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Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend den Kompetenzkonflikt wegen der Auslieferung der Frau Limofin.

(Vom 1. .Juli 1870.)

Tit..

Die Regierung des Kantons Freiburg bringt mit Memorial vom

23. April abhiu nach Anleitung des Art. 74, Ziff. 17 Litt. a der Bun-

desvexfassung einen Kompetenzkouflikt vor Jhre hohe Behorde, welcher sich zwischen ihr und dem Bundesrathe in Auslieserungssacheu erhoben hat. Die Fragen, welche Jhnen zur Entscheidung vorgelegt werden, haben eine prinzipielle Bedeutung und sollen für die Zukunft die Norm feststen, wie in Auslieferungssragen zwischen der Schweiz und solchen Staaten, mit welchen wir internationale Verträge über diese Materie abgeschlossen haben, zu verfahren sei.

Veranlassung zu diesem Konflikte gab eine ..... i t we Anna Eoriune fimosi n , geb. Merlet, gewesene Bosthalterin zu Menuetou (Frankreich), welche durch die franzosischen Gerichte wegen Unterschlagung und Oeffnung von der Bost anvertrauten Briefen verurtheilt worden war. Am 1. Februar 1870 langte von der französischen Gesandtschaft, gestüzt ans

ein beigelegtes gerichtliches Strafnrtheil, das Auslieserungsgesuch ein,

welchem der Bundesrath glaubte entsprechen zu müssen, weil das Ver-

l014 gehen, wegeu dessen die Eingeklagte vernrtheilt war, im Vertrage ausgezählt ist und alle übrigen nothigen Requisite ^vorhanden waren, die das Auslieseru..gsgesnch als ein vertragsgemäss vollkommen begründetes erscheiuen liessen. ..^.ie Einladung an die Regierung von Freiburg, die dort verhastete Witwe Limosin an die franzosischen Behorden auszuliesern, erregte bei dem Staatsrathe Bedenken, einerseits, weil er glaubte, sür sich das Recht in Anspruch nehmen zu konnen, darüber ^u urtheilen, ob die Auslieferung gestattet werden solle, ob der Vertrag ans dieses.

Jndividnum anwendbar und ob die Bedingungen des Vertrages erfüllt seien, und andererseits, weil der Vertrag aus das vor der Jnkrasttretnng des Vertrages begangene und beurtheilte Vergehen keine Anwendnng habe^, indem sonst eine Verlegung des Grnndsazes einträte , dass die Geseze nicht rückwirkende Kraft haben s.ollen.

Ungeachtet einer ^weitläufig geführten Korrespondenz war eine Aus-

gleiehnng der Ansichten nicht erhältlich, wesswegen der Bundesrath i.u die Lage verseht wurde, die Auslieferung der Witwe .^imosin unter ..^ekutionsan^rohnng bei der Regierung von ^reiburg zu verlangen, welcher Aufforderung der Staatsraih endlich am 3. April nachkam, freilich nur unter protestation und mit Vorbehalt der Besehwe^desührung bei der schweiz. Bundesversammlung. Würde der Zusammentritt der eidgenossis.hen Räthe nahe bevorstehend gewesen sein, so hätten wir uns ganz gut dazu verstehen konnen, dem^. Wunsche der Regierung von ^reibung zu .entsprechen und den ^tatns qno beizubehalten, bis nach der Schlusssassung der Bundesversammlung. ^a dieses aber nicht der ^all war und wir der Ansicht waren uud noch sind, nnr inner den Schranken unserer Kompetenzen gehandelt zu haben, so ^wollten wir nieht s eh ..m bein.. ersten ^all^.., der nach dem neuen Vertrage zu behandeln war, dem mitkontrahirenden Staate gegenüber die Erklärung abgeben, wir seien dermalen ausser biande, seinem vollkommen begründeten Begehren zu entsprechen. Unter der Herrsehaft des Vertrages vom 18. Juli l 828 über verschiedene gerichtliche und polizeiliche Verhältnisse haben sieh eiue solche Menge vou Schwierigkeiten ergeben, dass man znsrieden sein konnte, durch die im legten Jahre abgeschlossenen neuen Verträge eine feste Re^ gelnng erhielt ^u haben. Um so weniger würde es sieh gereehtsertiget haben, wenn wir unsererseits die Vollziehung dieser Verträge daniit be^ gonueu hätten, statt einen Vertrag lo.^al zu halten , unstichhaltige Einwenduugeu eutgegeu^use^en. Wir konstaliren au dieser Stelle mit Ver-

guügeu, dass seither, bis sezt wenigstens, auch nicht ein einziger Anstand sich gezeigt hat.

Bevor wir auf die Vostulate der Regierung von ^reiburg uäher eintreten, müssen wir uns erlauben, einen kurzen Ueberblik über die ^auze Entwicklung dieser Angelegenheit ^u geben. Wir finden uns um so eher hiezu veranlagt, weil diese Anslieserungsangelegenheit zur Zeit

1.01.5 ^n eiuem Theil der Bx.ess.e eine einlässliche Bespreehuug gesunden hat, freilich zum Theil^bei mangelhafter Kenutuiss der sachlichen Verhältnisse und mit al^ustark hervortretendem Juteresse sur eine romantische Heixathsgesehichte, von welcher auch die Regierung von ^reiburg mit Recht sagt, dass diese eine dem Auslieferungsgesuch ^total fremde Frage sei, . welche durchaus keinen Einfluss auf die Losung derselben ausübeu tonne.

Witwe Limosi bekleidete die Stelle einer Vosthalterin zu Menneton, in Frankreich, in welcher Eigenschaft sie während mehreren Jahren sich fortgesezt ^der Verlegung des Briesgeheimnisses schuldig machte, welche Handlungsweise laut den gerichtlichen Verhandlungen in einem gewissen Zusammenhange mit ihrem unordentlichen Bripat- und amtlichen Leben gestanden ist. Durch besondere Protektion ist es ihr indessen gelungen, stch längere Zeit einer strafrechtlichen Untersuchung zu entziehen, obwohl sich gegen das ^ostbüreau ^in Menneton ein allgemeines Misstrauen geltend machte. Endlich wurden die Klagen so laut und allgemein, dass ein gerichtliches Einschreiten gegen sie geboten war. Das Urtheil vom 27. November 1868 erklärte sie bezüglich mehrerer eingeklagter Amtspfliehtverlezungen schuldig und diktirte ^ ihr eine Strafe von sechs Monaten Gesäuguiss. Gegeu dieses erftinstauzliche Erkeuntuiss wurde pom ^taatsanwalt und^ von der Verurteilten Appellation eingelegt.

Statt die Verhandlungen vor der Appelationsinftan^ abzuwarten, fluchtete sieh die Witwe .Limosiu in Begleit eines viel jüngern Landsmanues, Herrn Henri Tourangin, .^ohn eines franzofisehen Untersuchungsrichters, in die Schweiz , wo sie in verschiedenen Kantonen umher^ogeu , um einen .geistlichen aufzusuchen, der die vorhabende Ehe einsegnen würde.

^bu.ol.^l in Frankreich die Eingehung einer Ehe keinen besondern Schwierigkeiten begegnet, so würben ^iese Verlobten doeh ans verschiedenen Ursachen in ihrem Vaterlande ni.ht zum Ziele gekommen seiu, daher sie ihren Zwek iu der Schweiz zu erreicheu suchten. Als die Eltern Touraugin von diesem Vorhaben Kenntuiss erhielten, reisten sie ihrem Sohne nach, um wo moglich deuselbeu vou seinem Entschlösse abzubringen. ...^ie wandten sich zu diesem. ^weke au die in der Schweiz akkreditirte franzosische Gesandtschaft, wo sie einen Protest gegen diese nach ihrer Ansicht gese^lich
unzulässige Ehe erhobeu. .^ie verbanden damit das Gesueh, es mochte dieser Vrotest dem ^ohne mitgetheilt und derselbe eiugeladeu werden, uach Hause zurü^ukehreu. Die Gesandtschaft unterstünde dieses Begehren bei dem Bundesrathe.. Nachdem unser J..sti^- und ^oli^eidepartemeut deu Aufenthalt der Brautleute ausgemittelt hatte, liess e^ dem jungen Tonrangiu die verlangten Eröffnungen machen. Da dieser^ aber dem Bräfekten in Martinach (Wallis) erklärt hatte, seine beabsichtigte Verehelichnng nicht ansgebeu zu wollen, so wurde diese Antwort durch den Buudesrath der frau^osischen Gesaudtschast und später noch anderweitig mitgetheilt, und zwar mit dem Bei-

101.^ fügen, dass der Bundesrath keine Veranlassung habe. in dieser HeirathsAngelegenheit seine Jntervention eintreten zu lassen. Wir perweisen übrigens bezüglich der nahern Angaben ans unser Schreiben an die Regierung von Freiburg d. d. 26. März 1870.

