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79. Jahrgang.

Bern, den 30. März 1927.

Band I.

Erscheint wöchentlich. Preis SO Franken im Jahr, IO Franken im Halbjahr, zuznglich Nachnahme- und Posttestellungsgtbkhr.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Verträge mit der Tschechoslovakei und mit Österreich über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen.

(Vom 21. März 1927.)

I.

Der Bund hatte bisher nur mit zwei Staaten, nämlich mit Frankreich und mit Spanien, Verträge über die Vollstreckung von Zivilurteilen.

Schon ein Vertrag von 1715 mit Frankreich enthielt hierüber eine Bestimmung, die dann in den späteren Verträgen weiter ausgebaut wurde; der gegenwärtig geltende schweizerisch-französische Gerichtsstandsvertrag vom 15. Juni 1869 regelt die Urteilsvollstreckung in seinen Art. 15--19.

Mit Spanien hat die Schweiz am 19. November 1896 einen ,,Vertrag über die gegenseitige Vollstreckung von Urteilen oder Erkenntnissen in Zivilund Handelssachen11 abgeschlossen. Im übrigen wird in einzelnen internationalen Konventionen für eine bestimmte spezielle Materie die gegenseitige Urteilsvollstreckung zugesichert, so im Art. 56 des internationalen Übereinkommens über den Eisenbahn-Frachtverkehr vom 14. Oktober 1890 (ebenso in Art. 55 der beiden Übereinkommen vom 23. Oktober 1924 über den Eisenbahn-Frachtverkehr und über den Eisenbahn-Personen- und Gepäckverkehr) und für gewisse Entscheidungen über Prozesskosten in Art. 18 und 19 der Haager Zivilprozesskonvention vom 17. Juli 1905.

Auch zwischen einzelnen Kantonen und dem Auslande sind nur wenige Abmachungen über Urteilsvollstreckung zustandegekommen : Der Kanton Aargau hat am 21. Mai 1867 eine Übereinkunft mit Baden getroffen. Mit Österreich haben Waadt [1897 und schon 1885), Zürich (1907) und St. Gallen (1908/09) Gegenseitigkeitserklärungen ausgetauscht. Ferner bestehen Gegenseitigkeitserklärungen zwischen Bern und Rumänien (1923) und zwischen Luzern und Liechtenstein (1926).

Abgesehen von den Staatsverträgen des Bundes und unter Vorbehalt des Art. 59 der Bundesverfassung ist es Sache der Kantone zu bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen ausländische Zivilurteile zur Vollstreckung zugelassen werden. Die kantonalen Rechte weisen auch in dieser

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370 Beziehung ein buntes Bild auf: Während einige Kantone Urteile aus Nichtvertragsstaaten überhaupt nicht zur Vollstreckung zulassen, gehen Bern und Tessin so weit, dass sie -- ohne Prüfung des Gegenrechts -- die Vollstreckung jedes fremden Urteils vorschreiben, das gewisse in ihrer Zivilprozessordnung aufgestellte Voraussetzungen erfüllt. Die Mehrzahl der Kantone stellt u. a. das Erfordernis auf, dass der ausländische Staat Gegenrecht halte; in der Umschreibung dieses Erfordernisses zeigt sich allerdings wieder die grösste Mannigfaltigkeit.

Die gewaltige Entwicklung des internationalen Verkehrs bringt es mit sich, dass das Bedürfnis 'nach einem Ausbau der zwischenstaatlichen Urteilsvollstreckung sich immer stärker geltend macht. Wiederholt und schon vor langer Zeit ist dieses Bedürfnis auch in den eidgenössischen Räten zum Ausdruck gelangt (vgl. beispielsweise die Ausführungen der ständerätlichen Geschäftsprüfungskommission für 1890, BB1 1891, H, 1071).

Auf Vorschlag der niederländischen Regierung wurde das Problem der Urteilsvollstreckung an der 5. Haager Konferenz für internationales Privatrecht behandelt, die im Herbst 1925 tagte. Zur Vorbereitung dieses Traktandums hatte die niederländische Regierung den beteiligten Staaten einen ausführlichen Fragebogen zugestellt, den wir im April 1925 beantworteten (vgl. ,,Documents"' der 5. Konferenz, S. 377/386). Für die Behandlung der Urteilsvollstreckung wurde an der Konferenz eine Kommission bestellt, die vom ersten schweizerischen Delegierten, Herrn Bundesrichter Merz, präsidiert wurde und einen Vertragsentwurf ausarbeitete, der dann von der Konferenz in der Schlusssitzung vom 7. November 1925 gutgeheissen wurde und in deutscher Übersetzung *) folgendermassen lautet : Entwurf eines Abkommens über die Anerkennung und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen.

Artikel 1.

Die Wirksamkeit der gerichtlichen Entscheidungen, die in bürgerlichen oder in Handelssachen in dem einen der vertragschliessenden Staaten ergangen sind, wird in dem anderen Staat anerkannt, wenn sie folgende Voraussetzungen erfüllen : 1. dass die Vorschriften, die nach dem Rechte des Staates, wo die Entscheidung geltend gemacht wird, über die internationale Zuständigkeit der Gerichte bestehen, die Gerichtsbarkeit des anderen Staates für den in Frage stehenden Rechtsstreit
nicht ausschliessen ; 2. dass die Anerkennung der Entscheidung nicht gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die Grundsätze des öffentlichen Rechts des Staates verstösst, wo die Entscheidung geltend gemacht wird ; *) Deutschland, Österreich und die Schweiz haben in Aussicht genommen, eine gemeinsame deutsche Übersetzung des Haager Entwurfes zu erstellen. Zurzeit liegt erst ein Übersetzungsentwurf vor; diesen zitieren wir hier.

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3. dass die Entscheidung nach den Gesetzen des Staates, wo sie ergangen ist, die Rechtskraft erlangt hat; 4. dass im Falle eines Versäumnisurteils die Partei gemäss den Gesetzen des Landes, wo das Urteil ergangen ist, und den Bestimmungen der zwischen den vertragschliessenden Staaten in Kraft befindlichen Verträge für säumig erklärt worden ist.

Die Prüfung durch die Behörden des Staates, wo die Entscheidung geltend gemacht wird, beschränkt sich auf die im Abs. l, Ziff. l -- 4, aufgeführten Voraussetzungen. Diese Behörden haben von Amtes wegen zu prüfen, ob diese Voraussetzungen vorliegen.

Artikel 2.

Die gerichtlichen Entscheidungen, die in einem der vertragschliessenden Staaten ergangen sind, können in dem anderen Staat vollstreckt werden, nachdem sie dort für vollstreckbar erklärt worden sind.

Die Vollstreckbarkeitserklärung wird bewilligt, wenn die Entscheidung in dem Staat, wo sie ergaogen ist, vollstreckbar ist und wenn sie die in Art. l, Abs. l, Ziff. 1--4, aufgeführten Voraussetzungen erfüllt. Der Abs. 2 dieses Artikels findet auf die Prüfung durch die Behörden des Staates, wo die Vollstreckung beantragt wird, Anwendung.

Artikel 3.

Die Partei, die die Entscheidung geltend macht oder die Vollstreckbarkeitserklärung beantragt, hat beizubringen: 1. eine Ausfertigung der Entscheidung, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt; 2. die Urkunden, die geeignet sind, die Rechtskraft der Entscheidung und gegebenenfalls ihre Vollstreckbarkeit nachzuweisen; 3. eine ordnungsmässig beglaubigte, beweiskräftige Abschrift der Ladung der nicht erschienenen Partei ; 4. eine Übersetzung der vorstehend aufgeführten Urkunden, die nach den Bestimmungen des Staates, wo die Vollstreckbarkeitserklärung beantragt wird, beglaubigt ist, sofern nicht die zuständige Behörde von dieser Verpflichtung befreit hat.

