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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Ersatz von Geschützen der beweglichen Festungsartillerie.

(Vom 6. Februar 1912.)

Tit.

Der Beschluss betreffend die Organisation des Heeres (Truppenordnung) vom 6. April 1911 bestimmt in Art. 3, Absatz 2 : ,,Die Sollbestände der Festungstruppen werden vom Bundesrate festgesetzt:" Das hat seinen Grund einmal darin, dass diese Bestände mit dem Ausbau der Festungswerke wechseln, dann aber und hauptsächlich in dem Umstände, dass darüber aus nahe liegenden Gründen nicht alles veröffentlicht werden soll. Dementsprechend enthält denn auch die neue Truppenordnung keine Bestimmungen über Bestand und Organisation der sogenannten Festungstruppen.

Nur die Tabellen 8. 58 und 59 ordnen den Bestand der Trainkompagnien für Festungsbesatzungen und der Train-Abteilung der Gotthar db esatzu ng.

Schon frühzeitig hatte man erkannt, dass den Befestigungen des St. Gotthard und von St. Maurice ausser der eigentlichen Festungsartillerie, d. h. neben den zur Armierung der permanenten "Werke bestimmten Geschützen, noch mobile Artillerie zugewiesen werden müsse. Dies war in der Weise geschehen, dass der Bundesrat der Sicherheitsbesatzung des St. Gotthard eine ganze, derjenigen von St. Maurice eine halbe Abteilung Positionsartillerie zuwies (vgl. die Beschlüsse des Bundesrates vom 1. März 1892 und vom 13. Juli 1894, ersterer den Gotthard, letzterer St. Maurice betreffend, sodann den Bundesratsbeschluss betreffend die Festungstruppen und Sicherheitsbesatzungen der Befestigungen am St. Gotthard und bei St. Maurice vom 26. November 1897). Die Militär-

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organisation vom 12. April 1907 hat an dem Bestände der Positionsabteilungen nichts geändert ; neu ist einzig der Name, indem die Positionsartillerie von nun an Fussartillerie genannt wurde.

Den Festungen war, nachdem die Feldartillerie mit dem neuen 7,5 cm Schnellfeuergeschütz ausgerüstet worden, ausser den angeführten Positionsabteilungen noch ein Teil der dadurch frei gewordenen 8,4 cm Feldgeschütze zugewiesen worden.

Wie wir auf Seite 33 ff. der Botschaft. zur Truppenordnung näher ausführten, war die Zuteilung von l Va Fussartillerie-Abteilungen an die Festungen ursprünglich als eine einfache Überweisung an diese gedacht, mit dem Vorbehalte, diese Geschütze je nach Bedarf auch wieder zur Feldarmee heranzuziehen. Die besondere Art der Verwendung dieser Geschütze in den Festungen und die Notwendigkeit, die Mannschaft dafür jeweilen in Rekrutenund Kaderschulen und in den Wiederholungskursen in den Festungen selbst auszubilden, führten aber allmählich und mit Notwendigkeit zu einer vollständigen Einverleibung dieser sogenannten Fussartillerie in die Artillerie der Festungen. Es hatte daher keinen Zweck mehr, die Fiktion einer einfachen Detachierung von Fussartillerie an die Festungen aufrecht zu erhalten und es ergab sich daraus deren Zuweisung zur eigentlichen Festungsartillerie. Als durchaus selbstverständlich galt jeder Zeit, dass den Festungen auch in Zukunft mobile Artillerie zugeteilt werden muss, welche je nach der Lage verwendet werden kann und welche auch imstande ist, den Besatzungstruppen zu folgen und ihre Bewegungen unmittelbar zu unterstützen.