Am ..). März 1869 fand dann auch wirklich in Lentenach, Kts. Freiburg, die Einsegnung der Ehe dnrch den dortigen ..^sarrer statt, worauf Beide sich in den Danton Waadt znrükzogen, wo sie jedes mit einer Ans^.

enthaltsbewilligung, auf seinen Ramen versehen, sich noch aushielten, als gerade ein Jahr später das Auslieferungsgesuch gegen Wittwe Limosin einlangte.

Am 1. Februar 1870 nämlich kam dieses Ausliesernngsgesueh der franzosischen Gesandtschast gegen Witwe Limosin ein , und sofort begannen auch aus unserm Justi^ und Bolizeidepartement die Erkundigungen, ob dieselbe werde verhaftet und ausgeliesert werden. Da sieh dieses Departement überzeugen musste, dass es sieh von befreundeter Seite darum handle, eine allfällige Verhaftung ^und Auslieferung der Angeklagten zu vereiteln, so säumte es uieht, dem Jnst.z- und Bo.izeidepartemeut des Kantons Waadt durch Telegramm den Austrag znr Verhaftung der Witwe Limofin zu gebeu. Obwohl diese Amtsstelle auch ihrerseits aus dem nämlichen Wege den Bräfekten von Baderne mit der Aussührung beauftragte, so hatte bei der Ankunft der waadtländi-

schen Volizei die Gesnehte in Begleit ihres Geliebten sich dennoch bereits

aus die Flucht begeben, da sie lant Berieht des Volizeidepartemeuts in Lausanne von der bevorstehenden Verhaftung in Kenntuiss gesezt worden waren. Aus dem Berieht des gleichen Departements ist auch zu entnehmen, dass Touraugin und seine Gefährtin die Verhaftung der leztern aus den Zeitpunkt der Jnkrasttretung des neuen Vertrages schon einige Zeit vorausgesehen haben müssen und auf den Eintritt dieses Balles gewisse Drohungen ausftiesse.., welche das Boiizeidepartement von Waadt veranlasst hatten, einige Vorsiehtsmassregeln zur Sicherung der Verhastung anzuordnen. Am 3. ^ebrnar vernahm dann unser Jnsti^ und Bolizeidepartement durch den Advokaten Herrn Vellis und Herrn .^sarrer Mantel , dass die Witwe Limosiu sich im Vsarrhause zu .Lentenach versteht halte, woraus unser genanntes Departement der Volizeidirektion von ^reiburg den Austrag gab, die Verhastuug dieser Berson anzuordnen.

Da das Departement keine eigenen Angestellten zur Aussührnng seiner Befehle hat, so muss es die kantonalen Boli^iftell..n in Anspruch uehmen und es dem Takt und der Einsicht derselben überlassen, die jeweilen sür den konkreten Fall nolhigen Anordnungen zu ...treffen. Wenn die

Bolizeidirektion von ^reiburg die Taktlosigkeit beging, den Herrn Vellis und den Bruder des Herrn Tonrangin bei der Verhaftung mitwirken zn lassen, so geht dies ans ihre alleinige Rechnung, das eidgenossische Justiz- und Boli^eidepartement hat weder mit Herrn Bellis noch mit

1017 den Anwälten der Witwe .Limosin sich je über zu ergreifende Massregeln besprochen, noch denselben irgendwelchen Einfluss auf den Gang der Angelegenheit gestattet, obwohl es von diesen Herren mehr Besuche hatte, als ihm gerade lieb war. Wenn Herr Bellis nach seiner Anzeige mit Grund vermuthen konnte oder wenn er bei diesem Anlasse auf der Kanzlei des Justiz- und Bolizeidepartements auch vernommen haben sollte, dass man die Gesuchte (was sich übrigens von selbst verstund) a..

dem Orte werde verhasten lassen, wo sie sich verstekt hielt, so hätte ihm

dieses noch keineswegs die Berechtigung gegeben, der Bolize.idirektion

des Kantons ^reiburg seine Beihilfe anzubieten , wie es der leztern auch gut angestanden wäre, dem Herrn Bellis zu bemerken, dass man seine Einmischung weder . wünsche noch bedürse.

Nachdem die Anzeige von der vollzogenen Verhaftung eingelangt war, richtete der Bundesrath am 4. Februar an die Regierung von Freiburg in der ganz gewohnlichen ^orm die Einladung , die Witwe ^imosiu an die sranzosisehen Behorden auszuliefern, unter Beilegung eines Auszuges des ^trafurtheils und unter Zitation des in Anwendung kommenden Artikels des neuen Ausliesernngsvertrages.

Die Regierung von Freiburg erhob aber die oben angeführten Einwendungen, die zu einer einlässlichen Korrespondenz und zu dem Konflikte führten, dessen Entscheidung nunmehr Jhnen zusteht. Wir konnen uns füglich enthalten, Räheres aus dem ..^ehriftenweehsel herauszuheben, da die Regierung vou ^reiburg in ihrer Deukschrist die ganze Korrespondenz abgedrukt hat, wobei wir nur bemerken, dass, wenigsten^ in der deutschen Ausgabe, mehrere Unrichtigkeiten und. sinnstorende Fehler vorkommen.

Bevor wir jedoch znr nähern Besprechung der Jhrem Entscheide unterstellten Bostnlate schreiten, müssen wir noch eines Umstandes erwähnen, der ^war in der gewechselten Korrespondenz eine weniger hervorragende Rolle spielt, als ihn. znr Zeit der ossentlichen B.^spreehnug dieser Angelegenheit eingeräumt worden ist. Wir meinen die Heirathsangelegenheit des Herrn Henri Tourangin und der Witwe .^in.osin.

Die sranzosische Gesandtschaft hatte ihrem Ansliefernugsbegehren die Bemerkung angehäuft, dass eine schnelle Vollziehung der Auslieferung der Witwe Limosin geeignet sein konnte, die projektirte Ehe zwischen den genannten Personen zu verhindern. ^ Diese dem Gesnch ganz fremde Beimischung konneu wir uns nur dnrch ^wei Umstände erklären. Einerseits wird sich die Gesandtschast des gerade ein Jahr vorder gegen die Eingehung dieser Ehe erhobeneu ^rotestes erinnert haben und andererseits ist ihr offenbar nicht bekannt gewesen, dass diese Ehe zur Zeit des Auslieseruugsgesuches längst eine vollzogene Tatsache und also nicht mehr zu verhindern war. Obwohl der Bundesrath

10l8 schon. im Jahre^ 1869 genügend steh erklärt hatte, dass er sieh in diese Heirathsgeschichte gar nicht einmische, und auch dieses Mal diese Zugabe ^ls gänzlich irrelevant betrachtete, so dürfte es. doch nicht als unpassend angesehen werden , dass auch diese Stelle der Rote der sranzosisehen Gesandtschaft der Regierung von ^reiburg zur Kenutniss gekommen ist, und zwar mit Rü.sicht ans die sonderbare Art und Weise, wie diese Ehe im Kanton Freiburg zu Stande gekommen ist und mit Rüksicht aus die Verhandlungen , zu denen dieselbe Veranlassung gegeben hat.

Würden ^dergleichen Anbringen bei der Bewilligung der Auslieferung

auch nur

im entferntesten einen Einfluss geübt haben, so liesse es sieh

allerdings nicht rechtfertigen. Dass dem aber nicht so ist, ergibt sich hinlänglich klar daraus, dass der Auslieferungsauftrag aus^rüklieh nur ans ...lrt. 1, Zisf. 32 ...es Vertrages gestüzt wurde und der besagten Stelle anlässlich nur als eine im bereits angedeuteten Sinne gemachte .Bemerkung der Gesandtschaft erwähnt wurde.

Während nämlich der Konflikt zwischen dem Bundesrathe und der Regierung von Freiburg über die Auslieferungssrage sich fortspann, beschäftigte die Eheangelegenheit die kantonalen Behorden von ^reiburg.

