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Jahresbericht des Bundesrates über die Tätigkeiten der Schweiz im Europarat 1994 vom 23. Januar 1995 Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen den Bericht des Bundesrates über die Tätigkeiten der Schweiz im Europarat 1994 und beantragen Ihnen, von ihm Kenntnis zu nehmen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. Januar 1995

1995-52

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Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Villiger Der Bundeskanzler: Couchepin

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Übersicht Der Bericht gibt Auskunft über die Schwerpunkte der zwischenstaatlichen Tätigkeit des Europarates im Jahre 1994 (Dezember 1993 bis November 1994) aus dem Blickwinkel der Schweiz. Er vermittelt zuerst einen Überblick über die allgemeinen Entwicklungen des Europarates und über die Tätigkeiten der Fachministerkonferenzen und des Ministerkomitees. Sodann geht er näher auf die Arbeit der dem Ministerkomitee unterstellten Lenkungs- und Expertenausschüsse ein.

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Bericht l 1.1

Politische Einleitung Allgemeine Entwicklung und Tätigkeiten des Ministerkomitees

Das Jahr 1994 war hauptsächlich von den Folgearbeiten des Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs (Wiener Gipfel) am 8. und 9. Oktober 1993 und von der Umsetzung der Entscheidungen, welche die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Europarates dort getroffen hatten, geprägt.

Der Wiener Gipfel bekräftigte nicht nur die Absicht, die politische Rolle des Europarates beim Aufbau Europas und bei der Konsolidierung der demokratischen Reformen in Mittel- und Osteuropa zu verstärken, sondern bezeichnete auch drei Tätigkeiten des Europarates als prioritär: - Reform des Kontrollmechanismus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK); - Ausarbeitung eines Rahmenabkommens zum Schutz nationaler Minderheiten; - Kampf gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz.

In allen drei Bereichen kann der Europarat grosse Fortschritte verzeichnen; er hat sogar die ihm vom Gipfel übertragene Aufgabe zu Ende geführt.

- Dies ist der Fall bei der Reform des Kontrollmechanismus der EMRK. Nachdem in Wien der politische Impuls gegeben worden war, einigten sich die Experten der Mitgliedstaaten auf die Erarbeitung eines Änderungsprotokolls (Protokoll Nr. 11), das im wesentlichen die Schaffung eines einzigen, ständigen Gerichtshofs vorsieht, der an die Stelle der bestehenden Organe, der Kommission und des Gerichtshofs für Menschenrechte, treten wird.

Es sei daran erinnert, dass die Schweiz diese Lösung schon 1985 erstmals vorgeschlagen hatte. Sie unterstrich damals die Notwendigkeit, den Kontrollmechanismus der EMRK zu verbessern, damit dieser die wachsende Zahl von Beschwerden bewältigen und seine Effizienz erhöhen könne.

Die EMRK ist nämlich gewissennassen zum Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden: Die Zunahme der bei den Rechtsprechungsorganen in Strassburg eingereichten Beschwerden sowie die sich daraus ergebende beträchtliche Verlängerung der Verfahren (bis zu fünf oder sechs Jahren vor einem Urteil des Gerichtshofs) haben zu einer Überlastung der Kontrollorgane geführt. Diese unannehmbar gewordene Situation drohte der Glaubwürdigkeit des gesamten Systems für- den Menschenrechtsschutz zu schaden.

Nach der Aufnahme der neuen Mitgliedstaaten aus Mittel- und Osteuropa in den Europarat, die die EMRK alle unterzeichnet und zum grössten Teil auch ratifiziert haben, wurde es um so
dringlicher, diese Reform zu verwirklichen. Denn gerade in diesen Ländern setzt die öffentliche Meinung hohe Erwartungen in die EMRK und in deren System des Menschenrechtsschutzes, das auf der Institution der Individualbeschwerde beruht.

Das Protokoll Nr. 11 gestattet es nicht nur, die Effizienz des Kontrollmechanismus zu erhöhen, indem ein einziger, ständiger Gerichtshof an die Stelle der beiden bestehenden Organe, d. h. des Gerichtshofes und der Kommission, tritt. Es bringt darüber hinaus weitere wichtige Verbesserungen: So wird die Anerken-

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nung der Individualbeschwerden durch die Konventionsstaaten künftig obligatorisch sein. Derzeit beruht das Recht auf Individualbeschwerde, der eigentliche Kern des Mechanismus zum Schutz der Menschenrechte, auf einer fakultativen Bestimmung der EMRK (Art. 25), welche die Staaten anerkennen können oder nicht.

Im übrigen werden gleichzeitig mit der Schaffung eines einzigen Gerichtshofes die richterlichen Kompetenzen des Ministerkomitees aufgehoben. Der Kontrollmechanismus gewinnt dadurch einen stärkeren rechtlichen Charakter, während das politische Organ nicht mehr Teil des Mechanismus ist.

Was den Schutz nationaler Minderheiten betrifft, so hat der Wiener Gipfel den Auftrag erteilt, «kurzfristig ein Rahmenabkommen auszuarbeiten, das die Prinzipien genau formuliert, zu deren Einhaltung sich die Vertragsstaaten zum Schutz nationaler Minderheiten verpflichten», sowie «die Arbeit an der Redaktion eines Protokolles aufzunehmen, das die Europäische Menschenrechtskonvention im kulturellen Bereich durch Bestimmungen ergänzt, die individuelle Rechte, besonders für Angehörige nationaler Minderheiten, gewährleisten». Die in Wien versammelten Staats- und Regierungschefs hatten die Bedeutung des Minderheitenschutzes für die Stabilität und Sicherheit in Europa erkannt und hervorgehoben, dass der fehlende angemessene Schutz dieser Bevölkerungsgruppen ernste Spannungen hervorrufen, ja sogar zu Konflikten führen kann, die den Frieden auf dem Kontinent gefährden könnten.

Während des Berichtsjahres hat der zu diesem Zweck eingesetzte Expertenausschuss den ersten Teil seiner Aufgabe erfüllt, nämlich die Ausarbeitung eines Rahmenabkommens. Dessen Text wurde anlässlich der Sitzung des Ministerkomitees vom 10.November 1994 gutgeheissen. Am I.Februar 1995 wird er zur Unterzeichnung aufgelegt.

Mit dem Rahmenabkommen wurde das politische Ziel verfolgt, zur Milderung von Spannungen zwischen Bevölkerungsminderheiten und -mehrheiten beizutragen, indem es Bedingungen des Zusammenlebens schafft, die die wesentlichen Rechte von Angehörigen nationaler Minderheiten wahren. Es handelt sich um ein Rahmeninstrument, das die zu erreichenden Ziele festhält, dessen Bestimmungen aber grundsätzlich nicht direkt anwendbar sind. Das Rahmenabkommen ist mit einem Durchführungsmechanismus ausgestattet, der sicherstellen soll, dass die
Vertragsstaaten die dort niedergelegten Grundsätze achten.

Das Rahmenabkommen lässt die Definition der «nationalen Minderheit» offen.

Bekanntlich wurde weder im europäischen noch im weltweiten Rahmen je ein Konsens über eine gemeinsame Definition dieses Begriffs erreicht; so unterschiedlich sind die Situationen von einer Region zur anderen, von einem Fall zum anderen. Dennoch behalten die in diesem Instrument angeführten Grundsätze ihren Wert und ihre Bedeutung, unabhängig von der besonderen Situation im Einzelfall.

Das Rahmenabkommen weist unter anderem folgende Bestimmungen auf: - Die Vertragsstaaten enthalten sich jeder Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit sowie jeder Massnahme, die darauf abzielt, die Angehörigen einer nationalen Minderheit gegen deren Willen zu assimilieren.

- Sie unterlassen es, die friedlichen grenzüberschreitenden Kontakte zu behindern.

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- Sie verpflichten sich dazu, den Angehörigen nationaler Minderheiten im privaten und im öffentlichen Bereich das Recht zu gewährleisten, ungehindert ihre Minderheitssprache zu sprechen, zu -lernen und unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausbildung in dieser Sprache zu erhalten.

- Sie stellen die Möglichkeit sicher, die Minderheitssprache im Verkehr mit den lokalen Behörden zu verwenden, sowie das Recht darauf, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Strassen- und Ortsnamen auch in der Minderheitssprache bezeichnet werden.

- Schliesslich müssen sie den nicht-diskriminierenden Zugang zu den Medien gewährleisten.

Dieses Rahmenabkommen ist das erste zwingende internationale Rechtsinstrument, das ausschliesslich dem Schutz nationaler Minderheiten gewidmet ist. In diesem Zusammenhang haben bereits die KSZE und die Europäische Union hervorgehoben, dass dieses Instrument des Europarates im Rahmen der präventiven Diplomatie und des Stabilitätspaktes für Europa als Referenztext dienen kann.

Wegen der politischen Bedeutung des Themas im gegenwärtigen europäischen Kontext und aufgrund ihres traditionellen Engagements für die Achtung der nationalen Minderheiten hat sich die Schweiz sehr aktiv an der Schaffung dieses Rahmenabkommens beteiligt. Aus unserer Tradition und Erfahrung gingen an ' den Sitzungen oft nützliche Anregungen hervor, die gewisse Bestimmungen des Rahmenabkommens beeinflussten. Schliesslich sei darauf hingewiesen, dass das Rahmenabkommen unter schweizerischem Vorsitz erarbeitet wurde.

Um dieses Rahmenabkommen am I.Februar 1995, dem Tag, an dem es zur Zeichnung aufgelegt wird, in Strassburg unterzeichnen zu können, hat der Bundesrat eine Vernehmlassung bei den Kantonen und interessierten Kreisen eingeleitet.

- Auch hinsichtlich der dritten vom Wiener Gipfel als prioritär hervorgehobenen Tätigkeit - dem Kampf gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz - wurden die Arbeiten rasch aufgenommen. In Strassburg wurde eine Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz geschaffen, die sich aus unabhängigen Persönlichkeiten mit anerkannter Sachkompetenz zusammensetzt. Sie hat insbesondere den Auftrag, den Kontext und die Ursachen dieser Phänomene zu untersuchen, die unsere gesamte Gesellschaft betreffen, und den Mitgliedstaaten Massnahmen sowohl politischer
als auch juristischer Natur vorzuschlagen, die zur Bekämpfung dieser Verirrungen geeignet sind. Zum schweizerischen Mitglied der Kommission wurde Professor Joseph Voyame ernannt; ihm wurde übrigens die Leitung der Arbeiten im juristischen Bereich übertragen.

Der Aktionsplan, den die Staats- und Regierungschefs verabschiedet haben, sieht ausserdem die Durchführung einer europäischen Kampagne gegen den Rassismus im Jahre 1995 vor. Diese Kampagne wird in den Mitgliedstaaten in Zusammenarbeit mit den Jugendorganisationen organisiert. Sie beabsichtigt vor allem, das Publikum zu informieren und zu sensibilisieren. Die Kampagne ist am 10. Dezember 1994 (dem Menschenrechtstag) lanciert worden und geht am 9. November 1995 (dem Jahrestag der «Kristallnacht» von 1938) zu Ende. In der Schweiz hat der Bundesrat beschlossen, dem für die Organisation der Kampagne zuständigen nationalen Komitee eine Subvention von 1,2 Millionen Franken zu gewähren. Dieses Komitee sieht insbesondere die Schaffung eines Projektfonds zur Unterstützung antirassistischer Initiativen an der Basis vor.

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Im Übrigen war die Wahl eines neuen Generalsekretärs der Organisation ein Höhepunkt des Jahres 1994. Die Parlamentarische Versammlung wählte in ihrer Frühjahrssession den liberalen schwedischen Parlamentarier Daniel Tarschys. Er ist der erste Skandinavier in diesem Amt. Er löst die französische Sozialistin Catherine Lalumière ab, die das Sekretariat des Europarates seit 1989 geleitet und dazu beigetragen hat, dass sich die Organisation öffnete und sich auf die Integration der neuen mittel- und osteuropäischen Demokratien ausrichtete. Daniel Tarschys erklärte, er wolle diese Linie weiterführen.

Der neue Generalsekretär hat sein Amt im Sommer 1994 angetreten. Als eines der ersten Länder lud die Schweiz Herrn Tarschys zu einem offiziellen Besuch nach Bern ein. Dieser Besuch fand am 27. Oktober 1994 statt und diente zu Gesprächen mit Bundesrat Flavio Cotti, dem Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten, sowie mit Bundesrätin Ruth Dreifuss und Bundesrat Arnold Koller. Zu den mit Bundesrat Cotti besprochenen Themen gehörten namentlich die Erweiterung des Europarates und die Aufnahme der Russischen Föderation, der Schutz nationaler Minderheiten und die Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen Europarat und OSZE.

1.2

Beziehungen des Europarates zu den mittet- und osteuropäischen Ländern

Im Laufe des Jahres 1994 wurden die Beziehungen zwischen dem Europarat und den mittel- und osteuropäischen Ländern vertieft. Nach den vorangegangenen, von einer raschen, beträchtlichen Erweiterung gekennzeichneten Jahren (6 Beitritte im Jahre 1993) trat 1994 ein einziger Staat dem Europarat bei, das Fürstentum Andorra (Nov. 1994). Die Organisation widmete ihre Tätigkeiten auf diesem Gebiet im wesentlichen der Fortführung der Zusammenarbeitsprogramme für die Demokratisierung der unlängst aufgenommenen Staaten, vor allem aber der Beitrittskandidaten. 1995 wird wahrscheinlich wiederum eine Reihe von Aufnahmen erfolgen, insbesondere jene Lettlands, der Russischen Föderation und der Moldau; Albanien, Kroatien, die Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, die Ukraine und Belarus werden vermutlich später beitreten. Der Europarat verwendet seine Kräfte deshalb darauf, diese Staaten auf den Beitritt vorzubereiten, indem er seine Unterstützung auf alle diese Länder ausdehnt und seine Programme ihren besonderen Bedürfnissen und dem Stand ihrer Reformen anpasst.

Hier ist auf das bedeutende Programm hinzuweisen, das zugunsten der Russischen Föderation erstellt worden ist. Es betrifft praktisch alle Zuständigkeitsbereiche des Europarates: Kultur, Erziehung, Medien, Umweltschutz, soziale Fragen, Jugendpolitik, juristische Zusammenarbeit, lokale Behörden usw. Der Menschenrechtsbereich hat jedoch Vorrang. Die Bemühungen zielen hauptsächlich darauf ab, in einem ersten Schritt die Gesetze und Texte der russischen Rechtsordnung mit den Hauptgrundsätzen des Europarates in Einklang zu bringen. In einem zweiten Schritt geht es dann darum zu erreichen, dass die Behörden, vor allem in der Verwaltung und der Rechtsprechung, die Texte diesen Zielen gemäss in die Praxis umsetzen.

Schweizerischerseits wird dieses Programm mit einem freiwilligen Beitrag von 500 000 Franken unterstützt. Wir haben den Schwerpunkt auf zwei besondere Themen gelegt, wo wir auch unsere Erfahrung einbringen können. Unser Beitrag wird für ein Projekt zugunsten der Information über die Menschenrechte verwendet. Es besteht darin, dass Standardwerke auf dem Gebiet der Menschenrechte, einschliesslich von ins Russische übersetzten Handbüchern, Universitäten, Ministerien, 1088

Gerichten, regionalen Behörden und Parlamenten zur Verfügung gestellt werden.

