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Schweizerisches Bundesblatt.

64. Jahrgang. III.

No 24

12. Juni 1912.

Jahresabonnement (portofrei in der ganzen Schweiz) : 10 Franken.

Einrückungsgebühr per Zeile oder deren Bum 15 Ep. -- Iniente franko an die Expedition.

Druck und Expedition der Buchdruckern Stämpfli & die. in Bern.

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Bericht der

Kommission des Nationalrates über die Geschäftsführung des Bundesrates und des Bundesgerichtes im Jahre 1911.

(Vom 17. Mai 1912.)

Herr Präsident, Herren Nationalräte !

Wir beehren uns Ihnen nachstehend über die von uns vorgenommene Prüfung der Geschäftsführung des Bundesrates und des Bundesgerichtes für das Jahr 1911 Bericht zu erstatten.

Geschäftsführung des Bundesrates.

L Allgemeine Verwaltung.

Bundeskanzlei.

Der Bundesrat und das Vaterland haben im Jahre 1911 durch den Tod der Herren Bundesräte Brenner und Schobinger einen empfindlichen Verlust erlitten.

Bundesblatt. 64. Jahrg. Bd. III.

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Ihre hohen Verdienste für das Vaterland sind schon hervorgehoben worden. Wir empfinden jedoch das Bedürfnis, auch in diesem Berichte unsrer dankbaren Hochachtung vor den beiden hervorragenden Magistratspersonen Ausdruck zu geben.

Die parlamentarische Tätigkeit ist während des Jahres 1911 ziemlich lebhaft gewesen. Zur Erledigung der vielen Verhandlungsgegenstände mussten die eidgenössischen Räte ausser den beiden ordentlichen zwei ausserordentliche Sessionen anberaumen.

Das Antrags- und Vorschlagsrecht der Räte hat in 14 Postulaten oder Motionen, die sich auf alle möglichen Fragen beziehen, Ausdruck gefunden. Nur sechs Postulate sind erledigt worden.

Es sind noch 59 zu besprechen, von denen das älteste vom Jahre 1890 herrührt.

Drucksachen.

Im Jahre 1911 ist der Abonnementspreis für das Bundesblatt von Fr. 6 auf 10 erhöht worden. Diese Erhöhung hat einen empfindlichen Rückgang der Abonnentenzahl zur Folge gehabt.

Das Bundesblatt umfasst jetzt fünf starke Bände. Jedem Bande ist ein Inhaltsverzeichnis beigegeben. Die Kommission wünscht, es möchte dem letzten Jahresband jeweilen ein Gesamtregister für alle im Jahr erschienenen Bundesblätter beigefügt werden. Ein solch vollständiges Jahresregister würde das Nachschlagen ganz erheblich erleichtern.

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II. Departemente.

Justiz- und Polizeidepartement, A. Gesetzgebung und Rechtspflege.

Bnndesgesetzgebnng.

Wie vorauszusehen war, hat sich der Bundesrat im Betriebsjahre sehr eingehend mit der Einführung des schweizerischen Zivilgesetzbuches zu beschäftigen gehabt.

Er hat zu diesem Zwecke verschiedene Gesetze und Verordnungen erlassen, so das ßundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege, den Bundesbeschluss vom 11. Dezember 1911 über Errichtung eines eidgenössischen Grundbuchamtes, die Verordnungen und Kreisschreiben über Vieh Verpfändung, das Kreisschreiben vom 22. September 1911 über die Führung der Güterrechtsregister, den Bundesratsbeschluss über die Eintragung der vor dem 1. Januar 1912 begründeten Eigentums vorbehalte, die Dienstanleitung für die schweizerischen Zivilstandsbeamten, das Kreisschreiben über die Herausgabe amtlicher Akten und die Verpflichtung der Mitglieder des Bundesrates sowie der Beamten und Angestellten der Bundesverwaltung über Vorgänge in der eidgenössischen Verwaltung Zeugnis abzulegen. Es kommen noch die zahlreichen Formulare hinzu, die der Bundesrat oder das Justiz- und Polizeidepartement für das Inkrafttreten des schweizerischen Zivilgesetzbuches zu genehmigen hatte. Sie werden die gleichmässige Anwendung des neuen Gesetzes durch die Kantone sehr erleichtern.

Das Kreisschreiben vom 22. September 1911 über die Führung der Güterrechtsregister verbreitet sich über die gesetzliche Regelung der gemeinsamen Erklärungen der Ehegatten über Beibehaltung

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des bisherigen Güterstandes. Darnach würde diese Regelung nicht auch die Veröffentlichung der erwähnten Erklärungen in sich schliessen, um Dritten gegenüber geltend gemacht zu werden.

Uns scheint indessen, diese Anschauungsweise entspreche den Bestimmungen der Artikel 9, 2. Alinea, im Schlusstitel und 248 des schweizerischen Zivilgesetzbuches nicht.

Gemäss Artikel 9, Alinea 2, des Sehlusstitels stehen die Ehegatten Dritten gegenüber dem neuen Recht, wenn sie nicht vor dessen Inkrafttreten eine gemeinsame schriftliche Erklärung zur Eintragung in das Güterrechtsregister eingereicht haben. Und nach dem Wortlaut von Artikel 248 erlangt ein Ehevertrag nur dann gegenüber Dritten Rechtskraft, wenn er in das Güterrechtsregister eingetragen und veröffentlicht worden ist.

Daraus müsste man infolgedessen schliessen, die Veröffentlichung sei unerlässlich.

Wir nehmen davon Kenntnis, das die Arbeiten für die Vereinheitlichung des schweizerischen Strafrechts endlich eine entschiedene Gestalt annehmen. Auch hat man sich vorgenommen, ohne allzu grosse Verzögerung sowohl die vollständige Revision des Obligationenrechts als auch die vorbereitenden Arbeiten für die Gründung eines eidgenössischen Verwaltungsgerichts weiter zu betreiben.

Internationales Recht.

Wie in den vorhergehenden Jahren sind auch im abgelaufenen Geschäftsjahre auf Grund von Artikel 9 der Bundesverfassung zwischen einigen Kantonen und fremden Staaten Sonderverträge abgeschlossen worden.

Es handelt sich hauptsächlich um Verträge zur Vermeidung von Doppelbesteuerung und um Gegenrechtserklärungen über die gegenseitige Vollstreckung von Zivilurteilen. Es sind dies alles Verhandlungsgegenstände, die man viel lieber durch Verträge zwischen der Bundesregierung und den fremden Staaten direkt geregelt sähe. Wir verstehn sehr wohl, dass die Schwierigkeiten, die sich der Verwirklichung dieses Verlangens widersetzen, in der Verschiedenheit unserer kantonalen Gerichtsverfahren zu suchen sind. Nichtsdestoweniger ergibt sich daraus die Notwendigkeit, die Wünsche nicht aus den Augen zu verlieren, die in unsern Berichten schon so oft ausgesprochen worden sind.

Wir hegen die Hoffnung, dass die schweizerischen Abgeordneten bei einer baldigen Einberufung der internationalen Haager

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Konferenz die Genugtuung haben werden, den Vorschlägen Geltung zu verschaffen, die der Bundesrat für die Revision der Vormundschaftskonvention einzureichen gedenkt. Die vom Bundesrat vor Jahresfrist bei den Kantonen eingeleitete darauf bezügliche Untersuchung hat bewiesen, dass diese Konvention nicht geeignet ist, die bei seiner Annahme gehegten Wünsche zu erfüllen. Sie enthält noch einige Schwierigkeiten und Ungehörigkeiten, und wir glauben, man könnte sie ohne allzu grosse Mühe beseitigen.

Ebenso erwarten wir von der internationalen Haager Konferenz günstige Ergebnisse mit Bezug auf die Vereinheitlichung des Wechselrechtes und des Scheckrechtes.

Genehmigung von kantonalen Einführungsgesetzen.

Es ist erfreulich, festzustellen, dass alle Kantone vor dem 1. Januar 1912 die allgemeinen ergänzenden Gesetze und Verordnungen ausgearbeitet haben, die für die Anwendung des schweizerischen Zivilgesetzbuches erforderlich waren. So ist der Bundesrat glücklicherweise nicht in den Fall gekommen, von dem Artikel 53 des Schlusstitels des neuen Gesetzes Gebrauch zu machen. Es mag ja sein, dass einige Kantonsregierungen vereinzelte untergeordnete Verordnungen dem Bundesrat noch nicht zur Genehmigung vorgelegt haben. Aber bis jetzt hat diese Verzögerung zu bemerkenswerten Nachteilen nicht geführt, und übrigens kann man sich auf die wirksame Überwachung der Zentralbehörde verlassen, so dass diese Lücken bald ausgefüllt sein werden.

Handhabung des Artikels 35 der Bundesverfassung.

Dieser Stoff ist wieder auf der Tagesordnung, nachdem sich der Bundesrat veranlasst gesehen hat, über die in einer an ihn gerichteten Eingabe geschilderten Umtriebe im Kursaal in Genf eine Untersuchung einzuleiten und gegen den ,,Cercle des étrangerstc die gebotenen Massnahmen zu treffen. Es gereicht uns zum Vergnügen, festzustellen, dass die Strenge, mit der der Bundesrat die Nachachtung des Spielverbots von den Kantonen verlangt hat, nicht so weit gegangen ist, wie es einige gewünscht haben. Man hätte dadurch den erfreulichen Aufschwung unterbunden, den die Einführung der Kursäle mit der Zulassung des Rösslispiels unserer Fremdenindustrie verschafft hat. Und doch ist sie die Ursache des Wohlstandes mehrerer unserer Schweizerstädte. Es ist zu wünschen, dass die Schlussfolgerungen, zu denen der Bundesrat

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nach der Einvernehmung aller kantonalen Polizeidirektioneu gelangen wird, geeignet sein werden, die sicherste Gewähr zu bieten für den Schutz einer so wichtigen Erwerbsquelle, wie die Fremdenindustrie sie ist. Dies wird die Zentralbehörde nicht hindern, die wahren Spielhäuser, wie sie Artikel 35 der Bundesverfassung ins Auge fasst, mit allem Nachdruck zu bekämpfen.

Bei dieser Gelegenheit möchten wir die Aufmerksamkeit des Bundesrates auf die Notwendigkeit hinlenken, ernstlich auf die Ausarbeitung eines das Lotteriewesen gleichmässig regelnden gesetzlichen Erlasses hinzuzielen, wozu ihm der erwähnte Artikel 35 der Bundesverfassung die nötige Handhabe bietet. Das Beispiel der ,,Sequanaise-Capitalisation" ist einleuchtend genug, um uns von den Nachteilen und don Gefahren zu überzeugen, die daraus erwachsen, dass die Behandlung dieses wichtigen Gegenstandes den Kantonen überlassen bleibt.

Es ist unbedingt erforderlich, dass in allen Kantonen der Begriff Lotterie in gleichem Sinne ausgelegt wird. Nur so kann das Lotteriewesen gleichmässig geregelt und seinen Auswüchsen in der ganzen Schweiz in gleicher Weise begegnet werden.

Wenn die hohen Spiele in den Kursälen für eine bestimmte Gesellschaftsklasse moralische Schäden in sich bergen, so berührt das Lotteriewesen dagegen mehr den kleinen Mann und die ärmere Bevölkerung. Denn die Lotterie treibt ihr Wesen am hellichten Tage und richtet sich an alle Börsen. Der Staat muss sich namentlich den Schutz der weniger bemittelten Bevölkerung angelegen sein lassen.

Zivilstaud und Ehe.

Wir haben die Formulare für den Gebrauch der Zivilstandsbeamten und das Verzeichnis der Zivilstandskreise .und der Gemeinden der Schweiz sowie den ersten Teil einer Dienstanleitung für die schweizerischen Zivilstandsbeamten geprüft, die der Bundesrat infolge der durch das schweizerische Zivilgesetzbuch eingetretenen Neuerungen eingeführt und veröffentlicht hat. Wir haben uns überzeugen können, dass all diese Veröffentlichungen den kantonalen Beamten gute Dienste leisten. Deshalb wünschen wir, der zweite Teil der Dienstanleitung, Dessen Herausgabe, wie wir wissen, bereits vorbereitet wird, möchte auch bald erscheinen.

Diese Veröffentlichung wird ohne Zweifel eine .sich namentlich auf die alte und die neue Rechtspraxis fussende Erläuterung der .eidgenössischen Verordnung sein. Wir möchten,; dass darin auch a,ne. noc^i in/Kraft stehenden K.reisschr;eiben Aufnahme, fänden.

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Nur zu leicht werden sie von den Zivilstandsbeamten in den Gemeinden vergessen.

Wir teilen ohne Einschränkung die Grundsätze, nach denen der Bundesrat die verschiedenen Einwendungen beurteilt hat, von denen in seinem Berichte die Rede ist.

Eidgenössisches Vermessungsinspektorat.

In ihren letztjährigen Berichten haben die eidgenössischen Räte diese neue Einichtung begrüsst, die nun im Jahre 1911 durch das auf Grund des Bundesbeschlusses vom 11. Dezember gegründete eidgenössische Grundbuehamt ergänzt worden und dessen Aufgabe in der Botschaft des Bundesrats vom 26. August sehr klar erläutert ist.

Eine sehr wichtige, den Vermessungsdienst beschlagende Frage ist nun noch die, die sich mit den erforderlichen Fähigkeiten beschäftigt, um das eidgenössische Geometerdiplom zu erlangen und an den eidgenössischen Vermessungsarbeiten teilzunehmen.

