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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Änderung der Konzession einer Eisenbahn von Scherzligen nach Därligen (Thunerseebahn).

(Vom 18. Dezember 1895.)

Tit.

Im Namen des Verwaltungsrates der T h u n e r s e e b a h n reichte unterm 9. September d. J. die D i r e k t i o n der betriebführenden J u r a - S i m p l o n - B a h n das G e s u c h ein, es möchte ihr gestattet werden, mit Wirkung vom 1. Januar 1896 an, die in der Konzession vom 17. Juni 1890 vorgesehenen T a x e n für den Personen-, Gepäck-, Vieh- und Gütertransport u m 36.% zu e r h ö h e n .

Das Gesuch stützt sich auf Art. 24, Alinea 2, der Konzession, welches lautet: ,,Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung der Tarifansätze gestatten. Solehe Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen."

Der in dieser Konzessionsbestimmung vorgesehene Fall sei eingetreten. Die Betriebsrechnung der Thunerseebahn pro 1894, welcher seiner Zeit die bundesrätliche Genehmigung erteilt wurde, weise einen Passivsaldo von Fr. 86,153. 36 aus und ermögliche es nicht, außer den Betriebskosten die Obligationenzinse zu decken.

Auch für das laufende Jahr werde sich voraussichtlich ein Deficit von cirka Fr. 65,000 ergeben, so daß die Thunerseebahn unter

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Hinzurechnung des Passivsaldos von 1893 im Betrag von Fr. 43,923. 44 auf den 1. Januar 1896 einem mutmaßlichen Deficit von rund fast Fr. 200,000 entgegensehe.

Die finanzielle Situation des Unternehmens sei eine derart bedenkliche, daß getrachtet werden müsse, mit allen Mitteln dafür zu sorgen, daß es seinen regelmäßigen Verpflichtungen nachkommen könne und auch das mutmaßliche Deficit von Fr. 200,000 innert absehbarer Zeit getilgt werde.

Es werde also eine Taxerhöhung in Aussicht genommen und zur Bemessung dieser Erhöhung auf folgender Berechnung gefußl : Das bestehende Deficit von Fr. 200,000 sollte in 8 Jahren getilgt werden; per Jahr wären also Fr. 25,000 als Rückzahlung in Aussicht zu nehmen, wozu noch der mutmaßliche jährliche Ausfall der Betriebsrechnung mit Fr. 65,000 zu zählen sei. Um die Bahnunternehmung auf eine dauernde wirtschaftlich gesunde Basis zu bringen, sei deshalb eine jährliehe Mehreinnahme von rund Fr. 90,000 erforderlich, welche durch eine ausreichende Taxerhöhung aufzubringen beabsichtigt werde.

Die Einnahmen der Thunerseebahn haben im Jahre 1894 betragen : Für Reisende I. Klasse Fr. 16,478. 15 ,, II.

, · · ,, 39,463. 18 » III.

",,· 96,200.0- ,, Gepäcktransporte ,, 17,534. 05 ,, Tiertransporte ,, 8,880. 62 ,, Gütertransporte ,, 69,394. 66 Total

Fr. 247,950. 86

Zur Erzielung einer Mehreinnahme von Fr. 90,000 wäre deshalb eine allgemeine Erhöhung der Personen-, Gepäck-, Vieh- und Güterlaxen im Umfang von 36 % erforderlich, denn, wie aus obiger Darstellung ersichtlich, könne die Erhöhung nicht etwa, bloß auf einer Wagenklasse oder nur im Güterverkehr gesucht werde», Ha, sie sonst allzu empfindlich würde.

Wolle man aber wirklieh die Thunerseebahn so stellen, dass sie auch in Zukunft lebenskräftig bleibe und nicht immer an finanziellen Nöien kranke, so müsse die Erhöhung so bemessen werden, daß mit Sicherheit vorauszusehen sei, es könne sich die Bahnf i n a n z i e l lerholen u n d s o kräftigen, daß eine weitere Schon bei Anlaß der Konferenzen mit dem Eisenbahndepartement über Festsetzung der Konzessionstaxen sei seiner Zeit von

