1003

# S T #

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Zollbefreiung für Schienen zur ersten Anlage von Eisenbahnen.

( Vom 15. März 1895.)

Tit.

Nachdem mit dem 19. Juli 1894 der Bundesbeschluß vom 26. April 1887 betreffend Zollbefreiung für Schienen zur ersten Anlage von Eisenbahnen (A. S. n. F. X, 122) außer Kraft getreten, sehen sich die Buudesbehörden wiederum vor die Frage gestellt, ob die nun seit Decennien den Bahnverwaltungen gewährte Zollerleichterung auch weiterhin einzuräumen sei, und da bereits diesbezügliche Gesuche eingereicht worden sind, sieht sich der Bundesrat veranlaßt, diese Frage ohne weiteren Verzug vor die hohen Räte zu bringen.

Über die Entstehung der fraglichen Zollerleichterung hat sich die bundesrätliche Botschaft vom 25. März 1887 (Bundesbl. 1887, I, 732) in gedrängter Kürze ausgesprochen.

Dessenungeachtet glauben wir aber hier nochmals auf die frühern Vorgänge zurückkommen zu sollen, und wenn wir auch früher Gesagtes hierbei wörtlich wiederholen, so geschieht es im Interesse der bessern Orientierung über die Sachlage.

Im Art. 3 des Bundesgesetzes vom 28. Juli 1852 betreffend den Bau und Betrieb von Eisenbahnen im Gebiete der Eidgenossenschaft (A. S. III, 170) wurden für die Einfuhr von Eisenbahnmaterial für einen Zeitraum von 10 Jahren und mit dem Vorbehalte dannzumaliger weiterer Beschlußfassung folgende Zollvergünstigungen eingeräumt : ,,Schienen, Schienenstühle, Drehscheiben, Räder, Achsen, Lokomotiven und Coke, die für die Eisenbahnen vom Auslande bezogen werden, sind vom Eingangszeile befreit.

1004 ,,Den inländischen Fabriken, welche Schienen, Schienenstühle, Drehscheiben, Kader, Achsen und Lokomotiven fUr schweizerische Eisenbahnen liefern, wird der Eingangszoll auf den hierfür erforderlichen Rohstoffen erlassen.11 Infolge einer schon vor Ablauf von 2 Jahren eingereichten gemeinschaftlichen Eingabe der Eisenbahngesellschaften wurden dann durch ßuudesbeschluß vom 19. Juli 1854 (A. S. IV, 248) den Eisenbahnunternehmungen folgende Vergünstigungen eingeräumt, welche infolge des Beschlusses vom 9. Juli 1864 (A. S. VIIJ, 94) bis 1874 bestanden haben : 1. Zollbefreiung für Schienen, Schienenbefestigungsmittel, Ausweiehungsvorrichtungen, Kreuzungen, Drehscheiben, Schiebbrücken, Eisenbestandteile »um Bau für eiserne Brücken, Räder, Achsen, Lokomotiven und Coke; 2. Zollermäßigung für Waggons auf l Va °/o vom Wert; 3. Zollbefreiung für Rohstoffe des sub l genannten Materials, welche von schweizerischen Fabriken eingeführt und verarbeitet wurden.

Im Jahre 1874 gelangte diese Frage neuerdings vor die Bundesversammlung, nachdem der Bundesrat mit Botschaft vom 1. Juni gleichen Jahres (Bundesbl. 1874, I, 1159) beantragt hatte, eine Erneuerung der gewährten Zollvergünstigungen nicht mehr eintreten zu lassen.

In der Begründung des bundesrätlichen Antrages wurde namentlich betont, daß die Vergünstigungen gerechtfertigt gewesen seien im Hinblick auf die großen Opfei-, welche Kantone und Gemeinden für die unter schwierigen Verhältnissen entstandenen Eisenbahnunter uehmungen gebracht haben; da jedoch in neuerer Zeit sich vorzugsweise das Privaikapital beteilige, so bestehe kein Grund mehr, dieselben günstiger zu behandeln als andere Piivatunternehmungen.

Das nämliche gelte in Bezug auf die Frage einer etwaigen Belassung der Zollbefreiung für das zur ersten Anlage der Eisenbahnen dienende Material, abgesehen davon, dali es schwierig wäre, festzustellen, ob dasselbe zur ersten Anlage oder als Ersatzmaterial bestimmt sei.

