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Bundesrathsbeschluß in

Sachen des Rekurses des Gemeinderathes von Pfäffikon.

Kts. Zürich, betreffend Verfassungsverlezung.

(Vom 16. Mai 1870.)

Dex schweizerische Bundesrath hat in Sachen des Gemeinderathes von Bsäsfikon, Kts. Zürich,. betreffend Versassungsverlezung ;

nach angehortem Berichte des Justiz- und Bolizeidepartements und nach Einsicht der Akten , woraus sich ergeben : I. Jn dem Anhange zum Geseze vom 28. Hornnng 1855, be-

treffend die Eintheilung des Kautons Zürich in Bezirke , Wahlkreis

und Gemeinden, wurde ein Theil der Eivilgemeinde Wermatsweit, namlich Wermatsweil-Hintergasse nebst den Hosen Boden und Frotten-

matt, der Kirch- und politischen Gemeinde Bfäsfikon zugetheilt.

. Auf den Antrag des Regierungsrathes beschloß aber der Kantonsxath von Zürich unterm 30. November 1869: Die Litt. M des Anhanges zum Geseze betreffend Eintheilung des Kantons in Bezirke, Wahlkreise und Gemeinden vom 28. Hornung 1855 erhält folgende veränderte Fassung :

.,M. Die Eingemeinde Wermatsweil (Rr. 104) gehort zur Kirch-

und politischen Gemeinde Uster. Ausgenommen sind die Hofe Frottenmatt und Boden, .velehe bei der Gemei.nde Vsäffikon verbleiben."

478 ll. liegen diesen Bes.^hluss erhob nun der Ge^neiudrath von ^säffikon mit Eingabe vom .). Dezember 186^ beim Bundesrathe Befchwerde, und machte hiebei wesentlich Folgendes geltend .

Der Anhang integrirender Theil .habe auch wie das Ganze sei somit in seze erwachsen.

des Gesezes vom 28. Horuu..g 1855 habe, als desselben, wie jenes selbst, gesezliche ^raft.

Er Gesez einer doppelten Berathung unterlegen.

Das der damals gesezlich vorgeschriebenen Form zum Ge^

Jm Jahr 1862 habe ^war mittelst Beschluß eine Revision der in jenem .Anhange enthaltenen llebersichteu stattgesunden, allein es sei hiermit unr eine Zusammenstellung der seit Erlass des gesezes durch andere Akte ^Geseze oder freiwillige Vereinigung) eingetretenen Veränderungen beabsichtigt gewesen. Dagegen sei au der Gemeindeeintheilnn^ selbst nichts geändert worden.

.Run. sei es ein anerkannter Rechtsgrundsaz, dass ein Gesez, sowohl ganz als in einzelnen Bestimmungen, nur durch ein Gesez, beziehun^ welse dureh einen ^al^ielendeu Akt des Gese^gebers, wieder a..sgehoben werden konne, insofern diese Besngniss nicht dnrch eine ges.^liche Bestimmung oder die Verfassung einer andern Behorde eingeräumt worden sei. Dieses leztere sei nun aber hier nicht der Fall nnd es konne daher diejenige B^.stimm.^ng des Gesezes, betreffs die Ka.^ousEintheilung vom 28. Hornung 1855, dnrch welche die Hintergasse von Wermatsweil kirchlich und politisch der Gemeinde Bfässiko.. zngetheilt worden, nur durch einen von dem zürcherischen Volk selbst anstehenden, resp. von demselben angenommenen Al^t, wieder ansgehoben werden . denn nach Art.^ 28 der gegenwärtigen Staatsversassung übe nicht mehr der .^.antonsrath, sondern das Volk selbst, die gese^gebende Gewalt aus.

Dieser Grandsaz werde u..terstüzt durch .^lrt. 47 der Verfassung des Kantons Zürich, welcher die Bildung neuer und die Vereinigung oder Auflosung von bestehenden Gemeinden ausdrüklieh der Gesezgebu..g zuweise und dureh ..lrt. 31 derselben Verfassung, .v... unter ^en Befugnissen des Kantonsrathes die Aenderung der Gemeindeeintheilung nicht enthalten sei.

Jn dem Berichte der Regierung an den Kantonsrath sei ^ar die Sache so dargestellt, als ob es sich um blosse Grenzänderu^.g handeln würde. Wenn dieses der Fall wäre, so würde die Sache in der ^ompetenz der Gemeinden und des Regieruugsrathes gelegen haben. Allein wo. es sieh um Abtrennung einer halben Ortschaft von einer politi^n Gemeinde handle, wie im vorliegenden ^alle, da sei es geradezu absurd, von einer blossen Grenzänderung zu sprechen.

. ^ Aus dem Gesagten ergebe sich, dass der sragliehe Besehluss des .^antonsrathes mit der zürcherischen Verfassung unvereinbar sei. Es

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werde daller, gest^t auf Art. 5 und Art. 90 Ziss. 3 der Buudesversassung, die Kassation desselben verlangt.

lll.

