213

#ST#

Schweizerisches Bundesblatt.

64. Jahrgang. IV.

K« 33

14. August 1912.

Jahresabonnement (portofrei in der ganzen Schweiz): 10 Franken.

Einrückungsgebühr per Zelle oder deren Baum 15 Bp. -- Inserate franko an die Expedition.

Druck und Expedition der Buchdruckerei Stämpfli & die. in Bern.

# S T #

Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend Anordnungen zur Vermeidung polizeilicher Eingriffe bei Arbeiten, welche an Sonn- und Feiertagen an Bahnanlagen vorgenommen werden müssen.

(Vom

6. August 1912.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Die Bahnverwaltungen kommen mitunter in die Lage, an Sonn- oder Feiertagen Arbeiten an den Bahnanlagen vorzunehmen, die sich an Werktagen wegen des Güterzugverkehrs nicht oder nur mit Nachteil für die Regelmässigkeit und Sicherheit des Betriebes ausführen lassen. Als solche Arbeiten fallen unter anderem in Betracht : Einlegen von Weichen in Betriebsgeleise; Verschiebungen von Betriebsgeleisen bei Stationserweiterungen ; Einschieben von eisernen Brücken beim Ersatz von alten Konstruktionen ; Instandstellung der Bahn bei allfälligen Unterbrechungen usw.

Nun sind eine Anzahl Kantonsregierungen der Ansicht, dass solche Arbeiten unter die Bestimmungen ihrer Sonntagsruhegesetze fallen. Einzelne Kantone nehmen grundsätzlich sogar die Bundesblatt. 64. Jahrg. Bd. IV.

17

214

Befugnis in Anspruch, solche Sonntagsarbeiten im Einverständnis mit den kirchlichen Organen zu untersagen. Von anderen Kantonen wird ausdrücklich verlangt, dass die Bahnverwaltungen von Fall zu Fall bei den kantonalen Behörden die Bewilligung zur Ausführung von Sonntagsarbeiten gegen Entrichtung einer Gebühr einholen; für Zuwiderhandlungen sind erhebliche Bussen vorgesehen und auch schon ausgesprochen worden.

Wir beehren uns nun, Sie darauf aufmerksam zu machen, dass dieses Vorgehen von kantonalen Behörden oder Polizeiorganen bei Ausführung von Arbeiten an den Bahnanlagen an Sonn- und Feiertagen einen Eingriff in die Eisenbahnhoheit des Bundes bedeutet. Da die Bundesverfassung von 1874 in Art. 26 die Gesetzgebung über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen dem Bunde zugewiesen hat, können in Fragen, welche den Bau und Betrieb von Bahnen berühren, kantonale Gesetze und Polizeivorschriften nicht in Betracht fallen. So ist z. B. immer verneint worden, dass eine kantonale oder kommunale Polizeibehörde die Ausführung eines von der Bundesaufsichtsbehörde genehmigten Projektes davon abhängig machen könne, dass auch, noch eine Baubewilligung bei ihr nachgesucht werde.

Auch die Präge der von den Bahnen zu beobachtenden Sonntagsruhe steht im engsten Zusammenhang mit den Bedürfnissen des Betriebes. Die Ordnung dieser Angelegenheit ist daher dem kantonalen Gesetzgeber, soweit es sich um allgemeine Erlasse, und der kantonalen Polizeibehörde, soweit es sich um die Kognition im einzelnen Falle handelt, entzogen und steht ausschliesslich der Bundesbehörde zu. So hat auch diese die allgemeinen Vorschriften über Sonntagsruhe im Güterdienst erlassen (Art. 9 und 10 des Arbeitsgesetzes; §§ 55 und 74, I. Nachtrag zum Transportreglement).

In allen den Betrieb berührenden Fällen kann eine kantonale Behörde, welche entgegenstehende Interessen zu wahren hat, dies nur tun, indem sie sich mit einem konkreten Begehren an die eidgenössische Aufsichtsbehörde wendet. Nur diese, nicht aber die kantonale Behörde selbst kann hierauf eine die ßahnverwaltung bindende Entscheidung treffen.

Gestützt auf diese Erwägungen ersuchen wir Sie, die nötigen Anordnungen zu treffen, damit die erwähnten Eingriffe der lokalen oder kantonalen Polizeiorgane bei Arbeiten, welche an Sonnund Feiertagen an Bahnanlagen vorzunehmen sind, in Zukunft unterbleiben.

215

Gleichzeitig teilen wir Ihnen mit, dass wir die Eisenbahnverwaltungen eingeladen haben, die zuständige kantonale Polizeibehörde jeweilen geziemend und wenn möglich vorher davon in Kenntnis zu setzen, wenn sie im Falle sind, gewisse Arbeiten an den Bahnanlagen im Laufe eines Sonn- oder Feiertages auszuführen.

Wir benutzen diesen Anlass, Sie getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtscbutz zu empfehlen.

B e r n , den 6. August 1912.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

"L. Forrer.

Der I. Vizekanzler: David.

-·ïa-O-eg--

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend Anordnungen zur Vermeidung polizeilicher Eingriffe bei Arbeiten, welche an Sonn- und Feiertagen an Bahnanlagen vorgenommen werden müssen. (Vom 6. August 1912.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1912

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

33

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

14.08.1912

Date Data Seite

213-215

Page Pagina Ref. No

10 024 714

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.