. 85 und dem allgemeinen Schutzbautenfonds Fr. 3843.

Der Bundesrat ist diesbezüglich an für Fr. 12,376,357. 56 veranschlagten Korrektionen und Verbauungen um die Summe von Fr. 4,922,104. 67 verbindlich geworden, wovon Fr. 1,871,614. 07 bereits ausbezahlt sind. Er hat daher in der Folge noch für Fr. 3,050,490. 60 aufzukommen.

i. Subventionierung TOD Korrektionen und Verbauungen durch besondere Bundesbeschlüsse,

Vier Kantone erhielten im Jahre 1894 von der Bundesversammlung an ihre auf Fr. 2,575,000 devisierten Verbauungskosten Fr. 1,125,500 zugesprochen, und Fr. 2,319,224. 36 wurden an die Werke von 15 Kantonen ausbezahlt. Auf Schluß des Berichtsjahres verbleibt ein Subveutionsrest von Fr. 15,552,337. 94, nachdem bereits Fr. 5,951,462. 06 Beiträge geleistet worden sind. Der Kostenvoranschlag aller Werke belief sich auf rund dreiundvierzig und eine halbe Million, das Beitragsverhältnis mit Ausschluß der Rheinkorrektion auf 41,86 °/o.

Die Unterstützung dieser Arbeiten der Kultur im Schweizerlande erscheinen uns wichtig genug, daß wir davon Notiz nehmen zu sollen glaubten.

II. Direktion der eidgenössischen Bauten.

B. Hochbauten.

Es ist ferner von Interesse, zu konstatieren, daß der Bund 647 Gebäude besitzt, wovon 42 im Berichtsjahre erstellt wurden. Die größte Zahl davon, nämlich 421, beansprucht das Militärdepartement, am wenigsten das Landwirtschaftsdepartement, d. h. nur 2.

39 Unter den in Bau begriffenen Gebäuden nimmt an Wichtigkeit das Parlamentsgebäude den ersten Rang ein. Im August letzten Jahres schon wurde mit den Abbruch-, Brd- und Maurerarbeiten der Anfang gemacht und die Leitung Herrn Professor Auer übertragen, der auch den Plan dafür entworfen hat.

Zutreffend scheint Ihrer Kommission die Benennung zu sein, welche der Bundesrat dem Parlamentsgebäude und den beiden bereits bestehenden Bundesrathäusern gegeben hat. ,,Bundeshaus11 bezeichnet mit einem einzigen, kurzen Worte deutlich und klar die Bestimmung dieser drei vereinigten Bauten.

Bei der Erwerbung des Bauterrains stößt der Bund ab selten privater Liegenschaftsbesitzer auf so viele Schwierigkeiten, daß er beschloß, den Expropriationsweg zu beschreiten.

Endlich lesen wir im Geschäftsberichte, daß es dem Bundesrate noch nicht gelungen ist, mit der Stadt Genf wegen Unterbringung des Telegraphen uud Telephons einig zu werden. Obwohl das neue kostspielige Postgebäude hinlänglich Platz bieten würde, dort denselben aufzunehmen, so scheint die Lage des Gebäudes in der Nähe überaus hoher Häuser solches zu verunmöglichen, und die Eidgenossenschaft schickt sich an, entweder selbst ein neues Telegraphengebäude zu erstellen oder sich bei der Stadt Genf einzumieten. Ihre Kommission würde sehr bedauern, wenn sich nicht Mittel finden ließen, das neue Postgebäude zugleich auch für Telegraph und Telephon zu verwenden.

G. Industrie- und Landwirtschaftsdepartement.

I. -A-bteiliang.

Industrie.

II. Bundesgesetz betreffend die Arbeit in den Fabriken.

1. Unterstellung unter das Gesetz.

Die Zahl der dem Fabrikgesetz im Berichtsjahr neu unterstellten Etablissemente betrug 250 mit 3482 Arbeitern, gestrichen sind worden 210 mit 3616 Arbeitern. Es haben sich somit die unterstellten Etablissemente um 40 vermehrt, die Arbeiterzahl dagegen um 134 vermindert.

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Gegen die Unterstellung waren beim Departement nur 7 Rekurse eingelaufen, von denen 5 abgewiesen und 2 gutgeheißen wurden.

Von prinzipieller Bedeutung ist der im Berichte aufgeführte, gutgeheißene Rekurs c betreffend die Waschanstalt F. in L.

Die Kommission ist jedoch auch hier mit dem getroffenen Entscheide einverstanden.

2. Nacht-, Sonntags- und HUIfsarbeit.

d. Hülfsarbeit.

Wir sind auch hier mit dem getroffenen Entscheide wegen Nichtzulassung von Frauenspersonen zur Nachtarbeit in einem Etablissement vollständig einverstanden. Art. 15 dea Fabrikgesetzes verbietet die Nachtarbeit der Frauen in den Fabriken ohne Ausnahme; wenn nun auch im vorliegenden Falle scheinbar eine gewisse Härte gegenüber den betreffenden Arbeiterinnen vorliegt, so sprechen doch andere Umstände zwingend dafür, daß keine Ausnahmen zugelassen werden dürfen.

V. Kranken- und Unfallversicherung.

Die Entwürfe der zwei Bundesgesetze über Krankenversicherung und Unfallversicherung sind im Laufe des Berichtsjahres festgestellt und am Ende desselben dem Bundesrate vorgelegt worden, dagegen kounle die Botschaft zu denselben im Berichtsjahre nicht mehr beendigt werden. Infolge Erkrankung des bestellten Redaktors wurde die Fertigstellung bis heute verzögert, und werden die so wichtigen Bundesgesetze im laufenden Jahre jedenfalls höchstens noch von einem der Räte durchberaten werden können.

VI. Gewerbliche und industrielle Berufsbildung.

1. Subventionen an Berufsbildungsanstalten.

Es haben sich die Bundesbeiträge von Fr. 447,526 im Jahre 1893 auf Fr. 470,399 im Jahre 1894 erhöht, also um Fr. 22,873 vermehrt, eia günstiges Zeichen für die Anstrengungen, die in den Kantonen zur Hebung der gewerblichen und industriellen Berufsbildung gemacht werden.

Die durch das Departement getroffene Anordnung, daß sämtliche vom Bunde subventionierten Anstalten die schweizerische Landesausstellung in Genf mit ihren Leistungen zu beschicken haben, wird uns ein Bild über die Erfolge der verschiedenen Anstalten und der zugeteilten Subventionen bieten.

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TU. Ausstellungen im Inlande.

Die schweizerische Schulstatistik, wie sie vom Departement des Innern für die Landesausstellung in Genf aufgenommen werden soll, für welche Arbeit Fr. 30,000 vorgesehen sind, mag des Interessanten vieles bieten ; es ist dieselbe jedoch so weitläufig in den Fragen an die verschiedenen Schulen angelegt, und dazu mit Fragen, die auf die Verhältnisse einzelner Kantone oder Gemeinden, je nach deren Gesetzgebung, gar nicht passen, daß dieselben unmöglich überall richtig beantwortet werden können. Die Statistik wird somit, wenigstens in einzelnen Fragen, kaum auf absolute Zuverlässigkeit Anspruch machen .können.

II. Abteilung.

Landwirtschaft.

II. Landwirtschaftliches Unterrichtswesen und Versuchsanstalten.

Der Besuch der 4 theoretisch-praktischen Ackerbauschulen mit ganzem Jahresirnterricht bleibt sich seit Jahren so ziemlich gleich, während der Besuch der 4 landwirtschaftlichen Winterschulen von Jahr zu Jahr zunimmt. Es ist dies namentlich der Fall mit der ' Winterschule in Brugg, deren Schülerzahl von 36 im Jahre 1892/93 auf 64 im Jahre 1893/94 und für das Jahr 1894/95 sogar auf 84 gestiegen ist. Der wachsende Besuch dieser Winterschulen ist jedenfalls ein Beweis, daß auch unsere kleinern und nicht wohlhabenden Landwirte von dem Nutzen einer theoretisch-landwirtschaftlichen Bildung überzeugt werden. In die ständigen Ackerbauschulen können sie aber, abgesehen von dem größern Kostenpunkte, ihre Söhue nicht senden, weil sie dieselben während der Sommerarbeiten nicht wohl entbehren können; dagegen ist der Winter die Jahreszeit, in welcher der kleine Landwirt für die vorkommenden Arbeiten die Beihülfe seines Sohnes eher entbehren kann. Es verdienen deshalb die landwirtschaftlichen Winterschulen die volle Unterstützung von Bund und Kantonen.

Das (Bleiche ist der Fall mit den Weinbauschulen und Weinbauversuchsstationen, die durch unausgesetzte, rationell durchgeführte Versuche unserm durch mancherlei Feinde gefährdeten Rebbau eine große Stütze sein können.

ßnndesblatt. 47. Jahrg. Bd. III.

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Auch das landwirtschaftliche Versuchswesen verdient volle Unterstützung. Wie häufig kommen großartige Anpreisungen von der Ertragsfähigkeit fremder, einzuführender Kulturpflanzen; die Versuchsfelder der eidgenössischen und kantonalen Institute sollen nun dazu dienen, diese fremden Gewächse richtig zu erproben; die Landwirte werden dann in der Folge über den Wert oder Uuwert der neuen Kulturpflanzen aufgeklärt und so unter Umständen vor ganz bedeutendem Schaden durch voreilige Selbstanpflanzung bewahrt. (Sachalin-Knöterich und Waldplatterbse.)

III. Förderung der Tierzucht.

A. Hebung der Pferdezucht, Die Zahl der vom Bunde anerkannten Zuchthengste in den Kantonen hat etwas abgenommen, wahrscheinlich infolge des vom Bunde zur Benützung seitens der Kantone gehaltenen Hengstendepots.

In diesem Hengstendepot in Thun befanden sich Ende 1894: 5 Vollblut- und 13 Halbbluthengste mit einem Schatzungswerte von Fr. 115,000.

Die Benützung der beiden Kategorien von Depothengateu seitens der Pferdezüchter ist gestiegen, und zwar bei den Vollbluthengsten von 156 im Vorjahre belegten Stuten auf 243 im Berichtsjahre, bei den Halbbluthengsten von 256 auf 275.

Die bedeutende Steigerung der Benützung der Vollbluthengste muß einige Bedenken erregen. Es zeigen nämlich die Schauen der letzten Jahre, daß durch Kreuzung von schon stark veredelten oder auch von zu feingliedrigen, schmal- und hochgebauten Stuten mit Vollbluthengsten oft ganz bedenkliche Resultate zu Tage gefördert werden, Produkte, die sich weder für den Militärdienst, noch für den gewöhnlichen Zugdienst eignen und die nicht die Aufziehungskosten wert sind.

Durch solche Erfahrungen könnte nun leicht ein Widerwille gegen die Züchtung mit Vollbluthengsten und eine Entmutigung der Pferdezüchter überhaupt entstehen. Es wäre deshalb durchaus am Platze, das den Vollbluthengsten zuzuführende Stutenmaterial jeweils einer fachkundigen Auswahl zu unterwerfen. Nur starkgegliederte, tiefgewachsene, etwas, aber noch nicht zu stark veredelte Stuten sollten den Voilbluthengsten zugeführt werden dürfen.

Aus den bisher gemachten Erfahrungen dürfte hervorgehen, daß die Zahl unserer Vollblutdepothengste jedenfalls für Jahre hinaus dem Bedarfe unseres Landes vollständig genügen wird und keine Neuanschaffungen gemacht werden müssen.

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Was sodann die importierten Halbbluthengste anbetrifft, so möchte die Kommission auch hier betonen, daß nach den gemachten Erfahrungen bei den Fohlenschauen und Remontenankäufen es geboten erscheint, bei Neuankäufen mehr auf starkgliedrige, tiefgewachsene und nicht allzu hohe Hengste mit durchaus korrektem Gange zu sehen. Unser Land ist in seinem weitaus überwiegenden Teile nicht zur Zucht des Kavalleriepferdes geeignet, dagegen haben wir das Material und auch die Weiden zur Züchtung eines guten Artillerie- und Arbeitspferdes. Von den jährlich fallenden über 6000 Fohlen werden nun höchstens später 200 Pferde für den Militärdienst'angekauft, der große Überrest muß somit sonstwie verwertet werden. Wenn wir deshalb den Pferdezüohter nicht schädigen wollen, so müssen wir zur Verbesserung der Zucht Hengste auswählen, deren Kreuzungsprodukte auch marktfähig sind, und dies kann bloß geschehen, wenn wir in der Veredelung unserer Pferdezucht nicht allzu rasch vorwärtsschreiten wollen.

Zur Erreichung obigen Zieles ist es nun durchaus nicht nötig, wieder Hengste einer andern Rasse zu beziehen, ein solcher Wechsel könnte von bedenklichen Folgen sein; unter den Hengsten der Anglo-Normänner Rasse, von welcher Rasse wir nun seit vielen Jahren unser Hengstenmaterial bezogen, finden sich schon Produkte, die bei richtiger Auswahl dem Bedürfnisse für Hebung unserer Pferdezucht vollständig entsprechen.

3. Prämiierung.

Die Gesamtbeträge für die Fohlenprämiierung sind seit Jahren ungefähr die gleichen und bewegen sich im Rahmen der hierzu vorgesehenen Fr. 60,000.

Im Jahre 1895 wird insofern eine Änderung eintreten, da nach der Vollziehuugsverordnung zum Bundesgesetz betreffend Förderung der Landwirtschaft in Zukunft nur noch 2 Prämiierungsklassen vorgesehen sind, nämlich 2--3jährige Stutfohlen und 3--5jährige Stuten. Die bisherige Klasse l--2jährige Fohlen fällt aus; der Gesamtprämienbetrag, der erreicht werden kann, bleibt sich dagegen gleich.

6. Hufschmiedekurse mit Bundessubvention.

Diese nützlichen Institute sollten seitens der Kantone mehr angeordnet und zürn Besuche empfohlen werden. Es ist manchmal haarsträubend, wie seitens unverständiger Hufschmiede die Hufpflege gehandhabt und in kurzer Zeit ein von Geburt aus normaler Huf vollständig ruiniert, resp. damit ein wertvolles Pferd in ein fast wertloses umgewandelt wird.