Die Truppenordnung löste mit Bezug auf die Feldarmee die Fragen, welche die bisherigen Fussartillerietruppen betrafen in dem Sinne, dass daraus drei Fussartillerie-Abteilungen zu drei Fussbatterien für 12 cm Kanonen und sechs Haubitz-Abteilungen zu zwei Haubitzbatterien (Haubitzen an Stelle der bisherigen Mörser) gebildet werden sollen ; diese Haubitz-Abteilungen sind den Divisionen zugeteilt. Die bisherigen 8,4 cm Geschütze kommen ganz in Wegfall. Dagegen verfügte die Truppenordnung nicht über die bisher den Festungen zugeteilten l'/a Abteilungen Fussartillerie. Hierüber die erforderlichen organisatorischen Bestimmungen zu erlassen, ist wie gesagt, nach Art. 3, Absatz 2, des Beschlusses Sache des Bundesrates.

Immerhin gab schon unsere
Botschaft vom 3. Juni 1910 dem Gedanken Ausdruck, dass die veralteten Mörser auch in den Festungen durch Haubitzen ersetzt werden müssen und dass die 8,4 cm Geschütze der in Festungsartillerie zu verwandelnden Bundesblatt. 64. Jahrg. Bd. I.

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Fussartillerie durch 7,5 cm Feldgeschütze zu ersetzen seien. Es ist in der Tat klar und in der erwähnten Botschaft zur Genüge dargetan, dass dieses gänzlich veraltete und minder wertig gewordene Material sobald als möglich auch in den Festungen durch solches ersetzt werden muss, das dem heutigen Stande der Technik entspricht. Von der Ersetzung der 12 cm Kanonen soll dagegen, ebenfalls in Übereinstimmung mit unserer Botschaft zur TruppenOrdnung, vorläufig noch Umgang genommen werden, obschon dieses langsam feuernde Geschütz in nicht allzu ferner Zeit ebenfalls einem erheblich weiter tragenden und schneller feuernden Geschütze wird weichen müssen.

Die Befestigungskommission und die übrigen Organe unserer Militärverwaltung berechnen den Bedarf an Geschützen, die als Ersatz für die bisherigen Mörser und 8,4 cm Kanonen der beweglichen Festungsartillerie zu dienen haben, zu zwanzig 12 cm Haubitzen und zweiundzwanzig 7,s cm Schnellfeuer-Feldkanonen mit der erforderlichen Munition. Dazu sechs 12 cm Haubitzen und acht 7,5 cm Feldgeschütze als Schulmaterial.

Diese Berechnung wird als Grundlage dienen für die Organisation der beweglichen Festungsartillerie. Nach ihr müssen die Bestände an Mannschaften und Kaders festgestellt werden. Wir gestatten uns hierüber noch folgende Erörterungen: 1. Es war von vorneherein klar, dass als Ersatz der zurzeit am G-otthard und in St. Maurice in Gebrauch stehenden 12 cm Mörser nur eine moderne H a u b i t z e i n Betracht fallen konnte.

Fraglich schien nur, ob man dafür dasselbe Kaliber wählen solle wie für die Feldhaubitze oder ob nicht ein kleineres Kaliber, etwa von 10,5 cm, den Vorzug verdiene.

Nach wiederholter eingehender Diskussion entschied sich die Befestigungskommission für das Kaliber von 12 cm. Den Ausschlag gaben bei dem Entscheide vornehmlich die Erwägungen, dass in Hinsicht auf Gewicht und Beweglichkeit dem in Vergleich gezogenen Kaliber von 10,5 cm ein wesentlicher Vorzug nicht zukomme, ferner, dass erst das 12 cm G-eschoss die zu fordernde Wirkung gegen feldmässige Deckungen besitze, und ganz besonders, dass die Übereinstimmung mit Material und Munition der Feldarmee von ganz überwiegender Bedeutung sei für die Instruktion, die gegenseitige Aushülfe und den Munitionsersatz. Diesen Gründen gegenüber konnte die etwas grössere Beweglichkeit des 10,5 cm
Materials nicht ausschlaggebend sein, und auch die Möglichkeit, dass bei einem spätem Ersatz der 12 cm Kanonen die Kaliberfrage neuerdings wird untersucht werden müssen, fällt nicht in Betracht,

