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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer Drahtseilbahn von Brusino Lago auf die Alp Serpiano.

(Vom 7. November 1912.)

Tit.

Ein aus den Herren Giuseppe Velia, Ingenieur, Giuseppe Moecetti, Giuseppe Franzi, in Lugano und Francesco Kessler, in Varese (Italien), bestehendes Initiativkomitee stellte mittelst Eingabe vom 24. Oktober 1911 ein Gesuch um Erteilung der Konzession für den Bau und Betrieb einer Drahtseilbahn von Brusino Lago auf die Alp Serpiano am Luganersee.

Im allgemeinen Bericht führen die Konzessionsbewerber im wesentlichen aus, die hoch über dem Luganersee, gegenüber Morcote gelegene Alp Serpiano, mit ihrem wundervollen Panorama über die Alpen habe die Aufmerksamkeit derjenigen erweckt, die während der heissen Sommermonate in reiner Luft und stiller Gegend unweit der grossen Industriezentren der Lombardei die Ferien verbringen möchten. Zum Zwecke der Erschliessung dieses Gebietes als Villenquartier habe eine kapitalkräftige Gesellschaft aus Mailand die Alp Serpiano nebst den angrenzenden Buchenund Kastanienwäldern angekauft und bereits ein komfortabel eingerichtetes Hotel gebaut.

11 Die projektierte Drahtseilbahn solle während der Bauperiode als Transportmittel für Baumaterialien und später zur Beförderung der Reisenden dienen. Das Hotel auf der Alp Serpiano sei zwar schon durch eine Strasse mit der Gemeinde Meride im Bezirk Mendrisio in Verbindung ; allein diese Strasse sei nur durch einen grössern Umweg erreichbar, und der Bau einer Drahtseilbahn, deren Anfangsstation in einer Entfernung von zirka l km von der Milano-Porto Geresio-Bahn liegen werde, sei sehr zu empfehlen.

Das in Aussicht genommene Tracé nimmt seinen Anfang am Ufer des Luganersees, direkt über der Bezirksstrasse Brasino (Schweiz)-Porto Ceresio (Italien), um ohne Kurven mit einer Steigung von 61 % die Alp Serpiano zu erreichen.

Der dem Gesuche beigelegte technische Bericht enthält folgende Angaben : Länge der Bahn : 528 m horizontal ; 610 m schief.

Spurweite: l m.

Maximalsteigung : 60,ss %· Höhenkoten : untere Station 280 m ü. M. ; obere Station 609 m ü. M.

Zwischenstationen : Keine.

Betriebssystem : Wassergewicht.

Der summarische Kostenvoranschlag setzt sich aus folgenden Posten zusammen : Vorbereitende Arbeiten, Leitung, etc Fr. 15,000 Expropriationen, Grunderwerb ,, 10,000 Unterbau ,, 60,000 Oberbau ,, 30,000 Mechanische Einrichtungen, Kabel, Wagen . . ,, 35,000 Stationsbauten ,, 25,000 Verschiedenes und Unvorhergesehenes . . . ,, 5,000 Total

Fr. 180,000

In seiner Vernehmlassung vom 19. Januar 1912 empfiehlt der Staatsrat des Kantons Tessin die Erteilung der Konzession.

Die üblichen konferenziellen Verhandlungen fanden am 28. September 1912 in Bern statt. Der vom Eisenbahndepartement ausgearbeitete Beschlusseseutwurf wurde mit einigen unwesentlichen Änderungen angenommen.

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Indem wir Ihnen den nachstehenden Konzessionsentwurf zur Annahme empfehlen, benützen wir auch diesen Anlass, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 7. November 1912.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

L. Forrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Konzession einer Drahtseilbahn von Brusino Lago auf die Alp Serpiano.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe des Initiativkomitees für die Erstellung einer Drahtseilbahn von Brusino Lago auf die Alp Serpiano, vom 24. Oktober 1911 ; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 7. November 1912, beschliesst: Einem aus den Herren Giuseppe Velia, Ingenieur, Giuseppe Moccetti, Giuseppe Franai in Lugano, und Francesco Kessler in Varese, bestehenden Initiativkomitee, wird zuhanden einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession für den Bau und den Betrieb einer Drahtseilbahn von Brusino Lago auf die Alp Serpiano unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt.

Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

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Art. 2. Die Bahn wird als Nebenbahn im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1099 erklärt.

Art. 3. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteilt.

Art. 4. Der Sitz der Gesellschaft ist in Brasino Arsizio.

Art. 5. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weiteren Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Das Strecken- und das Stationspersonal soll schweizerischer Nationalität sein.

Art. 6. Binnen einer Frist von 24 Monaten, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, sind dem Bundesrat die vorschriftsmässigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft zur Genehmigung einzureichen.

Innert 6 Monaten nach der Plangenehmigung ist mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu beginnen.