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7. Depot Sjähriger Remonten.

Der Bericht über das Endresultat der 1894er Ankäufe ist nicht gerade schmeichelhaft für unsere Pferdezucht. Wenn von 50 angekauften, auserlesenen Fohlen nur 14 Stück von der Kavallerie haben übernommen werden können, von den übrigen 8 Stück der Pferderegieanstalt, 23 der Artillerie und 5 sonst verkauft werden mußten, ist dies kein günstiges Ergebnis.

Würden unsere Pferdezüchter vorgehen wie die Rindviehzüchter und stets nur mit den besten erzielten Produkten wieder weiterzüchten, statt die besten Produkte zu verkaufen und in der Hauptsache mit minderwertigem Material fortzuzüchten, so würde es mit der Verbesserung unserer Pferdezucht auch etwas rascher vorwärts gehen, als dies thatsächlieh gegenwärtig der Fall ist.

B. Bindviehzuoht.

Von den 1893 für das Jahr 1894 zugesicherten Beiprämien des Bundes an die Kantone für 2382 Zuchtstiere mit Fr. 179,187 sind im Jahre 1894 Fr. 165,390 für 2191 Stück zur Auszahlung gelangt; ebenso an Beiprämien für 707 Zuchtbestände Fr. 58,844. 34 gegenüber den zugesicherten Fr. 78,758. 70 für 792 Bestände.

An Hand des neuen Gesetzes wurden dann 1894 für 2458 Zuchtstiere die Summe von Fr. 207,474. 30 zuerkannt, gegenüber den Kantonalprämien für 2870 Stück mit Fr. 221,320. 30. -- Mehr zuerkannt gegenüber 1893 wurden somit an Bundesprämien für 76.

Stück Fr. 28,287. 30; an kantonalen Prämien dagegen bei eiuer Mioderzahl von 315 Stück ein Mehrbetrag von Fr. 19,058. 30.

An weiblichen Zuchttieren wurden 1894 prämiiert 5053 Stück mit Fr. 76,223. 75 Bundesbeitrag neben einem gleich hohen kantonalen Beitrage.

Für 751 Zuchtbestände beziehungsweise Familien mit 15,658 Stück wurden Fr. 91,961 Bundesprämien zuerkannt, wozu noch Fr. 25,531 kantonale Beiträge kommen.

Die bedingungsweise zugesicherten Beiträge an die Gründungskosten von Zuchtgenossenschaften belaufen sich auf Fr. 6340.

Für die ganze Position ,,Hebung der Rindviehzucht a betragen somit die im Jahre 1894 zugesicherten Prämien und Unterstützungen Fr. 381,998 oder cirka 95 °/o der im Budget jeweils vorzusehenden Minimalsumme.

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C. Kleinviehzucht.

Die 1894 zur Förderung der Schweinezucht zugesicherten Beiprämien für 611 Zuchteber betragen Fr. 13,800, welchen ein gleich hoher kantonaler Beitrag zur Seite steht.

Für 784 Ziegenböcke stellt sich der Bundesbeitrag an Prämien 1894 auf Fr. 7292. 50 bei gleich hohem Beitrage seitens der betreffenden Kantone.

IV. Verbesserung des Bodens.

Für dieses wichtige Moment zur Förderung der Landwirtschaft betragen die für 1894 zugesicherten Bundesbeiträge für 8l Unternehmen die Summe von Fr. 214,788. 80; zur Auszahlung gelangten 1894 inklusive schon früher zugesicherter Beiträge bei 139 Unternehmungen Fr. 195,405.

T. Yiehseuchenpolizei.

Wir entnehmen dem Berichte mit Genugthuung, daß die Fälle von Maul- und Klauenseuche im Berichtsjahre eine bedeutende Verminderung erlitten haben.

Würden die Vorschriften über Viehseuchenpolizei überall strenge gehandhabt, so würden sich die Fälle von ansteckenden Krankheiten wohl noch mehr vermindern, zum Wohle der einzelnen Viehbesitzer und des ganzen Landes. Die Bestrebungen des Departements, dahin zu gelangen, verdienen deshalb alle Anerkennung, namentlich auch gegenüber den Eisenbahnen bezüglich des Viehtransportes.

B. Grenzverkehr im allgemeinen.

Die ganz gewaltige Vermehrung der Vieheinfuhr im Betrage von cirka 46 Millionen Franken und von 376,214 kg. Fleisch gegenüber dem Vorjahre findet ihre Erklärung wohl fast einzig darin, daß im Vorjahre, dem Jahre der Futternot, ausnahmsweise viel Inlandsvieh geschlachtet worden ist, das durch Nachzucht und Zukauf wieder ersetzt werden muß. Die Mehreinfuhr wird sich bei normalen Jahren nach und nach wieder ausgleichen.

Zu bedauern ist, daß sich ein Teil unserer Metzger infolge der erwähnten Ausnahmsverhältnisse daran gewöhnt hat, den Bedarf an Schlachtvieh größtenteils im Auslande zu decken. Diese Auslandsware ist allerdings unserer Inlandsware im allgemeinen nicht gleichwertig, dagegen ist dieselbe billiger und mehr daran zu verdienen.

46 Aus diesem Grunde lassen die Metzger vielerorts unsere guten, aber etwas teurem Schlachtochsen stehen, zum Schaden nicht bloß des Bauern, sondern namentlich auch des Fleisch konsumierenden Publikums. Strenge Bestimmungen der Viehseuchenpolizei und Handhabung derselben gegenüber dem Viehverkehr mit dem Auslande, der uns die meisten Ansteckungen bringt, sind deshalb sehr am Platze.

YI. Maßnahmen gegen Schäden, welche die landwirtschaftliche Produktion bedrohen.

A. Phylloxéra.

Das Auftreten dieses furchtbaren Feindes unseres Rebbaus schreitet von Jahr zu Jahr vorwärts, trotz den großen Ausgaben von Bund und Kantonen zur Bekämpfung desselben. Immerhin dürfen die Anstrengungen zur Verhütung der Weiterverbreitung der Phylloxéra nicht nachlassen, da dadurch dieses Vorwärtsschreiten jedenfalls wenigstens ganz verlangsamt wird und die Weinbauern dadurch Zeit erhalten, sich für das Verhängnis vorzubereiten.

Die Versuche mit der Einfuhr amerikanischer widerstandsfähiger Reben als Unterlage für unsere edleren, weniger widerstandsfähigen Sorten dürfen natürlich nicht unterdrückt werden, dagegen sind hierbei strenge Bestimmungen und gewissenhafteste Kontrolle zu handhaben.

D, Massnahmen gegen die Futternot, Zur Milderung der 1893/94 eingetretenen Futternot sind von Bund und Kantonen Fr. 932,431. 25 ausgegeben worden, woran der Bund infolge eines Bundesbeschlusses die Hälfte mit Fr. 466,125. 62 beizutragen hatte. Hoffentlich wird dieser außergewöhnliche Bundesbeitrag nicht so bald wieder eintreten müssen.

III. A.bteilu.ng.

Forstwesen, Jagd und Fischerei.

A. Forstwesen.

Aus dem bezüglichen Berichte geht hervor, daß verschiedene Bestimmungen des eidgenössischen Forstgesetzes, trotz bald zwanzigjährigem Bestehen desselben, noch nir-ht in allen demselben unter-

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stellten Kantonen, namentlich bezüglich der Privatwaldungen, Nachachtung gefunden haben. Das Vorgehen des Departements, besonders auch in Bezug auf den Schutz der Hochwaldungen und Vorsicht bei Abschlagung derselben in den Schutzgebieten, ist sehr am Platze ; ebenso muß bei Verbauungen und neuen Aufforstungen rationell und mit Berechnung vorgegangen werden.

B. Jagd und Vogelschutz, a. Jagd.

Die Kosten der Wildhut in den Wildbannbezirken belaufen sich im Berichtsjahre auf Fr. 36,441. 55, woran der Bund ein Dvitteil mit Fr. 12,147. 18 beizutragen hatte.

Aus dem Berichte geht hervor, daß sowohl Haarwild als Federwild in den verschiedenen Bannbezirken an Zahl zugenommen hat; der nächste Bericht wird infolge des ausnahmsweise harten Winters leider wohl das Gegenteil zu verzeichnen haben.

b. Vogelschutz.

Noch immer herrschen die gleichen Klagen wegen des massenhaften Vogelmordes durch unsere sudlichen Nachbarn.

Bin Vorfall aus jüngster Zeit, der durch alle Zeitungen lief, wo drei Wagenladungen mit 90,000 Wachteln aus Sizilien über Basel und Deutschland nach England versandt wurden, weil Frankreich die Durchfuhr derselben verboten hatte, dürfte auch bei uns dazu führen, ein solches Verbot aufzustellen und dadurch einstweilen wenigstens etwas zur Eindämmung des massenhaften Vogelfanges im Süden beizutragen.

C. Fischerei.

Aus den verschiedenen Fischbrutanstalten sollen im Berichtsjahr 19,618,600 junge Fischchen verschiedenen Gewässern übergeben worden sein. Durch ein solches Vorgehen dürfte es möglich werden, auch unsere fischarm gewordenen Gewässer nach und nach wieder zu bevölkern, namentlich wenn seitens der dazu bestimmten Organe die fischereipolizeilichen Bestimmungen in allen Kantonen strenge gehandhabt werden.

Bezüglich der yerschiedenenorts angebrachten sogenannten Fischleitern sind Befürchtungen geäußert worden, ob dieselben wirklich ihrem Zwecke genügen.

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D. Departement des Auswärtigen.

I. .Abteilung.

Politische Abteilung.

I. Beziehungen zum Anslande.

Wir freuen uns, konstatieren zu können, daß im verflossenen Jahre die Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Auslande sehr gut gewesen sind ; diesen Verhältnissen ist es zu verdanken, daß wir zahlreiche Verträge abschließen konnten, von denen einige schon in Kraft getreten sind.

Wir erwähnen unter den wichtigsten : 1. Die D r e s d e n e r Sa n i t ä t s ü b e r e i n k u n f t vom 15. April 1893; 2. die Übereinkunft mit Deutschland, betreffend den g e g e n seitigen Patent-, Muster- und Markenschutz, vom 13. April 1892; 3. den H a n d e l s - und N i e d e r l a s s u n g s v e r t r a g m i t N o r w e g e n vom 22. März 1894.

Unter der Zahl der projektierten Verträge heben wir die von der Schweiz ausgegangene Anregung zum A b s c h l u ß einer i n t e r nationalen Union zur V e r ö f f e n t l i c h u n g der Verträge hervor.

Die auf die Initiative des Bundesrates hin einberufene, von achtzehn Staaten beschickte Versammlung hat sich damit begütigt, von der Vorlage des ihren Beratungen zu Grunde gelegten Programms und vom Berichte der zur Begutachtung desselben bestellten Specialkommission Kenntnis zu nehmen; aber sie konnte sich über das Prinzip der Schaffung einer internationalen Union zum besagten Zwecke nicht aussprechen. Die Abgeordneten werden ihren Regierungen die Aktenstücke und Berichte über diese Angelegenheit mitteilen.

Der Bundesrat wird sich die Frage überlegen, welche Folge dem vorliegenden Projekte gegeben werden soll, und wird der Angelegenheit stets die gebührende Aufmerksamkeit schenken; aber

49 es scheint uns aus den Verhandlungen hervorzugehen, daß die Ansichten über diese Sache noch sehr verschieden sind und daß das Projekt jedenfalls noch nicht reif genug ist, um schon in nächster Zeit der Ausführung entgegenzugehen.

Wir hoffen, der Bundesrat werde allem aufbieten, um die angefangenen Verhandlungen zum Abschluß von F r e u n d S c h a f t s - , Handels- und Nied er l assungs vertragen mit den süda m e r i k a n i s c h e n S t a a t e n , wo so viele unserer Landsleute wohnen, möglichst bald zu einem guten Ziele zu führen. Die V e r e i n i g t e n S t a a t e n B r a s i l i e n s , dieses von der Natur so reich ausgestattete Land, würden unserm Handel und unseren Ausfuhrindustrien ein weites Feld der Thätigkeit bieten.

Wir dürfen hoffen, daß solche Freundschafts- und Niederlassungsverträge den zahlreichen, in diesen fernen Ländern niedergelassenen Schweizern die ihneu gebührende Sicherheit für Leben und Eigentum bringen werden, während bis jetzt diese Sicherheit allzuoft durch jähen Regierungswechsel und Volksaufstände gefährdet war.

Im nämlichen Kapitel finden wir eine Darstellung des gegenwärtigen Zustandes der Si m p l o n d u r c h s t i c h s-Angelegenheit.

Wir gestatten uns, den Bundesrat zu ersuchen, nichts zu versäumen, um die Lösung dieser den Bund im höchsten Maße interessierenden Frage zu fördern. Für den größten Teil der Westsehweiz ist die Ausführung dieses Werkes von der allergrößten Bedeutung und wird als ein für das künftige Gedeihen notwendiger Faktor betrachtet; der S i i n p l o n d u r c h s t i c h kann daher als ein Hauptbestandteil des volkswirtschaftlichen Programms der französischen Schweiz betrachtet werden.

Nach nun schon mehr als dreißig Jahre andauernden Besprechungen, Unterhandlungen und technischen Studien scheint die Frage jetzt in ein neues und entscheidendes Stadium einzutreten, und ein großer Teil der Schweiz verfolgt mit dem lebhaftesten Interesse den Gang der Unterhandlungen, denen der Bundesrat gewiß seine volle Aufmerksamkeit widmen wird.

