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Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend die Frage der Errichtung einer schweizerischen Hypothekenbank.

(Vom 15. Juni 1912.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

In der Sitzung des schweizerischen Nationalrates vom 31. März 1911 wurde eine Motion des Herrn Scherrer-Füllemann aus St.. Gallen erheblich erklärt, die folgenden Wortlaut hat: ,,Der Bundesrat wird eingeladen, die Frage zu prüfen und ,,darüber Bericht und Antrag einzubringen, ob und wie im An,,schlusse an die Einführung des neuen Grundpfandrechtes eine ,,schweizerische Hypothekenbank zu errichten sei."

Die Verhandlungen über diese Motion sind seinerzeit stenographiert und in der Lieferung vom März-April des stenographischen Bulletins des Nationalrates, von dem regelmässig den Kantonskanzleien je zwei Exemplare zugestellt werden, veröffentlicht worden, so dass an dieser Stelle auf eine Wiedergabe dieser Diskussion verzichtet werden darf. Es sei nur gestattet, darauf hinzuweisen, dass der Motionär sich dahin äusserte, dass der ßundesrat in der Prüfung seiner Anregung vollständig frei sein solle, und dass seinerseits der Vertreter des Bundesrates die Motion nur in diesem Sinne, d. h. ohne Verbindlichkeit entgegennahm.

Die Frage der Errichtung einer schweizerischen Hypothekenbank ist von sehr grosser Bedeutung für die Allgemeinheit, insbesondere auch für die Kantone, weil diese fast alle schon jetzt staatliche Hypothekarbanken oder doch wenigstens unter staatlicher Leitung oder Aufsicht stehende private Hypothekarinstitute besitzen. Aus diesem Grunde scheint es uns geradezu notwendig zu sein, dass den kantonalen Behörden Gelegenheit geboten werde, sich über die Motion Scherrer-Füllemann ebenfalls auszusprechen.

Wir möchten Sie deshalb ersuchen, Herr Regierungspräsident, Herren Regierungsräte, diese Anregung prüfen und uns hierauf das Ergebnis dieser Untersuchung mitteilen zu lassen, wobei namentlich folgende Fragen beantwortet werden sollten: 1. Wie ist gegenwärtig der Hypothekarkredit in Ihrem Kanton organisiert und entsprichtdiese Organisation den Bedürfnissen des innerkantonalen und interkantonalen Hypothekar Verkehrs,

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sowie den Bedürfnissen der einzelnen Richtungen desselben, wie Regulierung des Zinsfusses für hypothekarische Anlagen, Entschuldung des Bodens, Ordnung des Kreditwesens für die Betriebsinteressen und die Bodenverbesserungen?

2. Ist anzunehmen, dass eine zentrale schweizerische Hypo· thekenbank den Grundeigentümern billigeres Geld zur Verfügung stellen könnte, als dies von Seiten der kantonalen Hypothekarbanken bishin geschehen ist, namentlich mittelst der Durchführung einer Unterscheidung der Bodenbelastungen nach der in ihnen liegenden Sicherheit, ferner mittelst der Regelung des Marktes der Pfandtitel und weiter mittelst der Schaffung von Pfandbriefen, im Sinne des Zivilgesetzbuches?

3. Ist es möglich, die Geschäftstätigkeit der vom Motionär in Aussicht genommenen zentralen schweizerischen Hypothekenbank so zu umschreiben, dass eine Konkurrenz zwischen ihr und den kantonalen Hypothekarinstituten ganz oder teilweise ausgeschlossen wäre, sei es durch Zuwendung einzelner Zweige des Hypothekarbetriebes an die kantonalen Anstalten zu selbständiger Betätigung, oder durch Einreihung der kantonalen Institute in die einheitliche Organisation des Hypothekarverkehrs?

4. Kann auf der Grundlage des Zivilgesetzbuches eine zweck mässige und allseitige Ordnung und Ausgestaltung des Grundpfandwesens richtiger durch eine zentrale Anstalt oder durch die kantonalen Institute erreicht werden?

5. Würde sich die zweckmässige und allseitige Ordnung des schweizerischen Hypothekarwesens auf dem Wege einer bundesgesetzlichen Ordnung des Hypothekarverkehrs und, zurzeit wenigstens, ohne Schaffung einer schweizerischen Hypothekenbank in befriedigender Weise erreichen lassen, oder geben Sie der Schaffung einer Anstalt, die als zentrales Institut in irgend einer Weise die kantonalen Anstalten ersetzen oder ergänzen würde, den Vorzug-?

Wir wären Ihnen zu Dank verpflichtet, wenn es Ihnen möglich sein sollte, uns Ihre Antwort bis Ende dieses Jahres zukommen zu lassen.

Gerne benützen wir auch diesen Anlass, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 15. Juni 1912.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend die Frage der Errichtung einer schweizerischen Hypothekenbank. (Vom 15. Juni 1912.)

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1912

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19.06.1912

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814-815

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