^.b^ohl der Bischos iu Freibnrg, wie früher derjenige von Wallis, den Geistlichen untersagt hatte, den .^errn .^enri Tonrangin und die Witwe Limosin ehelich zu verbinden, gehorchte dennoch Herr Bfarrer Mantel diesem .Befehle nicht.

.^err Henri Tonrangin zitir.te nun im Monat März laufenden Jahres den Herrn Vsarrer Mantel vor Gericht , um ihn anhalten zu lassen , eine Bescheinigung über die stattgehabte Verehelichung aus dem Ehebuehe auszustellen. Herr Bfarrer Mantel weig^.rt... sieh aber dessen , da er in das Zivilstandsregister keinen Eintrag gemacht und somit auch die gewünschte Bescheinigung nicht ausstellen koune, es habe .oohl eine Einsegnung der Verlobnisse, aber keine Verehelichung stattgefunden. Das erft- und ^weitinstanzliehe Gericht erklärten sieh inkompetent, in Aachen zn entscheiden. Hieraus gelangte Herr Henri Tourangin an deu Staatsrath mit dem Gesuche, es mochte Herr Vfarrer Mantel angehalten u^erden, die stattgehabte Vereheliehung in das Zivilstaudsregister einzutragen und hierüber ein Eertisieat auszustellen. Ju dieser Jnstau^ traten nun die Eltern Tourrangin als Jnteroenienten auf und erneuerten ihren Protest. es handle sich hier um eine personliche .^tatusfrage von Franzosen, deren Entscheid vor die sran^osischen Gerichte gehore. wenn aber a..eh die sreiburg^schen^Behorden entscheiden wollten, so stehe jedenfalls nach Verfassung und Gesez dem Staatsrathe iu dieser M^trimouialsache kein Entscheidungsrecht zu, sondern eher den Gerichten. Der Staatsrath trat mit den Eltern Tonrangin in keine Relation, sondern entschied, es habe Herr Vsarrer Mantel die Ehe in das Zivilstandsregister einzutragen, welehem Austrage derselbe nach einigem Zaudern Folge leistete. Gegen diesen Ent-

10l..)

scheid. des.. sreiburgischen Staatsrathes^ erhoben die Eltern Touraugin Beschwerde bei dem Bundesrathe und stellten das Gesuch, es mochte der angefochtene Entscheid als im Widerspruche mit der Bundes- und Kantonsverfassung und den sreiburgischen Gesezen, sowie mitten zwischen der Schweiz und Frankreich abgeschlossenen Verträgen erklärt und die gemachte Eintragung als null und nichtig erklärt werden.

. Die Beschwerdeführer stüzten ihre Opposition vorerst auf die Behauptuug, dass die augebliche Ehe gegen die Vorschriften der massgebenden französischen Geseze und namentlich ohne Ausgebot und entgegen der berechtigten Einsprache der Eltern erfolgt sei ; Hr. Bfarrer Mautel sei nicht in der Stellung gewesen, eiue gültige Ehe einsegnen ^u konneu, er selbst habe auch anerkannt, dass weder rechtlich noch faktisch eiue gültige El..e e^stire, somit habe der Staatsrath von Freiburg die Eintrag.^.g einer nicht ex^stixenden Ehe , und zwar in ganz inkompetenter Stellung befohlen.

Der Bundesrath hat , konsequent mit der in dieser Heirathssra^e von Ansang au eingenommenen Stellung, nicht finden konneu, dass die Buudesoerfassuug o^er Bestimmungen der s^hwei^ris^hen-sranzosischeu Verträge verleg seien, und hat daher seine Jni.ervention abgelehnt. Einzig die ^rage, ob .Vorschriften der kantonalen Verfassung über die .Trennung der Gewalten verlebt worden seien, hätte ihm eiuen Anhaltspunkt ^ur Einholung einer Autwort der Regierung von ^reiburg geben kouneu.

Da aber Beschwerden dieser Art zuerst au den Grossen Ralh , welchem iu erster ^iuie die Oberaufsicht über die Handhabung der Verfassung übertragen ist, gebracht werden müssen, so verwies der Bundesrath die Beschwerdeführer an diese Behorde. ^b nun diese Heirathsfra^e hiemit ihre definitive Erledigung gesuudeu, oder ob sie iu irgend einer Weis.^ wiederkehren .^ird , wollen wir dahin gestellt sei.u lasfeu. ^b-

wohl dieselbe teilweise gleichzeitig mit der Ansliefer^ugsfrage auf der

Bühne war , so steht sie do^h mit derselben in keiner rechtlicheu Beziehung. Die Ansliefer...ug^srage u.usste einzig und alleiu nach den Vors^riften des Vertrages geprüft werden, und auf diesem Boden kann es uichl dem geringsten Zweifel unterliegen, dass das Begehreu Frankreiehs vollkommen begrübet ist und deu.selbeu entsprochen werden musste.

Motiven naehzufragen, welche allsälli^ aus ein rechtlich begründetes Auslieserungsbegehren auch noch eingewirkt haben konnten, ift nicht zulässig.

Wollte man umgekehrt bei der Stellung von Auslieferungsbegehren von unserer .^eite uns noch zumuthen, die Versicherung hinzuzufügen, dass keine Brivatinteressen mit im Spiele seien, so würden wir ein solches Ansinnen entschieden von der Hand weisen. Uebxigens hat Frankreich seit dem Jnkrasttreten des neuen Vertrages viele solche Begehren gestellt, die unter den. alten Vertrage nicht hätten .......rüksu.htigt werden müssen.

Andererseits sind auch von uus solche Gesuehe au Frankreich abgegangen.

1020 .Nachdem nun in der bisherigen Darstellung der Merlans der An.^ Gelegenheit nicht nur in der Auslieferungsfrage, sondern auch bezuglich der Heirath gegeben worden ist, wollen wir zur Prüfung der Sehlussbegehren der Regierung von Freiburg schreiten.

I. Das erste Begehren lautet: ,,dass es Sache der Kantone sei , die Auslieferungsbegehren zn ,,prüsen , welche ihnen dnrch den Bundesrath übermacht werden , ^und ,,denselben zu entsprechen oder sie zu verweigern , je nachdem diese Be,,gehren mit den Verträgen übereinstimmen oder nieht.^

II. Und zusammenhängend damit wird gefolgert: .,dass der Bundesrath das Recht habe , Kenntniss zu nehmen von ,,den Entscheiden der Kantone unl^ sie zu ändern, wenn sie im Widern ,,spruche mit den Verträgen stehen , unter Vorbehalt des Rekurses an ,,die Bundesversammlung, wenn der Kanton dafür hält, der Entscheid

..des Bundesrathes sei nicht rechtlich begründet.^

Jn diesen zwei Begehren liegt der Schwerpunkt des ^Konfliktes.

Wir haben in unserer Korrespondenz mit dem Staatsrathe von Freiburg unsere abweichende Ansicht zu begründen versucht , und konnen im Allgemeinen ans dieselbe verweisen. Jnzwischen wird es am Vlaze sein, wenn wir dieselbe in ihren Grundzügen nochmals darlegen.

Unter der Herrschaft der srühern Bundesverfassung konnte die Tagsazung solche Verträge nur als Mandatar der Kantone abschließen , diejenigen Kantone . welche der eidgenössischen Behorde keine Voilmaeht ausstellten, anch in ihrem Ramen einen Vertrag zu unterzeichnen,^ wurden nicht als ^Kontrahenten betrachtet und konnten weder Rechte noch Vflichten aus einem solchen Vertrage fur sieh ableiten. Jn diesem Sinne wurden ^ auch von den jezigeu Bundesbehorden die in früherer Vexiode abgeschlossenen Verträge angesehen und gehaudhabt , immerl.in aber in dem Sinne, dass auch die vertragschliessendeu Kantone den amt^ liehen Verkehr mit auswärtigen Staatsregieruugen oder ihren ^tellverVertretern in Anslieferungsangelegeuheiten nur durch Vermittlung des Bundesrathes (Art. 10 der Bundesverfassung) pflegen sollen. Ferner wurden die Verfügungen der Kantone der Aufsicht des Bundesrathes unterstellt, der sich einer Auslieferuug widersezen oder dieselbe verlaugen oder anordnen kann, wenn die daherige Entschließung die internationalen Be^iel^nngen der Schweiz beeinträchtigen ^vürde. Die nä^nliehen G.undsäze wurden auch festgehalten , wenn keine Verträge vorhanden waren. Erst was darüber hinaus lag, wurde in den Bereich der Kantone verwiesen. So sprach sieh der Bundesrath in seinen. Geschäftsberichte für das Jahr 1849 aus.