Artikel 4.

Die Schiedssprüche, die in dem einen der vertragschliessenden Staaten erlassen sind und dort dieselbe Wirksamkeit wie die gerichtlichen Entscheidungen haben, werden in dem anderen Staat anerkannt und für vollstreckbar erklärt, wenn sie den Vorschriften der vorstehenden Artikel, soweit sie anwendbar sind, genügen.

Dasselbe gilt für die gerichtlichen Vergleiche.

372 Artikel 5.

Die Bestimmungen des gegenwärtigen Abkommens sind ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der Parteien anzuwenden.

Jede Vereinbarung über Urteilsvollstreckung muss vor allem die Voraussetzungen regeln, unter denen das im einen Staate gefällte Urteil im andern zur Vollstreckung zuzulassen ist. Selbstverständlich ist, dass eia fremdes Urteil nicht unbesehen vollstreckt wird, sondern dass gewisse Garantien zu schaffen sind, indem die Vollstreckung von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht wird. Anderseits darf aber im Vollstreckungsstaat keine materielle Nachprüfung der ganzen Streitsache (revision au fond) stattfinden; die Prüfung ist darauf zu beschränken, ob das Urteil gewissen elementaren Erfordernissen genügt, die im Vertrage als Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit aufzustellen sind.

Besonders wichtig ist dabei die Frage, ob und inwiefern die Behörde des Vollstreckungsstaates die Kompetenz des urteilenden Richters soll nachprüfen dürfen. Es ist klar, dass der urteilende Richter seine eigene Zuständigkeit bejahen muss, sobald sie nach den im Urteilsstaate geltenden Vorschriften gegeben ist. Der Vollstreckungsstaat kann sich aber nicht mit der Tatsache begnügen, dass der urteilende Richter nach dem Recht des Urteilsstaates zuständig war ; denn es kann sich um einen Gerichtsstand handeln, der gegen die im Vollstreckungsstaat bestehenden Grundsätze (z. B. Art. 59 unserer Bundesverfassung) verstösst oder auf einer Schlechterstellung der ausländischen Staatsangehörigen beruht ; in solchen Fällen kann dem Vollstreokungsstaat nicht zugemutet werden, dass er die Kompetenz des urteilenden Richters anerkenne. Anderseits geht es auch nicht an, dass der Vollstreckungsstaat anhand seiner eigenen Gerichtsstandsvorschriften prüfe, ob der urteilende Richter örtlich zuständig war; dann wäre nämlich die Vollstreckung nur möglich, wenn der urteilende Richter nach den Gerichtsstandsvorschriften beider Staaten örtlich zuständig war, also nicht wenn z. B. nach dem Recht des Vollstreckungsstaates ein anderer Richter des Urteilsstaates zuständig wäre ; diese Lösung würde auf einer Vermengung von zwei verschiedenen Gesichtspunkten beruhen, nämlich der internationalen Abgrenzung der Gerichtsbarkeit der Staaten einerseits und der Bezeichnung des örtlich zuständigen inländischen Gerichts anderseits.
Infolge dieser Schwierigkeiten ist namentlich in der Doktrin die Auffassung vertreten worden, man müsse, wenn man einen Vertrag über die Urteilsvollstreckung abschliesse, gleichzeitig gemeinsame Gerichtsstandsnormen aufstellen ; die Behörde des Vollstreckungsstaates hätte dann zu überprüfen, ob der urteilende Richter gemäss diesen vertraglichen Gerichtsstandsnormen zuständig war. Dabei stellte man sich in der Regel vor, dass der Vertrag gemeinsame Gerichtsstandsvorschriften enthalten sollte,

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die der Gesetzgebung des Urteilsstaates vorgehen, so dass der urteilende Richter sich bei Ansprüchen, für die der Vertrag einen Gerichtsstand bestimmt, nur dann zuständig erklären könnte, wenn er gemäss dem Vertrage zuständig ist. Dieses System greift somit in die Gerichtsstandsordnung des Urteilsstaates ein ; dadurch wird das Zustandekommen eines Vertrages ungemein erschwert. Es ist kein Zufall, dass alle Verhandlungen, die die Schweiz in den letzten 50 Jahren mit andern Staaten über eine Regelung der Urteilsvollstreckung mit gemeinsamer Gerichtsstandsordnung aufgenommen halte, gescheitert sind, während der Vertrag mit Spanien, der keine Gerichtsstandsordnung enthält, zustandegekommen ist und sich bewährt hat. Jedenfalls ist es erfahrungsgemäss nicht notwendig, eine Vereinbarung über Urteilsvollstreckung mit einer gemeinsamen Gerichtsstandsordnung zu verbinden.

An der Haager Konferenz war man bald darin einig, dass das Abkommen nicht in die interne Gerichtsstandsordnung des Urteilsstaates eingreifen solle und dass es zur Kompetenz nur, soweit sie eine Voraussetzung der Anerkennung und Vollstreckung im Auslande sein soll, Stellung zu nehmen habe. Ferner bestand Einverständnis darüber, dass der Vollstreckungsstaat nur überprüfen darf, ob die Gerichte des Urteilss t a a t e s überhaupt als zur Beurteilung des fraglichen Prozesses kompetent anzusehen sind, nicht aber ob d a s urteilende Gericht örtlich und sachlich zuständig war. Im Vollstreckungsstaat ist nicht zu untersuchen, ob das urteilende Gericht die internen Gerichtsstandsbestimmungen des Urteilsstaates richtig angewendet hat; es ist also nicht die konkrete örtliche und sachliche Zuständigkeit (,,compétence spécialea) des urteilenden Gerichts nachzuprüfen. Vielmehr ist nur die ,,abstrakte Zuständigkeit" (,,juridiction", ,,compétence générale") des Urteilsstaates zu überprüfen ; d. h. es ist nur zu untersuchen, ob seitens des Vollstreckungsstaates die Gerichtsbarkeit des Urteilsstaates zur Beurteilung des fraglichen Rechtsstreites anzuerkennen ist. Diese Frage entscheidet sich nach vertraglichen Normen, soweit solche überhaupt bestehen, und im übrigen nach dem Recht des Vollstreckungsstaates. Derartige vertragliche Normen über die Anerkennung der Gerichtsbarkeit finden sich in einigen Verträgen über spezielle Materien; der Haager Entwurf selbst
stellt solche nicht auf.

Im übrigen sind die im Vollstreckungsstaate geltenden Normen über die Anerkennung einer fremden Gerichtsbarkeit massgebend (vgl. Art. l, Ziff. l, des Haager Entwurfes) ; die Vollstreckung wird verweigert, wenn diese Normen die Gerichtsbarkeit des Urteilsstaates ausschliessen. Für uns bildet hier der Art. 59 der Bundesverfassung den Hauptanwendungsfall; auf Grund von Ait. l, Ziff. l, des Haager Entwurfs wird die Vollstreckung eines gegen Art. 59 der Bundesverfassung verstossenden ausländischen Urteils verweigert. Andere Anwendungsfälle, die aber praktisch recht selten vorkommen dürften, können sich beispielsweise aus einzelnen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die zivilrechtlichen Verhältnisse

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der Niedergelassenen und Aufenthalter vom 25. Juni 1891 oder aus den kantonalen Prozessgesetzen (z. B. infolge eines ausschliesslichen Gerichtsstandes für Immobiliarklagen) ergeben.

