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Schweizerisches Bundesblatt.

47. Jahrgang. III.

Nr. 31.

17. Juli 1895.

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Bundesgesetz betreffend

das Stimmrecht der Aktionäre von Eisenbahngesell-schaften und die Beteiligung des Staates bei deren Verwaltung.

(Vom 28. Juni 1895.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 3. Dezember 1894, beschließt:

Art. 1.

Den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegen die Aktiengesellschaften für den Bau und Betrieb von Eisenbahnen, welche eine Betriebslänge von mindestens 100 Kilometer haben.

Der Bundesrat ist befugt, diesem Gesetze auch andere Eisenbahngesellschaften zu unterstellen. Gegen einen solchen Beschluß des Bundesrates kann der Rekurs an die Bundesversammlung ergriffen werden.

Art. 2.

Das Stimmrecht in der Generalversammlung steht ausschließlich denjenigen Aktionären zu, deren Aktien auf den Bundesblatt. 47. Jahrg. Bd. III.

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Namen lauten und seit wenigstens sechs Monaten oder seit dem Entstehen der Gesellschaft auf den betreffenden Namen, im Aktienbuche eingetragen sind.

Denjenigen Aktionären, welche die Aktie nachweislich' durch Erbschaft oder Vermächtnis erworben haben, wird die Zeit, -während welcher die Aktie auf den Namen ihres Rechtsvorgängers eingetragen war, angerechnet.

Die Eintragung der Aktien im Aktienbuch geschieht auf Kosten der Gesellschaft.

Sowohl die Vertreter des Bundes und der Kantone, als die Namenaktionäre der Gesellschaft sind berechtigt, vom Aktienbueh jederzeit Einsicht zu nehmen.

Eine Namenaktie darf nicht wieder in eine Inhaberaktie umgewandelt werden.

Art. 3.

Es steht jedem nach Art. 2 stimmberechtigten Aktionär frei, seine Aktien in der Generalversammlung selbst zu vertreten oder durch einen anderen stimmberechtigten Aktionär vertreten zu lassen. Sämtliche im Eigentum eines einzelnen.

Aktionärs befindlichen Aktien dürfen stets nur durch ein& einzige Person vertreten werden.

Das Entlehnen oder Ausleihen von Aktien behufs Ausübung des Stimmrechts ist untersagt.

Art. 4.

Die in Art. 641 O.-R. vorgesehene Anzeige an di& Aktionäre kann auch an die Inhaber von Namenaktien durch bloße Einrückung in diejenigen öffentlichen Blätter erfolgen,, welche für Bekanntmachungen dieser Art bestimmt sind.

Art. 5.

Mindestens vier Fünfteile der Mitglieder der Verwaltung: müssen aus Schweizerbürgern bestehen, welche in der Schweiz ihren thatsächlichen Wohnsitz haben.

599 Abweichungen voii dieser Bestimmung können vom Bundesrate mit Rücksicht auf internationale Verhältnisse zugelassen werden.

Art. 6.

Wenn die Verwaltung aus mehreren Mitgliedern besteht, so ist der Bundesrat berechtigt, l--4 Mitglieder, und ebenso ist jeder Kanton, auf dessen Gebiet das Bahnnetz einer Gesellschaft sich erstreckt, berechtigt, 1^4 Mitglieder zu wählen.

Die kantonalen Vertreter dürfen höchstens 1la, diejenigen des Bundes und der Kantone zusammen höchstens 2/5 der Gesamtzahl der Verwaltungsratsmitglieder ausmachen.

Bei der Verteilung der kantonalen Vertreter auf die Kantone ist die Größe des Interesses maßgebend, welches die einzelnen Kantone am Bahnunternehmen haben. Wenn über die Gesamtzahl oder die Verteilung Streit entsteht, so entscheidet darüber der Bundesrat.

Die konzessionsgemäßen oder vertraglichen Bestimmungen, die dem Bunde, Kantonen oder Gemeinden eine größere Vertretung einräumen, bleiben vorbehalten.

Die übrigen Mitglieder der Verwaltung werden von der Generalversammlung gewählt.