Die Regierung von ^reiburg beruft sieh mit Unrecht zu Gunsten ihrer Ansicht aus diesen Bericht. Wenn mau die ganze Auseinander-

1021 sezung des Bundesrathes ins Auge sasst, so wird sofort klar, dass die .geführte Argumentation ganz iu unserm Sinne auszufassen ist. Es wird gesagt : ,.Es entstand bei den Auslieferungsfragen natürlich die Frage, .,,ob die A n w e n d u n g der mit auswärtigen Staaten abgeschlossenen ,,Verträge in den Befugnissen und Obliegenheiten der eidgenössischen .,,Behorden oder in denjenigen der Kantone liege. Da die Ausliese,,rungsvertrage, welche in Zukunft mit auswärtigen Staaten abgeschlossen ^werden , nach Art. 8 und 90, Ziff. 8 der Bundesverfassung aus^

.,schliesslich zu deu Rechten des Bundes gehören, so beschlägt die Frage

.,uur diejenigen ^bestehenden Auslieserungsverträge, welche nicht mit der ^Eidgenossenschaft , sondern mit einer gewissen Anzahl von Kantonen ^abgeschlossen worden sind^ ; .-.-und hierauf werden dann gegenüber dem Verfahren unter den alten Vororten diejenigen Einschränkungen angeführt , welche in Bezug auf die alten Verträge in Zukunft mass^ gebend sein sollten und welche die Regierung von Freiburg mit Unrecht auch für den neuen Ausl.eferungsvertrag mit Frankreich glaubt anrufen .^u können. Die Bundesversammlung hat weder damals noch später die Ansichten des Bundesrathes verworfen , sondern denselben einfach beauftragt, einen Gesezentwurf vorzulegen , betreffend die Auslieferung von einem Kanton an den andern, so.^ie der Schweiz an das Ausland, und umgekehrt. Das erstere Gesez ist schon längstens erlassen ; sur das

leztexe zeigte sich kein praktisches Bedürfnis mehr, da in den seither mit

einer Reihe von ..Staaten abgeschlossenen Auslieferungsverträgen das Rothwendige geregelt ist und ernstliche Anstände zwischen dem Bundes..

xath und einer Kantonsregierung keine vorkamen. Wenn auch in der ersten Zeit nach 1848 eine seste Rorm sur die Uebermittlung der vertragsmässigen Auslieserungsgesnche den Kantonen sich noch nicht ge.^ bildet hatte und man auf verschiedene Ausdruksweisen stosst, .^ie z. B.:

,,es ist dieses ^Auslieseruugsgesuch der Regierung von . . . . mit Hin^

,,weisung auf den mit . . . . verabredeten Auslieferungsvertrag , dem .,der Kanton . . . . aueh beigetreten ist, empfehlend mitzutheilen^ , oder :

,,es sind die bezüglichen Akteustüke der Regierung von .... zuzustellen,

,,mit dem Ansuchen, die verlangte Auslieferung zu bewilligen^, oder: .,es sei die Regieruug von . . . . um Verhaftung und Auslieferung ,,anzugeheu^, --.- so würde es doch dem Staatsrathe von Freiburg schwerlich geliugen, einen einzigen Fall zu zitiren, in welchem in einem Auslieferungsgesuch eiues Vertragsstaates iu derjenigen Weise verfahren worden wäre, wie jezt beansprucht wird, d. h. dass der Bundesrath das auf diplomatischem Wege empfangene Begehren einfach einer Kantonsregieruug mit dem Gesuche übermittelt hätte, um dasselbe zu würdigen, einen Entschluss zu fassen und denselben dem Bundesrathe mit^utheilen.

Wir begegnen aber bald einer bestimmten Bra^is, wonach der Bundesrath solche Ausliesernngsgesuche formell und materiell von sich

1022 aus pruste und nach Richtigfinde^ an den betreffenden Kanton die Einla^nug richtete, die verlangte Auslieferung ^u vollziehen. Wenn dieses.

Versagen schon bezüglich solcher Begehren Bla^ ^grisf, welche nach den alten .Verträgen behandelt werden mussten, und zwar in vielen hundert Fällen .ohne allen ...instand und olme alle Reklamation, so lässt sich das^ gleiche Versahren gewiss auch in Be^ng a..s die uenern Verträge und speziell auf ^den .neuesten Vertrag mit Frankreich anwenden.

Die Bundesverfassung reservirt dem Bunde allein das Recht, Verträge mit dem Ausland... abzuschließen, und z.oar sur sich und iu eigenem Ramen, und nicht als blosser Mandatar der Kantone , wie unter ..em.

srüheru Buudesvertrag. Das Abschließen von Staatsverträgeu mit dem Auslaude ist Buudessaehe ; die internationalen Verträge werden von der Bundesversammlung geprüft und ratifiât, ohne dass die kantonalen Behorden irgend e^ne Einwirkung haben , immerhin unter der Restriktiou , dass in Materien . u..o den Kantonen gewisse Rechte durch d.e Bundesverfassung garantixt siud^ dieselben nicht verlebt werden dürfen, woraus z. B. bezüglich der ...^.hmgeldsrage in dem Vertrage mit Frankreich vom Jahre 1864 Rüksicht genommen wurde. Jn andern Materien, wie z. B. bei Riederlassuugsverträgeu, wo die Kantone das Recht besizeu, selbst bei Schweizerbürgern gewisse Ree.nisite zu verlangen , steht ihnen auch das Recht der Vrüsuug zu. Wenn ^. B. Aus.läuder ans einem Vertragsstaat^ sich behnfs der .Niederlassung präsentixen, so haben die betreffenden Kantone iu erster Linie ^u untersuchen, ob er nicht durch ein Strafnrtheil als ehrlos erklärt sei, uno erst wenn über

Verlegung des Vertrages geklagt wird, tritt die .^rüsu..g ^es Bundes-

rathes ein , .während ihnen das Recht nicht mehr zusteht, zn erklären, sie gestatten einem sranzosisehen Bürger einzig aus der Ursache, weil er Jude sei,^ die Niederlassung nicht.

Jn zeutralisirten Materien dagegen und in solchen , wo keine speziellen Rechte der Kantone mit in ^rage kommen , wie dieses bei Anslieserungsverträgeu der ^all ist , steht es dem Bunde .srei , den Jnhalt der Verträge nach eigener Machtvollkommenheit zu gestalten und die Auslegung und .Anwendung derselben von sieh aus au die Hand zu nehmen. Man wendet ^w^r ein, die ^trafgerichtsbarkeit und die ^remdenpolizei stehen bei den Kantonen.

Wir bestreiteu dieses nicht, aber man muss diesen ^ä^en eine richtige Auslegung geben. Was die ^.trafJurisdiktion anbetrifft, so kommt dieses Recht der Kantoue hier nicht in Betracht . nach ^oie vor bleibt ihnen unbenommen , Vergehen , die von Jn- und Ausländern aus ihrem Gebiete vernbt wurden, nach den eigenen ^trasgesezen zu behandeln; auch das Recht, eigene Angehörige, die im Auslaude gewisse Erbrechen begangen haben, zur Reeh^nsehast zu ziehen, wird ihnen nieht angetastet ; dagegen haben sie keine Strasjurisdiktion über einen Ausländer, der sich bloss in uuser ^and geflüchtet, aber da

1023 keiner Gesezesverlezuug sich schuldig gemacht hat. Was die Bol^eihoheit der Kantone anbelangt, so gehort die Fremdeupoli^ei allerdings ^n den Souveränitätsrechten der Kantone, soweit sie nicht beschränkt ist. Aber schon der Art. 57 der Bundesverfassung enthält eiue solche Einschränkung.

Wie aber der Bund solche Fremde au^s der ganzen^ Schwe^ , oder aus dem Gebiete einzelner Kantone wegweisen kann, welche die ^äussere oder innere Sicherheit der Eidgenossenschaft gefährden, so kann er sich auch in einem Vertrage gegenüber einem ausländischen Staate verpslichten, seine flüchtigen Verbrecher ^nicht aus Schweizer^gebiet auszunehmen, sondern sie zu verhaften und auszuliefern.