789 selten der Abgeordneten der Thunerseebahn mit Rücksicht auf den ausgesprochenen Charakter derselben als Touristen bahn auf eine höhere Taxe als jene der Normalkonzession hingestrebt worden, leider aber ohne Erfolg. Die Thatsachen beweisen aber jetzt, daß jene Anregung ihre volle Berechtigung hatte; denn eine Touristen bahn sei die Thunerseebahn, wie alle andern Transportanstalten des Oberlandes, für \velche vorsorglich besondere, erhöhte Taxen durch die Konzessionen bewilligt wurden. Während beispielsweise der Personenverkehr der Jura-Simplon-Bahn im Sommer nur das Doppelte desjenigen in den Wintermonateu ausmache, sieige der Verkehr auf der Thunerseebahn in den Sommermonaten auf das Vierfache eines Wintermonates. Zur sichern Abwicklung dieses Verkehrs seien aber ganz außerordentliche Maßnahmen erforderlich, welche es rechtfertigen, daß den daraus erwachsenden Kosten durch angemessene Taxerhöhung Rechnung getragen werde.

Im übrigen könne es ja nur im Interesse der an der Thunerseebahn beteiligten Landesgegend liegen, wenn das Obligationen- und Aktienkapital nicht verloren gehe, sondern Aussicht vorhanden sei, dasselbe werde innert nicht allzu langer Zeit gesichert werden.

Daß dabei diese Landesgegend selbst auch etwas mittragen helfen müsse, sei selbstverständlich, komme aber nicht sehr in Frage, da der weitaus größte Teil der projektierten Erhöhung durch die Touristen, Sommerfrischler, Ausländer etc. zu tragen sei, welche die verhältnismäßig geringe Taxändemng, z. B. bei Billeten aus dem Auslande, mit Rücksicht auf die Höhe der Gesamttaxe kaum spüren. Daneben wäre ja nicht ausgeschlossen, den Ulerbewohnern durch eine Einrichtung, wie sie auf der Brünigbahn bestehe, die bisherigen Taxen zu sichern, worüber eventuell Verständigung zu treffen wäre.

Die Regierung des Kantons Bern, welcher wir das Gesuch zur Vernehmlassung mitteilten, verhält sich demselben gegenüber, wenigstens zur Zeit, ablehnend.. In ihrem Schreiben vom 30. November 1895 läßt sie sich vernehmen wie folgt: Nach ihren Informationen sei die fragliche Konzessionsbestimmung, welche in der Normalkonzession aufgestellt wurde, bisher in dem Sinne interpretiert worden, daß Taxerhöhungen wie die im ersten Alinea des von der Petentin angerufenen Art. 24 vorgesehenen Taxherabsetzungen erst nach d r e i Jahren bewilligt werden können.
Sei dies richtig, so könne auf das Taxerhöhungsgesuch der Thunerseebahn dermalen nicht eingetreten werden; denn diese Bahn sei erst im Juni 1893 dem Betrieb übergeben worden, die vorgeseheneu drei aufeinander folgenden Deficitsjahre werden daher erst Mitte 1896, streng genommen erst Ende 1896, ablaufen.

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In materieller Beziehung könne zunächst nicht anerkannt werden, daß das Betriebsdeficit auf Ende 1895 Fr. 200,000 betragen werde.

Rechnungsmäßig stehe lediglich fest, daß auf Ende 1894 der Passivsaldo der Gewinn- und Verlustrechnung . . . Fr. 130,076. 80 betrug. Rechne man dazu das von der Gesellschaft pro 1895 auf ,, 65,000. -- präliminierte Betriebsdeficit, so erhalte man, statt Fr. 200,000, nur ein Gesamtdeficit von . . . Fr. 195,076. 80 Daß aber das diesjährige Deficit wirklich Fr. 65,000, also nur cirka Fr. 21,000 weniger als das letzte Jahr, betragen werde, sei nicht anzunehmen. Die Mehreinnahmen der Thunerseebahn betrügen auf Ende Oktober 1895 bereits rund Fr. 31,000 und können bis Ende des Jahres leicht auf Fr. 40,000 ansteigen. Die definitive Feststellung der Julieinnahmen habe alleiu das Resultat der Rechnung um Fr. 6264 gebessert. Ergebe sich, was wahrscheinlich sei, eine gleiche Vermehrung der noch nicht bereinigten August- und Septernbereinnahmen, so werden die Mehreinnahmen für das ganze Jahr Fr. 40,000 übersteigen. Dies bedeute schon eine Besserung der Transporteinnahinen der eigenen Linie (Scherzligen-Därligen) von mindestens IßVa^o. Gleiche Mehreinnahmen habe aber dieThunerseebahn auch auf der von ihr gepachteten Bödelibahnstrecke DärligenInterlakeu. Die Einnahmen pro 1894 haben auf dieser Strecke Fr. 93,063. 50 betragen. Eine Vermehrung derselben um IGVa 0 /» ergebe pro 1895 Fr. 15,360, der mutmaßliche ganze Mehrbetrag der Transporteinnahmen pro 1895 stelle sich somit auf Fr. 55,000 bis Fr. 60,000, was in der Eingabe der Thunerseebahn nicht genügend berücksichtigt sei und auch, Anfang September, nicht vorausgesehen werden konnte.

