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#ST#

Bundesrathsbeschluss betreffend

d s Alimentationsurtheil im .Danton Glarus.

(Vom 29. Dezember 1869.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t h ^ hat n Aurtheils im Kanton Glarus , nach augehortem Berichte des Justiz- ...nd Polizeidepartements und nach Einsieht der pikten, .voraus sieh ergeben.

1. Die Reknrrentin hat unterm 7. Juni 1868 außerehelich eiu a ,

2. Unterm 27. Juli 1868 hat das Vermittleramt Ragaz (St.

Gallen) die Klägerin un... heutige Rekurrentin , sowie den Beklagten ,r seine Schranken geladen. Der Beklagte bezeugte den Empsaug der ......orladnng wie folgt.

,,Von obiger Vorladung Einsicht genommen zu haben bescheint,

,,Glarus, deu 30. Jnli 1868."

575 Da der ledere aus diese Vorladung uicht erschienen war, so erliess dasselbe Vermittleramt am 8. August daraufhin eine peremtorische Vor-

ladung an den Beklagten auf den 24. gl. Mts.. deren Empfang der-

selbe wie oben bescheinigte, obwohl derselbe in dieser zweiten Vorladung als ,,Ausenthalter in Ragaz^ bezeichnet .oard.

Dieser lezteu^Vorladung scheint der Beklagte Folge gegeben zu haben, indem das genannte Vermittleramt Ragaz unterm 24. August 1868 eiuen ^eitscheiu e^edir^e, des^ Jnhalts. ..Wegen Widerspruch ,,uuter den Varteien konnte keine Vermittlung erzielt werden, daher ,,der Streitgegenstand zur Behandlung an das Bezirksgericht Sargans ^gewiesen wird.^ .^b und welche Einreden ...der Besagte bei diesem Vermittlung....oorstande erhoben hat, ergibt sieh nicht aus den oou den Barteien produzirten Akten.

3. Ani 26. Febxnar l 86.)

die erste Verhandlung über diesen der Beklagt^ zu dieser Erscheinung nicht zu entnehmen. er ist nicht

fand vor dem Bezirksgericht ^argans Vaternitätsfall statt. .^b und wie vorgeladen, ist den Akten ebenfalls erschienen und es ^ hat desshalb, aus

Autrag der Klägerin, das Bericht erkennt, der Beklagte sei zur Ein-

reichung seiner Vro^esseingabe aufzufordern, im Weigerungssalle habe das .^ontnmazialversahren einzutreten.

Unterm 8. März 186.) erliess sodann die B^ir^sgeriehtskau^lei Sargaus im Amtsblatte des Kantons ^ S t . Gallen folgende Bekanntmaehnng : ,,D ,,in Raga^, wird hie^nit osfentlieh und peremtorisch aufgefordert, den

,,30. März l. J. Vormittags 1/2l0 Ul^.r beim Longen in Sargans vor

...Bezirksgericht ...^argans zu erscheinen, als Beklagter, pun.^lo Vaterschaft.^ Auch bei diesem Termin vom 30. März l 86.) ist der Beklagte n und hat sich jeder Rechtsvorkehr enthalten, wesshalb das genannte Gerieht an diesem Tage das Begehreu der Klä^ gerin in contumaciam ausrecht gestellt hat, welches da^in ging : Der Beklagte sei Vat.r des von der Klägerin unterm 7. Juni 1868 gebornen lindes und daher psli..htig, die gesezlichen Wochenbetts- und Alimentationsentschädignug zu entrichten.

(Raeh Art. 4 des Gesezes

des Kts. ^l. Gallen über das Maternitatswesen ..e. d. d^. l 6. .Anguft

1832 beträgt die Wo.henbettseutschädiguug 22 Gnlden und der jährliche Alime^italiousbeitrag des vernrtheilten Katers während 15 Jahren,

25 Gulden).

Dieses Koutnm^urtheil wurde von der Bezirksgerichtskanzlei Sarga.^.s in dem Amtsblatte des Kautons ..^.t. Gallen pnblizirt.

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4. Beiden Akten liegt eine Bescheinigung der Bezirksgerichtskauziei vom 18. September 1869, des Jnhalts, dass der Beklagte Karl Schwarz zu den betreffenden Gerichtsverhandlungen nach ^l.. Gallisehen Gesezen Normgerecht ^itirt worden sei, und anderseits produite d, vom ^olizei^oorsteher der Gemeinde Hangen, Kantons Glarus, ans-.

gestelltes Zeugniss, dass seit ^ebruar l 86..) sich in diesem Gemeinde aufgehalten ^habe.

.

5.

Dhandelnd

suchte dann bei der Staudeskommission des Kantons Glarns um die Vollziehung des oben erwähnten Kontnma..urtheiles nach, worauf diese Behorde, nach Anhoruug beider Parteien, unterm 3. September 1869 das E^ekntionsgesuch abwies , aus dem Grunde , weil z. Z. uieht nachgewiesen, dass eine gehorige Vorladung vor Bezirksgericht Sargaus an den Beklagten ersolgt sei und weil lezterer die Rechtskraft des

.^ueftionirlicheu St. Gallischen Urtheils bestreite.

