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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Gesuch der Arbeiter der eidgenössischen Militärwerkstätten um Gewährung einer Teuerungszulage sowie einer Lohnerhöhung.

(Vom 14. Dezember 1912.)

Tit.

Mit Eingabe vom 13. Dezember 1911 haben die ständigen Arbeiterkommissionen für die Arbeiter der Waffenfabrik in Bern, der Kriegspulverfabrik in Worblaufen, der Munitionsfabrik in Thun und der Konstruktionswerkstätte in Thun, ferner die beauftragten Kommissionen für die Arbeiter der Munitionsfabrik in Altorf, des Montierungsmagazins in Bern sowie des Zeughauses in Thun das Gesuch gestellt: 1. Es sei für das Jahr 1911 an jeden Arbeiter eine Teuerungszulage von Fr. 100 auszurichten.

2. Es sei auf 1. Januar 1912 an jeden Arbeiter eine ausserordentliche Lohnerhöhung von 50 Rappen pro Tag und auf den gleichen Zeitpunkt eine entsprechende Erhöhung der Akkordpreise zu gewähren.

Diese Eingabe ist den Präsidenten der beiden Räte und dem Bundesrate zugegangen und dann dem Militärdepartement übermittelt worden, das seinerseits die kriegstechnische Abteilung zur Berichterstattung darüber veranlasste. Nach Eingang dieses Be-

469 richtes und auf Antrag der genannten Amtsstelle wurde die Petition der Kommission überwiesen, welche wir gestützt auf das Postulat der eidgenössischen Räte vom 20./22. Dezember 1910 zur Prüfung und Begutachtung der technischen Betriebe des Militär·departemehtes eingesetzt haben. Die Zuweisung an diese Kommission erfolgte, weil es in deren Aufgabe lag, die Zweckmässigkeit der Regiebetriebe, ihre Organisation und Arbeitsweise, die bei ihnen bestehenden Arbeiterverhältnisse, überhaupt ihr ganzes Geschäftsgebahren zu untersuchen, der innere Zusammenhang mit den in der Petition erörterten Fragen also offenbar vorhanden war. Zudem war diese Kommission aus erfahrenen Fachmännern zusammengesetzt, deren Urteil für unsere Entschliessungen zum voraus von Bedeutung sein musste.

Freilich ist durch diese Zuweisung eine bedauerliche Verzögerung unserer eigenen Berichterstattung entstanden, da der abschliessliche Bericht der sogenannten Ersparniskommission II erst zu Beginn des letzten Monats uns eingereicht werden konnte.

Auf die Eingabe der Arbeiter selbst eintretend, glauben wir von einer nochmaligen Beantwortung der Einwendungen absehen zu dürfen, die auch neuerdings wieder gegenüber der Lohnordnung von 1908 erhoben werden. Wir haben sie schon in unserem Bericht au die Bundesversammlung vom 7. Juni 1909 aufs einlässlichste erörtert. Um so eher können wir von einer wiederholten Vernehmlassung auf diese kritischen Bemerkungen absehen, als wir uns, wie Sie aus unsern späteren Darlegungen ersehen werden, der Einsicht nicht verschliessen, dass eine Revision der Lohnordnung notwendig geworden ist.

Wir dürfen uns daher darauf beschränken, über die gegenwärtig bestehenden Lohnverhältnisse der Arbeiter in den Regiewerkstätten Aufschluss zu geben und uns zu den Begehren der Arbeiter zu äussern.

Vorausgeschickt sei, dass schon für das Jahr 1910 durch Eingaben der Arbeiter vom Oktober gleichen Jahres eine Teuerungszulage von Fr. 100 pro Mann verlangt wurde. Es geschah dies zu einer Zeit, als die umfassende Eingabe der Arbeiter der eidgenössischen Militärwerkstätten betreffend Arbeitszeit, Ferien und Lohnerhöhung vom 25. September 1908 noch bei den eidgenössischen Räten anhängig war. Das Gesuch um eine Teuerungszulage für 1910 ist vom Bundesrat durch Schlussnahme vom 7. September 1911 abgewiesen worden. Wir erlauben uns auf die Akten za verweisen.

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Aus den uns zugegangenen Berichten der kriegstechnischen Abteilung und der Kommission zur Prüfung und Begutachtung' der technischen Betriebe geht hervor, dass schon vor dem 1. Juli 1912 mit Rücksicht auf die anhaltende Teuerung, eine grosse Zahl von ausserordentlichen Lohnaufbesserungen stattgefunden hat. Vom 1. Juli 1912 an sind dann ausserdem die periodischen Lohnerhöhungen nach der Lohnordnung ungeschmälert gewährt worden.

