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2207 Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des am 5. Februar 1927 zwischen der Schweiz und Belgien abgeschlossenen Vertrages zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichs-, Gerichts- und Schiedsverfahren.

(Vom 13. Mai 1927.)

Mit Botschaft vom 15. Mai 1925 unterbreitete der Bundesrat den eidgenössischen Bäten einen Vertrag zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichsund Gerichtsverfahren, der am 13. Februar 1925 von Herrn Hymans, Minister der auswärtigen Angelegenheiten Belgiens, und von dem schweizerischen Gesandten in Brüssel unterzeichnet worden war. Die Bedeutung dieses Vertrages war erheblich eingeschränkter als diejenige der in jenem Zeitpunkte schon mit Italien und Frankreich abgeschlossenen Verträge. Der Vertrag mit Belgien sah in der Tat vor, dass alle zwischen den beiden Staaten etwa entstehenden Streitigkeiten einer von Fall zu Fall zu bildenden Vergleichskommission zu unterbreiten seien, dass aber, falls das Vergleichsverfahren scheitern sollte, nu-r Streitigkeiten betreffend die Auslegung oder Ausführung von Abkommen der Vertragsparteien oder betreffend einen allgemein anerkannten Punkt des Völkerrechts obligatorisch dem Ständigen Internationalen Gerichtshöfe zu unterbreiten seien. Fjr stellte jedoch einen unleugbaren Fortschritt dar gegenüber dem am 15. November 1904 zwischen der Schweiz und Belgien abgeschlossenen Schiedsvertrag, und er schien auch für zwei Staaten ohne gemeinsame Grenzen praktisch zu genügen.

Nachdem der am 13. Februar 1925 abgeschlossene Vertrag zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichs- und Gerichtsverfahren vom Nationalrat am 23. September 1925 und vom Ständerat am 25. September 1925 genehmigt worden war, wurde der schweizerische Gesandte in Brüssel beauftragt, das belgische Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten wissen zu lassen, dass der Bundesrat in der Lage sei, den Vertrag zu ratifizieren, sobald die belgische Regierung ihrerseits bereit sei, dasselbe zu tun.

Auf diese Mitteilung hin wurde Herrn Barbey auseinandergesetzt, dass, da Belgien die obligatorische Gerichtsbarkeit des Ständigen Internationalen

588 Gerichtshofes gemäss Artikel 36, Absatz 2, seines Statuts angenommen und die Schiedsverträge von Locamo abgeschlossen habe, der Vertrag zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichs- und Gerichtsverfahren vom 13. Februar 1925 durch die Ereignisse überholt erscheine; die belgische Eegierung glaube demnach, der Auffassung des Bundesrates, der sich als überzeugter Anhänger des Grundsatzes der bedingungslosen, obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit gezeigt habe, zu entsprechen, wenn sie ihm vorschlage, die Tragweite des noch nicht ratifizierten Vertrages auszudehnen.

Nachdem die belgische Eegierung als Grundlage eines neuen Vertrages einen Entwurf vorgelegt hatte, der unbestreitbar besser war als das unterzeichnete Abkommen, war der Bundesrat einverstanden, weiter in Verhandlungen mit der belgischen Eegierung einzutreten, und am 5. Februar 1927 unterzeichneten Herr Vandervelde, Minister der auswärtigen Angelegenheiten, und Herr Barbey, schweizerischer Gesandter in Belgien, den Vertrag, welcher der vorliegenden Botschaft beigefügt ist.

Der neue Vertrag zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichs-, Gerichts- und Schiedsverfahren zwischen der Schweiz und Belgien ist entworfen nach einem Plane, der leicht abweicht von demjenigen der von der Schweiz kürzlich abgeschlossenen Verträge. Das vorgesehene Verfahren ist indessen demjenigen des obligatorischen Vergleichs- und Schiedsvertrages zwischen der Schweiz und Frankreich sehr ähnlich. Auf alle Streitigkeiten irgendwelcher Art, die zwischen den zwei Staaten entstehen können, anwendbar, stellt der neue Vertrag einen deutlichen Fortschritt dar im Vergleich mit dem Vertrage vom 13. Februar 1925. Er weist auch den Vorteil auf, die Einsetzung einer ständigen Vergleichskommission, die vorgängig aller Streitigkeiten organisiert wird, zu vereinbaren. Wie der obligatorische Vergleichs- und Schiedsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich, unterscheidet der vorliegende Vertrag zwischen Streitigkeiten juristischer Art, die dem Ständigen Internationalen Gerichtshofe zu unterbreiten sind, und Streitigkeiten anderer Natur, deren Erledigung einem Schiedsgerichte von fünf Mitgliedern anvertraut wird.

