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Bericht de...

schweizerischen Generalkonsuls in Toscana (Hrn. Fehr-Schmöle von St. fallen) über das Jahr l869.

(Vom 28. Februar 1870.)

An den hohen Bundesrth.

Erster Theil.

1. Lage im Allgemeinen und Handelsgesetzgebung.

Ueber das eben verflossene Jahr ist es mir leider nicht pergonnt, viel Besseres als über das vorhergehende zu berichten.

Florenz nimmt zwar an Bevölkerung, Ausdehnung, Wohlstand und Handelsbewegung zu, aber nicht ganz in dem Masse, wie man es nach der Erhebung zur Hauptstadt Jtaliens erwartet hatte.

Livorno konnte sich dagegen von dem erlittenen herben Schlagender Aufhebung seines Freihafens noch nicht erholen. Mehrere Geschäftszweige gingen ganz verloren , wenige oder beinahe keine neuen wurden in Gang gebracht, nur sehr wenige neue Jndustrien eingesührt, wozu es geraumer Zeit dedars , und diess , vereint mit den fortwährenden Schwankungen der Papierwährung, dem unaufhörlichen Steigen der Abgaben und dem allgemeinen Misstrauen, welches sich in ganz Europa kund gab , mussten die unausweichliche Folge haben , dass Livornos Handel stockte, ein Abnehmen der Bewegung und des Wohlstandes, der Hausmiethe , ja vielleicht selbst der Bevölkerung bemerkbar wurden.

Ob und wann neue Handelszweige oder energischere Betreibung der

478 Schisssahrt, des Sehissbaues und ueue Jndustrien diese Stadt wieder ausrichten werden, lasst sich nicht bestimmen.

Nichts Bemerkenswertes kam im Fache der Handelswerbung vor. Mit Abfassung einiger Aeudernngen des Handelsgesetzes wurde eine Kommission betraut, die ihre Arbeit vollendet, aber uoeh nicht vor die Kammern gebracht hat. Die Errichtung eines Handelsgerichtes in Livorno wurde abermals besprochen, jedoch noch nicht beschlossen.

.....

Erzeu.^ni^e der .....andnnrtl^chafi,, der Bergwerke und der Industrie.

Die Weinernte war in Toscana nur mittelmässig , ziemlich gnt dagegen in .^ber-Jtalien , das regelmässige Sendungen machte , so dass

die greise stets massig blieben. Ausgeführt wurde davon nichts, wohl aber von Mais , von dem ..^oseana sowohl als .^.ber-Jtalien einen gnten Ertrag hatten. Au.h Bohnen und andere Hülsensrüchte gediehen

ziemlich gut.

Die ^eideuernte war bei dem einheimischen Saamen miltelmässig, gut, ja beinahe reich, bei dem japanischen, von dem immer mehr ge^ogeu wird, dessen geringeres Brodukt aber bei den Jndnstriellen immer weniger beliebt wird. Jm Allgemeinen bemerkte man einen etwas besseren Seidenertrag der Eoeous und eine kleine Verminderung der unter den S.^idenraupeu herrschenden Krankheit, so dass ...an aus deren

allmäliges schwinden hofft.

Ju Berücksichtigung des je^t niedriger.. ..^oldagios stellten sieh die

Breise den vorjährigen uugesähr gleieh, und Alles wurde ziemlich rasch weggekaust, so dass schon je^t beinahe kein Vorrath bleibt und ^die neue Ernte sozusagen nichts finden dürste.

Dieser Artikel, sowie das ^livenol, brachten uugemein viel Geld in das .^aud uud Wohlstand uuter die Ackerbau treibende Klasse.

Zwar wurde die ungemein viel versprechende 1868/l86..)er Oelernte in Qualität uu^ Quantität etwas beeinträchtigt durch die. anhaltenden ^üdwiude mit Regeu iu^ De^mber 18^8 und durch die ungewohnlich starken froste vom Jauuar 18^9, lieferte aber demuugeaehl.et noch viel, was bei den hohen ^reisen einen sehr schonen Ertrag abwars.

Dagegen wird die 186.)/1870er Erute karg aussallen.

