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Schweizerisches Bundesblatt.

4. Jahrgang. III.

No 25

19. Juni 1912.

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Druck und Expedition der Buchdruckerei Stämpfli £ de. in Bern,

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer Schmalspurbahn von Sitten nach Lenk über den Rawil.

(Vom 10. Juni 1912.)

Tit.

Mit Eingabe vom 5. November 1906 stellte ein Initiativkomitee, vertreten durch die HH. Ribordy, Ständerat in Sitten, ·und Vernier, Grossrat in Lenk, das Gesuch um Erteilung der Konzession einer Schmalspurbahn von Sitten nach Lenk über den Rawil.

Die Gesuchsteller betonen, dass die Eröffnung eines neuen Verkehrsweges, der zwischen den bedeutend von einander entfernten Linien der Lötschberg-Bahn und der Montreux-OberlandBahn liegen würde, den mittlern Teil des Wallis und das Simmental zu einer hohen wirtschaftlichen Entwicklung bringen müsste.

Dem Streben nach Erreichung dieses Zieles verdanke das Projekt einer Eisenbahn über den Rawil seine Entstehung.

Die Bahn würde die Menge der Touristen, die jetzt schon diese reizenden Gegenden besuchen, vermehren und das Simmental sowie die benachbarten bernischen Täler mit frühzeitigem Gemüse und Obst aus dem Wallis versorgen.

Bundesblatt. 64. Jahrg. Bd. III.

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Die zentrale Lage Sittens zwischen zahlreichen schon im Betrieb stehenden oder projektierten Touristenbahnen (MartignyChamonix, Leuk-Stadt - Leukerbad, Visp-Zermatt, die Furkabahn, die Bahn über den Grossen St. Bernhard) würden dem neuen Unternehmen einen aussergewöhnlichen Verkehr sichern.

Ausserdem würde auch die durch den Simplondurchstich bewirkte starke Zunahme des Touristenverkehrs die Rendite der Linie günstig beeinflussen.

Das Konzessionsgesuch lasse sich demnach kurz begründen mit der Notwendigkeit, den .Lokalverkehr zu erleichtern, sowie mit dem Bestreben, die wirtschaftliche Entwicklung des mittlern Wallis und der beteiligten Täler des Kantons Bern zu fördern.

Es ist in Aussicht genommen, die Linie nördlich der Stadt Sitten beginnen zu lassen. Eventuell könnte sie an die Linie der schweizerischen Bundesbahnen angeschlossen werden. Ein endgültiges Tracé könnte jedoch erst nach Erweiterung des Bahnhofes und der Eröffnung der durch die Stadt Sitten führenden Zufahrtswege aufgestellt werden. Die Linie ziehe sich über Mont Orge (Le Muraz), bediene die schöne Hochebene von Savièse, wende sich nach Grimisnat und Ayent auf dem linken Ufer der Sionne und kehre dann in einer Schleife nach Arbaz zurück, von wo sie den Bergabhang entlang den FUSS des Col du Rawil erreiche, den sie in einem Tunnel von 2800 m Länge überwinde. Vom Ausgange des Tunnels an folge das Tracé bis nach Lenk hinunter dem linken Ufer der Iffigen.

Der Höhenunterschied zwischen dem Endpunkte (1070 m) und dem Anfangspunkte (495 m) der Linie betrage ungefähr 575 m. Der höchste Punkt in der Mitte des Rawiltunnels liege 2050 m ü. M.

Der auf Wallisergebiet zu überwindende Höhenunterschied betrage daher ungefähr 1550 m. Die grosse Längenentwicklung der Linie gestatte jedoch, für den Südabhang eine Maximalsteigung von 6 °/o vorzusehen, wodurch es möglich werde, die Linie hier als Adhäsionsbahn zu erstellen.

Dem technischen Bericht entnehmen wir im übrigen folgende Angaben: Länge der Linie 43,500 m.

Spurweite l m.

Maximalsteigung der Zahnradstrecke 12 °/0.

Miuimalradius : 90 m nach dem Bericht, 100 m nach dem Voranschlag und 200 m nach dem Längenprofil.

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Zwischenstationen : 6, eventuell 8.

Güterverkehr : Vorgesehen.

Betriebssystem : Elektrische Kraft von der Bargne oder der Simme.