Der Bundesrat hat in Abwendung von Artikel 34 der Verordnung über die Grundbuchvermessungen unterm 15. Dezember 1910 beschlossen, jede Person als im Besitze des eidgenössischen Diploms zu betrachten, die sich am 1. Januar 1911 über den Erwerb eines Konkordatsgeometerpatentes oder eines Geotneterpatentes der Kantone Freiburg, Waadt, Neuenburg oder Genf ausweisen würde.

Mit Datum vom 27. März 1911 hat der Bundesrat das Reglement über den Erwerb des eidgenössischen Geometerpatentes für Grundbuchvermessungen erlassen. Die Bewerber haben vor einer eidgenössischen Kommission zur Erlangung des Patentes eine Prüfung zu bestehen.

Wer also nicht eines der erwähnten Patente besitzt oder die vorgeschriebene Prüfung, die ziemlich schwierig ist, nicht besteht, wird das eidgenössische Diplom unter keinen Umständen erhalten. Es scheint sogar, dass beabsichtigt wird, die Erlangung des Diploms dadurch noch schwieriger >zu machen, dass man von den. Bewerbern die Ablegung der eidgenössischen Reifeprüfung und überdies den Besuch ; einiger :Semester an der eidgenössischen technischen Hochschule, verlangt.

, : Es ergibt sich daraus, dass, eine erhebliche Zahl von Geometern, die auf Grund kantonaler Prüfungen ihr Diplom, err halten haben und bis jetzt ihren Beruf ausüben, konnten,-.auf

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einen Schlag von den schweizerischen Grundbuchvermessungen ausgeschlossen würden. Dadurch würde natürlich eine sehr bedauerliche Sachlage geschaffen, die man unter Beobachtung von Billigkeitsrücksichten einer wohlwollenden Prüfung unterziehen sollte. Entweder könnte man die vorgesehenen Erfordernisse für die angeführten Prüfungen herabsetzen oder doch jede Härte durch mildere Übergangsbestimmungen vermeiden.

Rechtspflege.

Die Zahl der Rekurse hat seit dem letzten Jahre (174 im Jahre 1910 und 191 im Jahre 1911) zugenommen. Wir haben aber keine Veranlassung, uns darüber aufzuhalten. Wird doch eine grosse Zahl dieser Rekurse gemäss dem neuen Gesetze über die Organisation der Bundesrechtspflege in Zukunft dem Bundesgericht zur Erledigung überwiesen. Hätte diese Neuerung schon während des Berichtsjahres Anwendung finden können, würden wir 76 Rekurse weniger aufzuzeichnen gehabt haben, nämlich 63 Rekurse wegen Verletzung des Artikels 31 der Bundesverfassung und 13 solche über das Wahlrecht und über kantonale Wahlen und Abtimmungen. Dies sind die wichtigsten und umfangreichsten unter allen Rekursen, die bis jetzt in den Geschäftskreis des Bundesrats fielen.

Dieser Umstand lässt es uns auch als überflüssig erscheinen, den Inhalt der Entscheidungen zu prüfen, die der Bundesrat über diese Gegenstände getroffen hat. In der Tat wird sich nach den Grundsätzen, denen das Bundesgericht zu huldigen belieben wird, in dieser Hinsicht eine neue Rechtspraxis einbürgern.

Allerdings kann die heutige Rechtspraxis auf eine 35jährige Erfahrung zurückblicken, und überall wird sie nicht Anlass geben, seine letzten Anwendungen von neuem zu erwägen.

B. Polizeiwesen.

I. V e r t r ä g e und K o n v e n t i o n e n . Der Niederlassungsvertrag mit Deutschland, der mit seiner Ergänzung am 1. Oktober 1911 in Wirksamkeit trat, schuf anfangs Schwierigkeiten im Grenzverkehr. Es darf wohl wesentlich dem Umstand, dass der Sekretär des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements mit den Polizeibehörden der Grenzkantone sofort in direkten und mündlichen Verkehr trat, zugeschrieben werden, dass diese Schwierigkeiten bald gehoben wurden. Insbesondere musste die

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grundsätzliche Anordnung getroffen werden, dass der abschiebende Kanton die Übernahme durch den deutschen Grenzort verlangt und nicht die Abklärung der eigentlichen schweizerischen Grenzstation überlässt. Wie weit die neuen Bestimmungen über die Ausweispapiere sich praktisch bewähren, kann natürlich noch nicht gesagt werden.

Es wäre zu wünschen, dass wie mit der österreichischen Regierung auch mit ändern ausländischen Regierungen Übereinkommen getroffen werden könnten, die im Grenzbahnverkehr die Rückschiebung lästiger Elemente, welche auf eine Niederlassung kein Recht haben, erleichtern.

II. Die i n t e r n a t i o n a l e n A u s l i e f e r u n g e n und S t r a f v e r f o l g u n g e n beruhen bekanntlich auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit unter den Staaten, wobei eigentlich für alle dasselbe Interesse herrscht. Es ist daher interessant zu sehen, dass doch die grundlegende Gesetzgebung sehr verschieden ist.

Während wir uns einerseits darüber beklagen, dass Grossbritannien und die Vereinigten Staaten bei Auslieferungsbegehren nicht bloss Haftbefehl und Urteilsausfertigung, sondern auch die nötigen Akten zum Beweis der Schuld des Angeklagten verlangen -- tatsächlich wurden dann allerdings die konkreten Fälle im Sinne der Begehren erledigt -- konnte Deutschland bei der Strafverfolgung deutscher Reichsangehöriger, welche in der Schweiz ein Delikt begangen und sich dann nach Deutschland geflüchtet hatten, den Vorwurf erheben, dass die Schweiz in der Strafverfolgung von Schweizern im analogen Fall nicht volle Gegenseitigkeit leiste, weil nämlich der Kanton Bern Betrug und Unterschlagung, die von Bernern im Ausland begangen werden, gemäss seiner Strafgesetzgebung nicht verfolgt. Deutschland hat nun zwar trotzdem Strafverfolgung seinerseits in diesen Fällen zugesagt, aber unter der Voraussetzung, dass auch die Schweiz möglichst bald für volle Gegenseitigkeit durch ein einheitliches schweizerisches Strafrecht oder durch Revision der bernischen Gesetze sorge.

Der Kanton Bern hat auf eine wiederholte Anregung im letztern Sinn aber bis zum Moment dieser Berichterstattung gar nicht geantwortet. Betrug und Unterschlagung sind aber gerade Delikte die im internationalen Verkehr eine hervorragende Rolle spielen.

Wir heben dieses Moment hervor, um einen kleinen Beitrag zur Aufklärung über die Wünschbarkeit
eines schweizerischen Strafgesetzes zu liefern.

III. R o g a t o r i e n . Es fallt auf, dass unter Zifler 20 des Geschäftsberichtes mit einer gewissen Genugtuung konstatiert

·598 wird, die · französische Regierung habe sich bereit erklärt auf blosse Anfrage der schweizerischen Gesandtschaft hin Erhebungen zur Feststellung der Identität französischer Automobilfahrer, welche sich in der Schweiz der Übertretung der Vorschriften betreffend den Automobilverkehr schuldig gemacht haben, zu machen, ohne ein Requisitorial zu verlangen. Uns scheint, dass alle Staaten dieses Entgegenkommen zeigen sollten, nachdem auf dem Wege eines internationalen Übereinkommens Zeichen festgestellt wurden auf Grund welcher fremde Automobilfahrer ohne weiteres in der Schweiz fahren können. Um die Verfolgung zu ermöglichen wurden die internationalen Zeichen und Nummern verlangt. Wenn trotz derselben erst auf umständlichen Wegen die Identität festgestellt werden kann, müssen es die fremden Automobilfahrer diesem Umstand zuschreiben, dass ihnen bei Klage auf Übertretung trotz der Kennzeichen bedeutende Summen zur Sicherstellung der Busse abgenommen werden. Es sollte also wohl diese Identitätsfeststellung mit allen Nachbarstaaten in derselben Weise ermöglicht werden wie bei Frankreich.

IV. H e i m s c h a f f u n g und U n t e r s t ü t z u n g . An erster Stelle steht bei den schweizerischen Begehren um Heimschaffung verlassener Kinder und kranker, beziehungsweise hülfsbedürftiger Personen Italiens. Das erklärt sich ohne weiteres. Leider verstummen aber die Klagen darüber noch nicht, dass es bei diesem Land in der Regel sehr lang geht, bis die Heimschaffung bewilligt und ermöglicht ist.

Gleichzeitig machten die Kantone im Zeiträume vom 1. Juli 1910 bis 30. Juni 1911 für Verpflegung italienischer Angehöriger Rechnungen im Betrage von Fr. 125,227.66 geltend. Von den 2427 Rechnungen wurden von Italien im Berichtsjahr 15 Rechnungen mit Fr. 308.20 im ganzen gedeckt. Das Verhältnis der Zahlungen gleicher Rechnungen durch Österreich-Ungarn, wie das umgekehrte der Zahlungen fremder Rechnungen durch die Schweiz ist bedeutend besser. Wir sind nicht in der Lage zu beurteilen, warum in Italien die Sache so schwierig und langsam marschiert -- dagegen veranlagst uns diese Betrachtung die Bestrebung zu unterstützen, sich auf dem Wege internationaler Verständigung über die Frist zu einigen, innert welcher der Staat des Wohnsitzes die Verpflegung der fremden bedürftigen Ausländern selbst deckt und nach welcher
der Heimatstaat diese übernimmt. Selbstverständlich sind wir der Ansicht, dass die Kantone die, Frage ob, wann und wie ein Hülfsbedürftiger heimgeschafft werde, mit Humanität1 lösen, das schliesst aber nicht aus, dass der Bund

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.hilft die Last der Kantone durch internationale Schritte zu erleichtern und insbesondere eine kürzere Frist für die Abnahme der Heimzuschaffenden zu erreichen, nach welcher dann eben bezahlt werden muss.

V. V e r s c h i e d e n e s . "Wir begrüssen es, dass der ßundesrat auch an den 5. internationalen Kongress für S c h u t z a u f s i c h t einen Vertreter gesandt hat, der dann auch einen eingehenden Bericht einreichte. Aus diesem ergibt sich aber gerade, dass die Schweiz auf diesem Gebiet, das doch eine unentbehrliche Ergänzung des Strafrechts und des Strafvollzugs bildet, noch viel lernen kann. Zwar sind die Kantone bemüht, insbesondere seit sie den bedingten Strafaufschub oder Straferlass neben der bedingten Entlassung eingeführt haben, ihre Schutzaufsicht auszubilden. Sie ist aber auch im Vorentwurf zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch (Art. 11, 35 und 61) vorgesehen.

Der Bund hat also ein immer wachsendes Interesse am Fortschreiten dieser Entwicklung. Wir möchten daher empfehlen, dass die Anregungen der internationalen Kongresse auch den kantonalen Organisationen unterbreitet werden und dass der .Bundesrat prüfe, ob nicht sonst noch das Schutzaufsichtswesen in den Kantonen gefördert werden könnte. Schon das Bestreben, dem entlassenen Sträfling ausser dem Strafkanton eventuell Arbeit zu verschaffen und ihm dorthin mit Schutzaufsicht zu folgen, weist auf interkantonale wenn nicht eidgenössische Verständigung.

Dazu kommt das Bedürfnis nach Übergangsanstalten, für welche «inzelnen Kantonen die Mittel fehlen.

Zu bedauern ist, dass eine internationale Verständigung über die Behandlung der Z i g e u n e r nicht erreichbar zu sein scheint.

Trotz aller Bemühungen verschiedener Kantone diese Wanderer, die sozusagen ausnahmslos für den Ort ihres Aufenthalts eine Belästigung bilden, von unserm Land wegzuhalten, sind auch im Berichtsjahr Zigeuner da und dort aufgetaucht. Sie stellen sich .in der Regel durch ihr Verhalten ausser die öffentliche Ordnung und können daher schwerlich auf den Schutz des Fremden, .der seine Abgaben zahlt, Kinder in die Schule schickt, seinen Haus:halt in geziemender Deckung abspielen lässt, irgend eine Arbeit verrichtet, etc. beanspruchen. Auch die kantonalen Ausweisungen scheinen sie nicht fernzuhalten. Wir schliessen uns der von anderer Steile gefallenen Anregung an,
dass hier entweder die Eidgenossenschaft durch Ausweisung auf Grund von Art. 70 der Bundesverfassung -- sofern dies angeht -- abhelfe, oder dass die Kantone die gegenwärtig ihnen unterbreitete Vereinbarung

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über Ausweisung von Delinquenten auf die Zigeuner anwenden.

Unserer humanen Zeit und auch des Bundesverhältnisses der Kantone zueinander ist das Herumschieben dieser Zigeuner von Kanton zu Kanton nicht würdig.

VI. Das Z e n t r a l p o l i z e i b u r e a u , von dessen praktischer Einrichtung und prompter Arbeit eine Abordnung sich überzeugte, klagt einmal darüber, dass einzelne Kantone die Strafurteile nicht regelmässig schicken und sodann, dass andere die Auskunftsbögen über Verbrechen nicht vollständig ausfüllen.

Wir begreifen diese Behörden nicht, da ja selbstverständlich eine Zentralstelle für polizeiliche Informationen nur richtig arbeiten kann, wenn sie selbst prompt und lückenlos bedient wird.