Das vorgängige Vergleichsverfahren ist obligatorisch für die Streitigkeiten nichtjuristischer Art; es ist fakultativ für die Streitigkeiten, die der Zuständigkeit
des Gerichtshofes unterliegen. Diese von der belgischen Eegierung befürwortete Neuerung gibt zu folgenden Bemerkungen Anlass. Es ist vorauszusehen, dass mit dem System des vorgängigen, obligatorischen Vergleichsverfahrens für Streitigkeiten jeder Art, wie es die andern von der Schweiz bisher abgeschlossenen Verträge dieser Gattung vorsehen, eine grössere Zahl von Streitigkeiten juristischer Art durch die Vergleichskommission nicht beigelegt werden können. Dies wird die Eegel sein, wenn die Streitigkeiten ausschliesslich in der verschiedenen Auffassung einer Eechtsfrage bestehen sollten. Wir sind der Ansicht, dass sich die Parteien in solchen Fällen leicht verständigen werden, um im gemeinsamen Einverständnis das vorgängige Vergleichsverfahren zu vermeiden, das zum voraus zu einem Misserfolg bestinlmt wäre und lediglich , einen Zeitverlust bedeuten würde. Wir haben jedoch kaum einen Nachteil

589 darin erblicken können, auf Ersuchen der belgischen Regierung das gegenteilige System anzunehmen, wonach man für die Streitigkeiten juristischer Art zu dem Vergleichsverfahren nur Zuflucht nehmen wird, wenn beide Parteien Seine Nützlichkeit anerkennen.

Mit den Eigenschaften, die seine Besonderheit bilden, kann der beiliegende Vertrag zu den weitgehendsten, die wir abgeschlossen haben, gerechnet werden, und die Tatsache, dass er an die Stelle eines Abkommens tritt, das noch vor kaum zwei Jahren zu genügen schien, beweist die erfreulichen Portschritte, welche der Gedanke der friedlichen Erledigung zwischenstaatlicher Konflikte in der letzten Zeit verwirklicht hat. Belgien und die Schweiz rechnen es sich zur Ehre an, an der Spitze dieser Bewegung zu stehen, und der Vertrag, den wir Ihnen zur Genehmigung unterbreiten, kann nur dazu beitragen, die ausgezeichneten Beziehungen, die zwischen beiden Staaten bestehen, noch zu festigen.

Der Bundesrat zweifelt denn auch nicht, dass Sie den dieser Botschaft beigefügten Beschlussesentwurf gutheissen werden.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Bern, den 13. Mai 1927.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Jlotta.

Der Bundeskanzler: Kaeslin.

(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

die Genehmigung des am 5. Februar 1927 zwischen der Schweiz und Belgien abgeschlossenen Vertrages zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichs-, Gerichts- und Schiedsverfahren.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 18. Mai 1927, beschliesst: 1. Der am 5. Februar 1927 zwischen der Schweiz und Belgien abgeschlossene Vertrag zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichs-, Gerichts- und Schiedsverfahren wird genehmigt.

2. Der Bundesrat wird mit dem Vollzuge dieses Beschlusses beauftragt.

590

Vertrag zwischen

der Schweiz und Belgien zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichs-, Gerichts- und Schiedsverfahren.

Der Schweizerische Bundesrat x

und

Seine Majestät der König der Belgier, geleitet von dem Wunsche, die zwischen der Schweiz und Belgien bestehenden freundschaftlichen Bande zu festigen und die etwaigen zwischen den beiden Ländern entstehenden Streitigkeiten gemäss den Grundsätzen beizulegen, worauf der Völkerbundsvertrag beruht, sind übereingekommen, zu diesem Zwecke einen Vertrag abzuschliessen, und haben zu ihren Bevollmächtigten ernannt, Der Schweizerische Bundesrat: Herrn Barbey, ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Seine Majestät der König der Belgier: Herrn Vandervelde, Seinen Minister der auswärtigen Angelegenheiten, die, nachdem sie sich ihre Vollmachten mitgeteilt und sie in guter und gehöriger Form befunden haben, über folgende Bestimmungen übereingekommen sind: Artikel 1.