Der summarische Kostenvoranschlag im Betrage von 8,500,000 Franken weist folgende Hauptposten auf: Vorprojekte, Studien etc Fr. 300,000 Kapitalzinse . ,, 400,000 Expropriation ,, 500,000 Bau: Unterbau Fr. 2,865,000 ) Oberbau ,, 1,128,000 [ ,, 4,173,000 Gebäude ,, 180,000] Kraftzentrale ,, 700,000 Leitungsschiene, Beleuchtung, Telegraph, Telephon ,, 660,000 Rollmaterial ,, 830,000 Mobiliar und feste Stationseinrichtungen . . ,, 180,000 Allgemeine Kosten ,, 757,000 Total

Fr. 8,500,000

In ihren Vernehmlassungen vom 2. August 1907 und 29. März 1909 haben sich die Regierungen der Kantone Wallis und Bern zugunsten der Erteilung der Konzession ausgesprochen. Der Grosse Rat des Kantons Wallis hat sich in seiner Sitzung vom 1. Juni 1907 ebenfalls in diesem Sinne ausgesprochen, unter folgenden vom Staatsrat vorher aufgestellten Vorbehalten: 1. Als juristisches Domizil der Bau- und Betriebsgesellschaft ist Sitten zu bezeichnen; 2. ein Mitglied des Verwaltungsrates ist vom Staatsrat zu ernennen; 3. den Bewohnern der Bezirke Sitten und Hérens sind ermässigte Taxen zu gewähren; 4. das Tracé soll im Sinne einer direkteren Bedienung der Ortschaft Arbaz abgeändert werden; 5. die Benutzung der öffentlichen Strassen in der Stadt Sitten soll der eventuellen Erteilung einer Strassenbahnkonzession keinen Eintrag tun.

Alle diese Vorbehalte wurden vom Initiativkomitee der projektierten Eisenbahn angenommen, mit Ausnahme des Be-

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gehrens um Abänderung des Tracés zugunsten der Ortschaft Arbaz. Dieser Punkt wird bei der Genehmigung des allgemeinen Bauprojektes erledigt werden können.

Die ebenfalls zur Vernehmlassung eingeladene Verwaltung der schweizerischen Bundesbahnen hat mit Schreiben vom 16. September 1909 erklärt, dass sie gegen das Projekt nichts einzuwenden habe.

Anlässlich der vorgeschriebenen konferenziellen Verhandlungen, die am 15. Mai 1912 auf dem Eisenbahndepartement stattfanden, wurde der vom genannten Departement ausgearbeitete Beschlussesentwurf mit einigen Abänderungen angenommen. Da der Staatsrat des Kantons Wallis an dieser Konferenz nicht vertreten war, wurde ihm dieser Beschlussesentwurf nachträglich zugesandt. Mit Zuschrift vom 25. Mai ,,19|2 an das Eisenbahndepartement brachte er dann folgende Änderungen des Entwurfes in Vorschlag: Ad Art. 13, Absatz, 2.. Der. Bundesrat ist .ermächtigt, die Gesellschaft zur Beförderung lebender Tiere anzuhalten. Die Taxen werden vom Bundesrat festgesetzt.

Ad Art. 14. Die Gesellschaft ist befugt, den Betrieb der Eisenbahn für die Strecke Ayent-Lenk auf die Zeit vom 1. Juni bis 30. September, und für die Strecke Sitten-Ayent auf die Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober zu beschränken.

Sollten die örtlichen Verhältnisse den Betrieb während des ganzen Jahres rechtfertigen, so kann der Bundesrat die Gesellschaft dazu anhalten.

Ad Art. 17, Absatz 5. Die Gesellschaft ist verpflichtet, zu Bedingungen, welche im Einvernehmen mit dem Bundesrat aufzustellen sind, Abonnementsbillette zu reduzierter Taxe auszugeben.

Ad Art. 17, Absatz 6. Die Taxen dritter Klasse sind für die Bevölkerung der Bezirke Sitten und Hérens und des Obersimmentals um 50 °/o zu ermässigen. Diese Taxermässigung bezieht sich ebenfalls auf die Abonnementsbillette.