Im Allgemeinen sei uns schliesslich noch zum Polizeiwesen des Bundes folgende Bemerkungen gestattet. Bekanntlich ist der Bund für alle seinen polizeilichen Anordnungen und Interressen auf die Tätigkeit der kantonalen Polizeiorgane angewiesen. Es kann ihm daher nicht g eichgültig sein, wenn diese sich immer einheitlicher entwickeln und wenn die Kantone mit Hülfe der Polizeikommandantenkonferenzen insbesondere aber der P o l i z e i d i r e k t o r e n k o n f e r e n z e n über Fragen, die sehr oft den Bund ebensosehr wie die Kantone interessieren, verständigen. Es ist daher auch begrüsst worden, dass im letzten Jahr der Departementsvorstand selbst, wie schon früher der Sekretär an einer solchen Konferenz teilnahm. Die kantonalen Polizeidirektoren sind bis jetzt fünfmal zusammengekommen. Eine^ Bundessubvention für die Kantone haben sie nie besprochen -- aber unter anerkennenswerter Mitwirkung des Departementes haben sie wesentliche Verbesserungen in den Polizeitransporten veranlasst, die strengere Behandlung der Zigeunerbanden angebahnt, eine Abwehr gegenüber die Überschwemmung des Landes mit fremden Hausierern eingeführt, eine Einigung über die Umwandlung der kantonalen Ausweisungen in eine ,,schweizerische" vorbereitet, Anregungen zum Automobilkonkordat gemacht und eine Reihe schweizerischer Polizeifragen wie Mädchenschutz, Bekämpfung der Tuberkulose in und ausser den Gefängnissen, Lotteriewesen etc. abzuklären versucht. Es darf daher wohl diese Konferenz weiter dem Justiz- und Polizeidepartement der Eidgenossenschaft zu moralischer Unterstüzung empfohlen werden.

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I, Teil.

I. Allgemeines.

Es kann mit Befriedigung konstatiert werden, dass man bestrebt ist, durch Erlass von Gesetzen und Verordnungen die in der Militärorganisation vom 12. April 1907 niedergelegten Grundsätze zur Ausführung zu bringen. Man erwartet davon für die Ausbildung der Truppen, die Disziplin und den militärischen Geist in der Armee gute Erfolge. Das neue Verwaltungsreglement für die schweizerische Armee ist in Umarbeitung; die bezüglichen Vorarbeiten seien noch nicht zum Abschlüsse gelangt. Es ist zu wünschen, dass dieselben zum baldigen Abschlüsse geführt werden möchten, da verschiedene Bestimmungen des jetzigen Réglementes den Zeitverhältnissen nicht mehr entsprechen und ungenügend sind.

II. Personelles.

Durch die Presse hat man Kenntnis erhalten von der Wahl ·der höhern Truppenführer. Den Wahlen folgten unmittelbar Ablehnungen, ohne dass genügende Gründe dafür in die Öffentlichkeit gelangten. Diese Tatsachen verursachten in weitern Kreisen ·eine gewisse Beunruhigung. Eine allseitige Aufklärung wäre geboten und dürfte das Vertrauen des Volkes zur Armee nur .'kräftigen.

III. Wehrpflicht.

Im Berichtsjahre sind 270 Rekurse in Militärsteuersachen "bei den Bundesbehörden eingelangt. Die Zahl ist immer noch gross. Es wäre zu wünschen, dass man zu bestimmten, klaren .Steuergrundsätzen und zur einheitlichen Anwendung derselben jn allen Kantonen gelangen würde.

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IT. Ergebnisse der Rekrutierung.

Im Berichtsjahre stellten sich zur Aushebung 33,324 Rekruten; davon wurden 22,309 als tauglich- erklärt. Im Vorjahre betrug die Zahl der Stellungspflichtigen 33,316. Von diesen wurden 21,102 Mann diensttauglich befunden. Die Zahl der Stellungspflichtigen vermehrte sich daher um 8 Mann und die der Diensttauglichen um 1207 Mann. In Prozenten ausgedrückt beträgt die Zahl der Diensttauglichen pro 1911 = 66,9, pro 1910 = 63,4. Die Zahl der Stellungspflichtigen ist somit nicht im gleichen Verhältnis gewachsen, wie die Bevölkerungsziffer.

Die Tauglichkeitsziffer ist grossen Schwankungen unterworfen ; von 52 °/o im Jahre 1895 ist sie auf 66,9 % im Berichtsjahre angewachsen. Wenn immer der gleiche Massstab für die Beurteilung angelegt worden ist, so dürfte der Schluss auf eine günstige Hebung der Volkskraft gezogen werden.

Die Gesamtzahl der eingerückten Rekruten beträgt 20,741 ; davon wurden ausexerziert 19,223, oder 92,7 °/o, im Vorjahre ebenfalls 92,7% und pro 1909 93%.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass auch die gewissenhafteste Untersuchung in der bei der Aushebung verfügbaren Zeit nicht zu einem absolut sichern Resultate gelangen kann. Es ist daher zu begrüssen, dass nun während der ersten Zeit der Rekrutenschule die Mannschaft genau beobachtet wird, dass physisch schwächere Rekruten nochmals ärztlich untersucht und je nach dem Befunde über dieselben verfügt wird.

Die Kommission wünscht, dass die pädagogischen Prüfungen beibehalten werden. Sie sind ein wirksames Förderungsmittel für die Volksschule überhaupt. Immerhin haben auch die neuem, bezüglichen Verordnungen noch nicht in jeder Beziehung die gewünschten Vereinfachungen gebracht, indem noch zu viel Gewicht auf gedächtnismässiges Wissen, namentlich in der Vaterlandskunde, gelegt wird. Es ist anzuerkennen, dass durch Verabfolgung einer Zwischenverpflegung an die Rekruten für deren körperliches Befinden während der Rekrutierung gesorgt wird.

Von 29,940 Rekruten bestunden 27,541 die Turnprüfung, 2399 oder 8,01 % wurden von derselben dispensiert. Laut Bericht des Oberexperten habe die freiwillige turnerische Tätigkeit seit Einführung der Turnprüfung bedeutend gewonnen. Auch die Ausbreitung des turnerischen und bewaffneten Vorunterrichtes wird als eine direkte Folge der eingeführten Turnprüfung angesehen. Es ist eine höchst erfreuliche Tatsache, dass das Turn^

603 wesen im Aufblühen begriffen ist, und dass auch der Vorunterricht breiten Boden fasst in der Bevölkerung; jedoch dürfte die Förderung des letztern noch in ändern Umständen zu suchen sein.

2. Teil, I. Vorunterricht.

Im Berichtsjahre wurde das ,,Reglement für die Turnkurse" herausgegeben, das die Organisation, Leitung und Verwaltung der verschiedenen Arten von Turnkursen ordnet. Am 1. August erschienen die ,,Vorschriften über die Geräte für den Turnunterricht." Es kann im Turnbetriebe auch ein Fortschritt konstatiert werden in der Richtung, dass man dem Gesundheitsturnen und dem Spiele erhöhte Aufmerksamkeit schenkt. Der Druck der schon längst erwarteten Turnschule konnte noch nicht zu Ende geführt werden. Das baldige Erscheinen derselben dürfte mancher Unsicherheit im Turnbetriebe abhelfen.

Der militärische Vorunterricht hat eine ganz erfreuliche Entwicklung angenommen. Der turnerische Vorunterricht hatte eine Schülerzahl von 7668, der bewaffnete zählte 11,753, total 19,421.

Im Jahre 1910 waren es 4,667 + 9732 = 14,399, somit mehr 5022 Schüler. Die vom Bunde ausgerichteten Beiträge belaufen sich auf Fr. 14,430. Vom Bunde wurden ferner 6898 Kadetten mit einem Beitrage von Fr. 17,465 unterstützt.

II. Rekruten- und Kaderschulen.

Durch die neue Truppeneinteilung ist die Zahl der Kreisinstruktoren reduziert worden. Die Ausbildung der Truppen soll nach der neuen Militärorganisation zum grössteh Teil in die Hände der Truppenoffiziere gelegt werden. So sollte es möglich sein, die Zahl der Instruktionsoffiziere noch mehr zu verringern.

Es muss anerkannt werden, dass beim Militärdepartement der ernste Wille besteht, den Ausschreitungen übereifriger Offiziere und Unteroffiziere zu begegnen. Durch die neue Militärorganisation ist die Möglichkeit vorhanden, eine vermehrte Anzahl von Berufsoffizieren bei den Truppen einzuteilen. Es können dagegen keine Einwendungen gemacht werden; immerhin ist zu wünschen, dass durch diese Neuerung die Milizoffiziere in ihren Anrechten auf Avancement und Kommandostellen nicht etwa beeinträchtigt werden möchten.

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Die regimentsweisen Rekrutenschulen, Gebirgstruppen inbegriffen, sind eine unbeliebte Neuerung. Sie schädigen das wirtschaftliche Leben und bringen für die Ausbildung der Truppen kaum die erhofften Vorteile. Es wird deshalb gewünscht, dass man wieder zur früheren Ordnung zurückkehre. Auch den Studierenden sollte die Möglichkeit geboten werden, ohne grössere Beeinträchtigung ihrer Studien die Rekrutenschule absolvieren zu können. Bei Aufstellung des Schultableaus dürfte auf die verschiedenen Bedürfnisse einigermassen Rücksicht genommen werden.

Die Offiziersschulen wiesen eine Schülerzahl von 310 auf.

Davon konnten 309 brevetiert werden. Im Jahre 1910 rückten 293 Offiziersschüler ein, und es wurden 287 brevetiert. Es kommt immer noch vor, dass Offiziersaspiranten vor der Offiziersschule als Unteroffiziere in eine ganze oder halbe Rekrutenschule einberufen werden. Wenn dies als nötig erscheint zur sichern Beurteilung der Frage, ob der Mann zur Einberufung in die Offiziersschule qualifiziert sei oder nicht, so kann dagegen nichts eingewendet werden. Wenn aber dieses Vorgehen ein Mittel sein sollte zur leichtern Beschaffung der Kaders für die Rekrutenschulen, so sei bemerkt, dass dafür die gesetzliche Grundlage nicht vorhanden ist.

Es wurde geltend gemacht, dass die Schule für Offiziere der Sanität, des Verpflegungs-, Kommissariats- und Traindienstes (für Dienste hinter der Front) mit der Schulzeit (26 Tage) etwas zu reichlich bedacht seien. Das Unterrichtsprogramm könnte während 18 Tagen durchgeführt werden.

Die Zahl der Schiessvereine betrug im Berichtsjahre 3,973 mit 232,039 Mitgliedern. Der Bundesbeitrag belief sich auf Fr. 559,280.io. Das Schiesswesen hat eine erfreuliche Entwicklung genommen. Die Beschaffung von Schiessplätzen bietet beim Gebrauch der weittragenden Waffen immer grössere Schwierigkeiten und verursacht den Gemeinden oft bedeutende Auslagen.

Es sei darauf hingewiesen, dass es m e h r e r e n Gemeinden gestattet ist, e i n e n g e m e i n s a m e n Schiessplatz anzulegen.

Kleinern Gemeinden ist diese Lösung zu empfehlen, und für grössere ist sie oft auch der einzige Ausweg.

III. Wiederholungskurse.

Die Mobilmachung stellt an die Sammelplätze ganz bedeutende Anforderungen. Beim Einrücken und bei der Entlassung haben jene die Unterkunftsräume für Mannschaft und Pferde zur

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Verfügung zu stellen und die Verpflegung zu liefern. Vielen Ortschaften ist es nur mit grossen Auslagen möglich, die nötigen Räumlichkeiten zu beschaffen. Der Bund dürfte die Sammelplätze mit Beiträgen unterstützen oder in seinen - Kosten bleibende Baracken errichten. Bei den teuern Lebensmittelpreisen muss von den Gemeinden auf die Verpflegung oft ein Zuschuss gemacht werden. Auch hier dürfte die Entschädigung so bemessen werden, dass die Plätze nicht mit grössern Defiziten zu rechnen haben.

3. Teil.

II. Sanität.

Der Bericht vermeldet die hohe Zahl von 43 Typhusfällen.

Davon traten 6 Fälle anschliessend an den Wiederholungskurs des Bataillons 45 auf. 20 Typhusfälle, 5 mit tödlichem Ausgange, gehörten dem Bataillon 88 an. Trotz eingehender Untersuchung war es nicht möglich, die Typhusquelle zu entdecken. Der Bericht sagt, dass alle Sorgfalt und alle möglichen Vorsichtsmassregeln uns nicht davor schützen werden können, dass der Typhus gelegentlich auch in unserer Armee seine Opfer fordere.

Das soll uns aber nicht abhalten, der Fürsorge für die Gesundheit der Truppen in jeder Hinsicht die peinlichste Sorgfalt zu widmen.

2. Militärversicherung.

Im Berichtsjahre sind an 5906 Versicherte Entschädigungen ausgefolgt worden. Die Zahl der häuslichen Pflegetage betrug 18,730, im Vorjahre 14,663. Die Spitalpflegetage beliefen sich auf 90,744, im Vorjahre auf 81,361. Pensionen wurden ausgefolgt im Jahre 1910 an Invalide Fr. 34,005 und an Hinterlassene Fr. 38,300, total Fr. 72,305, im Jahre 1911 an Invalide Fr. 33,805, an Hinterlassene Fr. 35,750, total Fr. 69,555.

Die Summe der Pensionen hat somit abgenommen um Fr. 2750.

Die Kommission ist mit einer largen Anwendung der bezüglichen Vorschriften einverstanden.

III. Veterinärwesen.

Im Berichtsjahre betragen die Gesamtauslagen für umgestandene und übernommene Pferde, für Abschätzungen, Kurkosten etc. Fr. 655,720. 45. Gegenüber dem Vorjahre haben sich die Bundesblatt. 64. Jahrg. Bd. III.

