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No. 47

Bundesblatt

79. Jahrgang.

Bern, den 23. November 1927.

Band II.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- and Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgebühr : 50 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an Stämpfli & de. in Bern.

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Zu 2255

II. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Dezembersession 1927).

(Vom 22. November 1927.)

Wir beehren uns unter Vorlage der Akten über weitere 25 Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen.

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Albin Ruppli, geb. 1880, Pflästermeister, Zürich, Gottfried Gautschi, geb. 1883, Zimmermeister, Gränichen (Aargau), Alfred Schwab, geb. 1880, Zimmer- und Schreinermeister, Ins (Bern), Paul Hämmerli, geb. 1882, Baumeister, Ins (Bern).

(Unfall versicherungs be trug. )

Gemäss den Art. 64 und 66 des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung vom 18. Juni 1911 sind verurteilt worden: 76. Albin Ruppli, verurteilt am 24. Mai 1927 von der III. Kammer des Obergerichts de& Kantons Zürich zu 14 Tagen Gefängnis.

Euppli hat als verantwortlicher Mitinhaber eines Pflästereiunternehmens die im Unfallversicherungswesen vorgeschriebenen Lohnlisten nicht richtig geführt und der Unfallversicherungsanstalt in den Jahren 1922--1925 wissentlich unwahre Angaben gemacht. In Betracht kommt ein fortgesetzter Versicherungsbetrug in der Höhe von mindestens Fr. 2000. Euppli ist dermalen Konkursit; das Geschäft wird unter dem Namen der Ehefrau weiterbetrieben.

Euppli ersucht in nicht selbst verfasster Eingabe um gänzlichen oder doch bedingten Erlass der Gefängnisstrafe. Die Prämienhinterziehungen habe er in einer Notlage begangen, uni den Konkurs abzuwenden; da die von der Anstalt ausbezahlte Versicherungssumme kaum einen Drittel der Prämie betrage, habe er geglaubt, die Anstalt nicht zu schädigen. Bei seiner sonstigen Unbescholtenheit bedeute der Strafvollzug eine Härte und einen nicht wieder gutzumachenden Makel.

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Nach dem Polizeibericht befindet sich Euppli in finanziell schlechten Verhältnissen. Die Angaben des Berichtes verschaffen den Eindruck, dass der Gesuchsteller zwar ein fleissiger Arbeiter ist, jedoch -weder seinen Haushalt noch das Geschäft zu leiten versteht.

Die Bezirksanwaltschaft Zürich, die kantonale Staatsanwaltschaft und die schweizerische Unfallversicherungsanstalt beantragen einhellig Abweisung.

Die Bezirksanwaltschaft betont, dass die Fälle von Unfallversicherungsbetrug sich auffallend mehren. Der Strafvollzug sei in "Wirklichkeit für Euppli durchaus erträglich, zudem werde hinsichtlich des Zeitpunktes tunlichste Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Gesuchstellers zugesichert.

Im Anschluss an frühere, von der Begnadigungsbehörde zum Beschluss erhobene Anträge (Nr. 4 des I. Berichtes vom 5. November 1926 und dortige Hinweise, Bundesbl. II, 601) beantragen wir, das Gesuch abzuweisen. Die Angelegenheit ist von den Kantonsbehörden eingehend behandelt worden, was die Urteilserwägungen des Bezirksgerichtes Zürich und des kantonalen Obergerichtes überzeugend dartun. Die Strafausmessung wird des nähern begründet; dass eine Freiheitsstrafe beantragt und in erster und oberer Instanz ausgesprochen wurde, entspricht der verschärften Gerichtspraxis in verschiedenen Kantonen und ist auf die in der Tat zunehmenden Versicherungsbetrügereien zurückzuführen. Die Unfallversicherungsanstalt und die kantonalen Strafbehörden stimmen hinsichtlich der Notwendigkeit eines wirksamen K a m p f e s gegen Prämienbetrüger überein, und es liegt auf der Hand, dass es keinesfalls Sache der Begnadigungsbehörde sein kann, die Wirkung dieser verschärften Bechtssprechung unnötig abzuschwächen. Die Unfallversicherungsanstalt verweist in einem ihrer Berichte bezeichnenderweise darauf, dass das Bekanntwerden von Verurteilungen zu Freiheitsstrafen bereits verschiedentlich die genauere Führung von Lohnlisten und Lohndeklarationen bewirkt habe, ferner bezieht sie sich auf eine einschlägige Äusserung im Organ des schweizerischen Baurneisterverbandes, wo in der Frage der Prämienhinterziehung geschrieben wurde, die Aufforderung der Anstalt zu korrekter Lohndeklaration werde unterstützt : «Wer wahrheitswidrige Angaben macht, verletzt mit den gesetzlichen Vorschriften auch die elementarsten Forderungen der Kollegialität. Es
ist durchaus zu billigen, wenn alle Fälle von absichtlicher Täuschung rücksichtslos zur Anzeige gebracht und bestraft werden.» Dieser Auffassung mag erläuternd beigefügt werden, dass die Machenschaften fehlbarer Betriebsinhaber in Wirklichkeit nicht die Versicherungsanstalt, sondern die Gesamtheit der in ihr vereinigten Prämienzahler schädigen ; sollte das hier beanstandete Verhalten Schule machen, so müsste die Anstalt letzten Endes ihre Prämien erhöhen.

Zu diesen allgemeinen Erwägungen kommt im Falle Buppli hinzu, dass er sich der vorangegangenen Verwarnung zum Trotz jahrelang fortgesetzt verfehlt hat. Bei dieser Sachlage vermögen unseres Erachtens die geltend gemachten Kommiserationsgründe weder die gänzliche noch die bedingte Be-

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gnadigung zu begründen, wenn auch im übrigen an der sonstigen Unbescholtenheit des Gesuchstellers nicht gezweifelt werden soll.