Binnen 18 Monaten, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionierte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Die Ausführung des Bahnbaues, sowie der zum Betrieb der Bahn erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausführungsplänen, welche vorher dem Bundesrat vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind. Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn wird mit Spurweite von einem Meter und eingeleisig erstellt.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zutage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen usw., sind Eigentum des Kantons Tessin und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

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Art. 10. Dea eidgenössischen Beamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrat kann verlangen, dass Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlass geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Ebenso hat er das Recht, zu verlangen, dass Mitglieder der Verwaltung, welchen vorübergehend oder dauernd Funktionen eines Beamten oder Angestellten übertragen sind und die in der Ausübung derselben Anlass zu begründeten Klagen geben, dieser Funktionen enthoben werden.

Art. 12. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen zu unterziehen. Soweit sie Änderungen nötig findet, können solche erst eingeführt werden, nachdem sie vom Bundesrat genehmigt worden sind.

Art. 13. Die Gesellschaft übernimmt die Beförderung von Personen und Gepäck. Zur Beförderung von Gütern und lebenden Tieren ist sie nicht verpflichtet.

Art. 14. Die Beförderung von Personen soll täglich mindestens zwölfmal nach beiden Richtungen, von einem Endpunkt der Bahn zum ändern erfolgen.

Die Gesellschaft kann den Betrieb auf die Zeit vom 1. April bis 31. Oktober beschränken; der Bundesrat ist aber berechtigt, eine Ausdehnung der Betriebsdauer zu verlangen.

Die Fahrgeschwindigkeit der Züge wird vom Bundesrat festgesetzt.

Die Fahrpläne unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 15. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen mit nur einer Klasse aufstellen, deren Typus vom Bundesrat genehmigt werden muss.

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Art. 16. Für die Beförderung von Personen können für die ganze Strecke Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze bezogen werden: Bergfahrt Fr. 1. 80 Talfahrt ,, --. 80 Berg- und Talfahrt ,, 2. 10 Kinder unter vier Jahren sind gratis zu befördern, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird.

Für Kinder zwischen dem vierten und dem zurückgelegten zwölften Altersjahre ist die Hälfte der Taxe zu zahlen.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, zu Bedingungen, welche im Einvernehmen mit dem Bundesrat aufzustellen sind, Abonnementsbillette zu reduzierter Taxe auszugeben.

Art. 17. Jeder Reisende ist berechtigt, 10 Kilogramm Reisegepäck taxfrei zu befördern, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für anderes Reisegepäck kann eine Taxe von höchstens Fr. l per 100 Kilogramm für die Berg- oder die Talfahrt bezogen werden.

Art. 18. Für Gepäcksendungen kann eine Minimaltaxe erhoben werden, die aber den Betrag von 40 Rappen für eine einzelne Sendung nicht überschreiten darf.

Art. 19. Die vorstehenden Taxbestimmungen beschlagen bloss den Transport von Station zu Station. Das Gepäck ist von den Aufgebern an die Stationsverladplätze aufzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen.

Das Auf- und Abladen des Gepäcks ist Sache der Gesellschaft, und es darf eine besondere Taxe dafür nicht erhoben werden.

Art. 20. Das Gewicht wird bei Gepäcksendungen bis auf 10 kg für volle 10 kg; das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 kg berechnet, wobei jeder Bruchteil von 10 kg für eine ganze Einheit gilt.

Wenn die genaue Ziffer der so berechneten Taxe nicht ohne Rest durch 5 teilbar ist, so wird sie auf die nächsthöhere durch 5 teilbare Zahl aufgerundet, sofern der Rest mindestens einen Rappen beträgt.

Art. 21. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind Réglemente und Tarife aufzustellen.

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Art. 22. Sämtliche Réglemente und Tarife sind mindestens «drei Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrat zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 23. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der ·Transporttaxen verhältoismässig herabzusetzen. Kann hierüber eine Verständigung zwischen dem Bundesrat und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschliesslich der Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 24. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äufnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Buudesrates.

Ferner sind die Reisenden und das Personal bei einer Anstalt bezüglich derjenigen Verpflichtungen zu versichern, welche aus dem Haftpflichtgesetz vom 28. März 1905 mit Bezug auf Unfälle beim Bau, beim Betrieb und bei Hülfsgeschäften sich ergeben.

Art. 25. Für die Ausübung des Rückkaufsrechtes des Bundes oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons Tessin gelten folgende Bestimmungen: o. Der Rückkauf kann frühestens 30 Jahre nach Eröffnung des Betriebes und von da an je auf 1. Januar eines Jahres erfolgen.

Vom Entschluss des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Ruckkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören.

Immerhin bleiben die Dritttmannsrechte hinsichtlich des Pensions- und Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge getan werden, und sollte auch die Verwendung der Erneuerungsund Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnisBundesblatt. 64. Jahrg. Bd. V.

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18 massiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Januar 1950 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Kalenderjahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Ruckkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1950 und 1. Januar 1965 erfolgt, den 221/afachen Wert; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1965 und dem Ablaut der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages ; -- unter Abzug des Erneuerungsund Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzessionierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluss aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 26. Hat der Kanton Tessin den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein Rück k aufsrecht, wie es im Art. 25 definiert worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 27. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieses Beschlusses, welcher am 1. Januar 1913 in Kraft tritt, beauftragt.

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1912

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13.11.1912

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