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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Bundesgesetzgebung über den Verkehr mit Nahrungs und Genußmitteln und mit solchen Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen, welche das Leben und die Gesundhei gefährden können.

(Vom 8. März 1895.)

Tit.

Am 29. Juni 1887 hat der Nationalrat eine von den Herren Nationalrat Curti und Genossen gestellte Motion in folgender Fassung erheblich erklärt: ,,Der Bundesrat ist eingeladen, zu untersuchen und darüber Bericht zu erstatten, wie auf dem Wege der Bundesgesetzgebung die kantonalen Vorschriften betreifend Herstellung und Verkauf gesunder und unverfälschter Nahrungs- und Genußmittel und gewisser Gebrauchsgegenstände zweckmäßig und namentlich in der Richtung zu ergänzen wären, daß der Hersteller und Verkäufer seine Ware mit ihrem wahren Namen zu bezeichnen hätte."

Ferner haben Sie am 26. Juni 1889, bei Anlaß der Genehmigung der Handelskonvention mit Griechenland, beschlossen : ,,Der Bundesrat wird eingeladen, mit möglichster Beförderung ein Bundesgesetz über den Weinhandel auszuarbeiten und den Räten zu unterbreiten."

Endlich hat der Ständerat uns unterm 8. Dezember 1891 eine ausführliche Petition des Verbandes schweizerischer Metzgermeister vom August 1891 betreffend Erlaß eines eidgenössischen Nahrungsmittelpolizeigesetzes zur Berichterstattung überwiesen, nachdem dieser Verein bereits in einer frühern Eingabe (18. Oktober 1888), in Anlehnung an das eingangs citierte Postulat des Nationalrats, die Bundesbehörden ersucht hatte, ,,die Frage der Erstellung und des Verkaufs gesunder

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Lebensmittel auch mit Bezug auf die u n e n t g e l t l i c h e F l e i s c h s c h a u und die Kontrolle von importiertem Fett, Fleisch, Wurstwaren, Wildbret und Fischen beförderlichs prüfen und auf gesetzgeberischein Wege erledigen zu wollen".

Von fernern Eingaben und Kundgebungen in dieser Frage seien noch folgende erwähnt: 1. Eingabe des Vereins Schweizer, analytischer Chemiker an den Bundesrat, vom 27. September 1890, deren sehr gründliche Ausführungen in der Schlußresolution gipfeln: ,,Der Verein schweizerischer analytischer Chemiker hält die Erlassung eines eidgenössischen Lebensmittelgesetzes als in hohem Grade notwendig und wünschbar und begrüßt dieselbe als im Interesse der Volksgesundheit und Volkswohlfahrt liegend."

,,Bis zum Inkrafttreten eines solchen Gesetzes sollten an den Zollstätten die geeigneten Maßregeln zur Verhinderung der Einfuhr gefälschter Lebensmittel, im besondern von Wein, Speisefetten und Kolonialwaren, getroffen werden."

2. Zuschrift der schweizerischen Ärztekommission an das eidgenössische Departement des Innern zu Händen des Bundesrats, vom 29. November 1890, welche die Eingabe der analytischen Chemiker energisch unterstützt.

3. Eingabe des Stadtrats von ZUrich an den Bundesrat, vom 11. September 1891, worin derselbe den Erlaß ,,eines schweizerischen Lebensmittelgesetzes, das sich auf Gebrauchsgegenstände ausdehnt", in Anregung bringt.

4. Eine in gleichem Sinn lautende Vernehmlassung des Regierungsrates des Kantons Zürich, vom 12. November 1891.

5. Eingabe des Regierungsrats des Kantons Aargau, vom 19. Februar 1892, worin derselbe in Ausführung eines Großratsbeschlusses das Gesuch an den Bundesrat richtet : ,,Es möchten mit thunlichster Beförderung Bundesvorschriften über die Kontrolle der Nahrungsmittel, das Schlachtfleisch inbegriffen, und der Genußmittel erlassen, mit andern Worten ein Bundesgesetz über die gesamte Lebensmittelpolizei, die Fleischschau als wesentlichen Bestandteil derselben inbegriffen, aufgestellt und durchgeführt werden."

6. Der schweizerische Wirteverein schließt sich in einer an den Bundesrat gerichteten Petition vom 20. September 1892 den ,,von kantonalen Behörden, Vereinen und Interessenten gestellten Postulaten auf Erlaß eines schweizerischen Lebensmittelpolizeigesetzes an und wünscht dringend die beförderliche Ausarbeitung eines diesbezüglichen Entwurfes".

769 7. Resolution der bernischen statistisch-volkswirtschaftlichen Gesellschaft, dem Departement des Innern mitgeteilt mit Schreiben vom T.März 1892: ,,Die statistisch-volkswirtschaftliche Gesellschaft des Kantons Bern erklärt im Interesse der Volkswohlfahrt den Erlaß eines Bundesgesetzes über den Verkehr mit Lebensmitteln für wtinschbar."

8. Eingabe des Centralvorstands des Vereins schweizerischer Geschäftsreisender, vom 14.'April 1892, worin derselbe, namentlich mit Rücksicht auf die von den Vereinsmitgliedern gemachten Erfahrungen, den Bundesrat um baldigen Erlaß eines eidgenössischen Lebensmittel gesetzes ersucht.

9. Weitere Kundgebungen zu gunsten des angeregten Gesetzes sind erfolgt von Seiten der Kommission der schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft, des ärztlichen Centralvereins, des schweizerischen Apothekervereins, der bernischen Männerhelvetia etc. und von selten einer großen Zahl von Interessenten.

I.

Werfen wir zuerst einen kurzen Rückblick auf die bisherigen Bestrebungen betreffend eine einheitliche Regelung des Lebensmittelpolizeiwesens in der Schweiz und deren Erfolge.

Die Bundesverfassung von 1848 gewährleistete in Art. 29 den ,,freien Kauf und Verkauf" von Lebensmitteln mit dem Vorbehalt ,,vorübergehender sanitätspolizeilicher Maßregeln bei Seuchen", und gab im Art. 59 dem Bunde die Befugnis, ,,bei gemeingefährlichen Seuchen gesundheitspolizeiliche Verfügungen zu erlassen". Auf den letztern stützt sich das Bundesgesetz über polizeiliche Maßnahmen gegen Viehseuchen, vom 8. Februar 1872, welches in seinem Art. 10 die erste eidgenössische lebensmittelpolizeiliche Vorschrift enthält. Dieselbe lautet: ,,In den Metzgereien ist eine sanitarische Kontrolle des Schlachtviehs einzuführen." Diese Kontrolle soll, wie in Art. 80 der bezüglichen Vollziehungsverordnung vom 14. Oktober 1887 näher präcisiert wird, ,,so eingerichtet sein, daß sie einerseits d e n V e r k a u f v o n g e s u n d h e i t s s c h ä d l i c h e m Fleisch v e r h i n d e r t , anderseits ansteckende Krankheiten bei dem Schlachtvieh entdeckt und verborgene Seuchenherde zur Kenntnis bringt. Diese Kontrolle ist womöglich nicht bloß für die öffentlichen Schlachthäuser, sondern für alles zum Verkauf geschlachtete Vieh einzuführen und in allen Fällen diplomierten Tierärzten zu übertragen, sofern sich solche zur
Besetzung vakanter Fleischschauerstellen anmelden."

Zu dieser Kontrolle im Innern des Landes kam laut Art. 100 der genannten Vollziehungsverordnung, welcher durch den Bundes-

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ratsbeschluß vom 1. Dezember 1893, betreffend sanitätspolizeiliche Behandlung von Fleisch und Fleischwaren ausländischer Herkunft (A. S. n. F. Bd. XIII, 739), abgeändert bezw. ersetzt worden ist, noch eine Kontrolle des eingeführten Fleisches und eingeführter Fleischwaren an der Grenze.

Bei der Verfassungsrevision im Jahre 1874 erhielt der frühere Artikel 59 als nunmehriger Artikel 69 folgende Fassung : ,,Dem Bunde steht die Gesetzgebung über die .gegen gemeingefährliche Epidemien und Viehseuchen zu treffenden gesundheitspolizeilichen Verfugungen zu." Der auf eine Petition des Ausschusses des ärztlichen Centralvereins hin beantragte Zusatz: ,,Der Bund ist auch befugt, allgemeine Vorschriften flir Handhabung der öffentlichen Gesundheitspflege zu erlassen", wurde abgelehnt. Der an Stelle des frühern Artikels 29 tretende Artikel 31 der neuen Verfassung lautet : ,,Die Freiheit des Handels und der Gewerbe ist im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft garantiert. Vorbehalten sind: d. Sanitätspolizeiliche Maßregeln gegen Epidemien und Viehseuchen."

In Ausführung dieser Verfassungsbestimmungen wurde am 2. Juli 1886 das Bundesgesetz betreffend Maßnahmen gegen gemeingefährliche Epidemien erlassen, dessen Art. 2 verlangt, daß die Kantone beim Herannahen einer gemeingefährlichen Epidemie u. a. ,,für die Kontrolle des Trinkwassers und der Lebensmittel" sorgen.

Wenn wir noch den Art. l, Alinea 2, des Bundesgesetzes betreffend gebrannte Wasser, vom 23. Dezember 1886, welcher den Bund verpflichtet, ,,dafür zu sorgen, daß die für die Verarbeitung zu Getränken bestimmten gebrannten Wasser genügend gereinigt seien", und den Art. 2 des Bundesratsbeschlusses vom 30. Dezember 1890, betreffend den Verkauf von monopolisierten gebrannten Wassern durch die Alkoholverwaltung, welcher vorschreibt, ,,daß der abgegebene Kartoffelspiritus höchstens l Va %o alkoholische Verunreinigungen (auf absoluten Alkohol bezogen) enthalten darf", erwähnen, so haben wir sämtliche zur Zeit bestehenden, in das Gebiet der Lebensmittelpolizei einschlagenden Vorschriften aufgeführt.

Das Bedürfnis, weitergehende einheitliche Bestimmungen hinsichtlich des Verkehrs mit Lebensmitteln zu besitzen, machte sich indessen schon seit einer langen Reihe von Jahren geltend.

So hatten wir bereits im Jahre 1879, als infolge geringen Ertrags der schweizerischen
Weinernte eine Menge gefälschter Weine aus dem Auslande eingeführt wurde, Anlaß, zu bedauern, daß uns ein direktes Einschreiten mangels bezüglicher Gesetzesbestimmungen versagt war.

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Am 30. Juni 1882 nahmen beide Räte folgendes Postulat an: ,,Der Bundesrat wird eingeladen, Über die Frage Bericht zu erstatten, ob es nicht angezeigt und vom verfassungsmäßigen Standpunkt aus zulässig sei, von Bundes wegen die nötigen Maßnahmen zu treffen, um die Konsumenten vor gefälschten oder gesundheitsschädlichen Getränken zu schlitzen?"

Wir beantragten Ihnen damals in unserm Geschäftsberichte pro 1883, es sei diesem Postulat keine weitere Folge zu geben, da dasselb mit Rücksicht auf die in den meisten Kantonen bestehenden gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Konsumenten vor gefälschten oder gesundheitsschädlichen Getränken überflüssig erscheine und zudem dem Bund die verfassungsmäßige Kompetenz zum Erlaß von Strafbestimmungen gegen Fälschung, Verfälschung, betrügliche Bezeichnung etc. von Nahrungsmitteln fehle; dagegen sei das Recht des Bundes zur Aufstellung gesetzlicher Bestimmungen gegen unehrliche Konkurrenz als in das Gebiet des Obligationenrechts einschlagend vorzubehalten.

Dieser Antrag fand am 24. Juni 1894 Ihre Zustimmung.

II.

Die eingangs aufgeführten Postulate der Räte und sonstigen diesbezüglichen Kundgebungen gehen nun zum größten Teil über das Postulat vom 30. Juni 1882 hinaus und verlangen eine einheitliche Regelung der Aufsieht über den Verkehr mit sämtlichen Nahrungsund Genußmitteln und gewissen Gebrauchsgegenständen und Verbrauchsartikeln , mit einem Wort, den Erlaß eines eidgenössischen Lebensmittelgesetzes.

Nach genauer und eingehender Prüfung der ganzen Frage sind wir, entgegen unserer bei Beantwortung des vorerwähnten Postulats ausgesprochenen Ansicht, zu der Überzeugung gelangt, daß der Erlaß eines eidgenössischen Gesetzes über den Verkehr mit Lebensmitteln , Genußmitteln und solchen Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen, welche das Leben oder die Gesundheit gefährden können, in der That im Interesse der Volksgesundheit und der Volkswohlfahrt liegt und daher anzustreben ist.

Die Gründe, welche hierfür sprechen, sind in der Hauptsache folgende: 1. Die V o l k s e r n ä h r u n g v e r d i e n t die vollste A u f m e r k s a m k e i t d e s S t a a t e s u n d e s i s t e i n e i n sanitä r e r , wie in v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e r B e z i e h u n g gleich w i c h tige A u f g a b e der ö f f e n t l i c h e n G e s u n d h e i t s p f l e g e , durch

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eine wirksame Aufsicht und Kon trolle den Handel und den V e r k a u f von g e f ä l s c h t e n oder v e r f ä l s c h t e n und g e s u n d h e i t s s c h ä d l i c h e n Nahrungs- un d Genußmitteln zu unterdrücken und so das k o n s u m i e r e n d e Publikum vor Gesundheitsschädigungen oder A u s b e u t u n g zu schützen.

Wir haben nicht nötig, weiter auseinander zu setzen, daß eine richtige Ernährung des Menschen eine der wichtigsten Bedingungen seiner Gesundheit und Leistungsfähigkeit ist und daß die Kraft und Energie eines Volkes und damit auch seine Stellung im internationalen Wettkampfe wesentlich von seiner Ernährung abhängt.

Man ist bestrebt, durch Belehrung, durch den Unterricht, durch Veranstaltung besonderer Koch- und Haushaltungskurse etc. die Volksernährung zu verbessern, eine richtige Auswahl und Zusammensetzung der Nahrung und eine rationellere Zubereitungsweise zu fördern. Aber ebenso wichtig oder noch wichtiger als diese gemeinnützigen, vom Staate unterstützten Bestrebungen ist die Sorge dafür, daß das Volk die richtig ausgewählten Nahrungsmittel auch reell und unverfälscht bekommt, daß es sowohl auf dem Markte als im Laden, beim Metzger wie beim Bäcker oder Wirt nicht statt echter Naturprodukte verfälschte oder künstlich nachgemachte, statt vollwertiger Waren qualitativ oder quantitativ im Wert verminderte, statt gesunder und zuträglicher Speisen und Getränke gesundheitsschädliche erhält. Diese Aufgabe fällt dem Staate zu, da der einzelne gegenüber der gewaltigen Ausdehnung und der Raffiniertheit der Lebensmittelfälschung machtlos ist; nur der Staat ist befugt, die diesbezüglich notwendigen gesundheitspolizeilichen Maßregeln zu ergreifen, und er allein vermag sie wirksam und allgemein durchzuführen, so daß jedermann, auch der Ärmste und Geringste, sicher sein kann, für sein oft sauer verdientes Geld reelle und vollwertige Lebensmittel zu erhalten.

Welche Wichtigkeit eine geordnete, allgemein und regelmäßig ausgeführte Lebensmittelkontrolle in gesundheitlicher und in volkswirtschaftlicher Beziehung für unser Land besitzt, das ergiebt sich am besten aus der Betrachtung unserer Ernährungsweise. Diese gestaltet sich, wie der ausgezeichnete Kenner unserer Volksernährung, Fabrikinspektor Dr. Schuler, in einem Vortrage über die socialen Aufgaben der Lebensmittelchemie
(s. Korrespondenzbl. für Schweizer Ärzte, 1885) ausführte, von Jahr zu Jahr komplizierter und künstlicher, auch in den breitesten Schichten des Volkes, und setzt sich je mehr und mehr aus den Naturprodukten der fernsten Länder sowohl, wie aus den Kunstprodukten der immer zahlreicheren Etablissemente der Lebensmittelindustrie zusammen. ,,Ist nicht oft", so sagt er wörtlich, ,,unsere ganze Mahlzeit aus lauter künstlichen Präparaten

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zusammengesetzt, von der Suppe mit ihrem Fleischextrakt und der kunstvoll hergestellten Suppeneinlage bis zum schwarzen Kaffee aus gerösteter griechischer Feige oder amerikanischer Melasse? Konservenbüchsen entnehmen wir Fisch, Fleisch und Gemüse, chemische Fabriken liefern uns die Butter dazu, vielleicht selbst den Wein, mit dem wir unser Essen hinuntersplilen. Wer soll da noch wissen, was echt oder verfälscht, gesund oder schädlich, wertvoll oder wertlos als Nahrung ist!"