Die mehrmals erwähnte Kommission hat die Löhne der Arbeiter der Militärwerkstätten und Zeughäuser als zum m i n d e s t e n denen der bestgeleiteten Privatetablissemente ähnlicher Art ebenbürtig erklärt. Sie stellte fest, dass der Bund in dieser Richtung und auch sonst durch seine Wohlfahrtseinrichtungen und die Unterstützunginvalider Arbeiter, sowie durch Unterstützung der Hinterlassenen verstorbener Arbeiter weit über das hinausgehe, was die Privatindustrie zu gewähren in der Lage sei.

Die in der Lohnordnung von 1908 (Regulativ) festgesetzten ordentlichen Maxima sind in der Tat von der Grosszahl der Arbeiter nicht nur erreicht, sondern überschritten, wie die per 15. Oktober 1912 erstellte Tabelle zeigt (s. Seite 471).

Die Akkordarbeiter haben einen Verdienst, der um 20 bis 30 % und mehr über den des Taglohnarbeiters hinausgeht. Dieses Verhältnis liegt eher über als unter den üblichen Grenzen.

Unter diesen Umständen und. im Hinblick auf die ausserordentliche Erhöhung der Löhne vor dem 1. Juli 1912, sowie auf die in diesem Zeitpunkt eingetretene ordentliche Erhöhung, kann dem gestellten Begehren der Arbeiter um eine Teuerungszulage oder eine allgemeine Lohnerhöhung von 50 Cts. per Tag nicht entsprochen werden, ganz abgesehen davon, dass derartige summarische, allgemeine, der individuellen Anforderung und Leistungkeine Rücksicht tragende Zulagen und Lohnerhöhungen jede Klassifizierung und Lohnordnung durchbrechen und Unbilligkeiten schaffen solchen gegenüber, die höheren Anforderungen in der Leistung zu genügen haben. Solche summarische Lohnvcrbesserungen liegen weder im Sinne einer gerechten Würdigung der Arbeitsleistung, noch lassen sie sich vereinbaren mit den Grundsätzen einer richtigen 'personellen Organisation und Ökonomie der Betriebe.

Wir wollen nicht unterlassen, aus dem Berichte der vorerwähnten ausserparlamentarischen Kommission folgendes, das sich auf das von der Arbeiterschaft eingereichte Gesuch bezieht, hier anzuführen. Es lautet:

Vergleichende Zusammenstellung über die Anzahl der Arbeiter der eidgenössischen Militärwerkstätten, die" innerhalb ihrer Lohnklasse unter und über dem ordentlichen*) Maxinialansatz bezahlt werden.

II. Kategorie III. Kategorie . IV. Kategorie V. Kategorie Arbeiter unter Gruppenchefs, Berufsarbeiter, HUIfsarbeiter Vorarbeiter erstklassige HUIfsarbeiter 18 Jahren und II. Klasse, (Mechaniker) Berufsarbeiter 1. Klasse Handlanger Arbeiterinnen ArbeiterLohnansatz Lohnansatz Lohnansatz Lohnansatz Lohnansatz zahl unter über unter | über unter | über unter | über unter | über dem ordentlichen dem ordentlichen dem ordentlichen dem ordentlichen dem ordentlichen Maximum von Maximum von Maximum von Maximum von Maximum von 84 Cts, pro Stunde 72 Cts, pro Stunde 56 Cts. pro Stunde 44 Cts. pro Stunde 30 Cts. pro Stunde

1. Kategorie

_

Konstruktionswerkstätte Thun . .

Kriegspulverfabrik Worblaufeu . .

Munitionsfabrik Thun Munitionsfabrik Altdorf . . . .

Waffenfabrik Bern . .

