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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die eidgenössische Geldskala.

(Vom 26. Februar 1895.)

Tit.

Die Aufstellung einer eidgenössischen Geldskala reicht bis an die Mediationszeit hinauf; sie erfolgte erstmals im Jahre 1803 und zwar in Verbindung mit der seither dahingefallenen Mannschaftsskala, sodann 1816/17 nach Annahme des Fünfzehnervertrages und hierauf bundesvertragsgemäß 20 Jahre später, also im Jahre 1838.

Die Bundesverfassung von 1848 zählte in Art. 39 neben den Zinsen der eidgenössischen Kriegsfonds und den Erträgnissen der schweizerischen Grenzzölle, der Postverwaltung und der Pulververwaltung als weitere Einnahmsquelle, aus welcher die Ausgaben des Bundes bestritten werden sollten, die Beiträge der Kantone auf mit der speciellen Vorschrift, daß solche nur infolge von Beschlüssen der Bundesversammlung und auf Grundlage einer Geldskala, welche alle 20 Jahre einer Revision zu unterwerfen sei, erhoben werden können. Dabei bestand noch die weitere Verfassungsvorschrift, daß bei einer solchen Revision teils die Bevölkerung, teils die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der Kantone zur Grundlage dienen-sollen.

Im Oktober 1850 legte der Bundesrat der Bundesversammlung einen auf Artikel 39 der 48er Verfassung fußenden Entwurf betreffend die eidgenössische Geldskala vor, welcher nach verschiedenen durch die Bundesversammlung vorgenommenen, die Klassifi-

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kation betreffenden Abänderungen am 9. Juli 1851 Gesetzeskraft erhielt. Da die Dauer der aufgestellten Geldskala verfassungs- und gesetzesgemäß auf 20 Jahre festgesetzt war, so hätte im Jahre 1871 eine Revision dieser Skala stattfinden sollen.

Mit Botschaft vom 23. Mai 1871 (Bundesblatt 1871, II, 865) schlug indessen der Bundesrat der Bundesversammlung vor, auf eine Revision der Skala mit Rücksicht auf die damaligen Revisionsbestrebungen einstweilen nicht einzutreten. Wenn auch am Prinzipe der Geldkontingente wahrscheinlich in der neuen Verfassung festgehalten werden müsse -- argumentierte der Bundesrat --, so stehe die Revision selber mit einer großen Anzahl finanzieller und volkswirtschaftlicher Fragen in engem Zusammenhange, und erst wenn diese gelöst seien, lassen sich auch die Hülfsquellen, welcher die Eidgenossenschaft bedürfe, bestimmen.

Die Bundesversammlung pflichtete der Anschauungsweise des Bundesrates bei und durch Bundesbeschluß vom 12. Juli 1871 (A. S. X, 450) wurde die eidgenössische Geldskala bis auf weiteres in Kraft verbleibend erklärt.

In der Bundesverfassung von 1874 sind die Geldkontingente als Bundeseinnahme neuerdings aufgenommen worden mit dem Zusätze, daß deren nähere Regulierung vorzugsweise nach Maßgabe der Steuerkraft der Kantone der Bundesgesetzgebung vorbehalten sei.

Diese gesetzliche Regulierung unter der Herrschaft der gegenwärtigen Bundesverfassung erfolgte im März 1875 und es wurde das betreffende ßundesgesetz vom Bundesrate nach unbenutzter Referendumsfrist am 7. Juli 1875 in Kraft erklärt.

Nach Maßgabe der Klassifikation des Gesetzes von 1875 und unter Zugrundelegung der Volkszählung vom 1. Dezember 1888 ergiebt sich als dermalen rechtskräftige Geldskala folgendes Tableau:

411 Bevölkerung auf 1. Dezember 1888 (Ortsanwesende).

Kantone.

Betrag . Klassifikation des einfachen nach Maßgabe des Geldkontingents Gesetzes vom eines jeden 9. März 1875.

Standes.

Fr.

Uri Obwalden . . .