Alle Streitigkeiten, die ein Eecht, welcher Natur es auch sei, betreffen, das von dem einen vertragschliessenden Teil behauptet und von dem andern bestritten wird, und insbesondere die in Artikel 18 des Völkerbundspaktes erwähnten Anstände, die nicht binnen angemessener Frist durch die gewöhnlichen diplomatischen Mittel haben geschlichtet werden können, sind dem Ständigen Internationalen Gerichtshofe zur Beurteilung zu unterbreiten.

591 Artikel 2.

Die vertragschliessenden Teile setzen in jedem Einzelfalle eine besondere Schiedsordnung fest, worin der Streitgegenstand, die etwaigen dem Ständigen Internationalen Gerichtshofe zu übertragenden besondern Befugnisse, sowie die andern zwischen ihnen vereinbarten Bedingungen genau umschrieben werden.

Die Schiedsordnung wird durch Notenaustausch zwischen den Eegierungen der vertragschliesseuden Teile festgesetzt. Zu deren Auslegung ist in allen Stücken der Gerichtshof .zuständig.

Kommt die Schiedsordnung nicht binnen drei Monaten, nachdem einer Partei der Antrag auf Einleitung eines Gerichtsverfahrens unterbreitet worden ist, zustande, so kann jede Partei auf dem Wege eines einfachen Begehrens den Gerichtshof anrufen.

Artikel 8.

Vorgängig jedem Verfahren vor dem Ständigen Internationalen Gerichtshofe kann die Streitigkeit im gemeinsamen Einverständnisse der Parteien zur Anbahnung eines Vergleichs einer ständigen zwischenstaatlichen Kommission, der sogenannten ständigen Vergleichskommission, die g'emäss dem gegenwärtigen Vertrage gebildet wird, unterbreitet werden.

Artikel 4.

Die ständige Vergleichskommission besteht aus fünf Mitgliedern. Die vertragschliessenden Teile ernennen jeder für sich, nach freier Wahl, einen Kommissar und bezeichnen im gemeinsamen Einverständnisse die drei übrigen, unter diesen letztern den Präsidenten der Kommission. Diese drei Kommissare sollen nicht Angehörige der vertragschliessenden Teile sein, noch sollen sie auf deren Gebiet ihren Wohnsitz haben oder in deren Dienste stehen. Alle drei müssen verschiedenen Staaten angehören.

Die Kommissare werden für drei Jahre ernannt. Wenn beim Ablaufe des Mandats eines Mitglieds der Kommission dessen Ersetzung nicht vorgenommen wird, so gilt sein Mandat für einen Zeitabschnitt von drei Jahren als erneuert; die Parteien behalten sich jedoch vor, das Amt des Präsidenten beim Ablaufe der dreijährigen Frist einem andern der im gemeinsamen Einverständnis ernannten Kommissionsmitglieder zu übertragen.

Ein Mitglied, dessen Mandat während der Dauer eines Verfahrens erlischt, nimmt weiterhin an der Prüfung des Streitfalles teil bis zur Beendigung des Verfahrens, auch wenn sein Nachfolger bezeichnet worden ist.

Im Falle von Ableben oder Rückiritt eines der Mitglieder der Vergleichskommission ist seine Ersetzung für
den Best der Dauer seines Mandats vorzunehmen, wenn möglich innert der drei folgenden Monate und jedenfalls, sobald ein Streitfall der Kommission unterbreitet wird.

592 Im Falle, dass eines der gemeinsam durch die vertragschliessenden "Teile berufenen Mitglieder der Vergleichskommission zeitweise durch Krankheit oder irgendwelchen andern Umstand verhindert sein sollte, an den Arbeiten der Kommission teilzunehmen, kommen die Parteien überein, einen Stellvertreter zu bezeichnen, der vorübergehend dessen Platz einnehmen wird.