77. Gottfried Gautschi, verurteilt am 30. März 1927 vom Bezirksgericht Aarau zu 8 Tagen Gefängnis und Fr. 300 Busse.

Gautschi hat in den Jahren 1918--1925 als Zimmermeister die Lohnbücher und Lohndeklarationen unrichtig geführt; die Prämienhinterziehung beträgt nahezu Fr. 3000.

Gautschi ersucht in nicht selbst verf asster Eingabe um Erlass der Gefängnis strafe, damit ihr Makel nicht zeitlebens auf ihm laste. Das Zimmereigeschäft habe er im Frühjahr veräussern müssen und sei dermalen wieder Lohnarbeiter.

Die unrichtige Führung der Bücher und Listen hange damit zusammen, dass er als kleiner Handwerker die kaufmännischen Arbeiten nur notdürftig habe bewältigen können.

Der Gemeinderat von Gränichen befürwortet das Gesuch; der für Gautschi in persönlicher Hinsicht günstige Bericht bezeichnet ihn im Juni 1927 noch als Zimmermeister. Dasselbe trifft zu im Arztzeugnis betreffend Erkrankung an Ischias.

Das Bezirksgericht Aarau begnügt sich mit dem Hinweis auf die Strafakten; das Gericht hätte den bedingten Strafvollzug, sofern dieser zulässig gewesen wäre, verweigert, weil Gautschi dieser Massnahme nach den Verumständungen der Tat nicht würdig sei. Die Unfallversieherungsanstalt beantragt Abweisung.

Wir beantragen Abweisung. Das Bezirksgericht Aarau bezieht sich bezeichnenderweise auf den Straffall Kaufmann, Vater und Sohn, deren Begnadigungsgesuche betreffend Gefängnisstrafen von je vier Wochen in der Sommersession 1926 antragsgemäss abgewiesen worden sind (Nr. 12/13 des I. Berichtes vom 4. Mai 1926, Bundesbl. I, 630 ff.). Im übrigen verweisen wir des nähern auf die TJrteilserwägungen und wiederholen die bei Buppli geltend gemachten Gesichtspunkte.

78. Alfred Schwab, verurteilt am 2.März 1927 von der ersten Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern zu 4 Tagen Gefängnis und Fr. 300 Busse.

Schwab hat seit 1918 als Inhaber einer mechanischen Schreinerei die Lohnlisten planmässig unvollständig gefühlt und die Listen nicht vorschrifts gemäss aufbewahrt; die hinterzogene Prämiensumme beträgt mindestens über Fr. 1000. An Nachprämien für die Jahre 1920--1922 hat Schwab Fr. 957. 70, für die Jahre 1928--1925 Fr. 1942. 55 zu entrichten.

Schwab ersucht in nicht selbst verf asster
Eingabe um Erlass der Gefängnisstrafe. Die Folgen des Strafvolkuges würden zu den sofort eingestandenen Verfehlungen in keinem Verhältnis sein. Schwab Bei als Bürger und als Handwerker durchaus unbescholten. Zum Konflikt mit der Versicherungsanstalt habe hauptsächlich seine mangelhafte Buchführung geführt; sie habe aber

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keineswegs der Prämienhinterziehung dienen sollen. Es sei Schwab gegangen wie noch manchem Handwerker, der Freude am Handwerk habe, aber nur mit Widerwillen an die Schreibarbeiten gehe. Jetzt werde ihm die Buchhaltung von dritter Seite nachgeführt. Derartigen Verhältnissen solle die Suva, der man wehrlos ausgeliefert sei, einigermassen Rechnung tragen. Das oberinstanzliche Urteil bedeute eine Lehre, die Schwab beherzigen werde, jedoch seien seine Verfehlungen nicht derart, dass sich eine entehrende Freiheitsstrafe rechtfertige. Als Ersatz für den fehlenden bedingten Strafvollzug, den das Gericht bei gesetzlicher Möglichkeit zugebilligt hätte, hoffe er auf die Begnadigung.

Der Gemeinderat von Ins stellt Schwab ein günstiges Zeugnis aus und unterstützt das Begnadigungsgesuch mit Nachdruck. Der RegierungsStatthalter des Amtsbezirkes schreibt, die Verfehlungen seien zum Teil nicht geringfügig, zum Teil mit Vorbedacht begangen. Im übrigen äussert er sich dahin, dass der Vollzug der Gefängnisstrafe eine Schädigung Schwabs zur Folge hätte, die zu den Verfehlungen in einem offenbarenMissverhältniss stehen -würde. Die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragt die bedingte Begnadigung. DieUnfallversicherungsanstaltt beantragt Abweisung, da die ganz krasse Prämienhinterziehung schonungslose Ahndung verlange.

Wie bei Ruppli und Gautschi hiervor b e a n t r a g e n wir Abweisung. Dem erstinstanzlichen Bussenurteil gegenüber erfolgte die Appellation der kantonalen Staatsanwaltschaft, weil Schwab trotz wiederholter Verwarnung während Jahren fortgesetzt unrichtig Buch führte und betrachtliche Prämienhinterziehungen beging, weil sich diese Verfehlungen in letzter Zeit immer mehrhäuften und ein wegleitendes obergerichtliches Urteil wünschbar machten.