Die Regierung von ^ür.ch machte in ihrer Antwort vom 19. Mä^ 1870 folgende Gesichtspunkte geltend: Es sei die Ansicht des Beschwerdeführers, dass der Kantonsrath zu der fraglichen Schlussnahme vom 30. Rovember 1869^ nicht kompetent . gewesen sei, eine irrige. Gerade weil in der neuen Verfassung der Schwerpunkt der .^es.^ebuug in die .^ände des Volkes ge^gt worden, seine fragen von so geringer Bedeutung, wie die vorliegende, davon ^ ausgenommen. Wenn schon i.u Jahr l 862 eine Revision des Gesezes von 1855 ans dem Wege der ^ese^gebung stattgefunden, so habe unter deu je^t veräußerten .Verhältnissen auch der in ^rage stehende Beschluß erlassen werden konneu.

Es handle sich hier um nichts Anderes, als um eine Greuzregulirnng ^wischen den politischen und Kirehgemeiudeu Uster und Bfa.ssikou. deren ^administrative ^w.^mässigkeit hinlänglich dar^ethau sei.

Die Ortschaft Wermatsweil sei eine ^ivilgemeiude, deren E^isteu^ in Art. 47 der Verfassung nnr fakultativ hingestellt worden, wie dieses schon im ..^emeindegesez vou 1866 ^ 4 und 7 geschehen sei. De...

Sa^ 3 jenes ^lrt. 47, wonach die Bitdung oder Vereinigung von G.e. meiudeu der ^ese^gebuug Angewiesen sei, kouue nur auf die in Sa^ 1 und 2 erwähnten obligatoris^heu .gemeinden sich^ beziehen , ^ uicht auch aus die erst iu Saz 4 uaehfolgeude Erwähnung der Zivilgemeinden.

Unter diesen Umständen konne von einer Verlegung des Art. 47 der ^ürcherisehen Verfassung keiue Rede sein. Ein gleiches müsse von Art. 31 gesagt werden, ^umal die Verhältnisse vou Wermatsweil eigeutlich auf dem .^ldministrativwege hätten geordnet werden konnen.

J n Erwägung: 1) Es liegt in diesem Falle nicht etwa eine erweisliche Verlegung der Verfassung vor, sondern es sind nur ^wei Auslegungen vou Verfassungsaxtikeln vorhanden, für welche jede Bartei die Richtigkeit für sich in Ansprnch nimmt. Jn solchen Fällen hat der Bundesrath immer ein wesentliches ^ewieht auf diejenige Jnterpretation gelegt, welche die oberste Behorde des Kantons selbst vou seiner Verfassung ^ibt und hat nux dann sei..e Intervention eintreten lassen, wenn in dieser Auslegung

Unbill. Gefährde oder Unterdrükung lag.

2) Eine unrichtige Auslegung und Anwendung .der Verfassung seitens des Grossen Rathes kauu jedoch nicht angenommen werden, wenn man folgende funkte ins Auge fasst : a. Der Art. 47 der Verfassung überweist in seinem ^emma 3 die Bildung neuer oder die Vereinigung bereits bestehender Gemein-

480 den der Gesezgebnng. Es handelt .sich hier aber weder um die Bildung einer neuen Gemeinde, noch um die Verschmelzung von verschiedenen Gemeinden, sondern um eine Abrundnng aus ad^ ministrativi Zwekmässigkeitsgründen, wodurch an der politischen Eintheilung des Kantons nichts geändert wird.

b. Daraus, dass der Art. 31 der Verfassung ..nter den Attributen des Grossen Rathes solcher Grenzregulirungen zwischen Gemeinden nicht erwähnt, darf nicht geschlossen werden, dass er sich nicht entgiltig mit solchen Fragen befassen dürfe, weil dort offenbar nur von den wichtigern Geschäftszweigen gesprochen wird, welche in den Bereich seiner Berathu..gen fallen. Vielmehr liegt es c. in der Ratur der Sache, und im Sinn und Geist der Verfassung, dass, wenn der Schwerpunkt der Gesezgebung in die Hände des Volkes gelegt wird, dieses nur in solchen fragen znr Entscheidung berusen ist, welche ein allgemeines Jnteresse und eine gewisse eingreifende Bedeutung haben, wohin aber eine blosse Aenderung in den Grenzverhältnissen zweier fortbestehender politischer Ge.^ meinden offenbar nicht gewählt werden kann, da es sich dabei nicht um eine Frage handelt, welche an der organischen Einrichtung etwas ändert.

d. Es hat übrigens bereits im Jahr 1862 die Behandlung des zweiten Theils des Anhangs zu dem Gesez über. die Eintheilung des Kantons nicht mehr aus dem Gesezgebungsweg stattgefunden, was beweis^ dass man schon damals fand, dass Fragen dieser Art mehr in den Bereich der Administration gehören .

besc h l o s s e n.

1. Es sei die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

2. ^ei dieser Beschluss der Regierung des Kantons Zürich, sowie dem Gemeinderathe von Vfäsfikon unter Rüksenduug der Akten mitzutheilen.

Also beschlossen, B e r n , den 16. Mai 1870.

Jm .^amen des sehwe^. Bundesrathes,

Der B u n d e s p r ä s i d e n t .

^ ^. Dubs.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schiel

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