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Mehrheit der nationalräthlichen .kommission, betreffend das Anlagekapital der schweizerischen Eisenbahnen.

(Vom 30. Juni 1870.)

Tit.!

Die Bundesversammlung beschloß unterm 24. Juli 1868, bei

Anlass der Brüsung der Geschästsführung, ein Bostulat ), enthaltend die Einladung an den Bundesrath: darüber Bericht zu erstatten, ob

dit. Feststellung des Anlagekapitals der schweizerischen Eisenbahnen jezt

schon vorzunehmen sei, und eventuell, in welcher Weise dabei verfahren werden solle.

Ueber diese Einladung hat der Bundesrath unterm 2..). .....opember 1869 eine Botschaft an Sie gerichtet, welche die Frage nach ihren verfehiedenen Seiten erörtert und gestüzt ans den Befund, es habe vorderhand die Feststellung dieses Kapitals nicht stattzufinden, mit dem Antrage an die Bundesversammlung schl.iesst, sie wolle die genannte Botschaft als dem betreffenden Postulate Genüge leistend ansehen.

Sie haben, Tit., diese Botschaft und ihren Antrag der Brüsung einer Kommission unterstellt, welche Jhnen heute das Ergebniss ihrer

Arbeit zur Kenntniss bringt.

Jhre Kommission theilte sich in eine Mehrheit und eine Minderheit.

Die Mehrheit billigt die Ansicht, es sei dermalen nicht zu einer Feststellung des Baukapitals der schweizerischen Eisenbahnen von Bundes Siehe elda. Gesezsammlung,, Band IX, Seite 876, Ziff. .....

., Bundesblatt ......n 1869, Bd. .III, S. 509.

371 ^vegen zu schreiten, und anerkennt, dass ^ie Botschaft des Bundesrathes dem angeführten postulate Genüge leistet.

Die Minderheit, bestehend aus einem Mitgliede, hält im Gegentheil dafür, es fei dringend, dieses Kapital zu bestimmen, und kann demnach nicht finden, dass die Auseiuaudersezung de^ Bundesrathes den im Jahr 1868 von der Bundesversammlung ausgesprochenen Wünschen entspreche.

Die Minderheit wird ihren Gesichtspunkt selbst darlegen, was der Mehrheit gestattet, in ihrem Berichte nur die Gründe geltend zu machen,

durch welche sie ihrerseits sich bestimmen liess, sich der Ausfassuug des

Bundesrathes anzuschliesseu.

Die Urheber des Bostulates hatten wahrscheinlich bei Stellung desselben den Rükkauf der Eisenbahnen durch den Bund im Auge . denn Alles, was die Beziehungen der Kantone mit den Gesellschaften betrifft, denen sie Konzessionen ertl.eilt haben, muss durch die kontrahirenden Parteien geregelt werden, es wäre denn, sie würden die Dazwischenkunst oder Verwendung der Bundesbehorde ansprechen. Run hat aber über den uus beschädigenden Bunl.t unseres Wissens keine derselben an diese Behorde rekurrirt.

Vorerst ist das Bedürsuiss, die Zwekmässigl.eit, die Opportunità, und somit noch mehr die Rothwendigkeit des Rükkauss der Eisenbahnen durch den Bnnd weit davon entfernt, von einem grossen Theile der Bevollernug anerkannt ^u sein. Diese ^rage wird Schwierigkeiten mehrsaeher Art und grosse Verlegenheiten mit sich bringen ; es wird

noch lange gehen, bis sie gelost ist, so dass gegenwärtig keine Roth-

wendigkeit vorliegt, sieh mit dem Baukapitale ^u befassen. Gesezt^ aber auch, dieser Rükkaus fiude in einem nähern oder entfernteren Zeitpunkte wirklich statt, sollte ^es deshalb angemessen sein, bereits jezt an diese Arbeit zu gehen, welche wahllose Erörterungen zwischen dem Bunde und den betheiligten Gesellschasteu veranlassen und sehliesslich ^u einen.. Ergebnisse führen wird, welches in den meisten Fällen von Rükkaus keinen praktischen Ruzen haben kann^ Betrachten wir die Bestimmungen, welche die Bedingungen des Rükkauses durch den Bund regeln, so finden wir, dass dieselben in jedem Spezialfalle laut dem Eisenbahnwesen sestgestellt werden müssen.