Das Deficit auf 1. Januar 1896 werde also nicht Fr. 200,000 betragen, und noch weniger könne für die Zukunft der Ausfall der Betriebsrechnung auf Fr. 65,000 per Jahr geschätzt werden. Statt einer Summe von Fr. 90,000 bedürfe daher die Thunerseebahn zur Herstellung des Gleichgewichtes vielleicht nur einer Summe von höchstens Fr. 40,000 à Fr. 50,000 während einiger Jahre, in welcher die zur Tilgung des bestehenden Déficits, das übrigens auch nicht in acht Jahren amortisiert zu werden brauchte, notwendige Summe Inbegriffen sei.

Daß aber der Ausfall nur auf dem Wege einer Taxerhöhung zu decken sei, müsse bestritten werden. Bin weit besseres Mittel wären
Ersparnisse. Der Betrieb der Thunerseebahn koste im ganzen zu viel Geld, nämlich pro 1894 Fr. 308,089 oder Fr. 11,410. 70 per Kilometer, beziehungsweise 88,30% der Gesamteinnahmen. Unter anderm habe die Thunerseebahn an die Jura-Simplon-Bahn für die

791 Kosten der allgemeinen Verwaltung (?) einen Betrag von Fr. 9641. 55 bezahlt und daneben noch für ihre Verwaltung und Direktion die Summe von über Fr. 8000 ausgegeben. Hieran sollten doch etliche Tausend Franken gespart werden können u. s. w.

Die Gemeinden der beteiligten Amtsbezirke Interlaken, Niedersimmenthal, Frutigen und Thun protestierten in allen Tonarten gegen die projektierte Taxerhöhung, und die Regierung müsse sie wenigstens insoweit unterstützen, als sie verlangen, es sei von einer Erhöhung der Transporttaxen in der dritten Wagenklasse Umgang zu nehmen, in der Meinung, daß im wesentlichen nur der Personentransport in der ersten und eventuell in der zweiten Wagenklasse verteuert würde. Die Verteuerung des Gütertransportes sollte möglichst vermieden werden und seien überhaupt die Interessen der Landbevölkerung zu schonen. In dieser Beziehung erkläre zwar die Thunerseebahn in ihrer Eingabe, es sei möglich, den Uferbewohuern (die Regierung nehme an, es sei darunter die Bevölkerung der obigen Amtsbezirke verstanden) durch eine Einrichtung, wie sie auf der Brünighahn besteht, die bisherigen Persouentaxen zu sichern, worüber eventuell eine Verständigung zu treffen wäre. Eine derartige Verständigung sollte vor a l l e m a u s erfolgen, worauf die Regierung g r u n d s ä t z l i c h einer Taxerhöhung nicht mehr entgegentreten werde, unter der Bedingung, daß 1. die Berechnung der mittelst einer Taxerhöhung aufzubringenden Mehreinnahmen nicht auf Grund des Rechnuugsergebnisses von 1894, sondern auf Grund des abzuwartenden Rechnungsabschlusses pro 1895 stattfinde; 2. die Erhöhung, unter Berücksichtigung der in der Verwaltung zu erzielenden Ersparnisse, auf das Notwendigste beschränkt, und der Lokalverkehr so wenig als möglich belastet werde.

Gegen die Thunerseebahn sei die Zwangsliquidation eingeleitet.