Als zweite Exekutionsvoraussetzung enthält der Entwurf eine ordre public-Klausel (Art. l, Ziff. 2), die unentbehrlich ist, weil Fälle vorkommen können, wo der Vollzug des ausländischen Urteils mit der inländischen Rechtsordnung nicht vereinbar wäre. Der Formel des Entwurfs liegt der Gedanke zugrunde, dass ein Verstoss gegen den ordre public nur dann vorliegt, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung des fremden Urteils einen Zustand schaffen würde, der sich mit der öffentlichen Ordnung des Vollstreckungsstaates nicht verträgt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn das ausländische Urteil zu einem in der gleichen Sache ergangenen rechtskräftigen inländischen Urteil in Widerspruch steht (vgl. Entscheidungen des Bundesgerichts, Bd. 46 I, 8. 464). Hingegen fallen alle Fragen, die sich auf die Kompetenz des urteilenden Gerichts oder auf das Verfahren vor diesem beziehen, nicht unter die ordre public-Klausel.

Die Ziff. 3 des Art. l stellt das Erfordernis auf, dass das Urteil nach dem Rechte des Staates, wo es gefällt wurde, in Rechtskraft erwachsen sein muss, wenn es im andern Staate anerkannt werden soll. Wenn es sich nicht um die blosse Anerkennung, sondern um die Vollstreckung im andern Staate handelt, ist zudem erforderlich, dass das Urteil im Staate, wo es gefällt wurde, vollstreckbar sei (Art. 2, Abs. 1). Dies ist der einzige Unterschied, der in bezug auf die materiellen Voraussetzungen zwischen der Anerkennung und der Vollstreckung gemacht wird.

Die Ziff. 4 des Art. l bezieht sich nur auf Versäumnisurteile. Bei diesen muss unseres Erachtens geprüft werden können, ob die säumige Partei 'gehörig geladen war. In dieser Hinsicht ist zu bemerken, dass einige Staaten fiir die Vorladung von im Auslande wohnenden Personen eine fiktive Zustellung kennen in der Weise, dass die Zustellung als mit der Übergabe an den Staatsanwalt erfolgt gilt (,,remise au parquet").

Bei einem solchen Zustellungsmodus besteht keine Gewähr, dass die vorzuladende Partei von der Ladung rechtzeitig Kenntnis erhalten habe.

Deshalb geht es unseres Erachtens nicht an, den erwähnten fiktiven Zustellungsmodus international anzuerkennen und bei der
Überprüfung der gehörigen Ladung der säumigen Partei einfach auf das Recht des Urteilsstaates abzustellen. Die Ziff. 4 des Art. l bietet keine genügende Garantie, da sie die Prüfung darauf beschränkt, ob die Konturnazierung gemäss den Gesetzen des Urteilsstaates und den allfälligen Vertragsbestimmungen erfolgt sei.

Der Haager Entwurf umfasst die gerichtlichen Entscheidungen in Zisil- und Handelssachen. Darunter fallen auch Akte der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit, die von einer Gerichtsbehörde ausgehen. Den gerichtlichen

375 Entscheidungen sind die Schiedsurteile und die gerichtlichen Vergleiche gleichgestellt (Art. 4).

Im Art. 3 werden die Ausweise aufgezählt, die von der Partei, die die Anerkennung oder Vollstreckung des fremden Urteils nachsucht, einzureichen sind. Welche Behörde zur Bewilligung der Vollstreckung zuständig ist und welches Verfahren dabei einzuschlagen ist, wird durch die Gesetze des Vollstreckungsstaates bestimmt. Im Art. 2 ist zwar von einer Vollstreckbarkeitserklärung die Rede ; damit ist aber nicht gesagt, dass ein besonderes Exequaturverfahren stattfinden müsse, sondern es wäre mit Art. 2 auch vereinbar, dass im Rechtsöffnungsverfahren die Vollstreckbarkeit festgestellt würde.

Der Art. 5 schreibt ausdrücklich vor, dass bei der Anwendung der Bestimmungen des Abkommens keine Unterscheidung nach der Staatsangehörigkeit der Parteien gemacht werden darf.

Im ganzen ergibt sich, dass der Haager Entwurf -- vorbehaltlich der Ziff. 4 des Art. l -- eine geeignete Grundlage für eine vertragliche Regelung der Urteilsvollstreckung bildet. Er ist von der Kommission der Konferenz als Mustervorlage für Verträge zwischen zwei Staaten ausgearbeitet, da sich die Mehrheit gegen einen Kollektiv ver trag aussprach. Immerhin ist es nicht ausgeschlossen, dass er früher oder spater zu einem Kollektirvertrag fuhren könne. Einstweilen kann er als Modell für Einzelverträge wertvolle Dienste leisten. Wir sind nun an die Aufgabe herangetreten, den dringenden praktischen Bedürfnissen nach einem Ausbau von zwischenstaatlicher Urteilsvollstreckung durch den Absehluss von Verträgen mit einzelnen Staaten Rechnung zu tragen ; solchen Unterhandlungen kann der Haager Entwurf zugrunde gelegt werden.

Österreich und die Tschechoslovakei hatten uns in den letzten Jahren vorgeschlagen, die Urteilsvollstreckung durch einen Staatsvertrag oder eventuell durch Austausch von Gegenrechtserklärungen mit Kantonen zu ordnen. Wir hatten zunächst die letztere Lösung in Aussicht genommen und zu diesem Zwecke eine Anfrage an die Kantonsregierungen gerichtet ; die Anregung fand bei diesen eine günstige Aufnahme, doch Hessen einige der eingelangten Antworten erkennen, dass eine zweckmässigere Lösung im Absehluss von Staatsverträgen durch den Bund liege. Da damals die 5. Haager Konferenz bevorstand, warteten wir noch ihr Resultat ab und nahmen
dann die Verhandlungen mit Österreich und mit der Tschechoslovakei auf. Gleichzeitig erklarten wir uns bereit, auch mit Deutschland zu verhandeln, das ebenfalls schon vor der Haager Konferenz die Frage einer staatsvertraglichen Regelung der Urteilsvollstreckung aufgeworfen hatte.

Die Verhandlungen mit der Tschechoslovakei gelangten in mündlichen Besprechungen im Dezember 1926 zum Abschluss und führten am

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21. gleichen Monats zur Unterzeichnung eines Vertrages. Die Verhandlungen mit Österreich wurden im März 1927 ebenfalls auf konferenziellem Wege zu Ende geführt; der Vertrag wurde am 15. gleichen Monats unterzeichnet.

n.

Der mit der T s c h e c h o s l o v a k i s c h e n R e p u b l i k abgeschlossene Vertrag über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen lehnt sich an den Haager Entwurf an. Er weicht von diesem nur in einzelnen Punkten ab und bringt einige Ergänzungen an, um die Tragweite gewisser Bestimmungen zu präzisieren und mitunter auch Detailfragen zu ordnen. Diesem Zwecke dient auch das beigefügte Zusatzprotokoll, das einen integrierenden Bestandteil des Vertrages bildet.

Zu den einzelnen Artikeln des Vertrages bemerken wir folgendes : ZM Art. 1. In der Ziff. l ist der Ausdruck ,,Rechtsstreit" (,,litige") ersetzt worden durch ,,Fall" (,,affaire"); dieser Wortlaut passt besser, weil der Vertrag auch auf Entscheidungen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit anwendbar ist.

Mit Bezug auf die Überprüfung der gehörigen Ladung bei Versäumnisurteilen bestimmt die Ziff. 4, dass die säumige Partei gemäss den Gesetzen des Urteilsstaates regelrecht geladen worden sein muss und zudem dass sie die Ladung rechtzeitig erhalten haben muss. Durch diesen Zusatz wird unsern Bedenken gegen die einschlägige Bestimmung des Haager Entwurfs Rechnung getragen und eine genügende Garantie geboten.