Was die Rubrik ,,besondere Fälle" anbelangt, so hat es uns gefreut, zu vernehmen, daß die Angelegenheil betreffend die S o l d und Pensionsrückstände der ehemaligen Schweizerr e g i m e n t e r in s p a n i s c h e n D i e n s t e n jetzt eine günstigere Wendung genommen hat, als der Wortlaut des
Berichts erwarten ließ. Die Schwierigkeiten, welche die Erledigung dieser Angelegenheit bietet, rühren von dem Umstände her, daß ein Teil der darauf bezüglichen Urkunden während des Feldzuges vom Jahre 1810 zu Grunde gegangen ist. Wir teilen die Hoffnung des ßundesrates, daß die spanische Regierung es sich angelegen sein lassen werde,

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eine Angelegenheit, die um so eher Interesse verdient, als sie mit der spanischen Nation teuern Erinnerungen im engsten Zusammenhange steht, in einer die Beteiligten zufriedenstellenden Weise zu Ende zu führen.

Wir müssen hier denjenigen Mächten unsern besten Dank aussprechen, welche auf das vom Bundesrat an sie gestellte Gesuch hin unsere im äußersten Osten niedergelassenen oder dort sich aufhaltenden Landsleute während des Krieges zwischen China und Japan unter ihren Schutz genommen haben ; es sind dies Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Rußland und die Vereinigten Staaten von Amerika.

Die sudamerikanischen Republiken, namentlich die vorgeschobenen Kolonien in denselben, sind noch immer der Schauplatz zahlreicher Gewaltthaten, und die Liste der Unglücklichen, welche schutzlos den organisierten Räuberbanden zum Opfer fallen, ist noch nicht geschlossen. Wir zählen auf die thatkräftige Vermittlung unserer diplomatischen Vertreter, damit unsern Landsleuten Hülfe und Schutz und eventuell ihnen oder ihren Familien der gebührende Schadenersatz zu teil wird. Wir hoffen insbesondere, die Beschwerde betreffend Ausrichtung einer angemessenen Entschädigung an die Erben des unglücklichen Lecoultre werde endlich eine den Grundsätzen des Rechts und der Billigkeit entsprechende Lösung finden.

Wie immer, hat es nicht an Grenzverletzungen in Tessin und Graubünden gefehlt. Was die zwei bei Comologno und bei Brusio vorgekommenen Fälle betrifft, so kann die Erledigung derselben als befriedigend angesehen werden. Mit Bezug auf den sehr bedauerlichen Zwischenfall auf der Tresa haben die in der Schweiz und in Italien durchgeführten Untersuchungen nicht zum gleichen Ergebnis geführt, was eben leider allzuhäufig vorkommt. Wir hoffen, es werde dem guten Willen der italienischen Regierung gelingen, die Wiederholung solch bedauerlicher und für die guten Beziehungen zwischen den Grenzbevölkerungen beider Länder nachteiliger Vorkommnisse zu verhindern.

Wir haben mit Erstaunen erfahren, daß die Übereinkunft vom 10. Juni 1891 betreffend die B e r e i n i g u n g der s c h w e i z e r i s c h französischen Grenze zwischen dem MontDolent und dem G e n f e r s e e vom französischen Senate noch immer nicht genehmigt worden ist. Diese Übereinkunft ist im Juni 1891 von der Bundesversammlung und im folgenden Jahre von der französischen Abgeordnetenkammer ratifiziert worden. Obgleich zwei Senatoren, die nacheinander als Berichterstatter in dieser Angelegenheit bezeichnet worden waren, verstorben sind, hätte dieselbe doch unserer

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Ansicht nach schon längst erledigt sein können, besonders da sie in keiner Weise streitig ist und zu keiner irgendwie ernsthaften Meinungsverschiedenheit zwischen den beidseitigen Grenzbereinigungsabgeordneten Anlaß geboten hatte.

II. Vertretung der Schweiz im Anstände.

In Ausführung des folgenden, vom Ständerate angenommenen Postulats : ,,Der Bundesrat wird eingeladen, zu prüfen, ob nicht die Kanzleien der schweizerischen Gesandtschaften und Berufskonsulate zur Rechnungslegung über die von ihnen bezogenen Gebühren zu verhalten seien", hat das Departement des Auswärtigen die schweizerischen Gesandtschaften und Konsulate im Ausland mittelst eines Kreisschreibens ersucht, ihm die nötige Auskunft zu geben, damit es die geeignet scheinenden Anträge formulieren könne.

Ohne uns über diese Frage in ihrer Hauptsache auszusprechen, beschränken wir uns darauf, festzustellen, daß der Bundesrat die passenden Maßregeln ergiffen hat, um obigem Postulat seiner Zeit in angemessener Weise Folge geben zu können.

III. Schweizerische Hülfsgesellschaften im l usi and e.

Wir wollen diesen Abschnitt nicht mit Stillschweigen übergehen, sondern den schweizerischen Hülfsgesellschaften, welche, von einem für sie sehr ehrenhaften patriotischen Gemeinsinn beseelt, auf die uneigennützigste Weise viele lausende unserer in der Fremde ins Elend geratenen Landsleute unterstützen und ihnen entweder den nötigen Beistand oder die Mittel zur Heimreise verschaffen, den wohlverdienten Dank aussprechen.

Die Gesamtausgaben dieser Gesellschaften beliefen sich im Jahre 1894 auf den ansehnlichen Betrag von Fr. 476,425. Die ihnen bewilligten Unterstützungen betrugen von Seiten des Bundes Fr. 23,000 und voa seilen der Kantone Fr. 24,820. Diese beiden Summen machen zusammen kaum den zehnten Teil der Opfer aus, welche diese so nützlichen und der allgemeinen Teilnahme würdigen Gesellschaften auf sich nehmen. Es ist dies nicht viel.

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V. Verschiedene Geschäfte.

Die Kommission teilt die Ansicht des Bundesrates mit Bezug auf das R e g l e m e n t ü b e r die H e i m b e f ö r d e r u n g h ü l f s b e d ü r f t i g e r S c h w e i z e r - a u s dem A u s i a n de und billigt die an demselben angebrachten Abänderungen. Die neue Art des Vorgehens bei der Bezahlung der Transporlauslagen für die auf schweizerischen Eisenbahnen und Dampfschiffen heimbeförderten Hülfsbedürftigen wird manche Mißbräuche verhüten, und viel Geld, das bis jetzt rein vergebens ausgelegt wurde, wird so in Zukunft besser angewendet werden.

Die italienische Regierung hat, dem Ansuchen des Bundesrates Folge gebend, angeordnet, daß die Inhaber von italienischen Schuldtitelu, in welchen ein fixer Zins ohne irgend welche gegenwärtige oder zukünftige Besteuerung vereinbart ist, auch in Zukunft diesen Zins ohne Abzug beziehen sollen. Wir erblicken hierin einen Akt der Höflichkeit sowohl als der Gerechtigkeit von selten der italienischen Regierung.

VI. Bürgerrechtsbewilligungen.

Die Zahl der Gesuche um Bewilligung zur Einbürgerung hat seit dem letzten Jahre etwas abgenommen (1114 statt 1149). Die bewilligten Gesuche beliefen sich auf 713 (775 im Jahre 1893); von diesen letztern sind 598 durch die Erteilung des kantonalen Bürgerrechts in Rechtskraft erwachsen.

Obgleich unser Land infolge der normalen Zunahme seiner einheimischen Bevölkerung nicht fremde Elemente in sich aufzunehmen braucht, um seine Volkszahl aufrecht zu halten, so ist es doch, namentlich im Interesse einiger Grenzkantone, wünschenswert, daß demjenigen Teil der ausländischen Bevölkerung, welcher dauernd in der Schweiz niedergelassen ist und im übrigen die gesetzlichen Bedingungen erfüllt, die Einbürgerung nicht allzusehr erschwert werde.

Vom gleichen Gesichtspunkte ausgehend, müssen wir die Revision des Bundesgesetzes vom 10. Juni 1879 über die K a n z l e i g e b l i h r e n unterstützen, und zwar zu dem Zwecke, daß bei den Gesuchen um Wiedererlangung des Schweizerbürgerrechts die Taxe von Fr. 35 je nach Umständen ganz oder teilweise erlassen wird.

Unserer Ansicht nach sollte diese Vergünstigung nicht bloß den Witwen schweizerischer Herkunft, die durch Heirat Ausländerinnen geworden sind., zu teil werden, sondern allen denjenigen Personen, .welche ihr früheres Schweizerbürgerrecht wieder zu

53 erlangen wünschen. Dio kantonalen Gesetzgebungen gewähren denen, welche durch die Not des Lebens gezwungen worden sind, vorübergehend eine andere Heimat zu suchen, gewisse Erleichterungen bei der Wiedererwerbung des ursprünglichen Heimatrechts; aber auch die Bundesgesetzgebung sollte für solche Fälle Vergünstigungen schaffen, zumal wenn es sich für den Bund nur um die Erlassung einer Kanzleigebühr handelt.

Die zwischen den Kantonen Freiburg und Genf entstandenen Schwierigkeiten verdienen die Beachtung der Bundesbehörden in dem Sinne, daß getrachtet werden sollte, allem, was zu Streitigkeiten zwischen den Eidgenossen Anlaß geben könnte, vorzubeugen.

Freiburg hat übrigens nur das ihm von seiner Gesetzgebung eingeräumte Recht geltend gemacht, und dieses gleiche Recht herrscht auch in einem Dutzend anderer Kantone, die ebenfalls nicht verlangen, daß ein Fremder sich vor seiner Einbürgerung im Kanton aufgehalten habe.

II. -A-bteilnng.

Handelsabteilung.

I. Handelsverträge und Zollverhältnisse mit dem Ausland.

Die Anstrengungen einiger einflußreicher Männer bei unsern französischen Nachbarn, eine Wiederaufnahme normaler Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und Frankreich herbeizuführen, haben zur Schaffung einer Union geführt, die unsere volle Sympathie verdient. Es ist selbstverständlich, daß wir dieser Vereinigung den besten Erfolg wünschen und hoffen, es werde ihr gelingen, einen Umschwung in der öffentlichen Meinung herbeizuführen zu gunsten des Abschlusses eines Handelsvertrags zwischen zwei Ländern, die in gleicher Weise unter dem Abbruch der frühem Handelsbeziehungen leiden.

Frankreich wird nicht weniger als wir von dem gegenwärtigen Stand der Dinge betroffen; denn der Wert der Einfuhr aus diesem Lande nach der Schweiz ist von 1890 bis 1893 von 207 auf 102 Millionen gesunken (Unterschied 105 Millionen), während der Wert der schweizerischen Einfuhr nach Frankreich während des gleichen Zeitraums von 123 auf 72 Millionen, also um 51 Millionen, zurückgegangen ist.

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Es ist Zeit, daß dieser bedauerliche Zustand ein Ende nehme, denn wie der letztjährige Bericht der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission sehr richtig sagte, ,,je länger mit dem Abschluß einer Übereinkunft gezögert wird, um so schwieriger wird derselbe werden; denn in der Zwischenzeit entstehen infolge der angewendeten Tarife neue Unternehmungen, welche Berücksichtigung verlangen und die Verständigung erschweren".

Mit Rücksicht auf unsere Handelsbeziehungen zu Frankreich haben wir die vom Bundesrate unterm 23. Februar 1895 getroffene glückliche Lösung der Frage betreffend die zollfreien Zonen von Hochsavoyen und der Landschaft Gex mit Befriedigung begrüßt. Die Prüfung dieses Geschäfts, das von den eidgenössischen Räten in ihrer letzten Frühlingssession in genehmigendem Sinne erledigt worden ist, gehört übrigens nicht in den Rahmen des Geschäftsberichts pro 1894.

Der wirklich überraschende Aufschwung, den die Einfuhr von Wein aus Spanien genommen hat, verdient eine besondere Erwähnung. Von 100,000 Hektolitern im Jahre 1890 ist diese Einfuhr im Jahre 1894 auf 412,000 Hektoliter gestiegen und hat so auf einmal die Einfuhr unserer frühern Lieferanten Frankreich und Italien überflügelt. Anderseits konstatieren wir mit Bedauern, daß unsere Ausfuhr nach Spanien stufenweise abnimmt und von 10, 12 und 11 Millionen in den drei vorhergehenden Jahren auf 9 Millionen im Jahre 1893 gesunken ist.

IV. Kommerzielle Berufsbildung.

Die Anzahl der Handelsschulen beläuft sich noch immer auf folgende sechs : Bern, Chaux-de-Fonds, Genf, Neuenburg, Solothum und Winterthur. Im nächsten Jahre soll auch in Luzern eine derartige Anstalt eröffnet werden. Wir freuen uns hierüber, fragen uns aber, ob die Zahl dieser Anstalten nicht noch mehr zunähme, wenn die Eidgenossenschaft ihre Anforderungen an dieselben etwas ermäßigen wollte. Unter allen Umständen, scheint es una, sollte das für den Eintritt in diese Anstalten festzusetzende Altersjahr als eine untergeordnete, innerhalb der Kompetenz der zuständigen Orts- oder Kantonsbehörden liegende Angelegenheit betrachtet werden, insbesondere angesichts der sehr erheblichen Übelstände, welche, wie von verschiedenen Seiten hervorgehoben worden ist, eine allzu stnimme Reglementsvorschrift hierüber mit sich brächte.

Die beste zu beobachtende Regel ist unserer Ansicht nach die, daß die Kandidaten durch eine abzulegende P*fung den Beweis

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leisten, daß sie die genügenden Fähigkeiten besitzen nach Maßgabe von Art. 2, litt, b, des Reglements.

Die dieses Jahr zum erstenmal vorgenommenen Lehrlingsprüfungen können als eine glückliche Neuerung betrachtet werden, von der wir den besten Erfolg erhoffen dürfen.

VII. Handelsreisende.

Das Erträgnis der Patenttaxen ist von Fr. 310,650 im Jahr 1893 auf Fr. 209,200 im Jahr 1894 gesunken, und das nämliche Verhältnis erzeigt sich natürlich auch mit Bezug auf die Zahl der ausgefertigten Taxkarten.

T a x f r e i e Karten: 16,163 gegenüber 18,250 im Jahre 1893; Unterschied 2087.

T a x p f l i c h t i g e Karten: 1456 gegenüber 1893 im Jahre 1893 ; Unterschied 437 ; es wurden nämlich 252 Karten weniger ausgefertigt an Ausländer und 185 weniger an Schweizer.

