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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Beschwerde des H. Wehrli-Wirz in Schönenwerd gegen den Entscheid des Bundesrates vom 4. Dezember 1911 betreffend Verweigerung eines Wirtschaftspatentes.

(Vom 31. Mai 1912.)

Tit.

Mit Entscheid vom 4. Dezember 1911 wies der Bundesrat eine bei ihm von H. Wehrli-Wirz in Schönenwerd anhängig gemachte Beschwerde betreffend Verweigerung eines Wirtschaftspatentes durch die solothurnischen Behörden ab. Die Begründung des Entscheides geht im wesentlichen dahin, die Beurteilung der Bedürfnisfrage durch die solothurnischen .Behörden könne nicht als willkürlich betrachtet werden, da die in Schönenwerd bestehenden Wirtschaften vorläufig genügen, und ebensowenig liege in der Abweisung des Patentgesuches eine rechtsungleiche Behandlung des Rekurrenten.

Mit Eingabe vom 2. Februar 1912 zieht H. Wehrli-Wirz den bundesrätlichen Entscheid an -Ihre Instanz weiter und stellt das. Begehren : ,,Der angegriffene bundesrätliche Entscheid vom 4. Dezember 1911, damit auch derjenige des Regierungsrates des Kantons Solothurn vom 30. Dezember 1910, seien aufzuheben und die

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solothurnische Regierung anzuweisen, dem Beschwerdeführer das nachgesuchte Wirtschaftspatent auf sein Haus Nr. 458 an der Burgstrasse in Schönenwerd zu erteilen."

In tatsächlicher Beziehung enthält die Beschwerde nichts .neues. Die rechtliche Begründung der Beschwerde lässt sich, soweit ihre Argumente nicht schon im angefochtenen Entscheid einlässlich behandelt worden sindj kurz dahin zusammenfassen: a. der bundesrätliche Entscheid stelle bei Beurteilung der Bedürfnisfrage zu Unrecht darauf ab, dass die bestehenden Wirtschaften in Schönenwerd dem Bedürfnis genügen, während nach § 10 des solothurnischen Wirtschaftsgesetzes vom 9. Februar 1896 und § 2 des Regulativs vom 25. Oktober 1896 betreffend die Handhabung der sogenannten Bedürfnisfrage bei Errichtung von neuen Wirtschaften die Patenterteilung nur verweigert werden solle, wenn das Entstehen oder die Weiterführung der Wirtschaft dem lokalen Bedürfnis oder dem öffentlichen Wohle zuwider ist ; dies treffe im vorliegenden Fall nicht zu, insbesondere auch deshalb nicht, weil selbst nach Bewilligung der neuen Wirtschaft in Schönenwerd immer noch erst auf 263 Einwohner eine Wirtschaft komme, während das Regulativ im allgemeinen eine Verletzung des öffentlichen Wohls erst annehme, wenn auf weniger als 200 Einwohner eine Wirtschaft entfalle; b. der bundesrätliche Entscheid habe sodann auch ausser acht gelassen, dass mindestens insofern eine Verletzung der Rechtsgleichheit in der Patentverweigerung gegenüber dem Rekurrenten liege, als andernorts, wo schon auf 100 oder wenig mehr Einwohner eine Wirtschaft komme, Patente wenigstens anstandslos ü b e r t r a g e n werden.

Die solothurnische Regierung, der wir die Beschwerde mitteilten, verzichtete mit Schreiben vom 27. Februar 1912 auf eine Vernehmlassung.

Gegenüber den oben angeführten Einwänden des Rekurrenten ist folgendes zu bemerken: Ad a. Der angefochtene Entscheid entspricht in jeder Hinsicht einer langgeübten Praxis des Bundesrates, der schon in seinem Geschäftsbericht über das Jahr 1899 für die Behandlung von Wirtschaftsbeschwerden den Leitsatz aufgestellt hat, ,,dass, wenn einmal für eine neue Wirtschaft ein Bedürfnis nicht bestehe, damit auch festgestellt sei, dass die Errichtung einer solchen

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dem öffentlichen Wohl zuwiderläuft1* (vgl. Bundesbl. 1900, I, 805, lit. g, und dortige Zitate). Von diesem Leitsatz ist der Bundesrat auch seither nicht abgewichen ; denn es ist schlechterdings nicht einzusehen, wie die Errichtung einer neuen "Wirtschaft das öffentliche Wohl nicht beeinträchtigen sollte, wenn die bestehenden Wirtschaften dem Bedürfnis vollauf genügen.

Damit fällt das auf einer solchen unmöglichen Unterscheidung fussende Argument des Rekurrenten dahin ; soweit der Rekurrent sich auf die im Regulativ aufgestellte Normalzahl beruft, glauben wir, uns mit dem Hinweis auf die einschlägigen Ausführungen zu Beginn der Ziffer II der rechtlichen Erwägungen unseres Entscheides begnügen zu können.

Ad b. Da es sich im vorliegenden Fall um die Verweigerung eines P a t e n t e s für e i n e n e u e W i r t s c h a f t handelt, geht es nicht an, zum Beweis rechtsungleicher Behandlung Fälle b l o s s e r P a t e n t ü b e r t r a g u n g e n heranzuziehen, die nicht denselben Regeln unterworfen sind -- das Regulativ gilt für sie nicht -- wie die Erteilung neuer Patente. Abgesehen davon, dass der Rekurrent keine speziellen Fälle nennt, könnte dieses Argument übrigens schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil es vom Rekurrenten im Verfahren vor Bundesrat nicht geltend gemacht worden ist.

Angesichts der sehr einlässlichen Begründung unseres Entscheides glauben wir, von weiteren Ausführungen absehen zu.

können und stellen Ihnen, Tit., indem wir im übrigen auf die Akten verweisen, den Antrag: Die Beschwerde sei abzuweisen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 31. Mai 1912.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

L. tforrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

^s-
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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Beschwerde des H. WehrliWirz in Schönenwerd gegen den Entscheid des Bundesrates vom 4. Dezember 1911 betreffend Verweigerung eines Wirtschaftspatentes. (Vom 31. Mai 1912.)

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05.06.1912

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