Die von den staatlichen Behörden gewählten Mitglieder stehen in gleichen Rechten und Pflichten wie diejenigen, welche von der Generalversammlung gewählt sind, mit der Ausnahme, daß die ersteren nicht gehalten sind, Aktionäre zu sein.

Art, 7.

Besteht außer der Verwaltung für die Geschäftsführung ein besonderes Organ (O.-R. 650), so steht die Wahl der Mitglieder desselben der Verwaltung zu.

Die Mitglieder solcher Organe (Direktoren, Geschäftsführer) haben in den Sitzungen der Verwaltung nur beratende Stimme.

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Art. 8.

Dem Bundesrate steht das Recht zu, Beschlüsse der Generalversammlung oder der Verwaltung, durch welche bedeutende Landesinteressen ernstlich gefährdet oder verletzt werden, aufzuheben.

Zu diesem Zwecke sind dem Bundesrate die Beschlüsse der Generalversammlung vor dem Vollzuge zur Kenntnis zu bringen ; ebenso sind ihm auf Verlangen alle Beschlüsse der Verwaltung und der Direktion sofort einzusenden.

Der Bundesrat wird spätestens binnen Monatsfrist erklären, ob er den ihm mitgeteilten Beschluß beanstande.

Die Bahngesellschaft kann gegen die Verfügung des Bundesrates an die Bundesversammlung rekurrieren.

Art. 9.

Die Übertragung wichtiger Beamtenstellen, wie diejenige eines Direktors, Betriebschefs, Maschinenmeisters, Bahningenieurs, des Vorstandes einer Hauptstation, an Ausländer bedarf der Genehmigung des Bundesrates. Der Bundesrat ist auch berechtigt, die erteilte Genehmigung jederzeit zurückzuziehen.

Art. 10.

Der Bundesrat kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Straf bestimruung.

Art. 11.

Übertretungen der in den Art. 2 und 3 dieses Gesetzes aufgestellten Bestimmungen werden mit einer Geldbuße bis auf Fr. 10,000 bestraft. In schweren Fällen kann mit der Geldbuße Gefängnis bis auf drei Monate verbunden werden.

601 Bezüglich der Verjährung kommen die Beatimmungen des Bundesstrafrechtes zur Anwendung.

Die Beurteilung unterliegt der Bundesstrafgerichtsbarkeit.

Übergangsbestimmungen.

Art. 12.

Die Eisenbahngesellschaften sind gehalten, die Statuten binnen einer vom Bundesrate zu bestimmenden Frist mit den Vorschriften dieses Gesetzes in Einklang zu bringen.

Art. 13.

Diejenigen Aktionäre, welche binnen sechzig Tagen nach Inkrafttreten dieses Gesetzes ihre Aktien auf den Namen im Aktienbuch eintragen lassen, erwerben das Stimmrecht sofort mit der Eintragung.

Schlussbestimmungen.

Art. 14.

Die diesem Gesetz widersprechenden Bestimmungen des Obligationenreehtes finden auf die in Art. l erwähnten Eisenbahngesellschaften keine Anwendung.

Überall, wo in einem Bundesgesetze oder in den Statuten von einem Bruchteil des Aktienkapitals gesprochen wird, ist darunter das stimmberechtigte Aktienkapital zu verstehen.

Art. 15.

Der Bundesrat ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

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Also beschlossen vom Nationalrate, B e r n , den 27. Juni 1895.

Der Präsident: Dr. Bachmann.

Der Protokollführer: Ringier.

Also beschlossen vom Ständerate, B e r n , den 28. Juni 1895.

Der Präsident: Jordan-Martin.

Der Protokollführer: Schatzmann.

Der schweizerische Bundesrat beschließt: Das vorstehende Bundesgesetz ist zu veröffentlichen.

B e r n , den 15. Juli 1895.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident: Lachenal.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Ringier.

Note. Datum der Veröffentlichung: 17. Juli 1895.

Ablauf der Referendumsfrist: 15. Oktober 1895.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesgesetz betreffend das Stimmrecht der Aktionäre von Eisenbahngesellschaften und die Beteiligung des Staates bei deren Verwaltung. (Vom 28. Juni 1895.)

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17.07.1895

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597-602

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