Das Produkt . der sich immer ausdehnenden Viehzucht war gut, obwohl die Ausfuhr von lebenden Schweinen und .......chweinesett im Winter 18^8/186.^ wenigerstark war als gewohnlich. Dagegen hat sie im Winter^ 186..)/1870 eine bedeutende Hohe erreicht und noch zu sehr schoueu Breiseu.

47.^ Aus dem ..gesagten geht hervor , dass sich Toseanas Gutsbesi^ex, abgesehen von den schon starken und noch zunehmenden Abgaben, gut standen.

Weniger günstig waren die Ergebnisse der zahlreichen Bergwerke, mit Ausnah.ne derjenigen von Maxmor und der in Europa immer noch ^ allein stehenden ausserst reichen Borsäureerzeugung des Grasen ^arderell, in ^omeranee bei Volterra. Von zwei bis jet^t sehr unbedeutenden Eonenrrenzetablissementen hat das eine auch eine ziemliche Ausdehnung erlangt.

Das früher sehr ergiebige .Kupferbergwerk von Monteeatini konnte die verlorenen reichen A.^ern noch nicht wiederfinden. und einige andere Knpser- und ^ilberbleibergwerke haben Mühe , die Kosten zu decken.

Von Braunkohle. wird mehreres ausgebeutet, wogegen man noch keine wirkliche Steinkohle finden konnte.

Das vortreffliche , beinahe unerschöpfliche Eisenerz der Jnsel Elba wurde kaum ausgeführt, nur für die .^oehofen und Eisenwerke der Administration selbst verwendet, welche die jetzige Höhe der Jndustrie noch nicht erreichten. Die Regierung hat mehrere Brockte zur Hebung dieser so wichtigen Jndustrie vor sich, aber zur Ausführung derselben fehlte es ihr noch an ^eit und au Mitteln. Leicht konnten da die grossten .^u..ntitäteu des besten Eiseus gewonnen werden.

Die ^ehmel^sen ^Verseverauza^ des .^errn Bo^a in Viombino zur Erzeugung von Stahl nach Bessmers .^stem arbeiteten wieder stärker , jedoch besonders in dem vor ^wei ^ Jahreu beschriebenen gehärteten Eisen , Metallo elettro, Bo^a genannt , das immer mehr Anklang zn finden scheint.

Das Eisenwerk bei Siena erfreute fich auch dieses Jahr einer zunehmenden lukrativen Thätigkeit, gleich dem Etablissement Orlando, in .Livorno , mit trockenem Dock nebst Werften für eiserne und hölzerne Schisse, das gar manchen ^amilien Nahrung verschasfte.

Dagegen ^hat der Bau nommen.

von hölzerneu Schiffen eher etwas abge-

Wenn au.h ohue positive Annahme blieb die inländische Baumwollweberei , garberei und Druckerei, nebst der Wollentuehsabrikation, auch dieses Jahx in voller Thätigkeit , die Einsuhr sremder Fabrikate immer mehr beeinträchtigend. Die Seidensabrikation, sowie die srüher so wichtige der Florentiner ...^trohhüte sind kaum mehr erwähnenswerth.

4^ .^.

Ein.. und .^fuhr.

Es sind im Jahr 1869 in Livorno eingelaufen :

5930 Schisse, messend Schiffstonnen 917,000, und eirea ebenso viele ausgelaufen.

V e r f e h r m i t d e r Sch^w e i z.

Jn den bedruckten Glarnertücheln blieb sich der Al..sat.z so ziemlich gleich, während jener der ^opstücher und Mouchoirs ^Merinos ^odex türkisehroth) gegen alle Erwartung stark abgenommen hat.

Jndiennes^ Lapis und Jndiennes zwei blau hatten einen regelmassigen Absat^.

Die^gewobenen Baumwollenartikelals : Schirmstoffe, glatt und eroisirt,.

Mouchoirs^Baroe, soucie die gefärbteu Gewebe (Sarsenets, türkischroth, Ealieos) genossen den frühern regelmässigen Verschleiss, und unsere Fabrikanten sollten sich Mühe geben^ glatte und eroisirte Unterfutterstoffe für Kleide^ zu liefern , welche in diesen. Lande einen grossen Absat^ finden ; sie sollten sich anstrengen , um zu gleichmäßigen Farben und einer gefälligen Ausrüstung zu gelangen.