Das Urteil der ersten Strafkammer des bernischen Obergerichts, das in diesem Zusammenhang von allgemeiner Bedeutung ist, betont die entgegenkommende fruchtlose Verwarnung durch die Anstalt und das nachherige s y s t e m a t i s c h fortgesetzte Treiben des Beschuldigten. Bei dieser Sachlage ergibt der Vergleich mit den Urteilen in Sachen Ruppli, Gautschi und früheren Fällen ohne weiteres, dass Schwab im Strafmass keineswegs zu scharf beurteilt worden ist. Die j a h r e l a n g betriebenen Machenschaften bewirken, dass sich die Angelegenheit zu einer Begnadigung
von vornherein wenig eignet, wozu noch kommt, dass die persönlichen Verhältnisse des Gesuchstellers vor der unbedingten Notwendigkeit zurücktreten, dem Überhandnehmen derartiger Machenschaften wirksam zu begegnen, d. h. mit Verurteilungen zu Freiheitsstrafen. In dieser Beziehung ist die Feststellung der Gerichte ausschlaggebend, dass zur Bekämpfung des überhandnehmenden Versicherungsbetruges die Anwendung der -- gesetzlich vorgesehenen -- Freiheitsstrafe da notwendig geworden sei, wo nicht besonders entschuldbare Umstände vorliegen. Diese grundsätzliche Feststellung der Gerichte kann mit dem Einwand des Gesuchstellers, die Freiheitsstrafe sei ungerechtfertigt, oder mit der (bei Hämmerli hiernach) generell erhobenen Behauptung, das Rechtsempfinden sträube

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sich dagegen, keineswegs durchkreuzt werden; denn dies Märe nicht mehr Ausübung des Begnadigungsrechtes, sondern Korrektur des vom Gesetzgeber absichtlich dem Bichter eingeräumten Strafrahmens. Die bedingte Begnadigung schliesslich liegt namentlich deshalb nicht besonders nahe, weil die anfängliche Verwarnung, die Schwab vor schärferem Einschreiten hätte bewahren können und sollen, beharrlich missachtet wurde.

79. Paul Hämmerli, veiurteilt am 24. März 1927 vom korrektionellen Bichter von Erlach zu 2 Tagen Gefängnis und Fr. 200 Busse.

Hämmerli hat in den Jahren 1923--1925 als Inhaber einer mechanischen Zimmerei die Lohnlisten systematisch unrichtig geführt; die Prämienhinterziehung beträgt mindestens mehrere Hundert Franken. Ferner machte sich Hämmerli gegenüber einem Organ der Versicherungsanstalt der Auskunftsverweigerung schuldig.

Hämmerli stellt durch seineu Anwalt das Gesuch um Erlass von Gefängnisstrafe und Busse, oder doch der Gefängnisstrafe. Die längere Eingabe, auf die für Einzelheiten verwiesen sei, erörtert zunächst den Geschäftsbetrieb des Gesuchstellers, die Verhältnisse im Zeitpunkt der Auskunftsvei^eigerung, die Ursachen der mangelhaften Buchhaltung. Ferner wird geltend gemacht, dass sich Hämmerli in verschiedenen Stellungen dem Gemeinwesen selbstlos zur Verfügung gestellt habe und einen durchaus guten Buf gemesse. Die Begnadigung sei angezeigt als Ersatz für den fehlenden bedingten Strafvollzug.

Der Gemeinderat von Ins befüiwortet das Gesuch mit Nachdruck. Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes bemerkt, die Verfehlungen seien nicht so leicht, wie dies die Gesuchsanbringer darstellen möchten. Immerhin könne der Erlass der Gefängnisstrafe empfohlen werden, indem ihr Vollzug für Hämmerli Nachteile nach sich ziehen müsste, die zu den, zwar gravierenden, Verfehlungen in keinem Verhältnis stehen würden. Das Bechtsempfinden sträube sich gegen die wenn auch kurze Freiheitsstrafe. Die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragt die bedingte Begnadigung. Die TJnfallversicherungsanstalt beantragt Abweisung mit dem Hinweis auf die ganz krassen Verfehlungen.

Wie in den vorausgegangenen Fällen b e a n t r a g e n wir Abweisung. Auch hier wurde eine Verwarnung in den Wind geschlagen; die 1921 schriftlich erfolgte Zusicherung, die Lohnlisten den Vorschriften anzupassen, blieb wirkungslos. Für
die unerhörten Schwierigkeiten, die Hämmerli der Kontrolle der Versicherungsanstalt im Jahre 1926 in den Weg legte, sei auf die Vernehmlassung der Anstalt selbst verwiesen. Jm übrigen gelten unsere Ausführungen zu den andern Angelegenheiten auch in diesem Fall.

80. Gottfried Äschbacher, geb. 1875, Landwirt, Nidau (Bern).

(Lebensmittelpolizei. ) Gottfried Ä s c h b a c h e r ist am 3. September 1927 vom korrektionellen Gericht von Nidau gemäss Art. 36 des Bundesgesetzes betreffend den Ver-

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kehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegeuständen vom 8. Dezember 1905 zu 20 Tagen Gefängnis, Fr. 150 Busse und Fr. 110.10 Kosten verurteilt worden.

Äschbacher hat im Februar 1927 unter mehreren Malen der Milch Wasser zugesetzt und die verwässerte Milch in Verkehr gebracht.

Äschbacher ersucht in nicht selbst verfasster Eingabe um Erlass der Gefängnisstrafe. Die Verfehlungen, deren Begehung ihm heute unerklärlich sei, bereue er in hohem Masse. Der Strafvollzug gefährde seine angegriffene Gesundheit und verunmögliche ihm und der Familie das weitere Fortkommen.

Bei seiner sonstigen Unbescholtenheit möge man die Begnadigung aussprechen, um die Ehre der Familie zu retten.

Der Regierungsstatthalter des Amtsbezirkes, die Direktionen des Innern und der Polizei des Kantons Bern beantragen Abweisung.

Mit dem eidgenössischen Gesundheitsamt beantragen wir desgleichen, das Gesuch abzuweisen. Aus Gewinnsucht wurde der Milch 19 bis 31 % Wasser beigemischt. Besondere Kommiserationsgründe fehlen, insbesondere besteht keine Notlage. Die Strafe ist zwar scharf ausgefallen, eine eigentliche Härte liegt aber nicht vor.