Mit Telegramm vom 31. Mai 1912 an das Eisenbahndepartement hat die Direktion der öffentlichen Arbeiten des Kantons Wallis auf die zu Art. 17, Absatz 6, beantragten Änderungen verzichtet. Der Artikel 17, Absatz 6, des Beschlussesentwurfes, der für die in Frage kommende Bevölkerung, eine Reduktion
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Die ändern vom Staatsrat des Kantons Wallis verlangten Änderungen sind vom Konzessionsbewerber, Herrn Ribordy, angenommen worden.

.

.

Was uns betrifft, so · schlagen wir für den Absatz 2 des Art. 14 folgenden Wortlaut vor: Der Bundesrat kann von der Gesellschaft eine Ausdehnung der Betriebsdauer verlangen. Es kann nämlich vorkommen, dass das Bedürfnis, die Betriebsdauer zu verlängern, sich nur während einiger Monate und nicht während des ganzen Jahres fühlbar macht.

Da uns das vorliegende Konzessionsgesuch zu keinen weitern Bemerkungen veranlasst, empfehlen wir Ihnen den nachstehenden Beschlussesentwurf zur Annahme und benutzen den Anlass, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu empfehlen.

B e r n , den 10. Juni

1912.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

L. JForrer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Schatzmann.

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Bundesbeschluss betreffend

Konzession einer Schmalspurbahn von Sitten nach Lenk über den Rawil.

jj;

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe der HH. J. Ribordy, Ständerat in Sitten, und P. Vernier, Grossrat in Lenk, vom 5. November 1906 ; 2. einer Botschaft des Bundesrates, vom 10. Juni 1912, beschliesst:

Einem Initiativkomitee, vertreten durch die HH. J. R i b o r d y , Ständerat in Sitten, und P. V e r n i e r , Grossrat in Lenk, wird zuhanden einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession für den Bau und den Betrieb einer schmalspurigen Eisenbahn von Sitten nach Lenk über den Rawil unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt.

Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Bahn wird als Nebenbahn im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 erklärt.

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Art. 3. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteilt.

Art. 4. Der Sitz der Gesellschaft ist in Sitten.

Art. 5. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weiteren Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen. Das Streckenund das Stationspersonal soll schweizerischer Nationalität sein.

Art. 6. Die Konzessionäre werden ermächtigt, die Linie in zwei Sektionen zu erstellen, nämlich: 1. Sitten-Ayent; 2. Ayent-Lenk.

Binnen einer Frist von 36 Monaten, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, sind dem Bundesrat für die Sektion Sitten-Ayent die vorschriftsmässigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft zur Genehmigung einzureichen.

Innert 6 Monaten nach der Plangenehmigung ist mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu beginnen.

Binnen 3 Jahren, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die Strecke Sitten-Ayent zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Die Fristen für die Erstellung der Strecke Ayent-Lenk werden vom Bundesrat festgesetzt.

Art. 7. Die Nichteinhaltung der im Art. 6 festgesetzten Fristen hat den Hinfall der Konzession nur für diejenige Strecke zur Folge, auf welche diese Fristen anwendbar sind.

Art. 8. Die Ausführung des Bahnbaues, sowie der zum Betrieb der Bahn erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausführungsplänen, welche vorher dem Bundesrat vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind. Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Die Bahnverwaltung hat dafür zu sorgen, dass die Tunnelavbeiten am Sonntag, mit Ausnahme der Arbeiten vor Ort und allfälliger unaufschiebbarer Arbeiten, eingestellt werden.

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Sie ist ebenfalls verpflichtet, Zerstörungsvorkehrungen, Erweiterungs- und Ergänzungsbauten, die im militärischen Interesse verlangt werden, beim Bau und später auf ihre Kosten auszuführen.

Art. 9. Die Bahn wird mit Spurweite von l Meter und eingeleisig erstellt und mittelst Elektrizität oder Dampf betrieben.

Art. 10. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zutage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen usw., sind Eigentum der Kantone Wallis oder Bern und an deren Regierungen unentgeltlich abzuliefern.

Art. 11. Den eidgenössischen Beamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 12. Der Bundesrat kann verlangen, dass Beamte od\ir Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlass geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Ebenso hat er das Recht, zu verlangen, dass Mitglieder der Verwaltung, welchen vorübergehend oder dauernd Funktionen eines Beamten oder Angestellten übertragen sind und die in der Ausübung derselben Anlass zu begründeten Klagen geben, dieser Funktionen enthoben werden.