Es giebt überhaupt sozusagen kein Nahrungs- und Genußmittel, das nicht der Fälschung zugänglich oder doch der Verderbnis ausgesetzt wäre und welches deshalb nicht einer aufmerksamen und häufigen sanitätspolizeilichen Kontrolle bedürfte.

,,Mit der Ausdehnung des Handels, der Zunahme des Konsums, den Fortschritten der Chemie, dem Durchdringen der Handelsfreiheit und anderen Faktoren hat auch die Verfälschung der Nahrungsmittel Schritt gehalten. Die Triebmittel liegen teils in dem Bestreben, dem reellen Lieferanten unehrliche Konkurrenz zu machen, teils in dem Versuch, durch direkte Täuschung und Übervorteilung des konsumierenden Publikums Geld zu verdienen. Beide Motive sind gleich verwerflich. A u s d i e s e m G r u n d e h a b e n a b e r n i c h t n u r die K o n s u m e n t e n , s o n d e r n auch die reellen P r o d u z e n t e n ein I n t e r e s s e d a r a n ^ daß d e r S t a a t mit a l l e n M i t t e l n e i n e m d e r a r t i g e n T r e i b e n H a l t g e b i e t e . " (Eingabe der Metzgermeister.)

Einige Beispiele sollen zeigen, wie gerade die wichtigsten und unentbehrlichsten Nahrungs- und Genußmittel in der mannigfaltigsten Weise verfälscht werden und wie unglaublich groß die Zahl der Verfalschungsmittel ist.

D i e M i l c h , das vortrefflichste aller Nahrungsmittel, wird verfälscht durch ganze oder teilweise Entrahmung, durch Zusatz von Wasser; oft wird beides miteinander verbunden. Manchmal versucht der Milchfälscher der durch Wasserzusatz verdünnten oder abgerahmten Milch durch gewisse Zusätze wieder ein besseres Aussehen oder einen volleren Geschmack zu geben; hierzu werden nach der einschlägigen Litteratur verwendet Stärke, Abkochungen von Mehl, Kleie, Gerste oder Eeis, Eigelb, Kalkmilch, Gummi etc. Ferner kommen bei der Milch in Frage die Zusätze von Konservierungsmitteln (Salicylsäure, Borsäure,
Borax, kohlensaures Natron, Kreide etc.) und die Milchkrankheiten (saure, schleimige, bittere, salzige, körnige, rote, blaue, von Natur wässerige Milch). Eine solche Milch ist ungeeignet für die Ernährung und oft direkt gesundheitsschädlich. Von großer Bedeutung in sanitarischer Beziehung ist namentlich auch der Umstand, daß die Milch von perlsttchtigen Kühen, namentlich wenn dieselbe

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ungekocht genossen wird, zu Erkrankungen an Tuberkulose Veranlassung geben kann. Auch Typhus, Diphtherie und Scharlachfieber scheinen in einzelnen Fällen durch Milch verbreitet worden zu sein.

Mehl und Brot. Das Mehl kann zufällige Verunreinigungen durch Staub, Erde, Pilze, Mutterkorn u. s. w. enthalten ; es kann ferner verdorben, feucht, schimmlig sein ; sehr häufig aber wird es direkt verfälscht durch Zusatz minderwertiger oder wertloser, manchmal sogar gesundheitsschädlicher Substanzen. Zu der ersten Art gehören Erbsen-, Linsen-, Bohnen-, Mais- und Kartoffelmehl, zu der zweiten Kategorie Gips, Schwerspat, Kreide, Thon, kohlensaure Magnesia, Alaun, Zinkvitriol, Kupfervitriol etc. Diet letzt angeführten Substanzen werden namentlich bei der Brotbereitung verwendet und sind entschieden gesundheitsgefährlich.

Beim Brot kommt außer diesen Beimengungen namentlich auch die Bereitungsart, d,as genügende Ausbacken, die Aufbewahrung etc.

für die Bekömmlichkeit als Nahrungsmittel in Frage.

Ferner kommt bei Teigwaren hie und da die Verwendung von gesundheitsgefährlichen Farben vor, z. B. Nitrofarben statt Eigelb oder Safran.

F l e i s c h und F l e i s c h w a r e n . Beim Fleisch handelt es sich weniger um Verfälschungen, als um den gesunden und unverdorbenen Zustand desselben. Es giebt kaum ein anderes Nahrungsmittel, das so leicht zu Gesundheitsschädigungen Veranlassung geben kann, wie verdorbenes oder von Tieren stammendes Fleisch, welche an gewissen Krankheiten gelitten haben.

Ferner kommt für den Konsumenten namentlich in Betracht der sehr verschiedene Wert des verkauften Fleisches je nach dem Alter und dem Ernährungszustand des Tieres und je nach dem Körperteil, von dem das Fleisch herrührt.

Eigentliche Verfälschungen werden dagegen nicht selten bei den Wnrstwaren beobachtet. Als solche sind in erster Linie zu nennen die Verwendung nicht bankmäßigen Fleisches. Gar häufig gelangt unbankmäßiges, zu junges oder verdorbenes Fleisch in die Würste; dem aus solchem Fleisch bereiteten, blaß aussehenden Wurstteig wird gelegentlich mit Fuchsin oder häufiger mit einer erheblichen Menge Salpeter zu einem besseren Aussehen verhelfen. Ferner kommen außerordentlich häufig Zusätze von Mehl (Weizen-, Kartoffel-, Maismehl) oder auch Brot zu Würsten vor. Diese Zusätze gestatten dem Wurster, eine größere Menge
Wasser in den Wurstteig zu kneten, indem das Mehl das 3--öfache seines Gewichts Wasser aufnimmt.

Es kann dies so weit getrieben werden, daß eine Wurst nur noch 27 °/o Fleisch und 67 °/o an Mehl gebundenes Wasser enthält. Solche

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Würste haben nicht nur einen bedeutend geringern Nährwert, sondern sie verderben auch rasch und werden dadurch gesundheitsschädlich.

B u t t e r und S p e i s e f e t t e . Die Verfälschung dieser fUr die Volksernährung bedeutsamen Artikel ist sehr ausgebildet. Die B u t t e r ist oft absichtlich ^schlecht ausgeknetet und enthält daher zu viel Buttermilch, oder es ist ihr in der gleichen betrügerischen Absicht Wasser eingeknetet worden. Gröbere Verfälschungen finden statt durch Beimengen von Kartoffelmehl und Mehlbrei; auch sollen Zusätze von Kreide, Schwerspat, Gips, Borax, Alaun und Salicylsäure vorkommen, welch letztere Substanzen namentlich den Zweck haben, die Eigenschaften schlechter Butter zu verdecken. Sehr häufig wird die Butter gefärbt, mit sog. Butterfarbe (Annato), Safran, Curcuma, Calendulablliten, Mohrrübensaft etc. Schwieriger nachzuweisen und daher sehr häufig sind die Verfälschungen der Butter mit billigeren Fetten, Rindsfett, Hammelfett, Schweineschmalz etc. Die aus Deutschland und Österreich eingeführte Butter ist namentlich sehr häufig mit Margarin vermischt.

Das amerikanische S c h w e i n e s c h m a l z erweist sich oft als mit dem billigen Baumwollöl verfälscht, das italienische und provençalische O l i v e n ö l mit Sesam- oder ebenfalls Baumwollöl. Auch versucht man gelegentlich, die billigeren Ölsorten (Sesam-, Nuß-, Buchnuß-, Mohn- und andere Öle) als Olivenöl zu verkaufen.

,,Die schweizerische Landwirtschaft", bemerkt die Eingabe des Vereins schweizerischer analytischer Chemiker, ,,kennt die Nachteile, welche ihr aus dem massenhaften Import billiger, meist gefälschter oder, gelinder gesagt, ,,unrichtig deklarierter" Butter erwachsen sind ; es haben deren Vertreter bei den Kantonsregierungen längst Schritte gethan, um Maßregeln dagegen zu verlangen. Aus dieser Initiative heraus sind Specialreglemente über den Butterhandel entstanden, denen wir eine gute Wirkung nicht absprechen können; aber gerade hier sollte das Übel an der Wurzel gefaßt werden. Nur ein eidgenössisches Gesetz, das uns die zollamtliche Untersuchung der importierten Lebensmittel bringt, vermag die bestehenden schweren Übelstände bei diesen Artikeln zu beseitigen."

W e i n . ,,Das volkstümlichste Objekt der staatlichen Kontrolle", sagen die Chemiker in ihrer Eingabe, ,,ist der Wein. Jedermann weiß,
wie leicht dieses Getränk der Verfälschung in allen Richtungen zugänglich ist; die Chemiker wissen aber ihrerseits nur zu gut, wie schwierig ßich mehr und mehr die Begutachtring des Weines auf seine Echtheit oder Naturreinheit gestaltet, so schwierig, daß wir unsern Klienten, den Weinhändlern, Gastwirten und privaten Weinbezllgern, anraten mtlssen, nur nach reell und gut befundenen Mustern zu kaufen und unsere Dienste zumeist für die chemische

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Vergleichung von Muster und Ware in Anspruch zu nehmen, als dem besten Wege, um die Schwierigkeit der Weinbegutachtung zu Überwinden. Es ist hier nicht der Ort, näher auf die Grlinde einzugehen, warum die Weinanalyse zu einem der delikatesten Kapitel der Lebensmittelpolizei geworden ist ; sie liegen in der Natur dieses so kompliziert und dabei so verschiedenartig zusammengesetzten Getränkes. Herr Louis Grenier in ZUrich hat vor einigen Jahren in seinem Büchlein, ,,Der Weinhandel in der Schweiz", urbi et orbi verkündet, die Chemiker verstünden eigentlich nichts von Wein und vermöchten einen richtig bereiteten Kunstwein nicht von einem Naturwein zu unterscheiden. So bedenklich sieht es mit unserer Wissenschaft allerdings nicht aus ; auch in recht heikein Fällen findet sich meistens eine unbewachte Stelle, wo der Pferdefuß des künstelnden Gesellen herausschaut und ergriffen werden kann. Im übrigen enthält jenes Büchlein gute, wenn auch schwer realisierbare Ideen und hat den schweizerischen Konsumenten mit ,,greller Beleuchtung" die Augen über den Zustand des Weinhandels geöffnet."

Die sog. Weinveredlungsmethoden, das Gallisieren, Petiotisieren und Chaptalisieren können vom gesundheitlichen Standpunkt nicht angefochten werden, aber nur unter der Bedingung, daß bei dem Verfahren kein gesundheitsschädliche Stoffe enthaltender Stärkezucker verwendet wird, und daß man solche Weine mit ihrem richtigen Namen bezeichnet und nicht als Naturweine ausgiebt.

Das häufig geiibte Überführen weißer Weine in rote ist verwerflich und unter allen Umständen als betrügerische Handlungsweise zu qualifizieren.

Nicht selten wird versucht, geringeren Weinen durch allerhand Zusätze (Extrakte, Glycerin, Bouquetstoffe etc.) den Anschein einer besseren Beschaffenheit zu geben. Manchmal kommen dabei direkt gesundheitsschädliche Stoffe zur Verwendung. So ist der Zusatz von Alaun und Bleisalzen und der Übermäßige Zusatz von Gips (starke Plâtrage) gesundheitsgefâhrlich.

Sehr häufig werden Weine durch Zusatz von Kunstweinen gefälscht oder solche ohne weiteres als Naturweine in den Handel gebracht und verkauft.

,,Wir wissen," heißt es in der Eingabe des Vereins analytischer Chemiker, ,,daß z. B. die Einfuhr und der Konsum von Rosinen- oder Trockenbeerweinen seit 10 Jahren in starker Progression zugenommen hat; aber im Kleinhandel
und in den Wirtschaften findet man doch nirgends Rosinenwein; mit geringerem oder stärkerem Verschnitt ausgestattet, gelangt derselbe als ,,Wein" schlechtweg, oft sogar mit einem Epitheton ornans versehen, als Toskaner, Ungar oder Serbier, zum Genuß. Bei mittlerer Preislage von Fr. 35--38 die 100 Kilos

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Bosinen, kommt ein leichter Rosinenwein auf Fr. 12 die 100 Liter zu stehen, und wird von Firmen in Basel und Zfirich unter der Bezeichnung R S (raisins secs) zu Fr. 17--18 per Hektoliter offeriert.

Mit 10 °/o tiefrotem Barletta gefärbt, entstehen jene in den Tagesblättern überall ausgekiindigten, anonym und in Lagerhäusern erhältlichen hellen Rotweine zu Fr. 40 bis 45 per Hektoliter, an welchem die Zwischenhand einen unreellen Profit von mindestens 100 bis 150 % macht, unreell, weil er auf absichtlicher Täuschung des Käufers über die Qualität resp. Herkunft der Ware beruht."

Es werden aber auch K u n s t w e i n e fabriziert, ohne frische oder getrocknete Weintrauben. Der schädlichste und häufigste diesbezügliche Betrug findet statt durch die Verwendung von Alkohol, Melasse und Glykose. Es werden dazu die billigsten Produkte dieser Art verwendet. Diese sind der Gesundheit sehr nachteilig. In der künstlich produzierten Glykose, in der Regel aus Kartoffelstärke und Schwefel- oder Oxalsäure bereitet, findet sich Arsenik in verschiedenen Proportionen. In der dabei verwendeten Schwefelsäure sind per Kilogramm 0,45--1,40 Gramm Arsenik enthalten.

Auch getrocknete Birnen, Äpfel, Schlehen, ferner Tamarinden, Kinogummi und Weinsäure dienen als Ersatzmittel für die Trockenbeeren.

Diese Art der Fabrikation von Kunstwein schlechtester Sorte, wozu auch noch der geringste Sprit aus Feigen, Datteln, Johannisbeeren verwendet wird, findet namentlich in Frankreich statt. Im Jahre 1888 soll in Paris eine Sendung von 1500 Fässern Wein mit Beschlag belegt worden sein, dessen chemische Analyse außer Wasser schlechten Sprit, etwas Glycerin, einen Farbstoff (Maqui), starke Mengen Gips (ca. 6 Gramm auf l Liter) und Seesalz ergab.

Nach den Berichten der französischen Handelsstatistik scheint allerdings die Fabrikation von Trockenbeer- und Kunstvveinen seit
In der Schweiz selbst scheint nach den Ergebnissen zweier in den Jahren 1889 nnd 1893 von der Handelsabteilnng unseres Departements des Auswärtigen angestellten Enqueten die Produktion von Trockenbeer- und Kunstwein nicht sehr bedeutend zu sein. Die erhaltenen Angaben
lassen eine Berechnung der produzierten Quanten nicht zu.

Bier. Verfälschungen dieses immer mehr in Aufschwung kommenden Getränkes werden, wenigstens in der Schweiz, nicht häufig Kundesblatt. 47. Jahrg. Bd. J.

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beobachtet. Häufiger trifft man verdorbenes oder trübes Bier. Verdorbenes Bier ist stets, trübes in der Regel, d. h. wenn die Trübung von Hefe herrührt, gesundheitsschädlich.

Die Verwendung von Konservierungsmitteln, wie Salicylsäurer Borsäure, doppelt schwefelsaurem Kalk etc., ist verwerflich und schädlich. Ebenso ist es unstatthaft, für Hopfen und Malz Surrogate anzuwenden. Viele der erstem, wie Herbstzeitlosensamen, Belladonna, Krähenaugen, Pikrinsäure, Pikrotoxin, Koloquinten, sind scharfe Gifte,, andere, wie Aloe, Bitterklee, Wermut, Tausendgüldenkraut, Enzian, Quassia u. s. w., können den Hopfen nicht ersetzen.

Auch ein gutes Bier kann durch eine unreinliche Bierpression oder eine solche, wo nicht reine Luft zur Verwendung gelangt, schlecht und gesundheitsschädlich werden. Deswegen werden an manchen Orten entweder gar keine oder nur Kohlensäurepressionen geduldet.

Kaffee, Thee, Kakao, C h o k o l a d e , Zucker, K o n d i toreiwaren, Konserven, künstliche Mineralwasser, G e w ü r z e , H o n i g , E s s i g , B r a n n t w e i n u n d L i q u e u r e etc.

sind alle in mehr oder minder hohem Grade allerhand, oft sehr raffinierten, zum Teil gesundheitsgefährlichen Verfälschungen ausgesetzt, auf welche wir hier nicht näher eintreten wollen.

Es darf ferner nicht vergessen werden, daß das unentbehrlichste aller Lebensmittel, das T r i n k w a s s e r , nicht selten verunreinigt ist, und zwar manchmal in sehr gesundheitsgefährlicher Weise (Fäkalstoffe, Typhusbacillen, Choleravibrionen etc.), und daß eine zuverlässige Kontrolle desselben zu den wichtigsten Aufgaben der Lebensmittelpolizei und der öffentlichen Gesundheitspflege gehört.