Zu Art. 2. Die Schweiz kann auf Grund von Art. l, Ziff. l, die Anerkennung und Vollstreckung eines gegen Art. 59 BV verstossenden tschechoslovakischen Urteils verweigern. Die tschechoslovakische Gesetzgebung enthält keine analoge Bestimmung. Auf Wunsch der tschechoslovakischen Delegierten wird aber im Art. 2 für die Vollstreckung schweizerischer Urteile in der Tschechoslovakei eine dem Art. 59 BV entsprechende Einschränkung vorgesehen. Die Umschreibung dieses Vorbehaltes lehnt sich an die Grundsätze an, die die bundesgerichtliche Praxis zum Art. 59 BV ausgebildet hat. Falls über die Tragweite des Art. 2 Zweifel auftauchen, werden unser Justizdepartement und das tschechoslovakische Justizministerium einander Auskunft erteilen (vgl. Ziff. II des Zusatzprotokolls).

Zu Art. 3. Er entspricht dem Art. 2 des Haager Entwurfes, vermeidet aber den Ausdruck 1,Vollstreckbarerklärunga, um klarzustellen, dass kein vorgängiges Exequaturverfahren stattfindet, soweit ein solches nicht durch die Gesetze des Vollstreckungsstaates vorgeschrieben ist. In der Schweiz erfolgen die Zwangsvollstreckungen, die auf eine Geldzahlung oder Sicherheitsleistung gerichtet sind, auf dem Wege der Schuldbetreibung. Wird Rechts-

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Vorschlag erhoben, so kann der Gläubiger auf Grund des tschechoslovakischen Urteils das Begehren um definitive Rechtsöffnung stellen 5 beim Entscheid über dieses Begehren prüft der Rechtsöffnungsrichter, ob die im Staatsvertrage aufgestellten Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit erfüllt sind; liegen diese vor, so wird das tscheehoslovakische Urteil in gleicher Weise wie ein schweizerisches vollstreckt. Nur in den Fällen, wo die Vollstreckung nicht auf eine Geldzahlung oder Sicherheitsleistung gerichtet ist, erfolgt die Vollstreckung im Verfahren, das von der kantonalen Gesetzgebung vorgesehen ist ; nur in diesen Fällen kommt ein Exequaturverfahren gemäss kantonalem Recht in Frage. In der Tschechoslovakei stellt der Gläubiger, der ein schweizerisches Urteil vollstrecken will, beim zuständigen Gericht den Antrag auf Exekution ; beim Entscheid über diesen Antrag prüft das Gericht, ob die staatsvertraglichen Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit vorliegen.

Der Abs. 2 von Art. 3 des Vertrages weicht nur redaktionell vom letzten Satze des Art. 2 des Haager Entwurfes ab, um die Bestimmung klarer zu gestalten.

Zu Art. 4. Die Ziff. 2 dieses Artikels bezieht sich auf Art. l, Ziff. 3.

Handelt es sich bloss um die Anerkennung des Urteils, so genügt eine Bescheinigung, dass das Urteil rechtskräftig ist. Soll das Urteil vollstreckt werden, so hat die in Ziff. 2 des Art. 4 genannte Bescheinigung der zuständigen Stelle des Urteilsstaates (d. h. des urteilenden Gerichts oder seines Gerichtsschreibers) dahin zu lauten, dass das Urteil rechtskräftig und vollstreckbar ist.

Die Ziff. 3 des Art. 4 betrifft die Ziff. 4 des Art. l und gelangt nur im Falle eines Versäumnisurteils zur Anwendung.

Die Übersetzung (Ziff. 4 des Art. 4) ist gemäss den in einem von beiden Staaten geltenden Vorschriften als richtig zu bescheinigen. Es genügt beispielsweise, wenn eine für die Schweiz bestimmte Übersetzung in der Tschechoslovakei von einem dortigen beeidigten Dolmetscher angefertigt und von ihm als richtig bescheinigt ist.

Die Frage, ob das Urteil und die übrigen einzureichenden Urkunden einer Beglaubigung bedürfen, wird durch Art. 6 des schweizerisch-tschechoslovakischen Rechtshilfeabkommens vom 21. Dezember 1926 beantwortet: Urkunden, die von einem Gerichte des einen Staates aufgenommen, ausgestellt oder beglaubigt sind,
bedürfen zum Gebrauch im Gebiete des andern Staates keiner Beglaubigung, wenn sie mit dem Siegel oder Stempel des Gerichts versehen sind. Ebenso verhält es sich mit Urkunden, die von einer im Anhang zum Rechtshilfeabkommen aufgeführten Verwaltungsbehörde aufgenommen, ausgestellt oder beglaubigt sind.

Zu Art. 5. Er entspricht dem Art. 4 des Haager Entwurfs. Im Abs. 2 werden neben den gerichtlichen Vergleichen auch die vor Schiedsgerichten abgeschlossenen Vergleiche erwähnt.

378 Zu, Ari. 6. Es wird ausdrücklich gesagt, dass für die Zuständigkeit zum Entscheid über die Vollstreckung und für das Vollstreckungsverfahren das Gesetz des Vollstreckungsstaates massgebend ist.

Zu Art. 7 und 8. Keine Bemerkungen.

Das Z u s a t z p r o t o k o l l präzisiert in der Ziff. I den Begriff der ,,gerichtlichen Entscheidungen" im Sinne des Vertrages : Zunächst wird ausdrücklich festgestellt, dass auch Entscheidungen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit darunter fallen. Als Gerichte kommen in Betracht die ordentlichen Gerichte, die Spezialgerichte (z. B. Handelsgerichte), die staatlich organisierten Schiedsgerichte (z. B. gewerbliche Schiedsgerichte ; die privaten Schiedsgerichte sind durch Art. 5, Abs. l, ebenfalls den Gerichten gleichgestellt). In der Mehrzahl der Kantone sind die vormundschaftlichen Behörden (Art. 361, Abs. l, ZGB) und in einigen Gebieten der Tschechoslowakei (nämlich in der Slovakei und in Karpatho-Russland) die Vormundschafts- und Pflegschaftsbehörden Administrativbehörden; ihre Entscheidungen sind aber durch Ziff. I, Abs. l, des Zusatzprotokolls den Gerichtsentscheidungen gleichgestellt. Gemäss Abs. 2 ist der Vertrag auf die im Strafverfahren erlassenen Adhäsionsurteile nicht anwendbar. Auch die Konkurserkenntnisse und die gerichtliche Bestätigung eines Nachlassvertrages gelten nicht -als ,,gerichtliche Entscheidungen in Zivil- oder Handelssachen" im Sinne des Vertrages.

Wir legten Wert darauf, die praktisch wichtige Frage, ob der Vertrag auch auf die vor seinem Inkrafttreten gefällten Urteile Anwendung findet, durch eine ausdrückliche Bestimmung zu lösen. Es herrschte Einverständnis darüber, dass der Vertrag auf alle vor seinem Inkrafttreten gefällten Urteile anwendbar sein solle. Hingegen hielten es die tschechoslovakischen Delegierten für unnötig, dies ausdrücklich festzusetzen ; sie wiesen darauf hin, dass die Verträge, die die Tschechoslovakei mit andern Staaten abgeschlossen hat, keine solche Bestimmung enthalten, und befürchteten, es könnte aus der Aufnahme dieser Vorschrift gefolgert werden, dass die andern Verträge auf die vor ihrem Inkrafttreten in Rechtskraft erwachsenen Urteile nicht anwendbar seien. Um diesem Bedenken Rechnung zu tragen, wurde für die Feststellung, dass der Vertrag rückwirkende Kraft hat, die Formel gewählt, die die Ziff. Iti des
Zusatzprotokolls bildet. Die vor Schiedsgerichten abgeschlossenen Vergleiche sind zwar in dieser Formel nicht ausdrücklich erwähnt: es ist aber selbstverständlich, dass die rückwirkende Kraft sich auch auf diese Vergleiche erstreckt, die ja durch Art. 5 den gerichtlichen Vergleichen gleichgestellt sind ; die Ziff. III will lediglich klarlegen, dass unter den Vertrag auch die vor seinem Inkrafttreten rechtskräftig gewordenen Entscheidungen, Schiedssprüche und Vergleiche fallen.