Der Bericht giebt als Grund dieser Verminderung nur die mit Frankreich abgeschlossene Vereinbarung an, vermöge welcher die französischen Handelsreisenden den schweizerischen gleichgestellt worden sind. Dieser Umstand erklärt wohl die Verminderung der Einnahmen; aber der Grund, warum das Jahr 1894 2524 Handelsreisende weniger aufweist als das Vorjahr, bleibt unaufgeklärt.

Eine bemerkenswerte Einzelheit, die wir bei dieser Statistik hervorzuheben haben, ist die beträchtliche Zahl der Reisenden, welche in Nahrungs- und Genußmittela Geschäfte machen; sie allein bilden 43 °/0 der Gesamtzahl. Der Weinhandel steht mit 2792 Reisenden in erster Linie.

IIÏ. A-bteilung.

Auswanderungswesen.

Die Zahl der Auswanderer hat im letzten Jahre 3849 betragen und damit den niedersten Stand seit 1879 erreicht, wobei zudem noch hervorzuheben ist, daß mehr als der vierte Teil dieser Auswanderer (986) nicht Schweiaerbürger waren. Wir freuen uns über diese Abnahme, die der Bericht den schlimmen Wirtschaft-

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liehen Verhältnissen zuschreibt, in denen sich die sonst vom Strome unserer Auswanderung bevorzugten Länder befinden. Wenn wir auch die große Bedeutung dieses Motivs nicht verkennen, so glauben wir doch, daß der mehr oder weniger günstige Stand unserer Landwirtschaft und unserer Industrie einen nicht geringern Einfluß auf die Entschließungen unserer sonst zur Auswanderung geneigten Bevölkerung ausübt. Von diesem Gesichtspunkte aus können wir aus dieser Statistik den Schluß ziehen, daß die allgemeine Lage unseres Landes im Jahre 1894 eher günstig gewesen ist.

Das Studium der Kolonisationsprojekte ist eine der wichtigsten Aufgaben des Auswanderungsamtes. Das Ziel der Gründer solcher Kolonisationsunternehmungen ist in der Regel die Anlockung eines starken Auswandererstroms nach bis jetzt schwach oder gar nicht bewohnten Gegenden, wo alles neu geschaffen werden muß und gerade deswegen die ersten Anfänge fttr den Ansiedler mehr Mühen und Schwierigkeiten darbieten als anderwärts. Die Verkehrsmittel fehlen fast stets, und die klimatischen und Bodenverhältnisse des Landes sind selten genügend bekannt. Im Falle des Mißlingens ist das Unheil um so größer, als die Kolonisten, die sich alle in der gleichen Lage befinden, einander nicht gegenseitig aushelfen können.

Es ist die Aufgabe des Auswanderungsaml-es, gründliche Erkundigungen über die guten oder schlechten Aussichten derartiger Unternehmungen einzuziehen, um auswanderungslustigen Personen Auskunft geben oder sie vor den trügerischen Versprechungen gewisser Kolonisationsprospekte warnen zu können.

Wir erkennen gerne die gute Einrichtung des Amtes an und glauben, daß dasselbe unserer Bevölkerung vorzügliche Dienste leisten kann, vorausgesetzt allerdings, daß es jede Bekanntmachung von Nachrichten vermeidet, die irgend jemand, auch die Unentschlossenen, zur Auswanderung veranlassen könnten. Andererseits halten wir es für angezeigt, daß das Amt die Umtriebe der Agenten, welche die ländlichen Gegenden durchstreifen, um möglichst viel Verträge abzuschließen und dann natürlich auch viele Provisionen einzuziehen, unnachsichtlich unterdrückt. Diese Strenge ist jetzt noch notwendiger, weil die gegenwärtig von den Auswanderungsgesellschaften gebotenen Garantien und die Aufsicht, welcher diese Gesellschaften nach Maßgabe der diesbezüglichen bundesgesetzliehen Vorschriften unterstellt sind, ihren Agenten einen Einfluß und eine Bedeutung verschafft haben, die sie früher nicht besaßen.

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IV. Abteilung.

Amt für geistiges Eigentum.

Die von diesem Amte an Schweizer erteilten Hauptpatente zum Schutze der Erfindungen beliefen sich auf 574, also auf 33 mehr als im vorigen Jahr.

Dagegen ist die Zahl der an Ausländer erteilten Patente gleicher Art von 1107 auf 1101 zurückgegangen.

In der Zahl der Personen, welche die in vielen Gemeinden öffentlich aufgelegten Publikationen des Amtes benutzen, macht sich, wie der Bericht sagt, ein Fortschritt bemerkbar. Das Amt thut sein möglichstes, um die Gewerbetreibenden auf den Nutzen des Besuches dieser Sammlungen hinzuweisen -- wir begrüßen dieses Vorgehen.

Was die gewerblichen Muster und Modelle anbelangt, so müssen wir die sehr starke, auf das Ansuchen der Stickereiindustrie bewilligte Herabsetzung der Hinterlegungs- und Verlängerungsgebühren erwähnen. Diese Reduktion hatte die sofortige Zunahme der Hinterlegungen von 307 auf 682 und der hinterlegten Muster und Modelle von 8670 auf 25,765 zur Folge, ein Resultat, das hauptsächlich von der Beteiligung der Stickereiindustrie herrührt.

V. A-bteilung.

Eidgenössisches Amt für Gold- und Silberwaren.

Wir haben dieses Amt besucht und dort eine nach unserer Ansicht vollkommene Ordnung gefunden. Die Zahl der Kontrollämter, auf die sich seine Aufsicht erstreckt, beläuft sich auf 12.

Die Anzahl der gestempelten goldenen und silbernen Uhrgehäuse ist im letzten Jahre um 75,879 gestiegen, somit auf 2,439,947.

Dabei ergab sich eine Vermehrung von 86,732 für die silbernen und eine Verminderung von 10,853 für die goldenen Uhrgehäuse.

Der Wert der gestempelten Waren und der einer Probe unterzogenen Barren beziffert sich jährlich auf ungefähr 40 Millionen Franken, wobei zu bemerken ist, daß die in den gestempelten Gehäusen angebrachten Uhrwerke, die ungefähr den gleichen Wert repräsentieren, nicht mitgerechnet sind.

Bundesblatt. 47. Jahrg. Bd. 1IÏ.

5

58 Die Aufsicht über den Handel mit Gold- und Silberabfällen hat sich auf 94 Käufer, Schmelzer und Probierer und auf 7270 Käufer erstreckt. Der für diese Abfälle bezahlte Preis betrug Fr. 2,969,256, also Fr, 160,787 weniger als im letzten Jahr. Auf Chaux de-Fonds allein kommt beinahe die Hälfte dieses Handels; nachher folgen Biel, Locle und Genf.

Tramlingen ist der Hauptmittelpunkt für die Fabrikation gestempelter Uhrgehäuse, Chaux-de-Fonds derjenige für die Herstellung goldener Uhrschalen.

Mit Bezug auf Bijouterie- und Goldschmied waren nimmt Schaffhausen mit 25,478 kontrollierten Gegenständen die erste Stelle ein; dann kommen Biel mit 6928 und Genf mit 5219 kontrollierten Gegenständen.

E. Justiz- und Polizeidepartement.

A. Justizwesen.

I. Gesetzgebung.

1. Das B u n d e s g e s e t z b e t r e f f e n d E r g ä n z u n g des B u n d e s g e s e t z e s ü b e r d a s B u n d e s s t r a f r e c h t v o m 4 .F e bruar 1853 ist am 25. Juli 1894 in Kraft getreten. Glücklicherweise lag im Jahr 1894 kein Anlaß zur Anwendung desselben vor.

3. Der bundesrätliche Bericht giebt sehr eingehende und interessante Auskunft über den Fortgang der Vorarbeiten für ein s c h w e i z e r i s c h e s S t r a f g e s e t z b u c h und kündigt uns an, daß die vom Departement ernannte Expertenkommission ihre Arbeiten noch in diesem Jahre zu Ende fuhren werde. Ihre Kommission verdankt die lebhafte Thätigkeit, welche das Departement und die von ihm zur Vorbereitung dieses bedeutsamen Werkes einberufenen vorzüglichen Hülfskräfte entfaltet haben.

4. Was den Entwurf zu einem s c h w e i z e r i s c h e n Ci v i l g e s e t z b u c h anbetrifft, so scheinen diese Arbeiten einen langsamem und schwierigem Fortgang zu nehmen, was aber bei den großen Hindernissen, welche in unserm Lande mit seinen so ausgesprochenen Unterschieden im Rechtswesen der Vereinheitlichung des Civilrechtes im Wege stehen, nichts Überraschendes an sich hat.

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Wir sind dem Departemente sehr zu Dank verpflichtet dafür, daß es die Kantonsregierungen zur Äußerung ihrer Ansicht über das bei der Ausarbeitung des Vorentwurfes zu einem schweizerischen Civilgesetzbuch zu beobachtende Verfahren eingeladen hat. Wir bedauern nur, daß mehrere Kantone dieser Einladung noch keine Folge gegeben haben, was nicht gerade von guter Vorbedeutung ist für die Aufnahme, die dem Entwurfe selbst au teil werden wird.

Dieser geringe Eifer scheint nicht darauf hinzudeuten, daß in den meisten Kantonen die Vereinheitlichung des Ci v il r e c h t s als etwas Dringliches betrachtet werde. Unter allen Umständen liegt hierin der Beweis, wie sehr das Departement recht hat, indem es sagt, daß ,,in dieser hochwichtigen Sache nichts überstürzt, vielmehr alles genau geprüft werden solle a .

Ihre Kommission teilt vollkommen diese Ansicht und hält es als das beste Mittel, um etwaige in den Kantonen vorhandene Befürchtungen und vorgefaßte Meinungen mit Bezug auf dtis ,,schweizerische Civilgesetzbuch" zu beseitigen, wenn die Kantonsbehörden hinsichtlich der Vorarbeiten auf dem Laufenden erhalten und ihnen die verschiedenen Teile des Entwurfs vor der definitiven Feststellung mitgeteilt werden. Die Kantone können dann ihre Wünsche und Bemerkungen rechtzeitig vorbringen und geltend machen, und der Erfolg des Werkes wird auf diese Weise nur noch besser gesichert.

II. Schnldbetreibuug und Konkurs.

Die Frage der Übertragung der Oberaufsicht über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen ans Bundesgericht ist gegenwärtig bei den eidgenössischen Räten anhängig und wird wahrscheinlich im Laufe des Jahres 1895 ihre Lösung finden. Wir haben uns daher hier nicht damit zu befassen.

Die Zahl der dem Bundesrate eingereichten Rekurse ist noch immer bedeutend (230). Dagegen zeigt die Anzahl der von Behörden und Privaten gestellten Anfragen juristischen Inhalts eine allmähliche Abnahme (1892: 610; 1893: 501; 1894: 399).

Der Gegensatz zwischen den gegenüber Mietern oder Pächtern ausgeführten Pfändungen einerseits und der Ausübung des Retentionsrechtes andererseits giebt immer noch zu ziemlich zahlreichen Streitigkeiten Anlaß. Dieser Zustand wird fortdauern, bis der Gegenstand auf gesetzgeberischem Wege geordnet sein wird.

Die Kantone Graubünden und Tessin haben beim Bundesrate eine Revision des Gebührentarifs in Schuldbetreibungs- und Konkurssaehen angeregt. Dieses Begehren ist den andern Kantonen

60 mitgeteilt worden ; es haben sich aber noch nicht alle darüber ausgesprochen.

Ohne die Frage einer eingehendem Prüfung zu unterwerfen, glauben wir doch, daß der Tarif mit Bezug auf die großen Schuldforderungen unbedenklich erhöht werden könnte. Der gegenwärtige Tarif genügt nicht, um die Betreibungsbeamten und ihr Bureaupersonal ausreichend zu entschädigen.

Auch wäre es am Platze, die Honorare der K o n k u r s Verwaltungen in bestimmterer Weise festzusetzen. Der Artikel 50 des Tarifs sagt bloß, daß diese Honorare von der Gläubigerversammlung unter Vorbehalt des Rekurses an die Aufsichtsbehörde festgesetzt werden ; aber die Erfahrung hat, gezeigt, daß diese Garantien nicht genügten, um Mißbräuche zu verhindern. Es wäre am Platze, entweder einen Tarif aufzustellen oder die Kontrolle der Aufsichtsbehörde als obligatorisch zu erklären, denn das Rekursrecht in diesen Dingen ist in Wirklichkeit beinahe illusorisch.

Wir haben ferner die Bemerkung gehört, das System der ganz privaten, ohne jede Mitwirkung der Behörde vorgenommenen Verwaltung der Konkursmassen durch die Gläubiger biete Übelstände und sogar Gefahren dar. Es scheint wirklich, daß die Liquidation der Konkursmassen, im Interesse der Gläubiger sowohl als im öffentlichen Interesse, unter der Leitung und der unmittelbaren Aufsicht der Behörden stattfinden sollte. Wie wir schon mit Bezug auf die Honorare der Konkursverwaltungen angeführt haben, ist die Kontrolle der Aufsichtsbehörde, die erst auf eine Beschwerde hin stattfindet, mehr theoretischer als thatsächlicher Natur. Die Aufsichtsbehörde kann nur die ihr zur Anzeige gebrachten Mißbräuche unterdrücken; sie ist aber nicht im stände, dieselben zu verhüten.

Wir gestatten uns, die Aufmerksamkeit des Departements und des Bundesrates auf diese Frage zu lenken; denn wir sind Uber/eugt, daß es nicht von gutem ist, wenn die Liquidation der Konkursmassen sich ohne jegliche amtliche Aufsicht vollzieht. Es geschieht dies jetzt bei den meisten wichtigen Konkursfällen -- die Liquidation derselben wird in der Regel von der ersten Gläubigerversammlung eiuem besondern Verwaltungsausschuß übertragen. Würde es sich dabei auch nur um die Beobachtung der in Artikel 270 des Gesetzes aufgestellten Frist von 6 Monaten handeln, so wäre es doch gut, wenn das Betreibungsamt und die Aufsichtsbehörde über den ganzen Gang der Liquidation fortwährend unterrichtet würden.