Auf diese Weise sollen nicht nur die interessierten Kreise in der Region Moskau sensibilisiert, sondern auch die Behörden und Institutionen in der Provinz erreicht werden, wo noch bedeutende Anstrengungen unternommen werden müssen. Der andere Schwerpunkt unseres Beitrags ist die Förderung gut funktionierender föderaler Strukturen. Diesem Zweck sollen Diskussionsrunden, Seminare und Ausbildungsprogramme dienen, die in den verschiedenen Teileinheiten (Subjekte) der Russischen Föderation dezentralisiert durchgeführt werden. Den Auftakt zu dieser Tätigkeit bildete eine wichtige Konferenz im Februar 1994 in Moskau, an der die zentralen Behörden sowie die Behörden der Subjekte der Föderation hochrangig vertreten .waren.

Weiterhin unterstützt unser Land auch die Tätigkeiten der Organisation in den anderen Staaten, die um Beitritt ersucht haben. In Zusammenarbeit mit der Europäischen Union leistete der Europarat der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien umfangreiche Hilfe bei der Organisation einer Volkszählung. Dieser Operation kommt in der gegenwärtigen Situation Mazedoniens grösste politische Bedeutung zu, da es darum geht, die Statistiken über die Mehrheit und die Minderheiten der Bevölkerung und.ihr Verhältnis untereinander auf den neuesten Stand zu bringen. Einer früheren Volkszählung war kein Erfolg beschieden gewesen, weil ganze Bevölkerungsgruppen die Mitarbeit verweigert hatten - aus Angst, dass die gesammelten Informationen und die Auswertung der Ergebnisse zu ihrem Nachteil benutzt würden. Es war daher wesentlich, dass bei der Vorbereitung und Durchführung dieser neuen Volkszählung volle Gewähr für Objektivität und Kompetenz geboten wurde. Die Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien hatte daher um eine internationale Garantie, vor allem aber um die für das Gelingen der Operation notwendige technische Hilfe ersucht. Die vom Europarat eingesetzte Expertengruppe wurde von einem Schweizer, einem hohen Beamten des Bundesamtes für Statistik, geleitet. Die Aufgabe bestand darin, die mazedonischen Behörden bei der Ausarbeitung eines Gesetzes zu unterstützen, das umfassende Garantien der Objektivität, der Vertraulichkeit und der korrekten Auswertung der gesammelten Daten enthält. Im weiteren ging es darum, für
einen reibungslosen Ablauf der Volkszählung zu sorgen. Schliesslich war auch die Finanzierung sicherzustellen. Die EU übernahm einen grossen Teil der Finanzierung; die Schweiz gewährte neben anderen Europaratsstaaten einen freiwilligen Beitrag.

Die Schweiz war auch bei der Ausarbeitung des Gesetzes über die Staatsangehörigkeit in Lettland aktiv. Ein hoher Beamter des Bundesamtes für Polizeiwesen leitete die Expertengruppe des Europarates, die von Lettland beigezogen wurde. Dieses wichtige Gesetz befasst sich mit einer Frage, die wegen der starken russischsprachigen Minderheit in Lettland besonders heikel ist. Aufgrund der historischen und geopolitischen Umstände, unter denen die Ansiedlung dieser russischsprachigen Gruppe stattgefunden hatte, waren die Behörden in Riga nicht geneigt, ihr erleichterte Einbürgerungsbedingungen zu gewähren. Es ist aber schwer vorstellbar, dass einem bedeutenden Teil der Bevölkerung eines Landes die Bürgerrechte auf längere Zeit vorenthalten werden können, ohne dass die Aussicht bestünde, die Staatsbürgerschaft zu erlangen. Diese Frage war für den Europarat das letzte Hindernis für den Beitritt Lettlands. Mit der Unterstützung der Europaratsexperten wurde im lettischen Bürgerrechtsgesetz ein angemessener Ausgleich zwischen gewissen Grundrechten des Einzelnen und den von der jüngeren Vergangenheit dieses Landes geprägten politischen Realitäten erreicht.

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Die bevorstehende Aufnahme neuer Länder wird den Europarat wahrscheinlich veranlassen, seine Aufgabe anders als bisher wahrzunehmen. War er bis anhin eine Organisation, die im Prinzip demokratische Staaten vereinigt, welche die Grundfreiheiten, die Menschenrechte und den Vorrang -des Rechts achten, so entwickelt sich der Europarat notgedrungen zu einer Organisation, in der Länder auf unterschiedlichen Stufen der Entwicklung zur Demokratie vereinigt sind. Seine Rolle scheint also künftig nicht nur die eines Garanten der demokratischen Werte, sondern auch die eines Förderers der Demokratie als Zielvorstellung zu sein. Die Anpassung des Europarates an diese neue Rolle erfordert bedeutende zusätzliche Mittel, sowohl personell wie finanziell. Die Bedürfnisse der Beitrittskandidaten (wie auch diejenigen einiger Staaten, die bereits Mitglieder sind) sind beträchtlich. Es wäre bedauerlich, wenn der Europarat wegen des Fehlens der notwendigen Mittel und des politischen Willens nicht in der Lage wäre, seine Aufgabe vollumfänglich zu erfüllen.

Auch sollte vermieden werden, dass die Zugehörigkeit zu dieser Organisation nur noch eine dem Belieben anheimgestellte Respektierung von deren Grundsätzen bedeutet.

1.3

Ministertreffen

Das Ministerkomitee hat 1994 zwei Sitzungen abgehalten. Die 94. Sitzung vom 11. Mai 1994 in Strassburg war vornehmlich der Reform des Kontrollmechanismus der EMRK gewidmet (vgl. Ziff. 1.1). Bei diesem Anlass wurde das Änderungsprotokoll Nr. 11 zur EMRK offiziell zur Zeichnung aufgelegt und von fast allen Mitgliedstaaten des Europarats unterzeichnet. In Anbetracht der Rolle, welche unser Land bei der Ausarbeitung und der Annahme dieses Protokolls gespielt hat, kann dessen Zustandekommen von der Schweiz als bedeutender diplomatischer Erfolg angesehen werden. Auf schweizerischer Ebene wurde das Ratifikationsverfahren eingeleitet.

Dieses Ministertreffen, das etwa sechs Monate nach dem Wiener Gipfel stattfand, galt auch den Folgearbeiten des Gipfels und den ersten Ergebnissen der damals gefassten Beschlüsse. Insbesondere wurde hinsichtlich der Arbeiten am Rahmenabkommen zum Schutz nationaler Minderheiten Bilanz gezogen.

Neben der formellen Sitzung erörterten die Minister informell die Fortsetzung der Erweiterung des Europarates durch neue Mitgliedstaaten, namentlich durch die Russische Föderation. Wie in den früheren Debatten zu diesem wichtigen Thema traten in der Diskussion zwei unterschiedliche Tendenzen zutage: Den Befürwortern einer raschen Aufnahme Russlands in den Europarat aus hauptsächlich politischen Motiven - dieses Land soll enger in die europäische Zusammenarbeit eingebunden werden - stehen die Länder gegenüber, die für den Beitritt Russlands unter Einhaltung der Kriterien des Europarates eintreten, damit das Absinken der Normen und der grundlegenden Werte der Organisation vermieden wird, Die Schweiz plädierte für eine Verstärkung der Hilfe und Unterstützung des Europarats für Russland, damit dieses Land bald imstande ist, die Beitrittskriterien der Organisation zu erfüllen.

Mit den Worten der scheidenden Generalsekretärin, Catherine Lalumîère, hielten die Minister fest, dass «der Europarat bisher die Aufgabe hatte, einen relativ wenig gefährdeten Bestand von Errungenschaften zu verwalten; jetzt muss er zu einem energischeren Handeln übergehen, um ein Europa aufzubauen, das mehr denn je auf den Werten dieser Organisation beruht».

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Die 95. Sitzung des Ministerkomitees fand am 10. November 1994 in Strassburg statt. Bulgarien übernahm als erstes der neuen Mitgliedländer den Vorsitz. An dieser Sitzung nahm der Europarat das Fürstentum Andorra auf. Ende 1994 zählt er somit 33 Mitgliedstaaten.

Die Minister griffen die Thematik ihrer Mai-Sitzung wieder auf und erörterten die Erweiterung des Europarates und deren Konsequenzen. Nachdem sich der Europarat im Verlauf der letzten paar Jahre den Demokratien in Mittel- und Osteuropa geöffnet hatte und seine Mitgliederzahl von 23 im Jahre 1989 auf heute 33 angestiegen war, ist er nun im Begriff, sich auf die GUS-Staaten und den Balkan auszudehnen. In manchen von diesen Ländern entspricht der Stand der Demokratisierung noch nicht den Anforderungen des Europarates. Diese Öffnung ist jedoch eine Antwort auf das politische Interesse, ihnen die Integration in die europäische Zusammenarbeit zu ermöglichen. Diese erneute Erweiterung hat für den Europarat zur Folge, dass er so gut wie möglich einen Ausgleich zwischen zwei sich anscheinend widersprechenden Erfordernissen finden muss: der Aufrechterhaltung seiner hohen Normen und der Erfüllung des Integrationsbedürfnisses. In diesem Zusammenhang beschlossen die Minister als erste Massnahme die Einrichtung eines «monitoring», mit dessen Hilfe auf politischem Wege die Einhaltung der von den Mitgliedstaaten bei ihrem Beitritt zum Europarat eingegangenen Verpflichtungen sichergestellt wird. Dieses «monitoring», das im Zuge der Erweiterung der Organisation beschlossen wurde, wird natürlich auf alle Mitgliedstaaten angewendet.

An dieser Sitzung verabschiedeten die Minister im übrigen den Text des Rahmenabkommens zum Schutz nationaler Minderheiten.

1.4

Fachministerkonferenzen

In der nachstehenden Übersicht sind die während der Berichtsperiode abgehaltenen Fachministerkonferenzen angeführt, an denen Mitglieder des Bundesrates teilgenommen haben. In Klammern wird auf die Ziffer verwiesen, unter der über die einzelnen Konferenzen berichtet wird.

- 10. Ministerkonferenz und 2. Paneuropäische Ministerkonferenz über die Zusammenarbeit bezüglich der Probleme des Drogenmissbrauchs, Strassburg, 3./4. Februar 1994; Schweizer Delegation unter der Leitung von Bundesrätin Ruth Dreifuss (Ziff. 15.4); - 19. Konferenz der europäischen Justizminister, La Valletta, 14715. Juni 1994; Schweizer Delegation unter der Leitung von Bundesrat Arnold Koller (Ziff. 3.1).

2 2.1

Menschenrechte Allgemeines

Am 9. März 1994 hat der Bundesrat die beiden Protokolle zum Europäischen Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (SR 0.106) ratifiziert. Beim Ersten Protokoll geht es im wesentlichen darum, allen NichtmitgHedstaaten des Europarates die Möglichkeit zu geben, auf Einladung des Ministerkomitees der Anti-Folter-Konvention beizutreten. Das Zweite Protokoll ist rein verfahrensrechtlicher Natur; es sieht eine Änderung des Wahl- bzw. Wiederwahlmodus der Ausschussmitglieder vor mit dem Ziel, soweit möglich alle zwei Jahre eine Erneuerung der Hälfte der Mitglieder 1091

sicherzustellen. Beide Protokolle treten erst in Kraft, wenn alle Mitgliedstaaten der Konvention sie ratifiziert haben.

Am 4. März fand eine erste gemeinsame Sitzung der Agents de Liaison mit dem Ausschuss zur Verhütung der Folter (CPT) in Strassburg statt. Das Treffen diente dem Gedankenaustausch über die in verschiedenen Staaten gemachten Erfahrungen und über Massnahmen, die einem möglichst reibungslosen Ablauf der künftigen Besuche des Ausschusses in den Mitgliedstaaten dienen. Es ist vorgesehen, alle zwei Jahre eine solche Aussprache durchzuführen.

Am 11. Mai 1994 hat das Ministerkomitee das Protokoll Nr. 11 zur EMRK zur Unterzeichnung aufgelegt. Alle 33 Mitgliedstaaten des Europarates, darunter die Schweiz, haben es unterzeichnet. Sein Gegenstand ist eine grundlegende Reform des internationalen Kontrollmechanismus, welchen die EMRK vorsieht: Es wird ein einziger, voiïamtlîcher Gerichtshof eingerichtet, der die beiden derzeit bestehenden, nicht vollamtlichen Kontrollorgane (Europäische Kommission und Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) ersetzt. Angesichts der spektakulären Zunahme der Beschwerden (400 im Jahre 1981; 2037 im Jahre 1993) und des Beitritts neuer Mitgliedstaaten des Europarats zur EMRK erweist sich diese Reform heute als absolut unerlässlich. Auch die Schweiz sollte dieses Protokoll so bald als möglich ratifizieren, hat doch unser Land 1985 in Wien anlasslich der Ersten Ministerkonferenz über Menschenrechte zum ersten Mal auf politischer Ebene die Einsetzung einer einzigen, ständigen Gerichtsinstanz vorgeschlagen. Die Dringlichkeit der Reform und die Notwendigkeit einer möglichst raschen Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten der Konvention wurde im übrigen auch anlässlich des Wiener Gipfels im Oktober 1993 bekräftigt.

Am 10. November 1994 hat das Ministerkomitee den Text des Rahmenabkommens zum Schutz nationaler Minderheiten verabschiedet. Dieses Rahmenabkommen, das vom Ad-hoc Expertenausschuss für den Schutz nationaler Minderheiten (CAHMIN) erarbeitet wurde, verwirklicht den ersten Teil des Auftrags, den ihm das Ministerkomitee nach den Beschlüssen des Wiener Gipfels im Bereich des Schutzes nationaler Minderheiten übertragen hat. Das CAHMIN wird Ende 1994 und im Jahre 1995 den zweiten Teil des Auftrags - die Ausarbeitung eines Zusatzprotokolls zur EMRK, das gewisse
Individualrechte im kulturellen Bereich garantieren soll - in Angriff nehmen. Das vorliegende Rahmenabkommen ist das erste multilaterale, rechtlich verbindliche Instrument, das ausschliesslich dem Schutz nationaler Minderheiten gewidmet ist. Es handelt sich um ein offenes Instrument, das heisst, das Ministerkomitee kann Nichtmitgliedstaaten einladen, dem Abkommen beizutreten. Dessen Ziel ist es, die Rechtsgrundsätze zu konkretisieren, zu deren Beachtung sich die Mitgliedstaaten verpflichten, um den Schutz nationaler Minderheiten sicherzustellen. Angesichts der Verschiedenartigkeit der Situationen, in denen sich solche Minderheiten befinden, und der Vielfalt der zu lösenden Probleme schien es angezeigt, die Form eines Rahmenabkommens zu wählen, welches vor allem programmatische Bestimmungen enthält, die bestimmte, von den Mitgliedstaaten anzustrebende Ziele definieren. Diese Bestimmungen, welche nicht direkt anwendbar sein werden, lassen den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Ziele einen weiten Ermessensspielraum. Dies erlaubt jedem Staat, den Besonderheiten der jeweiligen Verhältnisse Rechnung zu tragen. Die Schweiz war an diesen Arbeiten sehr aktiv beteiligt. Einerseits erwiesen sich die Tradition und die Erfahrung eines Landes, welches vier Kulturen und vier Sprachen vereint, als sehr nützlich; andererseits ist hervorzuheben, dass die Schweiz bei diesen Arbeiten den Vorsitz führte.

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Angesichts der politischen Bedeutung, die dem Schutz nationaler Minderheiten im gegenwärtigen europäischen Kontext zukommt, beabsichtigt die Schweiz, dieses Rahmenabkommen an dem Tag zu unterzeichnen, an dem es zur Unterzeichnung aufgelegt wird, nämlich am l, Februar 1995.