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III.

Der Vertrag mit der R e p u b l i k Ö s t e r r e i c h lehnt sich ebenfalls an den Haager Entwurf an; infolge verschiedener Ergänzungen ist die Zahl seiner Artikel auf 13 gestiegen. Im übrigen weicht er inhaltlich in einzelnen Punkten vom Haager Entwurf ab; die Redaktion ist an mehreren Stellen vereinfacht worden. Während der Vertrag mit der Tschechoslovakei auch ein Zusatzprotokoll enthält, konnte man ein solches im Vertrage mit Österreich vermeiden.

Im einzelnen ist folgendes zu bemerken: Zu Art. 1. Der Vertrag erstreckt sich auf Entscheidungen sowohl der streitigen als der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit. Zu den gerichtlichen Entscheidungen gehören u. a. auch die österreichischen ^Zahlungsaufträge" (§§ 548 ff. und 555 ff. der österreichischen Zivilprozessordnung); diese werden vom Gerichte namentlich bei Wechselforderungen erlassen, nachdem das Gericht geprüft hat, ob die anspruchsbegründenden Tatsachen durch Urkunden bewiesen sind. Die schweizerischen Zahlungsbefehle gehen nicht von einer Gerichtsbehörde, sondern vom Betreibungsamt aus ; da sie ohne eine derartige Prüfung erlassen werden, erschien es als untunlich, die schweizerischen Zahlungsbefehle den gerichtlichen Entscheidungen gleichzustellen.

Als in Österreich geltende Grundsätze, die im Sinne von Art. l, Ziff. l, die Anerkennung der schweizerischen Gerichtsbarkeit ausschliessen, kommen namentlich in Betracht: einerseits der Art. 2 des Vertrages und anderseits auf dem Gebiete des Personen-, Familien- und Erbrechts Grundsätze, soweit sie die österreichischen Gerichte oder die Gerichte eines dritten Staates (z. B. auf Grund eines Staatsvertrages) als ausschliesslich zuständig bezeichnen.

In der ordre public-Klausel (Art. l, Ziff. 2) wird der Verstoss gegen die Grundsätze des öffentlichen Rechts nicht erwähnt, weil er durch die Berufung auf die öffentliche Ordnung mit umfasst ist. Als Beispiel des Verstosses gegen diese wird der Fall angeführt, dass im Staate, wo die Entscheidung geltend gemacht wird, die Einrede der beurteilten Sache begründet ist.

Was die Überprüfung der gehörigen Ladung bei Versäumnisurteilen anbelangt, wird in der Ziff. 4 des Art. l bestimmt, dass die Ladung der säumigen Partei oder ihrem zur Empfangnahm e berechtigten Vertreter zu eigenen Händen rechtzeitig zugestellt worden sein muss. Hatte die Zustellung
im Staate zu erfolgen, wo die Entscheidung geltend gemacht wird, so muss sie im Rechtshilfewege bewirkt worden sein.

Zu Art. 2. Mit Bezug auf die Anerkennung der Gerichtsbarkeit des andern Staates sieht der Art. 2 eine dem Art. 59 unserer Bundesverfassung entsprechende Einschränkung vor (ähnlich wie im Vertrage mit

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der Tschechoslovakei). Die wesentlichen Grundsätze der bundesgerichtlichen Praxis zu diesem Verfassungsartikel werden im Art. 2 angeführt. Wird gemäss diesen Grundsätzen die österreichische Gerichtsbarkeit von der Schweiz nicht anerkannt, so wird im analogen Falle die schweizerische Gerichtsbarkeit von Österreich nicht anerkannt.

ZM Art. 4. In der Zia0. 2 wurde beigefügt, dass die Bescheinigung über die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit von der Behörde, die die Entscheidung gefällt hat oder vom Gerichtsschreiber ausgestellt wird (mit Bezug auf Schiedssprüche und vor Schiedsgerichten abgeschlossene Vergleiche ist auf Art. 5, Abs. 3, hinzuweisen).

Bei Versäumnisurteilen sind laut Art. 4, Ziff. 3, als Ausweis über die gehörige Ladung des Beklagten (Art. l, Ziff. 4) eine Abschrift der Ladung und eine Bescheinigung über Art und Zeit ihrer Zustellung an die nicht erschienene Partei einzureichen. Ist die Zustellung an einen zu ihrer Empfangnahme berechtigten Vertreter erfolgt, so gehört zum Zustellungszeugnis auch ein Ausweis über das Vertretungsverhältnis.

Neu ist die Ziff. 4 des Art. 4 : Lässt die Entscheidung den ihr zugrunde liegenden Sachverhalt nicht soweit erkennen, dass die Prüfung der im Art. l angeführten Voraussetzungen möglich ist, so sind eine Abschrift der Klage oder andere geeignete Urkunden beizubringen. Diese Bestimmung wird namentlich bei Versaumnisurteilen und bei österreichischen ,,Zahlungsaufträgen" sowie bei der Anwendung des Art. 2 nützlich sein. So sind in Österreich für Versaumnisurteile sogenannte gekürzte Ausfertigungen üblich ; um den ihnen zugrunde liegenden Sachverhalt in genügender Weise erkennen zu lassen, wird es nötig sein, eine Abschrift der Klage vorzulegen. Ferner kann es vorkommen, dass aus der Entscheidung nicht ersichtlich ist, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung oder eine vorbehaltslose Einlassung des Beklagten vorlag oder dass der Beklagte zahlungsunfähig war; in diesen Fallen sind geeignete Urkunden beizubringen.

Wenn eine Übersetzung nötig ist, muss sie nach dem Recht eines, der beiden Staaten als richtig bescheinigt sein (Art. 4, Ziff. 5).

Der letzte Absatz des Art. 4 verweist auf den schweizerisch-österreichischen Beglaubigungsvertrag vom 21. August 1916, dessen Anwendbarkeit auf die Republik Österreich durch Art. l des Vertrages vom 25. Mai 1925 festgestellt
worden ist (vgl. eidg. Gesetzsammlung, Bd. 42, S. 170 und 177).

ZM Art. 5. Dass nur solche Schiedssprüche in Betracht fallen können, die im Staate, wo sie gefallt wurden, rechtskräftig und (falls die Vollstreckung beantragt wird) vollstreckbar sind, ergibt sich aus Art. 1. Ziff. 3, und Art. 3, Abs. 1. Die Bescheinigung über die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit eines Schiedsspruchs wird in der Schweiz durch die zuständige Behörde des Kantons, wo der Schiedsspruch gefällt wurde, in Österreich von der Behörde, die dort zur Bewilligung der Zwangsvollstreckung zuständig wäre, ausgestellt (Art. 5, Abs. 3).

381 Neben den gerichtlichen Vergleichen werden im Art. 5 auch die vor Schiedsgerichten abgeschlossenen Vergleiche erwähnt.

TM Art. 6 (vgl. Ziff. I, Abs. 2, des Zusatzprotokolls zum Vertrage mit der Tschechoslovakei). Auf Adhäsionsurteile und auf die im Konkursoder Nachlassvertrags-Verfahren ergehenden Entscheidungen ist der Vertrag nicht anwendbar. Der Zusatz, dass er auf in einem Zivilprozesse verhängte Ordnungsstrafen nicht anzuwenden ist, besagt unseres Erachtens etwas Selbstverständliches.

Zu Art. 7. Die Entscheidungen administrativer vormundschaftlicher Behörden sind den gerichtlichen Entscheidungen gleichgestellt (vgl. Ziff. I, Abs. l, des Zusatzprotokolls mit der Tschechoslovakei). Österreich hat gegenwärtig keine derartigen Behörden, jedoch wird die Schaffung solcher in einem Gesetzesentwurf über die erweiterte Vormundschaft in Aussicht genommen. Die vor vormundschaftlichen Behörden abgeschlossenen Vergleiche (z. B. in Vaterschaftssachen) werden den gerichtlichen Vergleichen gleichgestellt.

