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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Entschädigungsbegehren des Alexis Dubois in Epinassey.

(Vom 18. Juni 1912.)

Tit.

Mit Eingabe vom 4. März 1912 hat Dubois, Alexis, geb.

1877, von St. Maurice, in Epinassey (Kanton Wallis), gew. Füsilier des Bataillons 104/III, gegen den Entscheid des Bundesrates vom 8. August 1911, durch welchen die Gewährung einer Pension oberinstanzlich abgelehnt worden war, an die eidgenössischen Räte rekurriert.

In formeller Hinsicht ist in Erwägung zu ziehen : Art. 189 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, vom 22. März 1893, schreibt vor, dass Beschwerden betreffend die Anwendung der auf Grund der Bundesverfassung erlassenen Bundesgesetze von der Bundesversammlung nur insoweit zu erledigen sind, als nicht diese Gesetze selbst oder die gesetzlichen Bestimmungen über die Organisation der Bundesrechtspflege abweichende Vorschriften enthalten. An dieser Vorschrift hat die Novelle vom 6. Oktober 1911 zum zitierten Gesetz grundsätzlich nichts geändert. Das Bundesgesetz betreffend Versicherung der Militärpersonen gegen Krankheit und Unfall, vom 28. Juni 1901, enthält nun eine solche, in Art. 189 des Bundesrechtspflegegesetzes vorgesehene abweichende Vorschrift,

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indem es in Art. 39 bestimmt, dass gegenüber den Entscheidungen des Bundesrates in Pensionsstreitigkeiten jede Weiterziehung ausgeschlossen ist. Dem Rekurrenten steht somit ein Rechtsmittel, die Sache vor die eidgenössischen Räte zu bringen, nicht zu. Die eidgenössischen Räte haben es denn auch bereits wiederholt, mangels Kompetenz, abgelehnt, in streitigen Militärversicherungssachen auf Beschwerden gegen Entscheide der Verwaltungsbehörden einzutreten (vgl. z. B. die Beschlüsse vom 27. September/6. Dezember 1907 in Sachen Meister).

Wir beantragen Ihnen infolgedessen, auf den Rekurs mangels Zuständigkeit nicht einzutreten.

Der von A. Dubois erhobene Rekurs ist übrigens auch materiell unbegründet. In dieser Hinsicht fällt folgendes in Betracht: Rekurrent bestund vom 26. September bis 8. Oktober 1910 den Wiederholungskurs in St. Maurice. Vier Tage nach Beendigung dieses Dienstes erhielt das Bureau der Militärversicherung vom dortigen Platz- und Spitalärzt, Herrn Dr. de Cocatrix, die Mitteilung, dass Dubois sich bei ihm krank gemeldet habe, an einer fieberhaften Grippe mit Rücken- und Gliederschmerzen leide und sofort in den Spital aufgenommen worden sei. Zehn Wochen später berichtete der genannte Arzt weiter, dass er beim Patienten ausser einer leichten, nach kurzer Behandlung gehobenen Bronchitis nur Zeichen einer allgemeinen Depression mit Arhythmie des Herzens habe konstatieren können. Derselbe klage fortwährend über rheumatische Schmerzen, irgend welche Symptome einer Erkrankung der Gelenke seien jedoch niemals vorhanden gewesen. Patient sei von Fettsucht behaftet und habe ein Fettherz. Dubois wurde hierauf in den Lindenhofspital nach Bern zwecks Untersuchung und Behandlung durch einen Spezialisten versetzt. Dieser, Herr Dr. de Giacomi, gab nach vierwöchentlicher Beobachtung des Patienten ein Gutachten ab, in welchem er zum Schlüsse gelangte, dass es sich beim Patienten um eine Herzmuskelinsuffizienz, zusammenhängend mit erheblicher, allgemeiner Fettsucht handle. Dass dieses Leiden eine Folge des Militärdienstes sein könnte, müsse als ausgeschlossen betrachtet werden. Es sei anzunehmen, dass Dubois bei gutem Willen seinen Beruf als Wirt ungehindert ausüben könne.

