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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Organisation des Landsturms.

(Vom 7.Juni 1912.)

Tit.

1. Die Militärorganisation vom 12. April 1907 unterscheidet nicht mehr zwischen bewaffnetem und unbewaffnetem Landsturm.

Der unbewaffnete Landsturm ist ersetzt durch die Hülfsdienste, der Ausdruck Landsturm umfasst nur noch den frühern bewaffneten Landsturm (vgl. Art. 35 und 20 der Militärorganisation).

Der neue Landsturm besteht aus Wehrmännern, welche zum mindesten die Rekrutenschule ihrer Truppengattung, zum grossen Teil aber auch die vorgeschriebenen Wiederholungskurse bestanden haben. Er weist also, abgesehen von Freiwilligen, nur noch Kader und Mannschaften auf, die eine militärische Ausbildung erhalten haben. Das unterscheidet ihn sehr zu seinen Gunsten vom frühern bewaffneten Landsturm. Es gestattet auch, ihn in viel mehr Dingen, als früher möglich war, gleich zu behandeln wie die beiden ändern Heeresklassen.

2. Der L a n d s t u r m - I n f a n t e r i e werden;im Kriegsfalle im wesentlichen folgende A u f g a b e n zufallen: Vor allem soll sie der Feldarmee bei einem Aufgebot zum Teil die erste Beobachtung und Bewachung der Grenze abnehmen und sie so in den Stand setzen, ihre Mobilmachung ohne vor-

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zeitige grössere Entsendungen ruhig und geordnet durchzuführen.

Zu diesem Zwecke muss der Landsturm der Grenzgebiete entsprechend organisiert und verwendet werden.

Eine zweite wichtige Aufgabe wird die Beobachtung und Sicherung der Verkehrslinien: Eisenbahnen, Strassen, Telegraph und Telephon bilden, soweit solche für die Armee von Bedeutung sind.

Es kommt hinzu die Verwendung bei der Mobilmachung, sowie im Etappen- und Territorialdienst, welche zum einen Teil auch wieder in Bewachungsdienst besteht, zum ändern mannigfache besondere Dienstleistungen betrifft. Ausserdem kann der Landsturm gemäss Art. 37 der Militärorganisation zum Ersatz der Landwehr herangezogen werden.

Die Landsturminfanterie findet ihre Verwendung somit hauptsächlich im Bewachungs- und Sicherungsdienst verschiedener Art.

Gerade hinsichtlich dieser Bewachungsaufgaben wird es in zahlreichen Fällen möglich und sehr zweckmässig sein, den Einheiten schon im Frieden bestimmte, begrenzte Aufgaben zuzuweisen, auf deren Lösung im Krieg sie sich vorbereiten können. Namentlich die Verhältnisse im Gebirge werden häufig einem derartigen Vorgehen günstig sein, es andererseits aber auch unbedingt verlangen. Durch solche Spezialisierung der den einzelnen Einheiten zufallenden Aufgaben können auch die dem Landsturm naturgemäss anhaftenden Mängel ausgeglichen werden.

Für die S p e z i a l t r u p p e n des L a n d s t u r m s ergeben sich folgende Verwendungen : Die Kavallerie- und die Traindetachemente werden bei der Mobilmachung den Pferdeeinschatzungsplätzen zugeteilt. Erstere gehen dann an die Pferdedepots ab, wo diese Mannschaft mit ihrem tüchtigen Kader gute Dienste leisten wird; die Trainmannschaft wird zum Teil ebenfalls den Pferdedepots zugewiesen, ausserdem wird sie zur Bildung von Trainkolonnen und zu Transportleistungen aller Art verwendet; die Kanoniermannschaft findet Verwendung als Hülfsmannschaft in Munitionsmagazinen und bei Munitionstransporten, sowie als Bewachungstruppe etc.; die Genietruppen werden bei Befestigungsarbeiten und im Dienste des Verkehrswesens betätigt; die Sanitätsmannschaft wird bei den Etappensanitätsanstalten und zur Verstärkung der Sanitätskolonnen und Sanitätszüge verwendet :

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die Verpflegungstruppen werden den Anstalten des Verpflegungsdienstes bei der Mobilmachung und später zugeteilt.

3. Über die O r g a n i s a t i o n des L a n d s t u r m s enthält die Militärorganisation nur einige wenige grundlegende Bestimmungen in den Art. 35--37, 100, 123 und 153. Im Bundesbeschluss über die Truppenordnung vom 6. April 1911 sodann ist in Art. 2 folgendes festgesetzt: ,,Die Kantone stellen die Bataillone, Kompagnien und die ,,Detachemente des Landsturmes.

,,Kantonal gemischte Bataillone und Kompagnien sind nur ,,ausnahmsweise zu bilden.

,,Die Grundzüge der Organisation und die Zahl der von den ^Kantonen zu stellenden Bataillone, Kompagnien und Detache,,mente des Landsturms werden durch besondern Beschluss der ,,Bundesversammlung bestimmt.a 4. Die Festsetzung der Zahl der Einheiten hat beim Landsturm bei weitem nicht die Bedeutung wie beim Auszug, dessen Bestände für das Aushebungserfordernis massgebend sind. Im Landsturm handelt es sich nur mehr darum, die in dieser Heeresklasse noch vorhandene Mannschaft zu organisieren.

Auch hinsichtlich der Organisation können durch Beschluss der Bundesversammlung nur die allgemeinen Grundzüge aufgestellt werden. Es muss die Möglichkeit gegeben sein, sich überall den örtlichen Verhältnissen und der für jede Einheit vorgesehenen Verwendung anzupassen. Möglichste Elastizität der zu erlassenden Bestimmungen ist um so notwendiger, als über die zweckmässigste Gliederung der Einheiten erst die nach Art. 123 der Militärorganisation anzuordnenden Übungen genauen Aufschluss geben werden..