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weil für die beiden Geschützarten -- Haubitze und Kanone -- auch bei gleichem Kaliber doch nicht die gleiche Munition verwendet werden kann. Bezüglich des Vergleichs mit andern in Betracht gezogenen Geschützarten müssen wir auf die Akten verweisen; ebenso betreffend die Art der Verwendung dieser Geschütze und den danach zu erteilenden Unterricht. Nur so viel sei hier beigefügt, dass auch die feldmässigen Richtmittel dieser Geschütze ganz die gleichen sein werden wie hei den Feldhaubitzen.

Was die Zahl der Geschütze dieser Art anbelangt, so muaste bei deren Bestimmung sowohl die Ausrüstung unserer Festungen mit Steilfeuergeschützen überhaupt, also mit Inbegriff der eingebauten, immobilen Haubitzen, als die Anzahl der Punkte, an denen die mobilen Geschütze Verwendung finden sollen, in Betracht gezogen werden. Wir erachten die von der Befestigungskommission in Vorschlag gebrachten Bestände als den Verhältnissen angemessen und halten dafür, dass nicht unter diese Zahlen gegangen werden darf.

Dass auch eine Anzahl Schulgeschütze vorgesehen werden, erscheint durchaus gerechtfertigt. Denn nur so kann das wertvolle Korpsmaterial geschont und in kriegstüchtigem Zustande erhalten werden.

2. Das 8,4 cm Geschütz ist kein Schnellfeuergeschütz und hat auch nicht die Tragweite moderner Feldgeschütze. Man war darüber längst im klaren, dass diese Geschütze auch in den Festungen sobald als möglich ersetzt werden müssen. Seit Einführung der 7,s cm Rohrrücklaufgeschütze bei der Feldartillerie ist denn auch keine neue 8,4 cm Munition mehr angefertigt worden.

Man sammelte die vorhandenen Bestände und verwendete sie in den Schulen und Kursen der Festungstruppen.

Es kann mit Bezug auf diese Artilleriegattung für die Festungen nur von einem Geschütz die Rede sein, das hinsichtlich Kaliber, Munition und Richtmittel mit dem der Feldartillerie vollständig übereinstimmt, also ein 7,s cm Rohrrücklaufgesehütz mit Schutzschild. Von dem Geschütze der Feldarmee wird es sich nur durch den Bau der Lafette unterscheiden, die zerlegbar sein muss, um den Transport als Traglast zu ermöglichen. In St. Maurice haben seit Jahren Übungen im Transporte demontierter 8,4 cm Geschütze durch die Mannschaft anstandslos und mit bestem Erfolge stattgefunden. Bei dem Versuche, für den im Kriegsmaterialbudget pro 1912 Fr. 4000 bestimmt sind, handelt es sich nur noch darum, die letzten Einzelheiten der Lafettenkonstruktion festzustellen; auf die Kosten der Anschaffung

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der Geschütze kann ihr Ergebnis von keinem irgendwie merklichen Einfluss sein. Wir gehen also mit dem Antrage der Befestigungskommission durchaus einig, für die Festungen das Geschütz samt Protze, Richtmitteln und Reservebestandteilen nach dem für unsere Feldartillerie geltenden Modelle zu beschaffen, mit dem einzigen Unterschied, dass die Lafette zerlegbar sein soll.

In Übereinstimmung mit der Befestigungskommission beantragen wir Ihnen beim Ersatz dieser Geschütze eine namhafte Reduktion eintreten zu lassen, entsprechend insbesondere der im Gutachten über das Festungswesen dem Platz St. Maurice zugewiesenen, gegenüber früher merklich eingeschränkten Aufgabe.