Rach weissen und gefärbten St.. Galler- und Appen^ellersabrikaten, glatten Mousselines , Jaeeonats , gestickten und damassixten Vorhängen, Chemisettes , feinen und geringen Mouchoirs ^. hatte es sehr wenig .Nachfrage.

Jn Leinengeweben , wie rohe , weisse und gefärbte Roseendock,

blieb der Verschleiss dem frühern ungefähr gleich , da die Schweizerwaare gut eou.^urrirt.

Die halb - und ganzw olleneu Stoffe. sür Männerkleider von .^ä^ingen finden immer mehr Anklang, und es gereicht mir zum besonderen

Vergnügen , mein vorjähriges günstiges Urtheil , sowie die Bemerkung

wiederholen zu konnen, dass die tüchtigen dortigen Fabrikanten sich eifrig bemühen, ihre Fabrikate stets zu verbessern.

Ju leinenen und baumwollenen Bändern war der Umsal^ klein.

Die glatten seidenen Bänder aus Basel fanden ziemlichen Verschleiss, mitunter auch als^ sranzosisches Fabrikat.

Sehr wenig geschah in unseren Seidenstoffen, da die glatten Gewebe und selbst Schirmstoffe, als im .Lande fabrizirt, keinen Eingangszoll zu entrichten haben.

Unsere verschiedenen Elastie.nes für Schusterarbeiten ^e. behaupteten ^ihren Rang, und man scheint diesen neuen Jndustriezweig in der Schweig ^ehorig zu betreiben.

481 Unsere Uhren und Bijouterien fanden in Florenz einen guten ^bsa^. nur einen sehr schwachen dagegen in Livorno, wie es bei dex vorherrschenden Geschäftsstille^ un.^ Verdienstlosigkeit nicht anders zu ex^ warten war.

Von unseren Käsen wurde wieder ziemlich viel eingeführt. für unsere Speditoren ist es von grosser Wichtigkeit , keine Verbindungen anzuknüpfen, welche nicht eines unbedingten Kredits sich erfreuen.

Die Ausfuhr nach der Schweiz, immer noch beinahe ausschließlich über Marseille, mithin ohne alle. und jede Kontrole, beschränkte sich auf

die früher angeführten Artikel.

^. Eisenbahnen und .^erkehr^we^e.

Die Gesellschaft der Römischen Bahnen hat bereits zwei Linien von hier nach Rom in Betrieb, die eine direet dem Meere entlang bis Civitavecchia , die andere über Florenz , Are^zo , Berugia , während die dritte über Empoli , Siena , Orvieto noch nicht weiter gekommen ist.

Eine Zweigbahn derselben, Siena-Grosfeto , welche sie mit der direkten Linie .Livorno^rosseto verbindet, dürste im nächsten Monat März dem ^Betrieb übergeben werden.

Die lentes Jahr angekündigte Abtretung der Linie Florenz-Bistoja^ Lneea-Visa^Massa..^^.. ersolgie im ^rühjahr 186.), und es wird dieselbe nuu durch die Gesellschast der Alta^.Jtalia betrieben , welche auch etwas eifriger an der Spezia ^Genua-Bahn arbeitet, die jedoch, der grossen technischen Schwierigkeit wegen, noch nicht so bald ganz vollendet werden wird.

^ Durch obige Abtretung erhielten die Romischen Bahnen die Mittel zur Ebnung der dringendsten Schulden, bleiben aber bei unzureichendem Material in finanziellen Bedrängnissen, und es konnte auch noch keine vollkommene Verftändiguug mit jenen der Alta.^Jtalia , für Uebergabe der Bassagiere, Waarentransporte ^e. erstellen, so dass der Dienst sehr ^ schlecht bleibt. Zur weiteren Aushilfe unterhaudelte sie mit der Regierung eine neue finanzielle Kombination , welche aber durch die Miuifterwechsel auf einige Zeit aus die Seite kam. Dieses so wichtige Fach bleibt leider in meiner nächsten Umgebung sehr vernachlässigt,

wogegen die Regieruug fortfährt, sich eifrig mit Unterstützung und Ver-

mehrnng der Dampfschisfverbindungen zn beschäftigen, und so eben wurden auch versuchsweise direkte Absahrten von Genua über Livoruo , Neapel, Messina und den Suezkanal nach Ostindien eingerichtet.