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Gesamtauslagen um Fr. 13,649. 87 vermindert. Es muss begrüsst werden, wenn dem Studium der Frage, ,,wie diesen, vom militärischen und finanziellen Standpunkte aus gleich bedauerlichen Übelständen wirksam entgegengearbeitet werden kann," neuerdings alle Beachtung geschenkt wird.

a. Kommissariatswesen.

Der Bericht sagt, dass für die Fleischlieferungen auf den ständigen Waffenplätzen, soweit dies zu annehmbaren Preisen möglich war, die Verwendung von inländischem Fleisch vorgeschrieben worden sei. Es ist dieses Vorgehen auch inskünftig zu empfehlen.

Y. Kriegsmaterial.

Man interessiert sich um die Frage, in welchem Stadium, die Versuche mit der neuen Bekleidung sich befinden, ob und eventuell wann diese zur Einführung kommen werde. Fabrikanten und Lieferanten werden sich je nach den Verhältnissen einrichten müssen.

VIII. Militärjustiz.

Es fällt die sehr erhebliche Zahl der Diebstähle auf. Gegenüber 27 Fällen des Vorjahres sind sie im Berichtsjahre auf 53 gestiegen. Ferner haben auch die vom Gesetze als Dienstverletzungen bezeichneten Vergehen, wie Dienstverweigerung, Dienstversäumnis, Nichtbefolgung eines Dienstbefehls, zugenommen.

Gewisse Zeitungen haben dem Militärdepartement wegen seines Kreisschreibens an die kantonalen Militärbehörden vom 18. Oktober 1911 einen Vorwurf gemacht. Die Kommission hat die Frage sorgfältig geprüft und ist zu der Überzeugung gelangt, dass das Departement seine Befugnisse nicht überschritten und nur seine Pflicht getan hat.

In der Tat hat sich das Departement darauf beschränkt, auseinanderzusetzen, dass man gewissen Zuwiderhandlungen gegen die Disziplin mehr Bedeutung beimessen sollte. Wenn Mannschaften zum zweiten oder dritten Male einen Dienstbefehl ohne Entschuldigung nicht befolgen, so sei das keine gewöhnliche Verletzung der Disziplin.

Das beanstandete Kreisschreiben ist nicht an die Militärgerichte gesandt worden. Diese haben weder Befehl noch An-

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Weisung erhalten ; nicht einmal irgend ein Ratschlag ist ihnen vermittelt worden und auch kein Hinweis auf die Bestimmungen des Gesetzes zugegangen.

Der ernste Tatbestand hat den Erlass des Kreisschreibens vollkommen gerechtfertigt. Es ist bekannt, dass einige kantonale Militärbehörden sich gewöhnlich damit begnügten, Soldaten, die sich in Missachtung des Gesetzes und der Dienstbefehle Jahr für Jahr dem Militärdienst ohne irgendwelche Entschuldigung entzogen, nur mit gelinden Disziplinarstrafen belegten.

Unter solchen Umständen haben wir es als durchaus gerechtfertigt erachtet, dass auf die einschlägigen Gesetzesparagraphen hingewiesen und ein Verzeichnis der Dienstsäumigen eingefordert werde.

Finanz- und Zolldepartement.

A. Finanzverwaltung.

Gesetzgebung und Postulate.

Prämienanleihe des Roten Kreuzes.

Die eidgenössischen Räte haben Ende 1910 das Traktandum' ,,Prämienanleihe des Roten Kreuzes" von der Traktandenliste abgesetzt und im Frühjahr 1911 hat die Direktion des Roten Kreuzes ihrerseits das Gesuch endgültig zurückgezogen. Damit ist aber die Frage der Finanzierung dieser wohltätigen Institution nicht erledigt. Es ist Tatsache, dass durch die Annahme der neuen Truppenordnung die Ansprüche des Heeressanitätsdienstes an das Rote Kreuz gewaltig wachsen werden, und Tatsache ist es, dass die privaten Mittel nicht ausreichen, den humanen und vaterländischen Zweck voll und ganz zu erfüllen. Ein Gesuch um vermehrte finanzielle Unterstützung von Seiten des Bundes ist zurzeit noch nicht gestellt, wird aber notwendigerweise kommen müssen.

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Die Kommission stellt keinen Antrag, sie glaubt aber, dem Bundesrate den Wunsch aussprechen zu dürfen, er möge der Sache des Roten Kreuzes seine kräftige Unterstützung zuteil werden lassen und ein allfälliges Gesuch um finanzielle Hülfe in wohlwollende Erwägung ziehen. Eine reichlichere Subventionierung der Bestrebungen des Roten Kreuzes wird sicher allseitige Billigung finden.

Eechnung der Post- und Telegraphenverwattung.

Der Geschäftsbericht gibt in ziemlich ausführlicher Weise die Geschichte des Postulates Nr. 704 wieder. Es war eine mühsame Arbeit -- die Nacht der alten eingelebten Gewohnheiten weicht langsam aus den Tälern. -- Wir beglückwünschen den Bundesrat zu der neuen Ordnung der Dinge. Die Ausscheidung der Rechnungen der Post- und Telegraphenverwaltung, sowie der übrigen Regiebetriebe aus der allgemeinen Staatsrechnung, die Aufstellung zutreffender Reinertragsrechnungen mit eigener Vermögensrechnung und Bilanz und endlich der Beschluss, auf 1. Januar 1913 die doppelte Buchhaltung einzuführen, das sind entschiedene Fortschritte.

Reformen der Bundesverwaltung.

Es kann nicht die Aufgabe der Geschäftsprüfungskommission sein, sich über die Notwendigkeit einer Reform in der Organisation des politischen Departements und des Bundesrates auszusprechen, zumal für dieses Geschäft eine Spezialkornmission besteht, die hoffentlich bald in die Lage versetzt wird, an die Arbeit zu gehen. Es ist eine harte NUSS, aber harte Nüsse muss man eben knacken, durch blosses Anschauen und Umdrehen bringt man den Kern nicht heraus. Die neueste Phase der Entwicklung lässt vermuten, dass noch manches Wort gewechselt werden wird, ehe man Taten sieht.

Am 1. Januar 1912 ist ein ßundesratsbeschluss betreffend die Bezeichnung der in jedem Departement zur Ausstellung und Unterzeichnung der Zahlungsanweisungen auf die Budgetkredite berechtigten Beamten in Kraft getreten, der eine wesentliche Entlastung der Herren Bundesräte gebracht hat in dem Sinne, dass dieselben in Zukunft nicht mehr mit dem Unterschreiben der zahlreichen Anweisungen ihre kostbare Zeit verlieren müssen.

Die Kommission hält diese Anordnung für sehr zeitgemäss, glaubt aber immerhin, dass noch eine Lücke besteht. Nach der

609 bisherigen Praxis der Unterzeichnung hatte der Chef des Departements eine ständige Kontrolle über den Umfang der Verwendung der Budgetkredite, nach der neuen Ordnung verliert der Chef diese Kontrolle, wenn nicht eine ergänzende Anordnung getroffen wird. Wir denken uns dieselbe so, dass dem Vorsteher des Departements alle 14 Tage oder mindestens jeden Monat eine Zusammenstellung über die benützten Kredite vorgelegt wird, aus welchen er regelmässig in kurzer Zeit den notwendigen Überblick gewinnt.

Der Chef des Finanzdepartements, dem wir diese Anregung unterbreitet haben, hat derselben zugestimmt und für sein Departement bereits vorher schon das Bedürfnis empfunden, zur Erlangung einer Kontrolle Vorkehr zu treffen. Wir möchten dem Bundesrat empfehlen, auch für die ändern Departemente ein Gleiches anzuordnen.

Gründung einer Alters-, Invaliden-, Witwen- und Waisenkasse für das Personal der Bundesverwaltung.

Die Kommission hat aus dem Berichte des Bundesrates mit Befriedigung ersehen, dass das alte Postulat der Schaffung einer Hülfskasse seiner endlichen Verwirklichung entgegenzugehen scheint. Nachdem die Notwendigkeit und die Wünschbarkeit einer solchen Kasse von allen Seiten bejaht worden ist, nachdem auch in sehr anerkennenswerter Weise das Personal zur Äufnung des Hülfsfonds pro 1911 einen Beitrag von Fr. 457,000 gespendet hat und ein Gleiches für 1912 in Aussicht stellt, nachdem endlich die eidgenössischen Räte im Juni 1911 aus dem Überschuss der Jahresrechnung eine Summe von zwei Millionen zu demselben Zwecke dekretiert haben, scheint die Sache auf guten Wegen zu sein. Damit dürften dann auch die Verhältnisse des Lebens-^ Versicherungsvereins, der einen jährlich wachsenden Beitrag dea Bundes erhält, besser geordnet werden. Zurzeit ist das Versiehe1* rungsamt mit der Ausarbeitung des technischen Berichtes be^ schäftigt.

Kontrollierung der Wertschriftenverwaltung.

;

Im Berichtsjahre noch nicht ausgeführt, aber für 1912 bestimmt in Aussicht gestellt ist die Übergabe des gesamten Bestandes an eidgenössischen Wertschriften, Kautionen und Depota zur : Auf bewahrung und Verwaltung an die Nationalbank. Dem Finanzdepärtement verbleibt alsdann nur noch das Verfügungs1

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recht über An- und Verkauf von Wertschriften und die Buchführung über diese Titel.

Die Kommission begrüsst diesen Beschluss sehr, die Nationalbank eignet sich nicht nur vortrefflich für die Wertschriftenverwaltung, sie ist auch schon durch das Bundesgesetz über die Nationalbank in Art. 16, Ziffer 2, hierzu verpflichtet worden.

Der zitierte Artikel sagt: ,,Die Nationalbank ist verpflichtet, soweit es verlangt wird, die dem Bund gehörenden und die unter seiner Verwaltung stehenden Wertschriften und Wertgegenstände unentgeltlich zur Aufbewahrung oder Verwaltung zu übernehmen"1.

Bisher wurden An- und Verkauf von Wertschriften meist durch Privatbanken besorgt und wie uns bezeugt wurde, zu coulanten Bedingungen. Allein bei der neuen Anordnung soll dies, was wir eigentlich als selbstverständlich betrachten, in der Regel durch die Nationalbank geschehen.

VI. Münzverwaltung.

Die Prägung von 100,000 goldenen Zehnfrankenstücken ist erst Januar/Februar 1912 erfolgt, aber immerhin für Rechnung des Jahres 1911. Die ersten schweizerischen Zehnfrankenstücke sind im März 1912 in Umlauf gesetzt worden. Diese neue Münze ist wirklich gelungen und geschmackvoll; man spendet ihr das glänzendste Lob. Sie macht dem Talente des Herrn Prof. Landry alle Ehre. Er hat ernste technische Schwierigkeiten überwinden müssen, um das Relief der Bildseite herauszubilden ; denn das Geldstück ist sehr dünn. Die erste Million wird kaum im Umlauf sein. Jeder wird ein oder mehrere dieser neuen Zehnfrankenstücke aufbewahren wollen. Das Budget von 1912 sieht die Prägung einer zweiten Million vor. Wir begrüssen es, finden jedoch diese Massnahme noch nicht ausreichend. Nachdem sich die Bevölkerung einmal daran gewöhnt haben wird, sich des Zehnfrankenstückes zu bedienen, wird sie von den schwerfälligen, sperrigen Fünffrankenstücken nichts mehr wissen wollen.

Das Zehnfrankenstück wird kostbare Dienste leisten und sehr rasch volkstümlich werden ; es wird im innern Verkehr eine wichtige Rolle spielen. Bis jetzt haben wir in der Schweiz nur französische Zehnfrankenstücke gehabt. Sie waren aber ziemlich selten und infolgedessen nur in beschränktem Masse im Gebrauch.

Das neue Zehnfrankenstück wird in der Schweiz bleiben. Es ist noch zu bemerken, dass das Fünffrankenstück in Wirklichkeit

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' nur 45 °/o des Nominalwertes aufweist. Dagegen hat das Zehn: frankenstück wirklich den Wert, den es darstellt.

Die Kommission ladet den Bundesrat ein, das Kontingent von goldenen Zehnfrankenstücken bei den im Budget für 1913 zur Prägung vorgesehenen Münzen auf 200,000 Stück oder zwei Millionen Franken zu erhöhen. Die etwaigen Fabrikationsschwierigkeiten werden durch die erwiesenen Dienste vollständig aufgewogen.

TU. Amt für Gold- und Silberwaren.

Laut der eidgenössischen Statistik ist die Zahl der im Jahre 1911 gestempelten Gold- und Silberwaren auf 3,775,490 angewachsen; In dieser Gesamtzahl sind nicht weniger als 3,576,909 Uhrgehäuse inbegriffen. Diese Zahl übersteigt demnach die von 1906, die nie übertroffen worden ist. Dies ist ein Rekord, über ·den man sich nur freuen kann, denn er ist ein Zeichen grossen Fortschrittes in der Uhrenindustrie. Wir hegen den Wunsch und die Hoffnung, dieser Fortschritt in der Produktion werde 1912 -anhalten.

Das eidgenössische Amt für Gold- und Silberwaren erwähnt in seinem Bericht eine Eingabe der Gold- und Silberwarenhändler, in der die Ausarbeitung eines besondern Gesetzes über den Kleinverkauf von Gold- und Silberwaren nachgesucht wird. Wir können in diesen kurzen Betrachtungen nicht allzusehr in Einzelheiten eintreten. Aber wir würden es als unklug erachten, der Eingabe Folge zu geben. Das neue Gesetz würde den Grundsätzen des jetzt gültigen Gesetzes über Kontrollierung und Garantie des Feingehaltes der Gold- und Silberwaren schnurstracks zuwiderlaufen und nur Verwirrung hervorrufen. Zudem würde es notwendigerweise eine Revision des jetzigen Gesetzes nach sich ziehen.

