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Botschaft über die Finanzierung der Tätigkeiten der Stiftung Pro Helvetia in den Jahren 1996-1999

vom 18. Januar 1995 Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Finanzierung der Tätigkeiten der Stiftung Pro Helvetia in den Jahren 1996-1999 mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

18. Januar 1995

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Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Villiger Der Bundeskanzler; Couchepin

1995-34

Übersicht Gemäss Artikel 3 Absatz l des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1965 betreffend die Stiftung «Pro Helvetia» (SR 447.1) gewährt der Bund der Stiftung Pro Helvetia zur Erfüllung ihrer kulturellen Aufgaben im In- und Ausland jährliche Beiträge, die in der Regel alle vier Jahre mit einfachem Bundesbeschluss festgelegt werden.

Die laufende Beitragsperiode endet am 31, Dezember 1995. In einem neuen Bundesbeschluss sollen der Stiftung för die Beitragsperiode 1996-1999 Finanzmittel in der im Finanzplan des Bundes vorgesehenen Höhe von insgesamt 118 Millionen Franken gewährt werden. Dies bedeutet gegenüber der vorangegangenen Peri. ode eine Aufstockung von 13 Millionen Franken, womit der Teuerung Rechnung getragen wird.

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Botschaft I II

Allgemeiner Teil Ausgangstage

Nach dem Bundesgesetz vom 17. Dezember 1965 betreffend die.Stiftung «Pro Helvetia» (SR 447,1) werden die finanziellen Mitlei, welche der Stiftung die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben ermöglichen sollen, in der Regel alle vier Jahre mit einem einfachen Bundesbeschluss festgesetzt (An. 3). Die laufende Beitragsperiode endet am 3 I.Dezember 1995. Wir unterbreiten Ihnen daher den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Finanzierung der Tätigkeiten der Stiftung Pro Helvetia für die Jahre 1996-1999. Damit soli die Grundlage dafür geschaffen werden, dass die Stiftung ihre Kulturförderung im In- und Ausland weiterführen kann.

Aufgrund der beschriebenen periodischen Mittelfestsetzung unterbreiteten wir Ihnen in den Jahren 1980, 1983, 1987 und 1991 insgesamt bereits vier Vorlagen zur Stiftung Pro Helvetia (BB1 1980 II 109, 1933 II 165, !9S7 l 949 und 1991 l 154). Die Ausführungen in unserer neuen Vorlage beschränken sich auf das Programm der Stiftung Pro Helvetia und die damit zusammenhängenden Bedürfnisse für die nächsten Jahre, während 'wir für Einzelheiten zur Struktur und Geschichte der Stiftung auf die Botschaften zu den oben erwähnten Vorlagen verweisen, insbesondere auf jene aus dem Jahr 1980.

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Das aktuelle kulturpolitische Umfeld

Zwei Themen haben in jüngster Zeit vorwiegend die kulturpolitische Diskussion bestimmt: Die eidgenössische Volksabstimmung über einen Kulturförderungsartikel in der Bundesverfassung vom 12. Juni 1994 und die anhaltend schlechte Situation der Öffentlichen Finanzhaushalte aller staatlichen Ebenen, die gerade-im Kulturbereich zu schmerzlichen Kürzungen führte.

Der Versuch, die Kulturförderung des Bundes ausdrücklich und umfassend in der Bundesverfassung zu verankern", ist am 12. Juni 1994 misslungen. Während eine Mehrheit des Schweizervolks der Vorlage zustimmte, scheiterte diese knapp am Ständemehr. Wie die offizielle Analyse des Abstimmungsergebnisses zeigt, sind die Gründe für das Scheitern der Vorlage vielfältig und können nur zu einem Teil als kulturpolitisch umschrieben werden. Vor allem ist festzuhalten, dass das Abstimmungsergebnis laut Analyse nicht als Absage an die Wichtigkeit der Kultur bzw. an die Kulturförderung des Bundes verstanden werden darf. Die grundsätzliche Bedeutung der Kultur sollte offenbar auch durch die Mehrheit der Gegner der Vorlage nicht in Frage gestellt werden. Dies gilt ebenso für die Kulturförderung, die sich nach Ansicht des Stimmvolkes auf sämtliche Bereiche kultureller Tätigkeiten erstrecken soll.

Die Ablehnung der Vorlage hat gerade unter den Kulturschaffenden grosse Enttäuschung ausgelöst. Sie sehen-- unter ohnehin härteren Arbeitsbedingungen durch Kürzungen des Kulturbudgets und drohender Isolation vom Ausland - nun selbst die ideelle Unterstützung und Anerkennung für ihre Arbeit verwehrt.

Während also die Kulturschaffenden durch die Sparmassnahmen der öffentlichen Haushalte besonders stark betroffen sind, werden ihnen gerade in der jüngsten Zeit vermehrt Aufgaben im staatspolitischen Bereich zugewiesen. So wird in der politi894

sehen Diskussion gerne die Kultur für die Lösung der aktuellen Probleme in der Verständigung zwischen den Kulturgemeinschaften, aber auch bezüglich der oft beklagten Idenlitätskrise der Schweiz ganz allgemein in die Pflicht genommen.

Auch auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen und der Imagepflege wird von Kultur und Kulturschaffenden ein entscheidender Beitrag erwartet.

Wenn wir betonen, dass einem reichen kulturellen Leben tatsächlich in diesen Themenbereichen eine grosse Bedeutung zukommt, bejahen wir nicht das Ansinnen, die Kultur in irgend einer Weise politisch «vor den Wagen zu spannen». Es soll vielmehr darum gehen, den Stellenwert und die besonderen Kräfte und Möglichkeiten der Kultur ins Bewusstsein zu rufen.

Besondere Erwähnung verdient an dieser Stelle die Bedeutung der Aufgabe der Stiftung Pro Helvetia, die kulturellen Beziehungen mit dem Ausland zu pflegen.

Wie wir wissen, ist die aktuelle Situation der Schweiz speziell mit Blick auf den europäischen Integrationsprozess nicht unproblematisch. Gerade in dieser Diskussion dürfte es von grösster Bedeutung sein, kulturelle Werte und auch kulturelle Eigenheiten unseres Landes im Ausland darzustellen und verständlich zu machen.

Wie staatliche Grenzen oft nicht mit wirtschaftlichen oder kulturellen gleichzusetzen sind, so entspricht auch die Sprache der Kultur nicht jener der Politik. Vermag nicht gerade die Kultur oft Türen zu öffnen, die verschlossen scheinen, vermag nicht sie zu vermitteln, was unerklärbar, unbeschreibbar scheint?

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Die Eingabe der Stiftung für die Jahre 1996-1999

Am 26. September 1994 legte die Stiftung Pro Helvetia dem Eidgenössischen Departement des Innern die Eingabe für die Jahre 1996-1999 vor. Während der I.Teil die Stiftungstätigkeit anhand der im Gesetz festgelegten Stiftungsaufgaben' im kulturpolitischen Überblick situiert, schildert der 2. Teil die Tätigkeiten der Stiftung sachgebietsweise nach den diversen Fachgruppen des Stiftungsrates. Im 3. Teil begründet die Stiftung ihre Finanzanträge und ihre personellen Begehren.

Wie bereits in der Botschaft über die Finanzhilfen an die Stiftung Pro Helvetia in den Jahren 1992-1995 vom 18. März 1991 befindet sich die Eingabe der Stiftung im Anhang. Die Eingabe schildert die Aktivitäten der Stiftung ebenso wie die Einschätzungen und kulturpolitischen Überlegungen der Stiftungsverantwortlichen.

Daher ist sie als wichtige Entscheidungsgrundlage zu betrachten.

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Die Würdigung der Eingabe

Auch die Pro Helvetia befasst sich in ihrer Eingabe mit der Abstimmung über einen Kulturförderungsaitikel in der Bundesverfassung vom 12. Juni 1994 und ihren Folgen für die Stiftung. Dabei sieht sie sich - des Abstimmungsergebnisses zum Trotz - durch den «Prozess der kulturellen Selbstbesinnung» gestärkt, denn bei aller Skepsis der Gegner der Abstimmungsvorlage sei die Pro Helvetia nie ernsthaft in Frage gestellt worden. Dieser Einschätzung kann eindeutig zugestimmt werden. Es scheint uns wichtig festzuhalten, dass die Bedeutung der öffentlichrechtlichen Stiftung des Bundes im In- und Ausland, bei Kulturschaffenden, Politikerinnen und Politikern und auch bei den Behörden hoch eingeschätzt wird. Diese Anerkennung bezeugt einerseits, dass die grundsätzliche Notwendigkeit der Stiftung nicht zu bezweifeln ist, und andererseits, dass ihr Sachkompetenz und Umsichtigkeit in ihrer Kulturförderungstätigkeit attestiert wird.

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Zum Aufgabenbereich der Kulturwahrung hält die Eingabe überzeugend fest, dass die Pro Helvetia auf diesem Gebiet zunehmend gefordert wird. Das Fehlen genügender Mittel auf lokaler Ebene führt verständlichenveise zu einem Ausweichen «nach oben», in der Hoffnung, hier einen Ausgleich zu finden.

In den Ausführungen zum komplexen und häufig umstrittenen Begriff «Volkskultur» werden klare Leitlinien bezüglich ihrer Förderung festgelegt. Dabei wird deutlich gemacht, dass die Förderung der Volkskultur eine differenzierte Analyse des aktuellen kulturellen Lebens in unserem Land voraussetzt, und es wird darauf hingewiesen, in welche Sackgassen allzu einfache Betrachtungsweisen der «Volkskultur» führen können. Schi iessl ich werden anhand konkreter Beispiele Wege aufgezeigt, auf denen die Stiftung eine zeitgemässe und ehrliche Förderung der Volkskultur wahrzunehmen sucht.

Im Bereich der Förderung des aktuellen künstlerischen Schaffens will die Stiftung künftig noch vermehrt auch als Vermittlerin wirken. Dies ist sicher - das hat auch die Volksabstimmung vom 12. Juni 1994 über einen Kulturförderungsartikel in der Bundesverfassung gezeigt - eine zentrale Aufgabe aller Kunst fördernden Institutionen. Ebenso wichtig für das aktuelle Schaffen ist jedoch die Förderung des Neuen, des (noch) Unbekannten, das aber eben gerade häufig nicht leicht verständlich bzw. verständlich zu machen ist. Wenn die Stiftung sich hiefür auch künftig den nötigen Mut wünscht, dium kann man sich diesem Wunsch durchaus anschliessen.

Die Anforderungen, die sich für die Verantwortlichen im Umgang mit dem Balanceakt zwischen der Förderung der Kultur in ihrer ganzen Breite und der ebenso bedeutungsvollen Unterstützung neuer Impulse ergeben, sind auch für die uneingeweihten Beobachtenden ersichtlich.

Naheliegend bringt auch die Eingabe das Stichwort «Röschtigraben» ins Spiel, wenn sie ihre Tätigkeiten auf dem Gebiet des Kulturaustausches im Inland beschreibt. Nach «innenpolitischen Zerreissproben», wie sie etwa die Volksabstimmung über einen Beitritt der Schweiz zum EWR vom 6. Dezember 1992 darstellte, werde die Stiftung bestürmt, etwas zu unternehmen. Es ist an dieser Stelle wohl unnötig, weiter auszuführen, dass die Stiftung weder die Möglichkeit noch die Mittel hätte, diese Probleme sozusagen im Alleingang zu lösen. Sie wirft in diesem
Zusammenhang jedoch zu Recht die Frage auf, ob es nicht besser wäre, die prophylaktische Bedeutung des Kulturaustausches gerade für die Verständigung zwischen den Kulturgemeinschaften zu bedenken und gebührend zu würdigen, als die Kultur im nachhinein als Mittel zur Therapie zu beschwören und damit auch zu überfordern. Angesichts dieser Feststellung betrachtet die Stiftung in zwei Bereichen grössere Anstrengungen als besonders dringlich. Zum einen erwähnt sie die Übersetzungsförderung, die sie als «einzige Stelle in der Schweiz systematisch» betreibt; ein Bereich, der für die viersprachige Schweiz ohne Zweifel lebenswichtig ist.

Zum andern möchte die Stifung ihren Informationsauftrag in allen Landesteilcn ausbauen und einen entscheidenden Beitrag zum Kulturverständnis in unserem Land leisten, für den sie aufgrund ihres Überblicks und ihres Know-hows prädestiniert ist.

Die Auslandarbeit ist vielleicht das allgemein bekannteste Tätigkeitsfeld der Pro Helvetia. In der Tat binden die Tätigkeiten im Ausland «zwei Drittel des Potentials der Stiftung»., Dabei unternahm die Stiftung gerade in jüngster Zeit auch grosse Anstrengungen, durch gezielte Zusammenarbeit mit anderen Stellen die zur Verfügung stehenden Mittel und Ressourcen noch effizienter einzusetzen. Hier ist insbesondere der am 23. Januar 1992 zwischen der Pro Helvetia und dem EDA abgeschlossene Vertrag über die Verstärkung der gegenseitigen Zusammenarbeit zu nen896

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nen, der zu einer gezielt ausgebauten Kooperation führte. Zudem ist zu erwähnen, dass die schweizerischen diplomatischen Vertretungen im Ausland bei der Erfüllung der ihnen obliegenden kulturellen Aufgaben - mangels eigener operativen Budgets - in finanzieller Hinsicht vorwiegend auf die Zusammenarbeit mit der Stiftung angewiesen sind. Dennoch bleibt der Stiftung auf dem Gebiet der Auslandarbeit vieles überlassen, was den Rahmen ihrer (insbesondere finanziellen) Möglichkeiten sprengt. Ganz besonders ist an die neuen Herausforderungen zu denken, die sich für die Schweiz kulturell im Zusammenhang mit der zunehmenden weltweiten Verflechtung ergeben. Es ist augenscheinlich, dass sich auch die kulturelle Auslandarbeit nicht mehr allein mit einer Präsenz in Europa begnügen kann.. Was unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten schon längst eine Selbstverständlichkeit darstellt, politisch zum Alltag gehört, darf kulturell nicht gänzlich auf den Wunschzettel verbannt bleiben. Die Welt ist durch die erleichterte Mobilität und die Errungenschaften der Technologie zwar kleiner geworden. Messen wir jedoch diese Einschätzung an unserer Fähigkeit, die Menschen anderer Kontinente und Kulturen zu verstehen und uns mit ihnen auseinanderzusetzen, scheint die gleiche Welt immer noch oder sogar vermehrt - unbegreifbar gross zu sein. Der kulturelle Austausch und die kulturelle Begegnung sind also hier von grösster Bedeutung. Daher ist der Forderung der Stiftung zuzustimmen, dass sie ihre Kontakte auch vermehrt nach Mittelund Osteuropa, Amerika, Asien und Afrika ausdehnen und pflegen können sollte.

Wie bereits erwähnt, stellt der zweite Teil der Eingabe der Stiftung ihre Aktivitäten anhand der einzelnen Fachgruppen des Stiftungsrates dar. Dies sind die Gruppen Visuelle Künste, Musik, Literatur, Theater-Tanz, Erwachsenenbildung-Kulturelle Animation-Volkskultur, Réseaux und Kommunikation-Film.

Die zentrale Feststellung der Eingabe, die Anforderungen an die Stiftung würden, 'ständig zunehmen, erhärtet sich durch diesen Überblick. In allen Gruppen bzw.

Sparten haben die Verantwortlichen auch laufend den neusten Entwicklungen Rechnung zu tragen. Dies können, wie etwa am Beispiel des Einzugs der neuen elektronischen Möglichkeiten im Bereich der Visuellen Künste gezeigt, neue Techniken oder Ausdrucksformen sein, deren sich die
Kunstschaffenden bedienen. Ebenso müssen in gewissen Bereichen neue Anstrengungen aufgrund von gesellschaftlichen Entwicklungen und Phänomenen unternommen werden, damit ein bedeutendes Kulturgut überhaupt noch bestehen kann. Hier kann z. B. der Bereich Literatur angeführt werden, in dem es neben der Unterstützung des literarischen Schaffens auch immer mehr darum geht, durch kulturvermittelnde Massnahmen der durch die elektronischen Medien bedingten Entfremdung der Bevölkerung vom Buch und vom Lesen "entgegenzuwirken. Nicht zuletzt sind in diesem Zusammenhang auch die gesellschaftlichen Entwicklungen in unserem Land zu berücksichtigen - wie das Verhältnis zwischen Stadt- und Landregionen -, die neue Konzepte, aber eben häufig auch neue Mittel für eine bedürfnisgerechte und innovative Kulturförderung erfordern. Von den zunehmenden weltweiten Anforderungen, welche an die Stiftung gestellt werden, haben wir bereits gesprochen. Auch sie sind ein Beispiel dafür, dass die Beweglichkeit der Stiftung dauernd neu gefordert ist.

Allein die Tatsache, dass eine Institution auch den aktuellen und künftigen Entwicklungen Rechnung tragen muss, ist sicher nicht allein für die Pro Helvetia entscheidend. Flexibilität wurde gerade in der jüngsten durch die Rezession geprägten Zeit ein wichtiges Stichwort und hat für jeden «Betrieb» als Selbstverständlichkeit zu gelten. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass sich ein marktwirtschaftliches Verständnis von Flexibilität im Sinne von «Altes abstossen, Neues verfolgen» in der Kulturförderung in vielen Fällen als untauglich, ja unhaltbar erweist. Oft ist

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gerade hier neuen Entwicklungen Rechnung zu tragen und sind sie entsprechend zu fördern, ohne dass Bestehendes an seiner FörderungsWürdigkeit einbüsst und vernachlässigt werden darf. Mit dieser Besonderheit ist die Pro Helvetia - das zeigen die konkreten Beispiele der Eingabe - in hohem Grade konfrontiert.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Eingabe die beeindruckend vielfältigen Tätigkeiten der Stiftung umfassend wiedergibt. Die damit verbundenen kulturpolitischen Ausführungen machen darüber hinaus aber auch auf das grosse Potential aufmerksam, das die Stiftung durch ihre Struktur und insbesondere durch die breit abgestützte Zusammensetzung der einzelnen Fachgruppen des Stiftungsrates zu vereinen und entsprechend zu nutzen vermag. Dadurch erklärt sich auch die Tatsache, dass die Stiftung weit mehr als ein Institut der Geld Verteilung ist.