Der Abs. 2 des Art. 7 enthält eine spezielle Bestimmung über die Vollstreckung von Entscheiden, die die Herausgabe eines Minderjährigen oder Pflegebefohlenen anordnen. Die Vollstreckung kann -- trotz Vorliegens der in Art. 3, Abs. l, genannten Voraussetzungen -- aufgeschoben werden, wenn die zustandige Behörde des ersuchten Staates auf Grund der ihr obliegenden Fürsorgepflicht wegen veränderter persönlicher Verhältnisse der beteiligten Personen (z. B. wegen Krankheit des Minderjährigen oder wegen neuer Tatsachen, die die persönlichen Verhältnisse des Kindes oder seiner Eltern betreffen) eine der Herausgabe entgegenstehende vorläufige Verfügung getroffen hat. Wird die Vollstreckung aufgeschoben, so sind die Behörde, die die Herausgabe angeordnet hatte, und der Gesuchsteller ungesäumt zu benachrichtigen. Diese Behörde kann gegebenenfalls auf Grund der veränderten Verhaltnisse eine andere Massnahme treffen; hält sie aber an der Herausgabev erfugung fest, so ist die Vollstreckung durchzuführen.

Zu Art. 8. Der Antrag auf Bewilligung der Zwangsvollstreckung für ein schweizerisches Urteil in Österreich ist von der beteiligten Partei in zwei Doppeln beim Bezirksgerichte einzureichen. Örtlich zuständig ist das Bezirksgericht, bei dem der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, oder in Ermangelung
eines solchen das Bezirksgericht, in dessen Sprengel sich das Vermögen des Schuldners befindet oder die Vollstreckungshandlung vorzunehmen ist. Mit dem Antrage sind die im Art. 4 bezeichneten Urkunden einzureichen. Im Antrage ist auch anzugeben, auf was die Vollstreckung gehen soll (z. B. Pfändung von Mobilien). Es besteht kein besonderes Exequaturverfahren (kein Delibationsverfahren), sondern der Gläubiger stellt sogleich den Antrag auf Bewilligung der Vollstreckung;

382

hierfür besteht kein Anwaltszwang. Der Schuldner kann gegen die Exekutionsbewilligung Widerspruch erheben ; das Bezirksgericht entscheidet über den Widerspruch nach mündlicher Verhandlung; gegen die Entscheidung steht der Rekurs offen (vgl. §§ 82-- 84 der österreichischen Exekutionsordnung).

Zu Art. 9. Die Bestimmungen von Kollektivverträgen (z. B. über den Eisenbahn-Frachtverkehr), an denen beide Staaten beteiligt sind, bleiben unberührt. Jedoch wird die Vollstreckung der in Art. 18, Abs. l und 2, der Haager Zivilprozesskonvention genannten Kostenentscheide vereinfacht, indem der diplomatische Weg und das besondere Exequaturverfahren ausgeschaltet werden (vgl. Art. 5 des schweizerisch-tschechoslovakischen Rechtshilfeabkommens).

Zu Art. 11. Über Fragen, zu denen die Anwendung des Vertrages Anlass gibt, wird eine gegenseitige Erteilung von Rechtsauskunft zwischen dem eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement und dem österreichischen Bundeskanzleramt (Justiz) vorgesehen.

Zu Art. 12. Der Vertrag hat rückwirkende Kraft, indem er auch auf Entscheidungen, Schiedssprüche und Vergleiche anzuwenden ist, die vor seinem Inkrafttreten in Rechtskraft erwachsen sind.

Beide Verträge entsprechen einem praktischen Bedürfnisse, das besonders im Handelsverkehr zutage getreten ist, und sind geeignet, die Entwicklung der rechtlichen Beziehungen unseres Landes zu Österreich und zur Tschechoslovakei zu fördern. Wir beantragen Ihnen, beiden Vertragen durch Annahme der nachstehenden Beschlussentwürfe die Genehmigung zu erteilen.

Bern, den 21. März 1927.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

Der Bundeskanzler: Kaesliu.

383

(Entwurf.)

Bimdesbesckluss betreffend

den Vertrag mit der Tschechoslovakei über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 21. März 1927, beschliesst: 1. Der am 21. Dezember 1926 unterzeichnete Vertrag zwischen der Schweiz und der Tscbechoslovakischen Republik über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen wird genehmigt.

2. Der Bundesrat wird mit dem VollzugfStflieses Beschlusses beauftragt.

384 Übersetzung.

T ertrag zwischen

der Schweiz und der Tschechoslovakischen Republik über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen.

Der Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Präsident der Tschechoslovakischen Republik haben es für nützlich erachtet, einen Vertrag über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen abzuschliessen, und haben zu diesem Zwecke zu ihren Bevollmächtigten ernannt: Der Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft : Herrn H e i n r i c h H a b e r l i n , Schweiz. Bundespräsidenten, Vorsteher des eidgenossischen Justiz- und Polizeidepartements; Der Präsident der Tschechoslovakischen Republik : Herrn E m i l S p i r a , Dr. jur., Sektionschef im Justizministerium, und Herrn K a r e l H a l f a r , Dr. jur., Chef der Abteilung für internationale Verträge im Ministerium des Auswärtigen ; die nach Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten die nachstehenden Artikel vereinbart haben : Artikel 1.

Die im einen Vertragsstaate gefällten gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- oder Handelssachen werden im andern Staat anerkannt, wenn sie folgende Voraussetzungen erfüllen : 1. dass die Grundsätze, die nach dem Rechte des Staates, wo die Entscheidung geltend gemacht wird, über die internationale Zuständigkeit der Gerichte bestehen, die Gerichtsbarkeit des andern Staates für den in Frage stehenden Fall nicht ausschliessen ; 2. dass die Anerkennung der Entscheidung nicht gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die Grundsatze des öffentlichen Rechts des Staates verstosst, wo die Entscheidung geltend gemacht wird ;

385 3. dass die Entscheidung nach den Gesetzen des (Staates, wo sie gefällt wurde, die Rechtskraft erlangt hat ; 4. dass im Fall eines Versäumnisurteils die säumige Partei, gegen die die Entscheidung geltend gemacht wird, gemäss den Gesetzen des Staates, wo die Entscheidung gefällt wurde, regelrecht geladen worden ist und die Ladung rechtzeitig erhalten hat.

Die Prüfung durch die Behörden des Staates, wo die Entscheidung geltend gemacht wird, beschränkt sich auf die in Ziffer l--4 angeführten Voraussetzungen. Diese Behörden haben von Amtes wegen zu prüfen, ob diese, Voraussetzungen vorliegen.

Artikel 2.

In Berücksichtigung der Fälle, wo die Schweiz, gestützt auf Artikel 59 ·der Bundesverfassung, im Sinne von Artikel l, Ziffer l, dieses Vertrages die Gerichtsbarkeit eines andern Staates nicht anerkennt, wird in entsprechender Weise folgendes bestimmt: Bei persönlichen Ansprüchen gegen einen zahlungsfähigen Schuldner, der im Zeitpunkt der Erhebung der Klage seinen Wohnsitz in der Tschechoslovakei hatte, wird in der Tschechoslovakei die schweizerische Gerichtsbarkeit nicht anerkannt, sofern nicht dieser Schuldner einen Gerichtsstand in der Schweiz vereinbart oder sich vorbehaltslos auf die Klage vor dem schweizerischen Richter eingelassen hat.