Jn erster Linie hat der Bund sich das Recht vorbehalten, den .

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Rükkauf zu bewerkstelligen nach Ablaus des 30., 45., 60., 75., 90.

und 99. Jahres, vou dem Zeitpunkte der Jnbetriebse^ung der betreffenden ^inie an gerechnet. Die Gesellschaft muss fünf Jahre zum Voraus benachrichtigt werden.

Die ^u bezahlende Entschädigung kann aus dem Wege gütlicher Vereinbarung festgestellt werden.

Kommt keine Verständigung zu Stande,

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so wird die Entschädigung durch ein Schiedsgericht nach folgend..^ ^..rundsäzen seftgesezt:

a.. Es ist zu bezahlen. im Falle des Rükkanss im 30., 45. und 60. Jahre, der 25sache Werth des durchschnittlichen Reinertrages .d^ jenigen 10 Jahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Bund .den Rükkauf erklärt, unmittelbar vorangehen.. im 75. Jahre der 22 1/2fache und im 90. Jahre der 20sache Werth dieses Reinertrages.

l.... Dabei waltet di.. Meinung, dass die Entschädigungssumme in keinem Falle weniger als das ursprüngliche Anlagekapital betragen kann.

Daraus erhellet, dass das A n l a g e k a p i t a l erst .n Berechtigung kommt, wenn die Summe, welche durch den 25, 22 1/2 oder 20fachen Werth des .Reinertrages, je nach den Zeitsristen, xepräsentirt wird, dasselbe nicht erreicht.

Wendet mau nun diese Grundsäze auf den gegenwärtigen Rükkauf unserer Eisenbahnen an, so sieht man, dass das Anlagekapital für die

Bestimmung der Entschädigung, welche für die zwei wichtigsten Eisenbahnneze der Schweiz, die Eentralbahn und die Rordostbahn, zu ^ezahlen ist, nicht als Massstab znr Anwendung käme . und was die andern betrifft, so würde der Bund sieh nie dazu verstehen, beim gege^nwarten Staude ihrer Einnahmen eine dem Anlagekapital .gleich-

kommende Entschädigung zu entrichten.

Der Breis würde gütlich

debattirt und wenn die Barteien sich nicht verständigen konnten, der Rükl.auf verschoben werden, und in allen Fällen wäre es bei di.efe.n Transaktionen nicht nothweudig, eine so genaue Sehäzung der ursprüng^lichen Ansgabe ^ü haben, wie solche durch eine ^estsezuug im Voraus erfordert würde, .venn man bei ^er ^Abfindung ans das Anlagekapital Rükstcht nehmen wollte.

Diese einzige Bemerkung schon würde uns zu dem ..^...hlusse bereehtigen, dass es sehr überflüssig ist, alle die Schwierigkeiten hervor^urufen, welche sich ergeben werden, wenn es sieh darum handelt, z.im Voraus den Kostenpreis einer Eisenbahn zu ermitteln , denn diese Fest.^ sezung wird in der That selbst im Falle des Rükkanfes nur ^von ge-

ringfügiger Bedeutung sein.

Dieselbe hätte auch keine grossere, wenn die Kantone die ..^..nba^hn im 99. Jahre .zurükkausen wollten. Zu diesem Zeitpun^e ist als Ent-

schädignng die muthmassliche Summe, welche die Erstellung der Bahn

und die Einrichtung derselben zum Betriebe dannzumal kosten wür.d^., zu bezahlen.

Andererseits sagt man, ^se Festsezung könne ein gewisses Jnteress^ für die Kantone haben, welehe die Verpflichtung übernommen. der ^n...

.^essionirten ^.Gesellsehast einen Zins zu gewährleisten, der im Verhältnisse ^u den sür die erste Anlage ausgegebenen Summen zu be^echn^en ist.

373 Dies ist moglieh . allein der Bund hat sich nicht in .die.se Verhali.nisse einzumischen ; die Kantone und die ^..esells.haften, die sieh in dieser Lage befinden, werden sieh wohl zu einigen wissen, sei es durch eine gütliche Verständigung, sei es durch Rekurs an den Entscheid der Berichte oder ein.e.r schiedsrichterlichen .Kommission.