Diesen Forderungen dürften die Art. l und 2' des beiliegenden Entwurfes zu einem Beschlüsse der Bundesversammlung entsprechen.

Die Tabelle über die V e r t e i l u n g der B a t a i l l o n e , K o m p a g n i e n und S e k t i o n e n auf die Kantone (Art. 3 des Entwurfes) wurde durch die Generalstabsabteilung im Benehmen mit den Kantonen aufgestellt Die Rücksichtnahme auf die Verwendung der Truppe, auf die topographischen und Verkehrsverhältnisse der verschiedenen Landesteile, sowie die Kontrollführung hatte zur Folge, dass die Bataillone und ihre Kompagnien von ziemlich verschiedener

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Stärke sind. Das konnte jedoch nicht vermieden werden und hat übrigens keine wesentlichen Nachteile im Gefolge. Ebenso haben auch die Kompagnien der Spezialwaffen eine ungleiche Stärke, wie es eben der verschiedene Mannschaftsbestand in den einzelnen Kantonen mit sich bringt.

Da wo nur Detachemente gebildet werden konnten, sind die' Bestände zum Teil so klein, dass einzelne derselben möglicherweise zeitweilig ganz eingehen. Aus diesem Grunde haben wir davon abgesehen, die Detachemente in der Tabelle aufzunehmen.

Wir bemerken noch, dass wir zur Gewinnung der notwendigen Grundlagen für die Aufstellung der Tabelle und die dafür notwendigen Verhandlungen mit den Kantonen auf 15. März1912 eine Verordnung betreffend den Landsturm provisorisch in Kraft gesetzt haben. Aus derselben ergibt sich, wie die nähere.

Ausgestaltung der dritten Heeresklasse gedacht ist. Abgesehen.

von den Unterschieden organisatorischer Natur, die sich ohne weiteres aus oben berührten Verhältnissen ergeben, wird der Landsturm den beiden ändern Heeresklassen : Auszug und Landwehr, tunlichst gleichgestellt.

5. Was die Ausrüstung mit K o r p s m a t e r i a l anbelangt, so wird auch diese durch die Verwendung der einzelnen Truppe bedingt. So werden die für den Platzwachtdienst und für den Eisenbahnschutz bestimmten Einheiten davon nur wenig bedürfen, während andere, denen ein etwas beweglicherer Dienst zufällt, besser ausgerüstet sein müssen und die zum Grenzwachtdienst im Gebirge bestimmten Detachemente mit der besondern Gebirgsausrüstung zu versehen sind. Eine einheitliche Regelung der Korpsausrüstung würde der Sache daher wenig dienlich sein.

Es wird den verschiedenartigen und wechselnden Bedürfnissen, am besten entsprechen, wenn die Korpsausrüstung für den Landsturm, soweit diese nicht aus den vorhandenen Beständen bestritten werden kann, mit der Zeit auf dem Budgetwege beschafft wird.

Auf Grundlage des Beschlusses der Räte und auf Grundlage der bereits erfolgten Vorarbeiten wird die Organisation des Landsturms durch Genehmigung der Vorlage alsbald vollständig durchgeführt werden können, wonach es dann möglich sein wird,, seine Vorbereitung für die ihm zugedachten Aufgaben, insbesondere

7091 die Grenzbewachung und den Eisenbahnschutz, an die Hand zu nehmen. Dass dieses noch im Laufe des Jahres geschehe, ist dringend geboten.

Indem wir Ihnen, Tit., den nachfolgenden Beschlussesentwurf zur Genehmigung empfehlen, benützen wir den Anlass, Sie unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 7. Juni

1912.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schutzmann.

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(.Entwurf.)

Beschluss betreffend

die Organisation des Landsturms.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 7. Juni 1912, gestützt auf Art. 52 der Militärorganisation vom 12. April 1907 und in Ausführung von Art. 2 des Bundesbeschlusses vom 6. April 1911 betreffend die Organisation des Heeres beschliesst: Art. 1. Es werden bei der Landsturminfanterie in der Regel ganze Kompagnien und Bataillone gebildet ; doch können, wo örtliche Verhältnisse und besondere Aufgaben es zweckmässig erscheinen lassen, auch Detachemente mit besonderer Organisation gebildet werden.

Die Infanteriekompagnie des Landsturms soll in der Regel nicht über 180 Mann Kontrollstärke zählen.

Das Bataillon wird aus 2--6 Kompagnien zusammengesetzt.

Art. 2. Bei der Kavallerie, der Artillerie, dem Genie und dem Train werden Kompagnien von zirka 100 Mann Kontrollstärke gebildet. Bei kleinerem Mannschaftsbestande wird in jedem Kanton ein Détachement der betreffenden Truppengattung aufgestellt.

Bei der Sanität werden in analoger Weise Sektionen von 40--60 Mann Kontrollbestand, im übrigen ebenfalls Detachemente gebildet.

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Bei den Verpflegungstruppen werden nur Detachemente aufgestellt.

Art. 3. Die Kantone stellen im Landsturm die in nachfolgender Tabelle verzeichneten Infanteriebataillone und Kompagnien oder Sektionen der Spezialwaflen.

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Art. 4. Das Korpsmaterial der Landsturmtruppen soll soweit möglich aus den entbehrlieh werdenden Beständen des Auszuges und der Landwehr beschafft werden. Vorbehalten bleibt die Ergänzung auf dem Wege der Budgetkredite.

Art. 5. Der Bundesrat erlässt im Rahmen vorstehender Grundsätze die weitern Vorschriften über die Organisation des Landsturms.

Art. 6.

Dieser Beschluss tritt sofort in Kraft.

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12.06.1912

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