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Zu den finanziellen Begehren

Ausgangspunkt für die finanziellen Begehren bilden die Aufgaben, zu denen die Stiftung gesetzlich verpflichtet ist. Diese sind - wie in der Eingabe dargestellt -, vielfältig und machen unter veränderten Umständen auch neue Aktivitäten unabdingbar. Ohne zusätzliche Mittel sieht sich die Stiftung jedoch in vielen Bereichen ausserstande, ihre Aufgaben zu erfüllen. Die Stiftung betont zudem mit Nachdruck die nicht zu unterschätzende Funktion, welche die Kultur und damit die Kulturförderung für eine lebendige, wache und innovative Gesellschaft hat.

Die Stiftung beziffert ihren finanziellen Bedarf für die Jahre 1996-1999 mit einer durchschnittlichen Summe von 36 Millionen Franken, was einer Gesamtsumme von 144 Millionen Franken entspricht.

Die Forderungen der Stiftung scheinen uns angesichts der umfassend erarbeiteten Grundlagen durchaus verständlich und nachvollziehbar. Gerade aufgrund unserer weitgehenden Übereinstimmung mit der Stiftung in ihrer Einschätzung der aktuellen kulturpolitischen und kulturförderungspolitischen Anforderungen und unserer Würdigung der Bedeutung der Tätigkeiten der Pro Helvetia erschiene uns unter anderen finanzpolitischen Voraussetzungen die vorgeschlagene Mittelaufstockung durchaus vertretbar. Dennoch muss heute die drastische Situation der Bundesfinanzen und die Verpflichtung des Bundes zu verstärkten Sparanstrengungen Priorität haben. Daher muss sich das Wünschbare einmal mehr nach dem Machbaren richten.

Wir beantragen daher, die Stiftung für die Jahre 1996-1999 wie folgt zu dotieren: 1996 28 Millionen Franken, 1997 29 Millionen Franken, 1998 30 Millionen Franken, 1999 31 Millionen Franken.

Damit würde der Stiftung für die nächsten vier Jahre ein Nettogesamtbetrag von 118 Millionen Franken zur Verfügung stehen. Dies sind 46 Millionen Franken weniger als die Stiftung beantragt, bedeutet aber andererseits eine Steigerung von insgesamt 13 Millionen Franken gegenüber den Jahren 1992-1995.

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Zu den personellen Begehren

Die Stiftung verlangt in ihrer Eingabe eine Aufstockung des Personalbestandes um 14,6 Stellen. Sie begründet dies einerseits mit der Feststellung, dass die Zahl der eingereichten Gesuche unaufhörlich zunehme, was - wie wir schon erwähnt haben

- auch mit dem durch die Kürzungen der kommunalen und kantonalen Kulturbudgets bedingten Ausweichen auf die «höhere» Stufe zu erklären sein dürfte. Weiter weist die Stiftung darauf hin, dass sie gerade wegen den Sparanstrengungen aller Ebenen und den damit zusammenhängenden Problemen, die sich für die Kulturschaffenden ergeben, auch beratend und vermittelnd vermehrt beansprucht werde.

Angesichts der Tatsache, dass der Pro Helvetia unserer Ansicht nach aufgrund der aktuellen Finanzsituation des Bundes keine wesentliche Erhöhung der Mittel zugestanden werden kann, muss auch die personelle Forderung der Stiftung mit Zurückhaltung betrachtet werden. Dabei soll die Zunahme der Belastungen, denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pro Helvetia ausgesetzt sind, nicht bagatellisiert werden. Auch wenn die S'tiftung durchaus gewisse Besonderheiten für sich in Anspruch nehmen kann - so etwa der von ihr nicht beeinflussbare Gesuchseingang -, muss man sich aber dennoch bewusst sein, dass sich die erwähnten Probleme für die Stiftung nicht wesentlich anders stellen, als für das Personal in unzähligen Bereichen der Verwaltung. Wie die Stiftung selber weiss, ist die Höhe des Verwaltungsaufwandes gerade in Zeiten des Spardruckes ein zentrales Thema finanzpolitischer Diskussionen; auch dies gilt keineswegs nur für die öffentliche Verwaltung.

Eine von der Stiftung verlangte - zudem massive - Erhöhung des Personalbestandes bei gleichzeitiger Unmöglichkeit einer wesentlichen Aufstockung der Finanzmittel für die Kulturförderung würde jedoch in erster Linie den Kulturschaffenden kaum verständlich zu machen sein. Wenn für die finanzielle Unterstützung der Kultur und damit auch für die Kulturschaffenden gezwungenermassen der Gürtel enger geschnallt werden muss, ist eine gleichzeitige Höherbewertung der Administration unseres Erachtens kulturpolitisch nicht zu verantworten. Diese Überlegungen führen uns dazu, eine Aufstockung des Personalbestandes der Stiftung zumindest im heutigen Zeitpunkt als unadäquat beurteilen zu müssen.

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Besonderer Teil Kommentar zum Beschlussesentwurf

Der Entwurf ist formal mit dem geltenden Finanzierungsbeschluss vom 26. September 1991 (BB1 7997 IV 197) weitgehend identisch.

Artikel l nennt die Beiträge an die Stiftung für die Jahre 1996-1999. Die Erläuterungen finden sich in Ziffer 132 dieser Botschaft. Ergänzend gelten die entsprechenden Ausführungen in der Eingabe der Stiftung im Anhang.

Der Beschluss ist gemäss Artikel 2 nicht allgemeinverbindlich und untersteht daher nicht dem Referendum (vgl. Art. 3 Abs. l des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1965 betreffend die Stiftung «Pro Helvetia»).

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Auswirkungen Finanzielle Auswirkungen Auf den Bund

Die beantragten Ausgaben entsprechen den im Finanzplan des Bundes für die Jahre 1996-1999 eingestellten Beträgen. Die Situation der Bundesfinanzen lässt es unserer Überzeugung nach nicht zu, dass den wesentlich höher liegenden Anträgen der Stiftung entsprochen werden kann. Die hier beantragten Mittel erachten wir jedoch

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als absolut notwendiges Minimum, damit die Stiftung ihre gesetzlichen Aufgaben weiterhin erfüllen kann.

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Auf Kantone und Gemeinden

Direkte Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden hat die Vorlage nicht. Auch wenn die Stiftung ihre Mittel komplementär zu anderen Geldgebern auszurichten sucht, kann daraus keine Verpflichtung der Kulturförderungsstellen anderer staatlicher Ebenen abgeleitet werden.

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Personelle Auswirkungen

Die Vorlage hat keine personellen Auswirkungen. Wir haben die diesbezüglichen Forderungen der Stiftung unter Ziffer 132 kritisch beurteilt und begründet, weshalb wir uns zum heutigen Zeitpunkt gegen eine Aufstockung des Personalbestandes der Stiftung aussprechen.

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Ändere Auswirkungen

Andere Auswirkungen, insbesondere auf andere Bundesstellen, welche sich mit kulturellen Fragen befassen, hat die Vorlage nicht.

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Legislaturplanung

Die Vorlage ist im Bericht über die Legislaturplanung 1992-1996 (BB1 7992 III 1) angekündigt.

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Verhältnis zum europäischen Recht

Die Vorlage hat keine Auswirkungen auf das Verhältnis zum europäischen Recht.

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Verfassungsmässigkeit

In den Bereichen Film (Art. 27Kf BV) und Heimatschutz/Denkmalpflege (Art. 24wxtas BV) bestehen ausdrückliche Verfassungsgrundlagen für den Bund. Aufgrund seiner umfassenden Zuständigkeit für die Aussenpolitik ist dies auch für die Pflege der kulturellen Beziehungen mit dem Ausland zu bejahen (vgl. insbesondere Art. 8 und Art. 102 Ziff. 8 BV). Nach dem negativen Ausgang der Volksabstimmung über einen Kulturförderungsartikel in der Bundesverfassung vom 12. Juni 1994 fehlt weiterhin eine explizite allgemeine Verfassungsgrundlage für die Kulturförderung des Bundes. Wie bis anhin kann jedoch weiterhin davon ausgegangen werden, dass die Kulturförderung in einem umfassenden Sinne zu den Staatsaufgaben gehört und dass der Bund seine bisherigen Aktivitäten auch künftig aufgrund einer ungeschriebenen Verfassungskompetenz wahrnehmen kann. Dies gilt insbesondere für die Ausstattung der öffentlich-rechtlichen Kultur-Stiftung «Pro Helvetia» mit finanziellen Mitteln.

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Anhang

Pro Helvetia Schweizer Kulturstiftung

Eingabe 1996-1999 an den Bundesrat

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Inhaltsverzeichnis Tell I: Generelle Einführung Vorbemerkung Die Welt, in der wir leben Der 12. Juni und die Folgen Die Erhaltung des Geisteserbes Volkskultur- ein schillernder Begriff Förderung des aktuellen Schaffens Kulturaustausch im Inland Ausland - «Werbung um Verständnis» Kulturaustausch Inlandarbeit - Auslandarbeit Erwachsenenbildung - eine zusätzliche Aufgabe Genügen die Mittel der Stiftung?

Genügen die human resources der Stiftung?

Wieviel Wünschbares ist wünschbar?

Teil II: Die einzelnen Gruppen Visuelle Künste Musik

Literatur

Theater/Tanz Erwachsenenbildung, kulturelle Animation, Volkskultur Réseaux

Kommunikation, Film

Teil III: Finanz- und Personalbedarf Finanzen Gesamtübersicht Finanzen Inland Finanzen Austand Personal

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Teil l Vorbemerkung zu Teil l Teil l der vorliegenden Eingabe von Pro Helvetia an den Bundesrat versucht, die Schwerpunkte der Stiftungstätigkeit in einem kulturpolitischen Überblick zu situieren; gedankliche Orientierung im Text bieten dafür die Formulierungen der Stiftungsaufgaben im Gesetz.

Die Welt, in der wir leben Zwischen der «Botschaft über die Finanzhilfen an die Stiftung Pro Helvetia in den Jahren 1992-1995» vom 18. März 1991 und der vorliegenden Eingabe für die Jahre 1996 -1999 hat sich die Welt grundlegend verändert. Die Veränderungen sind auf den Gebieten von Politik, Wirtschaft und Finanzen am spektakulärsten; tatsächlich handelt es sich aber wohl zuerst und vor allem um kulturelle Phänomene: Unser Denken (Zerfall der Freund-Feind Schemata aus der Zeit des kalten Krieges), unsere Kommunikation (die hektischen und diffusen Entwicklungen im Mediensektor), unsere Wahrnehmung (die Auflösung einer verlässlichen «Wirklichkeit» in einer unfassbaren Virtualität) und somit unser gesamtes gesellschaftliches und mitmenschliches Verhalten unterliegen einem Veränderungsprozess, der irreversibler und radikaler ist als das übliche, schon fast liebgewordene {(Alles in Frage-Stellen» der früheren Fin-de-siècle. Dass in dieser Atmosphäre der Unsicherheit und Verängstigung die schrecklichen" Vereinfacher grossen Zulauf haben, zeigt, wie gross der kulturelle Handlungsbedarf ist. Dem Populismus müssen größtmögliche Ausdifferenzierung, sensible Wahrnehmungsfähigkeit und unbestechliche geistige Verarbeitung entgegengehalten werden - Kultur also.

Der 12. Juni 1994 und die Folgen Der negative Ausgang der Abstimmung über einen Kulturartikel in der Verfassung bedeutet keine Absage an die Kultur. Der Grossteil der Ablehnenden war nach eigenen Aussagen keineswegs kulturfeindlich eingestellt; die Ablehnenden hatten eigene Vorstellungen, was Kultur sei - ein Grundrecht einer Kulfurnation -, oder sie erlagen den wider besseres Wissen propagierten Unterstellungen, es gehe um Staatskulfur, Kulturvögte, um Mehrausgaben.

Eine Rolle spielte auch das tiefverwurzelte Missfrauen gegenüber jeder Kultur, die nicht sofort versteh- und konsumierbar ist.

Der Ausgang bedeutet auch nicht eine Absage an die Kulturförderung durch den Bund. Eine kleine, aber deutliche Mehrheit wollte sie sogar verstärken, und ein Grossteil der Neinstimmen muss als Zufriedenheit mit dem Ist-Zusfand interpretiert werden.

Pro Helvetia geht gestärkt und in ihrer Arbeit bestärkt aus dem notwendigen Prozess einer kulturellen Selbstbesinnung hervor. Trotz den (allzuvielen) Enttäuschten, deren Gesuche abgewiesen werden mussten, weil die Finanzen bei weitem nicht ausreichen, um alles Förderungswerte zu fördern und obwohl den Gegnern eines Kulturartikels jedes Argument recht war, wurde Pro Helvetia nie ernsthaft in Frage gestellt.

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Wenn es die Stiftung Pro Helvetia nicht schon gäbe, müsste man sie jetzt erfinden. Unser Staat braucht eine autonome Institution, die alle Regionen und Kulturkreise repräsentiert und ihre Entscheidungen allein aufgrund fachspezifischer Qualitätskriterien fällt, die Minderheiten stützt und einen neuen dynamischen Begriff von «Kulturaustausch» umsetzt.

Dies alles tut Pro Helvetia. Die Stiftung hat nach den unverhältnismässigen Kürzungen um 25% von 1992 bewiesen, dass sie selbst unter erschwertesten Umständen fähig ist, sich Gegebenheiten und Zwängen anzupassen und gleichzeitig in einer rollenden Planung neue Strategien, neue Formen der Förderung zu entwickeln.

Pro Heivetia stützt sich auf ein Gesetz: auf das Bundesgesetz betr. die Stiftung Pro Heivetia vom 17. Dezember 1965. Wir betrachten im folgenden die vier Zielsetzungen des Gesetzes im Lichte des oben Ausgeführten.

Die Erhaltung des Geisteserbes (Artikel 2a) Vergessen wir nicht: Pro Helvetia fördert Projekte, d.h. die kreative und aktuelle Auseinandersetzung mit der Tradition. Für Strukturen und Infrastruktur ist sie nicht zuständig, wenn auch hier die Grenzen nicht immer klar gezogen werden können und sollen.

Pro Helvetia wird auf dem Gebiet der Kulturwahrung immer häufiger und dringender gefordert. Die lokalen Ressourcen gehen zurück. Sie reichen nicht aus oder reichen gerade noch zur Erfüllung infrastruktureller Aufgaben und nicht für die Auseinandersetzung mit dem Material - die doch das Wichtigste ist.

In der'Beitragsperiode 1996 -1999 fallen kulturwahrende Aufgaben in seltener Häufung an: Die Jubiläen von 1998, eine anfällige Landesausstellung, die Notwendigkeit zur kulturellen Selbstdarstellung an grossen internationalen Anlässen wie Weltausstellungen, Europalia u.a. setzen eine seriöse kontinuierliche Kulturwahrung voraus. Man kann nichts ins Schaufenster stellen, was man nicht im Laden hat.

Der Artikel 2a verpflichtet Pro Heivetia insbesondere, der Volkskultur Rechnung zu tragen. Da diese Formulierung häufig zu missverständlichen, ja selbst zu missbräuchlichen Interpretationen und Forderungen Anlass gibt, sei ihr ein besonderer Abschnitt gewidmet.

Volkskultur - ein schillernder Begriff Unter Volkskultur verstehen wir sämtliche Aspekte der alltäglichen Lebensgestaltung in Vergangenheit und Gegenwart und ihren kreativen Ausdruck. Die Lebensgestaltung aller Schichten der Bevölkerung - und nicht allein jener verhältnismässig kleinen Schicht, die den Begriff für sich monopolisieren möchte.

Es wäre auch hier angebracht, statt von einer Volkskultur zu sprechen (was nur um den Preis der Mystifizierung möglich ist), den Begriff im Plural zu verwenden. Mit dem Attribut «schweizerisch» muss hier besonders verantwortungsbewusst umgegangen werden.

Wir neigen immer noch dazu, Volkskulturen allein geographisch ansiedeln zu wollen. Dies führt häufig auf Holzwege. Die gängige «Volksmusik» z.B. ist eher eine Angelegenheit städtischer Schichten und der Medien geworden, indes

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auf dem Lande vorzügliche Rockgruppen entstehen, die die Tradition der liveMusik weiterführen. Besser wäre es wohl, auch auf diesem Gebiet eher horizontal als vertikal zu denken - was der Betriff «Volksschichten» ja bereits suggeriert.

Auf diesem Gebiet sind klare Begriffsabgrenzungen hilfreich. Insbesondere ist «Volkskultur» abzuheben von «Laienkultur». Weder ist alle Hochkultur zugleich Berufskultur (einige der grossen Künstler des Jahrhunderts waren Laien), noch ist Volkskultur identisch mit Laienkultur. Es gibt zahlreiche professionelle Vertreter der Volkskultur, und immer häufiger arbeiten in allen Sparten Professionelle mit Laien zusammen.

Ausschlaggebend muss für Pro Helvetia immer das Kriterium der Qualität sein, über die die Fachleute im Stiftungsrat entscheiden. Hier sind keine Abstriche möglich, obwohl gerade auf diesem Gebiet zunehmend versucht wird, diese Anforderung mit Berufung auf den Volkskultur- Passus in Artikel 2a zu unterlaufen - eine Parallele übrigens zu der nicht festgeschriebenen, aber in unserem Land selbstverständlichen Verpflichtung, die Minderheiten besonders zu berücksichtigen. Deshalb; die Qualität geht immer vor. Erst wenn dieses Kriterium erfüllt ist, kann weiteren Parametern «Rechnung getragen» werden. Jede andere Haltung schadet auf die Länge gerade denen, die geschützt werden sollen.

Volkskultur wird im Bereich «Erwachsenenbildung» in hohem Masse gefördert, als -

Heimatkunde, die sich mit der Geschichte einer Gemeinschaft und den geographischen und naturkundlichen Aspekten befasst.

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Heimat- und Naturschutz, wo Massnahmen unterstützt werden, die das Bewusstsein der Schutzwürdigkeit von Kultur-und Naturgütern stärken.

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Mundartpflege, wo das Studium und die Beobachtung der verschiedenen Dialekte aller vier Landessprachen ebenso gefördert werden wie ihr schöpferischer Ausdruck.