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Ludwig Hauser, geb. 1896, Handlanger, Gippingen (Aargau), Xaver Kalt, geb. 1906, Landwirt, Gippingen, Fritz Kalt, geb. 1909, Fabrikarbeiter, Gippingen, Hans Knecht, geb. 1906, Knecht, Gippingen, Emil Meister, geb. 1901, Fabrikarbeiter, Wimmis (Bern), Johann Boss, geb. 1884. Maurer. Oey-Dienitigen (Bern), Anton Guntli, geb. 1875. Landwirt. Meh (St. Gallen), Emu Rüttnauer, geb. 1865. Heizer, Wallbach (Baden), Eugène SteuUet, geb. 1873. Inhaber einer Vogelzucht, Corban (Bern), Louis Bron, geb. 1894. Milchhändler, Corban.

(Jagdvergehen.)

Gernass Bundesgesetz; über Jagd und Vogelschutz vom 10. Juni 1925 sind verurteilt worden: 81--84. Ludwig Hauser, Xaver Kalt, Fritz Kalt, verurteilt am 29. Juni 1927 vom Bezirksgericht Zurzach gemäss Art. 43, Ziffer 3, des Bundesgesetzes je zu Fr. 100 Busse, Hans Knecht, in Verbindung mit kantonalem Strafrecht, zu Fr. 108 Busse.

Die vier Vorgenannten haben bei einem Sonntagsspaziergang mit drei andern, noch nicht 18jährigen, vor einem Fuchsbau ein Feuer angezündet, um einen jungen Fuchs auszuräuchern. Gleichen Tags gab Knecht im Walde aus einer Pistole mehrere Schüsse ab.

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Sämtliche stellen durch einen Anwalt das Gesuch um gänzlichen oder doch teilweisen Erlass der Bussen. Die Gesuchsteller seien sich, bei der Harmlosigkeit des Vorfalles, eines Jagdvergehens nicht bewusst gewesen. Der gute Leumund lasse eine Begnadigung zu, femer dürfe berücksichtigt werden, dass die Bussen im Verhältnis zum kleinen Verdienst ausserordentlich hoch seien.

Das urteilende Gericht befürwortet die teilweise Begnadigung bereits in den Urteilserwägungen.

Mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen wir bei Hauser und den beiden Kalt Herabsetzung der Bussen bis Fr. 20, bei Knecht bis Fr. 80. Die Akten und Urteilserwägungen bestätigen die Gesuchsanbringen, wonach es sich mehr um einen unüberlegten Streich als ein ernsthaftes Jagdvergehen handelte; die Verfehlung ist geringfügiger Art, insbesondere konnte das unzweckmässig durchgeführte Eäuchern kaum zur Erlegung des Fuchses führen. Bei Knecht ist das ausserdem vorhandene kantonalrechtliche Vergehen gegen Ordnung und Sicherheit auch im Begnadigungsweg in Betracht zu ziehen.

85 und 86. Emil Meister und Johann Boss, verurteilt am 1. Juli 1927 von der ersten Strafkammer des Obergerichtes des Kantons Bern gemäss Art. 44 des Bundesgesetzes je zu Fr. 100 Busse.

Boss hat dem Meister ein zusammenlegbares Kugelgewehr verkauft, das dieser in der Folge seinerseits zum Verkauf ausschrieb.

Meister ersucht um Erlass, Boss um Erlass oder doch Ermässigung der Busse. Das unbeholfene Gesuch Meisters betont die Gesetzesunkenntnis des Gesuchstellers, seine äusserst ärmlichen Verhältnisse, die drohende Umwandlungsstrafe, den guten Leumund. Der Betrag der Busse würde der unterernährten Familie den ganzen Winter über für Milch und Brot ausreichen.

Boss behauptet ebenfalls Gesetzesunkenntnis, ferner verweist er auf geschwächte Gesundheit, wiederholte Arbeitslosigkeit und schwere Familienlasten. Die Bussenentrichtung sei ihm unmöglich, namentlich möge man den vor zwei Jahren erlittenen Brandschaden berücksichtigen.

Der Begierungsstatthalter von Niedersimmental bestätigt die ärmlichen Verhältnisse Meisters und empfiehlt sein Gesuch; dagegen hält er dafür, Boss sei einer Begnadigung unwürdig. Die Forst- und Polizeidirektionen des Kantons Bern beantragen in beiden Fällen Ermässigung der Bussen bis Fr. 20.

Mit der eidgenössischen
Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei be antragen wir, bei Meister die Busse bis Fr. 20 zu ermässigen, da ganz ärmliche Verhältnisse zutreffen und die Gesuchsanbringen im allgemeinen ein kommiserationsweises Entgegenkommen nahelegen. Bei Boss beantragen wir Abweisung; neben dem überaus ungünstigen Bericht des Eegierungsstatthalters ist eine Freiheitsstrafe vom 10. April 1927, mit bedingtem Strafvollzug, wegen Pfändungsbetruges zu nennen.

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87. Anton G un t li, verurteilt am 17. Mai 1927 von der Gerichtskonmiission Sargans gemäss den Art. 40, Abs. 2, und 42, Abs. l, des Bundesgesetzes in Verbindung mit kantonalem Jagdrecht zu Fr. 800 Busse.

Guntli erschlug in Banngebiet zwei von einem Hund gepackte Dachse.

Guntli ersucht um Herabsetzung der zu hohen Busse, deren Betrag ihn hart treffe; man möge namentlich berücksichtigen, dass ihn mannigfaches Unglück im Stall schwer heimgesucht habe.

Der Ortsgemeindepräsident bestätigt die Gesuchsanbringen und befürwortet das Gesuch mit dem Beifügen, Guntli habe damals nicht gewusst, dass er sich auf Freiberggebiet befinde. Das Justizdepartement des Kantons St. Gallen beantragt Herabsetzung der Busse bis Fr. 200.

Mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei berücksichtigen wir auf Grund der Urteilserwägungen, dass kein wissentlich in Banngebiet begangenes Vergehen zutrifft, und legen das Hauptgewicht auf die Strafdrohung von Fr. 50 bis 400 wegen widerrechtlichen Jagens. Wir beantragen Herabsetzung der Busse bis Fr. 100.