Wenn also sehon die Materie eines Auslieseruugsvertrages der Art ist , dass der Bund frei nach seinem Ermessen dieselbe mit dem Mitkontrahenten regeln kann; wenn die Eidgenossenschaft als solche einen sür die ganze Schweiz gültigen Vertrag abschließt, und sieh dem andern Theil gegenüber verpflichtet, so liegt ^es schon in der Ratur der Sache, dass sie bei Auslegung und Anwendung eines solchen Vertrages ein maßgebendes Wort mitzuspreeheu hat und es nicht 25. Regierungen anheimgegeben werden kann , über die Handhabung des Vertrages ^u versügeu. Die Regierung von ^reiburg, .....en n sie sich auch. das Recht gewahrt wissen will, darüber zu entscheiden, ob eiuem Auslieserungsbegehreu ^oige gegeben werden soll oder nicht , will doch andererseits Zugeben , dass der Bund Keuntniss von den Entscheiden der Kantone nehmen und sie ändern konne, wenn sie im Widerspruche mit den VerPrägen stehen, immerhin aber unter .^em Vorbehalte der Weiter^iehung des buudesräthliehen Entscheides , wenn der Kanton dafür hält, der

diessällige Entscheid sei nicht begründet. Wir hallen aber umgekehrt da-

sür, es hiesse die ^tellun^ des Bundesrathes verrukeu, we.... mau ihm in erster Lini.. bloss die Rolle eines ^Vermittlers und erst sekundär die Stelle eines Mitredenden anweisen würde. Der Vertrag ^mit Frankreich, wie ^die meisten andern Auslie.ferungsverträge, sezeu diplomatischen Verkehr voraus, d. h. wenn ein schweizerischer Verbrecher sich ^auf sranzo.^ sisehen Bo^.u flüchtet, so ist das sranzosische Miuisterum um die Auslieferuug anzusehen, uud wenn ein srauzo^seher Uebelthäter auf schweiArischem Bodeu betrosseu wird, so hat der diplomatische A^ent Frankreichs sich an deu Bundesrath zu wenden , wobei es gar nichts daraus au-

kommt, in welchem Kantone de.r Flüchtige sich befindet , es kommt das .

schweizerische Gebiet als Staatsgebiet und nicht in seiner Abgrenzung

nach Kantonen in Betracht. Diese Abgrenzung ist eine i..nere^Eiu.ichtu..g, und es ist ^ache der eigenen Konstiluirung, zu bestimmen, welche Rechte und ...Befugnisse den einzelnen Gliedern .^es Bnndesstaates zustehen.

Wir halten nun dafür, wenn der Bund die Kantone bei .der Abschliessuug des Vertrages jeder Mitwirkung enthoben. und er nur über ihm zustehende Materien verfügt hat . so konnen die Kantone bei der E^eku-

1024 tion des Vertrages nicht wieder plözlieh in den Vordergrund treten, nm über die im Vertrage vom Bunde übernommenen internationalen ..^erpflichtungen abzusprechen. Es wäre dieses nicht nur eine Anomalie, sondern geradezu ei.n Rükschritt. Schon beim Bestande des alten franzwischen Vertrages hat der Bundesrath jeweilen bei jedem Auslieserungsbegehren dasselbe geprüst, und ebenso verfährt er beim neuen Vertrage.

Er untersucht, ob die vertragsmässigen Voraussezungen der Auslieferung vorhanden seien, ob ein nach den Gesezen beider Vertragsstaaten strafbares und im Anslieserungsvertrage vorgesehenes und nicht verehrtes Verbrechen vorliege , sowie , ob das Auslieferungsgesuch den Ansordexungen entspreche. Findet er alle Bedingungen ersüllt, so richtet er an den betreffenden Kanton die Einladung, dem Begehren .^olge zn geben.

Erachtet er aber .^as Gesuch als nicht begründet, so lehnt ex das Ver^ laugen geradezu ab, ohne demjenigen Kanton^ in welchem sieh das reklamirte Jndipidnum befindet, Kenntniss von den. Gesuche und der Ablehnung zu geben. glaubt er aber noch Ansklärnngen über den einen oder andern ..^unkt nöthig zu haben , so ordnet er solche vor der Fassung einer definitiven Schlussnal..me an. Dieses Versahren ist schon längst praktizirt worden und hat sich auch uebenbei noch als ganz zwekmassig bewährt , da in weitaus den meisten Fällen die .^ache so liegt, dass eine Bewilligung nicht verweigert werden ^ kann , daher das von Freiburg beanspruchte Versahren unnothig ist und zudem noch einen

schleppenden Geschäftsgang herbeisühren würde.

Wir wollen mit unserer bisherigen Auseinaudersezung uicht fagen, dass die Kantone gegen die Versügungen des Bundesrathes unter keinen Umständen Einwendungen machen konnen. Als die Regierung von Basel-^tadt in mehr theoretischer Weise die Saehe zur Sprache brachte, wahrte der Bundesrath allerdings sein Entscheidungsrecht, sügte aber wortlich bei: ^Begründete Bedenken der Kantone wird er immer an,,horen und würdigen ; aber solche mogliehen Ausnahmen konnen das "Brinzip nicht alteriren , vielmehr wird das Vrinzip dnrch solche Ans,,nahmsverhältnisse bestätigt.^ Dieses wnrde auch der Regierung von Freiburg mitgetheilt ; si^ konnte sieh aber mit dieser Zusichernng nicht befriedigeu , ....eil sie grundsäzlich das ..^ersahren des Bundesrathes für

unzulässig erachtet.

Wir können an dieser Stelle nur noch bemerken, dass Frankreich und Jtalien seit den neuen Auslieferungsverträgen daraus halten, in jedem ^alle vor der Ablieferung eiues versolgten Flüchtigen eine formliehe Ausliesernngsbewilligung von Seite des Bundesrathes zu erhalten.

Es geschieht aber hie und da, dass ein Verfolgter bei sofortiger Racheile an unsern Grenzen noch eingeholt und brevi maan wieder zurükgeliefert wird. Jn solchen Fällen wird selbst nachträglich noch auf dem diploma-

tischen Wege unter Einsendung der nöthigen Belege die Bewilligung

1025 des Bundesrathes eingeholt. Bei konsequenter Durchführung des .^..n Freiburg augestrebten Versahrens müsste in solchen Fällen der Bundesrath zuerst bei dem betreffenden Kantone noch eine Erklärung einholen, wie er denn überhaupt dem verlangenden Staate auch in den gewohnliehen Fällen nur anzuzeigen hätte, es habe der und der Kanton das. Auslieferungsbegehren geprüft und sich bereit erklärt, demselben zn entsprechen oder er habe es abgelehnt. Jm leztern Falle müsste er noch hinzufügen, er seinerseits sei zwar mit der Abweisung des Gesuches nicht einverstanden , weitere Auskunst könne er aber erst geben, wenn die gesezgebenden Räthe den Span entschieden haben werden. Eine solche Stellung zu den von der Eidgenossenschaft abgeschlossenen internationalen Verträgen wird man aber dem Bundesrathe nicht anweisen wollen.

Die Regierung von Freiburg glaubt, in Ullmers Sammlung einige Spezialsälle gesunden zu haben, die für ihre Meinung sprechen sollen, die aber bei näher Brüfnng gar nicht zutrefsend sind.

Jn dem einen Falle (Ullmer Rr. 1354) handelte es sich nach einer vollzogenen Auslieferung einsach darum, wer die Verhasls- und .^ransportkosten zu trafen habe. Die Regierung von Zürich wollte dieselben dem Bnnde zuschieben, wei.. aus seine Eiuladuug gehandelt. worden sei.

Der Bundesrath glaubte aber, die Auslieferungen geschehen im Jnteresse der Kantone, weil sie und nicht der Bund die vertragsmässige Reziprozität geniesseu. ,,Wenn z. B., sagt der Bundesrath, Zürich von Bauern eine Auslieserung verlangt, so hat Bauern die Verhafte und Tran..^ portkosten bis an die Schweizergrenze zu bezahlen, was offenbar Zürich

und nicht dem Bunde zu gut kommt. ^ Es hat sich also hier nicht um

die gegenwärtig im Streite liegenden Fragen ^gehandelt, sondern einsach um Kostenersaz. Mit den zu..ei nachfolgenden Zitaten verhält es sieh in gleicher Weise.