Ob sie durchgeführt werden werde, wisse die Regierung nicht, doch verlaute, daß das Unternehmen in andere Hände übergehen werde.

Sollte die Jura-Simplon-Bahn oder die Centralbahn dasselbe erwerben, so müßte gegen jede Taxerhöhung Einsprache erhoben werden, und werden auch die Bundesbehörden diesen großen Eisenbahngesellschaften keine Taxerhöhungen zugestehen wollen. Es sei daher auch aus diesem Grunde angezeigt, jede Schlußnahme bis nächsten Frühling zu verschieben, d. h. bis man wisse,
was aus der Thunerseebahn werde. Eine Erhöhung der Taxen bringe während des Winters ohnehin kein Geld. Die Transporteinnahmen der Bahn hätten letztes Jahr vom 1. Januar bis 1. Juni kaum mehr als Fr. 30,000 betragen, und da die Taxerhöhung im Winter nur den Lokalverkehr treffe, dieser sich aber infolgedessen entsprechend

792 vermindern würde, so könne jedenfalls der Zweck erst im Sommer erreicht werden.

Die Regierung von Bern hat sodann das Taxerhöhungsgesuch der Tliunerseebahn auch den an der Linie gelegenen Gemeinden zur Kenntnis gebracht, und teilt deren ablehnende Rückäußerungen mit.

Was nun zunächst die grundsätzliche Frage der Interpretation des Art. 24, Alinea 2, der Konzession anbetrifft, so spricht schon der Wortlaut dagegen, daß die im ersten Alinea für Taxherabsetzungen vorgesehene d r e i j ä h r i g e P e r i o d e auch für das zweite Alinea gilt. Hätte diese Absicht bei Aufstellung der Bestimmung bestanden, so wäre dies wohl im Eingang des zweiten Alineas ausdrücklich gesagt worden und hätte auch gesagt werden müssen.

Aber auch aus innern Gründen kann nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber stillschweigend die dreijährige Frist des ersten Alineas auf den wesentlich verschiedenen Fall des zweiten Alineas beziehen wollte. Durch die Bestimmung in Absatz 2 soll ermöglicht werden, Gesellschaften, deren Bahnunternehmen einen ungenügenden Ertrag abwirft, um die Betriebskosten zu decken und den finanziellen Verpflichtungen nachzukommen, durch eine angemessene Taxerhöhung vor dem Ruin zu retten. Soll aber dieser Zweck erreicht werden, so muß das Mittel in Anwendung gebracht und die Taxerhöhung bewilligt werden können, sobald das Bedürfnis dazu sich geltend muent. Nun sind aber die Obligations- so wenig als die andern Gläubiger der Bahngesellschaften durch gesetzliehe Vorschrift gehalten, denselben ihre Forderungen drei Jahre zu stunden; gegenteils bestimmt das Liquidationsgesetz in Art. 14 ff., daß die Pfandgläubigei die Liquidation verlangen und mit Mehrheit beschließen können, wenn der ihnen zugesicherte Zins am Verfalltage uicht bezahlt worden ist, und dem Liquidalionshegehren, auch wenn es nur von e i n z e l n e n Titelinhabern gestellt wird, Folge gegeben werden m u ß , wenn die Gesellschaft mit Bezahlung des fälligen Kapitals oder Zinses seit wenigstens einem Jahr irn Verzug ist.

Die Hebung der Betriebseinnahmen durch Taxerhöhung käme daher in den meisten Fällen zu spät, wenn deren Gewährung an eine dreijährige Frist gebunden wäre.

Muß danach angenommen werden, daß der Nachweis der Ungenüglichkeit des Ertrages zur Deckung der Betriebskosten, einschließlich der Verzinsung des Obligationenkapitals,
grundsätzlich nicht an eine dreijährige Periode gebunden ist, sondern mit dem Ergebnis bloß e i n e s Jahres erbracht werden kann, so steht der Tliunerseebahn srhon jetzt, gestützt auf die Zusage in Art. 24, AI. 2, ein konze^sionsmäßiger Anspruch auf Taxerhöhung zu, sobald festgestellt ist, daß die thatsächliche Voraussetzung im Sinne des Gesetzes durch