Zum ablehnenden Verhalten des Bundesrates veranlaßte auch die damalige Finanzlage des Bundes, indem für den Fall der Annahme der neuen Bundesverfassung ein Jahresdeficit von 3 ] /2 Millionen vorausgesehen war.

Diesem Antrage des Bundesrates trat der Bericht der ständerätlichen Eisonbahnkommission (Bundesbl. 1874, II, 585) entgegen, indem geltend gemacht wurde, daß eine gänzliche Aufhebung aller bisher bestandenen Zollvergünstigungen das natürliche Billigkeitsgefulil in hohem Maße verletzen würde, da die Schwierigkeiten für

1005 Erstellung neuer Bahnlinien nach wie vor fortbestehen und das Baukapital der neuen Gesellschaften in weit stärkerm Verhältnis als früher aus öffentlichen Fonds geschöpft sei, während die von Privaten gezeichneten Aktien nur ein sehr kleines Betreffnis des Gesellschaftskapitals ausmachen ; auch sei die Annahme des Bundesrates betreffend die Rentabilität der Eisenbahnunternehmungen nicht allgemein zutreffend, und schließlich diene sogar jede Lokalbahn, die mit einem größern Netz in Verbindung gebracht werden könne, dem allgemeinen Verkehr, habe also nicht weniger Anspruch auf die Vergünstigung als die bereits bestehenden Hauptlinien des schweizerischen Eisenbahnnetzes.

Daß die Zollbefreiung nicht nur für die erste Anlage, sondern auch für Unterhalt und Erneuerung bereits bestehender Linien gewährt wurde, bezeichnete die Kommission als ein unrichtiges Prinzip, wogegen sie die Zollbefreiung für die Einfuhr von Schienen erster Anlage im Interesse der Weiterentwicklung der Kommunikationsmittel als gerechtfertigt erklärte, zumal mit Leichtigkeit der erstmalige Bedarf auf Grund der Kilometerlängen ermittelt werden könne.

Unterm 9./10. Oktober 1874 wurde hierauf von den Räten folgender Beschluß gefaßt (A. S. n. F. I, 239): 1. Die durch Beschluß der Bundesversammlung vom 19. Juli 1854 und 9. Juli 1864 für die Einfuhr von Eisenbahnmaterial gewährten Zollerleichterungen werden, soweit sie sich auf Eisenbahnschienen beziehen, bis zürn 19. Juli 1884 erneuert, jedoch mit der Beschränkung, daß die Befreiung vom Eingangszoll auf dem Wege der Rückvergütung nur für solche Schienen gewährt wird, welche für die erste Anlage einer von den Kantonen oder vom Bunde konzedierten Eisenbahn bestimmt sind.

Alle andern in dem Beschluß vom 19. Juli 1854 bewilligten Zollerleichterungen sind mit dem 19. Juli 1874 außer Kraft getreten.

2. Der Bundesrat wird eingeladen, über die Tarifierung von zollpflichtigen Gegenständen für Eisenbahnbetrieb und Eisenbahnbauten, wie Lokomotiven, Wagen, eiserne Brücken u. s. w., die weiter erforderlichen Vorlagen einzubringen.

3. Wofern das Bundesgesetz über das schweizerische Zollwesen oder der Zolltarif einer Revision unterzogen wird, kann der vorliegende Beschluß ebenfalls einer Änderung unterzogen werden.

4. Referendumsvorbehalt.

Am 24. Dezember 1874 erfolgte dann, gestützt auf die
bundesrätliche Botschaft vom 28. Oktober gleichen Jahres, die Beschlußfassung über die Verzollung von Eiseubahnmaterial (siehe Ziffer 2 hier vor), beziehungsweise die Aufstellung eines Spécial tarifs (A. S.

n. F. I, 457), welcher wiederum durch das Tarifgesetz vom 26. Juni

1006 1884 (A. S. n. F. VII, 549) aufgehoben, beziehungsweise dem allgemeinen Tarif einverleibt wurde.

Die Zollbefreiung für Schienen erster Anlage erlosch, weil nicht erneuert, mit dem 19. Juli 1884.

Veranlaßt durch ein Memorial, welches die schweizerischen Eisenbahnverwaltungen auf die Junisession 1886 der Bundesversammlung eingereicht hatten, beantragte dann der Bundesrat mit Botschaft vom~25. März 1887 (ßundesbl. 1887, I, 732), die durch den Bundesbeschluß vom 10. Oktober 1874 gewährte Vergünstigung auf die Dauer von weitem 10 Jahren, vom 19. Juli 1884 an gerechnet, zu verlängern, welchen Antrag die Bundesversammlung unterm 22./26. April zum Beschluß erhob.