Am 25. Dezember 1910 kehrte Dubois nach Hause zurück und fünf Tage später stellte er sich wieder bei Herrn Dr. de Cocatrix, neuerdings über rheumatische Schmerzen klagend und

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Entschädigung verlaugend. Auf die Weisung des Bureau der Militärversicherung hin trat Dubois am 15. Februar 1911 in den Kantonsspital in Lausanne ein, woselbst Herr Professor Dr. Bourget, der Leiter der medizinischen Klinik, die Behandlung übernahm.

Der genannte Arzt entliess den Patienten schon am 28. gleichen Monats mit der Diagnose ,,Fettherz" wieder nach Hause und ·sprach sich in seinem Berichte dahin aus, dass bei Dubois wohl eine leichte Arhythmie des Herzens, aber weder eine Vergrösserung dieses Organs noch ein Klappenfehler zu finden seien. Die Arhythmie sei eine Folge der Fettleibigkeit des Patienten und ·diese dürfe kaum dem Militärdienste zugeschrieben werden.

Dubois sei imstande, seinen Geschäften nachzugehen.

Dubois stellte alsdann das Gesuch, es möchte ihm für seine im Militärdienste entstandene hochgradige Invalidität eine Pension gewährt werden. Die Pensionskommission zog in Betracht, dass die fettige Degeneration des Herzens wie die Fettleibigkeit, welche bei Dubois bestehen und denen die leichte Herzarhythmie zuzuschreiben ist, nicht die Folge des kurzen Wiederholungskurses sein können. Ferner zog sie in Betracht, dass Dubois sich weder während des Dienstes noch bei der ersten ärztlichen Konsultation über Herzbeschwerden beklagt, sondern wegen einer leichten ßronchitis und rheumatischen Schmerzen Herrn Dr.

de Cocatrix aufgesucht hatte, und dass er überdies nicht als in seinem Erwerbe beeinträchtigt angesehen werden könne. Auf diese Erwägungen hin wies die Pensionskommission das Entschädigungsgesuch einstimmig ab, und die Berufung, welche Dubois hiergegen beim Bundesrate einlegte, hatte keinen Erfolg.

Dubois zieht nun den abweisenden Entscheid des Bundesrates vom 8. August 1911 an die eidgenössischen Räte weiter.

Die einzige Frage, welche in materieller Hinsicht in Betracht kommt, ist die, ob das Leiden, durch welches der Rekurrent in seiner Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt zu sein behauptet, eine Folge des von ihm 1910 geleisteten Wiederholungskurses ist oder nicht. Aus den sämtlichen Sachverständigen-Gutachten ergibt «ich mit Bestimmtheit, dass diese Frage verneint werden muss.

Die fettige Degeneration des Herzmuskels, welche den Beschwerden des A. Dubois zugrunde liegt, steht im engen Zusammenhang mit seinem übermässig entwickelten Fettpolster, das schon vor dem
Wiederholungskurse vorhanden gewesen ist. Auch ·die fettige Entartung des Herzens ist damals bei dem Rekurrenten zweifellos schon bis zu einem gewissen Grade gediehen und dem Zeitpunkt nahe gerückt, in welchem sie sich durch

86.1 äussere Symptome geltend machen musste. Die Natur des Leidens sowie der Umstand, dass Dubois während des besagten Dienstes der Küche zugeteilt war und keine besondern Strapazen durchzumachen hatte, sowie der weitere Umstand, dass die eigentlichen Herzbeschwerden erst einige Zeit nach dem Dienste auftraten, lassen aber auch eine durch den letztern bewirkte V e r s c h l i m m e r u n g des Leidens als durchaus unwahrscheinlich ·erscheinen. Auch hierüber besteht zwischen allen Sachverständigen, welche sich mit dem vorliegenden Falle zu befassen hatten, übereinstimmende Auffassung. Sobald nun aber zwischen einer Krankheit und dem Militärdienste kein ursächlicher Zusammenhang besteht, ist die Bewilligung einer Pension auf Grund des Militärversicherungsgesetzes nicht statthaft.

Gestützt auf das Vorgebrachte stellen wir Ihnen den Antrag, es sei auf den von Alexis Dubois eingereichten Rekurs mangels Zuständigkeit nicht einzutreten ; eventuell, es sei der Rekurs als unbegründet abzuweisen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 18. Juni 1912.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft': Schatzmann.

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Bundesblatt. 64Ì Jahrg. Bd. III.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Entschädigungsbegehren des Alexis Dubois in Epinassey. (Vom 18. Juni 1912.)

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26.06.1912

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