Neben den Nahrungs- und Genußmitteln kommen für die sanitätspolizeiliche Kontrolle noch verschiedene Gebrauchsgegenstände und Verbrauchsartikel insoweit in Betracht, als sie für die Gesundheit des Menschen schädlich oder direkt lebensgefährlich sein können.

Es sind dies einerseits Eß-, Trink- und Kochgeschirre, welche infolge des Materials, aus dem sie bestehen, oder infolge schlechter Verzinnung oder Glasur zu Vergiftungen Veranlassung geben können, ferner Spielwaren, Tapeten, Kleider und andere mit giftigen Farben gefärbte oder bemalte Gegenstände, und schließlich Petroleum und ähnliche Verbrauchsartikel, die, wenn sie ungenügend gereinigt sind, leicht
explodieren und feuersgefährlich sind.

Die schädlichen Folgen der Lebensmittelfälschungen sind gesundheitliche und ökonomische. Da die erstem sich in direkt und indirekt gesundheitsschädliche einteilen lassen, so können wir drei Kategorien unterscheiden, welche sich aber in den konkreten Fällen häufig kombinieren :

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1. Die gefälschten oder verdorbenen (beziehungsweise nicht den sanitätspolizeilichen Anforderungen entsprechenden) Lebensmittel können direkt gesundheitsschädigend wirken, indem sie entweder akute oder chronische Vergiftungen erzeugen oder zu Verdauungsstörungen und Erkrankungen der Verdauungsorgane Veranlassung geben oder endlich infektiöse Krankheiten (Tuberkulose, Typhus etc.)

übertragen.

2. Die gefälschten Nahrungsmittel führen ferner häufig indirekt zu Schädigungen der Gesundheit. Dadurch, daß sie fast ausnahmslos einen geringern Nährwert besitzen, als reelle Lebensmittel, erleidet die Ernährung des Konsumenten einen Ausfall, der für die armem Volksklassen mit knappem Kostmaß in gesundheitlicher Hinsicht durchaus nicht gleichgültig ist, abgesehen davon, daß Leute, deren Konstitution durch ungenügende Ernährung untergraben wird, selbstverständlich damit auch ihre Leistungsfähigkeit einbüßen.

3. In fast allen Fällen von Lebensmittelfälschungen handelt es sich endlich, ob nun außerdem noch eine direkte oder indirekte Gesundheitsschädigung vorliege, um eine ökonomische Schädigung des Käufers, des Konsumenten ; denn der Zweck der Fälschung geht ja dahin, den gutgläubigen Käufer zu betrügen und die gefälschte Ware zu einem Preis zu verkaufen, welcher den wirklichen Wert weit übersteigt.

In der Regel gelangen von den diesbezüglichen Gesundheitsschädigungen nur die schweren und wohl anch diese nicht alle zur allgemeinen Kenntnis; die leichtern, langsam entstehenden Schädigungen werden meistens mißkannt oder andern Ursachen zugeschrieben.

Anch die Nachteile, welche in volkswirtschaftlicher Beziehung aus den Lebensmittelfälschungen erwachsen, lassen sich nicht einmal schätzen. Daß sie aber ganz erhebliche sein müssen, kann keinem Zweifel unterliegen, wenn man das, was über die Ausdehnung der Lebensmittelfälschung bekannt ist, mit der Größe des jährlichen Konsums von Nahrungs- und Genußmitteln zusammenhält. Der Wert der jährlich in der Schweiz konsumierten Nahrungs- und Genußmittel wird von kompetenter Seite (Dr. Geering, Chef der Handelsstatistik) auf rund 700 Millionen Franken veranschlagt, wovon gegen 300 Millionen auf die Einfuhr und cirka 400 Millionen auf die inländische Produktion fallen. Die angegebenen Zahlen beziehen sich für die Einfuhr auf Großhandelspreise loco Grenze und fUr die
inländische Produktion auf Verkaufspreise am Produktionsorte; die von den Konsumenten für die Lebensmittel verausgabten Summen stellen sich selbstverständlich bedeutend höher.

Über die Werte der eingeführten 'Lebensmittel giebt uns die schweizerische Handelsstatistik folgende Auskunft :

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Einfuhr der Lebensmittel in die Schweiz, 1891.

1892.

1893.

Wert in 1000 Franken.

A, ßodenprodvTcte Getreide u n d Mehl . . . .

Gerste, Malz, Hopfen . . .

Bier Kartoffeln und Gemüse . .

Obst Südfrüchte Wein Spiritus, Branntwein etc. .

B. Tierische Nahrungsmittel .

Schlachtvieh, Schweine, Ziegen, Schafe Fleisch Fische, Schaltiere . . . .

189,142 168,459

122,075 105,776 13,313 12,318 1,349 1,461 6,441 4,093 1,817 2,365 3,383 3,397 34,892 36,025 4,719 4,177 53,787 64,038 27,797 35,898 3,926 4,691 2,396 2,867 2,259 2,518 2,866 Butter 3,839 1,802 Käse . . .

1,891 802 Frische Milch 733 5,854 5,793 Eier 5,996 5,897 GeflUgel, Wildbret, Wurstwaren.

50,980 48,067 C. Kolonialwaren 20,022 Zucker 19,090 18,962 17,386 Kaffee Cichorienwurzeln 854 593 279 Kaffeesurrogate 279 898 Thee 939 3,087 2,090 104 81 Chokolade u n d Teig . . . .

3,000 3,363 Speiseöl .

. . .

1,212 1,125 Gewllrze 724 693 587 498 Teigwaren, Suppen, Fleischextrakt 121 507 Essig e t c . . . .

.

Feine Eßwaren, Zuckerwerk .

503 523 260 292 Honig .

. . . .

540 435 Übrige Nahrungsmittel .

D, Andere in Betracht fallende 14,557 14,137 Artikel 7,821 6,500 Tabak und Tabakfabrikate .

8,057 6,316 Petroleum . . .

. . .

Summa

317,717

284,450

153,357 99,550 14,830 1,497 3,292 2,594 2,508 25,479 3,607 45,554 20,100 2,285 2,271 2,201 3,886 1,083 1,085 6,249 6,394 47,537 19,275 17,016 970 296 984 3,321 84 2,309 969 757 538 14 476 194 334

14,640 8,869 5,771

261,088

781

Der Wert der (laut vorstehender Tabelle) im Jahre 1893 eingeführten Lebensmittel ist abnorm niedrig, weil in diesem Jahre wegen der Futternot außerordentlich wenig Schlachtvieh eingeführt worden ist und weil die Preise sämtlicher Lebensmittel ungewöhnlich tief standen.

Auf die im wesentlichen auf Schätzungen beruhende Statistik der inländischen Produktion von Lebensmitteln treten wir nicht näher ein.

Was speciell die inländische Industrie der Nahrungs- und Genußmittel anbetrifft, so existiert darüber keine allgemeine zuverlässige Statistik. Wir erwähnen nur, daß nach den Erhebungen des eidgenössischen statistischen Bureaus von 318 Bierbrauereien im Jahre 1893 1,521,806 hl. Bier produziert worden sind, wovon nur 19,614 hl.

exportiert wurden, und daß nach den Untersuchungen der Herren Prof.

Krämer und Dr. Geering, Chef der Handelsstatistik, die jährliche Fabrikation von Käse auf rund 70 Millionen Franken und diejenige von Butter auf cirka 30 Millionen Franken zu veranschlagen ist.

Es mag noch angeführt werden, daß auf Anfang des Jahres 1895 folgende zu der Rubrik ,,Industrie der Nahrungs- und Genußmittel" gehörenden Etablissemente unter dem Fabrikgesetz standen : 1. MUhlen 180 2. Bierbrauereien 91 3. Chokoladefabviken 14 4. Teigwarenfabriken 24 5. Molkereien und Fabriken für Herstellung kondensierter Milch 16 6. Bäckereien und Confiserien 12 7. Konservenfabriken 25 8. Fabriken für Kaffeesurrogate 8 9. Zuckerfabriken 5 10. Destillerien 5 11. Tabak- und Cigarrenfabriken 125 Total 505 Die Zahl der kleinern, dem Fabrikgesetze nicht unterstellten Etablissemente ist nicht genau bekannt.

2. Trotz der sehr a n e r k e n n e n s w e r t e n L e i s t u n g e n , welche die Mehrzahl der Kantone auf dem Gebiete d e r L e b e n s m i t t e l p o l i z e i a u f z u w e i s e n h a b e n , wird d e r Zweck, die Lebensmittelfälschung zu unterdrücken u n d das k o n s u m i e r e n d e Publikum v o r G e s u n d h e i t s schädignng und Ausbeutung zu schützen, angesichts

782

der mangelnden Einheitlichkeit der daherigon Anstrengungen nur höchst u n v o l l k o m m e n erreicht, wobei die m a n g e l h a f t e Organisation der L e b e n s m i t t e l kontrolle in verschiedenen Kantonen und namentlich das d a u n d d o r t z u k o n s t a t i e r e n d e s o r g l o s e L a i s s e r aller a l s b e s o n d e r s h i n d e r n d i n s G e w i c h t f a l l e n .

Die Organisation einer regelrechten Kontrolle der Nahrungsund Genußmittel und der wichtigsten täglichen Gebrauchsgegenstände und Verbrauchsartikel hat in den Kantonen erst vor etwa 20 Jahren begonnen. Die frühem diesbezüglichen Erlasse bestanden fast ausschließlich in Verordnungen über die Fleischbeschau und den Fleischverkauf und in Müller- und Bäckerordnungen. Die sanitätspolizeiliche Thätigkeit beschränkte sich im wesentlichen auf eine Lokalinspektion und auf die Gewichtskontrolle des Brotes. Nur ausnahmsweise, bei krassen Übelständen oder schweren Gesundheitsschädigungen, welche infolge von Lebensmittelfälschungen zu Tage traten, schritten die Behörden, auf den Artikel des Strafgesetzes über die Verfälschung von Lebensmitteln oder, wo ein solcher fehlte, auf die Bestimmungen über den Betrug gestutzt, ein.

Die ersten kantonalen Specialgesetze, welche mit der Organisation der öffentlichen Gesundheitspflege zugleich eine Organisation der Lebensmittelkontrolle geschaffen haben, sind folgende: St. G a l l e n . Gesetz über die öffei.tliche Gesundheitspflege und Gesetz Über die Lebensmittelpolizei, beide vom 21. November 1874.

N e u e n b u r g . Loi sur la police sanitaire, vom 7. April 1875.

Z ü r i c h . Gesetz betreffend die öffentliche Gesundheitspflege und die Lebensmittelpolizei, vom 4. Oktober 1876.

L u z e r n . Gesetz Über das Gesundheitswesen, vom 29. Februar 1876.

Die Grundzüge dieser neu geschaffenen Organisation sind folgende : Der Verkehr mit Lebensmitteln und gewissen Gebrauchsgegenständen steht unter der direkten Aufsicht eines ö r t l i c h e n O r g a n s (Ortsgesundheitskommission), welches von sich aus oder im Auftrage einer obern Behörde die Lokale, worin Lebensmittel erzeugt, aufbewahrt oder feilgehalten werden, sowie die Märkte inspiziert und überwacht, die vorhandenen Waren untersucht und von solchen, die den Verdacht erregen, verfälscht, nachgemacht, verdorben, gesundheitsschädlich
u. s. w. zu sein, Proben zur genauem Untersuchung an den Kantonschemiker einsendet. Letzterer ist der Vorstand des k a n t o n a l e n U n t e r s u c h u n g s a m t e s , welches die eingesandten

783

Proben von Lebensmitteln- chemisch und physikalisch und, wenn nötig, auch bakteriologisch zu untersuchen und zu begutachten hat.

Diesem, ,,eine neue Ära der staatlichen Obsorge für reelle und gesunde menschliche Nahrung" inaugurierenden Vorgehen der vier Kantone schlössen sich in der Folge an : B e r n . Gesetz betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen, vom 26. Februar 1888.

G l a r u s. Gesetz betreifend die Kontrolle über den Verkauf von Lebensmitteln und Getränken, vom 4. Mai und 13. August 1884, Z u g. Gesetz über das Gesundheitswesen, vom 3. Februar 1879, und Verordnung über den Verkauf der Lebensmittel und Getränke, vom 3. Februar 1881.

F r ei b ü r g . Organisation du contrôle des denrées et boissons par le chimiste cantonal, vom 8. Februar 1890.

Solothurn. Gesetz über öffentliche Gesundheitspflege und Lebensmittelpolizei, vom 6. Mai 1882.

B a s e l s t a d t . Gesetz betreifend den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen, vom 8. Januar 1883.

Graubünden Gesetz Über staatliche Kontrolle von Lebensund Genußmitteln, vom 22. Juni 1881.

T h u r g a u . Gesetz über die öffentliche Gesundheitspflege und die Lebensmittelpolizei, vom 13. Juli 1890.

T e s s i n. Codice sanitario (Art. 68 und 77--82), vom 26. November 1888, und Regolamento per il Laboratorio cantonale d'Igiene in Lugano, vom 11. Juni 1891.

W a a d t . Arrêté concernant les mesures de police à prendre contre la vente des boissons et denrées malsaines ou falsifiées, vom 19. Juli 1881.

G e n f. Loi sur l'organisation et la compétence du bureau do salubrité publique, vom 27. Oktober 1884.

Sämtliche 11 Kantone errichteten nach dem Vorbilde der oben erwähnten 4 Kantone ein c e n t r a l e s U n t e r s u c h u n g s a m t . Mit der Aufsicht in den Gemeinden wurden entweder der G e m e i n d e r a t oder b e s o n d e r e K o m m i s s i o n e n , beziehungsweise B e a m t e betraut.

In einigen Bezirken der Kantone Bern und Waadt sind die diesbezüglichen Funktionen der örtlichen Gesundheitsbehörden einer B e z i r k s k o m m i s s i o n oder einem besondern B e z i r k s b e a m t e n (Lebensmittelinspektor) Übertragen worden.

7 84

Außer diesen beiden Kontrollorganen, dem Kantonschemiker und der Ortsgesundheitsbehörde, besitzt der Kanton Bern noch ein drittes Organ in den k a n t o n a l e n L e b e n s m i t t e l e x p e r t e n , welche in sehr zweckmäßiger und erfolgreicher Weise den Kontakt zwischen den erstem herstellen und namentlich die Thätigkeit der örtlichen Organe wesentlich unterstützen und ergänzen. Eine einigermaßen ähnliche Aufgabe haben die Bezirksärzte Graubündens zu erfüllen, indem sie es sind, welche in der Regel unter Mithülfe der Gemeindevorstände oder der Landjäger die Proben der zu untersuchenden Lebensmittel erheben und dem Kantonschemiker zustellen.

In einigen Kantonen besitzt die oberste Sanitätsbehörde das Recht, durch speciel Delegierte besondere Inspektionen und Untersuchungen vornehmen zu lassen. In den größern städtischen Gemeinden sind vielfach s p e c i e l l e B e a m t e mit der Überwachung des Lebensmittelverkehrs, mit der Kontrolle der Milch, des Brots, der WUrste und anderer Lebensmittel, mit der Marktaufsicht etc. betraut. Die F l e i s c h sch au ist immer besondern Beamten, Tierärzten oder natruierten Laien, übertragen.

Die S t a d t ZU r ich besitzt ein eigenes Laboratorium für Lebensmitteluntersuchungen und für die Kontrolle des Trinkwassers.

Die übrigen 10 Kantone besitzen kein kantonales Laboratorium für Lebensmitteluntersuchungen, ohne welches eine allgemeine, fortgesetzte und zuverlässige Überwachung des Verkehrs mit Lebensmitteln unmöglich ist. Der Kanton A p p e n z e l l A.-Rh., in welchem die Lebensmittelkontrolle durch das Regulativ Über die Organisation des Gesundheitswesens in den Gemeinden vom 16. November 1891 geordnet ist, hat sich dadurch zu helfen gesucht, daß er sich durch einen Vertrag (vom 22. Mai/19. November 1888) die Benutzung des chemischen Laboratoriums des Kantons St. Gallen durch seine Sanitäts-, Untersuchungs- und Gerichtsbehörden sicherte, und der Kanton W a l l i s hat in seinem Lebensmittelgesetz vom 21. November 1882 eine dreigliedrige kantonale Expertenkommission geschaffen, welcher der Professor der Chemie am kantonalen Lyceum ex officio angehört und welche die Aufgabe hat, die ihr vom Departement des Innern überwiesenen Lebensmittelproben zu untersuchen. Es scheint diese Organisation Übrigens nach dem, was in den regierungsrätlichen Geschäftsberichten
in dieser Hinsicht zu finden ist, ebensowenige Resultate zu Tage zu fordern wie diejenige des Kantons S c h w y z , welche sich auf die Verordnung Über Lebensmittelpolizei, vom 30. November 1878, stützt und kein centrales Untersuchungsamt vorsieht. FUr die etwa nötig werdenden genauem Lebensmitteluntersuchungen wenden sich die Behörden von Schwyz an die kantonalen Laboratorien in Luzern oder Zürich.