In der Musik sind zwei sich ergänzende Entwicklungen zu beobachten: einerseits eine Rückbesinnung auf die Quellen und eine bewusste Pflege der historischen Dimension, andererseits eine Auflösung des herkömmlichen Spartendenkens. Musiker aller Sparten spielen zusammen und erfüllen so den Begriff «Volksmusik» mit neuem Sinn.

Am schwierigsten gestaltet sich die Verpflichtung der Pflege der Volkskultur in der Gruppe Theater und Tanz, wo die Gesuche von Volkstheatem, AmateurTanzgruppen und Festspielveranstaltern anschwellen. Diese Schwierigkeiten haben weniger mit einem elitären Kulturverständnis zu tun als mit dem Umstand, dass angesichts der Schere zwischen der Vielfalt der Aufgaben und einem Stiftungsbudget, das ziemlich genau die Hälfte des Budgets des Zürcher Opernhauses beträgt, der Grundsatz der Professionalität nicht preisgegeben werden kann. In eine totale Beliebigkeit wollen die Verantwortlichen nicht verfallen. Volkskultur kann allenfalls dort unterstützt werden, wo sie qualitativ den hohen Ansprüchen genügt und professionell ausgeführt wird, etwa im Fall innovativen Volkstheaters, in dem professionelle Leitungsteams mit Laien arbeiten.

37 Bundesblatt 147. Jahrgang. Bd. II

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Förderung des aktuellen Schaffens (Artikel 2b) Die Schweiz tut sich schwer mit ihren Künstlern - (noch) schwerer als andere Länder. Das verriet die Sevilla-Diskussion, das bestätigte der Ausgang der Abstimmung vom 12. Juni 1994. Der seismographische, der rebellische, aber auch der verspielte und versponnene Aspekt der Kunst wird nicht als integrierender Bestandteil anerkannt. Wo diese Aspekte fehlen, fällt Kunst in sich zusammen, verkommt sie zum Kitsch.

Was heisst das für Pro Helvetia? - Es heisst, dass die Stiftung ihre vermittelnden, verständnisweckenden Bemühungen verstärken muss. Es heisst aber auch, dass sie sich in ihrer Autonomie, die allein dem Bundesgesetz und den der Kultur immanenten Gesetzen verpflichtet ist, nicht beirren lassen darf.

In Parlamentsdebatten, In den Medien, in Spardiskussionen wird immer wieder behauptet, «da könne noch manches weggelassen werden». Wenn man nachfragt, sind immer die anderen gemeint, bricht Hass auf gegen das Sperrige, Irritierende.

Die widersprüchlichen Ansätze der Kritik beweisen, dass pro Helvetia Im ganzen richtig liegt. Die Stiftung hat das aktuelle Schaffen In seiner ganzen Breite, an Basis und Spitze zu fördern. Wenn man ihr etwas vorwerfen kann, ist es, dass sie zu wenig risikofreudig ist. Das ist verständlich: Seitdem nach den unverhältnismässigen Kürzungen die Mittel für das klar Förderungswürdige bei weitem nicht ausreichen, ist der Mut zur Förderung dessen gesunken, was neue Techniken, neue Sichtweisen, neue Philosophien voraussetzt. Eine Kultur, die ihr Innovationspotentiai vernachlässigt, wird museal und schliesslich unaktuell.

Hemmend wirkt auch die an sich unbestrittene Verpflichtung zur Subsidiarität.

Die Stiftung soll und will sich «auf die in den Kantonen sowie den Sprachgebieten und Kulturkreisen frei wirkenden Kräften (Artikel 2bJ stützen. - Was aber, wenn diese Kräfte dort zunehmend schwinden und nicht wirken? Pro Helvetia muss nolens volens von ihrer reaktiven Haltung zu einer aktiveren finden, damit nicht weite Landstriche kulturell veröden - dem Föderalismus und der kulturellen Vielfalt zuliebe, der sie sich ohne Einschränkung verpflichtet fühlt.

Kulturaustausch im Inland (Artikel 2c) «Die Förderung des Austausches kultureller Werte zwischen den Sprachgebieten und Kulturkreisen» wird immer dann besonders aktuell, wenn innenpolitische Zerreissproben anstehen. Nach dem 6. Dezember 1992 wurde die Stiftung von allen Seiten bestürmt, «etwas zu unternehmen». Der 12. Juni 1994 zeigte auf, dass es nicht nur den «Röschtigraben» gibt, dass vielmehr in unserer «broken landscape» (William Turner) ständig neue Gräben auftun.

Wir hinken der Entwicklung hinterher. Kultur ist keine Notieuchte, die man im Besenschrank sucht, wenn es Kurzschluss gegeben hat. Kultur ist als Heilmittel nur beschränkt tauglich, aber sie ist - wäre ! - das beste und zuverlässigste Mittel der Gesunderhaltung. Nur der Kultur und ihren kontinuierlichen Austauschbewegungen kann es gelingen, gegenseitiges Verständnis und somit Identität zu stiften und zu erhalten.

Pro Helvefia wendet für diese Aufgaben ein gutes Drittel ihrer Mittel auf - soweit, wie dargelegt, eine solche Aufteilung noch sinnvoll ist. In allen Bereichen

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werden Projekte, die dem interkulturellen Austausch, der gegenseitigen Wahrnehmung und Toleranz dienen, im Rahmen unserer Möglichkeiten priöritär behandelt. Es darf nicht verschwiegen werden, dass Gesuchsteller zunehmend versuchen, mangelnde Qualität mit dem Hinweis auf interkulturelle Bemühungen wettzumachen. Auch hier darf vom Prinzip der Qualität nicht abgewichen werden. Eigentlich sollte es ja eine Selbstverständlichkeit sein, dass man Minderwertiges nicht austauscht.

Zwei Gruppen müssen in diesem Kontext zusätzliche Aufgaben übernehmen.

Die Gruppe Literatur und Geisteswissenschaften müsste ihre Übersetzungsförderung ausbauen. Dieser Bereich ist nicht nur ein Stiefkind bei Pro Helvetia, sondern in der gesamten Schweiz. Das erstaunt um so mehr, als man meinen sollte, in einem viersprachigen Land sei das Bewusstsein für die Notwendigkeit des Übersetzens besonders gross. Dabei ist die Übersetzungsförderung in einer Zeit wachsender Multikulturalität und der daraus entstehenden Probleme eine kulturpolitische Aufgabe ersten Ranges. Pro Helvetia ist die einzige Stelle in der Schweiz, die systematisch Übersetzungsförderung betreibt. Weder Nationalfonds noch die Akademien befassen sich damit. Es besteht auch keine Aussicht, dass sich das ändert. Im Klartext heisst das: Vieles, vom wissenschaftlichen Werk bis zum Kinderbuch, erscheint nicht in den anderen Sprachregionen, geschweige denn im Ausland, weil die Verlage ausserstande sind, sämtliche Kosten allein zu decken. Wenn man bedenkt, was für ein wichtiges und effizientes Instrument des Kulturaustauschs die Übersetzung darstellt, muss man die Situation als prekär bezeichnen. Pro Helvefia muss hier in die Lücke springen und die nötigen Mittel erhalten. Es ist ein schwer erträglicher Gedanke, dass in unserem kleinen Land die hervorragenden geistigen Produktionen nicht selbstverständlich in allen Sprachen vorliegen und somit von allen wahrgenommen werden können.

Die Gruppe Kommunikation muss ihren Informationsauftrag im Inland ausbauen können. Weiterhin gilt es, regelmässig Pressetexte herzustellen und zu verbreiten. Verstärkt ist die Tatsache zu nutzen, dass mit der Einrichtung der Antenne romande in Genf und mit der Besetzung der Tessiner Antenne in Zürich die Information in allen Landesteilen regelmässig und gleich intensiv erfolgen kann.

Der umfangreiche
Tätigkeitsbericht stellt auch in Zukunft jene Transparenz in den Aktivitäten der Stiftung her, die von den Parlamentariern, von Behördenmitgliedern, Medien sowie Künstlern geschätzt wird. Wer ihn zur Hand nimmt, v/ird weiterhin erfahren können, welche Künstlerinnen und Künstler in der Schweiz mit welchen Projekten hervortreten. Die Medienanlässe der Stiftung sind zu verstärken: Zusätzlich zu den bisherigen Ereignissen wie Jahresmedienkonferenz, Medieninformation an den Solothumer Rlmtagen, Tag der offenen Tür in Carouge und Empfang am Filmfestival in Locamo sind im Inland neue regelmässige Medienkontakte zu etablieren, in denen jeweils die Aktivität einer Arbeitssparte im Mittelpunkt stehen soll.

Ein wertvolles Mittel des Dialogs stellen die eigenen Publikationen dar, die häufig im Ausland sehr erfolgreich sind, innerhalb des Landes jedoch noch zu wenig beachtet werden. Pro Helvetia verfügt heute über eine beeindruckende und fast lückenlose Dokumentation der Kultur in der Schweiz. Die Mittel

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genügen knapp für die Herstellung; für die Verbreitung und Auswertung müssen zusätzliche Finanzen zur Verfügung gestellt werden, Ausland - «Werbung um Verständnis» [Artikel 2d} Die Auslandarbeit bindet ungefähr zwei Drittel des Potentials der Stiftung. Die Erwartungen, die an Pro Helvetia gestellt werden, sind diffus und zum Teil widersprechend: - «Agentur»: Viele Künstler verstehen Pro Helvetia als kostenfreie Staatsagentur, die ihre Auslandkontakte aufbaut und gleich noch finanziert.

- Promotion: Häufig wird erwartet. Pro Helvetia sei dafür da, die Schweizer Künstler und Gruppen im Ausland bekannt, ja berühmt zu machen.

- Propaganda: Darüber hinaus fordert man immer häufiger. Pro Helvetia solle sich der aggressiven Methoden der Werbung bedienen, um möglichst viel Kultur aus der Schweiz zu exportieren.

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Dokumentation und Übersetzung: Pro Helvetia wird auch als Dokumentaiions- und Übersetzungszentrum betrachtet (eine Aufgabe, die in Deutschland nicht das vergleichbare Goethe-Institut erfüllt, sondern die grosse Institution «InterNationes»).

Mittel der Aussenpolitik: Es dauerte lange, bis auch in der Schweiz erkannt wurde, welch zentrale Bedeutung die Kultur für die Aussenpolitik hat. Nun sind die Erwartungen umso grösser.

Lokomotive für die Eroberung neuer Märkte. Schaffen eines günstigen Klimas.

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Image-Werbung Prestigegewinn für das Land, das in der Beliebheitsskala der Nationen abrutscht.

- Tourismus Werbung Die Liste ist nicht vollständig. Die autonome Kulturstiftung Pro Helvetia hat in den Jahren der laufenden Finanzierungsperiode die Türen weit aufgemacht.

Das Prinzip heisst: Offene Zusammenarbeit bei Bewahrung der Autonomie.

Mit dem EDA wurde im Januar 1992 von der Präsidentin und dem damaligen Vorsteher des Departements ein Grundlagen papier unterzeichnet, das die Grundsätze einer kontinuierlichen und systematischen Zusammenarbeit entwickelt, die ausgezeichnete Früchte trägt.

In der Koordinationskommission (COCO) spielt Pro Helvetia eine aktive Rolle, häufig als Anregerin und Vordenkerin, häufig als «Stachel im Fleisch», der allzu stromlinienförmige oder ausgeleierte Projekte verhindert.

Mit den kulturfördernden Institutionen anderer Länder bestehen intensive und kontinuierliche Beziehungen. Das «Réseau» ist weitgehend geknüpft und sichert rasche und zuverlässige Kontakte. Das Goethe-Institut hat eine Umfrage unter allen seinen Niederlassungen im Ausland veranstaltet, um zu ermitteln, welche Institutionen besonders gut oder schlecht zur Zusammenarbeit geeignet seien. Pro Helvetia lag auf der positiven Seite deutlich an der Spitzel

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Grundlage aller Entscheidungen ist auch hier die Qualität, ergänzt durch Parameter wie gute Partner, geeignete Veranstaltungsorte (ein zu prominenter oder zu bescheidener Ort kann ein Projekt vollkommen scheitern lassen), inhaltliche Eignung für einen Kulturkreis, Erwartungen und Wünsche der Partnerländer und vieles mehr.

Zwei Stränge unserer Auslandarbeit sind zu beachten: - «Repräsentation» im weitesten Sinn. Hier sind höchste Qualitätsansprüche gefordert. Wer die Schweiz in der Welt vertreten will, muss auch Weltni-.

veau aufweisen.

- Die «Welt» als unerlässlicher Nährboden für jeden Künstler. Jeder Künstler unseres kleinen Landes muss die Gelegenheit finden,, seine Biographie, seinen Horizont zu erweitern, andere Kulturkreise, andere Techniken kennen zu lernen - und sich rechtzeitig auf anderen Kunstmärkten zu etablieren.

Diese beiden Aufgaben müssen gleichzeitig, aber nach getrennten Kriterien, gelöst werden.

Ziel der Informationsarbeit von Pro Helvetia, die die Bereiche Film und Dokumentation einschliesst, ist die Vermittlung von Wissen über das Kulturschaffen in der Schweiz sowie über kulturelle Aspekte des. Lebens in der Schweiz. Die auslandsgerichtete Informationsarbeit von Pro Helvetia erfolgt an zahlreichen Veranstaltungen, welche die Stiftung entweder selber organisiert oder unterstützt. Zusätzlich betreibt Pro Helvetia über die Massenmedien an den Veranstaltungsorten begleitende Öffentlichkeitsarbeit. Dies erfolgt meistens im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der jeweiligen Fachabteilung der Stiftung und dem lokalen Organisator. Dieser Tätigkeitsbereich sollte intensiviert werden.

In Anbetracht der geopolitischen Umwälzungen, der veränderten soziópolitischen Rahmenbedingungen und der heutigen Situation in Europa ergeben sich neue Schwerpunkte. Neben der Berücksichtigung der EU-Staaten legt die Stiftung ein besonderes. Augenmerk auf eine verstärkte Zusammenarbeit mit den osteuropäischen Ländern, in denen ein enormes Nachholbedürfnis und eine gestiegene Nachfrage nach Austausch und Kooperation besteht. Zudem sollen die kulturellen Beziehungen mit den Ländern der sogenannten Dritten Welt kontinuierlich ausgebaut werden. Qualitativ hervorragende, eigenständige Projekte professioneller Künstlerinnen und Künstler aus Asien, Afrika und Lateinamerika, die dem Publikum in der Schweiz
eine vertiefte Auseinandersetzung mit den «Fremdkulturen» ermöglichen, sind gezielt zu fördern.

Die zuständigen schweizerischen Stellen haben auf die Veränderungen in Mittel- und Osteuropa durch die Schaffung des Sonderkredites für Osteuropa reagiert. In diesen Rahmen gehört der Auftrag an Pro Helvetia, der sich in der Gründung der fünf Antennen in Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Polen und in zahllosen unterstützten Projekten niederschlug. In den nächsten Jahren gilt es, die aufgebaute Infrastruktur voli einzusetzen. Pro Helvetia geht davon aus, dass der Sonderkredit für Osteuropa auch im Hinblick auf die Kultur verlängert wird. Nur in diesem Fall können die Aufgaben im bisherigen Rahmen weitergeführt werden.

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«Ausland» kann für Pro Helvetia wie für die schweizerische Kulturpolitik und präsenz insgesamt nicht allein Europa bedeuten. Die weltweite Vernetzung des kulturellen Schaffens lässt sich u.a. an der stark gestiegenen Zahl von Gesuchen für Aktivitäten ausserhalb Europas ablesen. So wie sich die Schweiz in Wirfschaft und Politik nicht allein auf Europa ausrichtet, kann die Kulturarbeit im Ausland nicht auf Europa beschränkt bleiben. Neben den Beziehungen zu grossen Industriestaaten wie USA, Kanada und Japan sind Kontakte zur sogenannten «Dritten Welt» von grösster Bedeutung - nicht nur für diese Länder selbst sondern ebenso sehr für die Schweiz.

Die Schweiz muss sich auf kulturpolitischem Gebiet mit Weitblick ihren Platz auf internationaler Ebene sichern. Zum einen gilt es, den Platz in Europa abzustecken und einzunehmen - vor allem in den historisch gewachsenen kulturellen Räume der verschiedenen schweizerischen Sprachgruppen. B wäre jedoch kurzsichtig, nicht über das Dreieck ßerlin-Rom-Paris hinauszusehen, wenn auch die Sensibilitäten der schweizerischen Sprachminoritäten nicht übergangen werden können, die z.B. Paris - aus künstlerischen, kultureilen wie wirtschaftlichen Interessen - immer noch als «City on thè hìll» betrachten.

Es ist abzusehen, dass im nächsten Jahrhundert die über Europa hinausreichenden Beziehungen an Bedeutung und Gewicht gewinnen werden: Dazu gehören neben Nordamerika, dem Fernen Osten auch die verschiedenen Kontinente des grossen Weltteiles, der Jetzt im 20. Jahrhundert noch als der «dritte» bezeichnet wird. Die sehr verschiedenartigen anglophonen Kulturräume und Englisch als Lingua franca werden ihre Bedeutung noch vergrössern. Auf dem afrikanischen Kontinent wird das Dreieck Nigeria-SüdafrikaKenya/Uganda stärker zum Tragen kommen. Eine Intensivierung des Kulturaustausches mit den frankophonen Ländern Westafrikas drängt sich schon der gemeinsamen Sprache wegen auf.

Kulturaustausch Die Ziffern c und d des Artikels 2 des Bundesgesefzes betreffen den Kulturaustausch. Dazu einige grundsätzliche Bemerkungen: Lange Zeit wurde Kulturaustausch in allen Industrienationen primär verstanden als bilaterales oder multilaterales Vorzeigen von Spitzenleistungen und Produkten. Das Hauptziel war, leicht verkürzt gesagt, sich den anderen gegenüber (noch) besser darzustellen, als man war.

Diesem Aspekt ist weiterhin Beachtung zu schenken. Sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen, ist in unseren Verdrängungsgesellschaften oft eine existentielle und politische Notwendigkeit. Auf die eigenen Leistungen stolz zu sein, ist ein wertvolles und legitimes Bedürfnis.