Der Expertenausschuss für die Verbesserung der zum Schutz der Menschenrechte eingerichteten Verfahren (DH-PR)'hat zwei neue Fragen geprüft: einerseits die Frage, ob der Staat, den der Gerichtshof oder das Ministerkomitee nach der Feststellung einer Verletzung der EMRK zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung verpflichtet hat (Art. 50 und 32 EMRK), Zinsen entrichten muss, wenn er die angemessene Entschädigung nicht innerhalb der festgesetzten Frist leistet; zum anderen wurde die Frage geprüft, ob der Staat, der zur Leistung einer angemessenen Entschädigung verpflichtet ist, die dem Beschwerdeführer zugesprochene Geldsumme zu Verrechnungszwecken zurückbehalten kann (z. B. für Steuerschulden).

Am Entwurf eines Zusatzprotokolls zur EMRK, welches im Freiheitsentzug befindlichen Personen gewisse spezifische Rechte gewähren soll, wurde verschiedentlich Kritik geübt. Der Lenkungsausschuss für Menschenrechte (CDDH) beauftragte deshalb den .Expertenausschuss für die Entwicklung der Menschenrechte (DH-DEV), diesen Entwurf zu überarbeiten.

2.2

Die Schweiz vor den Organen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)

Im Berichtszeitraum hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte vier Urteile gefällt, die die Schweiz betreffen: die Urteile Imbrioscia, Hurtado, Burghartz und Scherer.

Im Urteil Imbrioscia vom 24. November 1993 bestätigte der Gerichtshof die Praxis, wonach in einem Strafverfahren die Garantien von Artikel 6 EMRK auch vor dem Hauptverfahren angewendet werden können. In seinem Urteil erinnert er daran, dass die Modalitäten der Anwendung von Artikel 6 Ziffer l und Ziffer 3 Est. e EMRK (Recht auf Verteidigung) während der Untersuchung von den Besonderheiten des Verfahrens und den Umständen des Falles abhängen. Im konkreten Fall ist der Gerichtshof mit sechs zu drei Stimmen zum Schluss gekommen, dass die schweizerischen Behörden die genannten Bestimmungen der EMRK nicht verletzt haben. Der Umstand, dass der Anwalt nicht allen Einvernahmen im Verlauf des Ermittlungs- und Untersuchungsverfahrens beiwohnte, begründet keinen Verstoss gegen die EMRK. Der Anwalt des Beschwerdeführers hatte in der Tat nicht nur uneingeschränkte Akteneinsicht, sondern war darüber hinaus auch bei verschiedenen Einvernahmen anwesend, insbesondere bei der Schlusseinvemahme, an der er freilich in keiner Weise intervenierte. Der Gerichtshof erinnerte bei dieser Gelegenheit an seine Rechtsprechung, wonach es nicht angehe, den Staat für jegliches Versäumnis eines Pflicht- oder Wahlverteidigers verantwortlich zu machen. Im Urteil wird schliesslich hervorgehoben, dass die Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers in den anschliessenden Hauptverhandlungen vor Bezirks- und Obergericht ausreichend gewahrt waren: der Beschwerdeführer wurde in Anwesenheit seines Verteidigers befragt; dieser hatte ausreichend Gelegenheit, nicht nur den Beschwerdeführer, sondern auch dessen Mitangeklagten zu befragen und sich mit · den Ausführungen der Staatsanwaltschaft auseinanderzusetzen.

Mit Urteil vom 28. Januar 1994 entschied der Gerichtshof einstimmig, den Fall Hurtado von seiner Geschäftsliste zu streichen. Der Beschwerdeführer, ein kolum-

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bianischer Drogenhändler, hatte sich über das brutale Vorgehen einer Spezialeinheit der Waadtländer Polizei anlässlich seiner Verhaftung beklagt. Ausserdem beschwerte er sich darüber, dass er seine Kleider erst am Tag nach seiner Verhaftung habe wechseln können (er hatte bei der Verhaftung in die Hosen gemacht) und dass er keine Möglichkeit gehabt habe, sich sofort von einem Arzt untersuchen zu lassen, obwohl er sich über körperliche Verletzungen beklagt habe. In ihrem Bericht kam die Kommission mit sehr deutlicher Mehrheit zum Schluss, dass die Umstände der Verhaftung keine Verletzung von Artikel 3 EMRK (unmenschliche oder erniedrigende Behandlung) begründeten. Hingegen stellte sie in den beiden anderen Punkten - das Tragen verschmutzter Kleider und das Fehlen sofortiger medizinischer Betreuung - eine Verletzung der genannten Bestimmung fest. Nachdem die Kommission die Hauptrüge des Beschwerdeführers abgewiesen hatte und kein allgemeines Interesse die Prüfung des Falles durch den Gerichtshof nötig erscheinen Hess, trafen Regierung und Beschwerdeführer eine gütliche Einigung, wonach die Schweiz dem Beschwerdeführer einen Pauschalbetrag von 14 000 Franken bezahlt. Die gütliche Einigung hält fest, dass diese Geldleistung in keiner Weise die Anerkennung einer Verletzung von Bestimmungen der EMRK darstellt.

Der Gerichtshof hat diese gütliche Einigung gebilligt und den Fall von seiner Geschäftsliste gestrichen.

Im Urteil Burghartz vom 22. Februar 1994 stellte der Gerichtshof mit fünf gegen vier Stimmen eine Verletzung von Artikel 14 EMRK (Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts) in Verbindung mit Artikel 8 EMRK (Recht auf Privatsphäre) fest, -und zwar -mît der Begründung, dass es dem Ehemann verwehrt ist, dem als Familiennamen gewählten Namen der Ehefrau seinen eigenen voranzustellen, während dies der Frau im umgekehrten Fall möglich ist. Dabei schloss sich der Gerichtshof nicht der Argumentation des Bundesrates an, welcher die Anwendbarkeit der Artikel 14 und 8 EMRK im konkreten Fall bestritten hatte. Die Argumentation beruhte auf der Überlegung, dass seit dem Inkrafttreten des Zusatzprotokolls Nr. 7 zur EMRK die Gleichheit der Ehegatten in bezug auf die Wahl des Namens einzig und allein durch Artikel 5 dieses Protokolls (betreffend Gleichstellung der Ehegatten in bezug auf ihre bürgerlichen
Rechte und Pflichten) geregelt wird. Bei der Ratifizierung dieses Protokolls hatte die Schweiz einen Vorbehalt angebracht, wonach «die Anwendung der Bestimmungen des Artikels 5 des 7. Zusatzprotokolls nach Inkrafttreten der revidierten Bestimmungen des Zivilgesetzbuches vom 5. Oktober 1984 (...) unter Vorbehalt (...) der Regelung betreffend den Familiennamen (Art. 160 ZGB und Art. 8a SchlT ZGB) erfolgt (,..)».

Der Fall Scherer schliesslich betraf die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Vorführung eines pornographischen Films in einem Sex-Shop (Art. 204 StGB) und die Dauer des Strafverfahrens. Der Beschwerdeführer hatte eine Verletzung von Artikel 6 Absatz l (Recht auf Beurteilung innert angemessener Frist), Artikel 8 (Recht auf Privatsphäre) sowie Artikel 10 EMRK (Meinungsfreiheit) geltend gemacht. Mit Urteil vom 25. März 1994 strich der Gerichtshof diesen Fall von seiner Geschäftsliste. Der Beschwerdeführer war nach Einreichung der Beschwerde gestorben, und der Gerichtshof kam zum Schluss, dass kein öffentliches Interesse die Fortsetzung des Verfahrens erfordere, um so weniger als die einschlägige Praxis des Bundesgerichts sowie die schweizerische Gesetzgebung im Bereich der unzüchtigen Veröffentlichungen in der Zwischenzeit wesentliche Änderungen erfahren hatten.

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3 3.1

Rechtliche Zusammenarbeit Rechtsangelegenheiten

Am 14. und 15. Juni 1994 fand auf Einladung des maltesischen Justizministers, Joseph Fenech, in La Valletta die 19. Europäische Justizministerkonferenz statt, Albanien, Kroatien, Lettland, Russland, die Ukraine sowie der Heilige Stuhl und die Vereinigten Staaten von Amerika nahmen als Beobachter teil. Die Schweizer Delegation wurde von Bundesrat Koller geleitet, welcher namentlich vom Präsidenten a. i. der Konferenz kantonaler Justiz- und Polizeidirektoren begleitet wurde.

Das Thema der Tagung lautete: «Verwaltungs-, zivil- und strafrechtliche Aspekte, einschüesslich der Rolle der Rechtsprechung, bei der Bekämpfung der Korruption». Die Diskussionen wurden auf der Grundlage eines einleitenden Berichts der italienischen Delegation geführt.

Alle Diskussionsteilnehmer hoben die Notwendigkeit hervor, auf internationaler Ebene gegen die Korruption vorzugehen; gleichzeitig wurden die zunehmenden Verbindungen zwischen der Korruption und dem organisierten Verbrechen beklagt.

Am Ende ihrer Arbeiten luden die Teilnehmer das Ministerkomitee ein, eine multidisziplinäre Arbeitsgruppe einzusetzen, die ein internationales Aktionsprogramm gegen die Korruption ausarbeiten soll. Die Aufgabe dieser Gruppe wird insbesondere darin bestehen, Mustergesetze, Verhaltenskodexe für bestimmte ausgewählte Bereiche sowie allenfalls eine internationale Konvention auszuarbeiten. Die Arbeitsgruppe wird auch die Möglichkeit prüfen, Mechanismen zur Kontrolle der in den genannten rechtlichen Instrumenten eingegangenen Verpflichtungen zu entwickeln. Zu den konkreten Aktionen, welche die Arbeitsgruppe vorschlagen könnte, gehören Massnahmen im Bereich der öffentlichen Verträge, die Aufstellung von Regeln für das öffentliche Beschaffungswesen, die Kontrolle oder die Besteuerung illegaler Zahlungen (Bestechungsgelder), die Finanzierung der politischen Parteien, die Prüfung der rechtlichen Auswirkungen der strafrechtlichen Verurteilung von Beamten wegen Korruption, die Beschuldigung ausländischer Beamter wegen Bestechung, der Schutz von Zeugen sowie Massnahmen auf dem Gebiet der internationalen Zusammenarbeit, insbesondere auf dem Gebiet der Auslieferung und der Rechtshilfe.

Auf Vorschlag der deutschen Delegation nahmen die Minister auch eine Entschliessung an, in der sie die gegenwärtig von der Europäischen Kommission gegen Rassismus
und Intoleranz unternommenen Arbeiten voll unterstützen. Diese Entschliessung enthält insbesondere die Einladung an das Ministerkomitee, den Lenkungsausschuss für Strafrechtsfragen (CDPC) zu beauftragen, an den Arbeiten der Kommission mitzuwirken. Dieser Ausschuss soll darauf hinwirken, dass sich alle Mitgliedstaaten mit einer effizienten Gesetzgebung zur Bekämpfung von Extremismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus ausstatten, einer Gesetzgebung, die ausserdem die Auslieferung und jede andere Form der internationalen Zusammenarbeit für die schwersten Delikte aus diesem Bereich erleichtert.

Der Justizminister Rumäniens lud seine Kolleginnen und Kollegen ein, das nächste informelle Ministertreffen im Juli 1995 in Bukarest abzuhalten.

3.2

Privatrecht, öffentliches Recht und Völkerrecht

Der Lenkungsausschuss für juristische Zusammenarbeit (CDCJ) koordiniert die Arbeiten zur Harmonisierung des Privatrechts, des öffentlichen Rechts und des Völ-

1095

kerrechts, die in verschiedenen Expertenausschüssen und Projektgruppen geleistet werden. Die Mitarbeit in diesen Gremien erlaubt es der Schweiz, sich am Informationsaustausch zu beteiligen und bei der Suche nach Lösungen mitzuwirken.

In den folgenden Sachgebieten werden die Möglichkeiten der Rechtsharmonisierung geprüft: - Familienrecht (Entwurf einer Konvention Über die Ausübung der Rechte des Kindes durch das Kind, Prüfung des Rechtsschutzes für behinderte Erwachsene und der Fragen betreffend transsexuelle Personen, Vereinfachung der Verfahren vor Organen, welche sich mit familienrechtlichen Fragen befassen, insbesondere Rolle des Beistands, Möglichkeiten der Vermittlung, Frage des Ausschlusses des Verschuldens als Grund der Scheidung oder der gerichtlichen Trennung); - Datenschutz (zwei Entwürfe zu Empfehlungen dürften dem Ministerkomitee nächstens zur Genehmigung unterbreitet werden, die eine zum Schutz medizinischer Daten, die andere zum Datenschutz im Bereich der Telekommunikation; drei weitere Entwürfe zu Empfehlungen werden zur Zeit geprüft: sie betreffen den Schutz personenbezogener Daten im Polizeibereich, den Schutz persönlicher Daten, die zu statistischen Zwecken gesammelt und verarbeitet werden, und schliesslich den Datenschutz im Bereich des Versicherungswesens); - Verwaltungsrecht (Ausarbeitung gewisser Verwaltungs- und Verfahrensregeln als Ausdruck eines europäischen Mindeststandards für ein Modell eines administrativen und gerichtlichen Systems, welches die Rechtssicherheit der Bürgerinnen und Bürger garantieren soll); - Leistungsfähigkeit der Zivilrechtspflege (der CDCJ hat den Entwurf einer Emp.fehlung über die Unabhängigkeit, die Effizienz und die Rolle der Richter angenommen und dem Minîsterkomïtee zur Genehmigung unterbreitet; dieses sollte in Kürze auch den Entwurf einer Empfehlung betreffend die Einrichtung und Verbesserung zivil- und handelsrechtlicher Verfahren annehmen); - Mehrfachbürgerrecht (Ausarbeitung einer Konvention über die mît der Nationalität zusammenhängenden Fragen; Meinungsaustausch insbesondere betreffend die mittel- und osteuropäischen Länder, über den gegenwärtigen Stand der einschlägigen Gesetzgebung, deren Anwendung und deren internationale Auswirkungen; Die Schweiz hat auch aktiv an den vom Europarat formulierten Stellungnahmen im Hinblick auf die
Erarbeitung und die Anwendung der Gesetzgebung über die Staatsangehörigkeit von mehreren Staaten in Osteuropa und der GUS mitgewirkt: Estland, Kirgisistan, Lettland, Russland, Slowenien.

- Rechtsinformatik (Entwurf einer Empfehlung betreffend Auswahl, Verarbeitung, Darstellung und Archivierung juristischer Entscheidungen in automatisierten juristischen Dokumentationssystemen; Entwurf einer Empfehlung zur Anwendung der Informatik im Bereich des Strafvollzugs).

Der CDCJ wird vom Lenkungsausschuss für Bioethik (CDBI) regelmässig konsultiert. Dieser hat kürzlich den Entwurf eines Rahmenübereinkommens über die Bioethik in die Vernehmlassung geschickt. Er wird diesen Entwurf im Lichte der eingegangenen Stellungnahmen Überprüfen. Das Rahmenübereinkommen wird in einer ersten Phase durch drei Zusatzprotokolle ergänzt werden. Die beiden ersten, deren Ausarbeitung bereits weit fortgeschritten ist, betreffen die medizinische Forschung beziehungsweise die Organtransplantation. Ein drittes Protokoll wird dem Schutz menschlicher Embryonen und Föten gewidmet sein. Der Entwurf des Rahmenübereinkommens und die beiden ersten Protokolle werden dem Ministerkomitee voraussichtlich 1995 unterbreitet.