1PP

:

·

785

m- Im· Kanton S ch ä f f h a u s en besorgt der Lehrer der Chemie an

der Kantonsschule die vorkommenden ziemlich zahlreichen Untersuchungen von Nahrungs- und Genußmitteln.

Der Kanton A a r g a u muß sich, um auf dem Gebiet der Lebensmittelpolizei etwas thun zu können, auf gelegentliche, in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen zerstreute Bestimmungen beziehen, da das Volk am 25. Februar 1889 bereits zum zweitenmal einen Gesetzesentwurf betreffend Organisation des Sanitätswesens und der Lebensmittelpolizei verworfen hat. Ebenso besitzen die übrigen Kantone (Uri, Obwalden, Nidwaiden, Baselland, Schaffhausen und Appenzell I.-Rh.) noch kein Lebensmittelpolizeigesetz.

Folgende Übersicht zeigt, welchen Beamten oder Behörden die Lebensmittelkontrolle in den verschiedenen Kantonen übertragen ist:

786

Organisation der Lebensmittelkontrolle in den Kantonen.

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Kantone.

Andere kantonale oder Bezirksbeamte.

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Ortsgesundheitsbehörden.

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Ü> 44

Zürich . . . .

Bern . . . .

Luzern . . . .

Uri Obwalden . . .

Nidwaiden Schwyz Glarus . . . .

Zugo Freiburg .

Solothurn . .

Baselstadt .

Baselland . . .

Schaffhausen .

Appenzell A.-Rh.

Appenzell I.-Rh. .

St. Gallen . . .

Graubünden .

Aargau. . . .

Thurgau . . .

Tessin . . . .

Waadt . . . .

Wallis . . . .

1

1

Kant. Expert, u.

Bezirksbeamte

-- -- -- -- Sachverständige --

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--

1 1

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1 1

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1

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-- -- Beamte des Sanit.-Depart.

-- Kant. Experte -- -- -- Bezirksärzte -- -- --

1

1 1 1 1 1 Ie) 1

-- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- 1

1

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1 1 1 1

1 -- Sgliedr. kanton.

-- Expertenkomm.

-- 1 1 -- -- Neuenburg . .

1 1 1 Genf . . . .

1 Beamted.Bureau -- de salubrité ') Die Stadt äZürich besitzt ein eigenes Laboratororatorium für Lebens 3 mittelkontrolle. ) Laboratorium der Milchversuchsatation. ) Hat sich die Mitbenutzung des Laboratoriums des Kantons St. Gallen vertraglich gesichert. 4) Lebensmittelkommissionen (Commissioni annonarie). 5) So6 genannte Proviantschätzer. ) Sogenannte Bezirksvorstände.

i

787

Die beiliegenden Tabellen I und II geben Aufschluß über die Organisation, die Kosten und die Leistungen der kantonalen Lebensmittellaboratorien und Über die Handhabung der Lebensmittelkontrolle in den Kantonen.

3. Die große U n g l e i c h h e i t der L e b e n s m i t t e i g e se t z gebung in den einzelnen Kantonen, und die erheblichen Verschiedenheiten im Begriff der Fälschung, in den fiir s o l c h e D e l i k t e z u s t ä n d i g e n St r a fi n s t a n z e n und in der Art und dem Maß der a n g e d r o h t e n S t r a f e n machen ein einheitliches und wirksames Vorgehen gegen die L e b e n s m i t t e l f ä l s c h u n g zur U n m ö g l i c h k e i t und b e d i n g e n zugleich für die reelle" I n d u s t r i e und den reellen Handel eine u n g e r e c h t f e r t i g t e Beeinträchtigung.

Betrachten wir die verschiedenen kantonalen Strafbestimmungen gegen Lebensmittelfälschung oder Feilhalten und Verkauf nachgemachter, verfälschter, verdorbener oder gesundheitsschädlicher Nahrungs- und Genußmittel, so finden wir sowohl hinsichtlich des Umfanges des Strafschutzes als namentlich auch in betreff der vorgesehenen Strafen außerordentlich große Differenzen. Nur wenige Kantone besitzen vollständige diesbezügliche Strafbestimmungen, die Mehrzahl weist kleinere oder größere Lücken auf. Folgende kurze Darstellung wird das Gesagte illustrieren.

Die a b s i c h t l i c h e H e r s t e l l u n g von g e s u n d h e i t s s c h ä d lichen N a h r u n g s m i t t e l n und G e t r ä n k e n , s o w i e das w i s s e n t l i e h e F e i l h a l t e n und V e r k a u f e n s o l c h e r , wird, abgesehen davon, ob irgend jemand dadurch eine Schädigung seiner Gesundheit erlitten hat, stets mit Gefängnis bestraft in Baselstadt (bis zu l Jahr), Bern (bis zu 60 Tagen oder Korrektionshaus bis zu .2 Jahren, verbunden mit einer Geldbuße bis zu Fr. 5000), Neuenburg (bis zu 6 Monaten, verbunden mit einer Buße bis zu Fr. 5000 *), Genf (2 Monate bis 3 Jahre), Tessin (Detention 1.--3. Grades), Zürich, Freiburg und Glarus; dagegen mit Gefängnis o d e r Geldbuße im Thurgau, Waliis (Gefängnis bis 6 Monate oder Buße bis Fr. 200*), in Schaffhausen (Gefängnis bis zu 2 Monaten oder Buße bis zu Fr. 200*), in Obwalden (Gefängnis oder Buße bis zu Fr. 2000), Appenzell A.-Rh. (Buße bis Fr. 1000 oder Gefängnis bis l Jahr,
allein oder mit Buße), St. Gallen (Gefängnis oder Arbeitshaus bis l Jahr oder Buße bis Fr. 1000) und Waadt (Zuchthaus 15 Tage bis 10 Monate oder Buße von Fr. 50 bis 600*). Schwyz, Graubünden und Baselland haben nur Geldbußen, erstere von Fr. 100--1000, letzteres von Fr. 10--100*), *) In den Strafbestimmungne der Kantone Waadt, Neuenburg, Baselland, Schaffhausen und Appenzell A.-Rh. ist nur von dem wissentlichen Verkaufe gesundheitsschädlicher Lebensmittel, nicht aber von deren Herstellung die ßede.

Tabelle I.

Organisation, Kosten und Leistungen der kantonalen Lebensmittellaboratorien.

Das Laboratorinm

Kantone.

Der Kantonschemiker

Gehalt des Kantonscheiuikers.

£§i

S


SS ·SJaî ? l ^31

s

Oesaiiitanslageii des Jjaboratorinms.

1891

1892

1893

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.

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.

.

.

.

.

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l l16) l l

14,372. -- 5000') 14,246. -- 4500--6000 11,745. -- ») 12,639. -- '-) 14,082.

SO 5000 14.070. 50 4 2000--3000 Ml!. -- 8 ) 1,613. -- 4s ) 3500') 7,570. -- ) 7,530. -- ) u\ Mutili.-!!!«")* y 1800 800.-- 500800.-- 4000--6000 4500 8,902.84 7,506. 45 Billlt ta Cnlir3,779. 48 BBtIiaEjrs-Taien ") * 3,776. 25 3000 '«) 17,659. --i:' 2,440. -- 2000 543. 31 5,670. 64 4500--5000 6,637. 92 5,488. 17 lä 2000* 6,000. -- 2 ; 0,000. -- ls) 4000 8,600. -- ) 8,800. -- ")

13,791. -- 17,214. -- ') 14,024.80 1,731. -- 8*) 7,480. -- ) -11) 1,930. 25 800.-- 15,100.-- 7,460. 30 3,261.65 8,989. -- 3,556.18 7,916. 35 1S 6,000. -- ) 8,800. -- 2)

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Schaffhausen 19) !

Appcuzell A.-Rii. " \VallisSi) . . .

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Einnahmen für Untersuchungen.

1891

Pr.

Fr.

Zürich-Kauton Zürich-Stadt .

Bern Luzcrn . . .

Glarus . . .

Zug Freiburg . .

Solotburn . .

Baselstadt ») .

St. Gallen . .

Graubunclen .

Thurgau . .

Tessiu . . .

^yaadt . . .

Neuenburg . .

Genf

Diese Objekte worden eingesandt

Zahl der untersuchten Objekte.

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'/M Seite 787.

,30.-) 32}

5,915. -- 5,601. -- 3,944. 05 3B) 3,044. -- ) 339.-- 650.-- ·> 650.-- 3,183. -- 479. -- 635.-- 1,106. 50 1,372. -- 1,887. --

1892

Fr.

4,739. -- 6,890. -- 3 3,408. 75 5) 5,421. -- ) 281.-- 850.-- ?

776.-- 3,536. -- 403.-- 992.-- 614.-- 3,919.-- 1,350. -- 1,948. --

1893

Lebensund Genussmittel.

1891

1892

1893

2694 2119 1132 627 317 223 1 289

2946 2689 1390 412 352 276 ·> 359

2501

1286 406 j 147 569 415 1146

1068 448 603 290 1092 546 1290

226 277

290

Abgesehen von dein Gehalt, den der Kautonschemiker in seiner Eigenschaft als Lehrer an der Kantonsschnle oficr an der Akademie bezieht.

Gesetzliche Besoldung Fr. 4000 und Anteil an den Untersuchimgsgebührren Fr. 1000.

Ohne Miete, Heizung, Wasser, Gas- und Bureaumaterialien.

Ohne die Betrüge, welche die Justizkasse bezog.

Vergütung des Staats an den Eigentümer für Zins (Fr. 1000), Gas, Reagentien etc.

Wert der ausgeführten amtlichen Analysen laut Tarif. Die Betrage werden aber nur in Straffiillen einkassiert: die angegebenen Summen sind also erheblich grösser als die wirklichen Einnahmen Die privaten Untersuchungen sind nicht angegeben.

Ausserdem '/i der Einnahmen aus Privatuntersuchungen.

S) °) 1) 2 3)

Laboratorium der Kantonsschule.

Dazu eine jährliche Gratifikation von Fr. 50.

Die Kosten des Laboratoriums werdeu aus dem Kredit für die Kantonsschule bestritten.

Laboratorium der kantonalen Molkereischule.

) Assistent des Direktors und Lehrer der Chemie und Physik an der kantonalen Jlolkereischule.

4 ) Das Laboratorium wurde im Jahre 1893 erstellt. Der frühere öffentliche Chemiker fahrte die Untersuchungen in seinem Privatlaboratorium aus.

5) Dazu Fr. 300.

16) Seit 1832.

Andere Gegenstände.

1891

1892

1893

1891

151 46 13 30 96 f 17

182 64 36 15 100

226 67 3 10 111

89 100 111 4 12 2

31

21 93 39

durch die Behörden des Kantons

Total.

1892

1893

1891

59 94 36 12 10 2

32 155 25 12 12 4

2793 2370 1289 6 644 ) 359 321 ·> 306

1892

1893

1891

durch auswärtige Behörden

1892

1893

1891

2792 2398 V« bis 644 460 296 341 315 364

2332 5932

32

232

231

658 394 9 194 368 173 203

545 435 515 306 859 283 316

124 2394 866 128 698 280 758 232 2464

ISO 277 17

201

durch Private

1892

1893

1891

1892

110

5 41

299 413

212 457 bis

6

36 14

1893

1891 1892 1893

Fr.

5,558. -- 10,777. -- 3 3,531. 70 5) 6,415. -- ) 175.-- 1,100. -- 348. 55 796.-- 7,100. -- 3,508. 45 788.-- 1,906. -- 472. 60 2,946. 20 1,248. -- 1,236. --

') 3 ) 3 3 ) *) 5) 6 ) ')

8) Inbegriffen die Entschädigungen an die Gemeindelebensmittelbeamten (ca. Fr. 2000) und die Lokalmiete (Fr. òso).

Gebrauchsgegenstände und Verbraucbsartikel.

Von diesen Objekten wurden beanstandet

6165 1478 702 307 380 102 278 2652 1337 163 788 378 929 383 3082 278 70

27 125 25 2

78 107 32 l

121 38 31 10

73 36 ?

11 16 7

65 16 78 78 34 63

31 105 14 385 9 90 81

1396 442 163 283 610 477 1146 Ì70 277 17

3005 2533 2965 6456 1470 15706 460 ") 717 ) 377 329 495 37S ·f 102 367 299 2776 1164 1431 464 178 759 1294 425 475 1158 1050 610 471 1290 3082

2481 1925

717 301 481

217 45 3

o 74

247

93

60

491

48

236 297 943

136

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79 423

Tabelle U.

Zu Seite 787.

Übersicht der von den ständigen kantonalen Laboratorien und von ad hoc bestellten chemischen Experten der Kantone im Jahre 1893 ausgeführten Lebensmitteluntersuchungen und deren Resultate.

Brot- und Teigwaren . . . .

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£ * Vom Mai 1892 bis Mai 183.

1 Darunter 1 Probe Margarin butter.

* Darunter 1 Probe Most 3 Wein, Sauser und Obstweu i.

4 Trester- und Drusenbrannhvein.

*ß Darunter 2 Proben Z weise igenwasser.

Im Kanton Schwyz wurdet in den Jahren 1893 und 1894 jsamm z en 8 Untersuchungen (Wein, Milch und Wasser) vorgenommen, wovon 4 in Strafuntersuchungsfällen und 1 wegen Auftreten von Typhns.

7 Darunter 1 Kunstbutter.

8 Lant Bericht der Polizeidir r von ektion sind dem Kaotonscbemike Baselstadt eine Anzahl Lebensmittelproben (Milch, Wein. Bier und Fleiscbwaren) zar Untersuchung zugestellt worden.

9 Amtlich erhobene, zweifell )s echte Traubenmoste nnd von . 'rivate n eingelieferte Weine.

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Cognac.

Drusenbrnnutwein.

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Essig und Essigessenz.

( Fleisch nnd Fleischestrakt.

Früchte- nndGemiisekonserven.

Gewürze.

Honig.

Kaft'ee und Kaffeesurrogate.

Käse.

Kirsch \vasser.

Konditoreiware u.

Kochsalz.

Konservieruugssalze.

Künstlichea Selterswasaer.

Limonade.

Liqueure uud Sirup.

Magenbitter.

Mineralwasser.

Mehl.

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Milch.

Nelkenpulver.

Obst.

Obstwein.

Pfefferpulver.

Rhum.

Safran.

Speisefett und -Öl.

Thee.

Wermut.

Wasser.

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Zucker.

Verschiedenes.

Total.

·78«

Zug, Aargau, Appenzell I.-Rh., Luzern, Solothurn und Nidwaiden endlich gar keine speciellen Strafen hierfür vorgesehen ; letztere müssen sich vorkommendenfalls in anderer Weise zu helfen suchen.

In der Regel wird die Strafe erhöht und verschärft, wenn der Genuß des betreffenden Lebensmittels eine Gesundheitsschädigung oder gar den Tod herbeigeführt hat. In letzterem Falle geht die Strafe z. B. in Baselstadt bis zu 15 Jahren Zuchthaus, im Wallis und in Neuenburg bis zu 3 Jahren Zuchthaus, verbunden mit einer Geldbuße bis zu Fr. 500 (Wallis), resp. Fr. 15,000 (Neuenburg), in Bern bis zu 10 Jahren, in Freiburg bis zu 8 Jahren und in 8t. Gallen bis zu 5 Jahren allein oder mit Buße bis zu Fr. 5000.

Besondere, entsprechend mildere Strafbestimmungen für den Fall, daß die Handlung nur eine fahrlässige war, haben die Kantone Baselstadt (Gefängnis bis 6 Monate oder Buße bis Fr. 1000) und Bern (Gefängnis bis 6 Monate oder Buße bis Fr. 500). Geschah die Herstellung der gesundheitsschädlichen Lebensmittel unabsichtlich oder kannte der Verkäufer die schädliche Eigenschaft derselben nicht, so reduzirt sich die Strafe auf eine Geldbuße in Zürich (bis Fr. 1000), Waadt (bis Fr. 300), Appenzell A.-Kh. und Neuenburg (in beiden bis Fr. 500).