Eine solche Revision würde aber nach unserer Ansicht eine wirkliche Gefahr darstellen, könnte bedenkliche Folgen haben und schädigte überdies unsern Ausfuhrhandel empfindlich. Die schweizerische Kontrolle hat ihre Probe bestanden; sie hat sich das Vertrauen der ausländischen Händler und Regierungen erworben. Das zu Kraft bestehende Gesetz ist gut; es gestattet, gegen die Fälscher mit aller Strenge einzuschreiten. Man sollte das Gesetz nicht ohne zwingende Gründe abändern und auch nicht ohne sich der Zustimmung unserer Exporteure vergewissert zu haben, die bei der Frage am meisten interessiert sind. Man darf nicht die Einheit unserer gegenwärtigen Gesetzgebung, mit der unsere Industrie zufrieden ist, aus Liebe zur Bureaukratie brechen.

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Unter diesen Umständen können wir den Eundesrat nur dringend ersuchen, uns nicht in ein Abenteuer zu stürzen, woraus dem durch die ausländische Konkurrenz schon genügend gehemmten einheimischen Handel die schwersten Schäden erwachsen, könnten.

B. Zollverwaltung.

Die Gesamteinnahmen der Zollverwaltung sind 1911 auf Fr. 80,939,346.22 gestiegen. Es sind-dies die höchsten bis jetzt erreichten Zolleinnahmen. Immerhin übersteigen sie die von 1910 nur um Fr. 278,516.25 und bleiben sogar hinter diesen zurück, wenn man in Betracht zieht, dass ein Betrag von ungefähr Fr. 657,000, der 1911 für Zölle auf neuem Wein von 1910 erhoben worden ist, in Wirklichkeit den Einnahmen von 1910 zugezählt werden sollte. Wir haben demnach ein Maximum erreicht, einen Rekord, dem aber sehr leicht ein vorübergehender Rückgang folgen könnte. Man sollte ihn nicht beklagen.

Wir wollen nicht von neuem einer breiten akademischen Erörterung rufen, die doch keinen praktischen Wert hätte. Wir beschränken uns nur auf die Bemerkung, dass die Zollsteuer unbestreitbar für das schweizerische Volk eine sehr schwere Last ist. Dies fühlen die Bewohner der Grenzkantone am empfindlichsten. Es wäre unklug, diese Bürde zu vermehren.

Die Kommission ersucht den Bundesrat dringend, den f r a n z ö s i s c h e n T e x t des amtlichen Warenverzeichnisses in kürzester Frist, spätestens aber im Laufe des Jahres 1912 zu veröffentlichen. Der deutsche Text ist schon 1910 erschienen;, ihm iöt ein erster Nachtrag 1911 gefolgt, und ein zweiter wird bald erscheinen. Wir wissen sehr wohl, dass die Übersetzung sehr schwierig ist und grosse Arbeit erfordert. Aber unser Zolltarif ist am 1. Januar 1906 in Kraft getreten. Unsere Handelsverträge erlöschen Ende 1917. Es wäre also an der Zeit, auch die französische ' Übersetzung herauszugeben. Wenn seine Veröffentlichung noch weiter hinausgeschoben wird, so ist das französische Warenverzeichnis bald zwecklos. Und doch kann es der Verwaltung und dem Publikum hervorragende Dienste leisten;Es würde das; Verständnis des Zolltarifs erleichtern und die Beschwerden der Interessenten einschränken.

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Politisches Departement.

Allgemeines.

Schon im Jahre 1910 hat der Bundesrat den eidgenössischen Räten seinen Willen kundgegeben, die Frage einer Reform der eidg. Verwaltung einer gründlichen Prüfung zu unterziehen.

Wohl sind die darauf bezüglichen Arbeiten im Gange. Allein die zu behandelnden Fragen sind so zahlreich und die ins Auge gefassten Lösungen so verschiedenartig, dass der Bundesrat ausser stände war, uns im Jahre 1911 seine Vorschläge in der Sache vorzulegen. Wir hoffen zuversichtlich, er werde diese wichtige Angelegenheit nicht aus den Augen verlieren. Eine baldige Erledigung ist dringend notwendig.

Die deutsche Gesandtschaft hat an den Bundesrat die Anfrage gerichtet -- deren Zweck und Tragweite sich aus den Akten nicht erkennen lässt -- ob Ausländer, insbesondere deutsche Staatsangehörige, zum Wettbewerb um staatliche Lieferungen in der Schweiz zugelassen werden. Nach Vornahme einer Enquete bei den Departementen und Kantonsregierungen war der Bundesrat in der Lage zu antworten, dass sowohl im Bunde, als in den Kantonen und Gemeinden die ausländischen Firmen, auch wenn sie in der Schweiz keine Niederlassung besitzen, weder tatsächlich noch rechtlich von Konkurrenzen ausgeschlossen sind, ja, dass deutsche Firmen für gewisse Lieferungen bevorzugt werden; in einigen Berichten ist, beigefügt, dass bei gleichwertigen Angeboten schweizerischen oder in der Schweiz domizilierten Firmen der Vorzug eingeräumt werde.

; Angesichts der sehr beschränkten Möglichkeit für schweizerische Firmen,, an deutschen Bewerbungen teilzunehmen, wird die Mitteilung der sehr weitherzigen schweizerischen Praxis nicht ermangeln, Aufsehen. zu erregen. Die Kommission unterstützt den vom Bundesrate Deutschland gegenüber ausgesprochenen Wunsch, die deutsche Regierung möchte ebenfalls die Grundsätze kundgeben, die in ; Deutschland ;bei .Vergebung : von staatlichen und kommunalen Lieferungen und Arbeiten gegenüber schweizerischen Firmen,beobachtet-werden. Die Antwort, würde für unsere Veri waltungen lehrreich und für unsere Unternehmungen interessant

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sein, und würde Gelegenheit zu Vergleichungen, vielleicht auch zu Änderungen der bisherigen Praxis im einen oder ändern Lande geben.

Wahlen.

Die schweizerischen Wähler sind nur für die Integralerneuerung des Nationalrates und die Wahl von eidgenössischen Geschwornen einberufen worden.

Die Wahl der Mitglieder des Nationalrates ist auf Grund der Ergebnisse der letzten Volkszählung erfolgt. Infolge dessen hat sich die Zahl der Nationalräte auf 189 erhöht.

Im Jahre 1911 ist nur gegen das Kranken- und Unfallversicherungsgesetz vom 13. Juni 1911 das Referendum ergriffen worden. Die Abstimmung hat erst auf das Jahr 1912 festgesetzt werden können.

Internationale Angelegenheiten.

7. Ihre Kommission hat mit Genugtuung davon Kenntnis genommen, dass es der Bundesrat übernommen hat, verschiedene Nachbarstaaten zu einer Konferenz einzuberufen, um über das zollamtliche Verfahren in den internationalen Bahnhöfen einheitliche Vorschriften aufzustellen.

Eine neue Ordnung der Verhältnisse wird geeignet sein, die oft langwierigen Zollabwicklungen zu erleichtern und viele Anstände zu vermeiden.

13. Zwischen der Schweiz und der französischen Regierung ist eine Verständigung darüber herbeigeführt worden, welches Verfahren einzuschlagen sei, wenn im französischen Teile des Mont d'Or-Tunnels während der Durchbohrungsarbeiten etwa Unfälle, Verbrechen oder Vergehen vorkommen sollten. Wenn einer der vorgesehenen Fälle eintritt, werden die schweizerischen Behörden in dem auf französischem Gebiet gelegenen, aber nur von der Schweiz aus zugänglichen Teile des Tunnels die erforderlichen gesetzlichen Feststellungen machen und die notwendigen Verhaftungen provisorisch vornehmen.

Die Protokolle werden dann der Staatsanwaltschaft von Pontarlier zugestellt und die von den schweizerischen Behörden verhafteten Personen ohne die im Auslieferungsverfahren vorgesehenen Formalitäten den französischen Behörden übergeben.

Diese Massnahme ist natürlich auf Verbrecher schweizerischer Staatsangehörigkeit nicht anwendbar, da die Schweiz ihre Angehörigen nicht ausliefert.

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Es mag noch bemerkt werden, dass diese Vereinbarung ausser Kraft treten wird, sobald der Tunnel von beiden Seiten zugänglich sein wird. Sie hat demnach nur provisorischen Charakter.

14. Die Grenzzwischenfälle erneuern sich jedes Jahr. Dies rührt, wie in dem angeführten Falle, oft daher, dass die Grenzlinie vielfach unregelmässig ist. Wir können jedoch feststellen, dass diese bedauerlichen Zwischenfälle dank den guten Beziehungen zwischen den beteiligten Regierungen zur Zufriedenheit aller Parteien beigelegt worden sind.

24. Der Eintritt in die Fremdenlegion ist noch sehr häufig.

Der Entschluss hierzu entspringt fast immer vorübergehenden Eingebungen. Nur zu bald wird der Schritt bereut. In der Hoffnung, vom Dienst befreit zu werden, spricht man dann den Bundesrat um Hülfe an. So ist er für acht solche Fälle in Anspruch genommen worden. In 5 Fällen haben die Schritte des Bundesrates Erfolg gehabt. Es betrifft junge Leute, die vor dem 18. Altersjahr angenommen worden sind.

Es sei noch bemerkt, dass durch einen Erlass des Präsidenten der Republik die Altersgrenze für die Aufnahme in die Fremdenlegion aufgehoben worden ist. Dieser Erlass ist am 13. März.

1911 rückgängig gemacht und die ursprüngliche Altersgrenze von 18 Jahren wieder hergestellt worden.

Naturalisationen und Wiedereinbürgerungen.

Die Gesuche um Bewilligung zur Erteilung des Bürgerrechts sind 1911 auf 1720, d. h. 188 mehr als im Vorjahre, angestiegen.

Es haben im ganzen 4288 Personen, demnach 246 mehr als 1910 (437 im Jahre 1910), die nachgesuchte Bewilligung erhalten.

Im Jahre 1911 sind 500 Personen in der Schweiz auf Grund des Gesetzes von 1903 eingebürgert worden. Der Bericht hebt hervor, dass das Gesetz in sehr weitherzigem Sinne angewendet wird.

Obgleich die Einbürgerungen jedes Jahr erheblich zunehmen, reichen sie doch nicht aus, um die brennende Fremdenfrage in der Schweiz zu lösen.

Wir begrüssen deshalb die Mitteilung des Bundesrates mit Befriedigung, wonach diese Frage von den öffentlichen Behörden gründlich studiert und eingehend besprochen wird, so dass für die nächste Zeit ein Bericht, begleitet von Vorschlägen, in Aussicht gestellt werden kann.

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Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartement.

I. Abteilung.

Handel.

I. Handelsverträge und auswärtige Zollverhältnisse.

J a p a n . Der im Jahre 1911 mit Japan abgeschlossene Meistbegünstigungsvertrag wird von unserer Handelswelt bec-rüsst. Besonders die Textilindustrie verspricht sich davon Vermehrung des Absatzes.

F r a n k r e i c h hat im Berichtsjahr, wie aus den Berichten des Bundesrates hervorgeht, durch ein neues Dekret namentlich unsern Export in Seide und Stickereien bedroht. Der Bundesrat hat mit der wünschbaren Energie dagegen Stellung genommen, und zwar bisher mit Erfolg. Sollte aber Frankrdich auf seinen protektionistischen Eingriffen in die Zollverhältnisse beharren, was nach dem Bericht des Bundesrates nicht ausgeschlossen erscheint, so dürfte auch die Schweiz vor Schutzmaßnahmen nicht zurückschrecken.

II. Ausstellungen.

An der ,, i n t e r n a t i o n a l e n A u s s t e l l u n g für R e i s e u.nd F r e m d e n v e r k e h r in B e r l i n " 1 ist nach dem Berichte des Bundesrates die Durchführung und Ausstellung der Schweiz nicht in jeder Beziehung nach Wunsch ausgefallen. Da ähnliche Wahrnehmungen namentlich mit Bezug auf Beteiligung auch bei ändern Ausstellungen gemacht worden sind, so dürfte es sich empfehlen, den Ursachen dieser Erscheinung nachzuforschen. .Es liegt nahe, dass sich aus dem. Resultate der Erhebung lehrreiche Schlüsse, für die kommenden .Ausstellungen ziehen lassen würden.

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T. Handelsreisende.

Die grosse Zunahme der Übertretungen betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden ist auffällig. Sie dürfte in einem

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Kausalzusammenhang sein mit dem von Seite der Interessenten schon längst geäusserten Begehren um Revision des betreffenden Gesetzes. Jedenfalls sollte man den Ursachen der auffallenden Erscheinungen nachforschen und allenfalls Remedur schaffen.

Eine Anregung im gleichen Sinne ist auch im Bericht der Kommission des Ständerates vom letzten Jahr enthalten (S. 34--35).

II. Abteilung.

Industrie.

I. Allgemeines.

Von seiten der Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz war unter anderm eine Eingabe betreffend Reform der amtlichen Nachweise über die Durchführung der Arbeiterschutzgesetze eingegangen. Der Bundesrat war, wie er betont, zu seinem Bedauern nicht in der Lage, dem Postulate Folge zu geben, wobei er im wesentlichen auf den Bericht der Fabrikinspektoren abstellte.