Die bloße Einreichung eines Schlußberiehts genügt nicht.

61 III. Internationales Privatrecht.

Der Bericht des Departements giebt iti sehr interessanter Weise Auskunft über den im Haag in den Jahren 1893 und 1894 abgehaltenen Kongreß, welcher den Zweck hatte, zu einer Vereinbarung über die hauptsächlichsten Teile des internationalen Privatrechts zu gelangen, um die so häufigen und gegenwärtig noch unlösbaren Konflikte auf diesem Gebiete zu vermeiden und zu regeln.

Die Konferenz vom Jahre 1891 hat zur Annahme von fünf Entwürfen geführt; dieselben beschlagen: I. Ehe, II. Vormundschaft, III. Verfahren in Civilrechtsstreitigkeiten, IV. Konkurs, V. Erbfolge, Testamente und Schenkungen von Todes wegen.

Da wir den Inhalt dieser Entwürfe nicht kennen, so können wir keinerlei Meinung darüber abgeben, wie groß die Aussichten sind, daß dieselben von den verschiedenen beteiligten Staaten im allgemeinen und von der Schweiz im besondern angenommen werden.

Wir gewärtigen die fernem Mitteilungen des Bundesrates über diesen Gegenstand.

IV. Gewährleistung von Kantonsverfassungen.

Die Totalrevision der Verfassung des Kantons Zug, Partialrevisionen der Verfassungen von Freibuvg und Glarus, sowie Verfassungsgesetze der Kantone Genf. Tessin und Zürich haben die Bundesgarantie erhalten. Da diese Geschäfte in den Räten behandelt worden sind, so haben wir keine Bemerkungen darüber zu machen.

Y. Civilstand und Ehe.

2 l. Wir schließen uns vollkommen den Bemerkungen des Departements an bezüglich der Förmlichkeiten, denen die britische Regierung die Eintragung der Geburts- und Totenscheine, sowie die Verehelichung britischer Unterthanen in der Schweiz unterwirft, und nehmen Vermerk davon, daß diese Förmlichkeiten für die schweizerischen Civilstandsbeamten und Aufsichtsbehörden nicht verbindlich sind.

2 c. Ein neues Kreisschreiben ist an die Kantonsregierungen abgegangen mit Bezug auf die V e r e h e l i c h u n g von in d e r Schweiz niedergelassenen Angehörigen des Großh e r z o g t u m s B a d e n . Diesem Kreisschreiben gemäß sind die badischen Staatsangehörigen verpflichtet, für die Bekanntmachung

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ihres Eheversprechens im Großherzogtum Baden s e l b s t besorgt zu sein und gleichzeitig den b a d i s c h e n B e h ö r d e n den Beweis zu liefern, daß die im deutschen Civilrecht aufgestellten Eheerfordernisse erfüllt sind. Infolge dieser Verordnung weigern sich die badischen Civilstandsbeamten, die von schweizerischen Civilstandsbeamten an sie gerichteten, badische Angehörige betreffenden Eheversprechen zu verkünden, sogar dann, wenn die Braut eine Badenserin ist. Es ist daher die Verheiratung von Badenseru in der Schweiz sehr erschwert worden, und dieser Zustand steht nicht im Einklang mit der schweizerisch-deutschen Vereinbarung vom 6. Juni 1886, welche den Zweck hat, die Eheschließung von Angehörigen beider Länder zu erleichtern.

Die Eheschließung von in der Schweiz wohnenden deutschen Staatsangehörigen wird gegenwärtig durch den Inhalt von fünf Kreisschreiben geregelt, die unterm 12. Februar 1884, 31. Januar 1887, 21. Dezember 1889, 28. Januar 1890 und 31. Dezember 1894 (mit Bezug auf die Badenser) erlassen worden sind. Unsere Civilstandsbeamten haben große Mühe, sich unter allen diesen Vorschriften zurecht zu finden, und es wäre sehr wünschenswert., wenn ein g l e i c h f ö r m i g e s u n d d e f i n i t i v e s V e r f a h r e n m i t Deutschland vereinbart werden könnte. Später wird vielleicht, wie vorhin erwähnt, ein internationales Übereinkommen getroflen werden.

5. Die Frage der V o r n a m e n giebt noch immer zu mannigfaltigen Deutungen Anlaß. Was die Z a h l der Vornamen anbelangt, so teilen wir die Ansicht des Departements, daß dieselbe zwar nicht in gesetzlicher Weise beschränkt werden kann, daß aber die Civilstaudsbeamten und nötigenfalls die Aufsichtsbehörden darauf hinwirken sollen, daß diese Zahl sich in bescheidenen Grenzen halte.

Das Vorhandensein einer großen Anzahl von Vornamen, verbunden mit der Möglichkeit, jeden derselben abwechslungsweise als Rufnarnen anzuwenden, kann gewiß, mag man die Sache vom polizeilichen oder vom kaufmännischen Standpunkt aus betrachten, zu Mißbräuchen führen und ist auf jeden Fall geeignet, Irrtumer in den Civilstandsakteu hervorzurufen.

Was die W a h l der Vornamen anbelangt, so wird im Handbuch für Civilstandsbeamte die Anwendung lächerlicher oder beleidigender Namen mit Recht als verwerflich bezeichnet. Dagegen steht darin nichts mit
Bezug auf die Verwendung von Familiennamen als Vornamen. Solange die den Kindern als Vornamen gegebenen Familiennamen ausschließlich Namen von großen Männern oder Wohlthätern der Menschheit waren, brachte diese Sitte keine Übelstände mit sich. Es ist aber der Brauch aufgekommen, alle möglichen Familiennamen als Vornamen anzuwenden. Das ist nun

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schon eine streitigere Sache, und man begreift leicht, zu welcher Verwirrung in Civilstandsangelegenheiten und im Geschäftsleben diese Mode führen würde, wenn sie allgemeiner werden sollte.

Es wäre unserer Ansicht nach am Platze, diese ganze Materie einer neuen Prüfung zu unterwerfen und sie unter Umständen bis zu einem gewissen Grade durch eine Verordnung zu regeln.

11. Der Bericht des Departements erwähnt, daß in häufigen Fällen schweizerische Angehörige, denen das schweizerische Gesetz die Ehe verbietet und die sich in der Schweiz nicht hätten verheiraten können (Stiefvater und Stieftochter, Oheim und Nichte), sich im Ausland trauen lassen.

Das Departement ist der Ansicht, daß diese Ehen gemäß Art. 54 des Gesetzes gültig seien und daß folglich die Eintragung derselben in die schweizerischen Eheregister nicht verweigert werden könne.

Wir können uns dieser Ansicht nicht ohne weiteres anschließen.

Allerdings sagt Art. 54 der Bundesverfassung: ,,Die im Auslande nach "der dort geltenden Gesetzgebung abgeschlossene Ehe soll im Gebiete der Eidgenossenschaft als Ehe anerkannt werden", und Artikel 54 des Bundesgesetzes betreffend den Civilstand und die Ehe lautet: ,,Eine im Ausland unter der dort geltenden Gesetzgebung abgeschlossene Ehe wird nur dann als ungültig erklärt, wenn die dagegen erhobene Nichtigkeitsklage sowohl nach der Gesetzgebung, unter welcher die Ehe abgeschlossen wurde, als nach dem gegenwärtigen Gesetze begründet ist." Es scheint uns aber, diese Bestimmungen beziehen sich auf die Beobachtung der formellen Bedingungen und auf die Anwendung der Regel l o c u s r e g i t a c t u m , und nicht sowohl auf die Fragen der Ehefähigkeit. In diesen rein persönlichen Dingen sind die Schweizer ihrer heimatlichen Gesetzgebung unterworfen, selbst im Auslande. Die Schweiz selbst anerkennt und befolgt diesen Grundsatz mit Bezug auf die Ausländer, die sich in unserm Lande verheiraten.

Wenn aber auch den Artikeln 54 der Bundesverfassung und des Bundesgesetzes betreffend den Civilstand und die Ehe eine so weitgehende Bedeutung zukommen sollte, wie dies nach der Ansicht des Bundesrates der Fall wäre, so halten wir doch unter allen Umständen dafür, daß diese Vergünstigung nur für Ehen von regulär im Auslande n i e d e r g e l a s s e n e n Schweizern gelten sollte und nicht für Ehen von Schweizern,
-die sonst in der Schweiz wohnhaft sind und nur zum Eheabschluß ins Ausland gehen, um so das Gesetz ihres Landes zu umgehen.

12, 13 und lé. Der Bericht des Departements erwähnt dieses Mal keine religiösen Trauungen, die von schweizerischen Geistlichen

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,,auf Delegation" ihrer Busländischen Kollegen und ohne vorgängige Civiltrauungen vorgenommen worden wären ; dagegen erfahren wir daraus, daß ein schweizerischer Geistlicher einen deutschen Amtsbruder zur Einsegnung der Ehe eines nicht bürgerlich getrauten Schweizers ,,delegiert" und daß ein anderer Geistlicher nicht zwar die Ehe, wohl «ber die Verlobung zweier französischen Staatsangehörigen eingesegnet hat, wofür ihm sogar die Ehre einer Berichterstattung im ,,Figaro" zu teil geworden ist.

Im erstem Fall hat das Departement die Eintragung der Ehe in das schweizerische Register verweigert, im zweiten hat es dem schweizerischen Geistlichen sein Bedauern ausgesprochen. Wir glauben hier an den Wunsch erinnern zu sollen, den die nationalrätliche Kommission bei Anlaß des Geschäftsberichts pro 1891 ausgedrückt hat, ,,es möchten in Zukunft die nötigen Maßnahmen getroffen werden, um die Wiederholung derartiger Verstöße zu verhindern und dieselben nötigenfalls zu ahnden u .

15 und 16. F a l s c h e L e g i t i m a t i o n e n , das heißt Legitimationen unehelicher Kinder durch die nachfolgende Ehe der Mutter mit einem andern Manne als mit dem natürlichen Vater des Kindes, kommen noch immer viel zu häufig voi1. Der Bericht erwähnt zwei solche Fälle; wir glauben, daß dieselben viel zahlreicher sind.

Es kommt auch vor, daß Kinder legitimiert werden durch die Ehe ihrer Mutter mit Männern, die in Anbetracht ihres Alters vernünftigerweise nicht als die wirklichen Valer betrachtet werden können. In einem derartigen Falle, mit dem sich jetzt die Gerichte zu beschäftigen haben, war der angebliche Vater zur Zeit der Geburt des Kindes elf Jahre alt.

Die bundesrätliehe Kechtsanschauung läßt solche Legitimationen zu (Handbuch für Civilstandsbeamte Nr. 208) und beschränkt sieh darauf, das Recht der Eltern und der Heimatgemeinde des Vaters, diese Anerkennungen als falsch und untergeschoben anzugreifen, vorzubehalten. Es ergeben sich hieraus begreiflicherweise mehr oder weniger erbauliche Prozesse, in denen es sieh einzig um den Beweis und die Möglichkeit einer so frühzeitigen Vaterschaft handelt.

Wir fragen uns, ob diese Auslegung des Gesetzes nicht zu weit geht, und ob die Legitimierung nicht verweigert werden sollte, wenn das- Alter des Gatten es als unmöglich erscheinen läßt, ihn als den Vater des Kindes zu
betrachten, das er als das seinige anerkennen will. Es sollte festgesetzt, werden, daß eine Kindesanerkennung nur dann möglich sei, wenn der angebliche Vater bei der Geburt des in Frage stehenden Kindes eine bestimmte Altersgrenze überschritten habe; auf diese Weise würde man Légitima-

65 tionen, die ein wahrhafter Hohn auf das Gesetz sind, verhindern und die daraus folgenden a n s t ö ß i g e n P r o z e s s e verhüten.

Artikel 37 des Gesetzes betreffend den Civilstand und die Ehe sagt, die Trauung solle ,,in der Regel in dem Kreise, wo der Bräutigam seinen Wohnsitz hat, stattfinden"', aber ,,auf die schriftliche Ermächtigung des Civilstandsbeamten des Wohnsitzes des Bräutigams darf die Eheschließung auch von dem Civilstandsbeamten eines andern Kreises in dem Gebiete der Eidgenossenschaft vollzogen werden".

Es kommt häufig vor, daß im Ausland niedergelassene Schweizerbürger darauf halten, ihren Eheabschluß im Vaterland zu feiern.

Das Departement dehnt die Anwendung des Art. 37 auch auf diese Fälle aus und hat als Regel aufgestellt, daß diese Schweizer, um die Erlaubnis zu ihrer Verheiratung in der Schweiz zu erhalten, eine Bewilligung des Civilstandsbeamten ihres ausländischen Wohnortes vorlegen müssen. In den meisten Fällen verweigern nun die ausländischen Civilstandsbeamten die Ausstellung solcher Bewilligungen, mit der Begründung, das schweizerische Gesetz habe für sie keine Geltung, oder auch, es stehe ihnen nicht zu, die Bewilligung zur Eheschließung für Angehörige eines andern Landes zu erteilen. Unsere Landsleute müssen dann entweder ihre Trauung an ihrem Wohnorte im Auslande feiern, was nicht sehr bequem ist, \venn die Braut ihre Familie io der Schweiz hat, oder in einer schweizerischen Gemeinde einen fiktiven Wohnsitz nehmen -- ein svenig empfehlenswerter Ausweg.

Diese Anwendung des Art. 37 und die daraus sich ergebenden Schwierigkeiten führen stets zu lebhaften Beschwerden von seilen der Beteiligten.

Wir gestatten uns daher, dem Departement die Frage vorzulegen, ob die dem Art. 37 bisher gegebene Deutung nicht in der Weise abgeändert werden könnte, daß sie nicht mehr auf die im Ausland wohnhaften Schweizer, die zu ihrer Verheiratung heimkehren, anwendbar ist. Diese neue Auslegung des Gesetzes scheint uns prinzipiell aus dem Grunde berechtigt zu sein, weil es nicht angeht, daß die Schweizerb urger der Ermächtigung ausländischer Civilstandsbeamten bedürfen, um sich in ihrem Vaterlande «u verheiraten, und weil das schweizerische Gesetz für ausländische Behörden keinerlei bindende Kraft hat. Der Wortlaut des Art. 37 wäre kein Hindernis dafür, daß nur die Bewilligung
eines schweizerischen und nicht auch die eines ausländischen Civilstandsbeamten eingeholt werden müßte; denn dieser Artikel sagt, daß auf die Ermächtigung des Civilstandsbeamten des Wohnsitzes des Bräutigams die Eheschließung auch von dem Civilstandsbeamten eines a n d e r n

66

K r e i s e s i m G e b i e t e d e r E i d g e n o s s e n s c h a f t vollzogen werden dürfe.