88. Emil Eüttnauer, verurteilt am 29. Juni 1927 vom Bezirksgericht Eheinfelden gemäss Art. 45 des Bundesgesetzes und der kantonalen Vollziehungsverordnung zu Fr. 50 Busse.

Der Wolfshund Eüttnauers, den dieser frei mit sich führte, hat eine säugende Häsin aufgejagt und zerrissen.

Eüttnauer ersucht, ihm Busse und Kosten zur Hälfte zu erlassen. Er Tbedaure den Vorfall. Der Hund gehöre einem Bekannten und sei ihm nachgelaufen. Als Fabrikarbeiter schlage er sich mühsam durch.

Das urteilende Gericht beantragt Abweisung.

Mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen \\ir Abweisung. Die Gesuchsanbringen widersprechen den Strafakten, wonach Eüttnauer Eigentümer des Hundes war. Das Gericht ist erschwerender Umstände halber über die Mindest busse hinausgegangen. Begnadigungsgründe liegen nicht vor.

89 und 90. Eugène Steullet und Louis Bron, verurteilt am 28. August 1927 von der ersten Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern, im wesentlichen in Bestätigung der erstinstanzlichen Verurteilung, gemäss den Art. 40, Abs. 2, und 64 des Bundesgesetzes in Verbindung mit kantonalem Jagdrecht je zu Fr. 60 Busse und Fr. 20 Schadenersatz an die Kantonskasse.

Steullet und Bron haben zu geschlossener Jagdzeit einen Hasen eingefangen.
Beide ersuchen in nicht selbst verfasster Eingabe um Herabsetzung der Bussen und der Beträge betreffend Schadenersatz. Hierzu wird in der Hauptsache, wie im Strafverfahren, der dem erst- und oberinstanzlichen Urteil zugrunde liegende Sachverhalt abgestritten, indem nicht ein Hase sondern ein

481 Kaninchen behändigt worden sei. Dem rechtskräftigen Urteil der kantonale« Appellationsinstanz gegenüber, das unrichtig sei, bleibe einzig der Begnadigungsweg offen. Steullet und Bron seien patentierte Jäger und hätten ein fehlerhaftes Verhalten sicherlich zugegeben; leider hätten sie sich vor dei ersten Instanz mangelhaft verteidigt. Die Angelegenheit dürfe mit den hohen Gerichts- und Verteidigungskosten ihre Erledigung finden.

Die Forst- und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen AI · Weisung.

Mit der eidgenossischen Inspektion für Porstwesen, Jagd und Fischerei beantragen wir hinsichtlich der Bussen Abweisung; mit dem Schadenersatz hat sich die Begnadigungsbehörde überhaupt nicht zu befassen. Die Tatbestands- und Beweisfragen sind von den kantonalen Strafbehörden einlässlich überprüft worden. Der Verfasser des Gesuches anerkennt zudem selbM.

dass die Begnadigungsbehòrde sich damit nicht neuerdings zu befassen hai.

Anderweitige Gründe, die eine Begnadigung ernstlich nahelegen, fehlen. Dit ordentlichen Folgen einer abgewiesenen Appellation sind jedenfalls nicht ohne weiteres im Wege der Begnadigung zu beheben.

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August Sigrist, geb. 1898, Händler, ötwil a. See (Zürich), Walter Knapp, geb. 1902, Kaufmann, Allschwil (Basellandschaft), Otto Aeberhardt, geb. 1899, Landwirt, Kirchberg (Bern), Max Falkner, geb. 1892, kaufmannischer Angestellter, Allschwil (Basellandschaft), Hans Känzig, geb. 1894, Schreiner, Wiedlisbach (Bern), Etienne Cläre, geb. 1901, Maler, Thun (Bern), Samuel Bolliger, geb. 1885, Landwirt Schmiedrued (Aargau), Gottlieb Hertig, geb 1898, Beisender, Basel, Airred Mast, geb. 1898, Schweinewärter, Chavornay (Waadt), Hugo Christen, geb. 1897, Packer, Bern, (Militärpflichtersatz.)

Gemäss Bundesgesetz vom 29. März 1901 betreffend Ergänzung des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz sind wegen schuldhafter Nichtentrichtung des Militärpflichtersatzes verurteilt worden: 91. August Sigrist, verurteilt am 15. Mai 1926 vom Bezirksgericht Höfe zu 5 Tagen Gefängnis, 2 Jahren Stimmrechtsentzug und 2 Jahren Wirtshausverbot, ferner am 27. Januar 1927 vom Bezirksgericht der March zu 4 Tagen Arrest und 2 Jahren Wirtshausverbot, beide Urteile den Militärpflichtersatz von Fr. 42 für 1924 betreffend.

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Sigrist ersucht in nicht selbst verfasster Eingabe um Erlass der Freiheitsstrafe von 4 Tagen. Die Gesuchsanbringen befassen sich mit den beiden Strafverfahren, ferner wird auf den früheren Militärdienst und ein angeblich damit in Zusammenhang stehendes Leiden Bezug genommen und weiter geltend gemacht, im Jahre 1924 sei Sigrist ausserstande gewesen, rechtzeitig zu zahlen.

Das Militärdepartement des Kantons Schwyz teilt mit, auf den Vollzug des Urteils vom 27. Januar 1927, das mit dem Ergänzungsgesetz in "Widerspruch steht, sei bereits verzichtet worden. Falls sich der Zusammenhang zwischen Dienstuntauglichkeit und Erkrankung im Dienst erweisen lasse, seien die Kantonsbehörden einverstanden, dass auch der Vollzug der Strafe vom 15. Mai 1926 unterbleibe und die Ersatzabgabe abgeschrieben Werde.

Die eidgenössische Militärversicherung verneint den Zusammenhang des Leidens mit dem Militärdienst.