Gewiss mag richtig sein, dass die praktische Durchführung des gedachten Postulates dem Fabrikinspektorate ein neues Arbeitspensum zugewiesen hätte, wodurch es seiner eigentlichen Aufgabe, der Inspektion der Betriebe, zum Teil entzogen worden wäre.

Wenn man aber überlegt, dass die Lösung der Arbeiterschutzgesetzgebung nach Möglichkeit auf internationalem Wege zu suchen ist, so wird man in der Tat das Unterbleiben der dahinzielenden Vorbereitung lebhaft bedauern müssen. Hier könnte das wiederholt wünschbar erklärte sozialstatistische Amt gute Dienste leisten.

III. Bundesgesetz betreffend die Arbeit in den Fabriken» Mit Recht macht der Bundesrat darauf aufmerksam, dass im schweizerischen Stickereigebiet grosse Besorgnisse wegen der Konkurrenz des Vorarlberg bestehe, da diese vielfach durch keine gesetzliche Beschränkung der Arbeitszeit gebunden ist. Die vorarlbergische Konkurrenz graduiert sich durch den Automaten, der in zeitlich uniimitiertem Betrieb bei seiner grossen Leistungs-

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fähigkeit für die ostschweizerische Stickereiindustrie eine nicht zu unterschätzende Gefahr bildet. Wenn man die nationale Arbeit und Produktion wirksam schützen will, so wird man nicht bei der blossen Konstatierung stehen bleiben dürfen, sondern auf irgend einem Weg, wenn immer möglich auf demjenigen internationaler Regelung dazu kommen müssen, in dem geschlossenen Stickerei-Industriegebiet der Ostschweiz, Vorarlbergs und der süddeutschen Bodenseegegend in so vielen Beziehungen als nur möglich, insbesonders durch einheitliche Ordnung der Arbeitszeit, die äussern Produktionsbedingungen gleich zu gestalten.

Der Entscheid des Bundesrates betreffend das Gesuch einer in der Ostschweiz zu gründenden Tüllfabrik um Bewilligung der Nachtarbeit scheint uns nicht einleuchtend und vermag uns nicht zu überzeugen. Der Bundesrat lehnte es ab, auf das Gesuch zum voraus einzutreten und stellte es den Petenten frei, dasselbe zu erneuern nach Eröffnung der Fabrik. Es kann hier vollständig dahingestellt bleiben, ob eine lebensfähige schweizerische Tüllfabrikation geschaffen werden kann. In Plauen leistet sie allerdings der Stickereiindustrie gute Dienste und hat diese zum Teil von England emanzipiert. Aber soviel scheint uns sicher zu sein, dass man den uneigennützigen Initianten auf Einführung dieser neuen Industrie nicht die Antwort geben durfte, wie sie erfolgt ist. Wenn unsere derzeitige Gesetzgebung die Bewilligung des ununterbrochenen Nachtbetriebes für die Tüllindustrie auf Grund der über ihre Natur und ihre technischen Bedingungen eingeholten Informationen nicht gestattet, so war das Gesuch schlechthin und prinzipiell abschlägig zu bescheiden; waren aber die Voraussetzungen tatsächlicher Natur für die Einräumung des ununterbrochenen Nachtbetriebes vorhanden -- und das konnteim Rahmen der bisherigen Praxis unserer Auffassung nach, nach Massgabe des vorliegenden Aktenmaterials bejaht werden -- so war dem Gesuch zu entsprechen oder man hätte höchstens an die Bewilligung des ununterbrochenen Betriebes den Vorbehalt knüpfen können, sie zurückzuziehen, wenn ihre derzeitigen Voraussetzungen dannzumal nicht mehr vorhanden sein sollten. In keinem Falle konnte man aber den Initianten bedeuten, zunächst das Risiko der Gründung einer Fabrik zu übernehmen, um dann nach Eröffnung derselben ihr Gesuch zu erneuern. Die
Expatriierung der schweizerischen Industrie macht teilweise ohnehin Fortschritte genug. Ihr gegenüber sollte der Staat, wo immer sich Gelegenheit bietet, der Impatriierung neuer Industrien fördernd, und helfend zur Seite stehen.

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Vili. Bundesbesehluss betreffend die gewerbliche und industrielle Berufsbildung.

1. Berufsbildungsanstalten.

Die Tabelle enthält nur die Kantone, die Zahl der subventionierten Anstalten und die Totalsumme des Bundesbeitrages.

Daraus ergibt sich, dass z. B. Appenzell Inner-Ehoden für eine Anstalt Fr. 440 und Genf für 6 Anstalten Fr. 178,694 bezieht.

Es lässt sich nun ohne weiteres denken, dass die Anstalten von Genf zufolge der grössern Klassenzahl zu einem Beitrage von nahezu Fr. 30,000 pro Anstalt gelangen. Zum Zwecke einer zutreffenden Beurteilung der Sachlage wäre es aber doch wünschenswert, wenn die Tabelle auch über die Zahl der Klassen und die Kosten der Unterrichtsstunde Angaben enthalten würde.

Wir erneuern hiermit ein Begehren, das bereits im ständerätlichen Geschäftsbericht pro 1906 und 1910 Ausdruck, aber seither noch nicht Berücksichtigung gefunden hat.

2. Gewerbliche und industrielle Berufsbildung.

Wir begrüssen lebhaft die vom Departement getroffenen Massnahmen, durch welche die Gewerbeschulen veranlasst werden, nicht nur das Z e i c h n e n , sondern auch den ü b r i g e n b e r u f l i c h e n U n t e r r i c h t zu fördern.

3. Lehrerbildungskurse.

Da solche Kurse die gewerbliche Bildung zu fördern geeignet sind, sollten sie erleichtert werden. Das in den letzten Jahren eingeleitete Verfahren, nach welchem solche Kurse nur dann Anspruch auf Bundessubvention haben, wenn sie 4 Wochen dauern, bewirkt aber eher das Gegenteil. Diese Vorschrift zeitigt in der Praxis Folgen, die wohl nicht vorausgesehen wurden.

Solche Lehrerkurse müssen aus naheliegenden Gründen in dieSchulferien verlegt werden und wenn sie 4 Wochen dauernmüssen, so können in der Regel nur die Sommerferien in Betracht fallen. Eine solche Zeitbeschränkung bringt Hindernisse verschiedener Art mit sich. Sodann bedingen es die Verhältnisse, dass Lehrer nur in Spezialfächern einen Kurs durchmachen möchten, der vielleicht in 8 oder 14 Tagen erledigt werden, könnte. Soll man in solchen Fällen den Kurs auf 4 Wochen

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ausdehnen? Soll man ihn unterlassen oder auf die Bundessubvention verzichten?

Im Berichte ist von einem Kurs in Bern die Rede vom 25. September bis 7. Oktober 1911 (mit Fortsetzung im Herbst 1912). Diese Verteilung des Kurses musste nur zufolge jenes Verfahrens erfolgen und eine Anzahl Teilnehmer hätten dasjenige, was sie zu erlernen beabsichtigten, in e i n e m Kurse erledigen können, sie müssen aber, um die Bundessubvention zu erhalten, beide Kurse besuchen.

Eine Prüfung der Frage, ob hier nicht eine freiere Gestaltung starrer Vorschriften Platz greifen sollte, erscheint uns geboten.

III. Abteilung.

Landwirtschaft.

1. Unterrichtswesen und Versuchsanstalten.

Das landwirtschaftliche Bildungswesen steht auf einer hoch erfreulichen Stufe. Ganz besonderer Beliebtheit erfreuen sich die Winterschulen, welche auch denjenigen die absolut erforderliche theoretische Ausbildung vermitteln,, die nicht so grosse Opfer an Zeit und Geld bringen können. Zu Hause bietet ihnen der Sommer genügende Gelegenheit zu praktischer Betätigung. Die 15 Anstalten mit ihren 954 Schülern dürfen sich sehen lassen.

Immerhin vermag naturgemäss eine Ackerbauschule mehr zu bieten und wer eine solche besuchen kann, soll sich nicht mit der Winterschule begnügen. Bei den Ackerbauschulen muss es auffallen, dass diejenige in Cernier mit 33 Schülern mehr kostete als Strickhof und Rutti mit 64 und 69. Ebenso fällt die geringe Schülerzahl in der Obst- und Weinbau- und in der Gartenbauschule in Wädensweil auf. Diese vorzüglich geleitete Anstalt verdiente mehr Beachtung.

Woher mag es rühren, dass in 6 Kantonen (Uri, Unterwilden, Glarus, Zug, Basel, Appenzell) die landwirtschaftlichen Wandervorträge und Kurse sich noch nicht eingebürgert haben?

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2. Tierzucht.

a. Rindviehzucht.

Nach Art. 19 der Voltziehungsverordnung zum Bundesgesetz über die Förderung der Landwirtschaft kann der den Kantonen zugesicherte Teil des Kredites, der nicht zur Einzelprämierung verwendet wird, zur Prämierung der besten Zuchtbestände und Zuchtfamilien Verwendung finden. Dazu gehört auch die Differenz zwischen den zugesicherten und effektiv ausbezahlten Prämien.

Es werden Jahr für Jahr Prämien zugesichert, die aus irgend einem Grunde nicht zur Auszahlung gelangen. Der so frei werdende Betrag wäre für die Zuchtbeständeprämierung sehr willkommen, können doch für weibliche Tiere selten mehr als Fr. 2 ausgerichtel werden.

b. Kleinviehzucht.

Der letztjährige Beschluss der Bundesversammlung, für die Hebung der Kleinviehzucht weitere Fr. 20,000 zu verwenden, rief in den betreffenden Kreisen freudige Erregung hervor. Aber die Trauben wurden zu hoch gehängt. Nach Seite 67 des Geschäftsberichts gelangten nur zirka Fr. 8000 zur Auszahlung.

Nun sind wir ja einverstanden, dass es sich nicht darum handeln kann, die bewilligte Summe auszuschütten, ohne dafür bestimmte züchterische Leistungen und Bestrebungen zu verlangen. Aber namentlich an den Ziegenbesitzer hat man auch gar zu hohe Anforderungen gestellt. Einen Beitrag erhalten nur Hochzuchtgenossenschaften, welche mindestens 20 prämierte weibliche Tiere besitzen, während sich der Bund bei den Rindviehzuchtgenossenschaften mit 3, sage 3 Stück begnügt. Warum dieser grosse Unterschied? Das umgekehrte Verhältnis Hesse sich eher rechtfertigen ; denn der Ziegenbesitzer nennt in der Regel nur l--3 Stück sein eigen, während wir beim Rindvieh meist Bestände von 6--20 und mehr Stück treffen. Von 130 bernischen Ziegenzuchtgenossenschaften haben sich nur zirka 14 als Hochzuchtgenossenschaften ausweisen können und auch von diesen konnten mehrere die erhöhte Bundesunterstützung nur dadurch erlangen, dass sie verschiedene kleinere Genossenschaften zu einer ganz grossen vereinigten. Diese weit ausgedehnten Genossenschaften sind aber keineswegs ein erstrebenswertes Ziel. Die Leitung wird zu umständlich und zeitraubend, die Kontrolle geht verloren etc.

Die Stückzahl sollte auf mindestens 10 oder 8 reduziert werden.

Bundesblatt. 64. Jahrg. Bd. III.

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Unerlässlich für eine richtige Ziegenzucht ist eine, wenn auch bescheidene, Weide. Das Junge gedeiht im dumpfen Stalle nicht und auch das beste ausgewachsene männliche Tier verkümmert mit der Zeit bei beständiger Stallhaltung; schlechte Stellung, üble Gewohnheiten und anderes mehr sind die unausbleiblichen Folgen. Es wäre eine dankbare Aufgabe für den Bund, den mit äusserst bescheidenen Mitteln arbeitenden Genossenschaften hier an die Hand zu gehen, etwa so, wie es bei der Pferdezucht geschieht, wo für jedes gesömmerte Fohlen zuhanden der Genossenschaftskasse eine Prämie bezahlt wird.

Mit der finanziellen Unterstützung ist es aber allein nicht getan; man muss die Genossenschaften auch von lästigen, zwecklosen Fesseln befreien. Seit Jahren petitionieren die Ziegenzuchtgenossenschaften um Herabsetzung der Haltefrist von einem Jahre auf etwa 8 Monate. Es hat absolut keinen Zweck, die Haltung über die Frühlingssprungperiode hinaus auszudehnen und für die Genossenschaft bedeutet diese Vorschrift einen Verlust von zirka Fr. 40 (Fr. 10 pro .Monat). Bei der Rindviehzucht .ist man auch nach dieser Richtung weniger streng, wiewohl die Zucht dort nicht auf 2 Perioden beschränkt ist.

4. Yiehsenchenpolizei.

Wir nehmen gerne davon Akt, dass die Revision der Viehseuchengesetzgebung, die wegen der Kranken- und Unfallversicherung zurückgelegt werden musste, nun baldigst zum Abschluss gebracht werden soll.

5. Viehversicherung.

Dieselbe hat noch nicht diejenige Ausdehnung erlangt, wie es wünschbar wäre. Das gesetzliche Obligatorium erschwert oder verunmöglicht vielerorts die Einführung.

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Departement des Innern.

I. Zentralverwaltung.

1. Die Kommission nimmt mit Befriedigung davon Kenntnis; dass die Gesetzgebung betreffend die Ausnützung der Wässerkräfte im Berichtsjahr gefördert wurde und dass ein Entwurf nunmehr an die Räte gelangt ist.