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Ein anderer dem CDCJ nahestehender Ausschuss, der Ausschuss der Rechtsberater für das Völkerrecht (CAHDI), hat dem Ministerkomitee ein Gutachten über die Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung betreffend die Schaffung eines internationalen Gerichts zur Beurteilung schwerer Verbrechen gegen das humanitäre Völkerrecht vorgelegt. Er hat sich auch mit der Frage der Schaffung eines internationalen Gerichts befasst, welches für die Verfolgung von Personen zuständig wäre, die schwerer Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens seit 1991 verdächtigt werden. Schliesslich hat ein Meinungsaustausch stattgefunden über Fragen der Staatenimmunität, über die Rolle der Depositäre internationaler Verträge sowie über die Frage der Staatennachfolge im Bereich der Verträge.

Der durch das Europäische Übereinkommen über das Sorgerecht für Kinder geschaffene Ausschuss (T-CC) hat im Mai 1994 getagt. Die Sitzungen dieses Ausschusses erlauben es den Zentralbehörden der verschiedenen Mitgliedstaaten, einen Meinungsaustausch über die Schwierigkeiten bei der Anwendung der einschlägigen internationalen Abkommen zu pflegen und gegebenenfalls einige dieser Schwierigkeiten zu beseitigen.

3.3

Verbrechensverhütung

Der CDPC legt dem Ministerkomitee seine Vorschläge zur Kriminalpolitik vor und sorgt für die Einsetzung sowie die Koordination von Expertenausschüssen. Ausserdem beaufsichtigt er zwei Konferenzen, nämlich diejenige über die 'kriminologische Forschung und diejenige über den Strafvollzug, sowie das Kriminologische Kolloquium. Die beiden Konferenzen und das Kolloquium finden alternierend alle drei Jahre statt.

Vom 1.-3. Dezember fand in Rom eine Konferenz der Direktorinnen und Direktoren der Gefängnisverwaltungen (CDAP) statt. Hauptsächlich behandelt wurden Probleme der Strafvollzugsanstalten der Staaten Mittel- und Osteuropas, die einer Koordination und Unterstützung durch die anderen Mitgliedstaaten des Europarates bedürfen, ferner die Verhütung und Behandlung übertragbarer Krankheiten, die Zusammenarbeit im Bereich der Personalausbildung, das Verhältnis des Freiheitsentzugs zu alternativen Sanktionsformen sowie zu verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten.

Die Schweiz beteiligt sich weiterhin aktiv am Zusammenarbeitsprogramm «DémoDroit», welches zum Ziel hat, die mittel- und osteuropäischen Staaten in Rechtsfragen zu unterstützen. So nahm eine schweizerische Expertin im Februar 1994 an einem Seminar in Tallinn (Estland) teil, wo sie je ein Referat über Geldwäscherei und über das organisierte Verbrechen hielt. Ausserdem wurden zwei Experten zu einem Seminar eingeladen, das im Oktober 1994 in Sofia (Bulgarien) stattfand.

Thema der Veranstaltung war die Umsetzung der Konvention über Geldwäscherei sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten, welche im September 1993, nach der Ratifikation durch die Schweiz, in Kraft getreten ist.

Vom 9.-13. Oktober fand in Ungarn eine internationale Konferenz statt, an der auch private Planungs- und Baufirmen teilnahmen. Hauptthema dieser Konferenz waren die Planung, die Finanzierung und der Bau von Strafvollzugsanstalten, unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in den mittel- und osteuropäischen

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Staaten. Die Schweiz war durch einen Anstaltsdirektor und eine Beamtin des Bundesamtes für Justiz vertreten.

Zwei slowenische Richter und zwei hohe litauische Polizeibeamte besuchten die Schweiz vom 24-28. Oktober, um insbesondere auf dem Gebiet der Bekämpfung der Geldwäscherei und der Wirtschaftskriminalität ihre Kenntnisse zu erweitem.

Die Schweiz ist in den Expertenausschüssen regelmässig durch spezialisierte Bundesbeamte oder durch Universitätsprofessoren vertreten.

Die folgenden Expertenausschüsse setzten ihre Arbeiten fort: - Der Expertenausschuss «Europa im Wandel: Kriminalpolitik und Strafrecht» (PC-TP) trat 1994 zweimal zusammen. Er erstellt einen Bericht über Art und Umfang der Kriminalitätsentwicklung in Europa, wie sie insbesondere nach dem Umbruch in Mittel- und Osteuropa eingetreten ist. Der Ausschuss bereitet auch eine Empfehlung vor, die Massnahmen zur Verbrechensbekämpfung im Rahmen des nationalen und des internationalen Rechts umfassen soll. Die Schweiz ist in diesem Gremium durch Beamte des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vertreten.

- Der Expertenausschuss zum Thema der Einschüchterung von Zeugen und der Rechte der Verteidigung (PC-WI), in dem die Schweiz durch einen Beamten des Bundesamtes für Justiz vertreten ist, hielt vom 12.-14. April 1994 seine erste Zusammenkunft ab. Der Ausschuss legte zunächst die autonome Definition der Begriffe des Zeugen und der Einschüchterung fest und grenzte die Problembereiche ein. Er erörterte alsdann die verschiedenen Formen, welche die Einschüchterung von Zeugen annehmen kann, und skizzierte eine Reihe von praktischen und rechtlichen Lösungen zur Bewältigung dieses Phänomens, das durch das Aufkommen des organisierten Verbrechens eine besondere Brisanz erlangt hat. Der Ausschuss. will eine Empfehlung erarbeiten. Diese Bestrebungen sind für die Schweiz im Rahmen der Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, die zur Zeit geprüft wird, von unmittelbarem Interesse.

- Der Expertenausschuss über das Strafvollzugspersonal (PC-PP) trat zweimal in Strassburg zusammen. Die Schweiz ist durch den Direktor einer Strafanstalt vertreten. An seiner Frühjahrssitzung erörterte der Ausschuss einen Verhaltenskodex für das Strafvollzugspersonal. Im November standen die Auswahlkriterien für dieses Personal und dessen Ausbildung zur Diskussion. Die
Arbeiten für entsprechende Empfehlungen werden 1995 weitergeführt.

- Der Expertenausschuss für die mit der Computerkriminalität verbundenen Verfahrensfragen (PC-PC) trat dreimal zusammen. Die Experten führten eine vergleichende Untersuchung der bestehenden Gesetzgebungen auf dem Gebiet der Beschlagnahmung sowie der aktiven und passiven Zusammenarbeit durch und erarbeiteten alsdann einen Empfehlungsentwurf. Sie schliessen ihre Arbeiten 1995 ab.

- Die mit dem Studium der Tendenzen der Kriminalität und der Strafjustiz beauftragte Spezialistengruppe (PC-S-ST), die von einem Schweizer Professor geleitet wird, arbeitete an einer «Europäischen Sammlung von Statistiken über die Strafjustiz» weiter. Dieses Werk soll den Fachleuten die Informationen vermitteln, die sie für ihre Forschungstätigkeit benötigen, und den Mitgliedstaaten ermöglichen, die allgemeinen Entwicklungstendenzen der Kriminalität in Europa zu erkennen und ihre Kriminalpolitik entsprechend auszurichten.

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- Der CDPC zog eine Bilanz der Arbeiten im Expertenausschuss über das Funktionieren der europäischen Übereinkommen auf dem Gebiet des Strafrechts (PC-OC). Dieser ist beauftragt, ein umfassendes Übereinkommen über die zwischenstaatliche Zusammenarbeit in Strafsachen vorzubereiten. Da das Interesse der neuen Mitgliedstaaten an einem solchen Übereinkommen nicht gesichert ist und in Anbetracht der Schwierigkeiten, welche diesen Staaten schon die Übernahme der geltenden europäischen Normen in ihre Gesetzgebung bereitet, wurde beschlossen, die Expertenarbeit in diesem Bereich so lange auszusetzen, bis die Gewissheit besteht, dass die grosse Mehrheit der Mitgliedstaaten ein solches Übereinkommen ratifizieren würde.

Der CDPC bleibt für die Schweiz ein bevorzugtes Forum, um neue Rechtsgebiete zu studieren, um Fragen der Kriminalität und der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen zu erörtern sowie um koordinierte Massnahmen zur Bekämpfung der stets wachsenden internationalen Kriminalität auszuarbeiten.

3.4

Asylrecht, Flüchtlinge und Staatenlose

Die hohen Beamten, die mit den Folgearbeiten der Wiener Ost-West-Wanderungskonferenz (Wiener Gruppe) beauftragt sind, werden nicht mehr als unabhängiges Organ zusammenkommen. Dies einerseits, weil die meisten mittel- und osteuropäischen Staaten dem Europarat beigetreten sind, und andererseits, weil der Schluss gezogen werden musste, dass im Bereich der migrationsorientierten Entwicklungszusammenarbeit keine entscheidenden praktischen Fortschritte erwartet werden können. Ein Teil der Arbeiten wird in anderen Gremien innerhalb und ausserhalb des Europarates weitergeführt.

Am Wiener Gipfel wurde eine Diskussion über eine bessere Lastenverteilung bezüglich der Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien eingeleitet. Diese Diskussion wurde in der Berichtsperiode weitergeführt. Man musste jedoch einsehen, dass die Zeit für die Erarbeitung gemeinsamer Strukturen noch nicht reif ist.

Die Diskussion wird zum Teil im Rahmen der Europäischen Union weitergeführt.

Das Ministerkomitee hat die vom Expertenausschuss über rechtliche Aspekte des territorialen Asyls, der Flüchtlinge und der Staatenlosen (CAHAR) ausgearbeiteten Richtlinien über den Empfang von Asylbewerbern auf den Flughäfen angenommen und sie in Form einer Empfehlung an die Mitgliedstaaten weitergeleitet. Ausserdem hat der CAHAR zum Thema des Rechts auf Asyl und zu demjenigen der abgewiesenen Asylbewerber Stellung genommen. Das Programm der weiteren Arbeiten umfasst die Analyse der Begriffe des «sicheren Herkunftslandes» und des «sicheren Drittstaates» sowie die Untersuchung der rechtlichen Gesichtspunkte der Rückkehr abgewiesener Asylbewerber.

4

Kulturkonvention - Allgemeines

Der Rat für kulturelle Zusammenarbeit (CDCC) widmete sich in der Berichtsperiode vor allem den am Wiener Gipfel beschlossenen Aktivitäten. Die Zahl der Mitglieder der Europäischen Kulturkonvention (EKK) ist auf 41 Staaten angestiegen.

An der 62. Sitzung des CDCC (2S.-27. Jan. 1994) gab die Schweizer Delegation den Minderheitenfragen, den Tätigkeiten für die Jugend und der Förderung der staatsbürgerlichen Erziehung den Vorrang. Sie ist überzeugt, dass diesen Bereichen eine wichtige Rolle für die Stabilisierung der Gesellschaften in Europa zukommt.

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Es sind Verhandlungen mit Kanada über ein erweitertes Abkommen in bezug auf Kultur und kulturelles Erbe im Gange. Die Frage eines Beitrags des Europarates zur Weltausstellung 1996 in Budapest wurde aufgeworfen, aber nicht weiterverfolgt, da diese Weltausstellung nicht stattfindet. Die Thematik der Feiern zum vierzigjährigen Jubiläum der Kulturkonvention (19. Dez. 1954-1994) wird zur Zeit noch diskutiert.

Gemäss den Empfehlungen des Wiener Gipfels hat der CDCC in seinem Zuständigkeitsbereich an folgenden Arbeiten teilgenommen: Projekt «Demokratie, Menschenrechte, Minderheiten: erzieherische und kulturelle Aspekte», Vorentwurf eines Rahmenabkommens zum Schutz nationaler Minderheiten, Aktionsplan für den Kampf gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz.

5

Kultur

5.1

Verschiedene Aktivitäten

Die Schweiz hat sich regelmässig an den verschiedenen Aktivitäten beteiligt, die vom Kulturausschuss (CC-Cult) des Rates für kulturelle Zusammenarbeit (CDCC) initiiert und geleitet wurden. Folgende Anliegen stehen im Zentrum der Tätigkeit unseres Landes in diesem Ausschuss: die regionale Dimension der kulturellen Aktion sowie die eng miteinander verbundenen Fragen der multikulturellen Gesellschaft und des Umgangs mit der kulturellen Vielfalt.

Die Schweiz unterstützt im besonderen die folgenden Tätigkeiten, über welche der Jahresbericht für 1993 im Detail informiert: das Programm zur Unterstützung der kulturellen Zusammenarbeit zwischen den Regionen, die Ausbildung von Kulturverwaltern und Förderern der kulturellen Entwicklung in den Regionen, das Programm «Kultur in benachteiligten Vorstadtgebieten» sowie das Programm «Demokratie, Menschenrechte und Minderheiten: erzieherische und kulturelle Aspekte».

- Kulturwege Unter dem Titel «Die Künstler der Seen» haben das Tessin und die Lombardei 1994 gemeinsam einen Kulturweg lanciert. Er zeichnet den Weg einiger Künstlerfamilien nach, die vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert die Region der Voralpenseen verliessen und als Architekten und bildende Künstler nach Mittel- und Osteuropa (bis St. Petersburg) emigrierten. Dieses Projekt wird dem schon bestehenden «Barock-Kulturweg» des Europarates angegliedert.

- Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen (Europäische Sprachencharta) Im Hinblick auf die Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen hat der Bundesrat mit Beschluss vom 8. September 1993 das Eidgenössische Departement des Innern ermächtigt, bei den Kantonen eine Vernehmlassung durchzuführen. Das Vemehmlassungsverfahren wurde am 31. Januar 1994 abgeschlossen. Alle Kantone sind grundsätzlich der Auffassung, dass die Ratifizierung der Charta realisierbar ist, auch wenn vereinzelt deren Notwendigkeit bezweifelt wird. Die Mehrheit befürwortet jedoch eine Aufschiebung der Ratifizierung bis zum Abschluss der Beratungen zum Sprachenartikel.

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5.2

Film und Audiovision

- Ausschuss der Regierungsexperten für das Filmwesen Die Arbeiten am Konventionsentwurf zur Erhaltung des europäischen Erbes im Audiovisionsbereich wurden unter Beizug von Experten - darunter einem Schweizer Juristen - weitergeführt. In Anbetracht der unterschiedlichen Ausgangslage in den verschiedenen Mitgüedstaaten wird die Formulierung des kleinsten gemeinsamen Nenners angestrebt. Der Entwurf Hegt gegenwärtig zur Vernehmlassung bei den Mitgliedländern.

- lOOjähriges Jubiläum des Films Für die Veranstaltungen zum 100jährigen Jubiläum des Films bietet der Europarat den nationalen Organisatoren ein Logo und ein Plakat zur freien Verwendung an. Die Schweiz stellt dem Europarat für die Organisation der Veranstaltungen auf europäischer Ebene einen Spezialisten zur Verfügung. An der vom Europarat angeregten und von Harald Szeemann einzurichtenden Ausstellung «Sechs Künste auf der Suche nach der Siebten» beteiligt sich die Cinémathèque suisse. Die Ausstellung wird nach der Eröffnung im Rahmen der Biennale von Venedig auch in Zürich Station machen.

- Koproduktionsfonds,Eurimages Nach dem Ausscheiden der Schweiz aus dem MEDIA-Programm der Europäischen Union hat dieser Fonds für die Schweiz noch an Gewicht gewonnen. Eine Verleihhilfe und ein Unterstützungsprogramm für Kinosäle bestehen speziell für Länder, die nicht am MEDIA-Programm beteiligt sind. Sie stehen also auch der Schweiz offen.

- Zusammenarbeit mit Mittel- und Osteuropa Der Ausschuss der Regierungsexperten für das Filmwesen hat ein in Zusammenarbeit mit der Stiftung FOCAL (Fondation de formation continue pour le cinéma et l'audiovisuel) organisiertes Seminar in Sopot (Polen) unterstützt.