In St. Gallen, Glarus und Schaffhausen wird der Verkäufer, welchem zufolge seines Gewerbes oder Berufes die Fälschung bezw.

die gesundheitsschädliche Eigenschaft der feilgehaltenen oder verkauften Lebensmittel bekannt sein mußte, gleich bestraft wie der wissentliche Verkäufer. Die Lebensmittelverordnung des Kantons Schwyz erklärt die Einrede der Unkenntnis der Fälschung überhaupt als nicht statthaft. Die Strafvorschriften der übrigen Kantone enthalten in dieser Hinsicht keinerlei Bestimmungen.

Derjenige, welcher Lebensmittel, deren Genuß wegen V e r d o r b e n h e i t oder U n r e i f e d e r G e s u n d h e i t s c h ä d l i c h ist, in V e r k e h r b r i n g t o d e r f e i l h ä l t , ohne Rücksicht darauf, ob ihm die Gesundheitsschädlichkeit bekannt war oder nicht, wird im Kanton Zürich mit Polizeibuße bis auf Fr. 1000, im Thurgau dagegen mit einer solchen von bloß Fr. 5--100 bestraft. Mit dieser letzteren Buße wird der Verkäufer derartiger oder aus andern Ursachen der Gesundheit nachteiliger Nahrungsmittel und Getränke auch im Kanton Luzern bedroht, aber nur in den
Fällen, wo ihm die nachteilige Beschaffenheit der Ware bekannt war; kann ihm letzteres nicht nachgewiesen werden, so geht er straffrei aus und hat bloß Konfiskation der betreffenden Verkaufsartikel zu gewärtigen. Das gleiche Vergehen wird im Wallis mit Geldbuße bis auf Fr. 200 oder Gefängnis bis zu 6 Monaten, in Schaffhausen mit Geldbuße oder Gefängnis von nicht über 2 Monaten bestraft, aber nur wenn dem Verkäufer die Beschaffenheit der be-

·7-iD treffenden Eßwaren oder Getränke bekannt war oder vermöge seines Gewerbes bekannt sein mußte.

Auch im Kanton St. Gallen ist die Einrede des Verkäufers, daß ihm die schädliche Beschaffenheit nicht bekannt gewesen sei, unter Umständen zulässig; im Übrigen richtet sich daselbst die Strafe nach der durch den eventuellen Genuü des betreffenden Nahrungsmittels bewirkten gesundheitlichen Schädigung. In den Kantonen Bern, Neuenburg und Basel wird der wissentliche Verkauf verdorbener Nahrungsmittel mit Gefängnis (Bern bis zu 60 Tagen, Neuenburg und Basel bis zu 6 Monaten), verbunden mit Geldbuße bis zu Fr. 1000 (Basel) resp. Fr. 5000 (Bern, Neuenburg), geahndet.

Die V e r f ä l s c h u n g o d e r das N a c h m a c h e n von N a h r u n g s und G e n u ß m i t t e l n zum Z w e c k e der T ä u s c h u n g unterliegt im Kanton Zürich einer Buße bis zu Fr. 2000, allein oder verbunden mit Gefängnisstrafe, in den Kantonen Thurgau, Baselstadt, Luzern, Solothurn und Obwalden dagegen entweder bloß einer Gefängnisstrafe oder bloß einer Geldbuße. Die maximale Dauer der ersteren ist nur im Basler und Obwaldner Strafgesetzbuch bestimmt, und zwar in beiden auf sechs Monate ; die Bußen können gehen in Basel bis zu Fr. 1000, in Solothurn bis zu Fr. 500, in Luzern bis zu Fr. 300 und in Obwalden bis zu Fr. 200 ; das thurgauische Strafgesetz giebt keine Grenze an. Nur Geldbußen haben vorgesehen die Straf bestimmungen von Graubünden und Glarus (bis Fr. 1000), Schwyz (Fr. 50--500), Tessin und Wallis (bis Fr. 100). Viel drakonischer sind die Strafbestimmungen des bernischen Lebensmittelgesetzes, nach welchem dieses nämliche Delikt in jedem Falle mit Gefängnis (bis zu 6(1 Tagen) bestraft werden muß, womit außerdem eine Geldbuße von Fr. 50--5000 zu verbinden ist. St. Gallen endlich hat seine Strafbestimmungen nach der Höhe des verursachten Schadens und nach der Rückfälligkeit des Fehlbaren bemessen ; derselbe wird bestraft : a. im ersten Betretungsfalle, auch selbst wenn kein Schaden am Vermögen vorliegt, oder wenn derselbe Fr. 25 nicht übersteigt, durch den Gemeinderat mit einer Geldbuße bis auf Fr. 100; b. im ersten Kückfall oder wenn ein Schaden von über Fr. 25, aber unter Fr. 50 vorliegt, durch die Gerichtskommission mit Gefängnis bis auf drei Monate, allein oder in Verbindung mit Geldbuße bis auf Fr. 300 ; c. in
jedem weitern RUckfalle und bei den hohem Schadensbeträgen durch das Bezirksgericht mit Gefängnis bis auf 6 Monate, allein oder in Verbindung mit einer Geldbuße bis auf Fr. 600.

790

Ebenso verschieden und ungleichartig sind die angedrohten Strafen für den w i s s e n t l i c h e n V e r k a u f o d e r das F e i l h a l t e n von n a c h g e m a c h t e n o d e r v e r f ä l s c h t e n L e b e n s r n i t t e l n . Besondere Bestimmungen betreffend das fahrlässige Feilbieten und Verkaufen solcher Nahrungs- und Genußmittel finden sich nur in den Gesetzen der Kantone Bern, Baselstadt, Zürich und Appenzell A.-Rh.

Erwähnenswert ist ferner, daß die meisten Gesetze die K o n fi s k a t i o n , oft auch die Zerstörung der gesundheitsschädlichen oder verdorbenen Lebensmittel vorschreiben und in der Regel auch die Beschlagnahme der nachgemachten oder verfälschten Waren, auch wenn sie nicht gesundheitsgefährlich sind, gestatten.

Um die Übersicht und Vergleichung zu erleichtern, sind die StrafbestimmuDgen der einzelnen Kantone in nebenstehender Tabelle III nach Kategorien zusammengestellt worden.

Wir haben nur die wichtigsten in Betracht fallenden Strafbestimmungen berücksichtigt. Für die weitern Detailbestimmungen muß auf die Gesetze und Verordnungen selbst verwiesen werden (vergleiche auch C. Stooß, Die Grundzüge des schweizerischen Strafrechts, Bern und Genf 1893, II. Band, pag. 371 ff.)Sehr verschieden sind ferner auch die kantonalen Vorschriften betreffend die Anforderungen, die man an Nahrungs- und Genußmittel stellt, betreifend deren Herstellung, Verpackung, Bezeichnung, allfällige Zusätze, Färben etc. Auch die Definition der Begriffe ,,Verfälschung", ,,Gesundheitsgefährlichkeit" etc. ist in den verschiedenen Kantonen durchaus nicht identisch.

Gewisse Kantone (Zürich, Luzern, Zug etc.) haben für einzelne oder fit r die Mehrzahl der wichtigsten Lebensmittel Normativzahlen aufgestellt, an welche sich der chemische Experte bei Beurteilung des Untersuchungsobjektes zu halten hat, in andern Kantonen existiert nichts Derartiges und urteilt der Chemiker nach seinem eigenen Ermessen.

In maochen Kantonen wird der Zusatz von Mehl zu Würsten als Verfälschung oder betrügliche Wertverminderung aufgefaßt; in andern ist für gewisse Sorten ein Zusatz von Weizenmehl bis zu 2 °/o gestattet ; noch andere haben gar keine Bestimmungen hierüber.

Ähnlich verhält es sich mit der Beurteilung des zu leichten Brotes ; in einigen Kantonen wird ein zu geringes Gewicht der Brotlaibe, in andern ein
ungenügendes Ausbacken als strafbare Wertverminderung taxiert.

Sehr verschieden sind auch die Bestimmungen über den zulässigen Grad der Gipsung von Weinen. Während verschiedene kantonale Réglemente gar nichts darüber sagen, setzen andere für

Zu Seite 790.

Übersicht über die kantonalen Strafbestimmungen betreffend den Verkehr mit verfälschten bezw. gefälschten oder mit verdorbenen Lebensmitteln.

(Wo nichts angegeben, ist die Strafbestimmung dem betreffenden

kantonalen Strafgesetz oder Polizeistrafgesetz entnommen.)

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Verfälschte oder nachgemachte Lebensrnittel.

Verdorbene Lebensrnittel.

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Gefäognis bis 60 Tage oder Korrektionshaus bis 2 Jahre; in beiden Fällen mit Buße von Fr. 100 bis 5000*.

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Verkaufen oder Feilhalten.

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Buße bis Fr. 1000.

Detention vom 1 . bis 3. Grad, mit Buße vom .3. bis 5. Grad.

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Gefängnis mit oder ohne Buße; in schweren Fällen Zuchthaus.

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Buße von Fr. 10 bis 100 n).

v.iut Wirtscliaftsgesetz voui 14. Dezember 1853 wird d äs Verabreichen verfälschte r oder gesundheitsschädlich ìr Speisen und Getränke in Wirtschaften mit einer Gel Ibuße von Fr. 25 bis 200 be straft, Feilhalten schlechten Brote s wird mit Fr. 5 bis 50 (Ve rordnung vom 15. Februar 1 882) gebüßt, Verabreichen [esundheitsschädlicher Speis en und Getränke in Wirtschaften mit Fr. 10 bis 100 (W irtschaftsgesetz vom 4. Mai 1884) und Zu\viderhandlunçen gegen das Dekre betreffend Bierpressionen v om 17. Februar 1889 ebenf »Ils mit Fr. 10 bis 100.

jïuit altem Gesetze (am 1S. August 1S58 teilweise ab geändert) haben die ,,Provi intechätzer" die Pflicht, Get ranke, Fleisch und lirot '/u besichtigen und den Verkai f gesundheitsschädlicher öd er ,,nnwertschafter" Ware î u verhindern. Zuwidert 20, im Wiederholungsfall e bis Fr. 40 gebüßt; in wie itigeren öder mehrfachen \1r iederholungsfällen steigt di e Buße bis auf Fr. 500.

Handlungen gegen die- Vc rordnung betreffend das Bä c-kergewerbe, vom 9. Dezenober 1891, wird mit Fr. 5 is Derjenige, der ,,unwertsc iafte" geistige Getränke ein führt, verfällt laut einer alt en Gesetzesbestimmung auf jeden Hektoliter in eine B i()e von Fr. 10 bis 20.

Aargau Uri

'· Nidwaiden ' Appenzell I.-Rk.

Geldbuße von Fr. 5 bis t Wie sub Vili.

100 ·).

Geldbuße von Fr. 5 bis 100 7).

Freiheitsstrafe von 8 Tage bis 6 Monate oder Buße von Fr. 5 bis 200.

Gefängnis od. Korrektionshaus bis 40 Tage oder Buße bis Fr. 300.

Wie sub V10).

Gefängnis oder Buße bis ! Wie snb V.

Fr. 300.

1 BnGe von Fr. 10 bis WO").

i :

Wie sub V.

1!

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jaut Polixeiverordnung von i 18,/lfl. Januar IS94 werde a Milchfälschungen und Znvriderhandlungen gegen die 1'orschriftcn betreffend Kleis ch- und Wurstverkauf mit 1 uße bis Fr. 200 geahndet.

* Wenn durch die betref"ende Handlung eine GesumIheitsscIiSdigung oder sogar der Tod eines Menschen hc rbeigeführt worden ist, so t ritt eine entsprechend höhe re und schwerere Strafe ein ;

') *) 3 ) 4 ) 5 ) c ) T > s ) 'IU*) ) ") |3!

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« Wie sub Vili » Geldbuße bis Fr. 100* (in gewissen Fällen Bu 3e von Fr. 10 bis 100 *).

Wie sub V.

Wie sub III ").

Gefängnis oder BuOe bis Fr. 500.

Zug .

'. Baselland

Buße bis auf Fr. 50.

Buße bis Fr. 1000.

Buße von Fr . 5 bis 100').

Wie sub I.

Geldbuße von Fr. 100 bis 1000.

t Buße von Fr. 20 bis 500 »).

Zuchthaus von 1 'a Tagen bis t Buße bis Fr. 300 ").

10 Monaten oder Buße von Fr. 50 bis 600 *.

Buße bis Fr. 1000 oder t Buße von Fr. 5 bis 500.

Gefängnis bis 1 Jahr, mit oder ohne Buße ; in schwereren Fällen Zuchthaus.

Gefängnis bis 2 Monate * Wie sub IH.

oder Buße bis Fr. 200.

* Geldbuße bis Fr. 300 oder Haft.

t Wie sub V.

Wie sub V5).

BnOe bis Fr. 100 oder Gefängnis bis 6 Monate, allein oder mit BuOe bis Fr. 600 (je nach 5der Höhe des Schadens ).

Wie sub I.

Wie sub I ').

Gefängnis bis 6 Monate oder BuOe bis Fr. 200 ».

Gefängnis bis 6 Monate oder Buße bis Fr. 5000 *.

Fahrlässiges * oder unwissentliches f.

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i

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Schaffkausen

BuOe bis Fr. 1000.

Gefängnis von 8 Tagen bis 1 Jahr und BuOe von Fr. 50 bis 500.

Strafe des Betrugs.

Wie sub I.

Ì

Waadt.

Appenzell A.-Rh. . . .

* Wie sub III.

Wissentliches.

Gefängnis bis 6 Monate ; Wie sub V.

oder Geldbuße bis Fr. '1 r 1000.

i Gefängnis bis 60 Tage | Wie sub V.

und Geldbuße von Fr.

50 bis 5000 (in gewissen Fällen Gefängnis bis 60 Tage und Buße bis Fr.

1000).

Gefängnis mit Buße bis Wie sub V.

Fr. 2000 oder bloß BuOe.

BuOe von Fr. 50 bis 500. Wie sub V.

, Wie sub I.

Gefängnis oder Arbeitshans bis auf 1 Jahr, allein oder mit Buße bis auf .Fr. 1000 *.

Gefäuguis von 6 Monaten bis 3 Jahre.

:!

|l ; !

Verkaufen oder Feilhalten.

Gesetz betreffend die öffentliche Gesundheitspfleg c und die Lebensmittelpolizt i im Kanton Zürich (4. Okl ober 1876).

Verordnung über Leb ensniittelpoüzei (30. Novenib er 1878).

Gesetz über die Staat iche Kontrolle von Lcbens- und Gennßniitteln (promulgi ert 22. Juni 1881).

Codice sanitario, Art. 30 und 120 (26. November 1888).

Gesetz über die Lebe nsmiftelpolizei (21. Novembe r 1874).

Gesetz über die Offen bliche Gesundheitspflege not; die Lebensmittelpolizei (13 Juli IS'JO).

Gesetz betreffend die Kontrolle über den Verkau von Lebensmitteln and Ge tränken (4. Mai und 13. Auf ·ust 1384).

Nach Art. 9-2 des atra fgesetz huches. Nach dem ] ^cbensmittelgesetz ') ist hie für die gleiche Strafe ange droht wie sub I.

Strafe des ausgezeichi etcn lietrugs, der nach frei burgischem Gesetz erst voll endet ist, n-enn ein Schadet verursacht oder ein Vortei [ erzielt worden ist.

Loi de police concerò ant la vente «les substances alimentaires et des boisson s (21 novembre 1882) et R èglement d'exécution (1er ju lift ISffSj.

Loi sur la police sani taire (7 mai 1875) et Rrgle nient sor la police de.s altm :nts et boissons et leurs fa sifications (20 août 1885).

Loi sur l'organisation sanitaire (13 mars 18S6J et Arrêté concernant les mesu res de police à prendre co itre la vente des boissons e t denrc.es malsaines ou fai? ifioc.s (l!l juillet 1S3I).

Gesetz über öffentlich e fresHiidhcitspflege und Le t)ensmittelpolÌ7.ei (6. Mai ISS 2).

,,Insofern nicht ein m t höherer Strafe bedrohtes Vergehen vorliegt." Verord nung über den Verkauf der Lebensrnittel und Getränke (3. Februar ISSI), Gesetz über das Sanit ittswescii des Kantons Ha.se landschaft, Art. 101 inrd 11 > (2.S. Mai 186.-.). Der Verk auf gesundheitsschädlicher 'etränke wird laut Art. ."5 des Wirt.sch:ift.sgesetzes von 18. März 1889 mit einer t uße von Fr. 2o bis 50Ü <,'e ihnrk-t.

791 platrierte Weine, die zürn gewöhnlichen Konsum dienen, einen Maximalgehalt von zwei Gramm Kaliumsulfat, fiir Krankenweine und mit gegipstem Wein coupierte einen solchen von l Gramm per Liter fest.

Die Folge davon ist, daß der gleiche Wein in dem einen Kanton zum Ausschank gelangt, in dem andern als gesundheitsgefährlich reflisiert wird. Überdies gelangen diese refüsierten Sendungen in der Regel direkt in die Kantone, die es damit weniger genau nehmen.