Art. 13. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen zu unterziehen. Soweit sie Änderungen nötig findet, können solche erst eingeführt werden, nachdem sie vom Bundesrat genehmigt worden sind.

Die Gesellschaft übernimmt die Beförderung von Personen,, Gepäck und Gütern. Der Bundesrat ist ermächtigt, die Gesellschaft zur Beförderung lebender Tiere anzuhalten. Die Taxenwerden vom Bundesrate festgesetzt.

Art. 14. Der Betrieb der Strecke Sitten-Ayent kann auf dieZeit vom 1. Mai bis 31. Oktober und derjenige der Strecke Ayent-

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Lenk auf die Zeit vom 1. Juni bis 30. September beschränkt werden.

Der Bundesrat kann indessen von der Gesellschaft eine Ausdehnung der Betriebsdauer verlangen.

Art. 15. Die Beförderung von Personen soll täglich mindestens dreimal nach beiden Richtungen, von einem Endpunkt der Bahn zum ändern und mit Anhalten auf allen Stationen, erfolgen.

Die Fahrgeschwindigkeit der Züge wird vom Bundesrat festgesetzt.

Die Fahrpläne unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 16. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen zweiter und dritter Klasse aufstellen.

In der Regel sind allen Personenzügen Wagen beider Klassen beizugeben; Ausnahmen kann nur der Bundesrat gewähren.

Die Gesellschaft hat dafür zu sorgen, dass alle auf einen Zug mit Personenbeförderung sich Anmeldenden, wenn immer möglich, durch denselben, und zwar auf Sitzplätzen, befördert werden können.

Auf Verlangen des Bundesrates sind auch mit Warenzügen Personen zu befördern.

Art. 17. Für die Beförderung von Personen können Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze bezogen werden : in der zweiten Wagenklasse 75 Rappen, in der dritten Wagenklasse 55 Rappen per Kilometer der Bahnlänge.

Für Hin- und Rückfahrten sind die Personentaxen mindestens 20 °/o niedriger anzusetzen als für doppelte einmalige Fahrten.

Kinder unter vier Jahren sind gratis zu befördern, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird.

Für Kinder zwischen dem vierten und dem zurückgelegten zwölften Altersjahre ist in beiden Wagenklassen die Hälfte der Taxe zu zahlen.

Den Bewohnern der Bezirke Sitten, Hérens und Obersimmental sind für die 3. Klasse ermässigte Taxen zu gewähren.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, zu Bedingungen, welche im Einvernehmen mit dem Bundesrat aufzustellen sind, Abonnementsbillette zu reduzierter Taxe auszugeben.

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Art. 18. Für die Beförderung von Armen, welche sich als solche durch Zeugnis der zuständigen Behörden ausweisen, ist die halbe Personentaxe zu berechnen.

Auf Anordnung eidgenössischer oder kantonaler Behörden sind auch Arrestanten zu transportieren.

. Der Bundesrat wird hierüber die nähern Bestimmungen aufstellen.

Art. 19. Jeder Reisende ist berechtigt, 10 Kilogramm Reisegepäck taxfrei zu befördern, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für anderes Reisegepäck kann eine Taxe von höchstens 60 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

Mit Zustimmung des Bundesrates kann für das Reisegepäck ein Abfertigungsverfahren mit einer einheitlichen Taxe eingeführt werden. In diesem Falle setzt der Bundesrat die Taxe fest.

Art. 20. Bei der Erstellung der Gütertarife ist im allgemeinen vom Gewicht und Umfang der Warensendungen auszugehen, aber, soweit es die Bedürfnisse von Industrie, Gewerbe, Handel und Landwirtschaft rechtfertigen, auch auf den Wert und die wirtschaftliche Bedeutung der Waren Rücksicht zu nehmen.

Es sind Klassen aufzustellen, deren höchste nicht über 30 Rappen und deren niedrigste nicht über 15 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer betragen soll.

Eine ganze Wagenladung (d. h. mindestens 5000 Kilogramm oder 5 Tonnen) hat gegenüber den Stucksendungen Anspruch auf Rabatt.

Bei Beförderung von Waren in Eilfracht kann die Taxe um 100 °/o des gewöhnliehen Ansatzes erhöht werden.

Die für Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft erforderlichen Rohstoffe sollen am niedrigsten taxiert werden.