Doch die Schwerpunkte haben sich verschoben. Was das Kulturschaffen in der Schweiz heute zu seiner Stärkung und Entfaltung braucht, ist weniger Selbstdarstellung denn Austausch und Auseinandersetzung mit anderen, teils vernetzten und doch noch fremden kulturellen Räumen. Dieses Fremde ist längst in unseren Lebenshorizont eingebrochen, es ist präsent und doch unvertraut. Damit es, statt Angst zu produzieren, befruchtend wirken kann, braucht es eine Auseinandersetzung mit ihm. Dem künstlerischen Schaffen kommt bei dieser Aufgabe eine zentrale Bedeutung zu. Es droht zu verküm-

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mern und seiner nährenden Quellen verlustig zu gehen, wenn die Auseinandersetzung mit dem Fremd kulturellen vernachlässigt wird.

Dazu kommt ein kulturpolitischer und kulturwirtschaftlicher Aspekt: Die Bereiche Inland-Ausland stehen in jeder Hinsicht in einer osmotischen Wechselwirkung. Es ist nicht zu übersehen, dass die Schweiz gerade im Bereich der Kultur eine Insel in einem sie ganz umgebenden europäischen Markt ist. Die Kulturschaffenden haben nicht die Möglichkeit, über die Gründung von Auslandsfilialen den Anschlusszu sichern. Die Aufmerksamkeit des europäischen Auslands für die Schweizer Kulturszene sinkt. Da sind Anstrengungen nötig, auch in materieller Hinsicht. Zum insgesamt nicht zu unterschätzenden Aspekt der Repräsentation, die sich naturgemäss an die gesicherten Werte und grossen Namen hält, kommt der andere: im Ausland auf Jene kulturelle Schweiz aufmerksam zu machen, die erst im Entstehen ist.

Inlandarbeit - Auslandarbeit Von Parlament und Stiftungsaufsicht ist Pro Helvetia gehalten, in ihrer Arbeitsplanung und Budgetierung zwischen Inland- und Auslandarbeit deutlich zu unterscheiden, wie es ja auch die getrennten Aufgabenstellungen von Artikel 2 des Bundesgesetzes vorgeben.

Als Hypothese kann bis auf weiteres mit dieser Strukturierung gearbeitet werden, doch deckt sie sich immer weniger mit der kulturpolitischen Realität. Dabei geht es nicht etwa um einen Abbau der schweizerischen Identität - im Gegenteil: Die Bemühungen für diese sind, wie der nächste Abschnitt aufzeigen soll, noch zu verstärken. Es geht vielmehr um die oben dargestellte osmotische Wechselwirkung, die durch die Verpflichtung zu säuberlich getrennter Planung und Buchung eher gehemmt als gefördert wird.

Innerhalb dieser sich abzeichnenden Tendenzen ist es wichtig, dass die schweizerische Kulturpolitik und -aktivität und darin die Stiftung Pro Helvetia sich nicht zu sehr in kleinräumigem Denken und engen Räumen verlieren, wie es von der schweizerischen Natur aus nahe liegt. Die mindestens so alte schweizerische Tradition der Offenheit gegenüber aussen, der Dynamik, Zugänglichkeit und Stärke, die sie aus ihrer plurikulturellen Beschaffenheit gewinnen kann, wird wieder vermehrt hochzuhalten und zu stärken sein. Von da her drängt sich eine gewisse Umorientierung der schweizerischen Kulturpolitik im Ausland auf: Nicht mehr nur da investieren und weiterbauen, wo der Horizont bislang bereits hinreichte und wo man schon präsent ist - die Führung eines Schweizer Kulturzentrums in Paris oder Milano ist in dieser Perspektive gleichsam schweizerische (Kultur-) Innenpolitik -, sich nicht nur an bereits ausgetretene, dafür bekannte und angstfrei begehbare Pfade halten (denen entlang sicher auch verschiedenen wirtschaftlichen Interessen Genüge getan werden kann), sondern neue Pfade gehen, neue Horizonte erschliessen, wie es auf wirtschaftlichem Gebiet bereits seit längerem praktiziert wird. Die Kultur darf diesen Entwicklungen nicht länger hinterher hinken.

In einigen Gebieten ist die Aufteilung Inland - Ausland bereits so überholt, dass sie nur künstlich aufrechterhalten werden kann: in den Regionen (RhoneAlpes, Jura, Regio basiliensis, Bodensee, Tessin, Lombardei). Hier verwirklicht sich die «Idee Europa» auf eine direkte und pragmatische Weise. Die unverhältnismässigen Kürzungen hatten auch hier eine gewisse Zurückhaltung

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zur Folge. Was nicht klar eingeordnet werden dann, kommt zuerst unter die Sparwalze. Pro Helvetia muss die Mittel bekommen, um hier vermehrt eine zurückhaltende, aber effiziente Subsidiarifät entwickeln zu können.

Erwachsenenbildung - eine zusätzliche Aufgabe Weil in diesem Bereich die notwendigen verfassungsmässigen und gesetzlichen Grundlagen fehlen, hat Pro Helvetia auch den expliziten Auftrag zur Förderung der Erwachsenenbildung erhalten. Zielsetzung ist neben der Wissensvermittlung die Förderung und Entwicklung von sozialen Kompetenzen, von persönlichen Fähigkeiten für den Lebensallfag, für den Umgang mit den Mitmenschen, für die Familie, für die berufliche Welt, für die Freizeit: Erwachsenenbildung als lebenslanger Prozess der Auseinandersetzung mit Gesellschaft und Natur.

Projekte der sogenannten soziokulturellen Animation, welche im Rahmen der Erwachsenenbildung ebenfalls unterstützt werden, fördern das Engagement und die Autonomie von Gruppen und Einzelnen, stärken ihre kulturelle Identität und ermöglichen persönliche und kollektive Weiterentwicklung - d.h. aktive Teilnahme jedes einzelnen am Leben unseres Landes.

Die Erwachsenenbildung als Quartärbereich unseres Bildungssystems fristet neben der Volksschule sowie der beruflichen und universitären Ausbildung nach wie vor ein bescheidenes Dasein. Dabei ist die Beteiligung der schweizerischen Bevölkerung an Erwachsenenbildungsanlässen im europäischen Vergleich hoch. Im OECD-Bericht und im BICHMO-Bericht («Bildung in der Schweiz von morgen», Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren) wird die Idee der Education permanente hervorgehoben. Eine zu rigorose Trennung zwischen beruflicher, wissenschaftlicher, kultureller und allgemeiner Erwachsenenbildung wird zunehmend als künstlich empfunden.

Ein neuer Bildungsartikel für die Bundesverfassung scheint zur Zeit ausserhalb des politisch Machbaren zu liegen. So wird denn auf gesamtschweizerischer Ebene eine Verbesserung der Förderungsstrukturen diskutiert: eine Diskussion, die Pro Helvetia ausgelöst hat und an der sie aktiv teilnimmt.

Aus den unterschiedlichsten Bereichen stammend, spiegeln die Projekteingaben die aktuelle gesellschaftliche Situation mit ihren komplexen Problemen wieder und verlangen von den Stifiungsratsmitgliedern und den Sekretariafsmitarbeiterinneh eine individuelle und zeitaufwendige inhaltliche Auseinandersetzung sowie eine laufende Standortüberprüfung.

Solange keine gültigen Alternativen vorliegen, muss und will Pro Helvetia diesen Bereich, der im Gegensatz zu den übrigen
Tätigkeiten einen erweiterten Kulturbegriff voraussetzt, weiterführen. Erwachsenenbildung ist gerade in schwierigen Zeiten eine Schlüsselaufgabe jeder Gemeinschaft. Innerhalb der Stiftung darf die Integrierung als gelungen bezeichnet werden. Sie erweitert den Fächer und das Trajectoire der Stiftungsarbeit auf wertvolle Weise.

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Genügen die Mittel der Stiftung?

Kultur ist eine unendliche Geschichte. Stänkerer sagen: Sie ist ein Fass ohne Boden. Idealisten formulieren es anders: Da sie ans Göttliche greift, können der Anstrengungen um sie nie genug sein.

Dazwischen stehen die Politiker, die die Kunst des Möglichen üben. Was ist möglich? Was ist, um die innovationshemmende Formel'zu gebrauchen, notwendig und was bloss wünschbar?

Pro Helvetia tappt hier nicht im Dunkeln. Es gibt ein Gesetz, das die Aufgaben recht genau umreisst. Und es gibt die Gesuche, die die Bedürfnisse und das vorhandene förderungswürdige Potential aufzeigen.

Obschon in den letzten Jahren systematisch versucht wurde, der Öffentlichkeit auch die Grenzen der Kompetenz und der Mittel aufzuzeigen, obschon die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sekretariats sich bemühen, aussichtslose Projekte gar nicht erst auf den Gesuchsweg gelangen zu lassen {die durch eine Rekurskommission abgesicherte Verpflichtung zur formalen correctness setzt hier enge Grenzen), obschon viele Gesuchsteller in Kenntnis der Kürzungen ihre Gesuche selber schon beschneiden oder zurückhalten, steigt die Zahl der Gesuche unablässig an (siehe Anhang). Nicht nur die Zahl steigt an, auch die verlangten Summen steigen, und vor allem steigt die Qualität der Projekte, d.h. es liegt immer mehr FörderungswOrdiges vor. Die Kluft zwischen dem, was die Fachgruppen an Förderungswürdigem erreicht, und den verfügbaren Mitteln, nimmt so dramatische Ausmasse an, dass die Verantwortlichen von Stiftungsrat und Sekretariat ihre Aufgabe nur noch unter Strapazierung ihres künstlerischen und kulturpolitischen Gewissens wahrnehmen können. In einzelnen Bereichen ist die Grenze bereits überschritten.

Genügen die human resources der Stiftung?

Die wohl häufigste Frage, die Journalisten und Politiker an Kulturförderer stellen, lautet: «Wie ist das Verhältnis zwischen direkter Förderung und administrativem Aufwand?». Misstraujsche setzen Administration sogar mit Bürokratie gleich.

Manche kulturfördernden Institutionen teilen die administrativen Kosten ganz oder teilweise den Projektkosten zu und lassen so den Stein des Anstosses elegant verschwinden, bevor jemand darüber stolpert.

Pro Helvetia möchte zu solchen Verfahren nicht Hand bieten. Die Stiftung will die Mechanismen der Kulturförderung transparent aufzeigen. Der «menschliche» Anteil ist mindestens so wichtig wie der finanzielle Aufwand.

Das Bemühen unv«günstige» Verhältniszahten verführt häufig zu unbedachtem, unkontrolliertem Einsatz finanzieller Mittel. Ein kompetent eingesetzter, seriös evaluierter und kontrollierter Einsatz einer kleineren Summe wirkt oft nachhaltiger als eine kopflos zugesprochenen grosse. Dies gilt verstärkt für die Ar- .

beif im Osten und in der driften Weit - nicht bloss auf dem Gebiet der Kultur.

Die Stiftung ist bestrebt, den administrativen Aufwand durch Informatisierung, Rationalisierung und Effizienzsteigerung zu verringern. Diese Bemühungen werden durch die dargelegte Steigerung der Gesuchszahlen und die Erweiterung der Aufgaben mehr als wettgemacht. Dazu kommt eine von der Stiftung

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nicht beeinflussbare ßürokratisierung in den internationalen Abläufen (Transporte, Versicherungen, Zölle etc.), die administrative Mehrarbeit bedingt. Föderalismus und Subsidiarität vergrössern auch im Innern den administrativen Aufwand. Demokratie hat ihren Preis gegenüber zentralistischen Systemen.

Erschwerend wirkt der bereits erwähnte Zwang zur «Rekursfähigkeit)) der Entscheidungen. Viele Gesuche erweisen sich aufgrund der vorhandenen Mittel, der bekannten Kriterien und Präzedenzfälle sogleich als aussichtslos. Wenn sie aber dem Buchstaben des Gesetzes entsprechen, können Gesuchsteller darauf beharren, dass ihr Gesuch auf den Instanzenweg geschickt wird - mit allem Arbeitsaufwand, den dies bedingt. Wird diese Mehrarbeit durch ein verkürztes Verfahren zu vermeiden versucht, wird das Gesuch im Fall eines Rekurses zur neuerlichen Prüfung überwiesen - was noch mehr Arbeit verursacht.

Bis vor einiger Zeit konnte Pro Helvetia die Zahl der Rekurse tief halten. Nun führen die Sparmassnahmen auf allen Ebenen der Kulturförderung dazu, dass immer mehr Gesuchsteller sich an den Strohhalm des Rekurses klammern. Das Verhältnis zur Rekurskommission ist gut. Bei einer kulturell ahnungslosen Kommission wäre unserer Gesuchsbehandlung mit dem vorhandenen Personal längst zusammengebrochen..Die Schweiz ist unseres Wissens das einzige Land, das kulturelle Entscheidungen einem Rekurs unterstellt. Die Fachleute sind sich einig darüber, äass Kunst und Rekurs sich per definitionem ausschliessen.

Es muss klar gesagt werden, dass eine Verhärtung der Situation nicht mehr aufgefangen werden kann. Das gilt für alle genannten Bereiche. Es betrifft eine verantwortbare Gesuchsbehandlung, erst recht aber die Evaluation der geförderten Projekte, die ja die Grundlage aller weiteren sachgerechten Entscheidungen sein müsste. Gerade wenn Pro Helvetia nicht Bedingungen diktieren, sondern auf Notwendigkeiten reagieren will, muss sie informieren, vor allem aber sich selbst informieren. Das lässt der gegenwärtige Arbeitsanfall nicht mehr in erforderlichem Ausmass zu. Wie gesagt, sind die Grenzen des Zumutbaren und Verantwortbaren mancherorts bereits überschritten: die Grenzen der personellen Belastbarkeit im professionellen Sekretariat, im Hinblick auf die Arbeitsgruppe des Stiftungsrats, die Grenzen des Milizsystems überhaupt. Damit ist das sinnvolle Grundprinzip des Modells «Pro Helvetia» in dem Augenblick gefährdet, wo andere sich anschicken, es zu kopieren.

Wieviel Wünschbares ist wönschbar?

Mit diesen Ausführungen ist dargelegt worden, welches die Aufgaben sind, die sich zwingend aus dem «Bundesgesefz betr. die Stiftung Pro Helvetia» vom 17. Dezember 1965 und aus den direkten Bedürfnissen und Anforderungen der Kultur ergeben. In einem zweiten Teil werden die einzelnen Stiftungsratsgruppen und die identischen Sekretariatsarbteilungen fokussiert, die die entsprechenden Fachgebiete bearbeiten. In einem dritten Teil scheint der sich daraus ergebende finanzielle und personelle Aufwand zahlenmässig auf. Dabei stellt sich heraus, dass auch bei der vorgenommenen Reduktion auf das Unabdingbare die Mittel weder finanziell noch personell ausreichen. Soli also auf das Wünschbare gänzlich verzichtet werden?

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Kultur ist autonom, d.h. sie gehorcht ihren eigenen Gesetzen. Weicht sie davon ab, unterwirft sie sich fremden Zwecken, wird sie zu Kitsch, begnügt sich mit der sinnentleerten Reproduktion des Immergleichen: more of thè some.

. Dafür ist jeder Bundesfranken hinausgeworfenes Geld.

Bei aller Autonomie erweist sich die Kunst als nützlich und hilfreich für praktisch alle Probleme, die heute gelöst werden müssen: -

Identität Sinnstiftung Heimat, Solidarität, Toleranz Kommunikation

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Bild der Schweiz, Image-Werbung Aussenpolitik Innovationsförderung

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Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen Umwegrentabilität Gesunderhaltung und Prophylaxe (Drogen, Kriminalität, Selbstmorde = eine Dunkelziffer in Milliardenhöhe) Schon diese nicht abschliessende Aufzählung beweist dass mit jedem eingesparten Kulturfranken Löcher aufgerissen werden, die ein Vielfaches an Mehrkosten zur Folge haben.

Könnte man daraus schliessen, dass eine Gemeinschaft dann Kultur besitzt, wenn sie die Notwendigkeit des Wünschbaren erkennt?

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Teil l!

Vorbemerkung zu Teil II Der nachstehende zweite Teil will den in Teil l gebotenen Überblick punktueil konkretisieren, schlaglichtartig illustrieren - er kann jedoch keinesfalls umfassend die gegenwärtigen oder künftigen Aktivitäten von Pro Helvetia beschreiben. (Ohnehin reagiert die Stiftung ja weitgehend auf äussere Phänomene bzw. Anliegen, die von Driften an sie herangetragen werden.) Hier ist der Textaufbau der Struktur der Stiftung angeglichen, d.h. die Aufgaben werden sachgebietsweise dargelegt, somit nach den diversen Fachgruppen des Stiftungsrats geordnet Am Schluss jedes Kapitels oder Abschnitts wird angegeben, welche Mittel zur adäquaten Erfüllung dieser Aufgaben nötig sind. Wenn diese Angaben teilweise massiv vom Bisherigen abweichen, so ist dies nur Ausdruck der Tatsache, dass verschiedene, auch gesetzlich vorgegebene Aufgaben momentan eben gerade nicht adäquat wahrgenommen werden können; in keiner Weise handelt es sich um taktisch begründete Phantasiezahlen. (Vgl. hierzu auch die Vorbemerkung zu Teil III dieser Eingabe.)

Gruppe l - Visuelle Künste Von Synergien ist viel die Rede; der Begriff setzt sich aus zwei griechischen Wörtern zusammen, wovon «syn» ((zusammen» bedeutet. Das andere heisst «Energie». Energien können dann zusammen mit anderen Bestrebungen und mit Partnern im In- und Ausland fruchtbar gemacht werden, wenn die Eigenleistung gut und fundiert ist. Europäische Kunstpolitik, will man von einer solchen sprechen, kann nur unter starken Partnern funktionieren. Die Schweiz hat im Bereich der visuellen Künste viel zu bieten, und sie ist vorbereitet, vieles zu empfangen. Gemeinsame Projekte mit ausländischen Partnern, die vermehrt anzustreben sind, führen dann zum Erfolg, wenn sie auf einer starken Eigenleistung aufbauen können - sowohl auf dem Gebiet der Kunst wie der Kunstvermittlung.