Moglicherweise wäre es kein grosser Uebelftand, zur Feststellung des Anlagekapitals ^u schreiten, wenn mau allgemein darüber einverstanden wäre, was man unter den Worten : Anlagekapital oder Ausgaben der ersten Anlage, oder endlich ursprüngliches Baukapital, persteht.

Unsere Gese^gebung sagt hierüber nichts, und wir kennen wenige .Konzessionen odex Bsl.ichtenheste. welche diese Ausdrüke präeisirt und die ..^ummeu angegeben ^haben, welche iu dieser Rechuung figuriren sollen.

Die Botsehast des ^Bundesrathes eitirt eine im Jahre 1868 ertheilte Konzession, welche diesf.äliige Angaben enthält, ohne Zweifel .um eine Zinsengarantie festzustellen.

^llleiu diese Angaben sind selbst vag und können zu Anständen und Bro^essen Raum geben. Man spricht von Ausgaben, welche für die Erstellung und Jnbetriebsezung der konzedirten Eisenbahn n o t hw e n d i g sind. eine Bezeichnung, die ebensalls sehr ^vag ist. Es kommen i^ Betracht die Ausgaben für die Beschaffung der u o t h w e n d i g e n Summen, die Durchschnittsperluste zum .Tageskurse, mit Autorisation

des Staates ....

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Man wird als Baukapital zunächst den Betrag der Summen, welche in n üblich er Weise zur Erstellung und Jubetriebsezuu^ der Bahu verwendet wurden, betrachten.

Wie ^wird man nun die Reparaturen ansehen, rvenn sie mit Materialien von besserer .Qualität vorgenommen worden sind, als die ursprü.rglrchen ^ Wie wird man die Lu^us- oder die das dringendste Bedürfni^ übersteigenden Ausgaben ta^iren^ Und so stosst man auf manche weitere Fragen, über die sich die Parteien kaum werden verständigen konuen.

^Mit jeder Gefel^chast würde man die Losung der nämlichen Schwierigkeiten von Reuem ^beginnen müssen.

Die Kantone, welck.e Konzessionen ertheiiten, sind weit entfernt, übe.e diese Bunkte mit den konzessionirten Gesellschasten einig .^u gehen^, und konnten bis heute d.ese Frage nicht li.^uidiren. Mehrere derselben ^rschieben diese .^useinandexsezung auf unbestimmte Zeit, indem sie ^ch nicht sür die Zukunft binden wollen und sieh positiv das Recht vorbehalten, die produ^irten Rechnungen. alsdaun zu prüfen, wenn die.se .V^üsung für sie eine unmittelbare Bedeutung gewinnt. Verhält es si^.h

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fo zwischen den Kantonen und den Gesellschaften, denen sie Konzessionen ^rtheilt haben, so werden die Schwierigkeiten noch weit mehr anwachsen, wenn es sich um den Bund handelt, und dabei, wie gesagt, Alles für einen ungewissen Zwek und eine problematische Anwendung. Der Bund mnss nach dem Beispiele der Kantone sich sein Brüsungsrecht vorbehalten und die Ermittlung des Kapitals der ersten Anlage nur dann unternehmen, wenn er davon Gebrauch machen will.

Der Kanton Waadt konnte sich mit der Westbahn über Festseznng

der Ziffer der ursprünglichen Ausgabe für ihr Rez nicht verständigen.

Die Gesellschaft stellte eine Rechnung aus, welche nicht anerkannt wurde, und es beschränkte sich die Regierung daraus, einen Vorbehalt am Fusse dieser Rechnung niederzuschreiben, welcher Vorbehalt alljährlich bei ..^rüfung der Rechnungen durch den Staatskommissär erneuert wird.

Die Anhänger der fraglichen Massregel sagen, je mehr die betreffende Regulirung, die bereits mit so vielen Schwierigkeiten ver.^ Kunden ist, verzögert werde, desto mehr werden die leztern anwachsen.

Es können wichtige Dokumeute verloren gehen, Versonen verschwinden, die im Stande wären, nüzliche Jnformationen zu ertheilen u. s. w.