Mit der eidgenössischen Steuerverwaltung beantragen wir, die Haftstrafe vom 15. Mai 1926 bis zu 2 Tagen zu ermässigen und den Stimmrechtsentzug sowie das Wirtshausverbot für den verbleibenden Zeitraum aufzuheben.

Ferner b e a n t r a g e n wir. die ungesetzliche Strafe vom 27. Januar 1927 förmlich zu erlassen. Mit unseren Anträgen berücksichtigen wir den nicht ganz einwandfreien Verlauf der Strafverfahren, namentlich aber die ordnungsgemässe Entrichtung der Ersatzabgabe für 1925 und 1926. Die gänzliche Begnadigung wäre hinwiederum keineswegs am Platze, was die Akten und der zusammenfassende Bericht der Steuerverwaltung ohne weiteres dartun.

92. Walter K n a p p , verurteilt am 12. Juli 1927 vom Polizeigericht von Ariesheim za 5 Tagen Gefängnis, den Militärpflichtersatz von Fr. 87 für 1926 batreffend.

Knapp, der am 3. September bezahlt hat, ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe. Der Strafvollzug schädige ihn ausserordentlich. Die rechtzeitige Begleichung der Schuld sei infolge misslicher Geschäftsverhältnisse und schwerer Erkrankung unmöglich gewesen. Fortan werde er pünktlich zahlen; die Ersatzabgabe für 1927 ist bereits am 21. Oktober entrichtet worden.

Die Militär- und Polizeidirektionen des Kantons Basellandschaft befürworten Herabsetzung der Strafe bis zu 2 Tagen.

Da der Gesuchsteller geschäftlich schlechte Zeiten hatte und dermalen ernstlich bemuht ist, seiner Zahlungspflicht zu genügen, beantragen
wir mit der eidgenössischen Steuerverwaltung Pierabsetzung der Gefängnisstrafe bis zu 2 Tagen. Die bedingte Begnadigung fällt unseres Erachtens namentlich deshalb ausser Betracht, weil Knapp vorbestraft ist. Im übrigen beziehen wir uns auf die Urteilserwägungen.

93. Otto Ae berhardt, verurteilt aru 12. Jali 1927 vom Gerichtspräsidenten von Burgdorf zu 3 Tagen Haft, den Militärpflichtersatz von Fr. 129.10 für 1926 betreffend.

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Aeberhardt, der am 30. Juni bezahlt hat, ersucht in nicht selbst verfasster Eingabe um Brlass der Haftstrafe. Die ursprüngliche Zahlungsverweigerung stehe im Zusammenhang mit dem Taxationsverfahren, wo ihm, wie er irrtümlich geglaubt habe, namentlich darin Unrecht geschehen sei, dass die (in Wirklichkeit nicht) anbegehrte Einvernahme unterblieb. Hernach, aber dem Urteilstermin noch vorgängig, habe er die Ersatzabgabe auf Anraten des Sektionschefs entrichtet und damit, wie der Sektionschef selbst, die Angelegenheit als erledigt erachtet. Deshalb und wegen dringlicher Beanspruchung in seinem landwirtschaftlichen Betrieb sei er dann der Hauptverhandlung ferngeblieben, immerhin unter Mitteilung an den Richter. Weiter verweist Aeberhardt auf den von 1918 bis 1924 geleisteten Militärdienst.

Der Sektionschef bestätigt den Irrtum des Gesuchstellers hinsichtlich des Begehrens um Einvernahme ; Aeberhardt habe dieses Begehren nicht für das Jahr 1926, sondern für 1927 gestellt. Ferner anerkannt er, der Meinung gewesen zu sein, Aeberhardt werde nach Begleichung der Ersatzabgabe freigesprochen und lediglich zu den Kosten verfällt werden. Der späteren Vernehmlassung des Sektionschofs an die eidgenössische Steuerverwaltung ist sodann zu entnehmen, dass Aeberhardt trotz zweier Mahnungen auch für 1927 nicht rechtzeitig bezahlt hat, was als unbegreifliche Starrköpfigkeit bezeichnet wird.

Der Eegierungsstatthalter des Amtsbezirkes empfiehlt das Gesuch, da Aeberhardt immerhin vor der Aburteilung bezahlt habe und er im übrigen ein in jeder Hinsicht gut beleumdeter Bauersmann sei. Das Kantonskriegskommissariat beantragt Herabsetzung bis zu einem Tag, die Polizeidirektion des Kantons Bern Abweisung.

Mit der eidgenössischen Steaerverwaltung beantragen wir Herabsetzung der Haftstrafe bis zu einem Tag. Die bedingte Begnadigung, die wir erwogen haben, liegt deshalb nicht besonders nahe, weil der gutgestellte Gesuchsteller trotz den jüngsten Vorgängen auch hinsichtlich der Ersatzabgabe für 1927 säumig blieb, so dass die erneute Überweisung an den Richter bevorstand, hätte nicht das freiwillige Eingreifen des Sektionschefs endlich die Bezahlung veranlasst.

94. Max Falkner, verurteilt vom Polizeigericht Ariesheim: a. am 23. September 1926 zu 10 Tagen Gefängnis, den Militärpflichtersatz von Fr. 244. 50 für 1918--1925 batreffend;
b. am 14. April 1927 zu 2 Tagen Gefängnis, den Militärpflichtersatz von Fr. 19. 50 für 1926 botreffend.

Falkner ersucht in zwei Eingaben um Erlass der Gefängnisstrafen. Der Strafe vom 23. September 1926 gegenüber verweist er auf den geleisteten Aktivdienst, eine angeblich damit zusammenhängende Erkrankung, den geringen Verdienst als Reisender, die vorhandenen Familienlasten. Die Strafe vom 14. April 1927 botreffend wiederholt er die zwei letzten Anbringen. In beiden Gesuchen versichert er, sich seinen Verpflichtungen nicht entziehen zu wollen.