Ohne Kunst lebt der Mensch nur ein halbes Leben Ohne Kunst, ohne Kultur kann der Mensch genausowenig leben wie ohne die vier Ur-Elemente. Schon die Wahrnehmung der Elemente ist ein Akt der sinnlichen, in hohem Masse auch der visuellen Erfahrung; sie kann geistig aber nur auf der Basis der Bilder nachvollzogen werden, welche die bildenden Künstler heute wie seit Jahrtausenden geprägt haben. Wir haben in den Bildern von Malern, Bildhauern, Videokünstlem Wasser und Licht neu sehen gelernt, wie in Werken anderer die sensible Reaktion der Natur auf jegliche Veränderung der Umwelt Kunst hilft mit, die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen zu transportieren, dass nämlich die Luft, das Wasser, die Erde reinzuhalten sind. Kunst erleichtert das Zusammenleben der Menschen; der Staat spart mit der Unterstützung der Kultur auch Mittel im Gesundheitswesen.

Vermittlung alter und neuer Kunst Im In- und Ausland Die Gruppe l sieht es als ihre hauptsächliche Aufgabe an, junge und junggebliebene Kunst im Inland zu fördern - im beschränkten Bereich des Austau-

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sches über die Sprachgrenzen hinweg - und im Ausland ausstrahlen zu lassen.

Immer wieder gelingt es, bisher unbekannte Talente durch Ausstellungen im · Ausland auch in der Schweiz vorzustellen. Nach wie vor gilt der Grundsatz, dass der Prophet im eigenen Land nichts gilt. Die Chance des friedlichen Zusammenlebens vieler Kulturen auf engem Raum gilt es vermehrt in entsprechenden Projekten im Ausland zu nutzen. Die Vierjahresperiode 1996/99 schliesst auch das Jahr Ì 998 mit ein. Die Gruppe setzt sich zum Ziel, dieses für die Schweiz in Europa wichtige Datum mit gewichtigen Ausstellungen im Ausland zu markieren.

Immer wieder gilt es, die Kunstler aus der ersten Hälfte des 20. und früherer Jahrhunderte einer sich im Publikum wandelnden Sehweise auszusetzen; und noch sind in der Schweiz so berühmte Maler wie Ferdinand Hodler an den meisten Orten des Auslands unbekannt geblieben. Unzweifelhaft trägt das Wissen darum, dass international hochrenommierte Künstler aus der Schweiz stammen, viel zum Renommée und zum besseren Verständnis unseres Landes bei.

Mittel sind im kulturellen Bereich nie in genügendem Umfang vorhanden. Es gilt stets, das Optimale anzustreben. Die Teuerung hat Kostensteigerungen im Transport- und Druckwesen gebracht. Die hohen Versicherungsprämien Hessen sich durch die in Diskussion stehende Staatsgarantie erheblich senken. Je aufwendiger und teurer die Sicherheitsvorkehrungen bei der Verpackung von Kunstwerken und auf dem Transport sind, umso weniger ausstellungsbedingte Schäden sind zu registrieren.

Zukunftsvisionen werden Wirklichkeit: Die neuen elektronischen Medien Immer mehr Projekte bauen auf den zukunftsorientierten neuen elektronischen Medien auf. Es wird bald möglich sein, die unerlässlichen Dokumentationsaussteliungen über allgemeine geisteswissenschaftliche Themen ohne grosse Materialverschiebungen realisieren zu können; die neue Ausstellungsform sieht die Produktion einer Multimedia-Compact-DIsc {CD-ROM} vor, welche ohne hohe Kosten weltweit eingesetzt und aus der jederzeit die notwendigen Ausstellungsmaterialien regeneriert werden können. Dazu kommt der Gewinn der interaktiven Einwirkung durch den Besucher. Im Hinblick darauf, dass es aus konservatorischen Gründen immer schwieriger wird, ein Ausstellungsthemq mit den richtigen Kunstwerken zu illustrieren, kommt der
CD-ROM und ihren variantenreichen Anwendungsmöglichkeiten ein hoher Stellenwert zu. Synergien werden zwar bereits genutzt In der engen Zusammenarbeit mit' der Datenbank schweizerischer Kulturgüter und mit' der Mediarama AG. Diese Bestrebungen werden auch von der den Bundesrat beratenden Koordinationskommission für die Präsenz der Schweiz im Ausland verfolgt; Pro Helvetia gehört zu den Gründungsmitgliedern der Kommission.

Pro Helvetia zählt zu den Financiers der ersten auf dem Weltmarkt erhältlichen Bild-CD-l über das Oeuvre eines international anerkannten Schweizer Architekten: Mario Botta. Für die Gedenkjahre 1996 und 1999 an den Vater der Comic strips, Rodolphe Toepffer, bereitet die Stiftung die Erstausgabe einer CD-ROM vor.

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Von da aus gesehen, ist es nur folgerichtig, dass die Stiftung sich vermehrt im Bereich der Film- und Video-Dokumentation des künstlerischen Schaffens in der Schweiz engagiert; dieser Bereich ergänzt den traditionellen Sektor der Kunstpublikationen. Viele Vertage haben diese Zeichen derzeit bereits erkannt und reagieren mit Hilfe der Stiftung entsprechend. Photographie, Film und Video sind die Grundlagen für das digitalisiert gespeicherte Bild auf der CD-ROM. Diese Bemühungen gilt es zu verstärken, um das Fernsehen zu animieren, die bereitgestellten Materialien für ein breites Publikum auszustrahlen; es ist dies auch ein Anliegen jeder kulturell ausgerichteten Erwachsenenbildung, welche die Sensibilisierung in geistiger Auseinandersetzung und in Aesthetik zu ihrem Anliegen macht.

Gruppe II - Musik Ziele oder: Die Musik veriässt die Konservatorien Die Gruppe Musik von Pro Helvefia befasst sich ausnahmslos mit allen musikalischen Genres. Denn Musik beschränkt sich keineswegs mehr auf das, was in den Konservatorien unterrichtet wird. Vielmehr tritt sie als ein gesellschaftliches Phänomen hervor: Blasmusik, Volksmusik, Rock sowie klassische oder Jazzformationen zeugen von der Vielfalt einer wandlungsfähigen Kunst, die mittels Medien weite Verbreitung findet, und sie widerspiegeln die vielfachen kulturellen Einflüsse, die auf sie einwirken.

Projekte der diversen musikalischen Bereiche unter Berücksichtigung der Kriterien Qualität und Innovation zu fördern, das ist heute das wichtigste Ziel der Gruppe Musik. Ob nun Kulturaustausch in der Schweiz und mit dem Ausland im Blick steht oder die Förderung des kreativen Schaffens, die Gruppe Musik des Stiftungsrats und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sekretariats üben gleichzeitig die Funktion von künstlerischen Beratern, Verwaltern und Koordinatoren aus.

Aufgaben und Dienstleistungen oder: Die Schweiz In ihrer Musik erstrahlen lassen Sowohl in der Volksmusik als auch im gewöhnlich als Kunstmusik bezeichneten Bereich bevorzugt Pro Helvetia jene Projekte, welche über die lokale Ebene hinaus ausstrahlen. Das gilt natürlich für den Austausch zwischen den Regionen, aber ebenso für die Förderung des kreativen Schaffens. Und da die kulturelle Präsenz der Schweiz im Ausland für kantonale und kommunale Instanzen keine Priorität hat, geniesst die Unterstützung von Tourneen und Verteilung von CDs im Ausland besondere Beachtung. Bis heute ist Pro Helvetia die einzige öffentlich-rechtliche Institution, welche ausländische Projekte von Schweizer Künstlern systematisch unterstützt. Die Gruppe Musik muss künftig im Besitz der nötigen Mittel sein, um den Schweizer Interpreten in Europa und auf der ganzen Welt gebührend Geltung zu verschaffen.

Kompositionsaufträge bleiben eine vorzügliche und lebendige Möglichkeif, um das musikalische Erbe zu bereichem. Und nicht zu vergessen sind die Beiträge zur CD-Produktion, die viel zur Förderung von Künstlern und Labeis beiträgt. Musik ist auch ein Markt. Die Unterstützung durch Pro Helvetia trägt entscheidend zur Ausweitung des Handels mit in der Schweiz produzierten CDs bei.

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Strategien zur Erfüllung dieser Aufgaben oder: Solide Beziehungen anknüpfen Im Auslandbereich wird dem Kulturaustausch ganz besonderes Gewicht beigemessen. Denn die internationale Szene ist von entscheidender Bedeutung für die Anerkennung unserer Künstler. Es genügt nicht, sich mit einem kurzen Auftritt zu bescheiden: Ein wirklicher Austausch kann erst in der Zusammenarbeit und bei gemeinsamen Veranstaltungen (Konzerte, Workshops, Musikkurse,..) zustande kommen und weiterleben. Dauer wie auch Qualität der Beziehungen hängen davon ab.

Pro Helvetia muss selbstverständlich fortfahren, das gegenseitige Kennenlernen von Schweizer Musikern und Publikum tatkräftig zu unterstützen. Der Austausch von Orchestern, Kammermusikensembles, Jazzformationen, Rock- und Volksmusikgruppen ist von grosser Bedeutung für die gegenseitige Kenntnis der verschiedenen tandesteile.

· · Finanzielle, personelle und strukturelle Mittel oder: Gegen den künstlerischen und kommerziellen Rückzug kämpfen Wenn der gegenwärtig zur Verfügung stehende Budgetanteil für kreatives Schaffen und Kulturaustausch in der Schweiz eben noch zur Erfüllung der Aufgaben reicht, so bleibt dagegen festzustellen, dass die Situation für die Auslandprojekte, für die Beiträge an Produktion und Verteilung von CDs sowie für Kompositionsaufträge ganz anders aussieht.

Die gegenwärtig für diese drei Bereiche zur Verfügung stehenden Summen erlauben nur gerade die Realisation sehr weniger Vorhaben, obwohl sehr viele wertvolle Projekte eingehen, was zum künstlerischen und kommerziellen Rückgang des musikalischen Lebens in der Schweiz entscheidend beiträgt. Die Erfahrung der Jahre 92,93 und 94 zeigt, dass ein Budget von 1,8 Millionen Franken nötig wäre, um die Auslandtourneen der besten musikalischen Projekte zu ermöglichen. Womit sich das Gesamtbudget der Abteilung Musik auf 3,3 Millionen beläuft.

Es sei nochmals daran erinnert, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen der subventionierten musikalischen Aktivitäten nicht unbeträchtlich sind!

Gruppe III - Literatur Die Literaturförderung ist schon von ihrer Aufgabenstellung her sehr komplex: Autorenförderung, Unterstützung von Publikationen und Übersetzungen, Vermittlung von Schweizer Literatur im In- und Ausland in Form von Bücherverteilungen und Veranstaltungen.

Zwar hat sich an der Zielsetzung seit der Eingabe 1992-Ì 995 grundsätzlich nichts geändert, die veränderten Strukturen in der Buchbranche, anderes Leseverhalten, die wachsende Multikulturalität unserer Gesellschaft bedingen jedoch eine flexiblere Handhabung. War bis vor wenigen Jahren der enge Bezug zur Schweizer Kultur einziges massgebendes Förderungskriterium, so steht heute der interkulturelle Dialog, die Verständigung über sprachliche und ethnische Grenzen hinweg im Vordergrund. Diese Auseinandersetzung mît anderen Kulturen und ihr besseres Kennenlernen erweitert nicht nur den Horizont, sondern schärft das Verständnis für die eigene Kultur.

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Da sich die Arbeit im Liferaturbereich am literarischen Klima und Umfeld orientiert, soll die Situation hier kurz umrissen werden: Anhaltende Probleme in der Buchbranche: Konzentration zu Grosskonzernen, ständig wachsende Konkurrenz für das Buch durch andere Medien, abnehmende Leselust. Zu diesen allgemeinen Schwierigkeiten kommen die spezifisch schweizerischen Probleme: der kleine Absatzmarkt in den einzelnen Sprachregionen und die schlechte Akzeptanz auf dem Markt der gleichsprachigen Nachbarländer, Fazit: Verlagen geht es schlecht, eine ganze Reihe ist bereits verschwunden, andere sind aufgekauft von Mediengiganten aus dem In- und Ausland.

Leidtragende sind aber nicht nur Verleger und alle in der Branche Beschäftigten, betroffen sind zudem jene, die die kreative Arbeit leisten: Autorinnen und Autoren, Übersetzerinnen und Übersetzer. Die meisten von ihnen können von ihrer «Kunst» nicht leben und sind deshalb auf einen Brotberuf angewiesen.

Aufgabe von Pro Helvetia ist es nun, mit geeigneten Fördermassnahmen und den ihr zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln auf diese Situation zu reagieren. Um eine längerfristig wirksame Literaturförderung zu betreiben, wie es etwa das ebenfalls kleine Nachbarland Österreich, die Niederlande oder die Skandinavier tun, müsste das Budget massiv erhöht werden. Es setzte im übrigen eine Bewussfseinsänderung bei Konsumenten und Politikern voraus: den Stellenwert des Buches zu erkennen und zu sehen, wie wichtig das Überleben der Buchkultur ist, als kultureller wie als wirtschaftlicher Faktor. Aus diesem Grunde wurde für die Leipziger Buchmesse 1994 das Motto «Bücher sichern Zukunft» gewählt.

Autorenförderung, Förderung des kreativen Schaffens Zwar gibt es einige Kantone, die literarische Werkaufträge vergeben, es gibt auch verschiedene Literaturpreise. Hne kontinuierliche gesamtschweizerische Autorenförderung kann hingegen nur durch Pro Helvefia wahrgenommen werden. Trotz kritischer Stimmen, die gelegentlich behaupten, gute Literatur und gute Autoren setzten sich auch ohne Unterstützung durch, kann nur mit dieser Art LiterafurfÖrderung der Boden geebnet werden für ein vielfältiges literarisches Schaffen. Und gegenwärtig kann sich die Schweizer Literaturszene durchaus sehen lassen.

Der Anspruch bei der Vergabe von Werkaufträgen ist gross. Es wird keine
Breitenförderung betrieben, sondern Qualität steht an ersterstelle. Aus diesem Grund wurde die Frist zwischen den Werkaufträgen an die gleichen Begünstigten inzwischen auf 5 Jahre verkürzt. Ausserdem wurde der Höchstbetrag auf Fr. 40'000.- angehoben. Von den Autoren müssen bereits Buchveröffentlichungen vorliegen: So ist bereits eine Grundlage für die Beurteilung ihres Schaffens vorhanden. Der Beitrag wird für ein Projekt - und nicht ein fertiges Produkt - vergeben, was natürlich ein gewisses Risiko in sich birgt. Nicht immer entspricht das Resultat den Erwartungen. Nachwuchsförderung kann man auf diese Weise nicht betreiben. Es bleibt aber die Möglichkeit, auch junge Autoren zu fördern,, über die gemeinsame Vergabe von Werkaufträgen mit Kantonen und Gemeinden. Im Gegensatz zu letzteren und verschiedenen privaten

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Stiftungen, die für Werkbeiträge, Auslandsstipendien und die Benutzung von Künstlerateliers teilweise obere Altersgrenzen festlegen, kennt Pro Helvetia keine Beschränkungen.

Arbeitsbeiträge Schon vor einigen Jahren stiess Pro Helvetia auf eine Förderungslücke, die nach Abklärung mit den in Frage kommenden Institutionen von keiner anderen Seite abgedeckt werden kann. Autoren, die eine wissenschaftlich fundierte Arbeit verfassen wollen, die sich jedoch nicht nur an ein (fach)wissenschaftliches Zielpubiikum richten soll, haben bei Nationalfonds oder sonstigen wissenschaftlichen Stellen keine Aussicht auf Unterstützung. Pro Helvetia hat deshalb die'sögenannten Arbeitsbeiträge ins Leben gerufen, für die, wie sich schnell herausgestellt hat, ein grosser Bedarf vorhanden ist. An guten Projekten - von geisteswissenschaftlichen bis zu kulturellen Themen - und Autorinnen und Autoren fehlt es nicht. Um eine kontinuierliche Förderung gewährleisten zu können, bedürfte es hiefür jährlich eines (bisher nicht vorhandenen) eigenen Budgetpostens von Fr. 250*000.-.

Publikationsbeiträge In diesem Bereich hat die Gruppe eine Fülle von Aufgaben abzudecken, die den Finanzrahmen zu sprengen drohen.

Da die Situation der Verlage in den Minderheitsregionen besonders schwierig ist, reagiert die Stiftung hier mit Sondermassnahmen. Sparten (z.B. Belletristik), die in der Westschweiz und der Deutschschweiz ausgeklammert sind, können hier unterstützt werden. Nur mit dieser speziellen Berücksichtigung kann die sowieso schon kleine Verlagszene überleben. Dass die Herstellung von Büchern teurer geworden ist, das Risiko für den Verlag grosser, schlägt sich in der Zunahme der Gesuche und den gestiegenen Erwartungen nieder. Mit gleichbleibenden Mitteln lassen sich folglich immer weniger Projekte unterstützen.

Literarische und kulturelle Zeitschriften In der Schweiz erscheinen eine Fülle von kulturellen Zeitschriften von teilweise beachtenswerter Qualität. In der Regel werden sie von einem qualifizierten Redaktionsteam herausgegeben, das seine Arbeit zwar ohne Honorar, aber mit um so mehr Engagement verrichtet. Trotz dieser Selbstausbeutung können diese Zeitschriften nicht ohne regelmässige Unterstützung leben. Gerade diese Zeitschriften sind es jedoch, die Zeugnis ablegen von einer reichen literarischen und kulturellen Szene. Viele
bieten darüber hinaus jüngeren Autoren ein Forum für erste Schreibversuche, für die sich noch kein Verlag findet. Die Gruppe sieht es deshalb als vordringliche Aufgabe an, diesen Blättern das Weiterleben zu garantieren. Mit einem Betrag von Fr. 260'OOu.- jährlich könnte eine kontinuierliche Förderung sichergestellt werden.