793 eine Jahresrechnung nachgewiesen ist. Daß dies hier der Fall ist, kann keinem Zweifel unterliegen. Denn schon das halbe Betriebsjahr 1893 ergab eia Deficit von Fr. 43,923. 44, und das Betriebsjahr 1894 eia solches von Fr. »6,153. 36, und es steht pro 1895 wiederum ein solches in Aussicht. Es ist somit nicht bloß für ein Jahr, sondern für 2 Va Jahre der Nachweis erbracht, daß der Ertrag des Unternehmens zur Deckung der Betriebskosten, einschließlich der Verzinsung des Obligationenkapitals, nicht ausreicht, abgesehen davon, daß es der Gesellschaft bisher unmöglich war, der konzessionsmäßigen Verpflichtung zur Äuffoung eines Erneuerungsund Reservefonds gerecht zu werden. Ob das Deficit in allen 3 Jahren die gleiche Höhe erreichte, fällt dabei nicht maßgebend in Betracht, ebensowenig als die Frage, ob allenfalls durch sparsamem Betrieb und Reduktion der Verwaltungskosten das Deficit inskünftig sich herabmindern ließe.

Erscheint somit das Begehren um Taxerhöhung als solches begründet, so kann es sich bloß noch um das Maß derselben handeln. Die Bahngesellschaft verlangt eine gleichmaßige Erhöhung aller Taxen um 36 %, womit sie einen Mehrertrag von cirka Fr. 90,000 per Jahr zu erzielen hofft, urn so den auf durchschnittlich cirka Fr. 65,000 jährlich veranschlagten ßetriebsausfall fiir die Zukunft zu vermeiden und das gegenwärtig cirka Fr. 200,00l) betragende Deficit durch jährliche Amortisationsquoteu von Fr. 25,000 zu tilgen. Ferner soll, wie die Bahngesellschaft ihr Gesuch mündlich ergänzte, die Mehreinnahme infolge der Taxerhöhung ihr die Auffnung eines genügenden Erueuerungs- und Reservefonds und die finanzielle Konsolidierung des Unternehmens überhaupt ermöglichen.

Die Regierung des Kantons Bern tritt dem Begehren entgegen und scheint einen Konkurs der Gesellschaft dem Erhalten derselben vorzuziehen. Sie bestreitet, daß das Delicit sich auf die von der Gesellschaft angegebene Höhe belaufe, und weist in dieser Beziehung auf die in den Sommermonaten des laufenden Jahres gegenüber dem Vorjahr erhielten Mehrerträgnisse hin. Nun ist aber bekannt, daß die Öaison 1895 eine ausnahmsweise gute war, so daß die Einnahrnenvermehrung dieses Jahres kaum als eine konstante betrachtet werden kann, sondern gewärtigt werden muß, daß in den nächsten Jahren bei gleichen Taxverhältnissen die Einnahmen auf diejenigen
des Jahres 1894 oder noch weiter sinken werden.

Wenn auch allenfalls das Ende 1894 Fr. 130,076. 80 betragende Deficit infolge der erwähnten günstigen Verhältnisse auf 31. Dezember Iö95 den Betrag von Fr. 2
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794 Specialfonds nachzuholen haben, was im Interesse dei- Konsolidierung des Unternehmens als dringend geboten erseheint. Die Verteilung der Amortisation auf 8 Jahre, statt auf eine längere Periode, wie die Regierung von Bern eventuell anregt, kann nur gebilligt werden.

Eine längere Frist wäre um so eher verwerflich, als dadurch die Gesellschaft in der Einführung von Verbesserungen für längere Zeit gehindert würde.

Durch die von der Regierung von Bern empfohlene Reduktion der Betriebs- und Verwaltungskosten wird nur eine unwesentliche Reduktion des Deficite erzielbar sein, welcher daher bei Bemessung der Taxerhöhung keine große Bedeutung beigemessen werden kann.