Zur Begründung seines Antrages hatte der Bundesrat lediglich darauf hingewiesen, daß die Motive, welche die Schlußnahme vom Jahre 1874 herbeigeführt, noch in gleichem Maße Geltung haben, und daß die Bahnverwaltungen ohnehin insofern gegenüber früher ungünstiger gestellt seien, als ihr Material seit 1. Januar 1885 nicht mehr nach einem 'Specialtarif verzollt werde.

Seit 1874 sind für Schienen erster Anlage den schweizerischen Bahnverwaltungen folgende Summen zurückbezahlt worden : 1875 Fr. 545,009. 88 1876 ,, 143,677. 59 1877 ,, 28,540. 45 1878 ,, 5,484. 34 1879 ,, 8,798. 42 1880 33,207. 51 1881 ,, 59,769. 13 1882 25,171. 82 1883 24,165. 32 1884 ,, 2,326. 32 1875-1884 Fr. 876,150. 78 1885 Fr.

-- -- 1886 ,, -- -- 1887 ,, 29,942. 08 1888 ,, 26,161. 36 1889 ,, 18805. 37 1890 ,, 31,614. 42 1891 ,, 44,467. 25 1892 ,, 54,762. 79 1893 ,, 26,743. 09 1894 91,136. 27 1885--1894 -- ,, 323,632. 63 Total

Fr. 1,199,783. 41

1007 Die Frage nun, ob die bisherige Vergünstiguug weiterhin KU gewähren sei, ist eigentlich zum vornherein entschieden durch die Stellungnahme der Bundesversammlung im Jahre 1874, indem die Situation sich seither \venig geändert hat.

Die Finanzierung der neuen Unternehmungen erfolgt immer noch unter starker Beteiligung öffentlicher Fonds, und Rücksichten der Billigkeit sprechen ebenfalls dafür, daß die noch zu bauenden Linien nicht ungünstiger behandelt werden, als die bereits bestehenden Bahnanlagen, wobei namentlich auch in Betracht lallt, dali es sich meist um Neben- beziehungsweise Lokalbahnen handeln wird, bei welchen die Schwierigkeit der Finanzierung mit der geringern Dichtigkeit der Bevölkerung zunimmt.

Die Lokalbahnen sind volkswirtschaftlich von solcher Bedeutung, daß sie nicht minder Berücksichtigung verdienen, als die Hauptverkehrsadern.

Wir nehmen daher keinen Anstand, Ihnen einen Beschlussesentwurf in diesem Sinne vorzulegen, wobei wir bemer.ken, daß die Fristbeschränkung auf 10 Jahre beibehalten ist, um damit immerhin anzudeuten, daß eine Berechtigung der Eisenbahnen grundsätzlich nicht anerkannt wird, und daß es sich lediglich um eine zeitweilige Vergünstigung handelt, welche das Land für den weitern Ausbau des schweizerischen Eisenbahnnetzes im öffentlichen Interesse gewährt.

Die Ablehnung unseres Antrages würde namentlich unbilligerweise auch die sogenannten Moratoriumslinieu treffen, welche infolge von Verumständungen, auf die wir hier nicht weiter eintreten zu sollen glauben, in der Periode, während welcher die Vergünstigung gewährt war, nicht erstellt werden konnten und deren Bauvollendung mit Zustimmung der Bundesversammlung verschoben worden ist.

Auf die Verstaatlichung beziehungsweise den Rückkauf der Eisenbahnen vermag diese Vergünstigung keinen Einfluß auszuüben.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 15. März

1895.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates,

Der Vizepräsident: .

Lachen.il.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

1008 (Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

Zollbefreiung für Schienen zur ersten Anlage von Eisenbahnen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 15. März 1895, beschließt: 1. Für Schienen, welche zur ersten Anlage einer vom Bund konzessionierten Eisenbahnlinie bestimmt sind, wird die durch den Bundesbeschluß vom 10. Oktober 1874 (A. S.

n. F. I, 239) gewährte Vergünstigung auf weitere 10 Jahre, vom 19. Juli 1894 an gerechnet, verlängert.

2. Der Bundesrat wird beauftragt, gemäß den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Beschlusses zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Zollbefreiung für Schienen zur ersten Anlage von Eisenbahnen. ( Vom 15. März 1895.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1895

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

12

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

20.03.1895

Date Data Seite

1003-1008

Page Pagina Ref. No

10 016 965

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.