Wenn die Ernennung dieses Stellvertreters nicht binnen drei Monaten nach dem zeitweiligen Freiwerden des Sitzes erfolgt, so wird gemäss Artikel 5 des gegenwärtigen Vertrages verfahren.

Artikel 5.

Die ständige Vergleichskommission ist innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages zu bilden.

Hat die Ernennung der gemeinsam zu bezeichnenden Kommissare in der genannten Frist oder, im Falle einer Ersatzwahl, innerhalb dreier Monate nach Freiwerden des Sitzes nicht stattgefunden, so soll Ihre Majestät die Königin der Niederlande, in Ermangelung einer anderweitigen Verständigung, gebeten werden, die erforderlichen Ernennungen vorzunehmen.

Artikel 6.

Die Anrufung der ständigen Vergleichskommission erfolgt im Wege eines Begehrens, das von den beiden Parteien im gemeinsamen Einverständnis oder, in dessen Ermangelung, von der einen oder andern Partei an den Kommissionsvorsitzenden gerichtet wird, falls Artikel 16 des gegenwärtigen Vertrages anwendbar ist.

Das Begehren enthält nach einer summarischen Darstellung des Streitgegenstandes die Einladung an die Kommission, alle Massnahmen zu ergreifen, die zu einem Vergleiche zu führen geeignet sind.

Geht das Begehren von einer einzigen Partei aus, so hat diese es unverzüglich der andern Partei zur Kenntnis zu bringen.

Artikel 7.

Innerhalb eines Zeitraumes von vierzehn Tagen nach dem Tage, wo einer der vertragschliessenden Teile eine Streitigkeit der Vergleicbskommission unterbreitet hat, kann jede der Parteien für die Behandlung dieser Streitigkeit das von ihr ernannte standige Mitglied durch eine auf diesem Gebiete besonders sachkundige Persönlichkeit ersetzen. Die Partei, die von diesem Eechte Gebrauch machen will, wird unverzüglich die andere Partei davon verständigen; diese ist befugt, innerhalb des Zeitraums von vierzehn Tagen nach Empfang der Mitteilung von dem gleichen Rechte Gebrauch zu machen.

Jede Partei behält sich vor. unverzüglich einen Stellvertreter zu
ernennen zur zeitweiligen Ersetzung des von ihr bezeichneten ständigen Mitgliedes, das wegen Krankheit oder aus irgendwelchen andern Gründen vorübergehend an der Teilnahme an den Kommissionsarbeiten verhindert sein sollte.

593 Artikel 8.

Der ständigen Vergleichskommission liegt ob, die streitigen Fragen aufzuhellen, zu diesem Zwecke im Wege einer Untersuchung oder auf andere Weise alle nützlichen Auskünfte beizubringen und die Herbeiführung eines Vergleichs zwischen den Parteien anzustreben. Nach Prüfung der Angelegenheit kann sie den Parteien die Bestimmungen des ihr angemessen erscheinenden Ausgleichs vorschlagen und ihnen für die Bekanntgabe ihrer Stellungnahme eine Frist ansetzen.

Beim Abschluss ihrer Arbeiten errichtet die Kommission ein Protokoll, worin je nachdem festgestellt wird, dass die Parteien sich geeinigt haben, gegebenenfalls unter welchen Bedingungen, oder dass ein Vergleich nicht zustande gekommen ist.

Die Arbeiten der Kommission müssen innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten, nachdem die Kommission in einer Streitigkeit angerufen worden ist, abgeschlossen sein, es sei denn, dass die Parteien darüber eine anderweitige Vereinbarung treffen.

Haben die Parteien sich nicht verglichen, so kann die Kommission, wenn nicht die beiden nach freier Wahl ernannten Kommissare widersprechen, selbst bevor der mit der Streitigkeit befasste Standige Internationale Gerichtshof endgültig entschieden hat, die Veröffentlichung eines Berichtes anordnen, in dem die Ansicht eines jeden der Kommissionsmitglieder angeführt ist.

Artikel 9.