Wir halten auch dafür, es sei, wenn überhaupt der in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Gesellschaft mit einer Taxerhöhung die Konsolidierung ihres Unternehmens ermöglicht werden soll, die Erhöhung dann so zu bemessen, daß der Zweck sicher erreicht wird und nicht die Gefahr weiterer Deficite fortbesteht. Letzteres scheint uns aber der Fall zu sein, wenn nach dem Antrage der Regierung die nachgesuchte Erhöhung gekürzt wird. Übrigens darf nicht unerwähnt bleiben, daß auch die um 36 °/o erhöhten Taxen noch keineswegs übermäßig hoch ausfallen, wie die Gemeinden annehmen, sondern innert den bei ähnlichen Unternehmungen admittierten Ansätzen sieh halten. Wir führen beispielsweise an die Eisenbahn Thun-Konolfingen, welcher Personentaxen von 10 Rappen für II.

und 7 Rappen für III. Klasse bewilligt wurden; ferner SpiezErlenbach mit Personentaxen von 15, 10 und 7 Rappen für die drei Klassen, einer Gepäcktaxe von 7 Rappen, Viehtaxen von 18, 12 und 6 Rappen und Gütertaxen von 2 -- 3 Rappen; Spiez-Frutigen mit gleichen Personen- und Gepäcktaxen, Viehtaxen von 18, 12 und 3 Rappen und Gütertaxen von 1,.5--3 Rappen;Konolfingen-Biglenn und Bern-Worb-Sumiswald-Huttwil mit Personentaxen von 10 und 7 Rappen, Viehtaxen von 18, 10 und 5 Rappen und Gütertaxen von 1,5--3 Rappen, während die Erhöhung um 36 °/o bei der Thunerseebahn nur ergiebt: Personentaxen von13,6e, 9,52 und 6,8 Rappen, eine Gepäcktaxe von 6.8 Rappen, Viehtaxen von 21,76, 10,88 und 4,08 Rappen und Giltertaxen von 1,86--2,72 Rappen.

Aus diesen Gründen scheint uns das verlangte Maß der Ei-höhung von 36 % nicht übertrieben, sondern den thatsächlichen Verhältnissen zu entsprechen. Dasselbe
zu bewilligen, dürfte dann um" so weniger Bedenken unterliegen, wenn daran der Vorbehalt geknüpft wird, daß die Taxen successive wieder bis auf die Normaltaxen herabzusetzen seien, wenn der Reinertrag der Bahn ein gewisses Maß -- wir schlagen vor, dasselbe auf 3 Va °/o festzusetzen -- i) bersteigt.

795 Was die Einwendungen der Gemeinden anbelangt, so kann denselben keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden, da es den letztern, wie aus ihren bezüglichen Eingaben deutlich hervorgeht, an der nötigen Sachkenntnis und dem zur Beurteilung der Frage erforderlichen Überblick fehlte. Es scheinen dieselben vielmehr bei ihren Äußerungen durch lokale Interessen und Verstimmungen, welche zu der Frage nicht in Beziehung stehen, geleitet worden zu sein und den Anlaß benutzt zu haben, um ihren Beschwerden anderer Art gegen die Thunerseebahn Luft zu machen. Obwohl die Thunerseebahn dermalen billigere Personentaxen hat, als die Central bahn und die Jura-Simplon-Balm, nämlich die Normalkonzessionstaxen, wird von allen Seiten über zu hohe Personentaxen geklagt. Die Gütertaxen sind die nämlichen wie bei der Jura-Simplon-Bahn und der Central bahn, was aber nicht hindert, daß in einer Eingabe die Behauptungaufgestellt wird, der Transport Basel-Seherzligen (138 km.)

sei billiger, als derjenige Scherzligen-Därligen (23 km.). Andere Gemeinden widersetzen sich dem Gesuch, weil die Thunerseebahn bei der Anlage der Stationen ihren Wünschen nicht entsprochen habe, u. s. w.

Auf das von einigen Gemeinden gestellte Begehren, die Taxen für die einheimische Bevölkerung auf der bisherigen Höhe zu belassen, kann unseres Erachtens nicht eingetreten werden, da eine solche ungleiche Behandlung Einzelner bei einer das ganze Jahr im Betrieb stehenden Normalbahn im Gegensatz zu den reinen Saisonund Touristenbahnen als unstatthaft sich darstellt. Es erscheint auch richtig, wenn die Gesuchstellerin ausführt, daß die Erhöhung nicht bloß auf einzelnen Wagenklassen im Personenverkehr oder nur im Güterverkehr gesucht werden könne, da sie sonst allzu empfindlich würde. Infolgedessen kann dem Wunsche der Gemeinden und der Regierung, die III. Wagenklasse von der Erhöhung auszunehmen, nicht wohl entsprochen werden. Dagegen möchten wir Ihnen beantragen, im Sinne der im Gesuche selbst enthaltenen Anregung, durch eine ausdrückliche Bestimmung der Gesellschaft die V e r p f l i c . h t u n g zur Ausgabe von Kilometerabonnementen zu reduziertem Preise aufzuerlegen, wie solche seit Eröffnung des Betriebes zur Ausgabe gelangt sind.