Wenn wir nun an Stelle der dermalen zur Verfügung der Festungen stehenden 8,4 cm Kanonen im ganzen nur 30 aufstellen, haben wir allerdings das Gefühl, bis zur äussersten Grenze der Einschränkung zu gehen. Dabei ist nicht ausser acht zu lassen, dass unsere Festungs-infanterie, Auszug und Landwehr, jeder organischen Zuteilung von Feld- und Gebirsartillerie entbehrt, demnach die vorgeschlagene kleine Zahl von Feldkanonen sowohl dem Stellungskampf innert den permanenten Anlagen, wie dem Bewegungsgefecht ausserhalb davon zu genügen hat.

3. Die K o s t en der vorgeschlagenen Neubewaffnung werden von der kriegstechnischen Abteilung des Militärdepartements wie folgt berechnet: I. Für das 12 cm H a u b i t z m a t e r i a l : 20 Truppengeschütze mit Protzen, Richtmitteln und allem Zubehör, sowie Munition, Munitionskörbe und Munitionstransportkisten.

6 Schulgeschütze mit Protzen. Dazu die nötigen Reservebestandteile und Batterierichtinstrumente Total Fr. 3,120,000 II. Z e r l e g b a r e 7,5 cm F e l d g e s c h ü t z e : 22 Truppengeschütze mit Protzen, Richtmitteln und allem Zubehör, samt Munition, Munitionskörben und Kisten. Acht Schulgeschütze mit Protzen, dazu die nötigen Reservebestandteile und Batterierichtinstrumente ,, 1,718,000 Insgesamt Fr. 4,838,000

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Die in vorstehender Darlegung in Aussicht genommenen Neuanschaffungen müssen durchaus als dringlich betrachtet werden.

Das zu ersetzende Material ist nicht länger verwendbar und die neue Organisation der Festungstruppen, insbesondere der nun zu dieser gehörenden Fussartillerie kann nicht nach diesem alten Material getroffen werden, sie muss auf das neue Material basiert werden, wenn nicht in kurzer' Zeit wieder alles umgeworfen werden soll. Auch geht es nicht an, dass die bewegliche Festungsartillerie mit schlechterem Material ausgerüstet bleibt, als es die Artillerie der Feldarmee entweder bereits besitzt oder demnächst erhalten soll.

Die Ausgabe für die Neubewaffnung der beweglichen Festungsartillerie gehört zu den ausserordentlichen Militärausgaben welche ausser ihr die Neubewaffnung der gewehrtragenden Truppen, die Vermehrung der Gebirgsartillerie, die Einführung der Infanteriemitrailleure und die Einführung der Haubitzen für die Feldarmee mit sich bringen. Sie kann wie diese nicht aus dem ordentlichen Budget bestritten werden, sondern muss ebenfalls durch ein Anleihen gedeckt werden. Hierüber werden wir der Bundesversammlung demnächst in besonderer Vorlage Bericht und Antrag unterbreiten.

Indem wir Ihnen, Tit., den nachfolgenden Beschlussesentwurf zur Genehmigung empfehlen, benützen wir den Anlass, Sie unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 6. Februar 1912.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

den Ersatz von Geschützen der beweglichen Festungsartillerie.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 6. Februar 1912 und gestützt auf Art. 87 der Militärorganisation vom 12. April 1907, beschliesst: Art. 1. Die 12 cm-Mörser und die 8,* cm-Geschütze der den Befestigungen des St. Gotthard und von St. Maurice gegenwärtig zugeteilten Fussartillerie sind durch die in der Botschaft des Bundesrates vom 6. Februar 1912 angegebene Art und Anzahl von 12 cm-Haubitzen und 7,s cmFeldgeschützen samt Zubehör zu ersetzen.

Für die Beschaffung dieses Materials nebst der dafür bestimmten Munition wird dem Bundesrate ein Kredit von Fr. 4,838,000 bewilligt.

Art. 2. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

Art. 3. Dieser Besohluss tritt, als nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Ersatz von Geschützen der beweglichen Festungsartillerie. (Vom 6. Februar 1912.)

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14.02.1912

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