Wir sind überzeugt, daß eine Änderung des bisher vom Departement beobachteten Verfahrens im angegebenen Sinne von den im Ausland lebenden Schweizern, die ihre Anhänglichkeit ans Heimatland bewahrt haben und diesem ihre Lebensgefährtinnen entnehmen wollen, mit lebhafter Befriedigung begrüßt würde.

VI. Handelsregister.

A. Allgemeines und Statistik.

5. Der Verein schweizerischer Geschäftsreisender und nachher auch der schweizerische Handels- und Industrieverein haben sich mit dem Gesuche an den Bundesrat gewendet, es möchte die Verpflichtung zur Eintragung ins Handelsregister auf alle diejenigen Personen ausgedehnt werden, welche eia Warenlager im Werte von Fr. 2000 besitzen o d e r einen jährliehen Umsatz von Fr. 10,000 haben, während nach dem bisherigen Reglement nur solche Personen, für welche diese b e i d e n Bedingungen'zutreffen, zur Eintragung verpflichtet sind.

Da der Bundesrat über dieses Gesuch noch nicht entschieden hat, enthalten wir uns einer Ansichtsäußerung; wir verdanken dagegen das Vorgehen des Bundesrates, das Gutachten der Kantone über diese Sache einzuholen.

B. Specielles.

II. Die Kommission hat von den Entscheidungen des Bundesrates über die verschiedenen, im Berichte erwähnten Rekurse Kenntnis genommen und sich überzeugt, daß dieselben mit dem Bundesrecht völlig in Übereinstimmung standen.

TU. Staatsrechtliche Rekurspraxis.

a. Handels- und Gewerbefreiheit.

1. W i r t s e h a f t s w e s e n . Wir heben mit Befriedigung hervor, daß der Bundesrat es sieh zur Regel gemacht hat, die Kantonsbehörden überall da zu unterstützen, wo sie bemüht sind, ohne Verletzung des Bundesrechtes die Zahl der Wirtschaften einzuschränken.

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b. Niederlassungsrecht.

Bei dem im Berichte unter Ziffer 11 angeführten Fall wird die Frage aufgeworfen, ob ein kantonales Gericht befugt sei, einen Ausländer aus dem Gebiete der E i d g e n o s s e n s c h a f t und nicht nur aus dem Kantonsgebiete zu verweisen.

Das Departement hat diese Frage bejaht. Ihre Kommission fragt sich, ob das Ausweisungsrecht einer kantonalen Behörde sieh nicht auf das Kantonsgebiet beschräake, da ja die kantonalen Hoheitsrechte außerhalb desselben keine Gültigkeit haben, mag es sich nun um Ausländer oder um Schweizer handeln. Das Recht der Ausweisung aus dem ganzen Schweizergebiet scheint uns naturgemäß dem Bunde allein vorbehalten zu sein, und wir sehen nicht ein, aus welchem Grundsatz ein Kanton das Recht ableiten könnte, irgend einer Person den Aufenthalt in einem andern Kanton, sei es nun durch gerichtliches Urteil oder durch Ausweisung auf dem Verwaltungswege, zu verbieten. Wir verkennen übrigens nicht, daß dieses System, vom praktischen Gesichtspunkte aus betrachtet, seine Vorteile bietet.

B. Polizeiwesen.

I. Verträge und Konventionen.

l, 2 und 3. Zum Zwecke des Abschlusses von A u s l i e f e r u n g s v e r t r ä g e n sind Unterhandlungen gepflogen worden mit Rumänien, den Niederlanden und Österreich-Ungarn; dieselben haben aber bis jetzt noch zu keinem Ziele geführt.

4. Der Bundesrat hat unsere Gesandtschaft in Paris beauftragt, mit der französischen Regierung Unterhandlungen über den Abschluß einer auf Gegenseitigkeit beruhenden Übereinkunft betreffend Verpflegung armer Erkrankter anzuknüpfen.

Bis jetzt besteht in dieser Hinsicht zwischen der Schweiz und Frankreich nur die Übereinkunft vom 27. September 1882 betreffend die unentgeltliche Verpflegung a r m e r G e i s t e s k r a n k e r und v e r l a s s e n e r K i n d e r , so daß diejenigen armen Erkrankten, welche nicht zu einer dieser beiden Kategorien gehören, auf die Privatwohlthätigkeit angewiesen sind.

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II. Auslieferungen und Strafverfolgungen.

7. Die ßundesbehörde weigert sich, den Kautonsbehörden die Kosten für Auslieferungen k u r z e r H a u d zu vergüten, auch dannsogar, wenn die Kantone Begehren dieser Art dem eidgenössischen Departement vorgelegt und erst nach Einholung der Ermächtigung desselben bewilligt haben.

Sie stützt sieh dabei auf den Umstand, daß diese kurzhändigen Auslieferungen nicht von der Bundesbehörde a n g e o r d n e t , sondern bloß in jedem besondern Falle b e w i l l i g t werden.

Wir bedauern dieses Verfahren, weil es vielleicht zur Folge haben wird, daß die Kantonsbehörden keine kurzhändigen Auslieferungen mehr gestatten und alle Auslieferungsbegehren auf den diplomatischen Weg verweisen, was Weitschweifigkeiten verursacht und die Eidgenossenschaft schließlich teurer zu stehen kommt.

III. Bogatorien.

Wir bemerken, daß in dem Verfahren botreffend die aus der Schweiz ins Ausland gesandten R o g a t o r i en ein Unterschied besteht. Die nach Frankreich bestimmten Rogatorien müssen von den Kantonen an die Bundeskanzlei gerichtet werden, während die nach andern Ländern bestimmten das Justiz- und Polizeidepartement zu passieren haben. Dieser Umstand führt manchmal zu Irrtümern und Weitläufigkeiten. Ein gleichmäßiges Verfahren wäre wünschenswert, und nach der Ansicht Ihrer Kommission sollten alle Rogatorien dem Justiz- und Polizeidepartement unterbreitet werden, natürlich mit Ausnahme derjenigen, welche, den Vertragsbestimmungen gemäß, direkt von einem Gericht ans andere übermittelt werden (nach Deutschland und Italica).

IV. ^Heimscbaffungen.

D i e Heimschaffung v o n A u s l ä n d e r n , d i e der° r ö f f e n t l i c h e n W o h l t h ä ti g k e i t z u r L a s t f a l l e n , bietet noch immer viele Mühen und Schwierigkeiten dar.

Es wäre zu wünschen, daß Vereinbarungen über die Bedingungen und die Art der Heimschaffung von Unterstützungsbedürftigen zwischen der Schweiz und denjenigen Staaten getroffen werden könnten, im Verkehr mit denen diese Fälle am häufigsten vorkommen. Bei dem jetzigen Stand der Dinge erfordert jedes Heimschaffungsbegehren eine verwickelte Korrespondenz, die aus Mangel an bestimmten und genauen Regeln oft nicht zum Ziele führt. Die

69 Armea, deren Heimnahme von ihrem Heimatsstaate verweigert wird, fallen dann dauernd der öffentlichen Armenpflege oder der privaten Wohlthätigkeit zur Last, und dem Lande, in welchem sie sich aufhalten, bleibt kein anderes Mittel mehr übrig, als sie auf polizeilichem Wege auszuweisen. Wäre es nicht richtiger und menschlicher gehandelt, wenn jeder Staat seine ins Elend geratenen Angehörigen bei sich aufnähme und unterstützte?

V. Heimatrecht.

Keine Bemerkungen.

VI. Polizei, Allgemeines.

38. Die vom Departement empfohlene Einführung des sogenannten anthropometrischen Signalemenls (Bertillonsches Verfahren) wäre gewiß sehr zu begrüßen, und die Kommission spricht ihre Befriedigung darüber aus, daß die Bundesbehörde den deutsch·sprechenden Kantonen die Anschaffung der deutschen Übersetzung des Bertillonschen Werkes erleichtert hat.

Vielleicht könnte der Bund noch weiter gehen und alle Kantone zur Einführung dieses Systems auffordern. Der Nutzen dieser Maßregel mit Bezug auf die eidgenössischen Signalemente würde einen derartigen Schritt von Seite des Bundes genügend rechtfertigen.

C. Bundesanwaltschaft.

I. Bundesstrafrecht.

Der Bericht des Departements enthält eine Statistik der verschiedenen, ziemlich zahlreichen Fälle, in denen das Bundesstrafrecht zur Anwendung kommen mußte. Die meisten dieser Fälle beziehen sich auf Gefährdungen des Eisenbahn- oder Dampfschiffbetriebs, auf Störungen des Telegraphen- oder Telephonverkehrs und auf Amtsdelikte im Postdienste. Dazu kommen noch 5 Fälle von Fälschung von Bundesakten und 3 "Fälle von unbefugter Teilnahme an eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen.

Wir haben keine weitern Bemerkungen hierüber zu machen, als daß alle diese Fälle von den kantonalen Gerichten abgeurteilt worden sind.

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II. Widerhandlungen gegen eidgenössische Fiskalgesetze.

Das Jahr 1894 weist eine ziemlich große Zahl (32) von Übertretungen des Zollgesetzes auf. 29 derselben wurden von den kantonalen Gerichten, 3 vom Bundesstrafgerichte behandelt.

Dieses Gericht hat grundsätzlich und im Gegensatz zu den frühern Anschauungen entschieden, daß Bußen für Zollübertretungen nur physische, nicht aber juristische Personen treffen können. Ihre Kommission faßt diesen Entscheid in dem Sinne auf, daß die physischen Personen, welche für die auf Rechnung juristischer Personen verübten Zollübertretungen verantwortlich sind (Direktoren und Verwaltungsräte von Gesellschaften etc.), hierfür belangt werden können, und nicht nur die untern Angestellten, welche an dem Schmuggel thätigen Anteil genommen haben.

III. Politische Polizei.

20, 21 und 22. Der Bericht setzt auseinander, welche Ereignisse und Beweggründe den Bundesrat zur Ausweisung fremder, anarchistischer Agitatoren oder Revolutionäre veranlaßt haben, die ihren Aufenthalt in der Schweiz dazu mißbrauchten, um Kundgebungen zu veranstalten oder Angriffe gegen Regierungen benachbarter Staaten vorzubereiten.

Ihre Kommission billigt durchaus die vom Bundesrate in dieser Hinsicht getroffenen Maßnahmen und hegt das Vertrauen, er werde, bei aller Weitherzigkeit in der Ausübung des Asylrechts, auch fernerhin nicht dulden, daß bei uns sich aufhaltende Ausländer Handlungen oder Kundgebungen sich zu schulden kommen lassen, durch die unsere Hoheitsrechte oder die uns zustehenden internationalen Verpflichtungen verletzt werden.

F. Militärdepartement.

IV. Sanitarische Untersuchung nnd pädagogische Prüfung der Wehrpflichtigen.

Wenn man annehmen darf, daß die sanitarische Untersuchung mit der gleichen Strenge vorgenommen wird, wie früher, so ist es eine erfreuliche Erscheinung, daß die Ergebnisse derselben, wenn

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nicht von Jahr zu Jahr, so doch in einem gewissen Zeitabschnitt, etwas besser werden; der Prozentsatz der Diensttauglichen ist von 1885--1894 von rund 61 auf 64 gestiegen; mehr rekrutiert als 1892 wurden im Jahr 1893 437 Mann und im Jahr 1894 noch weitere 380 Mann.

Auch die pädagogischen Prüfungen zeigten an vielen Orten eine ziemliche Besserung. Die Klagen über ungleiche Prüfung haben aufgehört, seitdem die Experten jährlich zu einer Konferenz betreffend einheitliches Verfahren einberufen werden. An einigen Orten lassen die Prüfungslokalitäten zu wünschen übrig.

VII. Unterricht.

Im Instruktionspersonal haben sich ziemliche Mutationen ergeben. Da wir kein Pensionsgesetz haben, so werden ältere Instruktoren, die den Dienst nicht mehr versehen können und die man nach jahrelangem treuem Dienst nicht ohne weiteres entlassen darf, auf Halbsold gesetzt. Der Bundesrat bestimmt denselben je nach den Verhältnissen jedes Einzelnen. -- Die in letzter Zeit vorgenommenen Versetzungen der Instruktoren von einer Division in die andere haben, wie man allgemein hört, günstige Resultate erzielt.

Vorunterricht.

Der militärische Vorunterricht, wie ihn Art. 81 der Militärorganisation vorschreibt, läßt immer noch zu wünschen übrig. Zwar sind da und dort Verbesserungen zu konstatieren; allein an gar vielen Orten fehlen noch die nötigen Gerätschaften und Turnlokale.

Genügende Turnplätze weisen 2806 Schulgemeinden auf = 72,3 °/o ungenügende ,, ,, 576 ,, ,, = 14,8 °/o noch keine ,, ,, 500 ,, ,, = 13,1 % Von 167,846 Schülern erhalten 14,661 noch gar keinen Turnunterricht, und es ist leicht möglich, ja anzunehmen, daß diese Zahl in Wirklichkeit noch größer ist, denn die Berichte aus einzelneu Kantonen können fast unmöglich richtig sein (vide pag. 559 des bundesrätlichen Geschäftsberichts, bezw. Bundesbl. 1895, II, 251).