Ganz ähnlich verhält es sich mit der Zulässigkeit geschwefelter Weine.

Noch viel größer aber ist die Ungleichheit der verschiedenen kantonalen Vorschriften hinsichtlich der künstlich hergestellten Lebensmittel, Kunstwein, Kunstbutter, Kunsthonig und dgl. So kann z. B.

ein aus Trestern und Zuckerwasser hergestellter Wein in einem Kanton als ,,petiotisierter Wein" in den Handel gebracht werden, während er in andern nur als ,,Kunstwein" verkauft werden darf. So muß ferner das gleiche Fabrikat, das in diesem Kanton den Namen ,,Margarin" trägt, im Nachbarkanton ,,Kunstbutter" getauft werden ; während es dort mindestens 20 °/o, hier sogar 25 % reine Milchbutter enthalten soll, braucht es in einem dritten Kanton gar keine Butter zu enthalten u. s. w.

Daß die Anschauungen der Sachverständigen darüber, was als gesundheitsschädlich zu betrachten ist und was nicht, in den verschiedenen Kantonen oft recht ungleich sind, beweisen namentlich die Verordnungen betreffend die Verwendung von Farbstoffen bei der Herstellung von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen, und die Vorschriften betreffend gewisse Zusätze zu Nahrungs- und Genußmitteln, namentlich zu Konserven. Wir erinnern nur an die abweichenden Bestimmungen der kantonalen Vorschriften über die Zulässigkeit der Teerfarbstoffe, die von einigen ganz verboten, von andern zum Teil gestattet werden, während die Mehrzahl gar nichts darüber vorschreibt ; und ferner an die verschiedenartige Beurteilung, welcho der Zusatz von Kupfersalzen zu Gemüsekonserven, von Salicylsäure und Borsäure zu Bier, zu eingemachten Früchten und dgl., der Gebrauch des Saccharins u. s. w. erfahren.

Wer könnte sich der Ansicht verschließen, daß diese so verschiedenen Vorschriften, die sich bis zu einem solchen Grade der Divergenz erheben können, daß in dem einen Kanton etwas für gesundheitsschädlich und unzulässig deklariert wird,
was in dem andern anstandslos verkauft und konsumiert werden darf, der Lebensmittelindustrie und dem Verkehr mit Nahrungs- und Genußmitteln ganz ungerechtfertigte Schwierigkeiten bereitet werden, die hauptsächlich den reellen Fabrikanten und Handeltreibenden treffen !

792

In besondern Schwierigkeiten befinden sich namentlich die Konservenfabriken, Konfiserien, Wurstfabriken, Margarinefabriken etc. Die Folge davon ist, daß entweder die betreffenden kantonalen Verordnungen umgangen oder wegen sich ergebender Unbilligkeiten nicht ausgeführt werden, oder aber Fabrikanten oder Handelsleute ganz ahnungslos in Konflikt mit dem Strafrichter kommen, weil sie nicht wußten, daß ein in ihrem Kanton gang und gäber Artikel in einem andern Kanton bei hoher Geldbuße oder sogar Gefängnisstrafe verboten ist.

Diese Ungleichheit der lebensmittelpolizeilichen Vorschriften und ganz besonders der Umstand, daß viele Kantone sich um solche Kleinigkeiten gar nicht zu kümmern scheinen, ist ein Sporn für die Lebensmittelfälscher und leistet dem Import und dem Vertrieb gefälschter Waren ganz bedeutenden Vorschub. Auch die Kantone mit den besten diesbezüglichen Einrichtungen leiden erheblich unter dieser Kleinstaaterei.

Lehrreich sind in dieser Beziehung die Erfahrungen, welche man im Kanton Zürich gemacht hat. So war die Gesundheitsbehörde der Stadt Zürich sehr gegen ihren Wunsch genötigt, die Ausführung einer Verordnung, welche kupferhaltige Konserven verbot, zu sistieren, weil sich aus der Verschiedenheit der in den andern Kantonen bestehenden Vorschriften grobe Unbilligkeiten ergaben. ,,Würden wir", schreibt der Z ü r c h e r S t a d t r a t in seiner Eingabe vom 11. September 1891, ,,vollziehen, was wir verfügt haben, so wäre die Folge diese: 1. die kleinen Händler würden getroffen, die großen nicht, da die Großkonsumenten (Hotels etc.) ihre Vorräte nicht beim Spezereihändler kaufen ; 2. der Zürcher, der Berner etc. würde für etwas gebüßt, für das der Aargauer und andere, die keine Vorschriften haben nnd den hiesigen Konsumenten direkt liefern, frei ausgehen."

In der Vernehmlassnng der Z ü r c h e r R e g i e r u n g zu der vorerwähnten Eingabe wird ferner ausgeführt: ,,Wohl alle Kantone haben Bestimmungen betreffend den Verkauf gifthaltiger Fabrikate.

Aber specielle Farbstoffverordnungen haben nur Zlirich, Bern, Aargau und einige wenige andere Kantone. Kein Kanton hat so strenge Vorschriften wie Zürich. Daraus ergeben sich Mißstände. In der Schweiz, unter der Herrschaft einer milden Vorschrift oder ohne eine solche fabrizierte Artikel, namentlich Fruchtbonbons etc., werden in Zürich
zum Erstaunen der Verkäufer konfisziert und veranlassen jeweilen für Behörden und Private weitläufige, unfruchtbare Schreibereien.

Ein Kanton ist zu klein, um eine eigene von andern Kantonen und von Deutschland mehrfach abweichende Verordnung aufrecht zu erhalten, und der -Schutz vor Gift steht in gar keinem Verhältnis zu

793

den Nachteilen, die der Verkehr und das Ansehen der Behörden dabei erleiden."

4. Nur ein e i d g e n ö s s i s c h e s Lebensmittelgesetz ist im stände, den geschilderten, für das Publikum und für die reelle Industrie und den Handel gleich unleidlichen Z u s t ä n d e n abzuhelfen; der Erlaß eines solchen ist ein längst empfundenes, thatsächliches Bedürfnis, und zwar nicht nur mit Rücksicht aufunsern großen Verkehr mit Lebensmitteln, sondern auch im Hinblick auf die immer dringlicher werdende Frage internationaler V e r e i n b a r u n g e n auf diesem Gebiete.

Ein Bundesgesetz wird nur dem Fälscher und Betriiger, denen die mangelhafte Kontrolle verschiedener Kantone zur Zeit ein sicheres Absatzgebiet für ihre gefälschten Waren oifen hält, schaden, dagegen dem ganzen Land und Volk in sanitärer und ökonomischer Beziehung großen Nutzen bringen. Die sehr einläßliche P e t i t i o n d e s s c h w e i z e r i s c h e n M e t z g e r v e r e i n s schildert eingehend die großen Übelstände, welche in dieser Beziehung in unserem Lande herrschen, und fährt dann wörtlich fort: ,,Ein weiteres Belassen dieser Zustände ist eine Versündigung am Marke des Volkes.

,,Gewiß hatte der ärztliche Oentralverein recht, als er seiner Zeit darauf hinwies, daß eine gute Nahrungsmittel Untersuchung schon mit Rücksicht auf das Wehrwesen eine entschiedene Bedeutung habe.

Bis jetzt besitzt der Bund nicht einmal eine Garantie dafür, daß alles Fleisch, welches auf Waffenplätze geliefert wird, gehörig untersucht ist. Das dürfte u. a. mit aller Sicherheit von den Fleischlieferungen in die Gotthardforts gesagt werden. Aber auch anderwärts fehlt manches.

,,Eine nicht zu unterschätzende Bedeutung hat eine gehörige Nahrungsmittelkontrolle, insbesondere eine genaue Fleischschau für unsere Fremdenindustrie, unser Hotelwesen überhaupt. Da sieht es aber bei vielen Berghotels in diesem Punkt bös genug aus. Wir besitzen viele Kurorte, an denen die Lungenkranken Erholung suchen und Besserung von ihren Leiden erwarten. Was würden sie wohl sagen, wenn sie wüßten, daß da und dort keine ausreichende Fleischschau existiert und sie Gefahr laufen, sich die Tuberkulose erst recht anzukurieren.

,,Wir glauben daher den Satz hinstellen zu sollen, daß eine gute Fleischschau für einen Kurort ebenso notwendig ist, wie ein Kurarzt.

,,Es ist folglich evident, daß wir alle Veranlassung haben, diesem Gegenstand unsere höchste Aufmerksamkeit zu widmen.

Bundesblatt.

47. Jahrg. Bd. I.

54

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,,Nicht minder notwendig ist es, daß die Ordnung dieser Zustände einheitlich, d. h. nach einheitlichen Grundsätzen vorgenommen, werde.

Das kann aber nur durch ein Bundesgesetz erfolgen.

,,Die Bundesverfassung gewährleistet die Handels- und Gewerbefreiheit im weitesten Umfang. Alle kantonale Schranken sind beseitigt worden. Um so notwendiger ist es, daß den daraus hervorgehenden Mißständen gesteuert wird.

,,Es soll nicht mehr vorkommen, daß absichtliche oder fahrlässige Verfälschungen von Nahrungsmitteln in einem Kanton geduldet werden, damit dann die anderen Kantone davon üherschwemmt werden. Die Nahrungsmittelkontrolle kann nur einheitlich geordnet werden. Das hat man in anderen Ländern längst eingesehen. So besitzt das deutsche Reich seit dem 14. Mai 1879 ein einheitliches, für alle Gebietsteile geltendes Nahrungsmittelgesetz.

,,Wir können übrigens konstatieren, daß sich bereits in breiten Schichten der Bevölkerung die Überzeugung Bahn bricht, daß kein Gebiet des öffentlichen Lebens so sehr einer einheitlichen Regulierung bedarf, wie die Nahrungsmittelkontrolle. Mit einheitlichen, bundesrechtlichen Bestimmungen wird man sodann auch den ausländischen Nahrungsmittelverfälschern und deren Verwandten, sowie einer gewissen Schmutzkonkurrenz wirksamer beikommen können."

In gleichem Sinne spricht sich der V e r e i n s c h w e i z e r i s c h e r a n a l y t i s c h e r C h e m i k e r aus. Er wünscht, die Wohlthat einer ständigen Nahrungsmittelkontrolle dem ganzen Schweizervolke zukommen zu lassen, und bezeichnet ein eidgenössisches Lebensmittelgesetz als einen mächtigen Faktor zur Hebung der Volksgesundheit und Volkswohlfahrt. Es soll in volkswirtschaftlicher Beziehung ,,namentlich in zwei Richtungen Gutes schaffen : Schutz des kaufenden Publikums gegen Überforderung und Schutz der einheimischen Landwirtschaft gegen die unreelle Konkurrenz".

,,Wir hoffen, sagt die Eingabe, von einem einheimischen Lebensmittelgesetz, daß es die Weinfrage in erster Linie erledige. Dem Bunde stehen die Mittel zu, an der Grenze die Einfuhr zu Überwachen; er kann erfahren, wohin die Rosinen gehen, und kann die Fabriken unter polizeiliche Aufsicht stellen. Der schweizerische Wein-Import betrug im Jahre 1889 rund 33 Millionen Franken; dazu kommen noch für mindestens 4 Millionen im Lande selbst aus den importierten
Rosinen bereitete Tcockenbeerweine. Es lohnt sich somit volkswirtschaftlich wohl der Mühe, daß der Bund eine Garantie dafür übernimmt, was um solch hohen Preis seiner Bevölkerung geboten wird."

795

Wie für den einheimischen Weinbau, so erwarten die Nahrungsmittelchemiker von einem Bundesgesetz auch für die inländischen Butterproduzenten und die schweizerischen Bienenzüchter nachhaltigen Schutz vor unreeller Konkurrenz aus dem In- und Ausland.

Die Eingabe betont namentlich auch die Notwendigkeit, unser Land gegen den massenhaften Import gefälschter Lebenmittel durch eine Kontrolle an der Landesgrenze zu schützen. ,,Ist es gerecht, so führt dieselbe mit Kücksicht auf die Einfuhr gefälschter Butter und Speisefette aus, wenn wir an der Hand unseres kantonalen Règlements den kleinen Krämer in der Landgemeinde für die Qualität seiner Butter, seines Schweinefettes, seines Eßöls verantwortlich und haftbar erklären, während wir seine Ware in diesem gefälschten Zustande unbeanstandet die Grenze und das Zollamt passieren lassen und wissen, daß er sie unverändert verkauft, wie sie der Großhandel ihm liefert? Wenn die Verfälschung nicht überwuchern sollte, so mußten wir bisher allerdings den Reehtsgrundsatz anwenden, daß jeder Verkäufer für die Qualität seiner Ware verantwortlich sei. Wir waren uns dabei aber immer bewußt, daß wir mit solchem Eecht ,,die großen Schelmen laufen lassen". Nur ein eidgenössisches Gesetz, das uns die zollamtliche Untersuchung aller importierten Lebensmittel bringt, vermag die bestehenden schweren Übelstände bei diesen Artikeln zu beseitigen; was die Kantone auf bisheriger Grundlage thun, sind unbedeutende Palliative, welche den von der Landwirtschaft nachgesuchten Schutz nicht gewähren können."

Schließlich erhofft der Verein analytischer Chemiker von einem einheitlichen Gesetze auch den ,,Schutz des reellen Gewerbes und Handels gegen kleinliche kantonale Reglementiererei".

Die Ausführungen der vorgenannten Eingabe werden durch die Z u s c h r i f t d e r s c h w e i z e r i s c h e n Ä r z t e k o m m i s s i o n lebhaft unterstützt. Letztere betont namentlich vom Standpunkte der öffentlichen Gesundheitspflege und unter Hinweis auf die vielfachen Gesundheitsschädigungen, welche durch gewisse nicht kontrollierte Nahrungsmittel (blei- und zinnhaltige Konserven, die ja auch in der Armeeverpflegung eine große Rolle spielen, Milch und Fleisch von tuberkulösen Tieren etc.) entstehen können, ,,daß es so nicht weiter gehen darf und daß wir verpflichtet sind, feststehende Thatsachen
der modernen Naturwissenschaft zum Wohle unseres Volkes zu verwerten".

Der R e g i e r u n g s r a t des K a n t o n s Z ü r i c h sagt in seiner Vernehmlassung zu der Petition des Stadtrats Zürich betreffend Erlaß eines eidgenössischen Lebensmittelgesetzes, nachdem er die bestehenden Zustände besprochen hat: ,,In Berücksichtigung all dieser Momente gelangen wir dazu, die Eingabe des Stadtrates Zürich an den

796 h. Bundesrat um Erlaß eines eidgenössischen Lebensmittelgesetzes nachdrücklich zu unterstützen, wie wir auch in einem Schreiben vom 26. Januar 1889 an das schweizerische Departement des Auswärtigen, Handelsabteilung, die Anregung zum Erlaß eines Bundesgesetzes Über den Handel mit Wein zu begrüßen uns veranlaßt gefunden haben. Hier wie dort erweist sich das Gebiet eines einzelnen Kantons je länger je mehr als zu eng für die Kontrolle solcher von der Großindustrie auf den Markt gebrachten Produkte; Umgehungen kantonaler Verordnungen können je länger je weniger vermieden werden."

Der a a r g a u i s e h e R e g i e r u n g s r a t motiviert sein Gesuch um den Erlaß eines eidgenössischen Lebensmittelgesetzes, welches er im Auftrage des Großen Rates am 29. Februar 1892 eingereicht hat, folgendermaßen: ,,1. Die einzelnen Kantone haben große Schwierigkeiten, bezügliche kantonale Gesetze bei der Volksabstimmung zur Annahme zu bringen. Verschiedene Versuche sind in den letzten Jahren nach dieser Richtung in mehreren Kantonen gemacht worden ; nur selten hat ein solches Gesetz in der Volksabstimmung Stand gehalten. So ist auch das neue aargauisehe Gesetz über die öffentliche Gesundheitspflege, welches einer bessern Lebensmittelpolizei als Grundlage dienen sollte, in der Volksabstimmung vom 19. Juni 1889 mit großer Mehrheit verworfen worden. Das Gebiet eines einzelnen Kantons ist offenbar zu klein, um die nötigen bewegenden Kräfte für das Zustandekommen eines solchen Gesetzes zusammen zu bringen, wohl aber groß genug, daß den vielen kleinen Sonderinteressen der Sieg über die wahren und wirklichen Interessen der Allgemeinheit gesichert ist. Ganz anders verhält es sich, wenn der Bund die Sache in die Hand nimmt. Einem Bundesgesetz, das seine Wirksamkeit auf die ganze Schweiz ausdehnt, werden die großen Interessen des Handels, der Landwirtschaft und der Volkswirtschaft Freunde genug zufuhren, die im stände sein sollten, demselben bei einer Volksabstimmung den Sieg zu verschaffen.