Ein anderer angeruseüer Fall (Ullmer Rr. 1362) spricht geradezu gegen die Ansicht von ^reiburg. Nachdem der Bundesrath der Regierung . von ^t. Gallen ein Auslieserungsgesuch der bayerischen Gesandt-

schast zum Voll^.ge übermittelt hatte, glaubte seue vorerst die Ersüllung

gewisser Bedingungen verlangen zu können. Der Bundesrath trug den Bedenken der Regierung von ........t. Gallen Rechnung und sezte sieh mit der bayerischen Gesandtschast in Korrespondenz. Nachdem er sich aber überzeugt hatte, dass die Ansicht der bayerischen Gesandtschaft naeh dem .^taatsvertrage unzweiselhast richtig sei, hat er das Begehren des Jnsti^ departemeutes von ^t. Gallen als unzulässig zurükgewiesen und ist aus

der unbediugteu Auslieseruug der Ehristina Abt bestanden.

Die

Regierung von ^t. Gallen gab dann der an sie gerichteten Einladung ^ur Vollziehung der Auslieferung ohne Verzug Folge.

Bnnde.^bIatt. ...^hrg. XXII. Bd. II.

70

102^ Würde er umgekehrt gesunden haben, es sei die Regierung von St. Gallen im Reeht , so würde er nicht ermangelt haben, dieses der bayerischen Gesandtschaft zu sagen.

Wir glauben mit diesen Eroberungen nachgewiesen zu haben, dass ^die zwei ersten ..begehren der Regierung von Freiburg nicht zulässig sind.

III. "Dass im Falle ein Vertrag über ein ^aktnm, welches Anlass ,,zu einer Auslieferung bieten konnte, keinen Ausschluss gibt, oder wenn

,,kein Vertrag besteht, die kantonale Zuständigkeit absolut sei.^

So lautet das dritte Begehren der Regierung von ^reiburg. Hier gehen wir grosstentheils mit der Regierung von Freiburg einig. Der Bundesrath hat von jeher an dem Gründsaze festgehalten , dass wenn die Auslieferung wegen eines Verbrechens verlangt wird, das in dem betreffenden Staatsvertrage nicht vorgesehen ist, der Entscheid darüber, ob dem Gesuche entsprochen werden wolle, lediglich der betretenden Kantonsregiernng anheimgestellt werden müsse. Das Gleiche ist der Fall, wenn mit einem Staate kein Ausliesernngsvertrag besteht , immerhin aber in beiden Fällen mit den Restriktionen, welche der Bundesrath in

dem oben zitirten Geschäftsberichte pro 1849 ausgestellt hat. (Vide Bundesblatt 1850, Vd. lll, S. 116 und 117.)

IV. Ein weiteres Bostulat von Freiburg lautet: ,,dass, da der angerufene Vertrag nicht sormlich seine Anwendbarkeit "aus ältere Tatsachen stipnlirt , die Schweiz nnd folglich der Kanton ,,Freiburg nieht gebunden stud sur diese Thatsachen, welche als nicht ,,vorgesehen betrachtet werden müssen , woraus solgt , dass der Staat ,,Freiburg kompetent war, seinen Vesehluss vom 2t. Mär^ 1870 ^u

,,sassen.^

Hier handelt es sieh um die uneigentlich sogenannte Rükwirknngssrage von Verträgen. Da wir auch diesen Differenzpunkt in uuserer .Korrespondenz mit dem ^taatsrathe von ^reibnrg behandelt haben, so wollen wir hier unsere Erörterungen nicht weiter fortseien, und uns auch nicht auf Rechtsleh.rer berusen, sondern aus Vorgängen nachweisen, dass diese Kontroverse bei nns nnd in andern Staaten schon längst im Sinne unserer Auffassung entschieden worden ist.

Eine einige Reflexion wollen wir beifügen. Die Annahme, dass der neue .^luslieserungsvertrag nicht ,,rükwirk..nd" sei, mit andern Worten, dass er sich nur aus diejenigen .Verbrechen nnd Vergehen beziehe, welche unter der Herrschaft des neuen Vertrages seit dem 1. Hornung 1870 be^ gangen worden stnd, .vürde notwendigerweise zn eigentümlichen Konse.^uen-

zen sühren. Die Unzulässigkeit der Rükwirkung würde nämlieh selbftverständ-

lieh für alle in dem neuen Vertrag genannten Verbrechen bestehen, nnd nicht nur sür die neu darin ausgeführten. Weder Frankreich noch die Schweiz

1027 konnten die Auslieserung eines Dieben , Betrügers , Morders ^e. verlangen, .venn das Verbrechen vor dem 1. Februar 1870 begangen worden wäre^ denn der ne^.e Vertrag. wäre .nicht .,rükwirkend^ und der alte, nach der klaren Vorschrift von Art. 16, seit dem gleichen Tag abgeschafft. Niemand wird aber bei den Kontrahenten die Absicht voraussezen wollen, einen solchen Znstand durch den jezigen Sta^atsvertrag herbeizusühren.

Wir haben in einem Schreiben an Freiburg den Fall Ehiappa.

zitirt (Ul.lmer 1392), wo gesagt ist, dass schon bei einer andern Gelegenheit diese ^rage ihre Beantwortung gesunden habe. Es war dieses bei Anlass eines Auslieferungsgesuches der sardinischen Gesandtschast im Jahre 1855. Das Gesuch war gegen einen gewissen Sardi gerichtet, der im Jahre l 832 ...wegen Todsehlag zu 20 Jahren Galeeren verurtheilt worden war, uud sich seit einer Reihe von Jahren in Tessi.. aushielt. Dieser Umstand und mehrere andere zu Gunsten Sardi.s sprechende Momente veraulassten die Regierung von Tesfiu, sich lebhaft des Flüch.^ tigen anzunehmen. Jn Diskussion fiel auch der Umstand, dass der Auslieferungsverlrag zwischen der Schweiz und Sardinien um viele ^ Jahre jünger war als das gegen Sardi erlassene Urtheil. Jn den Akten finden sich über diesen Buukt folgende Erörterungen : Die sardinische Gesaudtsehast räsonnirte solgeuderu.assen : ,,Die Behauptung, dass der

,,Vertrag viel spätern Datums sei als das Verbrechen, ist allerdings

,,wahr. kann aber dem Auslieserungsbegehreu keinen Eintrag thun , denn ,,der Art. 1 macht durchaus keinen Unterschied zwischen den Verbrechen, ^.die vor oder nach dem Abschluss des Vertrages begangen wurden, viel-

,,mehr genügt uaeh diesem Artikel die Thatsaehe des Aufenthaltes des

,,Verbreehers in einem der ^kontrahirenden Staaten, nnd die Ansehul^ ^digung o^er Vexnrtheilung. Die Auslieferung ist nicht eine Strase, .^die nur krast eines Gesezes angewendet werden konnte, sondern sie ist^ ..ein A^t der Souveränität und Regieruugsgewalt. der aus den. Volker..recht beruht, uud in Folge von Verträgen oder auch ohne solche eintritt..

..Gemäss dieseu Grundsäzen ist immer gehandelt worden, nicht nur ^zwischen Frankreich, Belgien und Sardinien, welche ähnliche Verträge .,haben , wie derjenige^ zwischen Sardinien und mehreren Kantonen ist, "sondern auch zwischen .^ardinieu und Genf, welcher Kanton durch keinen ,,Vertrag gebunden ist.^ Die Regierung von Tessin glaubte, man solle die Kantone anfragen, wie sie den Staatsvertrag mit Sardinien mit Bezug ans frühere Verbrechen auslegen und anerkennen. Dieses Begehreu wurde aber vom Bundesrathe auf den Autrag des Justi^ und Boli^eidepartemeutes abgelehnt, ,,weil schon nach der früheru. Buudesorganisatiou nicht die im Vertrage stehenden Kantone^ eine solche .^rage dem Anslande gegenüber mit Stimmenmehrheit hätten entscheiden konnen, sondern die Tagsa^ung.,

1028 und jezt kann es keinem Zweifel unterliegen , dass der Bundesrath in erster ^inie kompetent ist , über die Anwendung eines Staatsvertrages dem Auslande gegenüber zu entscheiden^.