Durch einen solchen Vorbehalt ist dem Begehren der Regierung von Bern, daß eine Verständigung über die den
Uferbewohnern zu gewährende Erleichterung vor a l l e m aus zu erfolgen hätte, im wesentlichen Rechnung getragen, indem gleichzeitig mit der Taxerhöhung die Verpflichtung zur Einführung der Erleichterungen statuiert wird. Es darf daher vorausgesetzt werden, daß mit der vorgeschlagenen Lösung auch die Kantonsregierung einverstanden

796 sei, nachdem sie in ihrer Vernehmlassung erklärt hatte, nach erfolgter Verständigung im angegebenen Siune einerTaxei'höhung grundsätzlich nicht mehr entgegenzutreten, unter der Bedingung allerdings, daß die Taxerhöhung auf Grnnd des Rechnungsergebnisses von 1895 und nicht desjenigen von 1894 erfolge, und ferner, daß die Erhöhung unter Berücksichtigung der in der Verwaltung zu erzielenden Ersparnisse auf das Notwendigsie beschränkt und der Lokal verkehr so wenig als möglich belastet werde.

Zur Begründung ihres Antrages auf V e r s c h i e b u n g der Beschlußfassung über das vorliegende Gesuch auf den Frühling führt die Regierung im fernem noch an, d«ß gegen die Thuoerseebahn die Zwangsliquidation eingeleitet sei und, für den Fall der Durchführung derselben und des Übergangs des Unternehmens in andere Hände, gegen jede Taxerhöhuug Einsprache erhoben werden müßte, wenn die Jurn-Simplon-Bahn oder die Centralbahn das Unternehmen erwerben würden ; übrigens sei anzunehmen, daß auch die Bundesbehörden diesen großen Eisenbahngtsellschaften keine Taxerhöhungen zugestehen wollen. Eine Verschiebung der Schlußnahme bis zum Frühling, d. h. bis man wisse, was aus der Thunerseebahn werde, unterliege um so weniger Bedenken, als eine Erhöhung der Taxen für den Winter, während dessen der Verkehr auf der Linie ein minimer sei, ohnehin kein Geld einbringen würde.

Dem gegenüber fällt nun aber vor allem in Betracht, daß mit der nachgesuchten Taxerhöhung gerade bezweckt wird, die Liquidation zu vermeiden, und daher mit der Behandlung und Erledigung des Gesuches nicht ,bis nach durchgeführter Liquidation zugewartet werden darf, wenn anders diese nicht unvermeidlich gemacht werden will, was wir keineswegs als angezeigt erachten.

Die Regierung von Bern befindet sich sodann im Irrtum, wenn sie annimmt, ea komme die Bewilligung der Taxerhöhung im Frühj a h r noch früh genug, um den S a i s o n v e r k e h r zutreffen. Wenn letztere nicht in nächster Zeit erfolgt, so wird es unmöglich sein, die erhöhten Taxen vor der Saison zur Einführung zu bringen, da die Umarbeitung der Tarife, namentlich derjenigen mit dem Auslande, erfahrungsgemäß längere Zeit in Anspruch nimmt. Zudem darf nicht außer acht gelassen werden, daß das Gesetz für die Einführung erhöhter Taxen eine dreimonatliche Frist vorschreibt (Art. 35, Ziff. 5,
AI. 3, des Eisenbahngesetzes) Es erscheint daher, wenn der Bahngesellschaft überhaupt auf diesem Wege geholfen werden soll, worauf sie, wie schon erwähnt, unseres Erachtens einen konzessionsmäßigen Anspruch hat, eine Verschiebung der Schlußnahme über das Gesuch auf den Frühling nicht thunlich.