6.

Mit

Eingabe an den Bundesrath vom 20. Oktober

1869

Rene.. Erkan..t..iss der Standesl.ommission von Glarus und stellte gestü^t ans Art. 49 der Bundesversafsnng das Gesuch. es mochte diese .Behorde angewiesen werden, den.. erwähnten Urtheile Vollzug ^u verschaffen.

^Die Einrede wegen nieht erfolgter Vorladung d.es Beklagten sei nach seinen e.genen Enipsangsbescheinigungen und Angesichts seiner personliehen Erscheinung vor dem Vermittleramte Ragaz nicht begründet.

Wegen spätern unbekannten Ausenthalts des Beklagten seien ihm dann die Vorladungen vor das Bezirksgericht Sargans naeh den Vorschriften des Kautons St. Gallen durch das dortseitige Amtsblatt ^.r Kenntniss gebracht worden, und ebeuso das Urtheil, welches er ohue Einwendnug in Rechtskraft habe erwachsen lassen.

term R.

14.

dass dass^

7.

.

Die Standeskommission des Kantons Glarns übermachte un-

Rovember l869, und begründete den rekurrirteu Entscheid damit, das urtheilende Gericht in Sachen nicht kompetent gewesen und insbesondere der Beklagte nieht gehorig zitirt worden sei.

Das

fragliche Urtheil konne somit nicht als rechtskräftig im Sinne von Art. 49 der Bundesverfassung angesehen werden.

^

577 8. D^er Anwalt des Rekursbeklagten machte in seiner Vernehmtassung vom 14. November 1869 die nämlichen Einwendungen, und bemerkte im Fexnern : Die Bescheinigung der Bezirksgerichtskanzlei Sarins vom ^.

September 1869 (Fakt. IV. hievor)^ vermöge den uothigen Rachweis gehörig erfolgter Vorladung nicht zu ersezen. indem selbst nach Art. 93 des St. Gallischen Zivil^Brozesses solche Vorladungen an Auswärtige,

deren Wohnstz bekannt sei, durch das Mittel des B e z i r k s a m t e s (nicht durch das Amtsblatt) zugestellt werden müssen. Es sei Sache derjenigen Partei, die den Vollzug eines Zivilurtheils verlange, den

.Beweis gesezlicher Vorladung zu leisten und nicht des Beklagten. .auch habe der heutige Rekursbeklagte nicht Kenntuiss vom Urtheile erhalten,

^wie. diess durch Art. 124 des St. Gallischen Zivilprozesses vorgeschrieben sei, indem die Bublikation im Amtsblatte des Kantons .^t. Gallen sür den bekanntlich

im K a n t o n Gl.arus n i e d e r g e l a s s e n e n Be-

k l a g t e n nicht genügen könne.

Um den Status des Kindes der. Rekurrentin habe es sich im vor.liegenden Falle nicht gehandelt, indem nach der Gesezgebung des Kantons St. Gallen aussereheliche Kinder unter allen Umständen dem Bürgerrechte der. Mutter folgen und überhin eine Statnsklage vor dem Gerichte .am Heimatsorte des Beklagten hätte angebracht werden müssen, .die Alimentationsklage dagegen müsse als persönliche Klage am ordentlichen ^ohnsi.,e des Beklagten angebracht werden. Jm Kanton .^t. Gallen habe sich der Beklagte nur vorübergehend ohne Deposition von Aus^weisschriften und ohne eine Ausenthaltsl..en..illigung als .Arbeiter und ^ur Ausführung eines Akkordes aufgehalten, wodurch kein anderer Gerichtsstand begründet worden sei. Der ^all eines prorogirten GerichtsStandes liege ebenfalls nicht vor. Der Art. 13 des lI. Titels des St. Gallischen Zivilprozesses besage: ,,Wenn die Varteien K l a g e und , , A n t . v o r t vor e i n e m G e r i c h t e erosfnen, ohne dessen Zuständigkeit ..,zu bestreiten, so wird es dadurch znr Nachbehandlung befugt und darf .,,anch die ^uhandnahme des Streites nicht von sich aus ablehnen.^ Von einer solchen Einlassung des heutigen Reknrsbeklagten oder von einer andern sreiwilligen Anerkennung des St. Gallischen Forums, sei keine Rede.

^ ^ Der Rekursbeklagte schließt daher mit dem Autrage auf Abweisung

des Rekurses.