Ueber die sogenannte Rükwirkungssrage äusserte und Bolizeidepartement solgendermassen :

sich das Justiz-

.,Es ist die Frage aufgeworfen worden : Findet der Vertrag desshalb keine Anwenduug, weil das Verbrechen in eine frühere Zeit fällt ^ Kann hier von einer unzulässigen rükwirkenden Kraft die Rede sein, und in welchem Sinnet Wenn zn.ei Staaten sieh perpflichten, allen Auslieferungsbegehren zu entsprechen, welche den Bedingungen des Vertrages genügen , und wenn dieser Vertrag keine andere ..Beschränkung

über den Zeitpunkt des Verbrechens enthält als die Verjährnngszeit,

so bezieht sich gewiss die Verbindlichkeit des Vertrages auch aus die früher verübten Verbrechen innerhalb der Grenzen dieser Verjährnngszeit. Denn diese Beschränkung hätte ja sonst gar keine reelle Bedentung und sie konnte gar nicht zur Anwendung kommen , indem die Verjährung von Verbrechen gewohnlich erst in 20 bis 30 Jahren eintritt, während der Vertrag in der Regel aus 10 Jahre abgeschlossen wird. Ossenbar geht aber der Wille der Kontrahenten dahin , die Verjährung bei schon vorhandenen Verbrechen zu berüksichtigen und somit den Vertrag auf alle Auslieferungsbegehren, die von nun an gestellt werden, zu beziehen. Wäre dem nicht so, so würde man gewiss die Beschränkung, dass die Auslieferung sich nicht aus srühere Verbrechen beziehen dürfe, so gut ausgenommen haben, wie die Beschränkung der Verjährung oder der Ausschluß der politischen Verbrechen u. s. w.

Und in der .^hat hat die ...^ch^vei^ im Vertrage mit den Vereinsstaaten Amerikas die ausdrükliche Bedingung aufgenommen, dass er sieh nicht beziehe aus früher verübte Verbrechen. Man mnss diese Auffassung um so mehr als die richtige annehmen, da die Staaten durchaus kein Jnteresse haben, die frühern Verbrecher anszuschliessen, sondern vielmehr den bestehenden Usns der Auslieferung in seinem vollen Umfange anzuwenden. Raeh diesem Usus wnrde in der Regel die Auslieferung gewährt, und man fragte nieht, wie lange es seit der That sei, sobald sie innerhalb der Verjährungssrist fiel. Wollte man ^ nun den Vertrag auf srühere Verbrechen nicht anwenden, so würden die Staaten durch denselben eine Menge von Ansliesernngen, die ohne Vertrag stattgefunden hätten, verlieren , und ein solcher Verzicht lag doch gewiss nicht im Zweke des Vertrages.. Man kann hier nicht von einer rük.virkenden Krast reden wie bei Gesezen , denn dort liegt es in ^der Ratur der Sache, dass die Handlungen der Bürger nicht nach Gesezen beurteilt werden konnen, die noch nicht er^istiren, und dass man nieht spätere Geseze mit den frühern in Kollision bringen kann. Allein bei Verträgen ist der übereinstimmende Wille frei, und es liegt durchaus nichts Austossiges, geschweige denn

1029 Rechtswidriges darin , dass eine Staatsregierung gegen eine andere sich verpflichtet, von nun an gewisse Verbrecher unter gewissen im Vertrage enthaltenen Bedingungen auszuliefern , auch wenn die ......erbrechen vor dem Vertrage begangen worden waren. Denn diese Auslieferungen sind Akte der Staatshoheit, die auch ohne Vertrag in der Regel einzutreten pflegen. Jn einer einzigen Richtung kann man vielleicht mit Grund von einer unzulässigen rükwirkenden Krast des Vertrages sprechen. Wenn nämlich vor dem Vertrage gestellte Auslieserungsbegehxen durch ablehnende Entscheidungen erledigt sind, so kann man wohl nicht annehmen, dass man dem Vertrage die Wirkung habe beilegen wollen, frühere Entscheidungen, die damals vom rechtlichen Standpunkt aus unangreifbar waren, wieder aufzuheben.^

Der Bundesrath pflichtete dieser Ansicht des Justiz- und Volicidepartemeutes bei.^ das Gesuch Sardiniens wurde indess dennoch abgewiesen, aber aus andern Gründen, die der jezigen Frage ganz fremd waren.

Frankreich wendet die mit andern Staaten geschlossenen Auslieserungsverträge schon längst im gleichen Sinne anch aus Vergehen an, die vor dem Absehluss des Vertrages begangen worden sind. Als der Bundesrath aus Veranlassung der Regierung von Freiburg eine Reziprozitätserl.lärung verlangte , nahm daher das sranzosisehe Ministerium nieht den mindesten Anstand, eine solche auszustellen..

Unser Jnsti^ und Voli.^idepartement hat sich auch durch unsern Konsul in Brüssel erkundigt , wie die belgischen Gerichte , welche über Ansliefernngsbegehren entscheiden, diese Fragen ansehen. Die Antwort lautet dahin , dass die Gerichte nie in den ^all gekommen seien , sich über diese ^rage auszusprechen, weil bei der Diskussion des Gesezes im Jahr 1833 die Kammern sieh ganz unzweideutig in dem .^inne ansgesprochen haben, dass die Auslieferung auch wegen einem Delikt aus^ gesprochen werden müsse, das vor der Jnkrasttretung des Vertrages begangen worden. ^ Dabei wurde auch der Vnukt erortert, ob das früher dem Verbrecher durch Gewährung des Aufenthaltes ^gewissermassen zugestaudeue As.^l ihn nicht sehnen sollte.

Die Antwort siel verneinend aus, immerhin in dem .^.inne, dass solche Auslieserungsverträge zur gehorigen Zeit publizirt werden, damit diejenigen Jndividuen, welche sich vor deren Wirksamkeit fürchten, sich vor Jnkrafttretnng aus dem Lande fortbegeben konneu. Es würde uns zu weit führen, wenn wir ^ie gut begründete Argumentation^ noch anführen wollten , - und wirklich sollen vor Beginn der Wirksamkeit des neuesten zwischen Frankreich und Belgieu abgesehlosseueu Vertrages, der wie der unsrige, sieh aus mehr Verbrechen und Vergehen ausdehnt als der srühere, viele ^ranzosen, welche durch denselben betroffen wurden, sich aus Belgien wegbegeben haben.

1030 Wir

sind gegenüber den Ansichten der Regierung von Freiburg

über die Bedeutung des Anrechtes zu den nämlichen Schlussfolgernngen gelangt, wie die belgische Kammer.

Wenn man bei uns das As^lrecht gegenüber politisch und religios Verfolgten mit Recht in hohen Ehren hält , so ist dieses weniger der Fall in Bezug aus solche Versonen , welche sieh dem Strafgese^e ihres .Landes wegen gemeiner Verbrechen entzogen haben. Da aber die Fremdenpolizei Sache der Kantone ist, so kann keinem Kanton verwehrt .verden , auch gewohnlichen Verbrechern Aufenthalt zu geben , soweit nicht dieses Recht der Kautone eine Beschränkung erleidet. Eine .solche Einschränknng tritt aber ein, sobald der Bund dem .^.imatsstaate ^des Verbrechers gegenüber die Verpflichtung eingegangen, denselben, sosern er aus dem Gebiete der Schweiz betrossen werden sollte, zu ergreifen und auszuliefern. Wenn die Theorie des ...^taatsrathes von ^reibnrg über die Richtrük.virknng des Vertrages^ mit Frankreich als unrichtig dahiufällt, so sallen damit anch die Gründe dahin, aus welche derselbe in der Angelegenheit Limosiu seine ..Berechtigung zum Schule dieser Verson gründen wollte.

Mit dem Jnkrasttreteu ein..s Auslieferungsvertrages wird derselbe internationales Recht, und diesem Geseze ist Jeder unterworfen, .der aus dem Staatsgebiete wohnt und aus den er seine Anwendung findet. Bei der Existenz eines solchen Vertrages weiss der Betreffende, dass der As^lstaat .^em andern die Auslieferung für bestimmte Verbrechen zugesichert hat , er weiss, dass wenn er eines der bezeichneten Verbrechen augeklagt ist, seine Auslieferung verlangt und gewährt werden muss. Das As^l, das ihm früher gewährt worden, war kein absolutes, der vom Kanton srüher gewährte Schnz m..ss dahin fallen, sobald er mit Verpflichtungen des Bundes in Kollision kon.mt^ das limitirte Recht des Kantons muss den internationalen Verpflichtungen des Bnndes weichen. Dem Flucht-

ling bleibt die Wahl , entweder bei Bromulgatiou des Vertrages das

.Land zu verlassen oder nach bestehendem Recht ausgeliefert zu werden^

V. Das lezte Bostnlat lautet: .,dass im Falle ein Kompetenzstreit entsteht, im Sinne der Rr. 17, .,Liu. a des Arr. 74 der Bundesverfassung, es der Bundesversammlung ,,alleiu zustehe , abzusprechen , und dass von da an die Entscheidungen ,,des Bundesrathes suspendirt werden sollen, es sei denn, dass die Auf,,rechthaltuug der innern oder äußern Sicherheit der^ Schweiz gesährdet ,,werden konnte.^ (Art. ^7 und 90, Rr. .) und 10 der Bnndesperfassung.)

