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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Erweiterung des Bauplatzes für das Telephongebäude an der Brandschenkestrasse in Zürich-Selnau durch Hinzukauf der anstossenden Liegenschaften Scheller (Brandschenkestrasse) und Rilling (Stockerstrasse).

(Vom 6. Juli 1912.)

Tit.

Mit Bundesbeschluss vom 21. Dezember 1909 haben Sie den Ankauf von zwei Bauplätzen zur Erstellung von zwei Telephongebäuden an der Hottingerstrasse und an der Brandschenkestrasse in Zürich genehmigt.

Für die Erstellung des Gebäudes an der Hottingerstrasse ist Ihnen seither ein Gesuch um Bewilligung des erforderlichen Baukredites zugegangen (Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 17. Mai, Bundesbl. 1912, Band III, Nr. 22, · Seite 377). Leider war es nicht möglich, gleichzeitig auch den Kredit für die Erstellung des Gebäudes an der Brandschenkestrasse nachzusuchen.

40 Wohl sind beide Projekte miteinander der städtischen Baupolizei in Zürich zur Genehmigung vorgelegt worden. Während aber gegen das Projekt für das Gebäude an der Hottiugerstrasse nur wenige Einsprachen erfolgten, welche eine leichte Erledigung fanden, stellten sich gegen das projektierte Gebäude an der Brandschenkestrasse ernste Schwierigkeiten ein, welche die Direktion der eidgenössischen Bauten beim Ankaufe des Bauplatzes nicht glaubte befürchten zu müssen. Es gingen nämlich gegen letzteres Projekt Einsprachen von fast sämtlichen Nachbarn ein mit zum Teil exorbitanten Entschädigungsforderungen.

Es ergab sich ausserdem, dass auch beim allfàlligen Zustandekommen einer Einigung mit den Anstössern, die Baupolizei dem Projekte Ihre Zustimmung auf Grund der Bestimmungen des Baugesetzes hätte versagen müssen, weil es eine zu weitgehende Überbauung des Hofraumes vorsah. Eine geringere Beanspruchung dieses letzteren machte aber die Erfüllung des aufgestellten Bauprogrammes unmöglich. Von einer Reduktion dieses Programmes konnte jedoch keine Rede sein, weil dasselbe schon von Anfang an auf das äusserst zulässige Mass beschränkt worden war und weil sich seit dem Ankaufe des fraglichen Bauplatzes die Lokalbedürfnisse gerade für dieses Gebäude, in welchem auch die Verwaltungslokale des Telephonbureaus untergebracht werden sollen, in unvorhergesehener Weise vermehrt haben.

Die gewaltige Entwicklung des Telephonwesens in der Schweiz kommt im Netze Zürich ganz besonders zum Ausdruck, ist doch die Zahl der Telephonstationen dieses Netzes mit Ende 1911 auf rund 12,000 angewachsen, was einem Siebentel des Bestandes des ganzen schweizerischen Netzes gleichkommt. Dies hatte zur Folge, dass die Arbeitslast für den Chef des Tolephonnetzes Zürich zu gross wurde. Die betreffenden Funktionen mussten deshalb geteilt und je einem besondern Chef für den bauiechnischen Teil einerseits, für den administrativen und betriebstechnischen Teil anderseits übertragen werden. Die Kreierung einer zweiten Telephonchefstelle, die dadurch notwendig gewordene Wahl eines zweiten Stellvertreters und die Teilung des Personals hatte auch einen unvorhergesehenen Mehrbedarf an Lokalen zur Folge, der bei dem von der Baupolizei zurückgewiesenen Projekte nur mit Not, bei einem reduzierten Projekte aber gar nicht hätte gedeckt werden können.
Dazu kommt nun noch der Umstand, dass die Postverwaltung die Gelegenheit benutzen möchte, um in dem neu zu erstellenden Telephongebäude auch die Postfiliale Selnau unterzubringen.