Diese Bestimmung steht der Anerkennung der schweizerischen Gerichtsbarkeit nicht entgegen, wenn der Schuldner am Orte seiner geschäftlichen Niederlassung oder Zweigniederlassung für Ansprüche aus dem Betriebe dieser Niederlassung belangt worden ist oder wenn am Gerichtsstand der Hauptklage eine mit dieser zusammenhängende Widerklage «rhoben worden ist.

Die familien- und erbrechtlichen Klagen sowie die dinglichen und gemischten Klagen gelten nicht als persönliche Ansprüche im Sinne dieser Bestimmung.

1 Artikel 3.

Die im einen Vertragsstaate gefällten gerichtlichen Entscheidungen können im andern Staate vollstreckt werden, wenn sie im Staate, wo sie ergangen sind, vollstreckbar sind und die in Artikel l, Ziffer l--4, angeführten Voraussetzungen erfüllen.

Die Prüfung durch die Behörden des Staates, wo die Vollstreckung beantragt wird, beschränkt sich auf die im vorstehenden Absatz genannten Erfordernisse. Diese Behörden haben von Amtes wegen zu prüfen, ob diese Voraussetzungen vorliegen.

Artikel 4.

Die Partei, die die Entscheidung geltend macht oder die Vollstreckung beantragt, hat beizubringen : Bundesblatt. 79. Jahrg. Bd. I.

30

386

1. eine Ausfertigung der Entscheidung, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt; 2. die Urkunden, die dartun, dass die Entscheidung in Rechtskraft erwachsen ist und, gegebenenfalls, dass sie vollstreckbar ist ; 3. eine beweiskräftige Abschrift der Ladung (Artikel l, Ziffer 4) der säumigen Partei ; 4. eine nach den Bestimmungen eines der beiden Staaten als richtig bescheinigte Übersetzung der vorstehend angeführten Urkunden, sofern nicht die zustandige Behörde von dieser Verpflichtung befreit hat; die Übersetzung ist in der Tschechoslovakei in tschechoslowakischer Sprache, in der Schweiz in der Sprache der ersuchten Behörde einzureichen.

Artikel 5.

Die Schiedssprüche, die im einen Vertragsstaate gefällt werden und dort dieselbe Wirksamkeit wie die gerichtlichen Entscheidungen haben, werden im andern Staate anerkannt und vollstreckt, wenn sie den Vorschriften der vorstehenden Artikel, soweit diese Anwendung finden können, genügen.

Dies gilt auch für gerichtliche Vergleiche und für vor Schiedsgerichten abgeschlossene Vergleiche.

Artikel 6.

Die Zuständigkeit und das Verfahren für die Vollstreckung bestimmen sich nach den Gesetzen des ersuchten Staates.

Artikel 7.

Die Bestimmungen dieses Vertrages sind ohne Rücksieht auf die Staatsangehörigkeit der Parteien anzuwenden.

Artikel 8.

Dieser Vertrag soll ratifiziert werden und die Ratifikationsurkunden sollen in Prag ausgetauscht werden.

Der Vertrag tritt einen Monat nach dem Austausche der Ratifikationsurkunden in Kraft und bleibt nach Kündigung, die jederzeit zulassig ist, noch ein Jahr in Kraft.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten diesen Vertrag in doppelter Ausfertigung unterzeichnet.

So geschehen in Bern am 21. Dezember 1926.

(sig.) H. Häberlin.

Dr. Emil Spira.

Dr. Kare) Halfar

387

Zusatzprotokoll.

Bei der Unterzeichnung des Vertrages zwischen der Schweiz und der Tschechoslovakischen Republik über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen haben die Bevollmächtigten der beiden Staaten in gegenseitigem Einverständnis folgendes festgestellt: I.

Als gerichtliche Entscheidungen im Sinne des Vertrages gelten die Entscheidungen in Zivil- oder Handelssachen, die im streitigen oder nichtstreitigen Verfahren von den ordentlichen Gerichten, von Spezialgerichten, von Schiedsgerichten oder von vormundschaftlichen Behörden (Pflegschaftsbehörden) gefällt werden.

Die in einem Strafverfahren ergangenen Entscheidungen über Anträge der Zivilpartei sowie die Entscheidungen über Konkurseröffnung oder über Bestätigung eines Nachlassvertrages gelten nicht als gerichtliche Entscheidungen in Zivil- oder Handelssachen im Sinne des Vertrages.

II.

Wenn über die Tragweite des Artikels 2 Zweifel auftauchen, werden das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement und das Tschechoslovakische Justizministerium einander zweckdienliche Auskunft erteilen, immerhin unter Vorbehalt der Entscheidungsfreiheit der Gerichte.

III.

Auf Wunsch des schweizerischen Bevollmächtigten wird festgestellt, dass der Vertrag auch auf die vor seinem Inkrafttreten in Rechtskraft erwachsenen gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüche und gerichtlichen Vergleiche anzuwenden ist.

IV.

Dieses Protokoll bildet einen integrierenden Bestandteil des Vertrages.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten dieses Protokoll unterzeichnet.

So geschehen in Bern, in doppelter Ausfertigung, am 21. Dezember 1926.

(sig.) H. Häberlin.

Dr. Emu Spira.

Dr. Kare l Halfar.

388

(Entwurf.)

ßundesbeschluss betreffend

den Vertrag mit Österreich Über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 21. März 1927, beschliesst: 1. Der am 15. März 1927 unterzeichnete Vertrag zwischen der Schweiz und Österreich über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen wird genehmigt.

2. Der Bundesrat wird mit dem Vollzuge dieses Beschlusses beauftragt.

389

Vertrag zwischen

der Schweiz und Österreich über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen.

Die Schweizerische Eidgenossenschaft und

die Republik Österreich haben beschlossen, zur Förderung des wechselseitigen Verkehres gemeinsame Bestimmungen über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen zu treffen. Zu diesem Zweck haben zu Bevollmächtigten ernannt : Der Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft: Herrn Bundesrat Heinrich H ä b e r l i n , Vorsteher des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements ; Der Bundespräsident der Republik Österreich: Herrn Dr. Markus L e i t m a i e r , Ministerialrat im Bundeskanzleramt,

und Herrn Dr. Edmund K r a u t m a n n , Ministerialrat im Bundeskanzleramt; die nach gegenseitiger Prüfung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten folgendes vereinbart haben : Artikel 1.

Die in einem der beiden Staaten gefällten gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen werden im andern Staat anerkannt, wenn sie folgende Voraussetzungen erfüllen : 1. dass die Grundsätze, die in dem Staate, wo die Entscheidunggeltend gemacht wird, über die zwischenstaatliche Zuständigkeit der Gerichte bestehen, die Gerichtsbarkeit des andern Staates nicht ausschliessen 2. dass die Anerkennung der Entscheidung nicht gegen die öffentliche Ordnung des Staates verstosst, wo die Entscheidung geltend gemacht wird, insbesondere dass ihr nicht nach dem Rechte dieses Staates die Einrede der entschiedenen Rechtssache entgegensteht;

390 3. dass die Entscheidung nach dem Rechte des Staates, wo sie gefällt wurde, die Rechtskraft erlangt hat ; 4. dass im Fall eines Versäumnisurteils die den Prozess einleitende Verfügung oder Ladung der säumigen Partei oder ihrem zur Empfangnahme berechtigten Vertreter zu eigenen Händen rechtzeitig zugestellt wurde. Hatte die Zustellung im Gebiete des Staates zu geschehen, wo die Entscheidung geltend gemacht wird, so muss sie im Rechtshilfewege bewirkt worden sein.

Die Behörden des Staates, wo die Entscheidung geltend gemacht wird, dürfen nur prüfen, ob die in Z. l bis 4 angeführten Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Prüfung erfolgt von Amts wegen.

Artikel 2.