Öbersetzungsförderung In der Einleitung dieser Eingabe wird auf den Notstand bei der Übersetzungsförderung hingewiesen (siehe S. 7). Pro Helvetia, die als einzige Institution in der Schweiz kontinuierliche Übersetzungsförderung betreibt, wäre die richtige Anlaufstelle, um diese wichtige Vermittlertätigkeit wahrzunehmen.

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Zusätzlicher Finanzbedarf um eine gesamtschweizerische, alle Sparten abdeckende Übersetzungsförderung sicherzustellen: Fr. 500'OQO.Verlagsprämlen Das Anliegen, die Schweizer Verlagsszene lebendig zu halten, sofern man davon noch reden kann, ist damit längst nicht erfüllt. Viele Projekte, dank denen sie besser leben könnte, sind vorhanden und harren der Realisierung. Sinnvoll und schon mit einem bescheidenen finanziellen Aufwand umzusetzen wäre die Vergabe von Verlagsprämien. Mit diesen Beiträgen (bis zu Fr. 40'000.- pro Verlag) sollte die kontinuierliche kreative Arbeit eines literarischen Verlags gewürdigt werden. Die Verwendung der Mittel liegt im Ermessen des Verlages, da die Bedürfnisse in den einzelnen Sprachregionen verschieden sind.

(Fr. ISO'OOO.-J Unterstützung von literarischen Veranstaltungen In einer Zeit, da das Lesen immer mehr aus der Mode zu kommen scheint, nimmt der Stellenwert literarischer Veranstaltungen zu. Manche finden erst durch den persönlichen Kontakt, durch das Kennenlernen eines Autors oder seines Umfelds den Zugang zum Buch. Die Unterstützung und Anregung solcher Initiativen ist ein wesentlicher Bestandteil der Literaturförderung. Auch dies ist ein wichtiger Weg, der zum Verständnis über die (Sprach-) Grenzen führt, wofür Buch und Sprache nach wie vor prädestiniert sind.

Gruppe IV - Theater, Tanz Der Auftrag Theater und Tanz sind öffentliche und kommunikative Künste. Menschen spielen für Menschen, «jeden Abend live», wie ein Slogan der Basler Theater einmal hiess. Von der Videoaufzeichnung einmal abgesehen, die sich zu einer Aufführung verhält wie ein Stenogramm zu einem Text, sind sie Künste aus einem Zeitalter vor der technischen Reproduzierbarkeit: sehr altmodische und, wie wir meinen, sehr zukunftsträchfige Künste. Die Zuschauer müssen sich zu einer Aufführung bemühen (das allein empfinden immer mehr als eine Zumutung). Was sie gewinnen, ist, vor allem anderen, ein Erlebnis von Gemeinschaft. Dieses zu erhalfen, zu fördern, in vielfältigsten Erscheinungsformen und in unterschiedlichstem Rahmen zu ermöglichen, ist ein gesellschaftspolitischer Auftrag von Kulturförderern.

Die Mittel Um diesen Auftrag zu erfüllen, hatte die Gruppe in den letzten Jahren für die Förderung im Inland rund Fr. I'680'OOO.- - für das Theater und Fr. 850'000.- für Tanz zur Verfügung (im Sparjahr 1994 Fr. 735'000.- und Fr. 524'000.-). Für die Arbeit im Ausland waren es Fr. l '225'000.- resp. für Theater Fr. 500'QOO.- beim Tanz (1994: Fr. 735'000.- resp. Fr. 314'000.-). Im Jahre 1993 wurden damit 365 Gesuche unterstützt. Die Arbeitsgruppe hätte, wenn sie nur könnte, wie sie wollte, 182 weiteren qualitativ überzeugenden Gesuchen entsprochen. Diese mussten aus rein prioritären Gründen abgelehnt werden. Von den Abstrichen, die sie selbst bei den berücksichtigten Gesuchen vornahm, nicht zu reden. Die FÖr922

derung aller von der Arbeitsgruppe als sinnvoll erachteten Projekte hätte zusätzliche Mittel von Fr. 2'200'OOu.- benötigt. Das Missverhältnis ist so, dass eine Förderung in diesem Bereich mehr und mehr eine Auszeichnung eines Projekts bedeutet, eine Ablehnung indes immer weniger eine qualitative Deklassierung.

Das starke Anwachsen der Gesuche (in nur drei Jahren hat sich die Anzahl verdreifacht!) ist zunächst eine natürliche Folge der Einsparungen der hauptsächlich für die Förderung der Ensembles verantwortlichen Gremien in Gemeinden und Kantonen. Umgekehrt proportional dazu verschärfte die Teuerung (Lebenshaltungs- und Infrastrukturkosten) die Produktionsbedingungen.

Die anschwellende Gesuchslawine zeigt aber auch einen theatergeschichtlichen Vorgang an: einen nicht nur freiwilligen Trend weg von den festen Institutionen hin zu den freien Gruppen. Diese Situation wird bedingt durch den Mangel an Arbeitsmöglichkeiten innerhalb dieser Institutionen.

Die Kriterien Qualität, Professionalität, Kontinuität sind nebst kulturpolitischen Rücksichten die obersten Förderungskriterien der Gruppe. Unter solchen Gesichtspunkten unterstützt sie Erstaufführungen von Stücken schweizerischer Autoren, Kollektivkreationen schweizerischer Ensembles und in qualitativ besonders herausragenden Fällen auch Inszenierungen dramatischer Texte ausländischer Autoren. Letzteres aus der Überzeugung, Theaterförderung könne nur zürn Teil identisch mit Autorenförderung sein, Inszenierung und Choreographie seien eigenständige, von der Literatur im Prinzip unabhängige künstlerische Leistungen. Diese behutsame Öffnung ist bei den Kreativen in Theater und Tanz mit viel Verständnis aufgenommen worden, sie ist jedenfalls nicht der Grund für den sprunghaften Anstieg der Gesuche.

Vermittlung Wie die Stiftung insgesamt ist die Gruppe mehr und mehr mit Defiziten im Bereich der Vermittlung, der «Verwertung» der von ihr geförderten Produktionen konfrontiert. Gerade bei freien Truppen wird der Bedarf an Beratung, Begleitung und Betreuung immer dringlicher. Auf die knappste Formel gebracht: Zu viele Produktionen werden vor einem zu kleinen Publikum zu wenig oft gespielt. Es ist, bei aller gebotenen Skepsis gegenüber Apparaten und Administration, unumgänglich, dass nicht nur der Produktion an sich, sondern auch deren Vermittlung Aufmerksamkeit
geschenkt wird. In diesem Sinn ist die Beteiligung von PRO HELVRÌA an der Initiative COROD1S der Westschweizer Tanz- und Theatertruppen, Veranstalter und kommunalen und kantonalen Subventionsgeber oder am «Prix Romand du Spectacle» nur ein Anfang für hoffentlich weitere ähnliche Versuche zur Vernetzung, Verbreitung und Vermittlung.

Besonders wichtig ist Vermittlung im Sinne des gesetzlichen Auftrags des Kulturaustausches zwischen den Sprachregionen der Schweiz. Er ist heute mehr denn je eine Aufgabe von staatspolitischer Bedeutung. Die Gruppe hält allerdings dafür, dass unter Austausch nicht nur die Vermittlung zwischen den Sprachregionen fällt, sondern jene zwischen den Regionen überhaupt, dass ajso etwa das Spannungsfeld Stadt-Land ihre spezielle Aufmerksamkeit verdient.

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Auch in anderer Hinsicht sollte Pro Helvetia vermehrte Vermittlungsaufgaben verschiedenster Art wahrnehmen können. «Sollte», well sie mit dem derzeitigen Personalstand des Sekretariates nicht zu leisten sind: -

Im Theaterbereich ist eine Zusammenarbeit zwischen grossen Bühnen und freien Gruppen gelegentlich in Ansätzen festzustellen. Die Regel ist es nicht. Gerade bei der Intensivierung solcher Durchlässigkeiten wären die Vermittlungsdienste von Pro Helvetia äusserst nützlich.

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Die Tanzszene hat Koordinationshilfe und Animation zu Kooperation, auch Konzentration besonders nötig. Pro Helvetia wäre als Vermittlerin zwischen den verschiedenen Interessengruppen gefragt.

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Tanzförderung ist immer noch Förderung von Verständnis für den Tanz, also Aufklärungs- und Vermittlungsarbeit für das Publikum namentlich ausserhalb der städtischen Zentren.

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Für Tanz geeignete Bühnen sind selten, entsprechende Vermittlungshilfe dringlich.

Die Gruppe will mehr als bisher Festivals unterstützen können, im Wissen darum, dass bei solchen Anlässen Kontakte entstehen, die auch dem kulturellen Alltag förderlich sind.

Oft genug haben es Truppen aus anderen Schweizer Regionen schwerer als ausländische, von den Veranstaltern wahrgenommen zu werden.

Ohne die einen gegen die andern ausspielen zu wollen: auch da ist noch VermiHlungsarbeit erforderlich.

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Absichten Zusammenfassend stellen sich der Fachgruppe Theater und Tanz mittelfristig die folgenden Aufgaben: -

Zu viele freie Gruppen und Compagnien produzieren jeweils neue Stücke [mit zu wenig Aufführungsmöglichkeiten), ohne dass diese Produktionen während einer Tournee gezeigt werden könnten. So notwendig auch experimentelle Freiräume sind, sollten doch all diese Produktionen öfters aufgeführt werden können.

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Wo freilich Professionalität gewährleistet ist, will die Gruppe dieses Niveau halten und weiter fördern. Im Sektor Tanz arbeitet neben den grossen Compagnien in den Stadttheatern inzwischen eine ganze Reihe auch international gefragter freier Ensembles. Alle können sie sich trotz unbestritten professionellen Niveaus finanziell nur knapp über Wasser halten. Hier hat die Stiftung eine wichtige Aufgabe.

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Verstärkung der Evaluation: die kritische Auseinandersetzung mit dem von der Gruppe Geförderten.

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Ausbau der Beratung von Gesuchstellern und Veranstaltern: dort, wo innerhalb der Stiftung dazu die Fachkompetenz vorhanden ist, also durch das Gruppensekretariat.

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Hilfestellung bei der Professionalisierung des Umfelds der unterstützten freien Gruppen.

Engere Verknüpfung der Förderbereiche Inland und Ausland.

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Vermehrte Wahrnehmung kulturpolitischer Verantwortung durch Pro Helvetia auch in Bereichen, die ihrem direkten Einfluss entzogen sind (Ausbildung, Personalpolitik der grossen Häuser, Kooperation zwischen den Landesteilen bzw. verschiedenen Theatersystemen etc.).

Entwicklung einer praktikablen Autorenförderung (zusammen mit der Gruppe Literatur).

Ausbau der Unterstützung der Schweizer Kleintheaterszene

Gruppe V - Erwachsenenbildung, Kulturelle Animation, Volkskultur Der Auftrag des Parlaments zur Förderung der Erwachsenenbildung ist im Pro Helvetia-Gesetz von 1965 nicht verankert, weil man damals auf einen einschlägigen Büdungsartikel in der Bundesverfassung zählte. Dieser fiel 1973 in der Volksabstimmung durch, die provisorische Zuständigkeit der Stiftung wurde zur dauerhaften.

Ober die Zielsetzungen der Förderung der Erwachsenenbildung bzw. der kulturellen Animation und die wachsende gesellschaftliche Bedeutung derselben äussert sich der erste Teil dieser Eingabe. Hier sollen die aktuelle Förderungspraxis und die mittelfristigen Schwerpunkte erläutert werden.

Vernetzung und Weiterentwicklung der schweizerischen Erwachsenenbildung Obwohl in unserem Land jedes Jahr mehr Kurse angeboten werden, hat sich die Erwachsenenbildung als Arbeits- und Forschungsbereich in den letzten Jahren wenig bewegt: Nur eine Universität verfügt über einen entsprechenden Lehrstuhl.

Ein Augenmerk der Fachgruppe liegt deshalb schon bisher auf Projekten, welche die Erwachsenenbildung und soziokulturelle Animation selber zum Thema haben: Der nationale und internationale Erfahrungsaustausch, .die Erarbeitung von professionellen Gründlagenmaterialien, die Weiterbildung der Fachkräfte müssen intensiv vorangetrieben werden.

Die Stiftung kann auf diesem Gebiet ihrem gesetzlichen Auftrag zur Koordination und nötigenfalls Federführung unter bestehenden Akteuren besonders gut nachkommen. Auf Initiative von Pro Helvetia entstand die «Koordinationskonferenz Erwachsenenbildung». Sie fasst die einschlägig aktiven Bundesämter und die übrigen auf nationaler Ebene tätigen Instanzen, inklusive Erziehungsdirektorenkonferenz, zusammen und sucht nach effizienten Förderungsstrukturen für den quartären Bildungssektor.

Für die Weiterentwicklung der schweizerischen Erwachsenenbildung und der soziokulturellen Animation sind vermehrte Kontakte zum europäischen Ausland bedeutungsvoll; Länder wie Dänemark oder die Bundesrepublik sind in dieser Hinsicht weiter fortgeschritten. Nachdem sie sich bisher auf das Inland konzentrierte, will die Gruppe solche Zusammenarbeit künftig vermehrt unterstützen.

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Verstärkte Unterstützung von geographischen Randregionen und benachtel (igten Bevölkerungsgruppen Projekten, welche an der geographischen oder der sozio kulturellen Peripherie angesiedelt sind, galt schon bisher die besondere Aufmerksamkeit der Gruppe: Dort sind Know-how und Infrastruktur nur begrenzt vorhanden. Die nötige Unterstützung ist oft nicht allein finanzieller, sondern ebensosehr beratender oder animierender Natur, also personalintensiv. Eine besondere Rolle kommt hier dem stiftungseigenen Kulturmobil zu (siehe unten).

Innovation - Kontinuität Beides will die Fachgruppe fördern: Innovation, indem sie Pilotprpjekte Neues im Inhalt oder in der Form - unterstützt, indem sie also in die Zukunft investiert; und Kontinuität, indem sie Bewährteres manchmal über mehrere Jahre hinweg mitträgt, damit es möglichst viele Früchte zeitigt.

Konsequente Evaluation der Projekte ist Voraussetzung dieser beiden Förderungsdimensionen: Sie bringt die Erfahrungen und Erkenntnisse, von denen künftige Projekt verantwortliche so gut wie Förderungsinstanzen zehren können. Auch hier gilt, dass Beratung und Vermittlung von Know-how oft ebenso viel bewirken wie finanzielle Beiträge. Bedingung ist das entsprechende Personal im Stiftungssekretariat.

Kulturvermittlung Die vielleicht wichtigste Funktion der Erwachsenenbildung und der Animation ist in der Perspektive einer Kulturstiftung die Kulturvermittlung. Das Bild, das im Betrachter nichts auslöst, das Buch, das die Leserin nicht versteht - sie verfehlen ihren Zweck. Kunst und Kultur können nur dann Sinn stiften, wenn die Menschen fähig sind, den Sinn aufzunehmen.

In der Kulturvermittlung, der Rezeptionsförderung sieht die Fachgruppe eine ihrer zentralen Aufgaben der Zukunft.

Kulturmobil Das Kulturmobil ist eine fahrende Animationswerkstatt, mit der ein Animatorlnnenteam soziokulturelle Projektarbeit in allen Landesfeilen der Schweiz unterstützt. Das Kulturmobil ist eine immer noch neuere Form, kulturelle Entwicklung an der Basis zu unterstützen, indem es Prozesse der Identitätsfindung ermöglichen will. Das Kulturmobil bietet also keine «Kultur» an, es will nicht «Stadtkultum exportieren, vielmehr leistet es seinen Partnerinnen Kommunikationshilfe: Gemeinsam werden die Projekfziele formuliert, Konzepte entwickelt, Budgets aufgestellt und Informationskampagnen
entworfen. Das Kulturmobil stellt nicht nur Know-how, sondern auch die nötige Infrastruktur (Zelt, Bühne, Scheinwerfer, Photo- und Videolabor usw.), die in Kleinlastwagen mitgeführt wird, zur Verfügung.

Soziokulturelle Animation geht davon aus, dass über Grenzen verschiedenster kultureller Ausdrucksformen hinweg Verständigung möglich ist. Sie will Menschen in den Quartieren und Regionen dazu verhelfen, an der Gestaltung ihrer unmittelbaren kulturellen und sozialen Umgebung teilzuhaben. Die Auflösung gesellschaftlicher Strukturen verursacht kulturelle Verödung und menschliche Vereinsamung. In der Auseinandersetzung mit Alltagsthemen können

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Fronten abgebaut und gesellschaftliche Probleme vereint angegangen werden. Es geht dabei nicht um eine harmonisierende Suche nach der gemeinsamen Identität, sondern um ein Herausarbeiten der Unterschiede: zwischen Alt und Jung, Stadt und Land, Einheimischen und Ausländerinnen, Alteingesessenen und Neuzuzügerlnnen.

Das Kulturmobil hat seit 1984 mehr als 100 unterschiedlichste Projektgruppen begleitet, federführend ein nationales Symposium der kulturellen Animation mitgestaltet - ein zweites ist in Vorbereitung - und in vielfältigen Kontakten, etwa mit den Ausbildungsstätten, geholfen, Methoden der soziokultürellen Projektarbeit fortzuentwickeln.

· ' .

Die professionelle Weiterführung dieser Arbeit in allen Regionen des Landes bedarf, um effizient zu sein, einer Verdoppelung des Teams und der Finanzen (dafür kann von einer Infrastrukturerweiterung abgesehen werden).

Volkskultur Zu diesem Thema äussert sich ausführlicher der Teil l der vorliegenden Eingabe. Hier sei lediglich auf einige zusätzliche gruppenspezifische Aspekte verwiesen.

Regional- und Orfsmuseen, die Geschichte und Brauchtum ihrer Bevölkerung und Gegend aufarbeiten und sie den Menschen direkt präsentieren, helfen diesen, ihre Wurzeln zu erkennen, die Eigenarten ihres Landes zu verstehen und ihre eigene Identität besser definieren zu können.

Weitere Mittel, die gleichen Zielen dienen, sind volkskundliche Publikationen, Ausstellungen oder Fachtagungen.

Pro Helvetia legt - gerade in einer Zeit der Öffnung des Landes gegen aussen und der nötigen Auseinandersetzung mit fremden Kulturen - Wert darauf, qualitativ hochstehende volkskulturelle Bestrebungen kräftig unterstützen zu können.