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Die Postfiliale Zürich 19, Selnau, wurde am 1. Juli 1899 eröffnet. Sie befindet sich im Eckhause Brandschenke-Tödistrasse, wo die Postverwaltung über folgende gemietete Räume verfügt: Bureauraum 95 m2 Schalterraum 30 m 2 Karrenremise 20 m 2 Die Poststelle wies von Anfang an einen ziemlich lebhaften Verkehr auf, der sich seither in bedeutendem Umfange weiter entwickelt hat, wie aus den nachstehenden statistischen Erhebungen aus dem Jahre 1900, dem ersten vollen Betriebsjahre und dem Jahre 1911 ersichtlich ist.

1900

1911

Fr.

Fr.

Gewöhnliche Briefpostgegenstände . . . 850,212 1,402,912 Eingeschriebene Briefpostgegenstände . .

56,084 110,670 Versandte Zeitungen 298,748 288,904 Pakete 57,570 225,425 Aufgegebene Nachnahmen 52,270 209,586 Postanweisungen 10,417 20,807 Checkeinzahlungen -- 12,042 Einzugsmandate 3,772 23,164 Wertzeichenverkauf. . . . . . . . . 124,190 327,613 Die Zunahme des Briefverkehrs ist normal. Dagegen weisen die übrigen Dienstzweige und besonders der Paketverkehr, der sieh in 11 Jahren vervierfacht hat, eine Steigerung auf, wie sie in diesem Masse nicht vorgesehen werden konnte. Der Entwicklung des Verkehrs entsprechend, ist auch das Personal von 3 Beamten und 2 Angestellten auf 9 Beamte und 3 Angestellte angewachsen.

Diesen veränderten Verhältnissen vermögen die ursprünglich reichlich bemessenen Räume für eine nahe Zukunft nicht mehr zu genügen. Es muss deshalb darauf Bedacht genommen werden, auf den Zeitpunkt des Ablaufs des jetzigen Mietvertrages (30. September 1914) grössere Lokale zu beschaffen. Dabei kann die Erweiterung der jetzigen Diensträume oder die Verlegung der Filiale ins Auge gefasst werden. Eine Erweiterung wäre möglich und der Vermieter erklärt sich bereit, sie durchzuführen. Zugleich aber verlangt er für die von 125 m 2 auf 260 m 2 zu bringenden Lokale eine Erhöhung des Mietzinses von Fr. 4000 auf Fr. 12,000. Diese Forderung mag ihre Berechtigung aus der

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allgemeinen Steigerung des Mietwertes der Erdgeschossräumlichkeiten, sowie auch in den bedeutenden Umbaukosten schöpfen.

Sie ist aber immerhin so hoch, dass es als vorteilhaft erscheint, die Verlegung der Postfiliale Zürich-Selnau in das in nächster Nähe zu errichtende Telephongebäude in Aussicht zu nehmen.

Die Einrichtung der Filiale in diesem Gebäude, das in seinem Erdgeschoss auch die Telegraphenfiliale Selnau enthalten wird, entspricht auch dem in Art. 16 des Bundesgesetzes über die Organisation der Telegraphen- und Telephonverwaltung niedergelegten Grundsatze, nach welchem im allgemeinen die Dienstzweige der Post, des Telegraphen und des Telephons im nämlichen Haus untergebracht werden sollen.

Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, sind seit dem Ankaufe des Bauplatzes für das in Frage stehende Telephongebäude die Lokalbedürfnisse erheblich gestiegen. Dieser Bauplatz reicht aber, infolge der vom Baugesetz geforderten Einschränkung der überbaubaren Fläche nicht einmal mehr zur Ausführung des ursprünglichen Bauprogrammes aus. Für ein erweitertes Programm muss daher auch eine Erweiterung des Bauplatzes in Aussicht genommen werden.

Nachdem die in ' erster Linie vorgenommene Prüfung, durch Hinzunahme des anstossenden Hauses Scheller eine rationelle Lösung zu erhalten, ein negatives Resultat ergeben hatte, arbeitete die Direktion der eidgenössischen Bauten ein Projekt aus, welches den Hinzukauf sowohl der Liegenschaft Scheller, als auch der an diese anstossenden Liegenschaft Rilling zur Voraussetzung hatte.

Dieses Projekt fand die allgemeine Zustimmung der beteiligten Verwaltungen.