"Wir lassen dahingestellt, wer die Schuld an diesen unrichtigen Berichten trägt, erwähnt muß diese Erscheinung- aber hier werden, weil sie zu beklagen ist und in der Folge nicht wieder vorkommen sollte. Für entlegene Berggemeinden ist es allerdings schwierig, für einen genügenden Turnunterricht der männlichen Jugend zu sorgen, aber einmal muß dieser Vorschrift der Militärorganisation doch

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ein Genüge geschehen, und bei gutem Willen ist es fast überall, bis zu einem gewissen Grade wenigstens, möglich. Die für das Jahr 1895 vom Militärdepartement vorgesehenen Inspektionen und die Aufforderung an die Kantone, bis Ende 1896 diesen Unterrichtszweig in allen Primarschulen einzuführen, werden ohne Zweifel die Sache einen Schrift weiter bringen.

Wenn schon jährlich zwei Lehrerrekrutenschulen abgehalten werden, so fehlt es noch immer an vielen Orten an Lehrern,- die den Turnunterricht erteilen können; da in den Riß zu treten, wäre eine schöne Aufgabe für jüngere Offiziere und Unteroffiziere.

Sehr zu begrüßen ist es, daß der freiwillige militärische Vorunterricht III. Stufe nach und nach mehr Verbreitung findet, namentlich unter Mitwirkung des schweizerischen Turnvereins, was volle Anerkennung verdient.

Unterrichtskurse, 8. Infanterie.

1. Rekrutenschulen.

Die stärkere Rekrutierung hat im Berichtsjahre die Zahl der Rekruten um 721 Mann vermehrt, was zur Folge hatte, daß in der III. und V. Division 3 statt 2 Rekrutenschulen abgehalten werden mußten, denn zu große Klassen erschweren den Instruktoren die Leitung und Übersicht, worunter natürlich die Ausbildung des einzelnen Rekruten leidet. Wenn man glaubt, dieselbe sei wirklich nicht genügend, so vermehre man lieber die Zahl der Instruktoren oder behelfe sich mit Hülfsinstruktoren. Eine solche Maßnahme würde wohl weniger auf Widerstand stoßen als die in Aussicht genommene Verlängerung der Instruklionszeit, die allerdings manchen hart treffen würde. Diese Frage wird indessen bei der bevorstehenden Revision des Militärwesens zur Sprache gebracht werden, hier genügt es, die Anregung gemacht zu haben.

2. Wiederholungskurse des Auszuges.

Nach den eingegangenen Rapporten befriedigten die Schießkurse des I. Armeecorps nicht ganz, namentlich fehlte die erforderliche Sicherheit in-Handhabung des Gewehres. Die Schießübungen im Militärdienste genügen eben nicht, um jeden Soldaten zu einem guten Schützen auszubilden, dazu ist eine größere Übung in Vereinen nötig. Hie und da werden auch die Schießübungen zu schnell abgewickelt. Um in andern Dienstzweigen weiter zu kommen,

73

werden die voTgeschriebenen Schüsse zu schnell abgefeuert; es wäre wohl besser und instruktiver, sich beim Schießen mehr Zeit zu lassen, wenn auch nicht alle ausgeteilten Patronen verschossen würden. Wahrend der Befund über den Zustand der Gewehre im ganzen sehr günstig lautet, befriedigten die Inspektionen über die Bekleidung ebenfalls nicht. Näheres darüber im Kapitel ,,Ausrüstung a .

Die Herbstmanöver des IV. Armeecorps wurden trotz der sehr ungünstigen Witterung programmgemäß durchgeführt und befriedigten im allgemeinen, namentlich zeigten sich bei der Infanterie merkliche Fortschritte punkto Disciplin, Marschordnung und Ruhe im Gefechte, dagegen wird in den Berichten Über mangelhafte Feuerleitung und Feuerdisciplin geklagt. Wenn man bei der Kritik unserer Milizarmee den gleichen Maßstab anlegen will, wie bei stehenden Heeren, so bleibt natürlich noch viel zu wünschen übrig, indessen waren auch nach Ansicht ausländischer Offiziere die Leistungen des IV. Armeecorps gute, zum Teil sehr gute. In Berücksichtigung des ganz schlechten Wetters hat man an die Truppen fast zu große Anforderungen gestellt oder stellen müssen, was aber möglichst vermieden werden sollte.

IV. Schiessschulen.

Nach Erweiterung des Schießplatzes in Wallenstadt können die Übungen dort weit besser durchgeführt werden als früher; es hat dies einen großen Wert nicht nur für die Schießschulen der Unteroffiziere und Offiziere, sondern auch für die Schulen der hohem Stabsoffiziere, welche seit einigen Jahren dort abgehalten werden.

Gerade diesen Schulen ist im Interesse unseres ganzen Wehrwesens die größte Aufmerksamkeit zuzuwenden. ·

Über die Abschnitte Unterricht, Rekrutenschulen und Wiederholungskurse der Specialwaffen, Kavallerie, Artillerie. Genie, Sanität und Verwaltung, sowie über die Schulen und Kurse der Festungstruppen, ist hier um so weniger angezeigt des nähern einzutreten, als dies einerseits ganz fachmännische Fragen sind und andererseits den eidgenössischen Räten in den nächsten Sitzungen eine Revision der ganzen Militärorganisation vorgelegt werden wird. Einige Punkte bleiben übrigens wie in andern Abschnitten auch hier der mündlichen Berichterstattung vorbehalten.

Bnndesblatt 47. Jahrg. Bd. III.

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74 Nur bei

IX. Kommissariatswesen.

A. Ordentliche Gebarung, a. Verpflegung.

beschloß die Kommission einen Punkt in den schriftlichen Bericht aufzunehmen ; es betrifft dies das sogenannte Ordinäre. Nach den Bestimmungen des Verwaltungsreglementes werden den Truppen für Beschaffung von Gemüse, Salz und Holz in den Rekrutenschulen 20 Cts., in Wiederholungskursen 10 Cts. per Mann und per Tag vergütet. IQ der Regel reicht diese Vergütung nicht aus und es wird daher von dem Tagessold von 50 resp. 80 Cts. noch ein größerer oder kleinerer Abzug gemacht, weil Beschädigungen des Inventars und andere Ausgaben für die Compagnie, hie und da sogar Kassamankos, aus dem Ordinäre bezahlt werden. Das macht bei der Mannschaft immer böses Blut und sollte für die Zukunft vermieden werden.

Da die finanziellen Folgen, die dem Staate aus einer bezüglichen Änderung erwachsen würden, kaum im voraus bemessen vyerden können, so stellen wir keinen bestimmten Antrag und begnügen uns, die Anregung gemacht zu haben.

B, Kriegsbereitschaft.

1. Weizenvorräte.

Der Umtausch der Weizenvorräte in eiuem Quantuni von 9,543,234 kg. hat sich in den Monaten Februar bis Juni des Berichtsjahres zur Zufriedenheit beider Kontrahenten vollzogen. Es wurde nur prima Qualität im Gewicht von mindestens 80 kg. per hl.

geliefert und spricht sich eine von einem unparteiischen Fachmanne ausgeführte Expertise über die neuen Vorräte in jeder Beziehung günstig aus. Die Vorräte werden infolge der ausgezeichneten Qualität jederzeit leicht wieder verkauft oder ausgetauscht werden können.

Auffallend bleibt, trotz den versuchten Aufklärungen, das am alten Weizen beim Umtausche erzielte Mehr- oder Vorgewicht von 88,984 kg., cirka 93 kg. durchschnittlich per Wagen.

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2. Hafervorräte.

Bestand auf 31. Dezember 1894: 6,278,697,B kg.

Wenn auch, wie zugegeben werden muß, es unserer inländischen Haferproduktion schwer fällt, in Bezug auf Qualität und namentlich Lagerfähigkeit mit der Auslandsware zu konkurrieren, so wäre es zur Beruhigung unserer bedrängten Getreideproduzenten doch wünschenswert, wenn bei der Vergebung der Lieferungen jeweils auch bestmöglich, vielleicht zu baldigem Verbrauche, die Inlandsware berücksichtigt werden könnte.

4. Zwiebackvorräte.

Der Zwieback will sich bei unsern Soldaten nicht recht einbürgern; ein Versuch, denselben gemahlen und mit anderem Mehle gemischt als Brot zu verwerten, hat bei den Truppen ebenfalls keinen Anklang gefunden. Es wurden deshalb auch im Berichtsjahre keine weitern Vorräte mehr angeschafft; immerhin bleibt am Schlüsse des Berichtsjahres noch ein bedeutendes Quantum auf Lager.

7. Magazinwesen.

Das neu kreierte Magazin- und Verpflegungsbureau trat mit 1. August des Berichtsjahres in Thätigkeit und es sind die neu erstellten Vorratsmagazine in Göschenen und auf dem Galgenfelde bei Ostermundingen im Laufe des Jahres teils bezogen, teils bereits angefüllt worden. Es genügen jedoch die vorhandenen Magazine bei weitem nicht und es wird die Erstellung neuer an den hierfür geeigneten Orten in Aussicht genommen werden müssen.

Ein etwelcher Umsatz der großen Vorräte dadurch, daß die Ordinäre der Schulen und Kurse soviel als möglich mit Magazinvorräten versehen werden, wäre sehr wünschenswert.

XI. Kriegsmaterial.

1. Persönliche Ausrüstung.

Es ist sehr zu begrüßen, wenn beim Austausch defekter Kleidungsstücke bei Anlaß der Waffen- und Bekleidungsinspektionen strenge verfahren und die erwiesene Vernachlässigung der Effekten unnachsichtlich bestraft wird, indem sonst der Nachlässige vor dem Ordnungsliebenden einen Vorteil hätte.

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In der Kommission wurde die schon früher einmal angeregte Frage wieder aufgeworfen, ob für unsere Militärkleider nicht, ein soliderer, wenn auch vielleicht weniger feiner Stoff verwendet werden sollte. Es hat dies namentlich auch Bezug auf den Eaput, der, wenn einmal voll Wasser gesogen, fast nicht mehr zu trocknen und zu tragen ist. Ein Stück wasserdichter Stoff, das beim aufgerollten Mantel als Überzug, bei schlechtem Wetter als Mantelkragen zu verwenden wäre, könnte vielleicht gute Dienste leisten.

d. Kleider- und Ausrüstungsreserven.

Nach dem Berichte genügt die Reserve an Kapüten, dagegen nicht diejenige an Waffenröcken, Hosen und auch der Westen für die Specialwaffen. Diesem Übelstande wird durch successive Neuanschaffungen begegnet werden müssen.

2. Corpsausrllstung und Material der Truppenverbände.

Etwas auffallend ist die im Berichte enthaltene Klage betreffend unregelmäßige und ungeordnete Rücklieferung des Materials nach Schluß der Armeecorpsübungen. Solche Vorkommnisse sind unvereinbar mit militärischer Ordnung und sollten nicht unbeanstandet gelassen, sondern strenge bestraft werden.

XIII. Militäranstalten.

a. Pferderegieanstalt.

Es wäre wünschenswert, den jährlichen Ankauf der Artilleriepferde jeweils gleichzeitig mit dem Ankauf der Kavallerie-Remonten im Inlande vorzunehmen. Damit wäre namentlich den Pferdezüchtern gedient, die dann nicht genötigt wären, ihre Pferde eventuell zweimal den verschiedenen Kommissionen zuzuführen und dadurch große Kosten zu haben. In der einheitlichen Ankaufskommission müßten selbstverständlich beide remontierenden Waffen vertreten sein ; immerhin wäre auch hier eine Kostenersparnis für den Bund zu verzeichnen. Der Erfolg wäre, daß bei der vermehrten Aussicht auf eventuellen Verkauf auf den Ankaufsplätzen mehr Pferde aufgeführt würden und ganz gewiß von der Kommission auch eine bessere Auswahl an Pferden für beide Waffengattungen getroffen werden könnte.

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G. Post- und Eisenbahndepartement.

I. Eisenbahnwesen.

A. Allgemeines.

2. Gesetze, Verordnungen und Postulate.

Die Kommission nimmt Akt von der Mitteilung des Bundesrates betreffs der sogenannten Eisenbahnfrage, Eisenbahnreform und Rückkauf, und gewärtigt die Vorlage an die Bundesversammlung.

B. Specielle Mitteilungen betreffend Bau und Betrieb der Eisenbahnen.

1. Rechtliche Grundlagen der Eisenbahmmternehmungen.

Am Ende des Berichtsjahres bestanden im ganzen 96 (!) Konzessionen von noch nicht eröffneten Bahnen in Kraft. Wie viele Konzessionen noch bestehen, wo noch kein Sehritt darüber hinaus, Finanzierung und Planvorlagen, geschehen ist, sagt der Bericht nicht, die Zahl derselben dürfte jedoch kaum obige Zahl erbeblich herabsetzen.

Der Bundesrat findet selbst in seiner Botschaft vom 3. Dezember 1894 (Gleichgewichtspostulat) : ,,Es könnte durch die Einführung einer einmaligen Gebühr für Erteilung der Konzession eine heilsame Schutzwehr gefunden werden gegenüber e i n e r g r o ß e n Z a h l von Konzessionsgesuchen, welche keineswegs einem wirkliehen Verkehrsbedürfnis, sondern oft einzig der Spekulationssucht entsprungen sind, wiederholt erneuert und vielfach gar nie ausgeführt werden, dabei aber sowohl das Eisenbahndepartement, als den ßundesrat und die Bundesversammlung in ungebührlicher Weise in Anspruch nehmen.tt Diese Anführungen treffen ganz und voll zu und wir beantragen daher: ,,Es sei der Bundesrat zu beauftragen, b e f ö r d e r l i c h eine Vorlage an die Bundesversammlung auszuarbeiten, in welcher eine Konzessionsgebühr für Erteilung der Konzessionen festgesetzt wird. tt

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In der gleichen Botschaft weist der Bundesrat auch darauf hin, daß die Eisenbahnen zu vermehrten Leistungen gegenüber dem Bunde angehalten werden könnten durch Erhöhung der in Art. 19, Lemma 3, des Eisenbahngesetzes vorgesehenen jährlichen Konzessionsgebühr.