Unter Vorbehalt entgegenstehender, besonderer Vereinbarung setzt die ständige Vergleichskommission selbst ihr Verfahren fest, das in allen Fällen kontradiktorisch sein muss. Für die Untersuchungen hat sich die Kommission an die Bestimmungen des dritten Titels (Internationale Untersuchungskommissionen) des Haager Abkommens vom 18. Oktober 1907 zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle zu halten, es sei denn, dass sie hierüber einstimmig anders beschliesst.

Artikel 10.

Die Vergleichskommission tritt unter Vorbehalt entgegenstehender Vereinbarung zwischen den Parteien an dem von ihrem Vorsitzenden bezeichneten Orte zusammen.

Artikel 11.

Die Arbeiten der Vergleichskommission sind nur dann öffentlich, wenn die Kommission mit Zustimmung der Parteien dies beschliesst.

Artikel 12.

Die Parteien lassen sich bei der Vergleichskommission durch Agenten vertreten, denen obliegt, als Mittelspersonen zwischen den Parteien und der

594 Kommission zu wirken; die Parteien können ausserdem von ihnen zu diesem Zwecke ernannte Berater und Sachverständige zur Mitarbeit heranziehen und die Anhörung aller Personen verlangen, deren Aussage ihnen nützlich erscheinen sollte.

Die Kommission ist ihrerseits befugt, von den Agenten, Beratern und Sachverständigen der beiden Parteien, sowie von allen Personen, die sie mit Zustimmung ihrer Pvegieruiig glaubt vorladen zu sollen, mündliche Auskünfte zu verlangen.

Artikel 13.

Unter Vorbehalt einer entgegenstehenden Bestimmung des gegenwärtigen Vertrages trifft die Vergleichskommission ihre Entscheidungen mit Stimmenmehrheit.

Artikel 14.

Die vertragschliessenden Teile verpflichten sich, die Arbeiten der Vergleichskommission zu fördern und ihr insbesondere in möglichst weitgehendem Masse alle nutzlichen Dokumente und Auskünfte zukommen zu lassen, sowie alle zu ihrer Verfügung stehenden Mittel anzuwenden, um es der Kommission zu ermöglichen, auf ihrem Gebiet und entsprechend ihrer Gesetzgebung Zeugen und Sachverständige vorzuladen und zu vernehmen, sowie Augenscheine durchzuführen.

Artikel 15.

Während der Dauer der Arbeiten der Vergleichskommission erhält jeder Kommissar eine Entschädigung, deren Höhe zwischen den vertragschliessenden Teilen zu vereinbaren ist und die von diesen zu gleichen Teilen übernommen wird.

Jede Eegierung übernimmt ihre eigenen Kosten und einen gleichen Teil der gemeinsamen Kosten der Kommission. In diesen gemeinsamen Kosten sind die in Absatz l vorgesehenen Entschädigungen inbegriffen.

Artikel 16.

Alle nicht unter Artikel l fallenden Streitigkeiten, die zwischen den vertragschliessenden Teilen entstehen und nicht binnen angemessener Frist durch die gewöhnlichen diplomatischen Mittel haben geschlichtet werden können, sind der ständigen Vergleichskommission zu unterbreiten. In diesem Falle wird gemäss Artikel 7 bis 15 des gegenwärtigen Vertrages verfahren.

Artikel 17.

Kommt kein Vergleich zustande, so ist die Streitigkeit, auf Ersuchen einer der Parteien, einem Schiedsgerichte zum Entscheide zu unterbreiten, das, mangels anderweitiger Vereinbarung zwischen den Parteien, aus fünf Mitgliedern besteht, die für jeden Einzelfall nach dem in den Artikeln 4

595 und ö des gegenwärtigen Vertrages betreffend die Vergleichskommission vorgesehenen Verfahren ernannt werden.

Artikel 18.

Die vertragschliessenden Parteien verpflichten sich, wenn zwischen ihnen zum Schiedsgerichtsverfahren gegriffen werden muss, innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten, nachdem eine der Parteien der andern ein Begehren um schiedsgerichtliche Austragung der Streitigkeit mitgeteilt hat, eine besondere Schiedsordnung betreffend den Streitgegenstand sowie die Einzelheiten des Verfahrens abzuschliessen.