. Jn E r w ä g u n g :

1. Der Art. 49 der Bundesverfassung bestimmt, dass die rechtskräftigen Urtheile, die in einem Kantone gefällt sind, in der ganzen Schweiz Vo.l^iehung erhalten sollen. Wenn . daher die Vollziehung .eines Urtheils in einem andern Kantone ans . gesezlichem Wege uaehge-

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.

sucht wir^, so mnss der angesprochenen Behorde das Recht zustehen,.

das Vorhandensein der sur die Reehtsl^rast erforderlichen Bedingungen

eines solchen Urtheils zu prüfen ; 2. Ein wesentliches Ersorderniss zur Rechtskrast eines Urtheils ist die Voraussezu..g. dass der Richter zur Erlassuug des gerichtlichen Entscheides zuständig war .^ 3. Jm vorliegenden Falle handelt es sich um Alimentatiousbei- ^ träge, also um personliche Forderuugen, für welche nach Art. 50 der Bnndesversassung der Schuldner an seinem Wolmsize gesucht werden muss, 4. Wenn es sich nun fragt, seinen ordentlichen Wohusiz gehabt^ habe, so geht ans den Akten so viel hervor, dass er allerdings nicht bleibend an einem ^rte sich aufgehalten hat . aber jedenfalls hat er keinen ordentlichen Wohnst in Ragaz gehabt, wo er keine Ausweisschristen depo..irte und weder Riederlassnngs- noch Ausenthaltsbewilligu..g besass. Ein solches bloss vorübergehendes Auwesendsein an einem Orte,^ mag es kürzere oder längere Zeit dauern, kann aber naeh gesezlichen Begriffen keinen ordentlichen Wohusiz begründen ; 5. Es sind vielmehr Anhaltspunkte vorhanden, dass der Reknrsbeklagte im Danton Glarus einen Wohnsiz halte, wo er hätte belangt werden konneu. ^Erstens bezeichnet die Bro^essvollmacht des Vaters

. der Geschwächten d. d. 18. Jnli l 868 den Beklagten als niedergelassen im Kanton Glarus, wo derselbe auch die erste Zitation zum Ver-

mittlungsvo.stand nach Ragaz aus.den 8. August 1868 erhielt. Zweitens ist er in dem Leitsehein des Vermittlers vom 24. Angust l 868 wieder als

Niedergelassener in Glarus

bezeichnet und ebenso in dem gerieht-

liehen Entscheid vom 26. ^ebruar 186^. Endlich bezeugt der Bolizeivorsteher der Gemeinde Hä^ingen, dass ^ehwarz seit ^ebruar 186....

sieh in dortiger Gen.eiude aufgehalten habe ^ 6. Bei dieser Sachlage lässt sieh annehmen, dass weuu ^ur Vermittluug der Vorladungen an den Beklagten die Hülse der glarnerischen Behorden in Anspruch genommen worden wäre, die Auleguug der Zitationen in ordentlicher Weise hätte vor sieh gehen konnen. Statt diesen Weg wenigstens^ zu versuchen, zogen die Geriehtsbel^orden von

Ragaz den Weg der Ediklalladung durch das St. Gallische Amtsblatt

vor, welches zu kennen der Beklagte nicht pflichtig war.

Zudem ift die Behauptung desselben, es seien ihm die Vorladungen nieht mitgetheilt worden , nicht widerlegt und es konnte also schon aus diesem Grunde -- abgesehen von der Wohnsizfrage .-- die Rechtskraft des Kontuma^urtheils mit Recht bestritten werden , 7. . Es konnte sieh nur uoeh fragen, ob ein prorogirter Gerichtsstand geschaffen worden sei. Hiefür konnte einzig angeführt werden,

dass der Beklagte am 24. August 1868 vor Vermittleramt in Ragaz

57^ erschien. Der Leitschein fagt aber einfach , es habe wegen Widerspruch unter den Barteien ke.ine Vermittlung erzielt werden können. Welcher .^lrt die .Einwendungen des Beklagten gewesen sind, ersieht man aus diesen.. Al^te nicht. Zur Unterwerfung unter einen an und für sich nicht zuständigen Gerichtsstand gehort aber entweder freiwillige Zustimmung.

oder die Vornahme solcher Handlungen, welche deutlich erkennen lassen,.

dass der Beklagte vor einem solchen Gerichte sieh beurtheilen lassen will^, was aber Schwarz nicht gethan hat.

beschlossen: 1.

Es sei der Rekurs als unbegründet abgewiesen.

2. Sei ^d.eser Beschluss der Regierung des Kantons St. Gallen zuhanden des Bezirksgerichtes Sargans und des Hrn. Advoeat Good,.

Sohu, in Mels, als .Anwalt der ......ekurrentln Carolina Rimensberger zu A^noos, Gemeinde Wartau, sowie der Standeskommission des Kantons .^..larus für sich und zuhanden des Hrn. Advokat Hanser, älter,

in Glarus als Anwalt des Rekursbeklagten Karl Schwarz zu Diesbach, unter Rüksendung der .Akten mitzutheilen.

Also beschlossen, B e r n , den 29. Dezember 1869.

Jm ..^..men des schweizerischen Bundesrathes,

Der B u u d e s p r ä s i d e n t .

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : .^ieß.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesrathsbeschluss betreffend den Rekurs der Karolina Rimensberger von Kirchberg, zu Atzmoos, Kts. St. Gallen, betreffend Vollzug eines Alimentationsurtheil im .Danton Glarus. (Vom 29. Dezember 1869.)

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1870

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11.06.1870

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574-579

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10 006 509

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