Nidwaiden . . .

Appenzell I.-Rh. .

Schwyz .

.

GraubUnden .

Wallis Glftrus Zug Tessin . . .

Luz6rn .

Freiburg . . .

Solothurn . . .

Basel-Landschaft .

Appenzell A.-Rh.

Schaffhausen .

St. Gallen . . .

Thurgau . . .

Zürich Bern .

. .

Aarffau Waadt . . .

Neuenburg.

Genf .

. .

Basel-Stadt . .

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

17,285 15,030 12,520 12,904 50 378 96,235 101 837 33794 23,123 126,946 135,722 119,529 85,709 62,154 54,192 37,876 229,367 105,121 339,056 539,405 193,834 251,297 109,037 106,738 74,245 2,933,334

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Da aber auch das Gesetz von 1875, ohne durch den neuen Verfassungsartikel hierzu gezwungen zu sein, die Gültigkeitsdauer neuerdings auf 20 Jahre festgesetzt hat, so stehen wir vor der Notwendigkeit, diese Geldskala entweder zu revidieren, oder aber dieselbe durch Bundesbeschluß für eine bestimmte oder auf unbestimmte Zeit fortdauernd zu erklären. Ein Drittes ist wohl nich

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.gedenkbar, da die Geldkontingente und deren gesetzliche RegulieTung eine verfassungsmäßige Vorschrift sind und schwerlich die Neigung vorhanden ist, dieselben auf dem Wege einer Verfassungsänderung heute zu beseitigen und an deren Stelle dem Bunde das Recht zu direkter Steuererhebung einzuräumen für den Fall, als die ihm verfassungsgemäß zugewiesenen Erträgnisse der Zollverwaltung und verschiedener Regalien nicht ausreichen sollten, um seine Ausgaben zu decken.

Der Bundesrat beehrt sich, der hohen Bundesversammlung vorzuschlagen, d e r m a l e n a u f k e i n e R e v i s i o n d e r g e g e n wärtig zu Kraft bestehenden Geldskala einzutreten.

Wir lassen uns dabei nicht bloß leiten von der Erwägung, daß eine gewisse Dringlichkeit vorliegt, da die gesetzlich vorgesehene zwanzigjährige Dauer mit dem nächstkünftigen 7. Juli zu Ende geht.

Es sind vielmehr die der Aufstellung eines sichern Maßstabes zur Ausmittlung der kantonalen Beiträge entgegenstehenden Schwierigkeiten, welche uns bestimmen, von einer Revision des Gesetzes vom ·9. März 1875 abzusehen.

Nach dem Wortlaut des Verfassungsartikels sollen die Geldkontingente der Kantone v o r z u g s w e i s e nach Maßgabe der S t e u e r k r a f t derselben festgesetzt werden. Wie ist es nun aber möglich, diese Steuerkraft zu ermitteln? Die Steuersysteme der Kantone sind sehr verschiedenartig: während einige vorzugsweise ·direkte Steuern (Einkommens- und Vermögenssteuer) beziehen, verlegen sich andere mehr auf indirekte Abgaben (Salz-, Handänderungs-, Erbschafts-, Stempelsteuern), ja es giebt sogar Kantone, die noch keine direkten Staatssteuern erheben. Es wäre somit unmöglich, umfassende, zuverlässige und v e r g l e i c h b a r e Angaben über das steuerfähige, bewegliche und unbewegliche Vermögen in den Kantonen zu erhalten. Zudem würde es nicht genügen, die Aktiven auszumitteln, sondern um die Steuerkraft oder, wie sich der fran.zösische Text des Verfassungsartikels ausdrückt, um den Volkswohlstand und die wirtschaftlichen Hülfsquellen (richesse et ressources imposables) zu ergründen, müßte man auch die Passiven kennen, und daß eine solche Erhebung nicht durchführbar ist, beweist am besten der Ausgang der vor ungefähr 3 Jahren stattgefundenen Konferenz kantonaler Delegierter betreffend die Bodenverschulduug.