Kann diese Schiedsordnung innerhalb der angegebenen Frist nicht abgeschlossen werden, so ist dafür das Verfahren einz aschlagen, das im vierten Titel des Haager Abkommens vom 18. Oktober 1907 zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle vorgesehen ist und das in diesem Falle für das Schiedsgerichtsverfahren massgebend ist.

Artikel 19.

Handelt es sich um eine Streitigkeit, die gemäss der Landesgesetzgebung einer der Parteien in die Zuständigkeit der Gerichte, die Verwaltungsgerichte inbegriffen, fällt, so kann die belangte Partei es ablehnen, dass die Streitigkeit dem im gegenwärtigen Vertrage vorgesehenen Vergleichs-, Gerichts- oder Schiedsverfahren unterworfen werde, bevor ein endgültiges Urteil von der zuständigen Gerichtsbehörde innert angemessener Frist erlassen worden ist.

Artikel 20.

Wenn der Ständige Internationale Gerichtshof oder das Schiedsgericht feststellt, dass die Entscheidung einer den vertragschhessenden Parteien unterstehenden Gerichts- oder andern Behörde ganz oder teilweise mit dem Völkerrecht im Widerspruch steht, und wenn nach dem Verfassungsrechte der betreffenden Partei die Folgen dieser Entscheidung durch Verwaltungsmassnahmen nicht oder nur unvollkommen beseitigt werden können, so hat das Gerichts- oder Schiedsgerichtsmteil Natur und Umfang der Wiedergutmachung, welche der verletzten Partei zu gewähren ist, zu bestimmen.

Artikel 21.

Während des Vergleichs-, Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahrens enthalten sich die vertragschliessenden Teile jeglicher Massnahme, die eine Buckwirkung auf die Annahme der Vorschläge der Vergleichskommission, auf die Ausführung des Urteils des Ständigen Internationalen Gerichtshofes oder des Spruches des Schiedsgerichts haben könnte. Zu diesem Zwecke ordnen die Vergleichskommission, der Gerichtshof und das Schiedsgericht eintretendenfalls an, welche vorsorglichen Massnahmen zu treffen sind.

596 Artikel 22.

Etwaige Anstände über die Auslegung oder Ausführung des gegenwärtigen Vertrages sind, unter Vorbehalt anderweitiger Vereinbarung, im Wege eines einfachen Begehrens unmittelbar dem Ständigen Internationalen Gerichtshofe zu unterbreiten.

Artikel 23.

Der gegenwärtige Vertrag kommt nur zur Anwendung bei Streitigkeiten, die sich nach Austausch der Eatifikationsurkunden des gegenwärtigen Vertrages erheben sollten und Verhältnisse und Tatsachen betreffen, die nach diesem Zeitpunkt entstanden sind.

Die Streitigkeiten, für deren Schlichtung durch andere zwischen den vertragschliessenden Teilen bestehende Vereinbarungen ein besonderes Verfahren vorgesehen ist, werden nach den Bestimmungen dieser Vereinbarungen erledigt.

Artikel 24.

Der gegenwärtige Vertrag soll ratifiziert werden. Die Eatifikationsurkunden sollen so bald als möglich in Brüssel ausgetauscht werden.

Der gegenwärtige Vertrag tritt mit dem Austausche der Eatifikationsurkunden in Kraft und hat eine Dauer von zehn Jahren, gerechnet vom Tage des Inkrafttretens an. Wird er nicht sechs Monate vor Ablauf dieser Frist gekündigt, so gilt er als für einen neuen Zeitraum von fünf Jahren verlängert, und so fort.

Falls im Zeitpunkte des Ablaufs des gegenwärtigen Vertrages ein Vergleichs-, Gerichts- oder Schiedsverfahren hängig sein sollte, so wäre dieses Verfahren bis zu seinem Abschlüsse nach den Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages durchzuführen.

Der gegenwärtige Vertrag hebt den am 15. November 1904 zwischen den vertragschliessenden Teilen abgeschlossenen Schiedsvertrag auf.

Zu Urkund dessen haben die oben genannten Bevollmächtigten den gegenwärtigen Vertrag unterzeichnet.

So geschehen zu Brüssel, in doppelter Urschrift, den 5. Februar 1927.

gez.: Vandervelde.

gez.: Frédéric Barbey.

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(L. S.)

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