Gruppe VI - Réseaux Unter dem Namen «Réseau»» sind seit 1992 die Pro Helvetia-Kulturstellen im Ausland und die Sonderdienste, die primär'Auslandarbeit betreiben, auf Sekretariatsebene zu einer Abteilung zusammengefasst. Ihr steht eine entsprechende Arbeitsgruppe des Stiftungsrates zur Seite. Wie der Name besagt, besteht die Aufgabe in der Vernetzung der verschiedenen Austauschaktivitäten der Stiftung mit dem Ausland. Unter «Austausch» wird eine breite Palette von Formen der Begegnung und Zusammenarbeit verstanden, die j'e nach Projekt und Affinitäten der beteiligten Künstler und Künstlerinnen sehr unterschiedlich aussehen können.

«Réseaux» ist komplementär zu den spezialisierten Fachabteilungen tätig und leistet einen wichtigen Teil der Grundlagenarbeit der Auslandtätigkeit der Stiftung. Réseaux hat vor allem eine koordinierende Funktion und Informationsaufgabe wahrzunehmen. Eine bessere Vernetzung und Koordination ist nicht nur im Inneren, sondern auch nach aussen hin zu erfüllen im Sinne einer bestmöglichen Zusammenarbeit mit den verschiedenen Bundesstellen (EDA, DIO, EDI, BAK), den diplomatischen Vertretungen der Schweiz im.Ausland, der KoKo und nichtgouvernementalen Kulturorganisationen.

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Neben den seif langem zu den Stiftungsakfivitäten gehörenden Diensten «Initiatives» (welcher längerfristig geplante Eigenprojekte im Ausland entwirft und durchführt) und «Accueil et Echanges» {der den Personenaustausch mit dem Ausland betreut) sind in «Réseau») die beiden - geographisch komplementären - Kuituraustauschdienste «Ost-West» und «Süd-Nord» integriert.

Während die kulturelle Unterstützung der Länder Mittel- und Osteuropas auf einem Mandat des EDA innerhalb der vom Parlament beschlossenen Osfeuropahilfe beruht und unterdessen eine wichtige Dimension der Réseaux-Arbeit darstellt, wurde der Kulturaustausch mit Ländern der sogenannten «Dritten» Welt schon früher als eigenständige und ausgleichende Stiftungsakfivifät gesehen.

Kulturstellen im Ausland Ein wichtiger Teil von «Réseaux» sind die Zweigstellen der Stiftung im Ausland.

Neben dem Centre Culturel Suisse in Paris führt die Stiftung infolge des EDAMandates fünf kleinere «Antennen» in Mittel- und Osteuropa (Budapest, Pecs, Prag, Bratislava und Krakau). Ausserhalb Europas verfügt Pro Helvetia bisher lediglich über eine Aussensteile in Kairo, die für ihre Arbeit im nordafrikanischarabischen Raum weitherum Anerkennung gefunden hat. Zusätzlich sind Aussenstellen in Mailand und in Berlin in Planung. Gemeinsam ist allen, dass sie nicht nur ein Schaufenster für das Kulturschaffen in der Schweiz sind, sondern eine wichtige Verbindungsstelle im kulturellen Austausch zwischen der Schweiz und den anderen Ländern. Die Kulturstellen in den Nachbarländern sind Ausdruck der grossen Bedeutung, die Pro Hetvetia der Pflege der verschiedenen Sprachkulturen unseres Landes zumisst.

In den letzten Jahren wurden zahlreiche Bedürfnisse nach weiteren Aussensteilen oder - dieser Ausdruck kommt der angestrebten Funktion näher - «Antennen» der Pro Helvetia in bisher vernachlässigten Regionen an die Stiftung herangetragen. Hierfür sind verschiedene Modelle denkbar. Die Stiftung will eher lokale «Kulturagenturen» unterstützen als unverwurzelte schweizerische Strukturen importieren. Eine stärkere Verankerung ist in folgenden Regionen anzustreben: Ost- und Westafrika (z.B. in Kenya und Senegal); spanischund portugiesischsprachiges Lateinamerika (Bolivien, Brasilien); indischer Subkontinent, Südostasien, Japan. Dabei soll vorzugsweise an bereits bestehenden Kontakten
angeknüpft werden. Mit Nordamerika bestehen Beziehungen über das Swiss Institute in New York und verschiedene von der Stiftung (koJfinanzierte schweizerische Gastdozenturen.

Centre Culturel Suisse à Paris Das Centre culture! suisse hat seine Wirksamkeit als vielbeachteter Ort Im kulturellen Leben von Paris bewiesen. Die zahlreichen Anfragen von Schweizer Künstlern und Künstlerinnen und das gute Echo bei Publikum und Presse sind klare Anzeichen eines Bedarfs an ähnlichen Einrichtungen andernorts.

Das Centre culturel suisse erlebt einen Aufschwung und wachsenden Erfolg, weshalb finanzielle Konsequenzen für die Periode 1996 bis 1999 in Betracht zu ziehen sind. Alle seine Tätigkeitsbereiche sind am Expandieren. B geht nicht mehr lediglich darum, einen möglichst repräsentativen Fächer an Schweizer Künstlern vorzustellen, sondern diesen behilflich zu sein, sich auf dem französischen Markt zu etablieren. Im Theaterbereich bieten wir Gastspielen Raum

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oder produzieren Aufführungen .über längere Zeiträume und arbeiten auf entsprechende Tourneen hin; wir sind daran, eine Videothek einzurichten, um das Repertoire des Schweizer Films für französische Filmleute greifbar zu machen; wir leiten die Zusammenarbeit mit französischen Galeristen zwecks gemeinsamer Verbreitung unserer Maler in die Wege; weiter unternehmen wir Anstrengungen, um unsere Musiker besser in den Kreislauf von CD-Produktion und Tourneen zu integrieren, und schliesslich präsentieren wir schlaglichtartig die literarischen Neuerscheinungen und bemühen uns, in Frankreich die Übersetzung von nicht frankophonen Schweizer Autoren anzuregen.

Centro Milano Das im Aufbau begriffene Kulturzentrum in Milano soll eine Relaisstation zwischen der Schweiz und dem Kulturleben Italiens bilden. Neben eigenen Veranstaltungen sollen Verbindungen zu kulturellen Institutionen des Landes geschaffen und die Kontakte mit anderen ausländischen Kulturinstituten gepflegt werden.

Pro Helvetica-Antennen in Mittel- und.Osfeuropa im Rahmen des Programmes des EDA zur Zusammenarbeit mit Mittel- und Osteuropa, hat Pro Helvetia Aussensteilen in Krakau, Pécs, Prag, Bratislava und Budapest eingerichtet. Hauptaufgabe der Verantwortlichen dieser Antennen ist es, Subventionsgesuche für kulturelle Vorhaben zu prüfen.

Ausserdem kommen Beratungsarbeit (Budget, Kontakte, Dokumentation}, Begleitung und Evaluation hinzu. In bestimmten Fällen dienen die Antennen auch als Verbindungsstellen für Projekte, die von den verschiedenen Abteilungen von Pro Helvetia unterstützt werden.

1993 wurden in Mittel- und Osteuropa weit über 200 Projekte unterstützt, schwerpunktmässig in den Ländern mit Antennen (Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn); darüber hinaus wirkte PH auch in Albanien, Armenien, Bielorussland, Bulgarien, Georgien, Kroatien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Russland, Slowenien und in der Ukraine.

Pro Helvetia-Antenne in Berlin .Die Schaffung einer Aussenstelle in Berlin ist seit längerem in Planung. Angesichts der beschränkten Mittel wird die Eignung des Standortes Berlin allerdings im Gesamtrahmen der Prioritäten der Auslandarbeit und der Präsenz der Stiftung im Ausland beurteilt werden. Die Planung wie die spätere Arbeit erfolgt in enger Kooperation und Koordination mit dem Departement für auswärtige Angelegenheiten.
Pro Helvetia-Antenne Kairo Der Austausch und die Begegnung von ägyptischen und schweizerischen Kunstschaffenden wird auch in Zukunft den Schwerpunkt der Aktivitäten der Aussenstelle in Kairo bilden. Solche Begegnungen sind vor allem in den Bereichen Musik, Theater, Literatur, Video und Film fruchtbar: Musiker und Musikerinnen oder Theaterleute aus beiden Ländern erarbeiten gemeinsame Projekte; Schweizer Autoren werden ins Arabische übersetzt; ein ägyptisches Kammerorchester studiert Werke der zeitgenössischen Schweizer Musik ein; Schweizer Videokünstler und Fotografen geben in Kairo Workshops und prä929

sentieren die ägyptischen Produktionen in der Schweiz, Pro Helvetia-Publikationen werden ins Arabische übersetzt, hier gedruckt und an die Schweizer Botschaften in den arabischen Ländern verteilt.

Von Kairo aus werden auch Projekte für alle arabisch sprechenden Länder durchgeführt, so zum Beispiel Wanderausstellungen. Pro Helvetia Kairo, die in den Räumlichkeiten der Schweizer Botschaft untergebracht ist, beireut im weiteren das Atelierhaus für Schweizer Künstler in Schabramant, das von der Konferenz der Schweizer Städte für Kulturfragen finanziert wird.

Initiatives culturelles à l'étranger Hauptziel dieses Täfigkeifsbereichs ist es, Aspekte des zeitgenössischen kulturellen Lebens der Schweiz im Ausland bekannt zu machen und den Kulturaustausch zu fördern. Der«lnitìatives»-Dienst arbeitet eigene Projekte der Stiftung aus, die hauptsächlich auf Europa ausgerichtet sind und sich punktuell auf alle Sparten künstlerischer Tätigkeit erstrecken. Um die internationale Einbettung zu fördern und auf diese Weise der zunehmenden Isolation unserer Künstlerinnen entgegenzuwirken, ist es auch notwendig, im Inland zu wirken.

Thematische Projekte Ein Teil der Projekte sind in interdisziplinärer Art auf ein bestimmtes Thema oder eine Künstlerpersönlichkeit ausgerichtet. Veranstaltungen, deren einziger Bezug die schweizerische Herkunft der beteiligten Kulturschaffenden ist, werden auf internationaler Ebene mit wenig Interesse wahrgenommen. Umso grösser ist das Interesse an den multikulturellen Aspekten und Problemen der Schweiz.

Vernetzungsprojekte Die Initiatives bemühen sich, in Hinblick auf eine bessere Integration und Vermittlung unserer Kulturschaffenden ein Beziehungsnetz zu europäischen Kulfurstiftungen, Institutionen und Städten aufzubauen: solche Kontakte bilden eine wichtige Lebensgrundlage unserer Künstlerinnen. Zwecks besserer Schweizer Beteiligung werden die Kontakte zu europäischen Grossveranstaltungen (internafionaie Festivals, Ausstellungen) gepflegt. B muss sich dabei nicht unbedingt um Prestigeveranstaltungen handein, auch kleinere Projekte erlauben, die Qualität der Partner bezüglich einer zukünftigen Zusammenarbeit zu testen.

in der Schweizer Kulturpolitik fehlt es an gezielter Promotion von qualitativ guten, aber noch zu wenig bekannten Produktionen. B stehen zwar Mittel für die Produktion und den Vertrieb zur Verfügung, aber um zu zirkulieren, muss ein Werk zuerst zur Kenntnis genommen werden. In den Bereichen des Theaters und des Tanzes zum Beispiel entstehen Verbindungen mit Partnern praktisch nur über direkte Vorstellungsmöglichkeiten und persönliche Kontakte einzelner Gruppen. Hier gilt es, eine Lücke zu füllen und ausländischen Organisatoren einen Überblick über interessante Schweizer Produktionen zu ermöglichen.

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Accueil et Echanges avec l'étranger Wie bisher entfaltet dieser Dienst seine Aktivitäten in vier wichtigen Bereichen des Kulturaustauschs zwischen der Schweiz und dem Ausland: Universjtärer Austausch Die Präsenz von Schweizer Professoren an ausländischen Universitäten bleibt in ihrem Umfang erhalten und erfährt eine Neuorientierung. Der gegenwärtige Akzent auf flexiblen, leichten und gemeinsam finanzierten Modalitäten, wie sie vor allem in den USA und in China zur Anwendung gelangen, wird weiterhin verstärkt. Es ist sinnvoll, jenen Modellen besondere Beachtung zu schenken, die sowohl Offenheit als auch eine weite Verteilung anstreben [Europa, Südamerika, Afrika, Mittlerer Osten). Verschiedene schweizerische Wissen- ' schaftsorgane bleiben weiterhin Partner und Berater (Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, Bundesamt für Bildung und Wissenschaft). B wird auf Diversifikation und angemessene Verteilung geachtet.

Vortrage Im Bereich der Vorträge und Darbietungen von Schweizern im Ausland, ein Gebiet, das bisher zu 80% von Schweizer Autoren auf Tournee bestritten wurde, wird Pro Helvetia vermehrt die Möglichkeit von Gast Veranstaltungen ausländischer Persönlichkeiten in schweizerischem Milieu ausbauen. Tatsächlich können Veranstaltungen, die europäische Schriftsteller zusammenführen, welche eine unserer Landessprachen sprechen, unser Land kulturell bereichern, vor allem dann, wenn sie in einem geeigneten Kontext stattfinden.

Teilnahme an Kolloquien, Symposien und Festspielen Ob in der Schweiz - an den Solothurner Film- oder Literaturtagen - oder andernorts, Pro Helvetia wird für Veranstaltungen aller Art weiterhin die Teilnahme von kompetenten Persönlichkeiten, die über offensichtliche kommunikative Fähigkeiten verfügen, empfehlen, vorbereiten und organisieren, und zwar auf Eigeninitiative der Stiftung hin, aut Empfehlung diplomatischer Vertreter oder auf Anfrage von Veranstaltern.

Aufenthalte und Fortbildung Zur traditionellen Möglichkeit, Personen aus dem Ausland zu empfangen, die sich mit spezifischen Aspekten schweizerischer Kultur oder mit in unserem Lande praktizierten kultureilen Aktivitäten vertraut machen möchten, strebt Pro Helvetia eine mindestens teilweise Subventionierung von Schweizer Künstlern an, die zur Fortbildung ins Ausland ziehen möchten,
so dass sie nach der Rückkehr selbst von einem nur kurzen Aufenthalt die hiesige Kultur mit neuen Anstössen beleben können. Dasselbe gilt im übrigen für das Model! des universitären Austauschs.

Kulturaustausch Süd-Nord / Echanges Culturels Sud-Nord Ziele Die letzte Botschaft des Bundesrates für die Jahre 1992-95 erteilte der Stiftung den Auftrag, vermehrt Unternehmungen zu unterstützen, die auf den Kulturaustausch mit ausserhalb unseres Kulturkreises liegenden Ländern, vor-

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nehmlich der südlichen Hemisphäre, zielen. B geht dabei nicht um eine einseitige Selbstdarstellung der Schweizer Kultur, vielmehr um einen beidseitigen Beitrag zu einem kontinuierlichen Kulturdialog durch persönliche Begegnungen und Zusammenarbeit, sowie um die Stärkung der kulturellen Präsenz der Länder der südlichen Hemisphäre in der Schweiz. Pro Helvetia hat auf diesem Gebiet mithin auch einen Informations- und Animationsauftrag im Inland zu erfüllen.

Förderungskriterien im In- und Ausland Der «Kulturaustausch Süd-Nord» wurde Mitte der achtziger Jahre eingerichtet aus der Erkenntnis heraus, dass es auf diesem noch wenig etablierten Gebiet eine spezifische Kulturförderungspolitik braucht. Neue Methoden und Kriterien der Kulturforderung berücksichtigen die besonderen Bedürfnisse der Südländer.

Die Fülle von Austauschprojekten und die Anzahl kultureller Darbietungen aus der südlichen Hemisphäre im Inland hat unverkennbar zugenommen. So konnte ein breiteres Publikum erreicht werden, das die Chance erhielt, mit den Jahren eine neue Sensibilität zu entwickeln, um Qualität von reiner Exotik zu unterscheiden. Im Ausland dagegen konnte sich die Förderungsarbeit infolge fehlender Mittel erst innerhalb eines eng begrenzten Rahmens und in sehr punktueller Art entfalten.

Neue Anforderungen Trotz der Umgestaltungen innerhalb Europas darf der kulturelle Austausch nicht einseitig auf europäische Länder beschränkt bleiben. Da mit den vorhandenen Mitteln nicht alle angemeldeten Bedürfnisse und Kulturräume der südlichen Hemisphäre berücksichtigt werden können, müssen Schwerpunkte gesetzt werden. Weitere Aussensfationen der Stiftung in südlichen Ländern sind - wiewohl weniger kostspielig als solche in Europa - nur sehr begrenzt realisierbar.-So wird angestrebt, in Zukunft mehr Projekte in fester Partnerschaft mit im entsprechenden Südland verwurzelten Kulturorganisationen zu unterstützen. Es sollen nicht neue Strukturen geschaffen, sondern bestehende konsolidiert werden.

Erforderliche Mitfei Die Gesuchszahlen haben sich in den letzten drei Jahren nochmals mehr als verdoppelt. Damit mussten so viele Förderungsanträge wie nie zuvor abgewiesen werden, darunter zahlreiche qualitativ hochstehende und innovative Projekte.

Neben den finanziellen Unterstützungsgesuchen nahmen auch die Anfragen um Vermittlung und
Beratung stark zu. Deshalb ist die Koordination mit anderen, auf demselben Gebiet tätigen Steilen und die begleitende Beratung der Projekte umso wichtiger. Da die Arbeit des Dienstes stark durch diese personalintensiven Aufgaben'geprägt ist, sind zu ihrer Erfüllung 200 Stellenprozente notwendig.

Der Kulturaustausch mit Ländern der südlichen Hemisphäre ist infolge hoher Transportkosten, geringer lokaler Eigenleistungen und fehlender Infrastrukturen besonders kosten- und arbeitsaufwendig. Benötigt wird ein jährliches Budget von Fr. 673*000.-.