Es hat dieso Maßregel nicht bloß im Sinne der Erhöhung der bisherigen Ansätze, sondern auch im Sinne einer richtigem Verteilung volle Berechtigung, und beantragen wir daher: ^Es sei der Bundesrat einzuladen, mit möglichster Beförderung eine bezügliche Vorlage an die Bundesversammlung auszuarbeiten.11

5. Bahnbau und Bahnunterhalt.

Der Bundesrat erstattet ausführlichen Bericht über den gegenwärtigen Stand" der Frage des Simplondurchstiehes. Wir nehmen mit Befriedigung Akt davon und verdanken dem Bundesrat die gethanen Schritte.

Der Ausbau des schweizerischen Bahnnetzes auf die zweite Spur ist sehr zu begrüßen und es wird gerne von den weitern Bemühungen dafür Akt genommen.

II. Linien im Betriebe.

Die schweizerischen Bahnen haben folgende Betriebslänge: Hauptbahnen 2691,340 km.

(Jura-Simplon 926,si9 -j32,350

Nordostbahn Centralbahn Vereinigte Schweizerbahnen .

.

766,28« 391,623 . 277,527 -f31,422

Gotthardbahn 265,838.)

Ausländische Bahnen auf Schweizergebiet . . .

Übrige Normalbahnen, Nebenbahnen Schmalspurbahnen Schmalspurbahnen mit Zahnstrecken Schmalspurbahnen mit elektrischen Motoren . .

Zahnradbahnen Tramways ·. . . .

Seilbahnen Total Davon zweispurig 403,i2i.

63,487 294,48* 297,228 141,i33 7,427 79,os2 61,746 15,io6

,, ,, ,, ,, ,, ,, ,, ,,

3651,081 km.

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Bahninspektion und -kontrolle. und Zustand der Bahnen.

Wir vernehmen mit größter Befriedigung, daß der Bundesrat durch fleißige und gründliehe Inspektion und Untersuchungen sich über den Zustand der Bahnen und des Betriebsmaterials klare Einsicht verschafft, alle zur Sicherheit des Verkehrs nötigen Verfügungen erläßt und für die Durchführung mit aller Energie sorgt.

Für Bahnbeschädigungen und Betriebsstörungen durch elementare Gewalten wird sich wohl nie ausreichend Vorsorgen lassen, dagegen kann immerhin manches durch vorsorgliche Schritte, Schutzbauten, Überwachung forstlicher Verhältnisse und Holzriesen geschehen.

Zugkraftdienst.

Es darf im allgemeinen anerkannt werden, daß die Heizung der Personenwagen bei den schweizerischen Bahnen ziemlich befriedigend geschieht, was bei ausländischen Staatsbahnen nicht immer der Fall sei.

Es ist zu erwarten, daß von den Bahnen dem Abkommen der um einen Tag verlängerten Retourbillete allgemein nachgekommen wird.

II. Postverwaltung.

I. Allgemeines.

Der Mehrertrag der Post gegenüber 1893 beträgt Fr. 498,082. 67.

Die Ursachen dieses erfreuliehen Ergebnisses sind in den Beilagen bezeichnet, werden aber vom Bundesrat im Rechnungsbericht näher beleuchtet. Immerhin dürfte es geraten sein, diese Zahlen nicht bereits als für weitere Jahre feststehend zu betrachten.

IT. Personelles und Besoldungen.

·

Ziffer 4. Die durch Verordnung errichtete Unfallkasse der Postverwaltung, welche lediglich durch den bisher auf Fr. 8000 fixierten Bundesbeitrag erhalten wird, schließt auch letztes Jahr mit einem Rückschlag von Fr. 194. 95 ab. Ende 1890 ist der Aktivsaldo noch auf Fr. 57,400. 20 gestanden, nun aber Ende 1894 auf Fr. 36,461. 45 gesunken.

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Der Bundesrat nimmt in näherer oder fernerer Zeit die Erhöhung des Bundesbeitrages in Aussicht. Es wird diese Vermehrung der Ausgaben kaum zu vermeiden sein.

III. Telegraphenverwaltung.

1. Allgemeines und 2. Telegraphenlinien.

Das Gesamtresultat der Verwaltung für Telegraph und Telephon schließt per Ende 1894 mit einem Aktivsaldo von Fr. 693,699. 24 gegen Fr. 207,236. 23 im Vorjahr. Nach Abzug des auf Rechnung des Baucontos angeschafften Linienmaterials, welches auf wenigstens Fr. 265,000 angesetzt werden kann, würde sich aber der Aktivsaldo der Betriebsrechnung auf Fr. 428,699. 24 reduzieren.

Din Einführung des Telephons hat die Zahl der Depeschen im Innern des Landes vermindert, die Höhe der Betriebseinnahmen für beide Zweige läßt aber immerhin auf eine erhebliche Vermehrung des Verkehrs in diesem Gebiete schließen.

Es ist sehr zu begrüßen und absolut notwendig, daß die Errichtung von Starkstromleitungen für öffentliche und private Zwecke in unmittelbarer Nähe der Telegraphen- und Telephonleitungen strenge überwacht und nur da genehmigt oder geduldet wird, wo störender Einfluß auf den öffentlichen Verkehr möglichst verhindert, namentlich aber die Gefahr von Unfällen entschieden ausgeschlossen ist. Es ist ja nicht absolut notwendig, daß Trambahnen im Innern von Städten und größern Ortschaften mit elektrischem Betriebe versehen sein müssen, indem andere Betriebsarten zur Verfügung stehen.

Wir beantragen daher, es sei der Bundesrat einzuladen, die Frage zu prüfen und darüber Bericht und Antrag vorzulegen, wie schädliche Einwirkungen der Starkstromleitungen auf die Telegraphenund Telephonleitungen verhütet wenden können.

Die Gesamtzahl der per Ende 1894 genehmigten Starkstromleitungen zeigt schon die verhältnismäßig hohe Zahl von 340, wovon als die wichtigsten des Jahres 1894 die Verteilung von 1500 Pferdekräften für Licht und Kraft im bernischen Jura und die Anlagen für Trambetrieb in Genf und Basel hervorzuheben sind.

81 3. Telephonlinien.

Es ist bemerkenswert, daß die Statistik der Störungen für die Telephonleitungen folgende Zahlen ergiebt: Verwicklungen.

Ableitungen.

7781 6432

603 518

1191 1112

999

85

79

1894 1893

Mehr

Unterbrechungen.

Durch Blitzschlag wurden 1894 verursacht: 37 Stangenbeschädigungen und 13 Drahtschmelüungen.

Die Telephonnetze erstrecken sich auf 7843,897 km. mit 41,152,907 km. Drahtlänge, 19,814 Stationen und 17,192 Abonnenten.

6. Personal.

Die Zahl der den Beamten und Bediensteten auferlegten disciplinarischen Bußen im Jahr 1894 beträgt 802. Diese Ordnungsbußen werden nach erfolgloser Verwarnung für leichtere Dienstfehler ausgefällt und der Betrag zu gunsten des Beamtenversicherungsvereins an die eidgenössische Staatskasse, im Berichtsjahre Fr. 1542, abgeliefert.

II. Geschäftsführung des Bundesgerichts.

.A.. Allgemeines.

Der Bericht des Bundesgerichts hebt die Übelstände hervor, welche die Anwendung des Art. 25 des neuen Organisationsgesetzes mit sich bringt; nach demselben sind die beiden Gerichtsabteilungen nämlich verpflichtet, immer vollzählig zu sitzen. Da es nun häufig vorkommt, daß das eine oder das andere Mitglied einer Abteilung krank oder abwesend ist oder in Ausstand treten und durch ein Mitglied der andern Abteilung ersetzt werden muß, so ergeben sich hieraus zahlreiche Hindernisse für die Abhaltung der Sitzungen und Verzögerungen in der Abwicklung der Geschäfte. Das Bundes-

82 gericht verlangt zwar nicht eine Abänderung des Gesetzes, giebt aber doch zu verstehen, daß die Festsetzung einer zur Beschlußfähigkeit genügenden beschränktem Mitgliederzahl der gegenwärtigen Bestimmung vorzuziehen wäre.

Ihre Kommission würdigt die Richtigkeit dieser Bemerkungen des Bundesgerichts, glaubt aber doch, daß die gemachten Erfahrungen noch von zu kurzer Dauer sind, als daß man notwendigerweise zu einer Gesetzesabänderung schreiten müßte. Es ist angezeigt, noch etwas zuzuwarten ; wenn die Übelstände der jetzigen Einrichtung nicht geringer werden, müßte man allerdings die Frage untersuchen, ob Art. 25 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege nicht abzuändern sei.

Das Gericht hat 160 Sitzungen gehalten, wovon 15 Plenarund 145» Abteilungssitzungen; von den letztern traf es auf beide Abteilungen ungefähr gleich viele.

Das Kassationsgericht und das Strafgericht haben jedes zwei Sitzungen abgehalten.

Die Kriminalkammer sowohl als die Anklagekammer haben nie zusammentreten müssen.

B. Specieller Teil.

I. Civilrechtspflege.

Das Gericht hatte im Jahr 1894 zu behandeln: 54 erst- und letztinstanzlich zu beurteilende Civilsachen (75 im Jahr 1893); 193 Rekurse gegen Entscheide eidgenössischer Schätzungskommissionen (235 im Jahr 1893); 14 Rekurse gegen Entscheide des Massaverwalters in Zwangsliquidationen von Eisenbahnen (3 im Jahr 1893); 211 Berufungen gegen Urteile kantonaler Gerichte (207 im Jahr 1893); 2 Kassationsbegehren gegen Urteile kantonaler Gerichte (l im Jahr 1893).

Total 474 Geschäfte (522 im Jahr 1893).

Von diesen Geschäften blieben 89 auf 31. Dezember 1894 pendent.

Das Gericht hebt in seinem Bericht hervor, daß nicht alle Kantone ihre Gerichtsorganisation rechtzeitig mit den Beatimmungen

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der Bundesgesetze über das gewerbliche Eigentum (Erfindungspatente, gewerbliche Muster und Modelle, Fabrikmarken) in Einklang gebracht haben, welche vorschreiben, daß sie das Gericht bezeichnen sollen, das als einzige Instanz die Civilprozesse zu entscheiden habe, zu denen diese Gesetze Veranlassung geben können.

Wir machen unsererseits den Bundesrat auf diesen Umstand aufmerksam, damit die Kantone, welche noch im Rückstande sind, zu baldiger Regelung dieser Angelegenheit aufgefordert werden.

II. Strafgerichtsbarkeit.

Das Kassationsgericht hatte über 5 Rekurse zu entscheiden (5 im Jahr 1893).

Das Bundesstrafgericht hatte 3 Fälle zu behandeln, welche sämtlich Zollübertretungen betrafen (l im Jahr 1893, beurteilt irn Jahr 1894).

Mit Bezug auf diese letzteren Fälle hat das Bundesgericht angenommen, daß für das Verfahren bei Übertretungen eidgenössischer Fiskalgesetze das Bundesgesetz vom 30. Juni 1849 zur Anwendung zu kommen habe, während die anderen Fälle dem Gesetz Über die Bundesstrafrechtspflege vom 27. August 1851 unterstellt sind. Es ergiebt sich dies übrigens aus Art. 126 des Gesetzes (iber die Organisation der Bundesrechtspflege. Der Bericht des Bundesrates konstatiert, daß dieser Dualismus Übelstände mit sich bringt. Wir glauben es gern und ergreifen den Anlaß, um den Bundesrat anzufragen, ob er nicht den Zeitpunkt für gekommen erachte, um diese beiden Gesetze in ein einziges zu verschmelzen und sie bei dieser Gelegenheit zu revidieren, wie auch das p r o v i s o r i s c h e Bundesgesetz vom 22. November 1850 über das Verfahren vor Bundesgericht in Civilsachen.

III.

Staatsrechtspflege.

Im Jahr 1894 kamen 268 staatsrechtliche Beschwerden zur Behandlung (244 im Jahr 1893), nämlich: 7 Streitigkeiten zwischen Kantonen (3 im Jahr 1893).

8 Auslieferungen (7 im Jahr 1893).

9 Beschwerden von Privaten wegen Verletzung von Staatsververträgen (11 im Jahr 1893).

244 Beschwerden von Privaten wegen Verletzung der Bundesverfassung, von Bundesgesetzen oder Kantons Verfassungen (218 im Jahr 1893).

84

Von don 253 Beschwerden von Privaten sind nur 31 als begründet erklärt worden.

Obwohl der Bericht des Bundesgerichts sich hierüber in keiner Weise ausspricht, glauben wir doch behaupten zu dürfen, daß die mit dem 1. Oktober 1893 in Kraft getretene neue Gerichtsorgunisation ihre Probe bestanden hat, und daß sie, indem sie die Handhabung der Bundesgerichtsbarkeit erleichtert, dazu beiträgt, das große Zutrauen, welches das Schweizervolk und seine Behörden dein Bundesgerichte entgegenbringen, immer mehr zu befestigen und zu heben.

Antrag der Kommission.

Den Geschäftsberichten des Bundesrates und des Bundesgerichts vom Jahre 1894 wird die Genehmigung erteilt.

Postulate.

1. Der Bundesrat wird beauftragt, beförderlich eine Vorlage an die Bundesversammlung auszuarbeiten, in welcher eine Konzessionsgebühr für Erteilung der Eiseubahnkonzessionen festgesetzt wird.

2. Der Bundesrat wird eingeladen, mit möglichster Beförderung eine Vorlage an die Bundesversammlung auszuarbeiten betreffend die Erhöhung der in Art. 19, Lemma 3, des Eisenbahngesetzes vorgesehenen jährlichen Konzessionsgebühr.

85 3. Der Bundesrat wird eingeladen, die Frage zu prüfen und darüber Bericht und Antrag vorzulegen, wie schädliche Einwirkungen der Starkstromleitungen auf die Telegraphen- und Telephon leitungen verhütet werden können.

B e r n , den 3. Mai 1895.

Die Mitglieder der Kommission: de Torrente, Präsident.

Monnier.

Müller.

Raschein.

Schmid-Ronca.

Wyrsch.

Zweifel.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der Kommission des Ständerates über die Geschäftsführung des Bundesrates und des Bundesgerichts im Jahre 1894. (Vom 3. Mai 1895.)

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1895

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3

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23

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

29.05.1895

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25-85

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