6 6.1

Bildung Ständige Konferenz der europäischen Bildungsminister

Die 18. Tagung zum Thema «Aufbau des neuen Europas: demokratische Werte, Bildung und Mobilität» fand am 23. und 24. März 1994 in Madrid statt. Die Schweizer Delegation wurde vom Präsidenten der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) geleitet. Mehr als vierzig Staaten waren vertreten, und die Minister verabschiedeten vier Resolutionen, die sich mit der Bildung unter dem Aspekt der demokratischen Werte, der Vorbereitung auf die Erwerbstätigkeit, dem Austausch und der europäischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Bildung befassen. Die Minister hatten vor allem Gelegenheit, in informellen Sitzungen ausgiebig über alle Probleme zu diskutieren, die sich in Europa und insbesondere in den neuen Demokratien stellen. Aufgrund der in Wien und Madrid gemachten Erfahrungen und entsprechend dem einstimmigen Wunsch, die Ministerkonferenzen zu einem echten Ort des Meinungsaustausches und der Diskussion zu machen, haben die Minister den Bildungsausschuss des Rates für kulturelle Zusammenarbeit (CDCC) beauftragt, neue Organisationsformen vorzuschlagen, die sowohl der grossen Anzahl von Teilnehmern als auch der Notwendigkeit, die Arbeiten der Konferenz mit denjenigen des Bildungsausschusses zu verbinden, gerecht werden. Für die Organisation der nächsten Tagung, die 1997 in Norwegen

1101

stattfinden wird, wurde eine Studiengruppe unter der Leitung des Delegierten der EDK ins Leben gerufen.

6.2

Allgemeinbildung

Auf dem Gebiet der Bildung im Europarat war eines der wichtigsten Ereignisse seit dem letzten Bericht die Organisation eines grossen Seminars im Rahmen der KSZE im Dezember 1993. Mehr als 200 Personen aus 44 Staaten sowie internationalen und nichtstaatlichen Organisationen nahmen daran teil. Das Hauptthema «Bildung: Struktur, Politik und Strategie» wurde in zwei Unterthemen aufgeteilt: «Bildung für demokratische und pluralistische Gesellschaften» und «Bildung für eine Arbeitswelt im Wandel und für die Marktwirtschaft». Die Schweiz, welche die Idee anlässlich des KSZE-Gipfels von Helsinki unterstützt hatte, war auch während der Vorbereitungsphase des Seminars sehr aktiv und finanzierte eine der Sitzungen.

Dieses Seminar, das eine Neuerung darstellt, war ein Erfolg, und zwar nicht nur auf politischer Ebene und für den Ruf des Europarates, sondern auch dank der Qualität der Seminardokumente, die von anerkannten internationalen Experten vorbereitet wurden; ausserdem konnten zum ersten Mal die Europäische Union, die OECD und die Weltbank zu den Vorbereitungsarbeiten hinzugezogen werden.

Der Bildungsausschuss des CDCC seinerseits funktioniert zur allgemeinen Zufriedenheit und nimmt vollumfänglich die verschiedenen Aufgaben wahr, die zu seinem Auftrag gehören: Forum über die Bildungspolitik, Vorbereitung, Begleitung und Überwachung der Programmgestaltung, Beziehungen zu den anderen Ausschüssen, zum Kongress der Gemeinden und Regionen Europas (KGRE), zur Parlamentarischen Versammlung sowie zu den anderen internationalen Organisationen, die sich mit dem Bildungswesen beschäftigen (EU, OECD, UNESCO), Vorbereitung der Sessionen der ständigen Konferenz der europäischen Bildungsminister.

Sein sich auf das Wesentliche beschränkende Tätigkeitsprogramm wird von allen Mitgliedstaaten getragen. Es konzentriert sich auf drei Hauptprojekte (lebende Sprachen, Mittelschulbildung, Erwachsenenbildung) und drei Tätigkeiten im Dienstleistungsbereich (Stipendien des CDCC für Lehrer, Europatag der Schulen, EUDISED (European documentation and information System on éducation) und pädagogische Forschung).

Im Berichtszeitraum hat sich die Schweiz in den Tätigkeiten der Bildungszusammenarbeit weiterhin stark engagiert. Zahlreiche schweizerische Vertreter des Bildungssektors nahmen an den Veranstaltungen (Symposien, Seminare,
Ateliers) teil, die im Rahmen der Projekte durchgeführt wurden. Was die Stipendien des CDCC für Lehrer betrifft, so gehört unser Land zu den grosszügigsten Geberländern. Der Europarat zog auch mehrere Schweizer Experten für verschiedene Forschungsarbeiten und für Missionen bei, insbesondere nach Mittel- und Osteuropa (Polen, Russland).

Die Ursachen für die ernsthaften Besorgnisse, die wir im letzten Bericht zum Ausdruck brachten, bestehen leider immer noch. Die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Bildung ist im Europarat aufgrund der Budgetkürzungen und der prekären Personalressourcen im Sekretariat sehr schwierig geworden. Dies zwingt den Bildungsausschuss, entweder die Fortführung von gewissen Projekten zurückzustellen, d. h.

Tätigkeiten zu streichen, oder auf Vorstudien, die für eine seriöse mittelfristige Programmgestaltung unerlässlich sind, zu verzichten. Diese Lage ist einerseits für die Schweiz sehr bedauerlich, die in Strassburg viel Vertrauen geniesst und eine Vor-

1102

zugsstellung in der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit innehat, und andererseits für den Europarat selbst, der je länger je mehr seine Glaubwürdigkeit verliert, bei seinen ursprünglichen Mitgliedern ebenso wie bei den neuen Demokratien. Der Bildungsausschuss hat die oben erwähnte Studiengruppe beauftragt, eine gründliche und realistische Studie über die Zukunft der europäischen Zusammenarbeit im Bildungswesen und über die vom Europarat dabei zu spielende Rolle zu erstellen.

6.3

Hochschulwesen

Die Ständige Konferenz für Universitätsfragen (CC-PU) ist in «Ausschuss für das höhere Bildungswesen und die Forschung» (Comité de l'enseignement supérieur et de la recherche, CESR) umbenannt worden.

Eine Schweizer Delegation nahm an der ersten Sitzung des CESR (der 17. Sitzung der vormaligen CC-PU) teil, die vom 27.-29. April 1994 in Strassburg stattfand.

Sie war insbesondere folgenden Themen gewidmet: Hochschulzusammenarbeit zwischen Ost- und Westeuropa, u. a. das Problem des «Brain-drain» aus mittel- und osteuropäischen Universitäten; Resolution zugunsten der Studierenden aus Ex-Jugoslawien; Studienreformen und Reformen der Hochschulgesetze; Prüfung einer möglichen Zusammenlegung der Hochschulkonventionen und der entsprechenden Netzwerke des Europarats und der UNESCO.

Die Schweiz beteiligte sich an den Vorarbeiten des CESR für ein Forum zum Thema Toleranz, das für 1995 geplant ist. Sie nahm auch an den Folgearbeiten des CESR (unter Beteiligung des Bildungsausschusses} zu den an der Hauptkonferenz 1992 in Parma aufgeworfenen Fragen des Zugangs zum höheren Bildungswesen teil. Insbesondere beteiligte sich unser Land an dem dort initiierten mehrjährigen Projekt über die europäische Dimension im höheren Bildungswesen und das Zusammenwirken von sekundärem und tertiärem Bildungsbereich.

Die Schweiz hat mit Bedauern vom Entscheid Kenntnis genommen, dass der Europarat aus finanziellen Gründen das Stipendienprogramm ab 1995/96 sistiert.

Die CESR-Arbeitsgruppe NEED (Network for East European Diplomas), die sich mit der Beurteilung von Diplomen mittel- und osteuropäischer Hochschulen befasste, legte 1994 ihren Schlussbericht vor, der die Grundlage für eine einheitliche Anerkennungspraxis bildet.

Eine Schweizer Delegation beteiligte sich am CESR-Forum, das vom 26.-2S. Oktober 1994 in Malta stattfand und Fragen der Anerkennung akademischer Qualifikationen gewidmet war, Ebenfalls vertreten war die Schweiz am CESR-Workshop zum Thema «Lehre und Forschung: Trennung, Zusammenarbeit oder Integration», das vom 20.-22. Oktober 1994 in Kaunas (Litauen) im Rahmen des Programms zur Reform der Hochschulgesetzgebungen in den Staaten Mittel- und Osteuropas durchgeführt wurde.

Die Schweiz unterstützte 1994 weiterhin die interuniversitäre Zusammenarbeit in den Europaratsstaaten, was sich beispielsweise in einem Bundesbeitrag von 50 000 Franken an die Sommeruniversität des Instituts für Föderalismus an der Universität Freiburg ausdrückte.

Die Schweiz ist ferner im leitenden Ausschuss des CESR-Programms zur Förderung von Nachdiplomstudien in Europa vertreten.

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7

Denkmalpflege

In der Berichtsperiode standen folgende vier Themenbereiche im Vordergrund der Aktivitäten des Ausschusses für das kulturelle Erbe des Rates für kulturelle Zusammenarbeit (CDCC): Denkmalpflege-Politik, Ausbildung, Sensibilisierung und Verbreitung, der Europäische Archäologische Plan, Zusammenarbeit und technische Hilfe. Die Schweiz beteiligte sich aktiv an den Arbeiten sowohl des Ausschusses wie auch seiner diversen Arbeitsgruppen. Verschiedene Experten aus der Schweiz wurden vom Europarat mit spezifischen Aufgaben und Missionen beauftragt.

Im Bereich der Kulturgütererhaltung befassten sich verschiedene Arbeitsgruppen mit Fragen des Schutzes des mobilen Kulturgutes und von Kulturlandschaften. Zur Finanzierung solcher Massnahmen wird die Schaffung eines Europäischen Fonds des Kulturerbes diskutiert, an welchem sich alle Mitgliedstaaten des Europarates zu beteiligen hätten. Der denkmalpflegerischen Weiterbildung waren drei Tagungen gewidmet, an denen u. a. die Schaffung von europäischen Ausbildungszentren erörtert wurde. Ein Handbuch über Ausbildungsmöglichkeiten in Europa (Répertoire européen des centres de formation aux métiers du patrimoine) soll in Kürze veröffentlicht werden. Im Rahmen des Europäischen Archäologischen Plans konnte die breitangelegte Kampagne «Die Bronzezeit, das erste goldene Zeitalter Europas» verwirklicht werden. Eine Ausstellung in Budapest, eine Pressekonferenz in Bratislava sowie eine Fachkonferenz im British Museum in London waren diesem Thema gewidmet. Wesentliche Arbeit leistete auch die vom Präsidenten der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege geleitete Arbeitsgruppe für Zusammenarbeit und technische Hilfe, die in Strassburg und in Luzem tagte. Mit Hilfe von Fachleuten, mit Expertenmissionen und Aktionsplänen unterstützt diese Arbeitsgruppe insbesondere mittel- und osteuropäische Länder (u. a. Kroatien, Slowenien, Polen, Litauen, Estland) bei der Bewältigung von Problemen des Denkmalschutzes und der Kulturgütererhaltung, Weiter beschäftigte sich der Ausschuss mit der Vorbereitung der 4. Konferenz der für das kulturelle Erbe verantwortlichen Minister Europas, welche 1996 in Helsinki stattfinden wird.

1994 beteiligte sich die Schweiz erstmals an dem vom Europarat lancierten «Tag der Kulturgüten». Unter dem Titel «Rathäuser, Regierungsgebäude und andere Baudenkmäler
in der Schweiz» führten am 10. September 1994 viele Kantone und Gemeinden öffentliche Veranstaltungen durch, die von der Nationalen Koordinationsstelle für Kulturgütererhaltung (NIKE) unterstützt wurden.

Die Schweiz beteiligte sich in der Berichtsperiode auch an den Arbeiten über die Umgestaltung der europäischen Stiftung Pro Venetia Viva, deren Sekretariat der Europarat betreut. Die Stiftung untersteht schweizerischem Recht und soll unter dem neuen Namen «Fondation Européenne des Métiers du Patrimoine Culturel» den veränderten Bedürfnissen im Bereich der Aus- und Weiterbildung in der Denkmalpflege angepasst werden.

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Sport

Am informellen Treffen der Sportminister vom 27.-29. April 1994 nahm eine Schweizer Delegation unter Leitung der Präsidentin der Eidgenössischen Sportkonimission (ESK) teil.

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Das Schwergewicht der Arbeiten lag auf einer Studie zur Finanzierung des Sports, welche auch die Schaffung von Arbeitsplätzen durch den Sport und die Bedeutung der freiwilligen finanziellen Unterstützung des Sports beleuchtet.

In einer Erklärung vor dem Plenum wies die Schweizer Delegationsleiterin darauf hin, dass der Kinder- und Jugendsport in der Verantwortlichkeit des Staates bleiben und der Sport der Erwachsenen der Verantwortung von privaten Trägern (Verbände, Vereine) überlassen werden müsse.

Der Lenkungsausschuss für die Entwicklung des Sports (CDDS) befasste sich mit der Rolle des Sports in der Gesellschaft. An seiner Sitzung von Anfang Februar war die Schweiz durch den Direktor der Eidgenössischen Sportschule Magglingen (ESSM) und den Direktor des Schweizerischen Landesverbandes für Sport (SLS) vertreten.

Die Schweiz nimmt an den Vorbereitungen für zwei europäische Forschungsprojekte über Osteoporose sowie über Sport und Umwelt teil. Sie hat auch im Rahmen einer Überprüfung von Fitnesstests die Anwendbarkeit von EUROFTT evaluiert.

Die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen. Der Delegierte für Internationale Fragen des SLS führte erneut Seminare im Rahmen des SPRINT-Programms (SPRINT: Sports Reform, Innovation and Training) durch.

Ein Vertreter der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz beteiligt sich an den Arbeiten des Ständigen Ausschusses des Übereinkommens gegen Gewalttätigkeiten und Ausschreitungen von Zuschauern bei Sportanlässen, insbesondere bei Fussballspielen.

Zur Bearbeitung der anfallenden Probleme hat die Folgegruppe zur Doping-Konvention vier Arbeitsgruppen (technische Fragen, Forschung, Erziehung und Information sowie juristische Fragen) gebildet. Die Schweiz arbeitet in allen Gruppen mit; alle Delegierten sind Mitglieder der Kommission für Dopingbekämpfung des SLS. Die Erkenntnisse wurden demzufolge direkt umgesetzt. So flössen insbesondere verschiedene Anregungen des Musterreglementes für die Durchführung von Dopingkontrollen in die neuen Ausführungsbestimmungen des Dopingstatuts des SLS ein.

Die Gruppe Erziehung und Information arbeitete in Zusammenarbeit mit der Kommission der Europäischen Union ein Projekt für pädagogische Unterlagen (EuroPack) aus, welches unter dem Titel «Erziehung gegen das Doping im Sport» steht.

Es wurde am Europäischen Sportforum im November vorgestellt. Einzelne Elemente daraus werden direkt in das Informationsmaterial für Schweizer Sportkreise zum Thema Doping einfliessen.

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Gleichstellung von Frau und Mann

Der Lenkungsausschuss für die Gleichstellung von Frau und Mann (CDEG) konzentrierte seine Tätigkeiten auf die Vorbereitung der Konferenz «Gleichstellung und Demokratie: Utopie oder Herausforderung?», welche im Februar 1995 in Strassburg stattfinden wird. Diese Konferenz stellt den Beitrag des Europarates zur 4. UNO-Weltfrauenkonferenz in Beijing vom September 1995 dar und befasst sich mit der Bedeutung der Gleichstellung der Geschlechter für die demokratische Entwicklung der Gesellschaft.