Art. 21. Für den Transport von Edelmetallen, von barem Gelde und von Kostbarkeiten mit deklariertem Wert ist für Fr. 1000 per Kilometer höchstens 15 Rappen zu erheben.

Art. 22. Traglasten mit landwirtschaftlichen und einheimischen gewerblichen Erzeugnissen, sowie Handwerkszeug für den persönlichen Gebrauch des Aufgebers, welche in Begleitung der Träger, wenn auch in besonderen Wagen, mit den Personenzügen transportiert und am Bestimmungsort sofort wieder in Empfang genommen werden, sind, soweit sie das Gewicht von 15 Kilogramm nicht übersteigen, frachtfrei. Für das Mehrgewicht ist die Taxe für Waren in gewöhnlicher Fracht zu erheben.

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Art. 23. Beim Eintritt von Notständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Teuerung der Lebens- und Futtermittel, sind für den Transport von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten, Kartoffeln, Futtermitteln usw. zeitweise niedrigere Taxen einzuführen, welche vom Bundesrate nach Anhörung der Bahn ver waltung festgesetzt werden.

Art. 24. Für Gepäck- und Gütersendungen kann eine Minimaltaxe erhoben werden, die aber den Betrag von 40 Rappen für eine einzelne Sendung nicht überschreiten darf.

Art. 25. Die vorstehenden Taxbestimmungen beschlagen bloss den Transport von Station zu Station. Die Waren sind von den Aufgebern an die Stationsverladplätze aufzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen.

Das Auf- und Abladen der Waren ist Sache der Gesellschaft, und es darf eine besondere Taxe dafür in der Regel nicht erhoben werden. Ausnahmen hiervon sind nur mit Zustimmung des Bundesrates zulässig für einzelne Klassen von Wagenladungsgütern, für lebende Tiere und andere Gegenstände, deren Verladung mit besondern Schwierigkeiten verbunden ist.

Art. 26. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchteile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet.

Das Gewicht wird bei Gütersendungen bis auf 20 kg für volle 20 kg gerechnet und bei Gepäcksendungen bis auf 10 kg für volle 10 kg; das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 kg berechnet, wobei jeder Bruchteil von 10 kg für eine ganze Einheit gilt.

Bei Geld- und Wertsendungen werden Bruchteile von Fr. -500 als volle Fr. 500 gerechnet.

Wenn die genaue Ziffer der so berechneten Taxe nicht ohne Rest durch 5 teilbar ist, so wird sie auf die nächsthöhere durch 5 teilbare Zahl aufgerundet, sofern der Rest mindestens einen Rappen beträgt.

Art. 27. . Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 28. Sämtliche Réglemente und Tarife sind mindestens drei Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrat zur Genehmigung vorzulegen.

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Art. 29. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen sechs. Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum deiTransporttaxen verhältnismässig herabzusetzen. Kann hierüber eine Verständigung zwischen dem Bundesrat und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschliesslich der Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 30. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äufnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Ferner sind die Reisenden und das Personal bei einer Anstalt bezüglich derjenigen Verpflichtungen zu versichern, welche aus dem Haftpflichtgesetz vom 28. März 1905 mit Bezug auf Unfälle beim Bau, beim Betrieb und bei Hülfsgeschäften sich ergeben.

Art. 31. Für die Ausübung des Rückkaufsrechtes des Bundes oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, der Kantone Wallis und Bern gelten folgende Bestimmungen : a. Der Rückkauf kann frühestens 30 Jahre nach Eröffnung des Betriebes und von da an je auf 1. Januar eines Jahres erfolgen. Vom Entschluss des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem Eiatritte desselben Kenntnis zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören. Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensions- und Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu - welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge getan werden, und sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnismässiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Januar 1950 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert

761 des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Kalenderjahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1950 und 1. Januar 1965 erfolgt, den 22V2fachen Wert; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1965 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages ; -- unter Abzug der Erneuerungsund Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzessionierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluss aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 32. Haben die Kantone Wallis und Bern den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein Rückkaufsrecht, wie es im Art. 31 definiert worden, jederzeit auszuüben, und die Kantone haben unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 33. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der 'Vorschriften dieses Beschlusses, welcher am 1. Juli 1912 in Kraft tritt, beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer Schmalspurbahn von Sitten nach Lenk über den Rawil. (Vom 10. Juni 1912.)

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1912

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25

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19.06.1912

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749-761

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