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Der -wiederholte Meinungsaustausch zwischen den Kantons- und Bundesbehörden führte zu folgenden Anträgen: Die Militärdirektion dts Kantons Basellandschaft beantragt Herabsetzung der ersten Strafe (a) bis zu 2 oder 3 Tagen und Abweisung hinsichtlich der zweiten Strafe (b). Die eidgenössische Steuerverwaltung übernimmt diese Anträge.

Zusammenfassend bemerken wir, dass Falkner an sieb als Gesuchsteller kein besonderes Interesse erweckt; bezeichnenderweise hielt er sich während acht Jahren in Binningen unangemeldet auf, worauf er 1926. rückwirkend, eingt schätzt werden konnte. Irrtümlicherweise erfolgte dies dann auch für 1918-1920, obschon hier Verjährung vorlag, und das kurz nachher durchgeführte Strafverfahren (a) weist die Mängel auf, dass es die verjährten Ersatzabgaben mitbetrifft und dass eine Verurteilung erfolgte, obschon das gesetzliche Erfordernis zweier Mahnungen mit Fristansetzung ungenügend beachtet worden war. Die Verurteilung entbehrt mithin in formeller Beziehung der gesetzlichen Grundlage, ferner kommt hinzu, dass die Kantonsbehörden nachträglich die Gesamtschuld um Fr. 228 ermässigt haben. Die Anträge betreffend teilweise Begnadigung tragen diesen Umständen Rechnung. Unseres Erachtens kann ihnen beigepflichtet werden: die teilweise Begnadigung genügt, da Falkner, der im weitern Verlaufe nicht die geringste Teilzahlung aufbiachte, auch in einem gesetzmässig durchgeführten Verfahren zu verurteilenwar.. Hinsichtlich der zweiten Strafe (b), bzw. der ihr zugrunde hegendenErsatzabgabe,, erhärten die Urteilserwägungen sowie die Vernehmlassungen der kantonalen Militärdirektion und der eidgenössischen Steuerverwaltung übereinstimmend das trölerische Verhalten des Gesuchstellers. Falkner weist im Jahre 1926 wegen Urkundenfälschung eine bedingt aufgeschobene Gefängnisstrafe von l Monat auf.

Wir b e a n t r a g e n Herabsetzung der Gefängnisstrafe vom 28. September 1926 bis zu 2 Tagen, im übrigen Abweisung.

95. Hans Känzig. verurteilt am 6. April 1927 vom Gerichtspräsidenten von Wangen zu 8 Tagen Haft, den Militärpflichtersatz von Fr. 86.10 für 1926 betreffend.

Känzig. der am 4. April bezahlt hat, ei sucht um Erlass der Haftstrafe.

Hierzu macht er die nahezu 600 Aktivdiensttage. die angeblich im Zusammenhang mit dem Dienst eingetretene Erkrankung, dieübermässigee Einschätzung und die schweren
Familienlasten geltend.

Der Gemeinderat von Wiedlisbach bestätigt die äusserst prekären Verhältnisse und empfiehlt das Gesuch. Der Regierungsstatthalter beantragt aus Konsequenzgründen Abweisung mit dem Beifügen, Känzig sei für 1927 neuerdings dem Richter überwiesen. Das Kantonskriegskommissariat und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen desgleichen Abweisung. Die eidgenössische Steuerverwaltung beantragt Ermässigung der Haftstrafe lis zu einem Tag, insbesondere unter Hinweis auf einen neueren Bericht des Sektionschefs, wonach sich Känzig dermalen in einer eigentlichen Notlage befindet

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Da Saumseligkeit im Taxations- und Strafverfahren zutrifft, b e a n t r a g e n ·wir angesichts der gestellten Abweisungsanträge, der Vorstrafe betreffend die Ersatzabgabe von 1920, der zugebilligten Einschätzung nur zur Hälfte und der neuerdings notwendig gewordenen Überweisung an den Strafrichter, ·das Gesuch abzuweisen.

96. Etienne Cläre, verurteilt am 11. Eebruar 1927 von der ersten Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern zu l Tag Haft, den Best des Militärpflichtersatzes von Er. 27. 60 für 1926 betreffend.

Cläre, der die Eestschuld am 24. September 1926 bezahlt hat, ersacht um Erlass der Haftstrafe. Die Zahlungsverspätung sei auf anderweitige, dringliche Verpflichtungen zurückzuführen, worüber die Akten Auskunft geben könnten.

Infolge schlechten Geschäftsganges in früheren Jahren und daheriger Steuermckstände &ei er 1926 stark belastet gewesen. Er bestrebe sich, seiner Ersatzpflicht zu genügen, sei gut beleumdet und ohne Vorstrafe.

Der Polizeiinspektor von Thun schreibt, Cläre habe als Graphiker ein bescheidenes und unregelmässiges Einkommen, und befürwortet das Gesuch.

Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes empfiehlt das Gesiioh ebenfalls.

Das Kantonskriegskommissariat und die Polizeidirektioii des Kantons Bern beantragen Abweisung.

Mit der eidgenössischen Steuerverwaltung b e a n t r a g e n wir Abweisung.

Die erst- und oberinstanzlichen Urteilserwägungen ergeben, dass Cläre, der in kinderloser Ehe lebt und dessen Ehefrau ebenfalls verdient, die Ersatzabgabe rechtzeitig ganz und nicht bloss teilweise hätte entrichten können. Cläre mnsste schon in früheren Jahren dem Eichter überwiesen werden. Bei dieser Sachlage mag es bei der ergangenen Mindeststrafe sein Bewenden haben.

97. Samuel Bulliger, verurteilt am 22. April 1927 vom Bezirksgericht Kulm zu 2 Tagen Gefängnis, den Militàrpflichtersatz von Fr. 26.10 für 1925 betreffend.

Bolliger ersucht um parlamentarische Untersuchung seiner Angelegenheil, da es ihm leicht falle, die Behauptung eines Verschuldens zu widerlegen. Er bezieht sich auf einen Verlust von 5 Stück Vieh und eine damals notwendig gewordene Geldaumahme. Im übrigen beklagt er sich über verschiedene kantonale Amtsstellen.