932

*

Gruppe VII - Kommunikation, Film Information Das wichtigste Informationsmittel ist der Tätigkeitsbericht. Wer ihn zur Hand nimmt, erfährt weiche Schweizer Künstlerinnen und Künstler im In- und Ausland mit welchen Projekten beschäftigt oder hervorgetreten sind, sofern sie von Pro Helvetia unterstützt worden sind. Im Inland will Pro Helvetia in noch stärkerem Masse von sich reden machen. Zu den Instrumenten, mit denen dies erreicht werden soll, zählt das neue Logo, das überall dort, wo Pro Helvetia eine Veranstaltung ermöglicht hat, an prominenter Stelle auftauchen soll. Zusätzlich zu den regelmässigen Communiqués über die Aktivitäten der Stiftung sind vorgesehen: Kolumnen zu kulturellen Fragen, eine Intensivierung der informationstätigkeit der Antennen in Genf und im Tessin und verstärkte Präsenz in den elektronischen Medien. Schon bisher führt Pro Helvetia grössere Medienanlässe durch: u.a. die Jahrespressekonferenz, einen Tag der offenen Tür in der Antenne romande, einen Empfang am Internationalen Filmfestival in Locamo.

Neu kommen hinzu: Medienanlässe an den Solothurner Literaturtagen, an den Frauenfelder Lyriktagen, am Festival de la Bâtie in Genf,.an der Kunstmesse ART in Basel und an ähnlichen Veranstaltungen. Die Abteilung Kommunikation wirkt dabei als Koordinatorin der Zusammenarbeit der verschiedenen Fachgruppen des Stiftungsrats. Der Dialog innerhalb der Schweiz und über die Grenzen des Landes hinaus ist zu intensivieren. Pro Helvetia wird stärker präsent sein an Veranstaltungen, die diesen Dialog fördern in der Regio Basiliensis, in der Euregio Bodensee sowie in der Région Rhône-Alpes. In ihren Publikationen widmet sich Pro Helvetia in Gegensatz zu Herausgebern in den verschiedenen Sprachregionen Aspekten der gesamtschweizerischen Kultur.

Pro Helvetia selber wird auch ein Ort der Kunst werden: Die Stiftung vergibt jedes Jahr an bildende Künstler den Auftrag für Installationen in ihren Arealen in Zürich und in Carouge. Die «Gespräche im Haus zum Lindengarten» und die Veranstaltungen in der Maison Baron in Carouge werden zu Foren für Filmemacherinnen und Theaterleute, für Ausstellungsmacher und Autorinnen aus der Schweiz.

Der Finanzbedarf für diese Aktivitätssparte beträgt pro Jahr Fr. 160 000.{bisher Fr. 150 000). Personell sollte dieser Bereich um eine weitere Person aufgestockt werden.
Im Ausland informiert Pro Helvetia über das künstlerische Schaffen sowie über kulturelle Aspekte des Lebens in der Schweiz. Dies erfolgt an zahlreichen Veranstaltungen, welche die Stiftung organisiert oder unterstützt, indem sie den lokalen Medien und Organisationen Dokumentationen zur Verfügung stellt.

Diese auslandsgerichtete Informationstätigkeit bildet einen wichtigen Teil der Kulturinformation der Schweiz. Dafür fehlt es der Stiftung heute an Mittel und Personal.

Dokumentation Der Dokumentationsdienst stellt gewissermassen ein weltweit tätiges kulturelles Auskunftsbüro über die Schweiz dar. Pro Helvetia vermittelt in mündlicher und schriftlicher Form Informationen über die Schweiz an private Interessenten und an öffentliche kulturelle Stellen, hauptsächlich im Ausland, aber auch ins In-

933

land und an die Abteilungen und Dienste der Stiftung selbst. Die Öffnung der Staaten Ostmitfeleuropas hat eine starke Zunahme bei den Anfragen zur Folge. Die Abteilung hat die auslandgerichteten Informationsmittel und Abonnements von schweizerischen Zeitungen und Zeitschriften weltweit vermehrt angeboten. Daraus ergibt sich eine grössere Vertrautheit mit der Schweiz und eine gestiegene Nachfrage nach weiteren Informationen. Eine weitere Dienstleistung der Abteilung Kommunikation betrifft die Dokumentation innerhalb der Stiftung. Artikel aus Tageszeitungen oder Zeltschriften, die den Abteilungen und Diensten verteilt werden, informieren über Aktualitäten im in- und ausländischen Kulturleben. Diese Arbeit erfordert den Aufbau und die Betreuung einer hausinternen Bibliothek.

Für ihre Informationsaufgaben benötigt die Abteilung eine volle Zusatzstelle im Dokumentationsdienst, des weiteren eine/n Mitarbeiter/in für die vorgeschlagene Bibliothek, einen Raum zur Erstellung dieser Bibliothek sowie entsprechende finanzielle Mittel in der Höhe von Fr. 240 000 (bisher Fr. 200 000).

Produktion Die Publikationen "von Pro Helvetia entstehen auf Grund einer regen Nachfrage aus dem Ausland nach mehr Wissen über die Kultur der Schweiz. Hergestellt werden Publikationen, die Schweizer Vertage nicht produzieren. Als leicht verfügbare und handliche Prinfprodukte sind sie ideale Informationsträger im Ausland über Kultur in der Schweiz. Weltweif wurden 1993 insgesamt SO'OOO Exemplare von Pro-Helvetia-Publikationen vertrieben.

Allein an Broschüren werden von Schweizer Botschaften im Ausland, von ausländischen Kulturinstitutionen und von Privaten^egen 25 000 Exemplare bezogen. Broschüren liegen in sieben Sprachen vor, die Auflage beträgt jeweils rund 3000 Exemplare. Zudem werden Cinéportraîts als Begleitmaterial zu Aufführungen von Schweizer Autorenfilmen im Ausland und Künstlerhefte im Rahmen von Ausstellungen eingesetzt. Die Zeitschrift 'Passagen1 findet in ausländischen Medien immer wieder grossen Anklang. Sie erscheint in drei Sprachen.

Eine kontinuierliche Erweiterung des Programms und zusätzliche Sprachyersionen (Spanisch und Sprachen Ost- und Mitteleuropas) kommen den erhöhten Bedürfnissen nach. Seit der letzten Eingabe hat sich nicht das Ziel der Informatiohsarbeit im Ausland, sehr wohl aber der Kontext der
Arbeit stark verändert, und dies sowohl in politischer, gesellschaftlicher wie finanzieller Sicht. Denn gerade in der Zeit, da die finanziellen Mittel zunehmend knapper wurden, hat die Nachfrage nach Publikationen von Pro Helvetia stark zugenommen; was einerseits auf ein interessanteres Angebot und attraktivere Gestaltung der Publikationen zurückzuführen ist, andrerseits aber auch auf Umwälzungen politischer und gesellschaftlicher Art. Stichworte: Öffnung Europas, zunehmendes Nord-Süd-Gefälle, wachsendes Bedürfnis nach gut zugänglicher und lesbarer Grundlageninformation in einem immer hektischeren, vor allem durch die elektronischen Medien hastig vermittelten, kulturellen Umfeld.

Um dieses Publikationsprogramm zu befreuen, benötigen wir eine zusätzliche Stelle (Spanischkenntnisse, Redaktionserfahrung).

Das Budget müsste von derzeit Fr. 552 000 auf 1 Mio. erhöht werden.

934

1

Film Inland Die Bedeutung des Kulturaustausches hat seit der Abstimmung vom 6. Dezember 1992 noch zugenommen. Der Film ist für den vertieften Dialog zwischen den Sprachregionen in der Schweiz besonders geeignet, vermittelt er doch seinem Publikum immer auch die kulturelle Verankerung seiner Macherinnen und Macher. Veranstaltungen mit Schweizer Filmen in den jeweils anderen Sprachregionen sollten deshalb vermehrt gefördert werden.

Das Budget sollte von F. 25000.- auf Fr. 52'000.- erhöht und für diese Aktivität sollte ein Pensum von 2 Arbeitstagen pro Woche bereitgestellt werden.

Film Ausland Die Stiftung entwickelt ihre Filmarbeit im Rahmen des gesetzlichen Auftrags zum Kulturaustausch mit dem Ausland. Sie zeigt schweizerisches Autorenfilmschäffen überall auf der Welt, also auf 997% des Territoriums unseres Planeten.

Hauptsächlich sind drei Stossrichtungen der Arbeit zu nennen: 1) Informationen über die Schweiz werden mit Bildern und Tönen in die ganze Welt vermittelt.

Wie kaum ein anderes Medium ist der Film dazu geeignet, Lebens- und Denkweise, aber auch die Geographie eines Landes facettenreich in die Welt zu kommunizieren, seinen Alltag, aber auch seine Träume für jeden Zuschauer undjede Zuschauerin nachvollziehbar zu machen. Die Projektion von Schweizer Filmen im Ausland ist ein wirksames Mittel gegen die zunehmende Isolierung der Schweiz.

2) Dem Schweizer Autorenfilmschaffen ein Publikum auf der ganzen Welt fin den.

Die amerikanische Filmindustrie mit ihrem weltweit operierenden Verwertungssystem kontrolliert zur Zeit schon um 80% aller Leinwände. Inseln sind Indien, das eine eigene Filmindustrie mit eigenem abgeschirmten Markt hat, einige arabische Staaten und teilweise die Volksrepublik China. Um die «freien» 7-10% balgen sich sämtliche Filme, die nicht von Hollywood, Indien, Ägypten oder China hergestellt wurden, also alle europäischen, alle lateinamerikanischen, alle afrikanischen, alle australischen, viele asiatische Filme und auch noch das amerikanische Autorenfilmschaffen. Den freien Filmmarkt gibt es kaum mehr, weshalb auch Schweizer Rime nur ausnahmsweise irgendwo einen kommerziellen Verleih finden. Aber es gibt in beinahe allen Ländern kulturelle Institutionen, die Film zeigen: Cinematheken, Filmclubs, kommunale Kinos; mit ihnen arbeitet Pro Helvetia zusammen. In den allermeisten
Ländern können Schweizer Filme nur in Veranstaltungen von Pro Helvetia gesehen werden.

3) Mit ihrer Arbeit stärkt Pro Helvetia die film kultureilen Institutionen und hilft damit, das wichtigste Forum für den Schweizer Film erhalten. Wenn diese Institutionen verschwinden, zerfällt das Netz jener Leinwände, auf denen Schweizer Filme überhaupt noch gezeigt werden können, 1993 erreichte Pro Helvetia in knapp 600 Vorstellungen mit 111 verschiedenen Titeln (Spiel-, Dokumentär-oder Kurzfilme) 120'000 Zuschauer. Dies ist beachtlich, aber verglichen mit 1989, wo mit rund l '000 Vorstellungen gegen 200'000 Zuschauer erreicht wurden, doch eine

935

beunruhigende Abnahme. Diese ist allein auf die deutliche Verminderung der finanziellen Mittel zurückzuführen, durch Teuerung und Budgetkürzungen.

Der Schweizer Film ist gefragt. Aber wir sind gezwungen, viele Interessenten abzuweisen oder auf später zu vertrösten. Langfristig aufgebaute Kontakte in New York, Tokio oder Rio de Janeiro gehen wieder verloren, weil eine kontinuierliche Arbeit Mittel erfordert, die wir nicht haben.

Der Bund ist mit dem Filmgesefz verpflichtet worden, die Schweizer Filmproduktion zu fördern. Er ist daran interessiert, dass die Filme, die er fördert, gesehen werden. In einigen wenigen, aber wichtigen Städten wie Paris, New York, Tokio und Rio de Janeiro sollten Veranstaltungen mit Schweizer Filmen zu einem alljährlich wiederkehrenden Ereignis ausgebaut werden. Unkonventionelle Formen wie mobiles Kino wären in Ländern zu ermöglichen, die nicht über filmkulturelle Institutionen mit eigener Infrastruktur verfügen.

Know-how und Beziehungen sind vorhanden; was fehlt, sind finanzielle Mittel und Arbeitskapazität. Fr. 1'341'000.-jährlich {Budget 1994:864'OUO.-; 1990 1,05 Mio.l] und 4,5 Personaleinheiten {1994:2,8) würden effiziente Arbeit ermöglichen.

936

Teil Hi Vorbemerkung zu Teil 111 Pro Helvetia ist sich der Lage der Bundesfinanzen nicht nur sehr bewusst, sie hatsie uberdies bereits drastisch am eigenen Leibe erfahren. In Berucksichtigyng dieser finanzpolitischen Lage knupft die Stiftung nicht - wie dies eine zukunftsgerichtete Erfullung ihrer Aufgaben eigentlich erheischen wCirde - an ihren Antragen in der Eingabe 1992-1995 an, sondern reduzjert diese im vorliegenden Dokument in einem Umfang, wie er ihr, der Not gehorchend, noch vertretbar scheint.

Finanzen Gesamtubersicht Eingabe

1 996-99

Budget (Fr.)

Total Inland

in %

9' 1 74'000

Total Ausland

25.48

16'091'000

44.70

Pool

l'515'OOO

4.21

Funktionelle Kosten

9'220'OCX)

25.61

Produklionskoslen

2'320'000

bisher Franken ·

in%

7'9<58'000

30.07

12'254'000

46.24

6'278'000

23.69

7.83

I728'000

6.52

Expertenlatigkeit

600'OQO

"

1.67

450XXX)

1.70

Beratung, Vermitllung, ConlrolBng/Evalualion

«0'000

-

1.11

300XXX)

1.13

15.00

3'800'000

VerwaltungsKosten

5'400'000

Total

36'000'000

Engabel996-99

144Mio.

Jahresdurchschnitt

36 Mb.

Bngabel992-95

1 68 Mio.

1992- 37 Mio.

·

100

effektiv erhalten: 1 06 Mio.

1993 25 Mio.

1994 44Mio.

19942fiMto.

38 Bundesblatt 147. Jahrgang. Bd.H

100

·

1992 28 Mio.

1993 41Mto.

1995 46 Mio.

26'SOO'OOO

14.34

1995 27 MiO.

937

Finanzen Gesamtubersicht Inland

Eingabe 1996-99 Budget (Fr.)

Abteilung

bisher

SOO'OOO lOO'OOO 400'ODO

608'DOO

l'407'OOO SOO'OOO 150'OQO 150'OOQ 307'000

1'220'000

l'906'OOO

Werkauftrage fur Obersetzer Arbeitsbeitrage Kulturaustausch Druckbeitrage Zeltschriften Verlagspramien

2'560'000 750'OOG ISO'OOO 250'000 SOO'OOO SOO'OOO 260'000 ISO'OOO

IV

Theater

1'895'OOX)

l'682'OOO

IV

Tanz

SOO'OOO

849'000

V

Erwachsenenbildung/ Animation / Volkskultur Kulturmobil Stapferhaus Enzelprojekte

l'380'OOO

1'026'000

I

Visuelle Kunsio Ausstellungen (Austausch) Kunstpubllkationen

II

Muslk Urauffuhrungen CD-Produktion KompositionsauftrSge -Musik {Austausch)

III

VII

Total Inland

938

Uteratur Werkauftrage

Kommunlkatlon, Rim Information Rim (Austausch)

212'000 140'QOO 52'OOQ

175'000

Volkskultur/Helmat-und Naturschutz

420T000

502'000

9'174'000

7'968'000

Finanzen Gesamtubersicht

Ausland

Eingabe 1996-99 Budget (Fr.)

Abfeilung

I

bisher

Visuelle KOnste . Tradifioneller Bereich, Gesuche, neue Medien . Kooperationen mit auslandischen Partnern

2'663'000

II

Musik

1'900'000

111

Literatur Obersetzungen, Druckbeitrage Bucherverteilung Belletristikversand Literaturveranstaltungen

1'306*000 600'000 SOO'OOO 200'OOQ 206'000

IV

Theater

IV

Tanz

VI

R&eaux Initiatives Milano Kairo Paris Berlin Accueil et Echanges Kulturaustausch SOd-Nord Kulturaustausch Ost-West

VII

Kommunlkaflon, Film Kommunikation

Film

EDA-Kredit

Total Ausland

2'391'000

2'000'OOQ 663'OOD

l'531'OOO

970'000

1'500'000

1'225'000

678rOOO

SOO'OOO

5'583'DOO I'll 6'000 485'QOO 190'000 2'018'000 lOO'OOO

3'938'000

1'001'000 673'000 bisher durch sepamten (Credit finana'ert

'2'261'000 920'000 l'341'OOO

I'699'OOO 835'OCO 864'000

200'DOO

188'000

16'09TOOO

12'254'000

939

»ER5ONAL

STAND: JUÜ 1994 Besetzt e EtatStellen 1994

Gewönsch eAuftockun a

996999

DIREKTION

3.90

0.20

4.10

ABTEILUNG t

4.70

0.80

5.50

2.30

1.00

3.30

4.20

0.80

5.00

2.00

1,40

3.40

0.80

1.20

2.00

6.90

3.90 D

10.80

8.60

3.00

11.60

5.80

2.30

8.10

.39.20

14.60

53.80

Visuelle Künste ABTEILUNG II

t

Musik ABTEILUNG III

Literatur ABTEILUNG IV

Theater + Tanz ABTEILUNG V

Erwachsenenbildung ABTEILUNG VI

Réseaux ABTEILUNG

VII

Kommunikation ABTEILUNG VIII

Administration

1) inkl. 2 Stellen Milano'

7408

940

Bundesbeschluss über die Finanzierung der Tätigkeiten der Stiftung Pro Helvetia in den Jahren 1996-1999

Entwurf

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 85.Ziffer 10 der Bundesverfassung, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 18. Januar 1995 ", beschüesst: Art. l Der Bund gewährt der'Stiftung Pro Helvetia. zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben in den Jahren 1996-1999 folgende Finanzmittel: 1996 28 Millionen Franken, 1997 29 Millionen Franken, 1998 30 Millionen Franken, 1999 31 Millionen Franken.

Art. 2

Dieser Beschluss ist nicht allgemeinverbindlich; er untersteht nicht dem Referendum.

7408

» BB1 1995 II 892 941

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft über die Finanzierung der Tätigkeiten der Stiftung Pro Helvetia in den Jahren 1996-1999 vom 18. Januar 1995

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1995

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

17

Cahier Numero Geschäftsnummer

95.004

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

02.03.1995

Date Data Seite

892-941

Page Pagina Ref. No

10 053 442

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Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.