Es gestattet die zweckmässige Unterbringung sämtlicher Telegraphen- und Telephonlokale, trägt auch einer allfällig notwendig werdenden Erweiterung infolge Zunahme des Verkehrs gebührend Rechnung und weist der Postfiliale ein Bureau von 210 m 2 und einen Schalterraum von 57 m3 zu. Der Ein- und Auslad der Postsachen kann im Hofe geschehen, unter einem Glasdach, das Schutz bietet gegen die Unbilden der Witterung.

Ein kleiner Raum zur Unterbringung der Handkarren wird ebenfalls bereitgestellt werden können. Damit werden die Bedürfnisse der Postfiliale Zürich-Selnau auf eine Reihe von Jahren gedeckt sein, auch wenn der Verkehr weiter in der bisherigen, erfreulichen Weise zunimmt.

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Unter diesen Umständen muss das neue Projekt, das den notwendigen Anforderungen der beteiligten Verwaltungen in jeder Hinsicht entspricht, als die rationellste Lösung der vorwürfigen Baufrage bezeichnet werden, und zwar um so mehr, als die Lage des Bauplatzes, wie schon bei seinem Ankaufe gesagt wurde, für die Errichtung einer Telephonzentrale eine sehr günstige ist.

Wir müssen Ihnen deshalb den Ankauf der Liegenschaften Scheller und Rilling behufs Erweiterung des fraglichen Bauplatzes zur Erstellung des Telephongebäudes im Selnauquartier bestens empfehlen.

Der Ankaufspreis beläuft sich, nach den vorliegenden Verkaufsangeboten, welche bis Mitte August 1912 verbindlich sind, auf Fr. 352,800.

Davon entfallen Fr. 210,000 auf die Liegenschaft Scheller, im Halte von 340,9 m 2 und ,, 140,000 auf die Liegenschaft Rilling, im Halte von 245 m 2 ; die Ablösung des langfristigen Mietvertrages für das Erdgeschoss des Hauses Scheller kostet. . ,, 1,500 die Fertigungskosten (Hälfte) sind mit zirka . . ,, 1,300 in Rechnung zu setzen.

Total

Fr. 352,800

Der Preis muss als ziemlich hoch bezeichnet werden. Wir machen jedoch darauf aufmerksam, dass die anfänglichen Forderungen noch erheblich höher waren und dass erst nach langen Unterhandlungen eine Reduktion erzielt werden konnte.

Bei den derzeitigen Terrainpreisen in Zürich dürfte eine billigere und ebenso zweckmässige Lösung kaum möglich sein.

Zum Schlüsse wollen wir noch auf die Dringlichkeit dieser Lokalfrage aufmerksam machen, welche leider, durch die Ungunst der Verhältnisse, schon ungebührlich verzögert worden ist. Die bestehende Zentralstation in Zürich wird voraussichtlich Ende 1913 an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt sein. Die Mangelhaftigkeit der gegenwärtigen, seit 1899 im Betriebe befindlichen Einrichtungen hat schon zu zahlreichen Klagen Anlass gegeben. Die definitive Umgestaltung der ganzen Zentralstationsanlage in Zürich ist daher eine Angelegenheit, welche in Anbetracht der überragenden Bedeutung dieses Netzes, dringend der Eegelung bedarf.

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Wir empfehlen Ihnen daher die Annahme des nachstehenden Beschlussesentwurfes und benützen gerne den Anlass, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 6. Juli 1912.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident:

Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

den Ankauf der Liegenschaften Scheller, Brandschenkestrasse und Rilling, Stockerstrasse, Zürich, zur Erweiterung des Bauplatzes für das Telephongebäude in Zürich-Selnau.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft-, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 6. Juli 1912, beschliesst: 1. Dem Bundesrate wird behufs Ankauf der Liegenschaften Scheller, Brandschenkestrasse und Rilling, Stockerstrasse, Zürich, zur Erweiterung des Bauplatzes für ein Telephongebäude in Zürich-Selnau ein Kredit von Fr. 352,800 eröffnet.

2. Der gegenwärtige Beschluss tritt als nicht allgemein verbindlicher Natur sofort in Kraft.

3. Der Bundesrat ist mit dessen Vollziehung beauftragt.

-3S~-

Bundesblatt. 64. Jahrg. Bd. IV.

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10.07.1912

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