Weitere Themen des Ausschusses waren die Vorbereitung eines Medienseminars (Juni 1994 in Strassburg) sowie der vom 30. November bis 2. Dezember 1994 in 4l Bundesblati 147. Jahrgang. Bd. I

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Ljubljana durchgeführte Dritte Internationale Workshop zur Gleichstellung von Frau und Mann in den europäischen Ländern. An beiden Anlässen nahm auch die Schweiz teil. Nach Poznan (1992) und Sofia (1993) führte der Europarat damit bereits die dritte internationale Tagung zu dieser Thematik durch. Themenschwerpunkte des Workshops in Ljubljana waren die nationalen Instrumente und Strategien zur Förderung der Gleichstellung.

Im Anschluss an die dritte europäische Fachministerkonferenz zur Gleichstellung von Frau und Mann im Oktober 1993 in Rom, deren Hauptthema die Strategien zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen waren, erhielt eine Gruppe von Expertinnen und Experten den Auftrag, die in Rom verabschiedeten Erklärungen zu konkretisieren. Die Schweiz ist in diesem Fachgremium vertreten.

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Jugend

Der Lenkungsausschuss für zwischenstaatliche Zusammenarbeit im Bereich Jugend (CDEJ), in dem auch die Schweiz vertreten ist, tagte 1994 zweimal. Im Hinblick auf die Ausarbeitung seines Programms für 1994 bildete der Ausschuss drei Gruppen zur Umsetzung der folgenden, an der 4. Europäischen Jugendministerkonferenz (Wien, 13.-15. April 1993) verabschiedeten Empfehlungen: - Förderung der Mobilität und des Jugendaustausches: die Gruppe wurde beauftragt, eine Empfehlung des Ministerkomitees zu entwerfen, in der die MitgliedStaaten aufgefordert werden, mit geeigneten Massnahmen Mobilitätsprojekte zur Förderung von Volontariaten und Freiwilligendiensten im Jugendbereich zu unterstützen; - Jugendinformation: die Gruppe nahm eine Beurteilung der Dienstleistungen im Bereich Information und Beratung der Jugend in den Mitgliedstaaten von - Förderung der Eigeninitiative und der Mitbeteiligung der Jugend: diese Arbeitsgruppe, an deren Tätigkeiten der Schweizer Vertreter teilnimmt, ist beauftragt worden, eine Empfehlung über die Mitbeteiligung der Jugend und die Zukunft der Gesellschaft zu entwerfen, namentlich mittels Fallstudien in verschiedenen Ländern. In der Schweiz können diesbezüglich interessante Beispiele genannt werden, so auf nationaler Ebene die Jugendsession und auf Kantons- und Gemeindeebene die verschiedenen Formen der politischen Mitbeteiligung in Kommissionen, Gremien und Parlamenten.

Der CDEJ wurde im übrigen in die Folgearbeiten des Wiener Gipfels vom Oktober 1993 einbezogen: er beteiligt sich an der Vorbereitung und der Koordination der am Gipfel beschlossenen europäischen Kampagne gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz. Die Kampagne ist vom Europarat am 10. Dezember 1994 lanciert worden. In den Mitgliedstaaten wird sie hauptsächlich von den Jugendorganisationen getragen. In der Schweiz ist ein vom Bundesrat ernanntes nationales Komitee mit der Durchführung der Kampagne beauftragt worden (vgl. Ziff. 1.1).

11

Raumplanung

Im Zuge der Vorbereitungen für die 10. Europäische Ministerkonferenz über Raumplanung (CEMAT) hielt der Ausschuss der hohen Beamten vom 24.-26. März 1994 in Ornsköldsvik (Schweden) ein Kolloquium ab. Dessen Hauptthema lautete: «Die Herausforderungen für die europäische Gesellschaft an der Schwelle zum drit-

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·*

ten Jahrtausend: Rolle und Vertretung der Frauen in einer auf nachhaltige Entwicklung ausgerichteten Raumplanungspolitik». Dieses Thema ging aus dem Arbeitsprogramm der CEMAT-Konferenz von 1991 in Ankara hervor. Die Diskussionen dieses Kolloquiums führten zu folgenden Forderungen: - Die Mitarbeit der Frau soll in jeder Phase des Entscheidungsprozesses verstärkt und verbessert werden.

- Neue Denkanstösse und Vorgehensweisen in der Planung sollen gefördert werden, welche der Realität einer emanzipierten und pluralìstischen Gesellschaft gerechter werden.

- In der Verkehrspolitik sollen neue Perspektiven ins Auge gefasst werden, die die Anliegen der Frauen einbeziehen und auf eine nachhaltige Entwicklung abzielen.

- Ausbildung und Forschung bezüglich Rolle und Vertretung der Frau in der Raumplanungspolitik müssen vorangetrieben werden.

Am 6. und 7. September 1994 veranstaltete das norwegische Ministerium für Umwelt in Oslo die 10. CEMAT. Die Tagungsthemen der Ministerkonferenz waren: 1. Strategien für eine nachhaltige Entwicklung der Siedlungsgebiete Europas.

2. Aussichten und Probleme der Raumplanung in Europa nach dem Jahr 2000.

In den Resolutionen der Konferenz betonten die Minister unter anderem folgendes: Bezüglich einer nachhaltigen Entwicklung der Agglomerationen sind die Siedlungspolitiken umfassend und unter den Gesichtspunkten von Wirtschaft, Gesellschaft und Umweltschutz zu konzipieren. Gleichzeitig sind die Bedürfnisse von Frauen und Kindern einzubeziehen. Brauchbare und umfassende Lösungen können überdies nur durch ein gutes Zusammenspiel zwischen den Agglomerationen und den übrigen Gebieten gefunden werden.

In bezug auf das zweite Tagungsthema - die nachhaltige Entwicklung in Europa nach dem Jahr 2000 - unterstrichen die Minister die Notwendigkeit, die Raumplanung europaweit abzustimmen. Sie betonten, dass jedes Wachstum den Anspruch der kommenden Generationen auf eine gut erhaltene Umwelt zu respektieren hat und von uns einen verantwortungsvollen Umgang mit den natürlichen Ressourcen verlangt. Eine kohärente Politik mit dieser Zielsetzung kann nur durch zwischenstaatliche Zusammenarbeit in allen möglichen Formen verwirklicht werden. In diesem Zusammenhang kam schliesslich auch die Zusammenarbeit zwischen dem Europarat und der Europäischen Union wie auch den mittel- und osteuropäischen
Staaten zur Sprache.

Das gemeinsame Kolloquium, an dem sich traditionellerweise im Rahmen der CEMAT die Minister mit den Vertretern der Parlamentarischen Versammlung treffen, bot Gelegenheit zu einer Diskussion über den Vorschlag eines europäischen Raumplanungsschemas. Abschliessend nahmen die Minister die Einladung der zyprischen Regierung zur 11. CEMAT 1997 in Zypern an.

12 12.1

Natur- und Umweltschutz Konferenz der europäischen Umweltminister

Die dritte paneuropäische Umweltministerkonferenz im Rahmen des Prozesses «Umwelt für Europa» soll im Herbst 1995 in Sofia stattfinden. Die 7. Konferenz der europäischen Umweltminister, welche 1994 oder 1995 in Liechtenstein hätte tagen sollen, wurde erneut verschoben.

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12.2

Verschiedene Aktivitäten

Der Lenkungsausschuss zum Schutz der Umwelt und der Natur (CDPE) kam am 9./IO. Dezember 1993 und vom 15.-17, Juni 1994 in Strassburg zusammen. Er erneuerte das Europadiplom für fünf Schutzzonen und erteilte es erstmals für drei neue Objekte: das Reservat von Tebeda und das Biosphären-Reservat von Oka in der Russischen Föderation sowie die Landschaft der Wachau in Österreich. Für die Vorbereitung einer «Paneuropäischen Strategie der biologischen und landschaftlichen Vielfalt», welche anlässlich der dritten paneuropäischen Umweltministerkonferenz zumindest in den Grundzügen vorgestellt werden soll, setzte der CDPE eine Expertengruppe ein. In der sechsköpfigen Expertengruppe macht auch ein Vertreter der Schweiz mit.

Das internationale Organisationskomitee des Europäischen Naturschutzjahres 1995 traf sich vom 6.-8. Juni in Strassburg und beschloss verschiedene Initiativen zur bestmöglichen Unterstützung und Koordination der nationalen Programme.

Die Vorbereitung der Beiträge des Europarates zur dritten paneuropäischen Umweltministerkonferenz wurden planmässig weitergeführt. Sie beinhalten namentlich eine Erhebung der geschützten und schützenswerten Objekte, die Erarbeitung eines Mustergesetzes für die Erhaltung der biologischen Vielfalt ausserhalb von Schutzgebieten, Pilotprojekte für nachhaltige, umweltschonende Tourismusformen, Massnahmen im Bereich der Erziehung und der Information sowie konkrete Naturschutzprojekte in Mittel- und Osteuropa.

Die Expertengruppe «Ländlicher Raum, Natur und Landschaften» (PE-S-MR) beriet an ihrer Sitzung vom 16.-18.Mai 1994 eine Empfehlung für eine nachhaltige Entwicklung und Nutzung des ländlichen Raums mit besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse von Naturr und Landschaftsschutz zu Ende. Die Empfehlung wurde am 5. September 1994 vom Ministerkomitee gutgeheissen. Weiter traf die Gruppe Vorbereitungen für die Durchführung eines paneuropäischen Seminars über Kulturlandschaften, das vom 25.-30. September 1995 in Poznan (Polen) stattfinden wird.

12.3

Arbeiten im Rahmen von Konventionen

Der ständige Ausschuss des Übereinkommens zur Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume (Berner Konvention vom 19. Sept. 1979) hielt vom 29. November bis 3. Dezember 1993 seine 13. Sitzung in Strassburg ab. Anwesend waren auch die Delegationen der drei neuen Vertragsparteien Island, Malta und Rumänien sowie Vertreter der folgenden Staaten, die als Beobachter teilnahmen: Tschechische Republik, Slowakei, Lettland, Monaco, Russland, Tunesien und Ukraine.

Auf Anregung der Schweizer Delegation wandte sich der ständige Ausschuss mit einem nachdrücklichen Appell an das Ministerkomitee wegen der Schwierigkeiten, die bei der Durchführung von gewissen Aktivitäten der Naturerhaltung entstanden sind (Paneuropäische Konferenz «Umwelt für Europa», Konvention der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt, EECONET) und deren Ursachen in den ungenügenden personellen und finanziellen Ressourcen liegen, die der Europarat für diesen Bereich einsetzt.

Dem Ausschuss wurde Bericht erstattet über das europäisch-afrikanische Seminar über die Zusammenarbeit mit Afrika auf dem Gebiet der Erhaltung der Natur, das

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im Juni 1993 in Dakar stattfand, sowie über die Budapester Tagung vom Februar 1993 über die Erhaltung der Natur in Mittel- und Osteuropa.

Das Hauptinteresse des ständigen Ausschusses betraf die Rolle, welche die Berner Konvention bei der Anwendung der Konvention der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt in Gesamteuropa spielen könnte. Ein Symposium zu diesem Thema fand im Oktober 1994 in Monaco statt, Der ständige Ausschuss setzte ausserdem seine Arbeiten für eine bessere Anwendung der Konvention fort, namentlich in bezug auf die Auslegung des Begriffs der Ausnahme sowie in bezug auf Form und Inhalt der alle zwei Jahre zu verfassenden Berichte. Er prüfte ferner die Ergebnisse der Expertengruppen (mittel- und osteuropäische Flora, Süsswasserfische, Lurche usw.) sowie die Probleme, die in spezifischen Landschaften auftreten (Braunbären in den Pyrenäen, Schildkröten in der maurischen Ebene, Heideböden im Dorset, Reptilien in Niedersachsen usw.). Der ständige Ausschuss fasste mehrere Entschliessungen, von denen einige auch die Schweiz betreffen, beispielsweise diejenige über den Schutz von Süsswasserfischen oder diejenige über die Erarbeitung von Plänen zur Erhaltung oder Wiederansiedlung der Pflanzenarten, die in Anhang l der Konvention aufgeführt sind. Vertreterinnen und Vertreter der Parlamentarischen Versammlung, darunter namentlich Nationalrätin Lenì Robert, wohnten den Arbeitssitzungen des ständigen Ausschusses bei.

13

Tierschutz

Die eidgenössischen Räte haben am 7. Oktober 1994 die Ratifikation des Protokolls zur Änderung des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen genehmigt. Der Geltungsbereich wird durch das Protokoll auf die Zucht von Nutztieren, auf gentechnologische Eingriffe und auf die Verabreichung von nicht-therapeutischen Stoffen ausgedehnt sowie um bestimmte Aspekte der Tierhaltung erweitert. Dies stellt einen beträchtlichen Fortschritt für den Tierschutz auf europäischer Ebene dar. Der ständige Ausschuss für das Übereinkommen zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen hat damit begonnen, Empfehlungen für die Haltung von Straussenvögeln und Hausenten auszuarbeiten.

Im Rahmen der multilateralen Konsultation zum Europäischen Übereinkommen zum Schutz.der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Wirbeltiere haben Expertengruppen Empfehlungen zur Verbesserung und Harmonisierung der Ausbildung von mit Tierversuchen arbeitendem Personal verabschiedet und damit begonnen, Probleme beim Transport von Versuchstieren sowie bei transgenen Tieren zu bearbeiten.

Im Hinblick auf die erste multilaterale Konsultation zum Europäischen Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren haben Expertengruppen die Ausarbeitung von Empfehlungen oder Resolutionen an die Hand genommen zu Themenkreisen wie etwa streunende Tiere, als Heimtiere gehaltene Wildtiere sowie Zucht von Heimtieren und Eingriffe bei Heimtieren. Zweck dieser Resolutionen ist es, gesamteuropäisch eine angemessene Annäherung der Tierschutzregelungen für Heimtiere zu verwirklichen.

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14

Medien

Die Arbeiten des Lenkungsausschusses für Massenkommunikationsmittel (CDMM) konzentrierten sich auf die Vorbereitung der Ministerkonferenz, die am 7./8. Dezember 1994 in Prag stattfand. An dieser Konferenz wurde ein Aktionsplan über die Förderung der Medien in einer demokratischen Gesellschaft gutgeheissen, dessen Zielsetzung es ist, die Freiheit der Medien im Rahmen der europäischen Integration auszuweiten und die Chancengleichheit im audiovisuellen Bereich zu fördern.

Die in Prag anwesenden Minister verabschiedeten auch zwei Entschlusstexte. In dem einen Entschluss verpflichten sich die Mitgliedstaaten des Europarates, die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch in Zukunft zu sichern, seine spezifischen Aufgaben zu definieren und seine Unabhängigkeit gegenüber jeglicher politischer oder wirtschaftlicher Beeinflussung zu schützen. Der zweite Entschluss, der die journalistischen Freiheiten betrifft, hält gewisse Grundregeln dieser Freiheiten fest, unter die auch der Zugang zu Informationen von Amtsstellen und der Schutz der Vertraulichkeit der Informationsquellen der Journalisten fallen. Die Schweiz stellte an der Konferenz den Antrag, dass im Rahmen des Europarates Lösungsvorschläge für das Problem der Gewaltdarstellungen am Fernsehen gemacht würden.

Das Europäische Abkommen betreffend Fragen des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte im Rahmen grenzüberschreitender Satellitensendungen wurde im Februar 1994 vom Ministerkomitee angenommen und am l L Mai 1994 zur Unterzeichnung aufgelegt. Die Schweiz hat das Abkommen an diesem Datum unterzeichnet. Es tritt in Kraft, wenn mindestens sieben Staaten es ratifiziert haben oder ihm beigetreten sind.