482 .). Banken.

10. ^iu^ und ....^ontofu^.

Zu deu in meiuem vorlebten Berichte aufführten Banken kamen keine neuen hinzu, ja die Caisse nalion.^le d'escompte de Toscane von Livorno , mit Filiale in Florenz, machte s.hleehte Geschäfte, so dass die Aetionuäre am 4. Rovember 186..) deren Liquidation beschlossen, mit der man eben jet^t

beschäftigt ist.

Die V o l k s b a u k in Florenz und hier arbeitet nach kleinem Massstabe, mehr zur Unterstützung der kleineren Judustrielleu als des wirklichen Handels und erofsuete sehr viele Agenturen in den grosseren und kleiueren Orten des Jnlaudes . ..^as das Zutrauen ^u derselben etwas schwächte, und selbst von deren kleinen Roten kursiren jel^t weniger, hauptsächlich nur jene von 5l) Centimes.

Die i t a l i e n i s c h e R a t i o n a l- B a u k in Floren^ hielt das ganze Jahr den Diseonto fur Wechsel mit deu statutarisch vorgeschriebenen drei Unterschriften auf .^ ^ uud gab eiue Dividende von L. 1..)3 per Aetie

von L. 1000, die je^t L. 2250 u.erth ist.

^

Die t o s e a n i s c h e R a t i o n a l - B a n k in Florenz und l^er hatte anch den unveränderten Seonto von 5^/o sur We.hsel mit bloss zwei Unterschristen uud theilte als Dividende L. 147 ans, per Aet^e von L. 1000, welche heute aus L. 1740 steht. Die schon langst und viel besprochene, ja mehrmals durch die Betheiligten deliberate Fusion der le^texen zwei Banken wird d.^reh die Regierung immer uoch beanstandet uud aufgeschoben.

Bei privaten ^ war das Geld für gute Wechsel in den ersteu 9 Monaten ^u 4 ^ ^ .5 ^/o immer hänsig, in den legten 2 oder 3 etwas seltener, jedoch nicht theurer als 5 a 5.^/c.

Die S.hwiudelbanken (^anch.... nsu^) von Reapel bena^theiligten diesen Blal^ gar nieht. Eine derselben erofsnete hier eine Agentur, die aber nichts erlangte uud beinahe gleich aufgehoben wurde.

Das Goldagio war im Januar eirea 6 ^ , ^ebruar ea. 5 a 4 ^/e, März bis Mai ea. 4 ^ / o ^ schwankte vom Juni bis August zwischen 3 ..^ a 2^...^, September bis Deeember ^wischen 3^.^ .^ 4.^^ und steht heute auf 3 ^ à 3 ^ ^. .^leiusilber war immer eirea .^ ^ weniger werth.

483 11. ..^erflcherun^n.

dieselben wurden, wie im vorhergehenden Jahre, etwas ^thätiger betrieben und wieder neue Agenturen von auswärtigen Gesellschaften gegründet. Von unseren schweizerischen bestehen, so viel mir bekannt ist, nur die früher augeführten der H e l v e t i a von St. fallen, des ..^^ .^s.^ von Winterthur und der ..^.^ von Basel.

I4. Schweizerischsten.

Dex schweizerische Wohlthätigkeitsverein versolgt mit Ruthen seinen Zweck.

Jn Florenz werden unsere^ Landsleute durch das Eonsistorium der evaugelis.hen Gemeinde unterster.

Der Sehwe^ervereiu in Livorno ^ur Forderung des gesellschaftlichen Zusa.umeuhalteus breitet sich eher aus und zählt jet^t 78 Mitglieder, wovon 46 der Schwe^, 2.) Deutschland, 1 Holland, 1 England und 1 Dänemark augehoreu.

Die . ähnliche Gesellschaft in Florenz bleibt immer noch viel be-

schränkter.

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Bericht des schweizerischen Generalkonsuls in Toscana (Hrn. Fehr-Schmöle von St.

Gallen) über das Jahr l869. (Vom 28. Februar 1870.)

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28.05.1870

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