2. Mit Rücksicht auf die steigende Belastung der Kantone und Gemeinden durch die Ausgaben für die Volksschule, auch angesichts der Anforderungen des Bundes an einzelne Unterrichtszweige (Turnwesen) wünscht die Kommission dem Postulat betreffend die Erhöhung der Unterstützung der Primarschule durch den Bund eine wohlwollende Prüfung und eine positive Erledigung, sobald und soweit die Finanzlage des Bundes kein Hemmnis bietet.

3. Ausstellungen und Kongresse. Das Verzeichnis des Berichtes ist nicht vollständig ; auch von den Departementen gehen Bewilligungen für den Besuch von Ausstellungen aus. Das Verzeichnis könnte den Eindruck der Willkürlichkeit erwecken., In der Tat bestehen bestimmte Grundsätze, nach denen verfahren wird, nicht. . Es wäre offenbar auch schwierig, solche aufzustellen.

Massgebend ist die Wichtigkeit des Gegenstandes, insbesondere der Umstand, ob die Veranstaltungen Gegenstände betreffen, die mit eidgenössischen Institutionen in Zusammenhang stehen (Technische Hochschule und Annexanstalten, Eisenbahnen),,

II. Abteilung für Kultur, Wissenschaft und Kunst.

1. Eine Abordnung der Kommission hat der Zentralbibliothek einen Besuch abgestattet und sich überzeugt, dass diese nunmehr gut .und praktisch untergebracht und übersichtlich geordnet ist.

, . . · · · - .

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Die Inangriffnahme der Arbeiten für einen Gesamtkatalog wird begrusst und der baldige Erlass eines Réglementes gewünscht.

4. Eidgenössische Technische Hochschule. Nachdem bezüglich der archäologischen Sammlung eine Verständigung zwischen dem Bund und dem Kanton Zürich erzielt werden konnte, ist der Aussonderungsvertrag nunmehr in allen noch offen gebliebenen Fragen ergänzt.

Einem Postulate Folge gebend wurde beschlossen, es habe die durch Bundesgesetz vom 7. Hornung 1854 errichtete eidgenössische polytechnische Schule in Zürich von nun an den Titel : ,,Eidgenössische Technische Hochschule" zu führen (die französische und italienische. Bezeichnung der Anstalt erleiden keine Änderung) ; zugleich wurde der Name ,,Direktor"1 durch ,,Rektor"1 ersetzt.

Von 249 Bewerbern bestanden 180 die Diplomprüfung, also nur 72 %. Dieser geringe Erfolg fällt um so mehr auf, als die Kandidaten frühere Prüfungen bestanden hatten, also schon eine gewisse Auswahl vorhanden war; auch sind sie zur Ablegung der Prüfung nicht gezwungen, wie z. B. die Mediziner, von denen 91,s % die Prüfung mit Erfolg absolvierten. Die Kommission hält es für wünschenswert, dass den Ursachen dieser Erscheinung nachgegangen werde.

10. Die freie Künstlervereinigung Sezession hat das Verlangen gestellt, es solle die Verordnung vom 25. Januar 1910 zu den Bundesbeschlüssen betreffend die Förderung der Kunst in dem Sinne revidiert werden, dass künftig für Ausstellungen eine Doppeljury geschaffen werde, die in zwei selbständigen Abteilungen amten würde, damit die verschiedenen Kunstrichtungen richtige Würdigung finden. Die eidgenössische Kunstkommission und das Departement haben sich ablehnend verhalten. Nach Einsicht der Protokolle der Kunstkommission halten wir ebenfalls dafür, eine Änderung der Verordnung sei nicht nötig, und es dürfte gelingen, auch auf Grundlage der geltenden Vorschriften die Jury jeweilen möglichst vielseitig zu besetzen.

HL Statistisches Bureau.

Die Kommission drückt den Wunsch aus, dass die Motion betreffend die Errichtung eines sozialstatistischen Amtes bald einen Erfolg haben werde.

625 IV. Eidgenössisches Gesundheitsamt.

1. Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten.

a. Pocken.

Mit Freuden konstatieren wir, dass seit 1887 die Zahl der jährlichen Erkrankungen an dieser gefürchteten Seuche stets unter . 100 geblieben und dass die Zahl der Todesfälle in der ganzen Schweiz in den letzten Jahren nie über 12 gestiegen ist. Dies darf wohl zu einem guten Teil der Schutzpockenimpfung zugeschrieben werden, deren moderne, einfache, saubere und ungefährliche Ausführung nicht mehr so viele und fanatische Gegner hat wie die einstige oft recht dubiöse Überimpfung von Mensch auf Mensch.

c. Cholera.

1911 war eines der schlimmsten Cholerajahre. In Italien allein wurden 15,926 Cholerakranke gezählt, wovon 6034 mit Tod abgingen. Auch Frankreich und Österreich wurden, allerdings weniger schwer, heimgesucht. Dass unser Land trotzdem verschont geblieben ist, haben wir einerseits vielleicht einem glücklichen Zufall, andererseits aber gewiss auch den Schutzmassnahmen zu verdanken, welche Bund, Kantone, Verkehrsanstalten [-und viele Gemeinden mit gegenseitiger Unterstützung getroffen hatten.

Möge diese Tatsache dazu anspornen, die Organisation zur Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, welche zurzeit noch bedauerliche Lücken aufweist, immer weiter auszubauen.

e. Diphtherie.

Diese stark ansteckende Krankheit haust nach wie vor als Würgengel unter unseren Kleinen. Wenn auch im letzten Dezennium dank der Serumanwendung die Mortalität mit rund 600 jährlichen Todesfällen gegenüber früher eine relativ niedrige geblieben ist, so wäre doch immer noch aller Grund vorhanden, gemäss der vor 18 Jahren durch den Nationalrat einstimmig angenommenen Motion Fehr, auch die Diphtherie unter das ' eidgenössische Epidemiengesetz zu stellen.

Bedauerlich ist, dass bis jetzt nur 17 Kantone die durch den Bund subventionierte unentgeltliche bakteriologische Untersuchung bei Diphtherie und Diphtherieverdacht eingeführt haben,

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g. Absonderungshäuser und Desinfektionsanstalten.

Erfahrungen im Lande herum haben gezeigt, dass man vielerorts nichts zu wissen scheint von den ansehnlichen Beiträgen, welche der Bund gemäss eidgenössischem Epidemiengesetz vom Jahre 1886 an den Bau von Absonderungshäusern und Desinfektionsanstalten, sowie an deren innere Einrichtungen gewährt.

Wir fühlen uns deshalb verpflichtet, hier speziell darauf aufmerksam zu machen.

Gleichzeitig möchten wir den Bundesrat einladen, gelegentlich die Frage zu prüfen, ob nicht auch gewisse Vorbeugungsmassnahmen speziell gegenüber ansteckenden K i n d e r k r a n k h e i t e n in angemessener Weise subventioniert werden könnten.

2. Erweiterung des Epidemiengesetzes und Tuberkulosegesetzgebung.

; Mit der B o t s c h a f t des Bundesrates vom 20. Dezember 1911 betreffend R e v i s i o n der B u n d e s v e r f a s s u n g im Sinne v e r m e h r t e r Befugnis des Bundes bei der Bek ä m p f u n g m e n s c h l i c h e r u n d t i e r i s c h e r Krankheiten scheint in der Bekämpfung unserer grössten Volksseuche, der Tuberkulose, sowie anderer übertragbarer Krankheiten von Menschen und Tieren, ein wichtiger Schritt vorwärts getan worden zu sein. Das langersehnte eidgenössische Tuberkulosegesetz wird nun hoffentlich nicht mehr lange auf sich warten lassen.

4. Ausführung des Lebensmittelgesetzes.

c. Die Kontrolle der Lebensmittel (ausgenommen Fleisch) und Gebrauchsgegenstände.

I. In den Kantonen.

Die praktische Lebensmittelkontrolle scheint sich in den meisten Kantonen, gut eingeführt zu haben.

Immerhin lässt die Tätigkeit der Ortsgesundheitsbehörden an vielen Orten noch zu wünschen übrig. Und leider waren, wie aus den Tabellen I, II, III und V des Berichtes des Departements des Innern ersichtlich ist, von etlichen Kantonen die gemäss der eidgenössischen Verordnung betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln verlangten Angaben nicht erhältlich. Die Berichterstattung einzelner Kantone ist überhaupt eine mangelhafte

627 und die Durchführung der Lebensmittelkontrolle da und dort noch allzu verschiedenartig. Da der Bund nach Art. 10 des Lebensmittelgesetzes nicht unerhebliche Subventionen leistet, so sollten die Kantone ihren Verpflichtungen umso eher nachkommen dürfen.

II. An der Landesgrenze.

Diese Kontrolle funktioniert im allgemeinen gut, und ihre günstige Wirkung wird in den Berichten mehrerer kantonaler Behörden speziell hervorgehoben.

Die Frage, ob die gemäss der Bundesgesetzgebung in den Kantonen und an der Landesgrenze durchgeführte Kontrolle der Lebensmittel (ausgenommen Fleisch, das dem Landwirtschaftsdepartement untersteht) mitschuld sei ' an der Verteuerung der Lebensmittel, haben wir eingehend geprüft, jmd wir dürfen sie ruhig verneinen. Wir erinnern hier nur daran, dass weder in den Kantonen, noch an der Landesgrenze für die Kontrolle von Lebensmitteln, insofern dieselben nicht wegen Gesundheitssehädlichkeit oder vorschriftswidriger Bezeichnung beanstandet werden müssen, irgendwelche Gebühren erhoben werden.

V. Eidgenössisches Oberbauinspektorat.

B. Strassen und Brücken.

Dem Bericht des Bundesrates ist zu entnehmen, dass die Bestrebungen, die tessinische Ortschaft I n d e m i n i , die zurzeit nur nach italienischem Gebiete, nach Maccagna, Verkehrsverbindung hat, auch mit der nächsten schweizerischen Ortschaft Géra am Langensee zu verbinden, im Berichtsjahre nicht zum Ziele geführt haben. Die Kommission will zu den in Frage stehenden Projekten nicht Stellung nehmen ; sie spricht aber den Wunsch aus, es möchte ohne übermässige Belastung des Bundes eine Lösung gefunden werden, welche den berechtigten Wünschen der beteiligten Gegend nach Möglichkeit entspricht.

C. Wasserbauwesen.

2. Oberaufsicht über die Wasserpolizei.

:

Im Bericht über die Geschäftsführung im Jahre 1910 stellt die ständerätliche Kommission fest, dass nach den Ausführungen

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des Departements manche Wasserschäden hätten vermieden wer·den können, wenn der Unterhalt der Schutzbauten ein besserer gewesen wäre; sie anerkennt, dass die Wasserpolizei und der Unterhalt der Schutzbauten Sache der Kantone sei, wünschte aber eine Prüfung der Frage, ob und wie der Bund eine bessere Überwachung verlangen könnte. Diese Prüfung hat ergeben, dass dem Bund ein anderes Mittel nicht zu Gebote steht, als solche Schutzbauten, an deren Erstellungskosten er beigetragen, auch nach deren Fertigstellung In regelmässigen Zwischenräumen zu inspizieren und auf den richtigen Unterhalt zu prüfen, um sodann konstatierte Mängel dem zuständigen Kanton mitzuteilen 'und von ihm Abhülfe zu fordern. Wir gehen mit dieser Auffassung einig in der Meinung immerhin, dass solche Inspektionen durch das eidgenössische Personal möglichst regelmässig und intensiv durchgeführt werden, damit Kantone und Gemeinden rechtzeitig zu genügender Erfüllung der Unterhaltspflicht solcher Werke und damit zur Vermeidung von Schäden angehalten werden können.

7. Hochwasserkatastrophe und Liebesgabensammlung 1910.

Die ständerätliche Kommission hat in ihrem Bericht pro 1910 mit Recht auf das hocherfreuliche Ergebnis der Liebesgabensammlung zu Gunsten der Wassergeschädigten von 1910 hingewiesen. Bei der Behandlung des Geschäftsberichts pro1911 erübrigt uns nur, der Befriedigung darüber Ausdruck zu geben, dass auch die Verteilung der Liebesgaben prompt und ohne Anstände durchgeführt wurde.

VI. Abteilung für Landeshydrographie.

Anlässlich der Diskussion des Falles E p p e r in den eidgenössischen Räten ist einem Reglement gerufen worden, das die Übernahme und Ausführung von Privataufträgen so ordnen soll, dass Anstände, wie sie zum Gegenstand der Kritik geworden, vermieden werden. Es stellt sich nun heraus, dass inzwischen die durch Demission erledigte Stelle des Direktors neu besetzt worden ist, ohne dass ein solches Reglement erlassen worden.

Es wäre unseres. Erachtens richtiger gewesen, die nötigen Vorschriften vor einer Neuwahl aufzustellen. Nachdem dies nicht geschehen, müssen wir uns darauf beschränken, den bestimmten Wunsch auszusprechen, es möchte das Reglement mit möglichster

629

Beförderung aufgestellt werden, damit unter der neuen Leitung von Anfang an in Bezug auf die Frage der Übernahme von Privatarbeiten Klarheit besteht.

VII. Inspektion für Forstwesen, Jagd u. Fischerei.

B. Jagd und Vogelschutz.

Es muss auffallen, dass die Zahl der im Kanton Tessin konfiszierten Vogelfangapparate, welche 1909, 8200 und 1910,6200 betragen hat, im Jahre 1911 auf 12,000 gestiegen ist, und es drängt sich die Frage auf, ob diese Steigerung auf ein erneuertes Umsichgreifen des Vogelfrevelunwesens oder auf eine erhöhte Tätigkeit der kantonalen Polizeiorgane zurückzuführen ist. Je nachdem ist die Erscheinung zu bedauern oder zu begrüssen. Die eidgenössischen Organe glauben das letztere annehmen zu dürfen.