Demzufolge könnte der Bund sich eine Rechnung präsentirt sehen, die für ihn ungünstiger aussiele, als wenn sie früher ausgestellt worden wäre.

Daraus antworten ^wir : da die Gesellschaften den Nachweis der Richtigkeit der in ihre Rechnungen aufgetragenen Ziffern zu leisten haben, so ist es an ihnen, alle bezüglichen Belege und Zeugnisse beizubringen :

Alles Verhältnisse und Umstände, die wohl nur zu Gunsten der Eid-

genossensehast aussallen können. Wir haben uns demnach mit solchen Fragen nicht zu präokkupiren ; es mögen die Gesellschaften ihrerseits Vorkehrungen tressen, um dieser ihnen drohenden Gefahr vorzubeugen.

Roch sügt man bei, es sei gut, dass der Bnnd zum Voraus den wirklichen Kostenbetrag der Linien kenne, um sich mit voller Sachkenntniss zum Rükkaus entschlossen zu können.

Wie wir bereits bemerkten, werden diese Daten nur für die Linien nothwendig sein, deren Ertrag, in der vom Geseze vorgeschriebenen Weise multipliât, den ursprünglichen Kostenbetrag nicht übersteigen oder demselben nicht gleichkommen sollten. Für diese Bahnen haben die Gesellsehasten der Bnndesbehörde eine Rechnung über ihre Erstellung über^eben, welche mehr als hinreicht, um die Meinung der leztern über diesen Bnnkt festzustellen. Sie .^ird nicht riskiren, irregesührt zu werden, denn die definitive Firmung wird die in dieser Rechnung figurirende Ziffer nicht übersteigen ; es werden gegentheils einige Ehaneen für ihre Verminderung vorhanden sein, denn wenn die betheiligten Kantone die sie betreffenden Rechnungen nicht anerkennen wollten, so geschah dies

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offenbar, weil sie dieselben zu ho.h fanden. Dieses zweite Argument hat aber nur eine minime Bedeutung tn der uns beschäftigenden Frage.

Endlich hab.en einige Kantone den von ihnen konzesstonirten Gefellschasten die Verpflichtung auferlegt, über die Anlagekosten nach Vollendung der Eisenbahn eine genaue Rechnung aufzustellen, sei es mit Rüksicht aus die Regelung einer im Verhältnisse ^u diesen Kosten zu berechnenden Subvention, sei es zur Feststellung des Antheiles am Ertrage ; welche Betheiligungen eintreten konnten, wenn der Ertrag der Bahn einen bestimmten .^rozentsaz überschreiten sollte. Man sagt uns, es gebe Konzessionen, in denen die Kantone sieh einen Antheil vorbehalten haben, wenn der Ertrag 10 ^/e übersteigt. Und wenn es sieh

auch um Regelung der Rükkaussbedingungen haudelt, so sind dies alles

Gegenstände, welche von der Autorität der Kantone abhängen und um derentwillen die Dazwischenkunst des. Bundes uunüz wäre.

Die Mehrheit Jhrer Kommisston sieht auch eben so wenig ein, in welcher Weise das ossentliche Jnteresse. bei der Feststellung dieses Kapitals interesstrt sein könnte.

^lus den vorstehenden Betrachtungen beehrt stch die Mehrheit Jhrer .Kommission, Jhnen, Tit., zu beantragen, die Feststelluug des Anlagekapitals der Eisenbahnen zu verschieben und die saehbezügliehe Botsehast

des Buudesraths als dem postulate vom 24. Juli 1868 Genüge leistend anzusehen^).

.Lausanne, den 30. Juni 1870.

Jm Ramen der Kommissionsmehrheit, Der B e r i c h t e r s t a t t e r : ^. ^. ^elar.^eaz.

^) ^om Nationalrath angenommen am .^. .^uli 1870. Der Ständerath ver..

s.hob den Gegenstand am 1.... gI. Mts.^

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I. Bericht der Mehrheit der nationalräthlichen Kommission, betreffend das Anlagekapital der schweizerischen Eisenbahnen. (Vom 30. Juni 1870.)

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1870

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41

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24.09.1870

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