Die Gerichtsbarkeit des Staates, wo die Entscheidung gefällt wurde, gilt für persönliche Ansprüche gegen einen zahlungsfähigen Schuldner insbesondere dann im Sinne des Art. l, Z. l, als ausgeschlossen, wenn der Schuldner zur Zeit der Erhebung der Klage seinen Wohnsitz in dem Staat hatte, wo die Entscheidung geltend gemacht wird.

Diese Bestimmung ist jedoch nicht anzuwenden: 1. wenn sieh der Beklagte durch eine ausdrückliche Vereinbarung der Zuständigkeit des Gerichtes unterworfen hat, das in der Sache erkannt hat 5 2. wenn sich der Beklagte vorbehaltslos auf den Rechtsstreit eingelassen hat ; 3. wenn es sich um eine Widerklage handelt ; 4. wenn der Schuldner am Orte seiner geschäftlichen Niederlassung oder Zweigniederlassung für Ansprüche aus dem Betriebe dieser Niederlassung belangt worden ist.

Als persönliche Ansprüche im Sinne dieses Artikels gelten nicht: familienrechtliche und erbrechtliche Ansprüche, dingliche Rechte und pfandrechtlich versicherte Forderungen.

Artikel 3.

Die in einem der beiden Staaten gefällten gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen werden im andern Staate vollstreckt, wenn sie die in Art. l, Z. l bis 4, angeführten Voraussetzungen erfüllen und in dem Staate, wo sie gefallt wurden, vollstreckbar sind.

Die Behörden des Staates, wo die Vollstreckung beantragt wird^ dürfen nur prüfen, ob die im Abs. l angeführten Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Prüfung erfolgt von Amts wegen.

391 Artikel 4.

Die Partei, die die Entscheidung geltend macht oder die Vollstreckung beantragt, hat beizubringen: 1. eine Ausfertigung oder Abschrift der Entscheidung; 2. eine Bescheinigung über die Rechtskraft und gegebenenfalls über die Vollstreckbarkeit der Entscheidung: die Bescheinigung ist von der Behörde, die die Entscheidung gefällt hat, oder vom Gerichtsschreiber auszustellen ; 3. im Fall eines Versäumnisurteils eine Abschrift der den Prozess einleitenden Verfügung oder Ladung und eine Bescheinigung über die Art und Zeit ihrer Zustellung an die nicht erschienene Partei ; 4. wenn die Entscheidung den ihr zugrunde liegenden Sachverhalt nicht soweit erkennen lässt, dass die Prüfung im Sinne des Art. l möglich ist, eine Abschrift der Klage oder andere geeignete Urkunden ; 5. gegebenenfalls eine Übersetzung der in Z. l bis 4 bezeichneten Urkunden in die Amtssprache der Behörde, bei der die Entscheidung geltend gemacht oder die Vollstreckung beantragt wird. Die Übersetzung muss nach dem Recht eines der beiden Staaten als richtig bescheinigt sein.

Auf die Beglaubigung der in diesem Artikel erwähnten Urkunden sind die Bestimmungen des Staatsvertrages vom 21. August 1916 anzuwenden.

Artikel 5.

Die in einem der beiden Staaten gefällten Schiedssprüche werden im andern Staat anerkannt und vollstreckt, wenn sie den Vorschriften der vorstehenden Artikel, soweit diese Anwendung finden können, genügen.

Dies gilt auch für gerichtliche oder vor Schiedsgerichten abgeschlossene Vergleiche.

Die Beseheinigung über die Rechtskraft und über die Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs oder des vor einem Schiedsgericht abgeschlossenen Vergleichs wird in Österreich durch die Behörde, die zur Bewilligung der Zwangsvollstreckung in diesem Staate zuständig wäre, in der Schweiz durch die zuständige Behörde des Kantons, wo der Schiedsspruch gefällt oder der Vergleich geschlossen wurde, ausgestellt.

Artikel 6.

In einem Strafverfahren ergangene Entscheidungen über privatrechtliche Ansprüche, in einem Zivilprozesse verhängte Ordnungsstrafen, Entscheidungen über die Eröffnung des Konkurses und andere Entscheidungen im Konkurs- und Ausgleichsverfahren, sowie Entscheidungen über die Bestätigung eines Nachlassvertrages gelten nicht als gerichtliche Entscheidungen im Sinne dieses Vertrages.

392

Artikel 7.

Entscheidungen anderer als gerichtlicher Behörden, die zur Führung von Vormundschaften oder Pflegschaften berufen sind, sowie die vor solchen Behörden abgeschlossenen Vergleiche sind den gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen im Sinne dieses Vertrages gleichgestellt.

Die beiden Eegierungen werden einander diese Behörden mitteilen.

Die Vollstreckung von Ansprüchen auf Herausgabe Minderjähriger oder Pflegebefohlener kann aufgeschoben werden, wenn der Durchführung vorläufige Verfügungen der zuständigen Behörden des Staates, wo die Vollstreckung beantragt wird, entgegenstehen, die auf Grund der diesen Behörden obliegenden Fürsorgepflicht wegen veränderter persönlicher Verhältnisse der beteiligten Personen getroffen werden. Die Behörde, von der die zu vollstreckende Entscheidung ausgegangen ist, sowie die Partei, die die Vollstreckung beantragt hat, sind von der Aufschiebung ungesäumt in Kenntnis zu setzen.

Artikel 8.

Die Zuständigkeit und das Verfahren für die Zwangsvollstreckung bestimmen sich nach dem Kechte des Staates, wo die Vollstreckung beantragt wird, und zwar in der Schweiz, wenn sie auf Geldzahlung oder Sicherheitsleistung gerichtet ist, nach den bundesrechtlichen Vorschriften über Schuldbetreibung und Konkurs (Bundesgesetz vom 11. April 1889 samt Nachträgen), in den übrigen Fällen nach dem Prozessrechte des Kantons, wo die Vollstreckung erfolgen soll, in Österreich nach den Bestimmungen der österreichischen Exekutionsordnung (Gesetz vom 27. Mai 1896, Reichsgesetzblatt Nr. 79, samt Nachträgen).

Artikel 9.

Die Bestimmungen zwischenstaatlicher Abkommen, an denen beide Staaten beteiligt sind, weiden durch diesen Vertrag nicht berührt.

Die in Art. 18, Abs. l und 2, der Übereinkunft über Zivilprozessrecht vom 17. Juli 1905 genannten Kostenentscheidungen, die in einem der beiden Staaten ergangen sind, werden im andern Staat auf ein von der beteiligten Partei unmittelbar zu stellendes Begehren vollstreckt.

Artikel 10.

Die Bestimmungen dieses Vertrages sind ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der Parteien anzuwenden.

Artikel 11.

Das österreichische Bundeskanzleramt (Justiz) und das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement werden einander unmittelbar über Fragen,

*

393

zu denen die Anwendung dieses Vertrages Anlass geben sollte, auf Ersuchen Rechtsauskunft erteilen. Die Entscheidungsfreiheit der Gerichte bleibt unberührt.

Artikel 12.

Dieser Vertrag ist auch auf gerichtliche Entscheidungen, Schiedssprüche und Vergleiche anzuwenden, die vor seinem Inkrafttreten erlassen oder geschlossen worden sind.

Artikel 13.

Dieser Vertrag soll ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen in Wien ausgetauscht werden.

Der Vertrag tritt zwei Monate nach dem Austausche der Ratifikationsurkunden in Kraft und bleibt nach Kündigung, die jederzeit zulässig ist, noch ein Jahr in Kraft.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten diesen Vertrag in doppelter Ausfertigung unterzeichnet.

So geschehen in Bern am fünfzehnten März eintausendneunhundertsiebenundzwanzig.

(sig.) .Häberlin.

Leitmaier.

Krautmann.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Verträge mit der Tschechoslovakei und mit Österreich über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen. (Vom 21. März 1927.)

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