Trifft dies zu, können wir der Tessiner Polizei die Anerkennung für ihre vermehrte Mitwirkung auf diesem Gebiete nicht versagen.

Post- und Eisenbahndepartement.

I. Eisenbahnen.

A. Allgemeines.

1. Organisation und Personal.

Für die betriebstechnische Ausbildung des Personals ist immer noch nicht eine hinreichende Ordnung geschaffen. Das Lehrlingswesen sollte hier auf dieselbe Grundlage gestellt werden wie bei der Post.

. ·

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2. Gesetze, Verordnungen und Postulate.

Die Erklärung des Departements, dass bei der bevorstehenden Revision des Transportgesetzes und der Transportreglemente den Anregungen der Tierschutzvereine nach Möglichkeit Rechnung getragen werde, darf mit Befriedigung entgegen genommen werden.

Zu wünschen ist, dass ausser den Übelständen beim Schlachtviehimport, gegen die sich die Eingabe des kantonalen zürcherischen Tierschutzvereins richtete, auch der Grausamkeit, die in der Überfüllung der Geflügel-Transportkäfige liegt, ein Ende gemacht werde.

Der Bundesrat erklärt, dass seine Vorschläge über die Reorganisation des Eisenbahndepartements (Postulat Nr. 618) der Bundesversammlung im Laufe des Jahres 1912 zugehen werden.

Von einer Erörterung dieser Angelegenheit und des weitläufigen Komplexes der einschlägigen Fragen wird daher an dieser Stelle Umgang genommen.

C. Technische Kontrolle.

1. Bahnanlage und feste Einrichtungen.

a. Bahnbau.

Einführung des elektrischen Betriebes.

Die Kommission spricht ihre Befriedigung darüber aus, dass die Versuche mit schweren elektrischen Lokomotiven auf der Strecke Spiez-Frutigen (Lötschberg) die volle Leistungsfähigkeit der in der Schweiz gebauten 2000pferdigen Lokomotive und ihre Überlegenheit gegenüber der von ausländischen Firmen gelieferten Maschine dargetan haben.

b. Bahmmterhalt.

Stationen und Hochbauten.

Es dürfte sich rechtfertigen, die Bahnen zu verhalten, dass sie überall, wo durch das Gemeindegebiet der Stationen elektrische Starkstromleitungen führen, die elektrische Beleuchtung der Stationen einrichten.

631 Kreuzungen elektrischer Bahnkontaktleitungen mit Schwachstromleitungen.

Die Kommission fragt an, ob die Bundesverwaltung der Bahnvervvaltung nicht Rechnung stellen sollte für die Dienstleistungen der Kontrollbeamten über die Hochspannungsleitungen, ebenso über die Mitwirkung der Kontrollingenieure bei Kesseluntersuchungen und Druckproben. Der vom Bundesrat in Aussicht gestellte Bericht über den Kostenersatz für Vorkollaudation und Kollaudation, sowie über Bewilligungsgebühren für Eisenbahnkonzessionen hätte sich eventuell auch über diese Angelegenheit auszusprechen.

2. Rollmaterial.

Die Anschaffung von S p e z i a l w a g e n mit 30--50 t Tragkraft für die schweizerische Maschinenindustrie dürfte in ernstliche Erwägung gezogen werden, da es beinahe zur Regel geworden ist, dass a u s l ä n d i s c h e Speditionsfirmen den schweizerischen Fabriken solche Wagen für teure Taxen leihen und die Transporte auf den kürzesten schweizerischen Linien dem Auslande zuleiten.

3. Bahnbetrieb.

a. Fahrplanwesen.

Die an und für sich grosse Zahl der Begehren zu den Fahrplanentwürfen ist im Berichtjahr um 46 gestiegen. Wenn begreiflicherweise sehr zahlreiche Wünsche, die einseitig auf regionale und lokale Sonderinteressen abzielen, für das Departement nicht in Betracht fallen können, so gibt es anderseits doch auch interne Fahrplanspezialitäten, die als vexatorische Massregeln gelten müssen und deren Beseitigung sowohl im Interesse des Publikums als auch des Stationspersonals läge.

e. Unfälle.

Die Tatsache, dass die Entgleisungen in Stationen im Berichtjahr gegenüber dem Vorjahre um 8 (48 gegen 40), die Zusammen: stösse in Stationen gar um 20 (43 gegen 23) zugenommen haben, lenkt die Aufmerksamkeit unwillkürlich auf das Rangierreglement.

Dabei wird es sich fragen, ob die Vorschriften desselben nicht in einer Weise abzuändern sind, dass Zuwiderhandlungen nicht sozusagen die Regel bilden müssen.

632 è» Dampfschiffe.

Die Kontrolle dürfte sich künftig auch auf die Zahl und Beschaffenheit der Rettungsboote und auf die Instruktion der Mannschaften über den Rettungsdienst ausdehnen.

D. Administrative Kontrolle.

1. Tarif- und Transportwesen.

a. Tarifwesen.

Gegenüber dem für Handel und Industrie lästigen und für die Bahnverwaltung zeitraubenden System der Rückvergütungen im internationalen Verkehr dürfte die Einführung direkter konkurrenzfähiger Exporttarife ins Auge gefasst werden.

Die Einführung des mit Monopolcharakter versehenen offiziellen Camionagedienstes, der an verschiedenen Orten durch die Verhältnisse gerechtfertigt sein mag, ist unverständlich, wo sie e n t g e g e n der bestimmten und wiederholten Einsprache der Gemeindebehörden durchgesetzt wurde.

II. Postverwaltung 1. Allgemeines.

Die Postverwaltung erzielte im Jahre 1911 einen R e i n e r t r a g von Fr. 3,751,374.12.

Gegenüber dem aufgestellten Budget bedeutet dies einen Mehr-Reinertrag von Fr. 3,223,514.is und gegenüber dem 1910er Ertrage eine Mehreinnahme von Fr. 1,183,295.30.

Günstige Saisonverhältnisse und Einschränkung der Portofreiheit werden diesen Ertrag namentlich gefördert haben. Hierbei mag auch die sich stets steigernde Einnahme aus dem Postkartenversand erwähnt werden. Eine uns zur Verfügung gestellte Statistik erzeigt, dass der Erlös von Postkarten seit dem Jahre 1893 bis 1911 von Fr. 1,226,959.JO auf Fr. 6,571,086.15 angestiegen ist.

2. Vorlagen an die Bundesversammlung n.Erlasse derselben.

Der Bericht der beiden Experten, welche in Frankreich und Österreich im Auftrage des Bundesrates die .Einrichtung der

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P o s t s p a r k a s s e n sowohl in betriebs- als auch in finanztechnischer Hinsicht zu studieren hatten, liegt heute gedruckt vor.

Das Urteil der beiden Fachleute äussert sich über diese Sparkassen sehr günstig. Eine Kommission, zusammengesetzt aus Angehörigen von Interessentenkreisen, wird demnächst über diese volkswirtschaftlich hochwichtige Frage beraten. -- Es ist sehr zu wünschen, dass der Förderung dieser Angelegenheit vollste Aufmerksamkeit geschenkt wird.

3. Wichtige Erlasse.

Die Fachkommission (Postkommission) hat in verdankenswerter Weise verschiedene Vorschläge für im Interesse des Publikums einzuführende Verbesserungen des Postdienstes gemacht.

Wir verweisen auf Abschnitt u, 6, a b c des Geschäftsberichtes.

Weniger befreunden könnten wir uns mit der geplanten Aufhebung der Abstempelung gewöhnlicher Briefe durch die Ankunftspoststellen. (Geschäftsberichtes III, 4 a). Auch der Ankunftsstempel bildet ein Dokument, das oft von Bedeutung ist und wir sprechen darum den Wunsch aus, dass die Postverwaltung den Ankunftsstempel, wenn immer möglich, beibehält.

Obschon die Bestimmungen über die P o r t o f r e i h e i t neuerdings vom Bundesrate geordnet worden sind, scheinen in der Anwendung derselben verschiedene Auffassungen zu herrschen.

Die Kommission empfiehlt den Postbehörden mit aller Kraft auf eine einheitliche Praxis in der Durchführung der Portofreiheit zu wirken.

III. Telegraphen- und Telephon Verwaltung.

Auch hier sei das über Erwarten günstige finanzielle Resultat, das mit einem Aktivsaldo von Fr. 1,222,373.65 abschliesst erwähnt. Dieses erfreuliche Ergebnis kann nicht verfehlen, die in Beratung stehende Frage der Erhöhung der Telephontaxen gebührend zu beeinflussen.

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Bundesgericht.

Man hoffte, das neue Gesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege würde am 1. Januar 1912 in Kraft treten. Aus diesem Grunde hat sich das Bundesgericht im Berichtsjahre bereits mit den sich auf das neue Gesetz beziehenden Fragen beschäftigt.

So hat es sich mit der Revision seines Réglementes, mit der zukünftigen Verteilung der Geschäfte, mit den baulichen Änderungen im Bundesgerichtsgebäude und mit dem Bau eines neuen Verwaltungsgebäudes befasst. Wir entnehmen dem Berichte des Bundesgerichts, die zuletzt erwähnte Frage sei dahin gelöst worden, dass man beschlossen habe, den Bau des neuen Gebäudes, unter Berücksichtigung der zukünftigen Bedurfnisse, sofort zu beginnen..

Im Prinzip können wir uns mit dieser Lösung durchaus einverstanden erklären, immerhin unter der Bedingung, dass man die zukünftigen Bedürfnisse in richtigem Masse ins Auge fasse, um nicht Gefahr zu laufen, übertriebene Forderungen zu stellen.

Die Zahl der dem Bundesgerichte zur Entscheidung übertragenen Geschäfte hat gegenüber dem Vorjahre abgenommen.

Es sind in der Tat 1911 nur 1643 Geschäfte behandelt worden, während sie sich im Vorjahre auf 1874 beliefen. Das rührt hauptsächlich daher, dass 1911 nur 565 Expropriationsangelegenheiten behandelt worden sind, demnach 228 weniger als im Jahre Vorher. Es sind ausserdem weniger behandelt worden : erst- und letztinstanzlich zu beurteilende Zivilsachen (29 gegen 34), Berufungen gegen Urteile kantonaler Gerichte (388 gegen 401), staatsrechtliche Streitigkeiten (370 gegen 389). Dagegen ist eine Vermehrung zu verzeichnen bei den Beschwerden über das Betreibungs- und Konkurswesen (217 im Jahre 1910 und 251 im Jahre 1911).

Trotzdem ist die Zahl der Geschäfte, mit denen sich das Bundesgericht im Berichtsjahre zu befassen hatte, um 180 höher als 1910. Dies rührt von den auf das Jahr 1911 übertragenen Geschäften, die sich auf 802 beliefen, während sie im Vorjahre nur 391 betragen haben.

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Wir haben eine erfreuliche Vermehrung der erledigten Geschäfte feststellen können, die sich auf 1723 belaufen, während sie 1910 bloss die Zahl 1463 erreicht haben. Dies lässt uns hoffen, dass es möglich sein wird, die grösste Zahl der auf das Jahr 1912 übernommenen Geschäfte (722) und die neuen Angelegenheiten dieses Jahres zu erledigen. Ist ja doch die Zahl der Bundesrichter erhöht worden und kann man doch auch annehmen, dass sich die Folgen der Einführung des schweizerischen Zivilgesetzbuches nicht sogleich in ihrer ganzen Ausdehnung fühlbar machen werden.

Wenn sich die Schuldbetreibungs- und Konkurskaramer im Berichtsjahre mit der Beaugenscheinigung der Konkursämter nicht beschäftigen konnte, hat sie dagegen eine .sehr rege Tätigkeit entwickelt für den Brlass von Verordnungen und Kreisschreiben.

Sie hat zunächst die Verordnung über die Geschäftsführung der Konkursämter endgültig angenommen, dessen Notwendigkeit schon im letzten Bericht hervorgehoben worden ist. Die Kammer hat zudem sämtliche seit Inkrafttreten des Betreibüngsgesetzes von der Oberaufsichtsbehörde au die kantonalen Aufsichtsbehörden erlassenen Kreisschreiben einer genauen Durchsicht unterworfen und von diesen die, die noch allgemeine Bedeutung haben, in einer kleinen besondern Sammlung vereinigt. Ferner hat die Kammer dem eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement eine Revision des Gebührentarifs, sowie die Herausgabe einer Sammlung aller eidgenössischen Erlasse über Schuldbetreibung und Konkurs vorgeschlagen. Diese Veröffentlichung wird in den drei Landessprachen erscheinen und allen Schuldbetreibungs- und Konkursämtern sowie auch den kantonalen Aufsichtsbehörden ein wertvoller Führer sein. Der Kammer ist auch die Aufgabe zuteil geworden, sich über die Entwürfe zu den neuen Einführungsgesetzen der Kantone Tessin, St. Gallen und Zürich zu äussern. Ebenso ist ihr der Entwurf der bundesrätlichen Verordnung über die Viehverpfändung zur Begutachtung vorgelegt worden. Endlich hat sie 258 Rekurse erledigt, von denen 67 als begründet erklärt und 140 abgewiesen worden sind.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der Kommission des Nationalrates über die Geschäftsführung des Bundesrates und des Bundesgerichtes im Jahre 1911. (Vom 17. Mai 1912.)

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12.06.1912

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