Der Ausschuss der Rechtsexperten für Medienfragen (MM-JU) führte in der Berichtsperiode seine letzte Sitzung durch. Seine Experten stellten insbesondere einen Empfehlungsentwurf zur Bekämpfung der Piraterie von Ton- und Tonbildträgern fertig und legten diesen dem CDMM vor. 1995 werden zwei Spezialistengruppen an die Stelle des MM-JU treten; die eine wird sich mit der Piraterie von Tonund Tonbildträgern befassen, die andere vorwiegend mit den neuen Kommunikationstechnologien und deren Auswirkungen auf das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte.

Der Expertenausschuss über Medienkonzentration und Pluralismus (MM-CM) hat eine Empfehlung,
über die Transparenz ausgearbeitet, die Richtlinien betreffend den Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen über die Eigentumsverhältnisse an Medien sowie betreffend den Austausch von Informationen zwischen nationalen Behörden enthält. An der Ausarbeitung dieser Empfehlung, die einen annehmbaren Kompromiss darstellt, haben Vertreter der Schweiz mitgearbeitet. Weiter wurde beschlossen, im Rahmen des Europarates ein Netz von nationalen Korrespondenten aus Vertretern aller Mitgliedstaaten zu schaffen, die regelmässig Informationen über die Entwicklung der nationalen Medienkonzentration zusammentragen sollen.

Die Datenbank MEDIALEX verfolgt das Ziel, die nationalen Gesetzgebungen betreffend die Medien zu sammeln. Sie ist teilweise schon in Funktion getreten. Da jedoch die finanziellen Mittel nicht ausreichen, ist der Zugriff per Telefon noch nicht vollumfänglich möglich.

Der ständige Ausschuss, der Anwendungsfragen der Konvention über das grenzüberschreitende Fernsehen klärt, hat in drei Sitzungen zu bestimmten Fragen, u. a.

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zur Berechnung der Werbezeit in Fernsehprogrammen und zum Sponsoring, Stellung genommen. Auf Anfrage der Schweiz gab der ständige Ausschuss auch eine Stellungnahme zur Zulässigkeit von Programmen ab, die sich spezifisch an das Publikum eines anderen Landes richten. Nach seiner Ansicht sind solche Programme unter bestimmten Bedingungen zulässig; deren Konzession muss jedoch vom Empfängerland erteilt werden. Der Bundesrat hat bei seinem Entscheid in Sachen «RTL-Schweizer Programmfenster» dieser Stellungnahme Rechnung getragen.

15 15.1

Gesundheitswesen Europäischer Gesundheitsausschuss (CDSP)

Das Ministerkomitee verabschiedete die vom CDSP vorgelegten Empfehlungen über Gewebebanken, über die frühzeitige pharmakologische Intervention bei HIVInfektionen und über Reihenuntersuchungen als Instrument der Präventivmedizin.

Auf Vorschlag des CDSP beschloss das Minsterkomitee ferner, eine Konferenz der europäischen Gesundheitsminister zum Thema «Chancengleichheit und Patientenrechte im Zusammenhang mit Reformen im Gesundheitsbereich» durchzuführen.

Zwei Expertengruppen des CDSP befassten sich mit Fragen der Ausbildung von Pflegepersonal und Problemen der Pflegeforschung. Das koordinierte Forschungsprogramm über die Gesundheitsversorgung von in geschlossenen Institutionen lebenden Personen (Teil I: Gefangene) wurde weitergeführt. Die meisten Mitgliedstaaten des Europarates haben sich dem 1992 gegründeten und vom Europarat, von der EU und vom Regionalbüro für Europa der WHO gemeinsam getragenen europäischen Netzwerk gesundheitsfördernder Schulen angeschlossen. Aus der Schweiz beteiligen sich 16 Schulen verschiedener Stufen.

Das mit Hilfe der EU und der Industrie errichtete Computernetzwerk zwischen Lebertransplantationszentren, an das auch die Schweiz angeschlossen ist, hat seinen Betrieb aufgenommen. Die Arbeitsgruppe für organisatorische Fragen der europäischen Zusammenarbeit im Bereich Organtransplantation befasste sich ferner mit Problemen ethischer und rechtlicher Natur in Fällen von potentiellen Organempfängern, die nicht in dem Lande wohnen, in dem sie eine Transplantation durchführen lassen möchten. Der Ausschuss der Bluttransfusionsexperten führte unter Schweizer Leitung am 6. und 7. Oktober 1994 eine Konferenz über die Restrukturierung der Transfusionsdienste in Mittel- und Osteuropa durch. Der Ausschuss verabschiedete ferner die überarbeiteten Richtlinien über Verarbeitung, Gebrauch und Qualitätssicherung von Blutprodukten.

15.2

Teilabkommen im Sozialbereich und im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens

Das Ministerkomitee hiess die vom Gesundheitsausschuss des Teilabkommens (CD-P-SP) vorgelegte Empfehlung über die rationelle Verwendung von Medikamenten gut.

Die Schweiz ist in den verschiedenen Ausschüssen des CD-P-SP präsent. Diese Fachausschüsse leisten eine technische Arbeit, die auch für die Schweiz von grossem Nutzen ist. Sie befassen sich mit Fragen aus den Bereichen Lebensmittelkontrolle, Verpackungsmaterialien und Aromastoffe für Lebensmittel, Kosmetika und Pestizide sowie mit pharmazeutischen Fragen.

1111

15.3

Europäische Pharmakopöe-Kommission

Die Europäische Pharm'akopöe, der die Schweiz seit Beginn angehört, hat 1994 ihr SOjähriges Bestehen gefeiert. Neben Kroatien, der Türkei und der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien trat die EU als Vertragspartner der Europäischen Pharmakopöe bei; gleichzeitig wurde China der Beobachterstatus verliehen. In technischen Fragen wird jeder Mitgliedstaat weiterhin das Vetorecht haben, in Verfahrensfragen hingegen wird seit dem Beitritt der EU neu mit Dreiviertelmehrheit entschieden.

Zum ersten Mal wurde eine über Europa hinaus international harmonisierte Monographie (über Laktose) in Zusammenarbeit mit Japan und den USA in Kraft gesetzt. Die Kommission verabschiedete ferner Band 19 der Europäischen Pharmakopöe, der rund 100 neue und 80 revidierte Monographien sowie mehrere neue Methoden umfasst. Einen wichtigen Schritt stellt auch die erstmalige Herausgabe der vollständigen Europäischen Pharmakopöe auf elektronischen Datenträgern dar.

15.4

Zusammenarbeit zur Bekämpfung des Betäubungsmittelmissbrauchs und des illegalen Handels (Groupe Pompidou)

Die 10. Europäische Ministerkonferenz bzw. die 2. Paneuropäische Ministerkonferenz im Rahmen der Pompidou-Gruppe fand am 3. und 4. Februar in Strassburg statt. Die Konferenz hatte zum Ziel, Form und Inhalt der künftigen Zusammenarbeit zu definieren und eine multidisziplinäre Strategie der Drogenhüfe und -bekämpfung zu entwickeln. Die Schweizer Delegation wurde von Bundesrätin Ruth Dreifuss geleitet, die in einem Referat auf die schweizerische DrogenpoHtik und besonders auf die wissenschaftlichen Versuche mit ärztlicher Verschreibung von Betäubungsmitteln einging. Es wurde unterstrichen, dass diese Versuche keineswegs einen Versuch der Legalisierung von Drogen darstellen.

Auf der Basis des neuen von der Ministerkonferenz beschlossenen Programms wurden verschiedene Arbeitsgruppen eingesetzt, darunter die Arbeitsgruppe über neue Entwicklungen im Bereich des Drogenmissbrauchs, in. der die Schweiz mitwirkt.

Die Arbeitsgruppe für Epidemiologie im Bereich der Drogenprobleme wurde verstärkt und umfasst nun auch Vertreter der Länder Mittel- und Osteuropas.

Im Rahmen der Tätigkeit der Pompidou-Gruppe hat die Schweiz Fachleuten aus Ungarn und der Tschechischen Republik Stages in verschiedenen schweizerischen Institutionen ermöglicht. Ausserdem fand vom 26.-30. September ein Seminar über Betäubungsmittel- und Vorläuferkontrolle in unserem Land statt, an dem sich auch polnische und tschechische Fachleute beteiligten.

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Bevölkerungsfragen

Mit der Erweiterung des Europarates hat sich auch der Arbeitsbereich des Europäischen Ausschusses für Bevölkerungsfragen (CD-PO) geographisch stark ausgedehnt. Rechtzeitig auf die UNO-Weltkonferenz über Bevölkerung und Entwicklung in Kairo konnte das Jahrbuch 1994 über die neusten demographischen Trends in Gesamteuropa herausgegeben werden. .Abgeschlossen wurde eine ländervergleichende Studie über die Auswirkungen der demographischen Alterung auf das sozialmedizinische System. In Vorbereitung ist - aufgrund eines Vorstosses der

1112

Parlamentarischen Versammlung des Europarates - eine internationale Konferenz über Bevölkerung, Migrationen und demographische Entwicklung im Mittelmeerraum.

Neuland betrat der Europarat bei seiner Beteiligung an der Vorbereitung und Durchführung der Volkszählung in der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien im Sommer 1994. Auf Ersuchen der Genfer Konferenz über das ehemalige Jugoslawien unterstützte eine Expertengruppe des Europarates unter schweizerischer Leitung die Regierung bei den Gesetzgebungsarbeiten. Gemeinsam mit der Europäischen Union organisierte die Expertengruppe auch die internationale Beobachtermission, welche die Durchführung der Volkszählung überwachte "(vgl.

Ziff. 1.2). Die Schweiz beteiligte sich personell und finanziell an dieser Beobachtermission.

17 17.1

Soziale Angelegenheiten Beschäftigung, Arbeit und Migration

Der Europäische Ausschuss für Wanderungsfragen (CDMG) hat hauptsächlich zwei Themen behandelt, die für die Schweiz von besonderem Interesse sind: - die Frage einer Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz; diese soll praktische Strategien zur Bekämpfung von Gewalttaten sowie von rassistischen und fremdenfeindlichen Belästigungen entwerfen; - die Frage, wie man der Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung bezüglich der Ausarbeitung eines Übereinkommens nachkommen soll, welches alle Formen der illegalen Einwanderung bekämpft, parallel zu den bereits vorhandenen Riickübernahmeabkommen für illegal Eingewanderte.

Der Lenkungsausschuss für Beschäftigung und Arbeit (CDEM) hat den Entwurf einer Empfehlung über die Rolle der Arbeitsvermittlung angenommen. Gleichzeitig nahm er Kenntnis von zwei Forschungsberichten: der eine behandelt den Übergang von der Familien- und Hausarbeit zu einer Erwerbstätigkeit, der andere die Rolle und Verantwortung der Arbeitgeber bei der Integration behinderter Arbeitnehmer.

Die Forschungsgruppen für 1995/1996 sollen sich der Frage widmen, welche sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen die Umstrukturierung der europäischen Volkswirtschaften hat.

Die Arbeitsgruppe CHARTE-REL, die sich mit der Verbesserung und Aktualisierung der Europäischen Sozialcharta befasst, hat den materiellen Gehalt der Charta geprüft und Verbesserungsvorschläge unterbreitet. Die revidierte Sozialcharta soll neue wirtschaftliche und soziale Rechte garantieren. Nach ihrer Annahme durch das Ministerkomitee kann die revidierte Sozialcharta zur Ratifizierang aufgelegt werden.

17.2

Soziale Sicherheit und Sozialpolitik

Die Vorbereitung der 6. Konferenz der europäischen Minister für Soziale Sicherheit wurde mit dem Treffen hoher Beamter weitergeführt. Auch die Schweiz nahm daran teil. Die Konferenz findet im Mai 1995 in Portugal statt und wird die Abhängigkeit und die Soziale Sicherheit zum Thema haben.

1113

Ein Vorbereitungstreffen in Malta war der im Jahre 1995 in Finnland stattfindenden 24. Europäischen Familienministerkonferenz gewidmet, deren Thema lautet: «Status und Rolle des Vaters - Aspekte der Familienpolitik».

Das Ministerkomitee verabschiedete am 14. März 1994 das Protokoll zum Europäischen Abkommen über Soziale Sicherheit, welches am 11. Mai zur Unterzeichnung aufgelegt wurde. Das Abkommen wird demnach abgeändert, um den Geltungsbereich auf Nichtvertragsstaatsangehörige auszuweiten. Ein Staat, der dieses Protokoll ratifiziert hat, hat jedoch die Möglichkeit, die Vorteile der Abkommensbestimmungen über die Gleichbehandlung und den Leistungsexport auf diejenigen Personen zu beschränken, die ursprünglich vom Europäischen Abkommen über Soziale Sicherheit abgedeckt waren.

Die Schweiz beteiligte sich an den Arbeiten des Europäischen Ausschusses für Soziale Sicherheit (CDSS), indem sie an der Erstellung von Vergleichsstudien in folgenden Bereichen mitarbeitete: Systeme der Sozialen Sicherheit in den einzelnen Mitgliedstaaten des Europarates, die nicht EU-Mitglieder sind, sowie in Australien und Kanada; Beteiligung der Leistungsbezüger an den Gesundheitskosten und den Kosten für Hilfsmittel; Entwicklung der nationalen Gesetzgebungen der Sozialen Sicherheit. Des weiteren hat der CDSS entschieden, einen Entwurf über «Musterbestimmungen im Bereich der Sozialen Sicherheit» zu erstellen, um die mittel- und osteuropäischen Länder bei der Ausarbeitung und Reform ihrer Gesetzgebungen im Bereich der Sozialen Sicherheit zu unterstützen.

Aus Budgetgründen hielt der Lenkungsausschuss für Sozialpolitik (CDPS) eine einzige Sitzung ab, an welcher auch die Schweiz teilnahm. Neben verschiedenen sozialpolitischen Themen wurden wiederum vor allem solche familienpolitischen Inhalts behandelt (Politik des Kindes, Rechte des Kindes, Bericht über Dienste für Familien, Entwurf einer Empfehlung für eine kohärente und integrierte Familienpolitik).

Der durch das Teilabkommen im sozialen und öffentlichen Gesundheitsbereich geschaffene Ausschuss für die Wiedereingliederung von Behinderten (CD-P-RR) setzte an seiner Jahrestagung die Arbeit an verschiedenen Entwürfen im Zusammenhang mit einer Empfehlung über eine kohärente Behindertenpolitik fort, insbesondere das Studium der nationalen Gesetzgebungen im Bereich der
Wiedereingliederung. Ausserdem befasste man sich mit den Fragen der Ausbildung von Personal, das sich im Rahmen der Wiedereingliederung anderen Fragen als denjenigen der Gesundheitspflege widmet (Architekten und Städteplaner), des Übergangs von einem geschützten Arbeitsplatz in das normale Erwerbsleben, des Älterwerdens der Behinderten, der internationalen Klassifizierung von Behinderungen der WHO (abgekürzt: CIH = Classification internationale des handicaps) sowie der Bewertung beruflicher Fähigkeiten von behinderten Personen. Die Schweiz empfing im September 1994 eine Expertengruppe in Bern, die beauftragt worden war, die Ergebnisse der Arbeitsgruppe für die berufliche Bewertung von behinderten Personen in einer «Charta für Assessment-Methoden» für die europäischen Staaten zusammenzufassen. Die Expertengruppe führte zudem eine Anhörung schweizerischer Experten und betroffener Kreise durch.