,,2. Der Gegenstand gehört überhaupt seiner Natur nach in den Aufgabenkreis des Bundes, da er mit Handel und Verkehr und mit der Volksgesundheit in engster Beziehung steht.

,,Für die Landwirtschaft hat die eidgenössische Regelung der Frage ein prinzipales Interesse, handelt es sich doch hier darum, unseren Landesprodukten gegen
die Konkurrenz der künstlichen und gefälschten Lebensmittel einen wirksamen Schutz zu gewähren.

,,Gleich wichtig ist die eidgenössische Regelung der Frage ftlr Handel und Industrie, für welche es von wesentlicher Bedeutung sein wird, daß die gleichen Gesetzvorschriften auf dem ganzen Gebiete

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der Schweiz Geltung besitzen und der Verkehr von Kanton zu Kanton nicht mehr infolge divergierender Bestimmungen erschwert oder gehemmt wird.

,,Den allergrößten Vorteil böte die eidgenössische Regelung der Frage für die Ernährung und die Gesundheit des Volkes selbst.

Diese Beziehung ist selbstverständlich die wichtigste.

,,3. Einen Anfang hat die Bundesgesetzgebung dadurch gemacht, daß sie vom Standpunkt der Viehseuchenpolizei aus Vorschriften über die Einfuhr von Schlachtvieh und Schlachtfleisch aus dem Ausland aufstellte und deren Vollzug durch die sog. Grenztierärzte liberwachen läßt. Der Bund möge nach dieser Richtung einen Schritt weiter gehen und die Kontrolle über das Schlachtfleisch, dieses außerordentlich wichtige Nahrungsmittel, überhaupt in die Hand nehmen.

Seitdem wissenschaftlich festgestellt ist, daß durch den Genuß von ungesundem Fleisch Tierkrankheiten (Tuberculosis etc.) auf den Menschen übertragen werden können, ist diese Frage für die Volksgesundheit von der allergrößten Wichtigkeit geworden. Dabei sind selbstverständlich die landwirtschaftlichen Interessen in hohem Maße beteiligt. Viele Kantone werden kaum im stände sein, die zutreffenden Vorschriften für ihr Gebiet aufzustellen und wirksam durchzuführen.

Hier soll die kräftige Hand des Bundes eingreifen.

,,4. Ein sehr großer Teil unreeller und sogar gefälschter Nahrnngsund Genußmittel wird vom Ausland in die Schweiz eingeführt. Da der Bund im ausschließlichen Besitz des Zollregals ist, die Zölle im Betrag von über 30 Millionen Franken jährlich einzig für seinen Fiskus vereinnahmt, so hat er wohl auch die Pflicht, durch geeignete Gesetzesvorschriften und Kontrollmaßregeln, wie durch die Aufstellung des nötigen technischen Untersuchungspersonals, durch die Einrichtung zweckdienlicher Laboratorien bei den Eingangszollstätten u. s. w. das konsumierende Schweizervolk in gesundheitlicher und finanzieller Beziehung nach Möglichkeit gegen Gefährdung und Schädigung zu schützen. Der Bund würde dadurch gleichzeitig seine eigenen finanziellen Interessen fördern ; denn bei dem gegenwärtigen Mangel einer technischen Kontrolle und Untersuchung wird unzweifelhaft viele Lebensmittelware unter unrichtiger Bezeichnung in die Schweiz eingeführt, nur um einen geringern Zollsatz bezahlen zu müssen."

Der V o r o r t des s c h w e i z e r i s
c h e n Handels- und Ind u s t r i e v e r e i n s , welchen wir eingeladen haben, sich vom Standpunkt der von ihm vertretenen Interessen über die WUnschbarkeit der Übertragung des Gesetzgebungsrechtes über die Lebensmittelkontrolle auf den Bund zu äußern, bat die Angelegenheit übungsgemäß den Verbandssektionen zur Prüfung vorgelegt und die erhaltenen Antworten in einem Gutachten vom 7. April 1894 kurz zusammen-

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gestellt. Diese zum Teil sehr eingehenden und interessanten Antworten werden im Gutachten in folgender Weise resümiert: ,,Aus der Znsammenstellung der Ansichtsäußerungen ist ersichtlich, daß mit einer einzigen Ausnahme (Finanz- und Handelsdirektion des Kantons Glarus) diejenigen Sektionen des schweizerischen Handelsund Indnstrievereins, welche auf die Anfrage des Vorortes geantwortet haben, entschieden für die Verleihung des Gesetzgebungsrechts über die Lebensmittelpolizei an den Bund einstehen. Wir glauben auch nicht fehl zu gehen in der Annahme, daß die andere Hälfte der Vereinsglieder mit ihrem Stillschweigen keineswegs eine ablehnende Haltung bekunden, sondern -- formell vielleicht nicht ganz korrekt -- lediglich abwarten wollte, bis ein seitens der zuständigen Behörde ausgearbeiteter Gesetzesentwurf ihr Gelegenheit böte, der Frage auf festerem Boden näher zu treten.

,,Auf alle Fälle wünscht der Verein in seiner überwiegenden Mehrheit grundsätzlich die baldige Eegelung der Lebensmittelpolizei in einer Weise, die für das ganze Land in den hauptsächlichsten Punkten einheitliche Vorschriften bringt.

,,Es soll hier von einer Erörterung darüber abgesehen werden, ob die vorliegende Frage nicht zu denen gehöre, die sich recht gut auf kantonalem Boden, ohne jede Einmischung des Bundes, zu allseitiger Zufriedenheit lösen lassen : wir sind durch die Betrachtung des gegenwärtigen Standes der bezüglichen kantonalen Gesetzgebungen davon überzeugt worden, daß sich die für die Gesamtheit des Volkes zu fordernde Übereinstimmung und Ergänzung der kantonalen Legislationen auch hier in absehbarer Zeit nicht dürfte erzielen lassen. Eine Anzahl von Kantonen hat dem Gebiete noch gar keine Aufmerksamkeit geschenkt; etliche behelfen sich mit departementalen Kreisschreiben ; wieder andere leiteten mit verschiedenem Aufwand von MUhe und auch mit ungleichem Erfolg aus den hierfür geeignetsten Landesgesetzen das Recht zum Erlaß von Verordnungen her, und eine allerdings erfreuliche Reihe schließlich, darunter die bedeutendsten Kantone, besitzt besondere Gesetze.

,,Allein in den vorhandenen staatlichen Willensäußerungen offenbart sich wiederum eine Mannigfaltigkeit der Anschauungen, der Gesetzesanwendungen und Strafen, die sich mit dieser Materie in einem an sich so eng begrenzten Verkehrsgebiete nicht verträgt, sich
weder vom Standpunkt des einzelnen Gesetzgebers auf die Dauer rechtfertigen, noch von dem des Handels und Wandels aus geduldig ertragen läßt. Deshalb ist es leicht erklärlich, daß der Verkehrtreibende einesteils keinen Anstand nimmt, die wohlthätigen Wirkungen der kantonalen Gesetze, soweit sie überhaupt bestehen, willig anzuerkennen, andernteils aber unverblümt zu erklären, es sei lebhaft

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zu begrüßen, wenn dieser Vielheit und Mangelhaftigkeit von Bundes wegen ein gründliches und schleuniges Ende bereitet werde.

,,Der Bund sucht das Gesetzgebungsrecht über das Lebensmittelwesen nicht, und daß ihn nicht die Absicht leitet, hier die Hoheitsrechte der Kantone zu schmälern, geht daraus hervor, daß er sich den mehrfachen Wünschen der obersten gesetzgebenden Behörden und der Meistinteressierten gegenüber bis jetzt ablehnend verhalten hat, und sich auch dermalen noch auf den ernstlich angefochtenen formellen Standpunkt stellt, das Gesetzgebungsrecht müsse ihm erst ausdrücklich zuerkannt werden.

,,Wenn irgend welche Aussicht bestände, daß sich sämtliche Kantone wegen der Aufstellung gewisser einheitlicher Grundsätze über die wichtigsten Punkte der Lebensmittelpolizei einigen könnten, wären wir unserseits einer solchen Ordnung der Angelegenheit keineswegs abgeneigt. Aber eben weil sich eine derartige Aussicht nicht eröffnet, dürfte die Zufluchtnahme zur Bundesgesetzgebung das einzig richtige Mittel zur Ausfüllung thatsächlicher Lücken in den kantonalen Gesetzgebungen und zugleich zur Herbeiführung eines schönen sanitären Fortschritts sein."

Betreffend das zu erlassende Gesetz selbst wird der Wunsch ausgesprochen, es möchte der Zweck desselben ,,nicht sowohl durch weitgehende Reglementiererei als durch ein den Erfolg versprechendes Zusammenarbeiten der eidgenössischen mit den wohl da und dort weniger befähigten oder weniger gut ausgerüsteten kantonalen und kommunalen Organen zu erreichen gesucht werden". ,,Dies wird einem Bundesgesetzesentwurfe von vornherein einen starken Anhang im Volke verschaffen. Und weil es gilt, auf kantonale und lokale Eigentümlichkeiten sorgsam Rücksicht zu nehmen, die bereits Amtenden in ihrer gewohnten Wirksamkeit nicht etwa über Maß zu beschränken oder -zu bevormunden, so möchte es gut sein, die von den Bundesorganen allein zu besorgende Grenzkontrolle innert demjenigen Rahmen zu halten, der dafür Gewähr leistet, daß Übergriffe und Verkehrshemmungen thunlichst ausgeschlossen bleiben. Das scheint uns im allgemeinen der Grundton unserer Sektionsantworten zu sein, welche die Notwendigkeit der Grenzaufsicht nicht in Abrede stellen, das Schwergewicht des Gesetzesvollzugs aber doch in das Innere des Landes verlegt und ihn hier aufs wirksamste gefördert wünschen,
wie durch Kostenlosigkeit oder doch wesentliche Verbilligung und vermehrte Zugänglichkeit der amtlichen Analysen u. dgl."

Wir glauben nicht unerwähnt lassen zu sollen, daß Herr Prof.

C. S t o o ß in seinem Buche, ^Grundzüge des schweizerischen Strafrechts", bei der Darstellung des Standes der kantonalen Lebensmittelgesetzgebung zu dem Resultate gekommen ist, es sei sowohl

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eine einheitliche Organisation der Lehensmittelpolizei durch den Bund, als der Erlaß einheitlicher Strafbestimmungen unerläßlich.

Den bisher angeführten Gründen, die an und für sich eine eidgenössische Regelung der Aufsicht über den Lebensmittelverkehr hinreichend motivieren, müssen wir noch einen weitern sehr wichtigen Grund beifügen, die immer dringender werdende Frage i n t e r nationaler Maßnahmen gegen das F ä l s c h e n von L e b e n s - und G e n u ß m i t t e l n , deren Lösung selbstverständlich eine einheitliche Organisation der Lebensmittelpolizei in den Vertragsstaaten zur Voraussetzung hat.

Schon im Jahre 1879 wurde von Prof. Dr. Finkelnburg auf dem internationalen medizinischen Kongreß in Amsterdam die Anbahnung internationaler Maßnahmen gegen dieses sociale Übel vorgeschlagen, und auf dem internationalen Kongreß in Genf im Jahre 1882 gelangte eine von Prof. Dr. Brouardel in Paris vorgeschlagene Resolution zur einstimmigen Annahme, welche folgendermaßen lautet: ,,In Betracht, daß die Verfälschung der Lebensrnittel, indem sie von den neuesten Entdeckungen der Chemie Nutzen zieht, einen wahrhaft wissenschaftlichen Weg eingeschlagen hat und die Unterstützung großer Kapitalien genießt; daß die gegen die Verfälschung getroffenen Maßregeln deren heutigem Stande nicht mehr entsprechen, sondern größtenteils illusorisch sind; daß die Interessen aller Nationen solcher Fälschung gegenüber als solidarisch angesehen werden müssen; daß der heutige Zustand der Gesetzgebung einer verfolgten Industrie dieser Art gestattet, in den Nachbarländern Schutz zu finden,

wird beschlossen : Es sei die Anbahnung einer internationalen Gesetzgebung gegen die Lebensmittelfälschung auf die Tagesordnung des nächsten Kongresses zu setzen.

Unterdessen möchten die Abgeordneten die Maßregeln studieren^ welche auf internationalem Wege gegen eine internationale Gefahr zu treffen seien."

Auf den folgenden hygieinischen Kongressen in Haag (1884) und Wien (1887) wurde die Frage des weitem behandelt. Man kam indessen zu der Überzeugung, daß die Aufstellung internationaler Bestimmungen gegen die Verfälschung der Lebensmittel z. Z. nicht in dem Bereich der Möglichkeit liege, indem die Lebensmittelpolizei

801 innerhalb der einzelnen Staaten noch viel zu ungleichartig und zu wenig einheitlich organisiert sei. Man begnügte sich deshalb für einstweilen mit der Ernennung eines internationalen Komitees, welches folgendes anzustreben hätte: a. Einführung einer regelmäßigen Lebensmittelkontrolle; 6. Errichtung möglichst einheitlich organisierter Untersuchungsanstalten ; c. Feststellung einheitlicher Methoden der Untersuchung und Beurteilung der Lebensmittel 5 d. Anbahnung einer internationalen Gesetzgebung auf dem Gebiete der Lebensmittel mit möglichst einheitlichen Ausführungsbestimmungen.

Im fernem wurde der Wunsch ausgesprochen, es möchte der Verkehr mit Nahrungs- und Genußmitteln in den verschiedenen Staaten soviel als thunlich nach einheitlichen gesetzlichen Bestimmungen geregelt und die verschiedenen lokalen Marktordnungen mit diesen Bestimmungen in Einklang gebracht werden. Schließlich betonte man, daß die gesetzlichen Bestimmungen nicht allein repressiver, sondern auch präventiver, d. h. polizeilicher Natur sein müssen, weshalb die Errichtung selbständiger Untersuchungsämter unbedingt notwendig sei.

Eine bei Anlaß der ,,internationalen Ausstellung für Nahrungsmittel und Hausbedarf vom hygieinischen Standpunkte" in Wien 1891 veranstaltete internationale Versammlung von Nahrungsmittel-Chemikern und -Mikroskopikern (12. und 13. Oktober 1891) sprach sich für internationale Vereinbarungen in Bezug auf die Unterdrückung der Fälschungen von Handelsartikeln aus und nahm in Anlehnung an die Postulate des Wiener hygieinischen Kongresses folgende Anträge an : ,,a. Es ist wünschenswert, daß in den verschiedenen Ländern für die Zusammensetzung von Lebensmitteln und Getränken Coden eingeführt werden, welche durch staatliche wissenschaftliche Kommissionen festgestellt werden sollen.

b. Aus diesen Coden könnten für diejenigen Stoffe, welche sich dazu eignen, für alle Länder gültige Bestimmungen (internationale Coden) festgestellt werden."

Dr. Hamel-Roos (Amsterdam) führt in seinem Motivenbericht zu diesen Anträgen aus, daß dieser Codex, welcher die Zusammensetzung der Handelsartikel im allgemeinen und der Nahrungsmittel im besondern anzugeben hätte, in jedem Lande als Grundlage für die Beurteilung von Verfälschungen dienen sollte. Die Regierungen würden sich gegenseitig über diese Coden und die Änderungen,

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welche darin vorzunehmen notwendig würden, auf dem laufenden erhalten. Um die Notwendigkeit dieser Maßregeln nachzuweisen, werden folgende Beispiele citiert: ,,Die Milch, welche in Holland als genügend betrachtet wird, wenn sie 11 Va °/o feste Bestandteile und 2 Va °/o Fette enthält, wird in den Vereinigten Staaten Nordamerikas als gefälscht betrachtet, wenn sie nicht wenigstens 12--13 °/o (je nach der Saison) feste Bestandteile und 3 % Fette enthält.*) ,,Der Wein, welcher mehr als 2 Gramm Kaliumsulfat per Liter enthält, wird in Frankreich **) als verfälscht betrachtet, während in andern Ländern Weine mit mehr als 2 Gramm nicht zurückgewiesen werden. Es könnten ferner auch noch citiert werden : die Butter in Bezug auf ihren Gehalt an Wasser, Kasein und Salz, die Chokolade in Bezug auf ihren Gehalt an Mehl, an anorganischen Salzen (Pottasche) und an Zucker, dann Pfeffer etc.; allein diese Beispiele dürften genügen, um darzuthun, daß ein ehrbarer Kaufmann, welcher die in seinem Lande als normal betrachteten Waren exportiert, sich der Gefahr der Konfiskation seiner Waren aussetzen und seine Ehre riskieren kann, wenn er in ein Land exportiert, wo die Ansichten der Chemiker andere sind als in dem seinigen.