Die Eingabe ist von den Kantonsbehörden als Begnadigungsgesuch behandelt worden. Das urteilende Gericht beantragt Abweisung.

Mit der
eidgenössischen Steuerverwaltung b e a n t r a g e n \vir Abweisung, soweit die Eingabe als Begnadigungsgesuch zu behandeln ist. In anderer Eigenschaft haben "die Bundesbehörden auf die Angelegenheit mangels Zuständigkeit nicht einzutreten. Die Berichte des Sektionschefs und des Ortsgemeinderates, sowie die Urteilserwägungen ergeben, dass die Gesuchsanbringpn mit dem in Wirklichkeit vorhandenen Sachverhalt nur teilweise übereinstimmen. Bolliger bestritt seinerzeit mit ähnlichen Anbringen auch
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Steuerpflicht in Gemeinde und Kanton, wurde aber hernach vom Bezirksgericht Aarau wegen Betrugs durch falsche Parteiversicherung zu 8 Wochen Gefängnis und Fr. 100 Busse verurteilt, mit bedingtem Strafvollzug hinsichtlich der Freiheitsstiafe.

98. Gottlieb Hertig. verurteilt am 8. September 1927 vom Polizeigericht Arlesheim zu l Tag Gefängnis, den Best des Militärpflichtersatzes von Fr. 20 für 1924 betreffend.

Hertig ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe. Er habe für Frau und Kind zu sorgen, verdiene wenig und sei wegen Erwerbslosigkeit gezwungen gewesen, während drei Jahren im Ausland zu reisen. Er würde sicherlich zahlen, wenn ihm dies möglich wäre.

Die Militär- und Polizeidirektionen des Kantons Basellandschaft beantragen Abweisung.

> Mit der eidgenössischen Steuerverwaltung b e a n t r a g e n wir Abweisung.

Während rund drei Jahren hätte Hertig die Angelegenheit ordnen sollen und können. Ferner verweisen wir auf die Vorstrafen.

99. Alfred Mast, verurteilt am 15. August 1927 vom Gerichtspräsidenten von Sehwarzenburg zu 3 Tagen Haft, den Militärpilichtersatz von Fr. 33. 20 für 1924 betreffend.

Mast ersucht in nicht selbst verfasster Eingabe um Erlass der Haftstrafe.

Er habe die rückständig gewesenen Beträge inzwischen bezahlt; die Ersatzabgabe für 1924 sei, was nicht zutrifft, vor der ersten Einvernahme entrichtet worden. Die ordnungsgemässe Begleichung sei ihm nicht möglich gewesen.

Der Strafvollzug gefährde seine Anstellung.

Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes, das Kantonskriegskommissariat und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen Abweisung.

Mit der eidgenössischen Steuerveiwaltung b e a n t r a g e n wir desgleichen Abweisung. Mast hat infolge unbekannten Aufenthaltes und Unterlassung der Meldepflicht die Durchführung des Strafverfahrens und die Veranlagung 1925/26 in arger Weise verschleppt. Die Urteilserwägungen, der Vorstrafenbericht, die Ausführungen im Polizeirapport sprechen gegen die Begnadigung.

100. Hugo Christen, verurteilt am 25. Mai 1927 vom Gerichtspräsidenten IV von Bern zu l Tag Haft, den Militärpflichtersatz von Fr. 40.60 für 1926 betreffend.

Christen ersucht um Erlass der Haftstrafe. Er habe jahrelang ordnungsgemäss bezahlt, was ihm aber letztes Jahr wegen ungenügenden Verdienstes unmöglich gewesen sei. Der Strafvollzug, der auch der Ehefrau
«unangenehm» sei, gefährde seine Anstellung.

Die Polizeidirektion der Stadt Bern, der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes, die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen einhellig Abweisung.

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Mit der eidgenössischen Steuerverwaltung beantragen wir desgleichen Abweisung. Massgebend sind die Urteilserwägungen, der schlechte Leumund und die belastenden Vorstrafen.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 22. November 1927.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Motta.

Der Bundeskanzler : Kaeslin.

--S5

Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

(Vom 14. November 1927.)

Von der Aufhebung des Vizekonsulats der Türkei in Davos wird Kenntnis genommen.

(Vom 15. November 1927.)

Herrn Oberst August Rikli, Dr. med., in Langenthal, wird die nachgesuchte Entlassung als Rotkreuz-Chefarzt auf Ende 1927 unter Verdankung der geleisteten Dienste bewilligt.

Als Rotkreuz-Chefarzt wird, mit Amtsantritt auf 1. Januar 1928, gewählt: Sanitätsoberstlieutenant Suter, Hans, Arzt in St. Gallen.

(Vom 18. November 1927.)

Es werden folgende Bundesbeiträge bewilligt: a. Dem Kanton Zürich an die zu Fr. 1,228,100 veranschlagten Kosten der Meliorationen in der Gemeinde Elgg, Bezirk Winterthur, im Maximum Fr. 281,095.

b. Dem Kanton Thurgau an die zu Fr. 95,000 veranschlagten Kosten der Meliorationen in der Gemeinde Weerswilen, Bezirk Weinfelden, im Maximum Fr. 27,350.

c. Dem Kanton Tessin an die zu Fr. 16,250 veranschlagten Kosten der Erstellung einer Saumweganlage nach den Monti di Comino und Segna, in der Gemeinde Intragna, 50 °/o, im Maximum Fr. 8125.

Die ordentlichen Professoren an der Eidgenössischen Technischen Hochschule, Herren Dr. Conrad Keller und Dr. Alfred Stern werden auf ihr Gesuch hin auf den 1. April 192b unter Verdankung der geleisteten Dienste in den Ruhestand versetzt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

II. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Dezembersession 1927). (Vom 22. November 1927.)

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