337 72 826 378 200

--

Total

1,813

--

Unter dem ordeutlichen Maximum Über dem ordentlichen Maximum

--

--

3 3 1

9 1 9

17 6 50

94 -- 4

113 47 199

2 10

12 3

12

61 105

63

80 46

87

24

46 12

19

34

109

156

525

133

622

159

12 2 56

88 11 397

1 71

1 1 39 15 i 56

482 Arbeiter oder 26,57 % 1,331 Arbeiter oder 73,43 %

Wie oben 1,813 *) D a s ' a u s s erordentliche Maximum beträgt: Kategorie I Fr. l, Kategorie II 84 Cts., Kategorie III 70 Cts., Kategorie IV 56 Cts. und Kategorie V 40 Cts. pro Stunde,

4^ -a

fc>k

472 ,,Unsere Kommission ist um ihre Meinungsäusserung hierüber zuhanden des Militärdepartements ersucht worden und hat sich, in Übereinstimmung mit der von der kriegstechnischen Abteilung vertretenen Ansicht, dahin ausgesprochen, dass die Verabfolgung von Teuerungszulagen aus prinzipiellen Gründen nicht empfohlen werden könne, indem dadurch Ungleichheiten geschaffen werden, die besser vermieden werden.

,,Was die mit Rückwirkung auf 1. Januar 1912 begehrte Lohnerhöhung anbetrifft, so berufen wir uns auf die eben konstatierte wesentliche Besserstellung der Regiearbeiter gegenüber dem Personal von privaten Betrieben. Dem seinerzeit geäusserten Wunsche des hohen Bundesrates, dass die Staatsbetriebe den Privatbetrieben in der Löhnung vorangehen sollten, wird bereits in weitgehender Weise Rechnung getragen. Aus diesem Grunde lässt sich die Gewährung einer rückwirkenden Lohnerhöhung nicht rechtfertigen, dies um so weniger, als von der im Lohnregulativ vorgesehenen Möglichkeit, für besondere Leistungen höhere Lohnansätze, als das ordentliche Maximum zu gewähren, schon im vergangenen Jahre in weitgehendstem Masse Gebrauch gemacht worden ist.a Nun geht aber auf der ändern Seite aus dem Gutachten der mehrerwähnten Expertenkommission und aus dem Berichte der kriegstechnischen Abteilung, der die meisten der in Betracht fallenden Betriebe unterstellt sind, klar hervor, dass mit Rücksicht auf die weitgehende Überschreitung der ordentlichen Maxima des Regulativs der Lohnordnung von 1908 und im Interesse eines billigen Ausgleichs in der Klasseneinteilung die partielle Revision der Lohnordnung notwendig geworden ist.

Wir nehmen daher deren baldige Abänderung und Ergänzung in Aussicht. Dabei wird sich, anlässlich der Festsetzung der neuen Maximalansätze des Lohnregulativs, Gelegenheit bieten, einen Ausgleich auch mit den der Kriegsmaterialverwaltung unterstellten Zeughausarbeitern, bei denen die Verhältnisse zum Teil etwas günstiger liegen, zu treffen und der nicht zu bestreitenden anhaltenden Teuerung in angemessener Weise Rechnung zu tragen.

Dass auch hierbei die Verhältnisse in der Privatindustrie mit in Erwägung zu ziehen sein werden, entspricht den Grundsätzen, die in dem Berichte des Bundesrates zum Postulat Wullschleger vom Jahre 1907 und in der Vernehmlassung vom 7. Juni 1909 auf die Arbeitereingabe vom Jahre 1908 niedergelegt wurde.

Über die formelle Frage, ob die vorliegende Angelegenheit in den Geschäftskreis der eidgenössischen Räte fällt, glauben wir

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uns hier nicht aussprechen zu sollen, da diese Frage in den Räten schon früher einlässlich erörtert worden ist (Beschlüsse des Ständerates vom 9. Dezember 1909/2. November 1910 und des Nationalrates vom 23. Juni/23. Dezember 1910, betreffend die Eingabe der Arbeiter vom 25. September 1908 um Herabsetzung der Arbeitszeit, Erhöhung der Löhne und Bewilligung von Ferien).

Wir stellen daher auch keinen bezüglichen Antrag.

Was dagegen die eingangs erwähnten Begehren der Arbeiter betrifft, so beehren wir uns, Ihnen, gestützt auf unsere Darlegungen, zu b e a n t r a g e n : Es sei auf die vorliegende Eingabe nicht einzutreten, in der Meinung, dass es den beteiligten Arbeitern anheimgegeben werde, ihre Wünsche bei der bevorstehenden Revision der Lohnordnung für die Militärwerkstätten geltend zu machen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 14. Dezember 1912.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

-$*
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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Gesuch der Arbeiter der eidgenössischen Militärwerkstätten um Gewährung einer Teuerungszulage sowie einer Lohnerhöhung. (Vom 14. Dezember 1912.)

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396

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18.12.1912

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468-473

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