,,Wenn ein Codex alimentarius, redigiert durch eine kompetente und von der Eegierung erwählte Kommission, in allen Ländern angenommen wäre, so würden diese von allen Gesichtspunkten aus bedauerlichen Thatsachen vollständig unmöglich sein, weil die Kaufleute sich zuerst überzeugen könnten, ob diese oder jene Ware in dem fraglichen Lande acceptiert wird oder nicht."

Der Gedanke einer internationalen Verständigung über die Anforderungen, welche an die wichtigsten Handelsprodukte vom Standpunkte der Lebensmittelkontrolle aus zu stellen sind, und über die anzuwendenden Untersuchungsmethoden ist in jüngster Zeit von der italienischen Regierung aufgegriffen worden. Dieselbe hat bereits die ersten Schritte zur Einberufung einer daherigen Konferenz von sachverständigen Delegierten der verschiedenen Staaten gethan.

III.

Nachdem wir zu der Überzeugung gelangt sind, daß der Erlaß eines eidgenössischen Lebensmittelgesetzes wünschenswert und notwendig ist, wird es sich empfehlen, in k u r z e n Z ü g e n den I n *) Diese Grenzzahlen beruhen zwar auf Verschiedenheiten der Rindviehrasse, der Fütterung und Haltung des Viehes etc.

**) In neuester Zeit auch in verschiedenen andern Ländern.

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h a l t eines s o l c h e n G e s e t z e s a n z u d e u t e n . Wir müssen dabei im Auge behalten, daß das Gesetz im wesentlichen einen doppelten Zweck hat. Es soll einerseits und in erster Linie den Konsumenten vor Gesundheitsschädigung und vor Ausbeutung bewahren, anderseits den reellen Produzenten (Landwirt und Fabrikant) und Handelsmann vor unredlicher Konkurrenz schützen.

Dieser doppelte Zweck wird nur erreicht durch Einführung einer allgemeinen und wirksamen, nach einheitlichen Grundsätzen organisierten B e a u f s i c h t i g u n g d e s L e b e n s m i t t e l v e r k e h r s , durch Aufstellung e i n h e i t l i c h e r N o r m e n sowohl hinsichtlich der Anforderungen, welche an den Gehalt oder die Qualität dieses oder jenes Nahrungs- und Genußmittels zu stellen sind, als auch in Bezug auf die technische Prüfung und Beurteilung der Untersuchungsobjekte, durch einheitliche Vorschriften über Herstellung, Behandlung, Aufbewahrung, Verpackung und Bezeichnung von Lebensmitteln, über allfällige Zusätze, über die Verwendung von Farben beir Herstellung von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen etc. und endlich durch einheitliche Strafbestimmungen.

Wenn das Gesetz auch hauptsächlich eine wirksame Kontrolle der wichtigsten und unentbehrlichsten L e b e n s m i t t e l des Volkes im Auge haben soll, so darf es sich doch nicht hierauf beschränken, sondern es muß, analog den meisten in- und ausländischen Lebensmittelgesetzen, sämtliche Nahrungs- und Genußmittel und aus sanitarischen und praktischen Grlinden auch diejenigen G e b r a u c h s g e g e n s t ä n d e (wie Spielwaren, Tapeten, Kleider, Eß-, Trink-und Kochgeschirre, Bierpressionen, Apparate zur Herstellung von Lebensmitteln etc.) und V e r b r a u c h s a r t i k e l (z.B. Petroleum), welche die menschliche Gesundheit gefährden oder schädigen können, in den Bereich seiner Wirkung ziehen und der angedeuteten Aufsicht unterstellen.

Was nun die Handhabung dieser Aufsicht anbetrifft, so ist dabei zu unterscheiden zwischen der K o n t r o l l e im I n n e r n d e r S c h w e i z , in den Kantonen, und der von den verschiedensten Seiten dringend verlangten G r e n z k o n t r o l l e . Auf letztere werden wir weiter unten zu sprechen kommen. Das Hauptgewicht ist jedenfalls -- aus naheliegenden Grlinden -- auf die Kontrolle im Innern zu
legen und diese fällt den Kantonen zu.

Die O r g a n i s a t i o n der k a n t o n a l e n A u f s i c h t muß aber, wie schon gesagt, überall eine gleichartige, nach einheitlichen Grundsätzen geschaffene sein. Man wird sich dabei die Erfahrungen zu nutze machen, welche in verschiedenen Kantonen während der letzten 15--20 Jahre gemacht worden sind, und diejenigen Einrichtungen, die sich als praktisch bewährt haben, beibehalten und in zweckmäßiger Weise ergänzen.

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Als solche bewährte Institutionen sind anzusehen : Das kantonale Untersuchungsamt (kantonales Laboratorium) und die Ortsgesundheitskommissionen in Verbindung mit der Fleischschau, welchen als notwendige Ergänzung das einstweilen nur im Kanton Bern bestehende Zwischenglied der ständigen Lebensmittelexperten (Kreisinspektoren) beizufügen ist.

Damit nun diese A u f s i c h t s o r g a n e eine wirksame Kontrolle auszuüben im stände sind, muß ihnen das Gesetz das Recht einräumen, in die Lokalitäten, worin die ihrer Aufsicht unterstellten Gegenstände gewonnen, hergestellt, aufbewahrt oder feilgeboten werden, einzutreten und dort Nachschau zu halten. Ferner müssen sie befugt sein, von den in diesen Räumlichkeiten vorgefundenen Waren nach ihrer Wahl Proben gegen Empfangsbescheinigung zu entnehmen, ebenso von solchen, welche auf dem Markte oder sonstwie feilgeboten oder verkauft werden. -- Sobald der Verdacht vorhanden ist, daß eine Ware gesetzwidrig beschaffen sei, so ist dieselbe durch Beschlagnahme dem Verkehr zu entziehen, bis die sofort veranlaßte Untersuchung einer Probe im kantonalen Laboratorium die Grundlosigkeit des Verdachts dargethan hat. Bestätigt sich aber der Verdacht, so bleibt die Sequestration aufrecht, bis der Kichter gesprochen hat. -- Auf diese Weise wird das konsumierende Publikum vor dem Ankauf gesundheitsschädlicher, verdorbener oder gefälschter Lebensmittel nach Möglichkeit geschützt.

Damit nun aber der L e b en s m i t t e l v e r k a u f er nicht unrechtmäßig geschädigt werde, soll er im Falle einer ungerechtfertigten Beschlagnahme Anspruch auf eine angemessene Entschädigung haben, sowie auf Vergütung des Wertes derjenigen von den Aufsichtsbehörden gefaßten Proben, deren Untersuchung zu keiner Beanstandung, bezw. zu keiner Bestrafung geführt hat. Auch ist ihm bei jeder Probeentnahme auf sein Verlangen ein amtlich versiegeltes Muster zurückzulassen.

Das k a n t o n a l e U n t e r s u c h u n g s a m t bildet in jedem Kanton die Centralstelle für die technische Untersuchung von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen. Die Einrichtungen müssen gewissen vom Bunde aufzustellenden Minimalanforderungen gentigen, wogegen die Gewährung von Bundesbeiträgen an die Erstellungskosten solcher Anstalten und unter Umständen auch an die Betriebskosten in Frage kommen kann. Kleineren Kantonen
ist die Gründung einer gemeinschaftlichen Untersuchungsanstalt oder der Anschluß an diejenige eines Nachbarkantons gestattet; größere Ortschaften können auch eigene Anstalten unterhalten. Im Ferneren wird der Bund, wenn das Bedürfnis sich einstellt, namentlich mit Rücksicht auf die Grenzkontrolle, ein. oder mehrere Untersuchungslaboratorien errichten.

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Als Vorstand eines Untersuchungsamtes ist nur ein diplomierter Lebensmittelchemiker wählbar. Es wird Sache des Bundes sein, dafür zu sorgen, daß derartige für die ganze Schweiz gültige Diplome erworben werden können.

Auch die K r e i s i n s p e k t o r e n müssen eine bestimmte Summe theoretischer und praktischer Kenntnisse besitzen. Die kantonalen Laboratorien haben die diesfalls nötigen Instruktions- und eventuell auch Wiederholungskurse abzuhalten. Auch den Mitgliedern der Ortsgesundheitsbehörden soll daselbst Gelegenheit gegeben werden, die filidie Erfüllung ihrer Aufgabe notwendigen Kenntnisse sich anzueignen.

In der Regel soll jede Gemeinde ihre eigene G e s u n d h e i t s behörde haben, welche namentlich auch in Zeiten von Seuchengefahr eine wichtige und hochverantwortliche Aufgabe zu erfüllen hat (vgl.

Art. 2 des Epidemiengesetzes); doch können, namentlich wenn es sich um kleinere Gemeinden handelt, mehrere eine gemeinschaftliche Gesundheitskommission bestellen.

Die örtliche Gesundheitsbehörde kann einzelne Mitglieder mit besondern Funktionen betrauen (Inspektoren, Experten); für die Fleischschau ist stets ein specieller Beamter zu wählen, der womöglich ein patentierter Tierarzt sein soll (vergi. Art. 80 der Vollziehungsverordnung vom 14. Oktober 1887 zu den Bundesgesetzen über polizeiliche Maßnahmen gegen Viehseuchen) oder doch zum Fleischschauer ausgebildet worden ist.

Alle weitern die Lebensmittelkontrolle betreffenden Vorschriften sollen, weil häufigen Abänderungen unterworfen, nicht in das Gesetz aufgenommen werden, sondern Gegenstand besonderer vom Bundesrat zu erlassender Verordnungen sein.

Was nun die K o n t r o l l e an der L a n d e s g r e n z e anbetriift, so kann dieselbe eine sehr wertvolle Ergänzung der Aufsicht im Lande selbst darstellen. Wir besitzen bereits eine gesundheitspolizeiliche Grenzkontrolle filr Schlachtvieh, Fleisch und filr Alkohol.

Eine Ausdehnung derselben auf andere Artikel, welche notorisch sehr oft in gefälschtem Zustande (Butter, Speisefette, Öle, Weine etc.)

oder in schlechter, unzulässiger Qualität (z. B. nicht genügend raffiniertes und deshalb feuergefährliches Petrol etc.) eingeführt werden, ist gewiß in hohem Grade wünschbar. Wie weit sich aber diese Kontrolle durchführen läßt, ohne für den Handel und Verkehr vexatorisch zu werden, darüber
muß die Erfahrung entscheiden.

Jedenfalls muß das Gesetz der Bundesbehörde die Kompetenz einräumen, eine Lebensmittelkontrolle an der Grenze einzurichten, soweit das öffentliche Interesse eine solche erfordert und dieselbe durchführbar ist.

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Wir stellen uns vor, diese Kontrolle an der Grenze könnte etwa in folgender Weise organisiert werden. Besondere Experten oder auch Zollbeamte, welche sich die hierzu nötigen Kenntnisse in speciell zu diesem Zwecke einzurichtenden Kursen erworben haben, unterwerfen diejenigen zur Einfuhr gelangenden Lebensrnittel, Gebrauchsgegenstände oder Verbrauchsartikel, deren Kontrolle aus Gründen der öifentlichen Gesundheit oder der Volkswohlfahrt geboten erscheint, einer vorläufigen Untersuchung (Inspektion, Prüfung durch den Geruchs- und Geschmackssinn und eventuell durch ganz einfache chemische oder physikalische Methoden), welche gleichzeitig mit der zollamtlichen Behandlung vorgenommen wird und in keiner Weise zu Verzögerungen in der Spedition der Waren Anlaß giebt. Von denjenigen Warensendungen, welche bei der Zollbehörde den Verdacht erwecken, gesetzwidrig beschaffen zu sein, werden eine oder zwei Proben gefaßt und dieselben auf kürzestem Wege dem Untersuchungsamt des Bestimmungskantons oder einem eidgenössischen Untersuchungsamt Übermittelt, unter Angabe der Größe und Art der Sendung und der Adresse des Empfangers. Das Untersuchungsamt giebt nach der ohne Verzug vorgenommenen Prüfung einerseits der Zollbehörde von dem Resultat Kenntnis, damit allfällige Zolldefraudationen aufgedeckt und bestraft werden, und veranlaßt anderseits die weitern notwendigen sanitätspolizeilichen Maßnahmen in Bezug auf die beanstandete Sendung, die unterdessen an ihren Bestimmungsort weiterspediert worden ist.

Einen sehr wichtigen Teil des zu erlassenden Gesetzes werden die S t r a f b e s t i m m u n g e n bilden. Da zur Zeit ein eidgenössisches Strafgesetz noch nicht besteht und die Rechtsprechung den kantonalen Gerichten tiberlassen bleibt, welche in ihren strafrechtlichen Grundsätzen wesentliche Verschiedenheiten aufweisen, so muß dieser Abschnitt so abgefaßt werden, daß eine möglichst gleichmäßige Anwendung der Strafvorschriften in den einzelnen Kantonen erzielt wird.

In weitere Einzelheiten einzutreten, wäre verfrüht.

IV.

Was nun schließlich die Frage anbelangt, ob der Bund die Kompetenz zum Erlaß eines Gesetzes Über den Verk e h r m i t L e b e n s m i t t e l n und g e w i s s e n G e b r a u c h s g e g e n s t ä n d e n besitzt oder nicht, so sind wir noch auf dem gleichen Standpunkt wie bei der Beantwortung des Postulats vom 30. Juni 1882. Wir können diese Kompetenz weder aus dem Art. 69, noch aus dem Art. 64, noch endlich aus dem Art. 31, litt, e, der Bundesverfassung herleiten und kommen daher zu dem Schluß, es mllsse dieselbe im Wege der Revision der letztern erst noch geschaffen werden.

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Wir haben auch den Gedanken erwogen, ob es nicht zweckmäßiger wäre, die Bundeskompetenz für den Erlaß eines Lebensmittelgesetzes gleichzeitig mit derjenigen für ein einheitliches Strafgesetz anzustreben, sind aber zu dem Resultat gekommen, daß es besser sei, die beiden Fragen für sich allein zu behandeln. Nach unserm Dafürhalten wird auch n e b e n einem Bundesstrafgesetz ein Specialgesetz über die Lebensmittelpolizei ausgearbeitet werden müssen. Es ist deshalb nicht ersichtlich, welchen Vorteil das Abwarten eines eidgenössischen Strafgesetzes in technischer Hinsicht dem Lebensmittelpolizeigesetze bringen könnte. Dagegen ist ganz sicher, daß das Abwarten des Strafgesetzes den Zeitpunkt des Inkrafttretens eines Lebensmittelgesetzes, dessen Dringlichkeit anerkannt ist, ungebührlich weit hinausschieben wiirde.

Was nun die Fassung der konstitutionellen Bestimmung anbetrifft, so haben wir schon weiter oben die Notwendigkeit erörtert, die dem Bunde zu erteilende Kompetenz der Gesetzgebung nicht nur auf Nahrungs- und Genußmittel zu beschränken, sondern auch auf diejenigen Gebrauchsgegenstände und Yerbrauchsartikel des täglichen Lebens auszudehnen, welche die Gesundheit oder das Leben des Menschen gefährden können.

Man kann darüber im Zweifel sein, ob der vorgeschlagene neue Verfassungsartikel seinem Inhalte nach eher dem Art. 34 oder dem Art. 69 anzureihen sei; wir halten indessen das letztere für richtiger, weil die z. Z. bestehenden Vorschriften betreffend die Überwachung des Verkehrs mit Schlachtvieh und mit Fleisch, und betreffend die Lebensmittelkontrolle bei drohenden Epidemien sich auf den Art. 69 stützen.

Wir beehren uns, gestützt auf vorstehende Auseinandersetzungen, Ihnen die Annahme des beiliegenden Entwurfes eines Bundesbeschlusses zu empfehlen, und benutzen den Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 8. März 1895.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

808 (Entwurf.)

Bundesbeschluß Betreffend

Bundesgesetzgebung Über den Verkehr mit Nahrungsund Genußmitteln und mit solchen Gebrauchsund Verbrauchsgegenständen, welche das Leben oder die Gesundheit gefährden können.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft,' nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 8. März 1895, beschließt: I. Die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 erhält folgenden Zusatz : ,,Art. 69V».

,,Dem Bunde steht die Gesetzgebung zu: a. über den Verkehr mit Nahrungs- und Genußmitteln; b. über den Verkehr mit solchen Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen , welche das Leben oder die Gesundheit gefährden können.a II. Dieser Zusatz ist der Abstimmung des Volkes und der Stände zu unterbreiten.

III. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Bundesgesetzgebung über den Verkehr mit Nahrungs- und Genußmitteln und mit solchen Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen, welche das Leben und die Gesundheit gefährden können. (Vom 8. Mär...

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13.03.1895

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