Im Jahre 1875 hatte man sich mit einer
vom statistischen Bureau verfertigten Zusammenstellung der Gesamteinnahmen und Gesamtausgaben der Kantone zu helfen versucht, deren Unzulänglichkeit aber von den vorberatenden Behörden sofort betont wurde.

413 Anno 1851 war eine Expertenkommission beauftragt worden, nach Maßgabe aller verschiedenartigen Momente, welche bei der Beurteilung der ökonomischeu Lage eines Rantons in Betracht kommen können, einen Vorschlag zu machen, der jedoch sowohl vom Bundesrate, als auch von den Kommissionen des National- und Ständerates und zuletzt von der Bundesversammlung wesentlich abgeändert wurde.

In Ermangelung sicherer Angaben wurde deshalb bei der Beratung der Gesetze von 1851 und 1875 die Geldskala von der Bundesversammlung ao ziemlich nach freiem Ermessen aufgestellt, und es bliebe auch heute keine andere Auswahl. Ein solches Vorgehen würde aber höchstwahrscheinlich, wie es schon früher deiFall war, zu unliebsamen Erörterungen im Schöße der Bundesversammlung führen und in den Kantonen, die etwa in eine höhere Klasse versetzt würden, eine Unzufriedenheit hervorrufen, die im Interesse eines ersprießlichen Zusammenwirkens zur Durchführung der bevorstehenden großen volkswirtschaftlichen Aufgaben besser vermieden würde. Wir glauben, nicht irre zu gehen, wenn wir annehmen, daß es viel leichter sein wird, die schon bestehende Skala fortdauern zu lassen, als eine neue aufzustellen. Es ist zwar schon richtig, daß sich die Verhältnisse in einigen Kantonen seit 1875, wenn auch nicht wesentlich, verändert haben; aber andererseits muß auch zugegeben werden, daß die gegenwärtige Klassifikation doch so ziemlich das Richtige getroffen hat. Es geht das daraus hervor, daß die Skala der Geldkontingente der Hauptsache nach schon seit der Mediationszeit die nämliche geblieben ist, indem von jeher die reinen Gebirgskantone (wie Uri, beide Unterwaiden, Schwyz, Graubtinden u. a. w.) in die untersten, die vorzugsweise Landwirtschaft treibenden Kantone (Luzern, Freiburg, Solothurn, Thurgau u. s. w.) in die mittleren und die mehr industriellen, reicheren und Städtekanlone (wie Zürich, Bern, Waadt, Genf, Basel-Stadt) in die höchsten Klassen eingereiht wurden. Eine heutige Revision würde an dieser Klassifikation wahrscheinlich nicht viel ändern.

Endlich ist auch wohl die Annahme gestattet, daß für normale Zeiten der Bezug solcher Geldkontingente faktisch als ausgeschlossen erscheint.

Gestützt auf diese Ausführungen beehren wir uns, der hohen Bundesversammlung zu beantragen, sie wolle nach mitfolgendem Bundesbeschlußentwurfe das Bundesgesetz betreffend die eidgenössische Geldskala vom 9. März 1875 bis auf weiteres in Kraft verbleibend erklären.

Bundenblatt. 47. Jafcrg. Bd. I.

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Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 26. Februar 1895.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Zemp.

Der Stellvertreter des eidg. Kanzlers: Schatzmann.

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(Entwurf.)

Bundesbeschlus betreffend

die eidgenössische Geldskala.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates, vom 26. Februar 1895, und des Art. 42 der Bundesverfassung, beschließt: Art. 1. Das Bundesgesetz betreffend die eidgenössische Geldskala, vom 9. März 1875 (A. S. n. F. I, 503), verbleibt bis auf weiteres in Kraft.

Art. 2. Der Bundesrat ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Beschlusses zu veranstalten und den Zeitpunkt des Inkrafttretens desselben festzusetzen.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die eidgenössische Geldskala. (Vom 26. Februar 1895.)

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27.02.1895

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