Der ständige Expertenausschuss für die Anwendung des Europäischen Abkommens über Soziale Sicherheit (SS-AC) hielt eine einzige Sitzung ab. Es wurden insbesondere die Arbeiten im Zusammenhang mit der Koordination der Gesetzgebungen der Sozialen Sicherheit zwischen den Ländern West- sowie Mittel- und Osteuropas weiterverfolgt.

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Schliesslich wurde auf Anfrage des CDSS ein neuer Expertenausschuss gegründet, der das Ziel hat, das Formular für die nicht ratifizierten Teile der (revidierten) Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit zu erstellen und den erläuternden Bericht, der dieser revidierten Ordnung beiliegt, zu revidieren. Dieser Ausschuss SS-FRE, der von der Schweiz präsidiert wird, sollte seine Arbeiten bis Ende 1995 abschliessen.

18 18.1

Gemeinden, Regionen und grenzüberschreitende Zusammenarbeit Gemeinden und Regionen

Der Lenkungsausschuss der Lokal- und Regionalbehörden (CDLR) hat sich am 7.

und 8, April 1994 in Budapest und vom 28.-30. November 1994 in Strassburg versammelt. Gleichzeitig zum Budapester Treffen hielt er in der ungarischen Hauptstadt ein Kolloquium über die Grosse der Gemeinden, die Effizienz und die Beteiligung def Bürger ab. Er widmete seine Arbeiten hauptsächlich den lokalen Referenden, der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit (vgl. Ziff. 18.2), dem lokalen öffentlichen Dienst, dem Budgetdefizit, der Überschuldung der lokalen Gebietskörperschaften und der wirtschaftlichen Intervention der territorialen Gebietskörperschaften.

Der CDLR veröffentlichte ausserdem seinen Bericht über die Subsidiarität und verabschiedete einen Empfehlungsentwurf über die Anwendung des Grundsatzes der Subsidiarität. Er beschloss auch, das «Praktische Handbuch über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit» zu veröffentlichen, das.von einem Schweizer Experten vorbereitet wurde. Der Lenkungsausschuss befasste sich im Übrigen mit der Vorbereitung der informellen Konferenz der für lokale Gebietskörperschaften zuständigen europäischen Minister, die am 18. Oktober 1994 in Warschau zum Thema «Lokale und regionale Demokratie in den mittel- und osteuropäischen Ländern» stattfand. Die Schweiz nahm an dieser Konferenz teil; deren Empfehlungen an das Ministerkomitee streben eine bessere Koordination der technischen Zusammenarbeits- und Hilfsprogramme für die mittel- und osteuropäischen Länder sowie einen intensiveren Informationsaustausch auf dem Gebiet der lokalen Demokratie unter den Ländern dieser Region an. Der CDLR beschloss ausserdem, dass die lokalen Finanzen das einzige Thema der 11. Konferenz der für lokale Gebietskörperschaften zuständigen europäischen Minister sein soll. Die Konferenz findet 1996 in Portugal statt.

Einem Entschluss des Wiener Gipfels Folge leistend, hat das Ministerkomitee am H.Januar 1994 den Kongress der Gemeinden und Regionen Europas (KGRE) geschaffen, der die ehemalige Konferenz der Gemeinden und Regionen Europas ersetzt. Der Kongress ist das neue Repräsentationsorgan der lokalen und regionalen Behörden im Europarat. Er arbeitet in zwei Kammern, einerseits der Kammer der Gemeinden, andererseits der Kammer der Regionen, welche den Genfer Staatsrat Claude Haegi zu ihrem Vorsitzenden wählte. Die
Schweiz hat sich für die Schaffung des KGRE eingesetzt, dessen Aufgabe es ist, die Zusammenarbeit zwischen territorialen Gebietskörperschaften zu unterstützen und die lokale und regionale Autonomie zu fördern. Der Kongress befasste sich mit den Möglichkeiten einer Nord-Süd-Zusammenarbeit für nationale Verbände lokaler und regionaler Behörden, der Ausbildung des Personals der territorialen Gebietskörperschaften, der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und der internen Organisation des Kongres-

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ses. In Zusammenarbeit mit der Parlamentarischen Versammlung des Europarates führte er vom 15.-17. September 1994 in Chamonix die 3. Europäische Konferenz über die Bergregionen durch, an welcher die Schweiz teilnahm.

18.2

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit

Der Expertenausschuss für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, welcher dem CDLR unterstellt ist, hielt zwei Sitzungen ab. Er setzte sich mit folgenden Fragen auseinander - Zusatzprotokoll zum Madrider Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit: Dieser Text konnte dem Ministerkomitee im Hinblick auf die Unterzeichnung durch die Staaten noch nicht unterbreitet werden. Infolge der Vorbehalte einiger Delegationen musste er einer zusätzlichen Prüfung unterzogen werden. Die Vorbehalte bezwecken eine bessere Berücksichtigung des nationalen, Rechts sowie die Klärung oder Relativierung einzelner Bestimmungen. Die Schweiz konnte sich dieser Haltung anschliessen. Sie wird alles daran setzen, damit das Protokoll, welches den Kantonen zur Vernehmlassung unterbreitet werden soll, zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Kraft gesetzt werden kann. Der Bundesrat hat sich bereits im Bericht über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und die Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik (BB1 1994II 620) für die Unterzeichnung ausgesprochen.

- Interterritoriale Zusammenarbeit: Der Expertenausschuss ist vom KGRE beauftragt worden, einen Text zur Festlegung des rechtlichen Rahmens der Zusammenarbeit zwischen nicht aneinander angrenzenden Körperschaften auszuarbeiten.

Dieser könnte entweder die Form eines Zusatzprotokolls zum Madrider Rahmenübereinkommen oder diejenige eines selbständigen Übereinkommens über die interterritoriale Zusammenarbeit haben.

19

Sozialer Entwicklungsfonds

Das Jahr 1993 ging, was den Sozialen -Entwicklungsfonds (nachstehend: Fonds) betrifft, mit einem Misston zu Ende, trat doch der Gouverneur im Gefolge von verschiedenen Funktionsmängeln und Unregelmässigkeiten zurück, welche die Leitungsorgane seit einiger Zeit stark in Anspruch genommen hatten. Zu dieser Demission kam der Rücktritt der Präsidenten des Direktionsrates und des Verwaltungsrates, welche auf die Erneuerung ihres Mandats verzichteten. Der Direktionsrat konnte am 17. Dezember 1993 die drei Schlüsselpositionen des Fonds neu besetzen: Der Italiener Romeo dalla Chiesa wurde zum Präsidenten des Direktionsrates, der Finne Kari Nars zum Vorsitzenden des Verwaltungsrates und der Franzose Raphaël Alomar zum Gouverneur gewählt.

Die Amtszeit beträgt je drei Jahre; diejenige des Gouverneurs wird sich ab Inkrafttreten der neuen Satzung auf fünf Jahre erstrecken.

Die Berichtsperiode war gekennzeichnet vom Bestreben, sowohl auf normativer Ebene als auch auf dem Gebiet der Tätigkeitskontrolle Ordnung zu schaffen. Es wurden einerseits viele administrative Vorschriften erlassen, so namentlich das Handbuch für die Vorbereitung und die Begleitung von Projekten und das Personalstatut, und andererseits der Bestand an hängigen Kreditbegehren einer Überprüfung unterzogen. Ganz im Sinne der Regeln der neuen Satzung, welche eine klare

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Beschränkung der Kreditgewährung auf Projekte mit wirklich sozialer Komponente stipulieren, wurden striktere Verfahren angewandt. Eine neue Praxis stellt der Beschluss dar, mehreren Kreditgesuchen nicht stattzugeben.

Dieser neue Kurs hatte zur Folge, dass die in der Berichtsperiode gewährten Kredite beträchtlich schrumpften. Man kann für Ende 1994 von einer Grössenordnung von 300 Millionen ECU ausgehen. 1992 hatte man noch angenommen, bald die Schwelle von l Milliarde ECU zu erreichen. Sodann werden, was die Auszahlung der Darlehen anbelangt, künftig strengere Massstäbe angelegt, und zwar in dem Sinne, dass die Mittel parallel zum Fortschritt der Arbeiten nach und nach freigegeben werden.

Hingegen hat der Fonds im Verlaufe des Jahres personell aufgestockt; er nahm eine Restrukturierung der Fondsverwaltung in Paris vor. Schliesslich hat es sich als notwendig erwiesen, den Gouverneur im Fall seiner Verhinderung oder seines Rücktritts nahtlos zu ersetzen. Ein Vizegouverneurs-Posten wurde geschaffen und mit einem Deutschen besetzt. Einige Mitgliedstaaten mussten der Ratifikation der neuen Satzung ein parlamentarisches Genehmigungsverfahren vorschalten, was länger dauerte als vorgesehen. Man darf jedoch hoffen, dass dem Inkrafttreten des Statuts - sowie der neuen internen Réglemente des Direktionsrates und des Verwaltungsrates - am 1. Januar 1995 nichts mehr im Wege steht. Nach dem Beitritt Sloweniens und Bulgariens zählt der Fonds nunmehr 23 Mitglieder. Mit dem Dazustossen weiterer Staaten Mittel- und Osteuropas im Verlaufe des Jahres 1995 und der folgenden Jahre kann gerechnet werden.

Schliesslich darf unterstrichen werden, dass trotz der schwierigen Phase und trotz der Umgestaltung eine Agentur, welche die finanzielle Bonität bewertet, dem Fonds erneut das Spitzenrating AAA zugesprochen hat, was Ausdruck für dessen vorzügliche finanzielle Situation und dessen hohen Solvabilitätsgrad ist.

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Nord-Süd-Dialog

Im Vordergrund der Tätigkeiten des «Centre Nord-Sud» standen drei Ereignisse: das internationale Symposium vom 17.-19. Januar in Rom (unter dem Titel «Interdependenz und transmediterrane Partnerschaft») sowie zwei internationale Veranstaltungen in Den Haag. Die erste fand am 29./30. März statt und behandelte das Thema «Intergouvemementale Konsultation über die globale Erziehung». Die zweite, vom 16./17. September, befasste sich mit der Krise in Ruanda in ihrem regionalen Kontext und ging in ihrem Ansatz vom Problem der Achtung der Menschenrechte aus.

Die Bemühungen der Société internationale pour le développement (SID) zur Sensibilisierung europäischer Parlamentarier wurden fortgesetzt. Unter Einbezug von Europaparlamentariern und Nichtregierungsorganisations-Vertretern (NGO-Vertretern) organisierte die SID im Mai in Bonn eine Vorbereitungskonferenz für die UNO-Konferenzen über die soziale Entwicklung in Kopenhagen und über Frauenfragen in Beijing.

Die Delegierte der Schweiz beim «Centre Nord-Sud» hat von der Direktion für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe den Auftrag erhalten, die Initiativen des Zentrums in der Schweiz umzusetzen. Wie in den Jahren zuvor führte sie, auf Gemeindeebene und in Zusammenarbeit mit NGOs, verschiedene Aktivitäten mit dem Ziel durch, die schweizerische Öffentlichkeit für die Probleme der Interdependenz und der weltweiten Solidarität zu sensibilisieren. Sie beschäftigte sich

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schwergewichtig mit der Zusammenarbeit von NGOs im Bereich der weltweiten Solidarität und mit dem Medientreffen Nord-Süd im Wallis (1995).

Am 5. Mai 1994 veranstaltete sie eine Klausurtagung mit Schweizer NGOs, die sich mit Entwicklung, Umwelt und Menschenrechten beschäftigen. Bei dieser Gelegenheit konnten Vertreter von 34 NGOs die ihrer Bedeutung und ihrem Tätigkeitsfeld entsprechenden Bedürfnisse diskutieren. Die NGOs drückten den Wunsch nach stärkerer Unterstützung durch den Bund aus. Als Folge dieser Veranstaltung wurden drei Arbeitsgruppen gegründet: Die erste organisiert in Graubünden und in der Region Winterthur Pilotprojekte nach dem Modell des Nord-Süd-Forums Oberwallis; die zweite bereitet eine nationale NGO-Tagung unter dem Arbeitstitel «1995: Die schweizerischen NGOs und das System der Vereinten Nationen» vor; die dritte ist mit der Erarbeitung eines Dokuments betraut, das die Grundwerte enthält, welche der Arbeit der NGOs in unserem Land zugrundeliegen.

Im Kanton Wallis erklärte sich St-Maurice bereit, das «Medientreffen Nord-Süd» zu organisieren, das dazu genutzt werden soll, über Möglichkeiten einer Öffnung des Kantons gegenüber der Welt zu diskutieren. Im Kontext der Bemühungen, die Gemeinden des Waadtlands im Rahmen der Fédération vaudoise de coopération (FEDEVACO) für Entwicklungsprobleme zu sensibilisieren, ist die Veröffentlichung einer Broschüre zum Thema «Frauen-FamiUe-Bevölkerung» vorgesehen.

Im Tessin haben sich verschiedene Gemeinden zur Vorbereitung einer Präsentation in Altersheimen und Freizeitzentren zusammengeschlossen, die ab Dezember 1994 angeboten werden soll. In der Deutschschweiz sollen lokale NGOs über das «Klimabündnis» informiert werden. Dabei geht es vor allem darum, NGOs, die sich mit Umweltfragen befassen, für die Fragen der Respektierung der Rechte von Urbevölkerungen zu sensibilisieren.

Das Nord-Süd-Zentrum ist auf europäischer Ebene in die Europäische Kampagne gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und andere Formen von Intoleranz eingebunden. Die Delegierte der Schweiz beim Centre ist Mitglied des nationalen Komitees zur Organisation dieser Kampagne in der Schweiz.

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Beilage

Liste der. zur Unterzeichnung durch die Mitgliedstaaten aufgelegten Konventionen und der vom Ministerkomitee angenommenen Empfehlungen Konventionen - Convention européenne concernant des questions de droit d'auteur et de droits voisins dans le cadre de la radiodiffusion transfrontière par satellite (STE 153) - Protocole à la Convention européenne de sécurité sociale (STE 154) - Protocole n° 11 à la Convention de sauvegarde des Droits de l'homme et des libertés fondamentales, portant restructuration du mécanisme de contrôle établi par la Convention (STE 155)

Empfehlungen - Recommandation sur les banques de tissus humains R (94) 1 - Recommandation sur le développement des petites et moyennes entreprises R (94)2 - Recommandation sur la promotion de l'éducation et de la sensibilisation dans le domaine du droit d'auteur et des droits voisins concernant la création R (94) 3

- Recommandation sur la promotion d'un service volontaire R (94) 4 - Recommandation relative aux lignes directrices devant inspirer la pratique des Etats membres du Conseil de l'Europe à l'égard des demandeurs d'asile dans les aéroports européens R (94) 5 - Recommandation pour un développement et une utilisation durables du monde rural R (94) 6 - Recommandation relative à une politique générale de développement d'un tourisme durable et respectueux de l'environnement R (94) 7 - Recommandation concernant l'application pratique de l'accord européen sur la transmission des demandes d'assistance judiciaire R (94) 8 - Recommandation concernant les personnes âgées R (94) 9 - Recommandation sur l'intervention pharmacologique précoce en cas. d'infection parVIHR(94) 10 - Recommandation sur le dépistage comme instrument de médecine préventive R (94) 11 - Recommandation sur l'indépendance, l'efficacité et le rôle des juges R (94) 12 - Recommandation sur les mesures visant à promouvoir la transparence des médias R (94) 13 - Recommandation concernant les politiques familiales cohérentes et intégrées R (94) 14

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Jahresbericht des Bundesrates über die Tätigkeiten der Schweiz im Europarat 1994 vom 23. Januar 1995

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1995

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

09

Cahier Numero Geschäftsnummer

95.005

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

07.03.1995

Date Data Seite

1083-1119

Page Pagina Ref. No

10 053 364

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