797 Was den Übergang des Unternehmens iu andere Hände betrifft, so ist zu erwähnen, daß seit der Veroehmlassung der Regierung die Generalversammlungen der Aktionäre der Thunerseebahn und der Dampfsohiffgesellsehaft für den Thuner- und Brienzersee die Fusion der beiden Unternehmungen beschlossen haben, unter der ausdrücklichen Voraussetzung jedoch, daß die anbegehrte Taxerhöhung auf der Thunerseebahn von den kompetenten Behörden bewilligt werde. Wenn Sie dem Gesuche entsprechen, wird also das Unternehmen nicht auf eine der genannten Eisenbahngesellschaften übergehen, zu deren Gunsten die Gewährung der Taxerhöhung ungerechtfertigt sein möchte. Bei der gegebenen Sachlage verdient aber dieses Fusionsprojekt, welches geeignet erscheint, dem unerquicklichen Konkurrenzverhältnis zwischen den beiden Transportanstalten ein Ende zu machen, die Unterstützung der Behörden.

Gestützt auf vorstehende Ausführungen glauben wir Ihnen das Gesuch der Thunerseebahn um Taxerhöhung zur Gulheißung empfehlen zu sollen und gestatten uns, diesfalls noch auf zwei ähnliche Fälle aus der Praxis hinzuweisen. Der Emmenthalbahn wurde im Jahre 1876 (bezw. 1881), obwohl sie die nach Stunden berechneten Grundtaxen einhob, vom Bundesrate eine Erhöhung der Taxen um 30 % zugestanden, weil sie sonst die Betriebsausgaben nicht hätte decken und die Obligationenzinse nicht bezahlen können (B. A. S. n. F. IV, 169, und VI, 136). Ferner wurden der Sihlfhalbahn bereits vor der Betriebseröffnung eine Erhöhung der Gütertaxen um 20 °/o und ein Jahr nach Eröffnung des Betriebes noch die Erhöhung der Personentaxen um 25 % bewilligt (E. A. S. n. F.

XII, 61 und 645), weil die Betriebseinnahmen derart waren, daß za befürchten stand, die Gesellschaft werde in schwierige Verhältnisse kommen.

In formeller Beziehung ist schließlich noch zu bemerken, daß zwar nach dem Wortlaut des zweiten Alineas von Art. 24 der Konzession der Bundesrat kompetent wäre, die nachgesuchte Taxerhöhung von sich aus zu gestatten, dann aber seinen daherigen Beschluß Ihrer Genehmigung zu unterbreiten hätte. Um indessen angesichts der kritischen Lage der Thunerseebahn möglichst bald einen definitiven Entscheid über die anbegehrte Taxerhöhung herbeizuführen, von welchem die finanzielle Sanierung des Unternehmens abhängt, glaubten wir Ihnen die Angelegenheit ungesäumt direkt unterbreiten zu sollen.

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Indem wir Ihnen beantragen, dem Gesuche im Sinne nachstehenden Entwurfes Bundesbeschluß zu entsprechen, benutzen wir den Anlaß, Sie, Tit., wiederholt unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 18. Dezember 1895.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Abänderung der Konzession einer Eisenbahn von Scherzligen nach Därligen (Thunerseebahn).

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, "nach Einsicht \. eines Gesuches der Direktion der Jura-Simplon-Bahn, namens der Thunerseebahn, vom 9. September 1895; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 18. Dezember 1895, bes c h l i e ß t : 1. Die Art. 15, 17 und 18 der Konzession einer Bisenbahn von Scherzligen nach Därligen, vom 17. Juni 1890 (B. A. 8. n. F, XI, 21 ff.), werden dahin abgeändert, daß der Gesellschaft gestattet wird, die sämtlichen, in den genannten Artikeln aufgestellten Taxen um 36 °/o zu erhöhen.

2. Wenn in der Folge die Bahnunternehmung einen 3 Va °/o übersteigenden Reinertrag abwirft, so sind die erhöhten Taxen successive wieder auf die normalen herabzusetzen.

3. Die Gesellschaft ist verpflichtet, nach mit dem Bundesrate zu vereinbarenden Bestimmungen Kilometerabonnemente zu ermäßigter Taxe auszugeben.

4. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Änderung der Konzession einer Eisenbahn von Scherzligen nach Därligen (Thunerseebahn). (Vom 18.

Dezember 1895.)

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