Wenn die Schweiz mit einem ausländischen Staate einen Vertrag abschliesst, so verspricht die Bnndesbehorde im Ramen der schweizerischen Eidgeuossenschast, denselben getreulich in Ersüllnng zu bringen. Der ^ ^Bundesrath, welcher mit der Vollziehung solcher Staalsverträge beanf-

1031 tragt wird, hat nach Art. 90, Ziff. 2 der Bundesverfassung die Bricht, für die Beobachtung der Beschlüsse des Bundes zu wachen und zur Handhabung derselben von sieh aus oder aus eingegangene Besehwerde die erforderlichen Verfügungen zu treffen, und naeh Ziff. 8 des nämlichen Artikels hat er die Jnteressen der Eidgenossensehast nach Aussen , wie namentlich ihre volkerrechtliehen Begehungen, zu wahren und die answärtigen Angelegenheiten überhaupt zu besorgen.

Wir glauben nun nachgewiesen zu haben, dass der Bundesrath in dex Anwendung und Auslegung von Auslieserungsverträgen zuständig ist, zu entscheiden, und dass er diese Vflichtersüllung uicht von der Ansieht einer Kantousregieruug abhängig machen konne.

Die Regierung von Freiburg beharrt auch nicht mehr auf ihrer ursprünglichen Ansicht, dass die Kantone eigentlich allein kompetent seien, darüber zu nrtheilen, ob eine in Folge eines Staatsvertrages verlangte Auslieferung gewährt werden wolle uud dass dem Bundesrathe nur ein

Ueberwaehnngsrecht zustehe. Sie stellt sich schliesslich aus den Stand-

punkt , dass iu Abgang eiues Buudesgese^es der Bundesrath uur dann eine Auslieseruug anordnen konne, wenn er sich mit dem Kanton darüber geeinigt. ^aber .venu ein Kauton Einsprache erhebe, so dürfe eine Vollziehung nicht stattfinden, bis die Bundesversammlung darüber entschieden habe. Eine solche Theilung ^er Kompetenz zwischen Bundesrath uud Kantonsregierung entspricht aber der Stellung des Bundesrathes nicht. Der Abgang eines Bundesgesezes ist ohne alle Bedeutung ; der Bundesrath entscheidet in einer ganzen Reihe von Gesehästen, worüber keine speziellen Vorsehristen vorhanden sind . wir erinnern beispielsweise nur an das Recht der Ausweisung ünd Jnternirung von Fluchtlingeu. Sobald seine Zuständigkeit aus Vorschriften der Bundesverfassung abgeleitet werden kann, so ist ein .^pezialgesez nicht unbedingt nothwendig. Dass aber in der Bundesversassung genügende Anhaltspunkte sind, dem Bundesrathe das angesprochene Recht zu vindiziren und dass er es bis anhin auch ausgeübt hat, glauben .vir nachgewiesen ^u haben.

Wenn wir aber auch der Absicht sind, es liege in der Kompetenz

des Bundesrathes , endgültig über die Bewilligung oder Verweigeruug einer Auslieserung zu entscheiden, und er habe im Spezialsalle vou seiner Kompeteu^ eineu richtigen Gebrauch gemacht, so sind wir natürlich weit.

entfernt, ^en Kantonen das Recht zu bestreiten, gegen solche Beschlüsse an die Bundesversammlung zu gelangen. Eine andere Frage ist aber, ob eine solche Weiter^iehung die Vollziehung der Beschlüsse des Bundesrathes hemmeu so.ll. ^Der Bundesrath hat von jeher unterschienen , ob mit einer solchen Suspension Rachtheile verbunden seien oder nicht , und sie dann bewilligt oder verweigert. Es ist nun allerdings richtig , dass in Auslieserungssällen mit der Ablieserung der Verson die ^ache ihre faktische Erledigung findet. Dieser Um-

1032 stand kann aber nicht allein maßgebend sein, sondern es sind ost höhere Rüksichten , welche den Aussehlag geben müssen. Ein internationaler Vertrag legt den Kontrahenten gewisse Pflichten auf, die sie erfüllen müssen ; die nöthigen Anordnungen zu dieser Vflichtersüllung zu treffen, ist dem Bundesrathe übertragen. Es würde aber durch eine solche Suspension derselbe in seiner versassnngsmässigen Wirksamkeit ge^ hemmt , die Erfüllung der internationalen Verpflichtungen könnte oft auf ein halbes Jahr verhindert und unter Umständen das Eintreten der Bundese^.ekutivgewalt geradezu illusorisch gemacht werden. Daher hat die Bundesversammlung auch keinen Anstand genommen, das Versahreu des Bundesrathes gut zu heissen , als die Regierung von Genf im Jahre 1859 gegen einen Jnternirnugsbeschluss des Bundesrathes einen Kompetenzkonflikt erhob und Suspension verlangte , welche der Bundesrath aber nicht bewilligte.

Wir erwarten übrigens , es werde die hohe Bundesversammlung bei Anlass dieses Kompetenzkonfliktes bestimmt ansprechen, es sei das vom Bundesrathe in Anspruch genommene und immer geübte Recht der Auslegung und Anwendung der Ausliesernngsverträge gutgeheissen, wodurch in ^ukunft solche Kompetenzstreitigkeiten ausgeschlossen würden.

Mit dieser Hindentung bezweken wir aber keineswegs, die Beschwerden ans^nschliessen, die allsällig gegen Beschlüsse des Bundesrathes in dieser Materie erhoben werden könnten. Hiesür dürsten aber die Vorschriften der Ziffer t 5 von Art. 74 der Bundesverfassung genügen, welche Kantonen und Bürgern das Recht zusichern, Beschwerden über die Verfügungen des Bundesrathes erheben zu können. Würden die eidgenössischen Räthe bei Anlass einer solchen Beschwerde finden , es habe der Bundesrath dureh die Bewilligung der Auslieferung eines fremden Verbrechers seine Stellung missbraucht und die Ehre und Würde des Vaterlandes kompromittirt, so wäre denselben immer noch die Gelegenheit geboten, den Bundesrath sür seine Handlungsweise verantwortlich zu machen.

Wir beuten den Anlass, Sie. Tit., unserer vollkommenen HochAchtung zu versichern.

Bern, den 1. Juli 1870.

Jm Ramen des schweizerischen Bundesrathes, Der B u n d e s p x ä s i d e n t : .

.

^ .

r .

^ .

D u b s .

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schieß.

1033

#ST#

Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Konzession sur eine Eisenbahn Nose-PanerneEstavatyer-Yverdon auf Freiburgergebiet.

(Vom 9. Juli 1870.)

Tit..

Mit Botschaft vom 20. Dezember abhin haben wir Jhnen über die vom Kanton Freiburg eingereichte Konzession für eine Eisenbahn Rosé-Payerne-Estavayer.Yverdon aus freiburgisehem Gebiet Bericht erstattet^) uud dabei den Antrag gestellt, Sie mochten ^

in Erwägung, dass die Konzession so lange als unvollständig angesehen werden müsse, als das im Art. 12 derselben vorgesehene Lastenheft nicht vorliege,.

und kein Rachweis über die wirkliche Annahme der Konzession von Seite der Konzessionäre gegeben sei, b e s eh l i esse n :

Es sei in die Genehmigung der vorgelegten Konzession zur Zeit nicht einzutreten, gleichzeitig aber der Bundesrath ermächtigt, nachdem die obgenannten Mängel beseitigt sein werden, der Konzession sammt Lastenhest im Sinne der Beschlüsse, welche die Bundesversammlung in Sachen bisher gesasst hat, die Genehmigung zu ertheilen.

^) Siehe BundesbIatt v. .J. 1870, Band I, Selte 1.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend den Kompetenzkonflikt wegen der Auslieferung der Frau Limosin. (Vom 1. Juli 1870.)

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1870

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2

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28

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16.07.1870

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1013-1033

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